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solo, selbst & ständig E-Book

Anne Dittmann

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Beschreibung

Der SPIEGEL-Bestseller, auf den alle Alleinerziehenden gewartet haben

»Ich habe gelacht, geweint und immer wieder gedacht: Dieses Buch ist eine Pflichtlektüre – nicht nur für Alleinerziehende!« Sara Buschmann, Gründerin von Solomütter

Eine Trennung mit Kind stellt eine immense Herausforderung dar. Die meinungsstarke Journalistin und Autorin Anne Dittmann weiß, wovon sie spricht – und gibt einfühlsam und ermutigend Orientierung. Sie holt Betroffene da ab, wo sie während oder nach einer Trennung stehen: mit all ihren Fragen, Problemen, Unsicherheiten und Gefühlen – und den mit einer Trennung einhergehenden Vorurteilen und Benachteiligungen in unserer Gesellschaft. Anne Dittmann formuliert klar, was Alleinerziehende wirklich brauchen, und zeigt Schritt für Schritt, welche Hebel auf individueller wie auf struktureller Ebene gezogen werden können und müssen, um das Leben von Alleinerziehenden zu verbessern.

Sie liefert mit ihrem Wut- und Mutmachbuch allen Allein- und Getrennterziehenden eine kenntnis- und faktenreiche Begleitung, angereichert mit persönlichen Erfahrungen rund um ihre eigene Trennung mit Kind und wertvollem Input aus ihrer großen Community: Über das Trennen und Kümmern. Über Geld, Arbeit und Gesundheit. Über das Daten und die Liebe. Und über das Träumen und Leben als Alleinerziehende.

Dieses Buch gibt Allein- und Getrennterziehenden eine Stimme, liefert konkrete Erste-Hilfe-Tipps, die richtigen Ventile für Frust und Ängste und bietet Halt, Trost und Bestärkung in einer neuen Lebensphase.

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Seitenzahl: 305

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Selbstbewusst, sichtbar, selbstbestimmt!

Eine Trennung mit Kind stellt immense Herausforderungen an die Betroffenen. Die meinungsstarke Journalistin und Autorin Anne Dittmann weiß, wovon sie spricht – und gibt einfühlsam und ermutigend Orientierung. Sie holt Betroffene da ab, wo sie während oder nach einer Trennung stehen: mit all ihren Fragen, Problemen, Unsicherheiten und Gefühlen – und den mit einer Trennung einhergehenden Vorurteilen und Benachteiligungen in unserer Gesellschaft.

Burn-out und Depression, Armut und Zeitnot: Alleinerziehende sind großen finanziellen und psychischen Belastungen sowie handfesten strukturellen Benachteiligungen ausgesetzt. Das System lässt sich nicht von heute auf morgen ändern, aber Anne Dittmann legt den Finger in die Wunde, formuliert klar, was Alleinerziehende wirklich brauchen und zeigt Schritt für Schritt, welche Hebel auf individueller wie auf struktureller Ebene gezogen werden können und müssen, um das Leben von Alleinerziehenden zu verbessern.

Dieses Buch gibt Allein- und Getrennterziehenden eine Stimme, liefert konkrete Erste-Hilfe-Tipps und die richtigen Ventile für Frust und Ängste, und bietet Halt, Trost und Bestärkung in einer neuen Lebensphase. Über das Trennen und Kümmern. Über Geld, Arbeit und Gesundheit. Über das Daten und die Liebe. Und über das Träumen und Leben als Alleinerziehende.

Mit Interviews mit Michèle Loetzner, Hilal Virit, Birgit Happel, Sandra Runge, Patricia Cammarata und Jennifer Sutholt.

Anne Dittmann ist Autorin, Kolumnistin und Journalistin, unter anderem für die SZ, Welt, Brigitte, Brigitte BeGreen, Solomütter und Little Years. Sie ist eine der bekanntesten und engagiertesten Stimmen für den großen Themenkomplex »Allein- und Getrennterziehend« und hat auf Instagram eine starke Community rund um das Thema aufgebaut. Zusammen mit Anna Lisicki-Hehn realisierte sie – allein via Crowdfunding – das moderne Freund*innenbuch »Meine Crew«. Sie lebt mit ihrem Kind in Berlin und ist – nach mehreren Jahren als Alleinerziehende – mittlerweile getrennt erziehend im Wechselmodell.

ANNE

DITTMANN

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte sind die Namen der meisten genannten Personen geändert. Orte, die eine genaue Identifizierung der beschriebenen Personen ermöglicht hätten, werden nicht genannt oder wurden verfremdet. Die Erlebnisberichte schildern die Sicht der Autorin, und diese muss nicht mit der Wahrnehmung anderer beteiligter Personen übereinstimmen. Erzählungen werden so wiedergegeben, wie sie der Autorin berichtet wurden, abgesehen von Änderungen zur Wahrung der Anonymität.

Copyright © 2023 Kösel-Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Dr. Katharina Theml, Büro Z, Wiesbaden

Sensitivity Reading: Jasmin Dickerson

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Illustrationen Innenteil: Magdalena Fournillier

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-30172-9V004

www.koesel.de

Für meinen kleinen Lieblingsmenschen. Und für meine Mutter.

INHALT

TRENNUNGEN

Über dieses Buch

Angst und Konventionen überwinden

Ehe und Geld

Partnerschaftliche Gewalt

Ein Akt der Emanzipation

Erste Hilfe: Trennung

FAIRCARE

Sorge und Recht

Residenz- und Wechselmodell

Täter-Opfer-Umkehr am Familiengericht

Erste Hilfe: Fair Care

ARBEITUNDGELD

Balanceakt entlang der Armutsgrenze

Steuer(un)gerechtigkeit

Wut zur Betreuungslücke!

New Work aus der Hölle

Wanted: Moderne Care- und Arbeitskultur

Erste Hilfe: Arbeit und Geld

KOPFUNDKÖRPER

Yogi-Tee ist kein Therapie-Ersatz

Ein Blumenstrauss an Therapiemöglichkeiten

Wie man sich entspannt

Erste Hilfe: Kopf und Körper

LIEBE

Lust auf ein Date?

Patchwork-work-work

Die Schönheit im Alleinsein

Erste Hilfe: Liebe

Epilog

Dank

Literatur

Anmerkungen

TRENNUNGEN

TRENNUNGEN

TRENNUNGEN

TRENNUNGEN

Der 13. August 2016 sollte eigentlich die perfekte Samstagsödnis werden. Ich hatte den Tag mit meinem Kleinkind an einem Berliner See verbracht. Eis essen, Sandburgen bauen, die Füße durchs Wasser ziehen und später Abendbrot zu dritt – mehr sollte nicht passieren. Als mein Kind und ich wieder zu Hause ankamen, hatte die Sonne ihren Zenit längst hinter sich gelassen. Ich rief ein »Hallooo« durch die Wohnung und verschwand mit dem Kleinen direkt im Badezimmer, um die Sandreserven von seinem Körper zu waschen. Ich wunderte mich nicht darüber, dass mein Freund dreimal kurz hintereinander am Bad vorbeiging; hin und her und wieder hin, ehe er schließlich auf uns zukam. Er hockte sich neben mich, seine Augen waren rot unterlaufen. »Was ist denn los?« – »Ich kann das mit uns nicht mehr.« Seine Stimme brach, aber sein Blick war fest. Was auch immer er da gerade tat, es kostete ihn offensichtlich unendlich viel Kraft. Macht er etwa gerade mit mir Schluss? Mir fiel die zerknautschte Badeente meines Kindes aus den Händen. Ihr Hohlkörper zog quietschend Luft ein, dann hörte ich das dumpfe Klatschen kleiner Hände und ein glucksendes »Nommaaal!«. Natürlich, unser Kind saß immer noch in der Badewanne, direkt neben uns. Ich bin einigermaßen multitaskingfähig, aber sich um mein kleines Kind zu kümmern und nebenbei kompetent auf den Trennungswunsch seines Vaters einzugehen, schien mir definitiv unvereinbar.

Ich hatte keine Ahnung, wie ich mich verhalten sollte. Ich hatte mir keinen Plan zurechtgelegt, weil ich nicht einmal geahnt hatte, dass sich diese Situation womöglich anbahnte. Es gab keine sich wiederholenden Diskussionen über Dinge, die uns grundsätzlich aneinander nervten. Wir hatten gerade erst das bekanntermaßen stressige erste Babyjahr überstanden, mit schlaflosen Nächten und strapazierten Nerven und allem, was andere Paare eben auch durchmachten. Und wir machten zuversichtlich Pläne. Wir wollten zwei bis vier Kinder, uns in der Arbeit verwirklichen, heiraten. Wir teilten alles partnerschaftlich 50:50, auch die Elternzeit. Wir waren beide bei alleinerziehenden Müttern aufgewachsen und sehnten uns nach dem Mutter-Vater-Kind-Familienidyll. Wir wollten es besser machen. Wir lasen Elternratgeber, ich mehr als er, und keiner von ihnen hatte mich darauf vorbereitet, dass der Vater meines Kindes irgendwann plötzlich zu mir kommen und unsere Zukunftspläne zu Luftschlössern erklären würde. Nirgends hatte ich gelesen, was dann zu tun ist, wie man reagiert. Und selbst wenn, ich hätte die Seiten im Ratgeber sowieso übersprungen, weil ich sicher war, dass dieser liebe, nette, gute Kerl mich niemals einfach verlassen würde – erst recht nicht, seit wir ein Kind hatten. Trifft auf uns nicht zu, hätte ich gedacht und Schultern zuckend umgeblättert.

Was sollten Eltern auf keinen Fall tun, wenn sie sich trennen? Das Kind zusehen lassen, dachte ich. Ich zwang meine Mundwinkel nach oben und reichte unserem Kind die Badeente. Dein Kind versteht die Worte noch nicht, aber es hört, wenn du schreist, und sieht, wenn du weinst, dachte ich.Auf keinen Fall wollte ich meinem Kind schaden. Durchatmen, Anne.

Meine erste Kindheitserinnerung ist der Moment, in dem sich meine Eltern trennen: Ich bin drei Jahre alt, und die Tür zum Wohnzimmer steht einen Spalt weit offen. Von meinem Bett aus kann ich die Stimme meiner Mutter hören. Sie klingt mal empört, mal erschöpft, dann weint sie. Meine Mutter hat zu diesem Zeitpunkt zwei Kinder, meinen fünfjährigen Bruder und mich. Sie arbeitet in Vollzeit bei einer Elektrofirma und gibt wie immer alles. Sogar mit gebrochenem Arm hat sie noch Waschmaschinen in einen Transporter verladen. Sie ist eine kräftige, anpackende Frau. Aber der Tag hat nur 24 Stunden, und unsere Wohnung ist manchmal chaotisch. An diesem Abend streiten meine Eltern eine ganze Weile, weshalb ich denke, dass sie Hilfe brauchen – meine Hilfe. Also steige ich aus meinem Bett und laufe in den Flur, aber vor der Wohnzimmertür bleibe ich stehen. Ich habe keine Ahnung, wie ich ihnen helfen kann; in meiner Vorstellung stürme ich ins Wohnzimmer wie eine Superheldin und rufe »Hört auf zu streiten!«, und dann würden sie es einsehen und sich vertragen. Aber was, wenn nicht? Würden sie sauer auf mich werden? Ich stehe eine Weile vor der Tür und hadere mit mir, ehe ich schließlich mit einem Gefühl der Ohnmacht zurück ins Bett tapse. Ich kann ihnen nicht helfen.

23 Jahre später wünschte ich mir, dass mein Kind diese Ohnmacht nicht fühlen muss. »Können wir darüber später in Ruhe sprechen?« – er schüttelte den Kopf. »Können wir eine Paartherapie machen?« – wieder Kopfschütteln. »Das bringt nichts, Anne.« Ich konnte nichts tun, er hatte ohne mich entschieden. Während ich noch versuchte, meine Gedanken zu sortieren, ging er schon ins Schlafzimmer, packte ein paar Sachen in seinen Rucksack und schloss leise die Wohnungstür hinter sich. Weg war er. Zack – so schnell kann man alleinerziehend werden.

Meine Geschichte ist eine von 2,6 Millionen in Deutschland, so viele Alleinerziehende leben hier. Manche würden sich eher als getrennterziehend bezeichnen, weil sie sich nach der Trennung die Kinderbetreuung mit dem anderen Elternteil teilen. Aber für sie gibt es in Statistiken meist keine eigene Zuordnung, deshalb werde ich sie nur gesondert benennen, wenn es auf die Unterschiede ankommt, ansonsten nutze ich den Begriff »alleinerziehend«. Und mittlerweile ist es knapp sieben Jahre her, dass ich eine von ihnen wurde. Das größte Problem von Alleinerziehenden und der Grund, warum ich dieses Buch schreibe: Wir sind eine sehr stille Gesellschaftsgruppe, wir haben keine Zeit für regelmäßigen Austausch oder Protest. Alleinerziehende verbringen mehr Zeit auf Arbeit als Mütter in Paarbeziehungen, denn ihre Lebenshaltungskosten müssen sie allein aufbringen. Haushalt und Kinder, Einkäufe, Zahnarzttermine und Elternabende füllen den Rest der Woche, sodass soziale Kontakte nicht selten zu kurz kommen. In meinen ersten Jahren als Alleinerziehende fühlte ich mich oft isoliert und überlastet, sodass ich regelmäßig um zwanzig Uhr mit meinem Kind einschlief. Leben war das nicht. Eher Überleben. »Es tut mir leid, ich schaffe gerade gar nichts, außer überleben«, schreibt auch die Journalistin und Autorin Mareice Kaiser in Das Unwohlsein der modernen Mutter als Antwort auf all die beruflichen und sozialen Erwartungen, denen sie nicht gerecht werden kann.1 Kaiser hatte das Manuskript für ihr Buch zuerst einem Verlag angeboten, der es mit der Begründung ablehnte: »Wir fürchten, dass die Kernzielgruppe […] zu wenig Zeit hat, um zum Buch zu greifen«.2 Ein Fehler, wie sich bald herausstellte: Kaisers Buch wurde bei einem anderen Verlag zum Bestseller. Offenbar liest die Zielgruppe doch – die Geschichten von anderen getrennten Eltern zu lesen ist für Alleinerziehende eine effiziente Art, sich auszutauschen und zu protestieren. Und es hilft ihnen, sich wohler zu fühlen.

Wenn Alleinerziehende einander Geschichten erzählen, bestätigen sie damit auch ihre Wahrnehmung: Nach meiner Trennung gab es zwei, drei Bücher von anderen getrennten Eltern – bis heute sind nur etwa eine Handvoll dazugekommen. Es erleichterte mich, dass ich mich in diesen Geschichten wiederfinden konnte. Warum das so wichtig ist? Weil Alleinerziehenden ständig mit Vorurteilen und Unverständnis begegnet wird – bei der Wohnungssuche, im Kindergarten, in der Schule, bei der Arbeit. Ich erinnere mich an eine verheiratete Arbeitskollegin, die zu mir sagte, sie habe nicht nur ein Kind, sondern zwei und schaffe es trotzdem, Vollzeit zu arbeiten und Karriere zu machen. Die Übersetzung im Unterton: »Vereinbarkeit ist möglich, aber dafür muss man schon auch was tun. Wenn aus dir nichts wird in dieser Firma, dann nur, weil du dich nicht genug anstrengst.« Dass ihr Mann in Teilzeit arbeitete, blendete sie aus. Was solch ein Umgang mit Alleinerziehenden – auch unbeabsichtigt – macht? Er belegt sie mit einer Reihe negativer Charaktereigenschaften, etwa: unzuverlässig, unflexibel, inkompetent oder faul. Nach dem Motto: Hart arbeiten? Wollen sie nicht wirklich. Dafür in ihrer »selbst gewählten Opferrolle« jammern. Das macht sie zu unattraktiven Angestellten, Kolleg*innen, Freund*innen, und gute Mütter können sie dann wohl auch nicht sein. Kein Wunder, dass Alleinerziehende ein niedrigeres Selbstwertgefühl haben. Und absurd zugleich: Sie wuppen schließlich Sorgearbeit und Haushalt allein und arbeiten mehr als Eltern in Paarbeziehungen.

Was Alleinerziehende in unserer Gesellschaft tagtäglich erleben, würde in einer Beziehung längst als Gaslighting bezeichnet werden, eine Form der psychischen Gewalt: Wer eine andere Person gaslightet, manipuliert sie mit Vorwürfen, verdrehten Tatsachen, Lügen – bis sie das Gefühl hat, dass ihre eigene Wahrnehmung falsch ist, oder sogar denkt, verrückt zu sein. Weil ständig suggeriert wird: Das, was du denkst und tust, ist falsch, und deine Gefühle sind ganz anders, wenn du wirklich ehrlich mit dir wärst. Während also Alleinerziehende spüren, dass sie erschöpft sind, wird ihnen suggeriert, faul zu sein und sich auf Sozialleistungen auszuruhen. Während sich Eltern trennen, womöglich auch, um ihre Kinder zu schützen, wird ihnen unterstellt, egoistisch zu sein und die Bedürfnisse der Kinder zu ignorieren. Das ist Gaslighting auf hohem Niveau. Leisten Alleinerziehende dadurch mehr? Leben andere dadurch besser? Im Gegenteil.

»Ich war dreißig Jahre depressiv. Ich muss damit leben. Und ich habe keinen Bock, das zu verheimlichen«, schreibt der alleinerziehende Vater und Comedian Alexander Bojcan alias Kurt Krömer in seinem Bestseller Du darfst nicht alles glauben, was du denkst.3 Bojcan gewährt tiefe Einblicke in seine – wie er sagt – Mutterschaft und die Auswirkungen von beruflichem und privatem Druck auf sein Leben: Seine Geschichten handeln nicht nur von Depressionen, sondern auch von Impotenz, Alkoholsucht, vom Kümmern und dem Ringen um das eigene Leben – und sie sind deshalb so kraftvoll, weil Bojcan sich authentisch zeigt, sich nackig macht, wie er sagt. Er erzählt die Geschichte eines Alleinerziehenden, aus seiner Perspektive.

ÜBER DIESES BUCH

Kraft entsteht dort, wo Menschen auf die eigene Wahrnehmung vertrauen, wo sie ihre eigene Geschichte mit Würde und Selbstachtung erzählen und leben können – darum soll es auch in diesem Buch gehen. Ich kann das System nicht ändern, ich kann nicht deutschlandweit Firmen umstrukturieren oder Menschen vorschreiben, was sie über Alleinerziehende zu glauben haben. Aber ich kann ehrlich meine Geschichten erzählen: über das Trennen und Kümmern. Über Geld, Arbeit und Gesundheit. Über das Daten und die Liebe. Über das Träumen und Leben als Alleinerziehende. Ich werde meine Perspektive so oft wie möglich durch die Stimmen und Erfahrungen anderer Alleinerziehender bereichern. Denn natürlich sind wir nicht alle gleich; es gibt pflegende Alleinerziehende mit behinderten Kindern oder Alleinerziehende, die selbst eine Behinderung haben. Manche Alleinerziehende haben auch Rassismus oder häusliche Gewalt überlebt – oder überleben sie noch. Es gibt Alleinerziehende, die gute und schlechte Erfahrungen als Patchworkfamilie gemacht haben. Oder an Familiengerichten. Oder mit Geld. Ich spreche seit sieben Jahren mit anderen getrennten Eltern, vor allem auf Instagram – und sie alle erzählen ihre ganz eigenen Geschichten. Aber auf einer tieferen Ebene lässt sich erkennen, wie sehr diese Geschichten von Gesetzen, sozialen Institutionen und Ideologien beeinflusst sind. Denn immer noch gilt: Das Private ist politisch.

Ich finde, eine moderne Demokratie muss sich auch am Wohlbefinden von Alleinerziehenden messen lassen: Was erleben Eltern, die sich trennen wollen? Können sie es sich leisten, alleinerziehend zu werden? Welche Möglichkeiten haben sie, um den Trennungsfall abzusichern? Wie reagiert ihr Umfeld? Wie sollte es reagieren? Und wie können getrennte Eltern dafür sorgen, dass es ihren Kindern gut geht? Welches Betreuungsmodell ist das beste? Wie einigt man sich miteinander? Welche Rechte haben Eltern und welche ihre Kinder? Und wohin mit all den Gefühlen? Wie hole ich mir Hilfe? Was ist Mental Load? Wie bleibe ich psychisch gesund? Gibt es einen Weg aus der Armut? Kann ich trotzdem Karriere machen? Was, wenn ich mich neu verliebe? Und was, wenn nicht, ich aber trotzdem noch einen Kinderwunsch habe? Kann ich ihn ohne Partner*in verwirklichen? Wie lebt man gut für sich allein? All diese Fragen werden in diesem Buch diskutiert. Weil sie Alleinerziehende unmittelbar betreffen und letztendlich auch zeigen, wie frei Eltern in Paarbeziehungen wirklich sind.

Ich werde zeigen, was Alleinerziehende tun können, um sich selbst zu einem leichteren Leben zu verhelfen. Aber am Ende geht es mir eindeutig um mehr als akute Hilfsmittel: Einelternfamilien würden politisch, rechtlich und finanziell besser dastehen, wenn sie gesellschaftlich mehr Raum einnehmen, sie und ihre Lebensrealitäten stärker teilhaben können. Was brauchen wir, um das zu erreichen? Und wie kann man sich solidarisch zeigen? Um Antworten auf diese Fragen zu liefern, werde ich Vorurteile analysieren und die Ideologien dahinter durchleuchten. Es geht mir auch darum, dass alleinerziehend nicht länger als Scheitern betrachtet wird. Sondern als eine legitime, gute Möglichkeit zu leben. Dieses Buch ist für alle Menschen, die sich mehr Selbstbestimmung wünschen, ganz besonders für die 2,6 Millionen.

ANGST UND KONVENTIONEN ÜBERWINDEN

Nach der Trennung hatte meine Mutter noch knapp 400 Mark in der Tasche. »Ich musste mir schnell neue Arbeit suchen, im Familienunternehmen konnte ich nicht bleiben und ich musste Geld verdienen, um unser Essen und die nächste Miete bezahlen zu können«, erzählt sie mir heute. Ich frage, wie ihre Eltern darauf reagiert haben. »Ich habe ihnen erst mal nichts gesagt.« – »Warum nicht? Sie hätten dir doch geholfen.« – »Weil ich mich schämte.«

Ich weiß genau was sie meint. Als der Vater meines Kindes einen auf »Ich geh mal eben Zigaretten holen« in Light-Version gemacht hatte, kroch auch in mir die Scham hoch. Da saß ich nun auf dem Badezimmerboden und schämte mich vor meinem Kind, vor meiner Familie, meinen Freund*innen, meinen Arbeitskolleg*innen, vor der Welt. Das hast du ja toll hingekriegt, dachte ich. Ein Kind geboren mit einem, der euch beide einfach sitzen lässt, bravo Anne, gute Wahl. Ich war die Erste in meinem Freund*innenkreis, die eine Familie gründete, und nun auch die erste und einzige getrennte Mutter. Gleichzeitig wusste ich, dass ich nichts hätte anders machen können. Dass ich mein Bestes gegeben hatte und trotzdem an diesem Punkt angekommen war. Ich war wütend darüber, dass er mir nicht die geringste Chance gegeben hatte, unsere Beziehung gemeinsam hinzukriegen, dass er mich offenbar nicht eingeweiht hatte in seine Zweifel. Und ich war verletzt, weil er mir sagte, dass er mit mir nicht leben kann. Ich fühlte mich wie das Opfer, die Täterin und Lachnummer gleichzeitig.

Als Teenager heulte ich nach jeder Trennung ausgiebig in die Arme meiner Mutter und meiner Freund*innen. Sie kamen mit einer Wagenladung Süßigkeiten und waren motiviert, stundenlang meine komplette Beziehungsgeschichte zu analysieren. Am Ende lautete das immer gleiche hochwissenschaftliche Ergebnis: Ich bin liebenswert, also hat der*die Ex es wohl verbockt. Egal, ob ich verlassen wurde oder selbst verlassen hatte. Warum? Weil Freund*innen sich an das Handbuch für frische Singlebabys halten, und Regel Nummer eins lautet: Pampern, bis sie trocken sind. Völlig fehl am Platz sind Sätze wie: »Na ja, dein Konfliktmanagement ist aber auch noch ausbaufähig« – das ist definitiv nicht der Stoff, mit dem man Tränen trocknet. Ebenfalls sollte man »Dein*e Ex konnte es wohl einfach nicht mehr mit dir aushalten, du Workaholic« nur bringen, wenn man frische Luft schnappen will, ohne die Treppe zu nehmen. Zum Glück ist auf die meisten Freund*innen Verlass. Und so vergingen Tage und Wochen, in denen ich gut betreut verschiedene Trennungsphasen durchlief, vom Leugnen über Trauer, Wut bis zur Neuorientierung. Irgendwann war ich auch bereit, mein eigenes Verhalten zu reflektieren, mir zu überlegen, was ich beim nächsten Mal anders machen will. Oma und Opa gaben auch noch ihre Weisheiten ab à la »Andere Mütter haben auch schöne …« und »Die Zeit heilt alle …«. Und tatsächlich war das Leben jedes Mal schnell wieder gut.

Als Mutter war nach der Trennung vom Vater meines Kindes für einen gepflegten Heulkrampf neben der Badezimmertoilette und das ausgiebige Suhlen in Selbstmitleid einfach kein Platz. Einerseits spürte ich die Verantwortung für mein Kind. Und andererseits: Wie soll man trauern, wenn der Einjährige einem aus der Badewanne heraus freudig die Quietscheente an den Kopf wirft? Er hatte keine Ahnung davon, dass sich auch sein Leben ab sofort komplett verändern sollte. Und mit einem Einjährigen kann man auch schlecht darüber sprechen. Also ließ ich mich auf seine Realität ein: Die Abendroutine beginnen – abtrocknen, anziehen, füttern, vorlesen. Alles ganz normal.

Erst als mein Kind schlief, konnte ich in Ruhe darüber nachdenken, was wenige Stunden zuvor passiert war. Jetzt hast du endlich Zeit für Tränen, dachte ich. Aber nichts passierte. Wut und Scham steckten in meinem Körper fest und versperrten zunächst allen anderen Gefühlen den Weg. Und obwohl ich die Trennung lieber wie eine Leiche im Keller versteckt hätte, war mir klar, dass ich es früher oder später sowieso erzählen musste. Außerdem konnte ich Beistand gut gebrauchen, also schrieb ich Nachrichten an meine engsten Freundinnen und meine Familie. Aber als mich am nächsten Tag ein Familienmitglied anrief, bekam ich keinen Trost, sondern musste mir folgenden »gut gemeinten« Satz anhören: »Vielleicht hast du ihm nicht genug Sex geboten so als junge Mutter?« Später rief mich ein weiteres Familienmitglied an und sagte: »Ich glaube, ich weiß, was du falsch gemacht haben könntest: Du hast ihm vielleicht nicht genug Freiheiten gegeben.« Sie merkten es nicht, aber für mich fühlten sich diese Sprüche an wie ein Nachtreten, obwohl ich doch schon am Boden lag. Ich wollte nur noch schreien. Aber gleichzeitig brauchte ich jeden einzelnen Menschen, der noch zu mir halten wollte. Also verzweifelte ich still. Noch nie hatte ich mich so missverstanden und einsam gefühlt.

Ich hatte keine Ahnung, wie ich mit meinem Kummer umgehen sollte, und überlegte, wie ich meine Gefühle produktiv und gesellschaftsfähig rauslassen könnte. Also riss ich eine komplette Tapete von der Wohnzimmerwand und renovierte die Wohnung – natürlich nur nachts, wenn mein Kind schlief. Morgens lächelte ich winkend, wenn ich mein Kind bei der Kita abgab, und heulte auf dem Rad, wenn ich zur Arbeit fuhr.

Am Schreibtisch hörte ich Dolly Parton in Dauerschleife: »Jolene, Jolene, Jolene, Jolene – I’m begging of you please don’t take my man – Jolene, Jolene, Jolene, Jolene – Please don’t take him just because you can …«, um mich hin und wieder zum Weinen auf die Toilette zu verkriechen. Es ist ein Klischee, aber auch in meinem Fall gab es eine Jolene. Der Vater meines Kindes hatte sich in sie verliebt und ein halbes Jahr mit sich gerungen, ehe er gegangen ist – ich hatte nichts gewusst, nichts geahnt. Und ich konnte nicht anders, als sie zu kontaktieren und mich mit ihr auf einen Spaziergang am Bahnhof Ostkreuz in Berlin zu treffen. Wir liefen Runden um einen Spielplatz, sie erzählte mir, dass sie das alles nicht gewollt habe, dass er nicht ihre große Liebe sei. Ich bat sie, sich zurückzuziehen, dann gaben wir uns die Hände und gingen unserer Wege. Ich hoffte, dadurch Zeit zu gewinnen; vielleicht würde er sich wieder besinnen und zurückkommen? Jolene hielt ihr Wort, aber er kam nicht zurück. Die Probleme lagen tiefer, wie so oft.

»Am Ende einer Beziehung müssen wir Angst und Konventionen überwinden. Und gleichzeitig Verantwortung übernehmen. Auch für die eigenen Unzulänglichkeiten, denn nur dann kann es wirklich weitergehen und besser werden«, schreiben Heike Blümner und Laura Ewert in Schluss jetzt! Von der Freiheit sich zu trennen.4 Es geht also nicht darum, den*die Schuldigen zu entlarven, dafür sind die meisten Beziehungsdynamiken sowieso zu komplex. Es geht darum, für sich selbst zu reflektieren: Was möchte ich beim nächsten Mal anders machen? Habe ich immer meine Grenzen beachtet und wenn nicht, warum nicht? Wie habe ich kommuniziert? Wo kann ich mir mehr Zeit nehmen? Welche Verhaltensmuster habe ich, und sind alle davon gut für mich? Und natürlich hilft es uns zu lernen, mit unserem eigenen und dem Liebeskummer anderer umzugehen. Dafür habe ich einige Fragen an die Literaturwissenschaftlerin und Journalistin Michèle Loetzner gestellt. 2020 erschien ihr Bestseller Liebeskummer bewältigen in 99 Tagen, der in verschiedene Sprachen übersetzt wurde. In diesem Buch bietet sie nicht nur Tag für Tag eine Anleitung durch den Liebeskummer, sondern hinterfragt Rollenklischees, Ungleichbehandlung und das Patriarchat.

» EINEN RAUM FÜR DIE TRAUER SCHAFFEN

Wie ordnet die Wissenschaft den Liebeskummer von getrennten Eltern ein? Leiden sie anders als kinderlose Paare?

Liebeskummer wird immer dann besonders anstrengend, wenn man keine Distanz zueinander schaffen kann. Auch wenn man sich als Paar trennt, bleibt man schließlich trotzdem Eltern. Und muss so mit der einen Person, die man aktuell wirklich gar nicht sehen möchte, weiterhin kommunizieren. Die Wissenschaft hat längst bestätigt, dass Liebeskummer in unserem Hirn biochemisch wie harter Drogenentzug wirkt. Das Beste wäre dann ein kalter Entzug. Wenn ich aber in Betreuungsfragen flexibel sein muss, ist das fast nicht möglich. Es gehört viel Stärke dazu, das zu ertragen. Es ist völlig in Ordnung, das richtig gemein zu finden. Das Schlimmste, was wir tun können, ist unseren eigenen oder den Liebeskummer anderer zu bagatellisieren. 

Gibt es noch weitere Faktoren, durch die Eltern die Trennung schwerer bewältigen?

Die gibt es: Gesellschaftlich wird immer noch oft von Scheitern gesprochen. Dabei ist hier niemand gescheitert. Es hat einfach nicht mehr gepasst. Was eine viel größere Beachtung finden sollte, sind die finanziellen Konsequenzen, die vor allem Frauen treffen. Viele Mütter trennen sich nicht von den Vätern ihrer Kinder, weil sie es sich schlichtweg nicht leisten können. Das Problem ist systematisch. Es gehen immer noch hauptsächlich Mütter in Elternzeit, und es sind auch wieder die Mütter, die später in Teilzeit einsteigen, um Care-Arbeit zu übernehmen. Es geht hierbei gar nicht um die Frage, ob man gern bei seinem Kind bleiben möchte, sondern vor allem darum, dass viele Frauen die Augen davor verschließen, was eine Trennung für sie bedeuten würde, nämlich die Senkung des Lebensstandards, Altersarmut wegen fehlender Rente und der abschätzige Blick auf Singlefrauen. Die Lösung kann weder nur in der Politik noch allein im Privaten gefunden werden. Um ein freies Leben zu führen, müsste zum Beispiel vom Staat ein besseres Betreuungssystem geschaffen werden. Und gleichzeitig müssen vor allem Mütter finanziell unabhängig bleiben. Es gibt hier noch keinen zufriedenstellenden Lösungsvorschlag. Wir werden ihn allerdings nur in gesamtgesellschaftlicher Zusammenarbeit finden, nicht im Suchen von Schuldigen.

Ich habe mich lange Zeit gefragt, ob ich gerade Kummer habe, weil ich meinen Ex vermisse, oder ob ich ihn nur zu sehr mit meinem Lebensentwurf verknüpfe und eigentlich diesem Entwurf nachtrauere. Wie kann man unterscheiden?

Jeder Mensch trennt sich in dieser Situation nicht nur von einem anderen Menschen, sondern oft auch von einer Lebensidee. Ganz oft trauern wir dieser noch länger hinterher als der*dem Ex. Es ist die Idee, wie Familie zum Beispiel aussehen soll. Es ist manchmal schwierig, diese verschiedenen Nuancen von Kummer zu unterscheiden. Da helfen zum Beispiel ganz schnöde Listen: Was habe ich verloren? Was wünsche ich mir für die Zukunft? Was möchte ich auf keinen Fall mehr? Je drei Punkte. Die kann man ins Handy notieren und bei Gelegenheit immer mal wieder durchlesen.

Wie sollten Freund*innen und Familie mit trauernden Elternteilen umgehen?

Menschen mit Liebeskummer drehen sich nur um sich selbst. Sie möchten immer nur von ihrem Kummer sprechen. Das hat nichts mit Egoismus oder fehlender Empathie zu tun, es ist ein normaler Verarbeitungsprozess im Gehirn. Es gibt hierfür ein schönes Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem öffentlichen Verkehrsmittel. Es gibt nur eine andere Person im Abteil, und die telefoniert. Es ist fast unmöglich, sich auf egal was zu konzentrieren, wenn jemand anderes spricht und der Kontext fehlt. Unser Gehirn versucht dann ständig, diese Gesprächslücke, wenn die andere Person am Telefon spricht, zu füllen, um zu verstehen, worum es in diesem Gespräch geht. Genauso ist das mit Liebeskummer: Uns fehlt Information und Kontext, deshalb versucht unser Gehirn in einer Endlosschleife, diese Lücke zu füllen. In der Hoffnung, auf eine Lösung zu stoßen, drehen und wenden wir die vorhandene Information deshalb sprachlich und gedanklich in alle Richtungen. Das ist sehr ermüdend für alle Beteiligten. Was also wirklich hilft als Freund*in: Zuhören. Auch wenn sich das alles ständig wiederholt. Es ist aber auch okay, wenn man irgendwann sagt, dass man nicht mehr kann. Auch für solche Situationen habe ich mein Buch geschrieben. Es stellt neutrale Fragen. Fragen, die Freund*innen oder Familienangehörige sich vielleicht auch gar nicht zu stellen trauen. Und mit jeder kleinen Antwort über sich selbst füllt sich dann die Lücke zum anderen.

Wie können Eltern mit Liebeskummer ihre Gefühle und die Kinderbetreuung unter einen Hut bringen? Wann können sie also wie trauern?

Ich bin selbst keine Therapeutin und darf und will deshalb keinen Rat geben. In meinem Buch habe ich die aktuelle Studienlage zusammengetragen, vermeide aber direktive Hinweise. Das steht mir auch gar nicht zu. Was aber aus wissenschaftlicher Sicht immer wieder auftauchte, war die Bitte, Ex-Partner*innen nicht in Gegenwart des Kindes zu beleidigen, denn das wertet so Teile des Kindes ab. Auch sollte das Kind nicht in Diskussionen über oder mit dem anderen Elternteil hineingezogen werden. Das ist eine Sache zwischen den Eltern. Punkt. Trotzdem ist es völlig in Ordnung, die eigene Gefühlswelt altersgerecht zu äußern. Wenn ich traurig bin, kann ich das sagen. Das geht auch ohne Schuldzuweisungen. Wichtig wäre, sich selbst Raum für die Trauer zu geben. Es ist überhaupt nichts Verwerfliches daran, sich wegen Liebeskummer krankschreiben zu lassen. Krank ist krank, dafür brauchen Arbeitgebende keine Begründung. «

Einmal stolperte ich über eine Statistik, die zeigt, dass sich unverheiratete Paare schneller trennen als verheiratete. »Hätten wir doch geheiratet, dann wäre er nicht so einfach gegangen«, dachte ich. Ja, Trennungen tun weh, höllisch. Der Schmerz ist kaum auszuhalten, und ein Leben ohne die*den Partner*in können viele sich zunächst nicht vorstellen. Das liegt sicherlich auch daran, dass wir selten dabei zusehen können, wie Eltern aus Trennungen wirklich stark hervorgehen – oder wie sie zumindest einige Zeit nach der Trennung ein annehmbares Leben führen. Die Filme, die ich in meiner Jugend gesehen habe, endeten mit einem Kuss oder einer Hochzeit – and they lived happily ever after, so das Versprechen. Wie schafft unsere Generation es, gute Trennungsgeschichten zu schreiben, für uns und unsere Kinder?

Mit Kindern über die Trennung sprechenEltern sollten ehrlich mit ihren Kindern sein, schreibt der bekannte dänische Familientherapeut Jesper Juul in Geborgen und stark. Wie Eltern in Trennung Orientierung und Halt geben.5 Selbst wenn es darum geht, dass sich ein Elternteil in jemand anderes verliebt hat, denn nichts sei schlimmer für Kinder, als wenn sie später herausfänden, dass ihre Eltern sie angelogen haben.

Vielleicht hast du, wie so viele andere Eltern auch, Angst davor, dass die Trennung deine Kinder beziehungsweise dein Kind traumatisiert – ist das so? Kurz nachdem sich eine Freundin von ihrem Mann getrennt hat, habe ich ihre Kinder getroffen und gefragt, wie es ihnen geht. Sie antworteten einstimmig: »Viel besser.« Ihre Eltern hätten zu Hause nervtötend viel gestritten, und jetzt sei endlich Ruhe. »Viele Kinder erleben die Trennung der Eltern als Auseinanderbrechen der eigenen Welt. Das kann sich bedrohlich anfühlen. Aber traumatisch sind Trennungen für Kinder nicht in jedem Fall«, sagt auch die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin und Autorin Hilal Virit, die ich am Telefon befrage. »Wenn Eltern die Bedürfnisse des Kindes massiv vernachlässigen, emotionaler Missbrauch vorliegt, das Kind Gewalt innerhalb der Familie tagtäglich erlebt und beobachtet, kann dies zu erheblichen gesundheitlichen Folgen auf der psychischen wie auch körperlichen Ebene führen. Also nicht die Trennung an sich traumatisiert das Kind, sondern die Gewalt – und die kann in Trennungssituationen zunehmen«, sagt Hilal Virit. Zu den Gewaltformen zählen etwa das Schlagen, Abwerten oder Nichtbeachten. Aber Konflikte können auch konstruktiv ausgelebt werden. Virit: »Eine gelungene Konfliktbewältigung kann sehr förderlich sein. Ich sehe sogar, dass die Trennung als Entwicklungsherausforderung, wenn sie gut begleitet wird, Kinder resilienter, also widerstandsfähiger macht.« Dann genießen viele Kinder sogar die exklusive Zeit mit ihren jeweiligen Elternteilen.

Was braucht es dafür? Zum Beispiel können Eltern ihren Kindern Folgendes sagen: »Uns zu trennen war unsere Entscheidung, aber wir bleiben deine Eltern, und daran wird sich nichts ändern.« Wenn Eltern sich trennen, brauchen Kinder Ehrlichkeit und emotionale Sicherheit. Und wenn ein Elternteil plötzlich abtaucht? »Sag nicht: ›Tja, der Papa/die Mama kommt nicht mehr.‹ Sprich, wenn möglich, wohlwollend über den oder die Ex und die aktuelle Situation.« Wenn ein Kind seinen Vater oder seine Mutter gar nicht kennt und irgendwann fragt: »Wo ist eigentlich …?«, dann heißt das laut Virit nicht immer, dass es den Elternteil vermisst, sondern, dass es mehr über seine Familiensituation und seine Wurzeln erfahren will. »Für die psychische Gesundheit des Kindes ist es wichtig, dass man dann Informationen teilt. Manchmal verhindern Antworten auf die kindlichen Wissensfragen wie ›War meine Mama lustig?› oder ›Wie sah mein Vater aus?‹ Identitätskonflikte.«

Suche nach der Schuld Vielleicht fragst du dich jetzt, wohin mit all den Gefühlen, wenn man im eigenen Umfeld auf Unverständnis trifft und nicht alles an den Kindern auslassen will? Ich teilte meine Erfahrungen und Gefühle bald öffentlich auf Instagram, wo ich Menschen fand, die mich verstanden. Dort merkte ich, dass ich nicht wirklich allein war, sondern dass meine Geschichte nur eine von vielen ist. Mit der Zeit meldeten sich immer mehr Mütter und auch ein paar Väter mit ähnlichen, verletzenden Aussagen, die sie sich kurz nach der Trennung anhören mussten. Darunter solche: »Wie kannst du das eurem Kind antun, Scheidungskinder haben alle einen Schaden« – »Es ist ganz normal, dass es manchmal nicht läuft. Gib euch doch noch eine Chance« – »Man muss auch mal was aushalten können« – »Das war ja absehbar« – »Du hast es dir selbst so ausgesucht, also stell dich jetzt mal nicht so an« – »Mit ’ner Flasche Wein vertragt ihr euch bestimmt schon wieder« – »Du kannst dich jetzt nicht über Gewalt beschweren, immerhin wolltest du ein Kind mit ihm« – »Ich wäre ja richtig traurig, wenn mein Kind nicht bei mir wäre« – »Hättest du nicht länger durchhalten können?« – »Jetzt beginnt der soziale Abstieg« – »Denk doch wenigstens an die Kinder« – »Wenn du vielleicht nur 40 Prozent gearbeitet hättest, dann wärt ihr noch zusammen«. Und dann gibt es noch Sprüche, die vermutlich jede*r schon einmal gehört hat: »Augen auf bei der Partner*innenwahl« oder »Drum prüfe, wer sich ewig bindet«. Paare sollen sich ihr Gegenüber genau anschauen, bevor man zusammen eine Familie gründet. Getrennte Eltern? Haben das offensichtlich nicht geschafft, sonst wären sie noch zusammen. »Der einzig akzeptable Grund dafür, eine alleinerziehende Frau zu sein, ist, durch einen tragischen Schicksalsschlag zur Witwe geworden zu sein«, schreibt die Journalistin Christine Finke schon 2016 in ihrem Buch Allein, alleiner, alleinerziehend.6

Und es gibt sie ja, die netten, aufbauenden, liebevollen Kommentare. Falls du also selbst mal auf die Trennungsnachrichten anderer Eltern reagieren sollst, kommt hier Inspiration, direkt aus meiner Community. Echte Kommentare, die getrennten Eltern gutgetan haben: »Sag bitte immer Bescheid, wenn wir dir oder euch mit der Kinderbetreuung helfen können« – »Ach, das freut mich!« – »Was brauchst du? Mitgefühl? Glückwünsche? Beides?« – »Du und das Baby, ihr werdet ein Dream-Team!« – »Ich bin immer für dich da« – »Du hast alles richtig gemacht« – »Du strahlst richtig und siehst glücklich aus« – »Du wirkst so schön entspannt« – »Hier ist mein Schlüssel für unser Haus, du bist immer willkommen« – »Ach, getrennt seid ihr? Gratulation, dass ihr so ein tolles Elternteam seid« – »Erzähl, wie machst du das jetzt mit dem Sex?« und mein Lieblingsspruch: »Du bist vielleicht die erste Alleinerziehende in unserer Clique, aber sicher nicht die letzte.«

Ja, aber haben getrennte Eltern nicht faktisch trotzdem Fehler gemacht, die nicht sein sollten?, mag man nun vielleicht fragen. Natürlich, die machen alle Paare in ihren Beziehungen. Dann spricht man drüber und sorgt für Schadensbegrenzung. Manchmal bedeutet es, sich zu trennen, und manchmal nicht. Aber mit der Illusion von Kontrolle über das Paarsein manifestieren wir eine Gesellschaft, in der Eltern zunehmend die Verantwortung für ihr Liebesglück tragen sollen und entsprechend schuld sind, wenn es vorbei ist. Brechen wir also mit Schuld und Scham und räumen die zwei größten Vorurteile über getrennte Eltern aus dem Weg: Alleinerziehende konnten ihre Beziehung nicht aufrechterhalten, weil sie erstens beziehungsunfähig sind und/oder zweitens inkompetent sind. 

Trennungen sind nicht pathologisch Mein Ex berichtet mir, dass auch er sich verletzende Sprüche wie diesen anhören musste: »Du hast deine Freundin nur verlassen, weil du selbst ohne intakte Familie groß geworden bist. Das wird sich auf dein Kind übertragen, es wird auch keine stabilen Beziehungen führen können.«

Solche Aussagen können bei Eltern große Ängste schüren, allerdings bleiben sie nicht viel mehr als schwurbelige Küchenpsychologie. Sie spielen auf die Bindungstheorie an, nach der die Bindungserfahrungen der ersten Jahre im Leben eines Menschen beeinflussen, was für eine Art Bindungstyp dieser später sein wird. Die einseitige Unterstellung lautet: Wer sich trennt und nicht auch mal schwierige Phasen durchhalten kann, ist unsicher gebunden und wird niemals stabile Beziehungen führen können. Außerdem würden solche Eltern ihre unsichere Bindung auch an ihre Kinder weitergeben. Ergo: Dass sie psychische Probleme haben und damit auch ihren Kindern schaden, sieht man der Logik nach getrennten Eltern schon an ihrer Familiensituation an. Das ist großer Bullshit, der sich aber hartnäckig hält. Die Journalistin Heike Blümner und die Autorin Laura Ewert räumen in Schluss jetzt. Von der Freiheit sich zu trennen mit solchen Fake Facts auf: »Wer bindungssicher ist, hat […] nicht nur bessere Chancen auf eine stabile Beziehung, er oder sie verabschieden sich auch leichter aus Konstellationen, die nicht guttun. Wer einen unsicheren Bindungsstil pflegt, kämpft demnach länger um die Bindung, auch wenn diese den eigenen Interessen und Bedürfnissen entgegensteht. Und wer eher der vermeidende Typ ist, lässt die*den Partner*in nicht mehr als nötig an sich heran und flieht, wenn es schwierig wird.«7 Will sagen: Paare aufgrund ihrer Trennung zu pathologisieren ist genauso sinnvoll, wie Paare aufgrund ihrer Silberhochzeit zu pathologisieren.

Welche Auswirkungen solche Vorurteile für meist alleinerziehende Mütter haben, analysierte die Journalistin Edeltraud Rattenhuber 2020 in der Süddeutschen Zeitung: Kinder von Alleinerziehenden würden zunehmend wahrscheinlicher vom Jugendamt in Obhut genommen als Kinder, die mit beiden Eltern zusammenlebten.8 Einen triftigen Grund gebe es dafür nicht, es reiche schon, wenn ein*e bestellte*r Gutachter*in vom Gericht eine »symbiotische« Beziehung der Mutter zu ihrem Kind »diagnostiziert« – und das, obwohl Gutachter*innen nicht die nötige Qualifikation haben, um psychopathologische Diagnosen zu stellen.