Sommernachtsjugendewigkeit - Katharina Weiß - E-Book

Sommernachtsjugendewigkeit E-Book

Katharina Weiß

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Beschreibung

Es ist Sommer, sie sind jung und die Nächte könnten ewig sein: Als Ben und seine Freunde zu ihrem Trip durch Deutschland aufbrechen, wissen sie nicht, dass sie ihre Sehnsucht nach Freiheit und ihr Hunger auf das Leben bald ins Chaos stürzen werden. Nach einer folgenschweren Party in Hamburg müssen die Jugendlichen ihre Unterkunft verlassen und in einer Kirche übernachten. Und auch an ihrer zweiten Station Berlin läuft nichts nach Plan: In der Hauptstadt lernen die Jugendlichen den schrägen Kiffer Joe kennen und bald darauf ist Romy weg, Ben muss sich mit einer Tupperdose Gras vor der Polizei verstecken und Arthur wird blutend aus einem Club geschmissen. Katharina Weiß ist mit "Sommernachtsjugendewigkeit" ein schwärmerischer und zugleich dramatischer Roman gelungen - über den Wunsch, jeden Moment auszukosten, und die vielen Risiken, die er mit sich bringt.

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Seitenzahl: 242

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Katharina Weiß

Sommernachts-jugendewigkeit

Roman

Schwarzkopf & Schwarzkopf

INHALT

»Wenn all das, was wir auf Partys erlebt haben, nichts als jugendlicher Leichtsinn war, wenn all die Küsse und Umarmungen nicht zählen, wenn das alles nur eine Dummheit war, ein paar Sünden am Wegesrand, dann sage ich Ja zur Dummheit, Ja zum Leichtsinn, denn nur diese Küsse zählen, nur dann und dort habe ich gelebt.«

Airen – I am Airen man

Für all die geilen Menschen, denen ich auf meinen Reisen begegnet bin– und für die, denen ich hoffentlich noch begegnen werde!

Sehnsuchtsreisenaufbruch

»eine idee auszuleben, auszukosten, auszuprobieren (…). was ist schon zeit? kann der sagen, der unsterblich ist. jaja schön und gut, doch ich bin es nicht.«

Wohlstandskinder: Lied eines Träumers

Du hast ihn doch damals nur eingeladen, weil er gut aussieht! Ben grinste Romy an. Er stand am weit geöffneten Fenster in der Bahn. Seine Justin-Bieber-Gedenkfrisur wurde heftig zerzaust, als er sich herausbeugte, um den ersten Zug von seiner Zigarette zu nehmen. Irgendwo auf der Strecke nach Hamburg.

»Ja, er war unglaublich heiß«, entgegnete Romy, die auf dem Sitzplatz gegenüber saß und ihre langen blonden Locken vor dem Fahrtwind zu schützen versuchte.

»Und deswegen hast du darüber hinweggesehen, dass er deine Kloschüssel als Souvenir mit nach Hause genommen hat!?«

Romy lachte nur, während ihr Blick nach draußen wanderte und sie sich zu erinnern versuchte. Durch ihren Kopf rasten verschiedene Bilder, von denen sie nicht genau sagen konnte, ob sie zu jener Nacht gehörten oder zu einer anderen: flirrende Farbtupfer, obskure Masken und Worte, die wenigstens für ein paar Stunden wahr sein sollten, und Hände, ineinander, übereinander, um einen Flaschenhals herum, auf fremden Körperteilen, in der Luft, hilfesuchend an eine Wand gelehnt.

»Seid doch nicht immer so oberflächlich!«, spöttelte Vanessa, die im Vierer gegenüber saß und ihren iPod-Stöpsel aus dem Ohr gezogen hatte, um dem Gespräch über Romys Einmal-und-nie-wieder-Hausparty zu folgen. »Kehren wir lieber um zu den inneren Werten!« Sie hatte inzwischen ihre Predigerstimme aufgesetzt und hob bedeutungsvoll den Zeigefinger. Das tat sie immer, wenn sie glaubte, dass sie etwas besonders Wichtiges zu sagen hatte. Und das hatte sie ziemlich oft. Sie verstand es, mit wenigen Worten und Gesten jedem das zu geben, was er an Rat, Trost oder Zurechtweisung brauchte. Vielleicht lag es an ihrer gemütlichen Art und ihrer weiblichen Figur, dass man immer, nachdem sie einen kurz umarmt hatte, den Eindruck hatte, eine halbe Stunde lang inbrünstig an ihre Brust gedrückt worden zu sein.

»Die inneren Werte haben mich zu oft enttäuscht«, sagte Romy.

»Außerdem sind die schlecht im Bett!«, schaltete sich Maria nuschelnd ins Gespräch ein. Nachdem sie eine Marlboro-Schachtel herausgeholt hatte – um Ben beim Rauchen Gesellschaft zu leisten und dessen Freundin Julia zu nerven –, bugsierte Maria ihr Reisegepäck nun wieder auf die Ablage über ihrem Kopf. Während sie auf Zehenspitzen und mit aller Kraft gegen ihre Tasche drückte, erspähte sie am anderen Ende des Waggons den Fahrkartenkontrolleur.

»Scheiße, Ben, Kippe aus!«, flüsterte sie und deutete mit dem Kopf in Richtung des Kontrolleurs.

Ben ließ eilig seine Zigarette fallen, etwas verärgert, weil der Filter noch lange nicht erreicht war, und schloss das Fenster. Dann zog er eine leicht zerknitterte Fahrkarte aus seiner Gesäßtasche hervor. Leicht panisch tastete Vanessa unterdessen an ihrem Oberkörper herum, so auffällig, dass Peter, der zuvor stumm zur Musik aus seinen Bose-Headphones vor sich hingerappt hatte, nun erstarrte.

»Scheiße, wo ist mein Ticket hin?«

»Das war so klar, Vanessa«, sagte Romy. »Warum steckst du auch immer alles in deinen BH?«

Vanessa war mittlerweile aufgesprungen und suchte so hektisch in ihrem Dekolleté, dass sie selbst die zwei gleichaltrigen Vokuhilaträger beobachteten, die einige Sitze entfernt saßen und gerade noch abwechselnd DSDS-Cosimos-Hit Komm schon, Baby, zieh dich aus zum Besten gegeben hatten. Weil Vanessa nichts fand und der Schaffner immer näherkam, zog sie unter den verwunderten Blicken ihrer Freunde ein paar von deren Jacken und Tüchern aus dem Gepäckfach und krabbelte unter Romys Füße. Zusammengekauert drapierte sie die Kleidungsstücke auf sich. Romy half ihr dabei.

»Dir ist schon klar, dass das Ergebnis wenig befriedigend ist, oder?« Ben prustete, ehe er seine Beine genüsslich auf den Klamottenberg legte.

Der Schaffner prüfte die Fahrscheine der Vokuhilajungen, danach ging er weiter zu Peter und Maria, die sich das Lachen nicht verkneifen konnten. Noch während er Peter kritisch musterte – Erwachsene musterten Peter immer kritisch, dabei sah er wie ein Unschuldslamm aus, vielleicht war er zu milchgesichtig, um vertrauenswürdig zu wirken –, bewegte sich Vanessa. Mit kritischem Blick näherte sich der Kontrolleur dem Jackenhaufen und gerade, als er glaubte, einem Fall von Erschleichung von Dienstleistungen auf die Spur gekommen zu sein, schrie Vanessa glücklich heraus: »Ich hab sie!«

Stolz krabbelte sie unter den Jacken hervor, stand auf und hielt dem verdutzten Schaffner ihr Ticket unter die Nase. Der beäugte es etwas misstrauisch, fuhr dann aber mit der Überprüfung der anderen fort.

Julia steckte ihr Portemonnaie sorgfältig in ihre Handtasche zurück, danach legte sie ihren Kopf auf Bens Schulter und schloss die Augen. Das war wieder einer dieser friedlichen Augenblicke, in denen Ben zweifelte, ob das, was er ihr sagen wollte, aber eigentlich nicht sagen konnte, vielleicht doch nur eine flüchtige Idee war.

Arthur schenkte seinem Spiegelbild ein verwegenes Zwinkern, dann schloss er die Toilette auf. Vorbei an Reisegepäck und im Weg liegenden Beinen schlängelte er sich durch die Waggons. Dabei ließ er seinen Blick über die anderen Fahrgäste schweifen. Ihr lässiger oder angestrengter Tonfall, ihre vertraute oder distanzierte Interaktion und ihr konzentriertes Herumtippen auf Blackberrys, iPads und Laptops ließen ihn erkennen, warum diese Menschen hier waren und in welcher Beziehung sie zueinander standen.

Noch bevor er die Tür zum Abteil, in dem seine Freunde saßen, ganz zur Seite geschoben hatte, konnte er Peters Lachen hören. Arthur schritt langsam den Gang entlang und nahm sich Zeit, seine Freunde aus der Entfernung zu betrachten. Er fragte sich, wie sie wohl auf die Mitreisenden wirken mochten. Was würden Fremde in ihnen sehen? Und welche Rolle würden sie Arthur innerhalb der Gruppe zuteilen? Arthur hatte viele Nächte damit verbracht, sich Gedanken darüber zu machen, wie viel man wirklich auf den ersten Blick sehen kann. Das hatte ihn, wie er selbst wusste, zu einem Zweifler gemacht, der auch an den strahlendsten Dingen stets Schattenseiten erwartete. Und seine Überzeugung, dass sich alles viel zu schnell zum Schlechten entwickeln konnte, nahm ihm den Elan, Entscheidungen zu treffen und sich mitten ins Leben zu stürzen. Deshalb fühlte er sich manchmal weniger als Akteur denn als Beobachter.

Bei Romy, die inzwischen interessiert die ersten Zeilen des Buches überflog, das Arthur auf seinem Platz neben ihr zurückgelassen hatte, war das ähnlich und doch ganz anders. Auch sie fühlte sich zerrissen. Sie hatte Angst vor einer selbst herbeigeführten Leere, davor an ihren eigenen Erwartungen zu scheitern. So unbesonnenen und impulsiv sie manchmal war, so sehr wusste Romy, was sie wollte. Und das bewunderte Arthur. Keiner von seinen anderen Freunden hatte es jemals geschafft, Arthur auch nur ein wenig von seiner Meinung abzubringen – ausschließlich Romy war es gelungen, ihn ein ums andere Mal ins Schwanken zu bringen.

Am interessantesten fand er den Kontrast zwischen ihr und Julia, die noch immer an Bens Schulter ruhte. Beide hatten denselben Hintergrund: gleicher Wohnort, gleiche familiäre Verhältnisse, gleiche Schulbildung – ihr bisheriger Lebenslauf unterschied sich kaum, wenn man nur die Fakten betrachtete. Doch während Romy stets ein Hauch Extravaganz umgab – ihr auffallend schwarzer Lidstrich, die dunkel geschminkten Lippen und ihr Kleidungsstil trugen wesentlich dazu bei –, war Julia ein Naivchen und eine graue Maus. Mit ihrem blonden, schulterlangen Haar samt Pony und der Vorliebe für Esprit- und S.Oliver-Klamotten war sie für Arthurs Geschmack zu gewöhnlich und zu genügsam. Obwohl er nicht wusste, ob »genügsam« wirklich das richtige Wort war. Er glaubte, dass sie sich selbst dafür entschieden hatte, nichts Großes zu werden. Sie hatte die Meinungen und Werte ihrer Eltern kritiklos übernommen und das schien sie glücklich zu machen, glücklicher als Romy es vielleicht je sein würde. Arthur fand das ungerecht. Andererseits wusste er, wie zerbrechlich Julias Glück war, es hing zu großen Teilen an Ben. Und Arthurs Gefühl sagte ihm, dass der die flauschige Wolke, auf der sich Julia noch immer mit ihm wähnte, schon längst verlassen hatte.

Arthur setzte sich auf seinen Platz neben Romy, die ihm Der Mythos von Sisyphos von Albert Camus zurückgab. Er schlug die Seite auf, die er zuletzt gelesen hatte, und stieß bald auf einen bemerkenswerten Satz: »Ein Mensch ist mehr ein Mensch durch das, was er verschweigt, als durch das, was er sagt.« Während er darüber nachdachte, ruhten seine blauen Augen auf Maria – und ihr Anblick genügte, damit er dieser Aussage Glauben schenkte.

Maria flocht ihre braunen Haare, während sie mit einem Ohr dabei zuhörte, wie Peter Ben von den Sorgen seiner Mutter erzählte: Er hatte ihr versprechen müssen, sich auf der Reeperbahn vor Perversen in Ledermontur in Acht zu nehmen, jeden Tag zweimal anzurufen, nichts zu trinken und auf jeden Fall vor Mitternacht zurück im Hotel zu sein. Dass sie nicht einmal ein Hotel gebucht hatten, hatte er ihr natürlich verschwiegen. Und auch Romy hatte ihren Eltern nichts davon erzählt. Sie hatte ihnen noch nicht einmal gesagt, wohin die Reise gehen sollte. In der offiziellen Version zeltete sie nur an einem See, höchstens eine Stunde von zu Hause entfernt.

»Aber zu Hause ist es doch ganz schön und so schlimm ist die Schule doch echt nicht. Und welche Leute meinst du überhaupt mit ›die mir nichts bedeuten und denen ich nichts bedeute‹?« Julia war in eine leidenschaftliche Diskussion mit Romy vertieft.

»Den Großteil unseres Jahrgangs?«, mischte sich Maria nun ein.

»Ja, genau, die Leute in der Schule mein ich. Und die Leute, die wir treffen, wenn wir feiern gehen – überall sind Leute, mit denen ich nichts gemeinsam habe, die mich nicht verstehen.«

»Die uns wahrscheinlich peinlich finden«, ergänzte Maria Romys Satz.

»Oder«, fuhr Romy fort, »der eine Typ, Dominik. Er ist ja ganz okay, sieht auch ganz gut aus, aber seine Freundin, Resa …«

»Die mit der besten Freundin, die auch Resa heißt und fast genauso aussieht?«, wollte Peter wissen. Er konnte sich noch dunkel daran erinnern, mal mit seiner Zunge an den Mandeln von Resa Nummer zwei herumgespielt zu haben.

»Ja, die beiden. Die sind uneingeladen auf meine Party gekommen.« Romy knurrte kurz. »Ich saß da rum und dachte mir: What the fuck hast du eigentlich hier zu suchen? Ich meine, die gehören einfach komplett zu diesen kleinen Mitläufern.«

Julia unterbrach sie: »Ich finde, du bist zu hart. Warum gibst du Resa keine Chance?«

Sich der Merkwürdigkeit ihrer Wortwahl durchaus bewusst, antwortete Romy: »Wegen ihrer allumfassenden Farblosigkeit. Die rechtfertigt meine Verachtung! Außerdem stimmt das mit der Chance nicht ganz. Wenn sie sich um mich bemühen würde, würde ich ihr durchschnittliche Freundlichkeit entgegenbringen. Aber sie hat sich nie bemüht. Und ich brauche nicht noch mehr Menschen in meinem Leben, von denen ich nicht profitiere, die nicht von mir profitieren und deren einziges Gefühl mir gegenüber Gleichgültigkeit ist.«

»Ich finde trotzdem, dass du zu hart bist!«, wiederholte Julia.

Romy würde es ihr niemals sagen, aber eigentlich hielt sie Julia für einen der Menschen, von denen sie gerade gesprochen hatte. In ihren Augen war Julia ein langweiliges Mädchen und würde eine langweilige Frau werden, ihre Träume reichten nicht über die Grenzen ihrer Heimatstadt hinaus. Nach der Schule würde Romy Julia vergessen und Julia würde Romy vergessen. Und nur noch zufällige Treffen würden die beiden an eine gemeinsame Jugend erinnern. Oberflächliche Fragen nach der Karriere und dem Wohlbefinden des Mannes und der Kinder würden den letzten Funken echten Interesses am Leben der anderen verlöschen lassen.

Ben, der nicht wollte, dass sich seine Freundin und Romy noch weiter in ein Thema vertieften, das beide wütend machte, intervenierte nun: »Sprechen wir doch über die wirklich wichtigen Fragen des Lebens!«

»Super!«, sagte Vanessa. »Die wichtigste Frage unseres Lebens ist: Burger King oder McDonald’s?«

Und Peter ergänzte: »Werde ich morgen Abend besoffen sein, ohne zu kotzen?«

»Also eigentlich«, fing Arthur an und Peter warf den anderen den Blick zu, den er sonst nur aufsetzte, wenn der Religionslehrer über Sinn und Unsinn des Zölibats ausholte, »stellen wir uns die großen Fragen doch gar nicht. Auch wenn wir das glauben. Und all die anderen, von denen Romy gerade gesprochen hat, ebenfalls denken, sie würden es tun.…Sie alle sind überzeugt, sie wären besonders intellektuell und individuell, hätten das Spezielle, gehörten zur Boheme. Das ödet mich so alles an.«

Peter verdrehte die Augen. »Und was genau soll mir das jetzt sagen?«, fragte er feixend.

Arthur fuhr fort: »Mir ist aufgefallen, dass die meisten Leute nach Extremen suchen und dass ihnen genau das die Freiheit nimmt, die sie eigentlich erreichen wollen, wenn sie Grenzen überschreiten. Ihr kennt das doch. Ihr habt doch alle manchmal diesen Drang, noch krasser, noch kaputtgefeierter als all die anderen zu sein – weil ihr denkt, dass das euer Leben intensiver werden lässt.«

Romy und Arthur hatten schon oft über dieses Thema geredet und Romy fragte sich manchmal, ob er recht hatte.

»Dabei ist das alles so bedeutungslos und am Ende sind wir vom Versuch erschöpft, ein Leben in Ekstase zu leben. Und alles, was bleibt, ist Enttäuschung.«

Auch wenn seine Freunde seine Ansichten nicht teilten, so fehlten ihnen doch die Worte, um Arthur davon zu überzeugen, dass er falsch lag. Und Romy, die über solche Worte verfügte, sparte sie sich. Sie respektierte Arthurs Haltung, auch wenn sie anders darüber dachte.

Arthur liebte es, die Ideale seiner Mitmenschen zu kritisieren. Er liebte es, Nietzsche oder Woody Allen zu zitieren, und er verehrte Bret Easton Ellis. Ob er wirklich so pessimistisch war, wie er andere gern glauben machte, wusste keiner so genau, nicht einmal er selbst. Auf Vanessa wirkte Arthur manchmal wie eine Kunstfigur. Er war groß und überschlank, hatte markante Augenbrauen und darüber blonde, wilde Strähnen, die ihm schwungvoll in die aristokratische Stirn fielen.

Aber bei all seiner Schönheit hatte Vanessa ihn nie attraktiv finden können. Vielleicht auch, weil er immer den Eindruck vermittelte, Menschen wie sie für unterbelichtet zu halten. Menschen, die immer noch über SpongeBob lachten und Oliver Pocher lustig fanden, Tucholsky und Tolstoi nicht unterscheiden konnten, alle paar Wochen der vermeintlich großen Liebe begegneten und das Leben unterm Strich eben nicht nur als großen tragischen Murks betrachteten. Arthur hatte diese Distanziertheit in seinen hellblauen Augen. Und die einzige Emotion, die aus ihm hervordrang, war der Schmerz darüber, dass alle von der Suche nach Glück angetrieben wurden, aber nur die Wenigsten dazu bestimmt sind, es zu finden.

»Oje, ich seh’s schon wieder kommen, das wird so ein tiefgründiges Psychogespräch, nach dem wir alle total depressiv sind«, unterbrach Peter Arthur, der drauf und dran gewesen war, mit Maria über ihre wechselnden Sexualpartner zu streiten.

»Ja, lass uns über etwas wirklich Interessantes reden. Wen interessiert schon der Sinn des Lebens?«

Romys Sarkasmus überhörte Peter absichtlich. »Wie wär’s mit dem schönen Gesprächsthema … hmm …«, er überlegte kurz und schlug dann breit grinsend vor: »›Liebe machen?!‹«

Julia verdrehte die Augen und Arthur sank unter einem leisen Stöhnen in sich zusammen.

Peter liebte es, sich mit seinen Freundinnen über Sex zu unterhalten. Für ihn waren diese Gespräche geheime Recherchen für eigene amouröse Angriffe. Daher versuchte er, jede Möglichkeit zu nutzen, um sie zu führen.

»Was mich schon immer mal interessiert hat«, er deutete nacheinander auf Romy, Vanessa und Maria, »wie würdet ihr euch den perfekten Porno vorstellen? Einen mit euch selbst in der Hauptrolle?«

»Peter, wie oft sollen wir es dir noch sagen?«, seufzte Maria. »Mädchen schauen keine Pornos!«

»Guckt mich nicht so an, ich schau die auch nur wegen der Dialoge. Trotzdem, wie stellt ihr euch den perfekten Porno vor?«

»Oh, du regst meine schmutzige Fantasie an«, säuselte Vanessa übertrieben sexy. »Ich würde sagen, der Sex muss irgendwo draußen stattfinden!«

»Nicht auf Waldboden – Tannennadeln!«, unterbrach sie Maria augenblicklich. »Teer ist auch scheiße, deine Ellenbogen und Knie werden dich dafür hassen. Sand hast du danach überall und normale Wiesen sind entweder so einsehbar, dass die Aktion gleich unter Erregung öffentlichen Ärgernisses läuft oder deine Freunde«, ihre Stimme wurde tief und sie sah Peter und Ben abwechselnd drohend in die Augen, »spielen Fickstörer und laden auch noch den Rest der Partygäste«, ihre Stimme wurde noch tiefer, »zum Public Viewing ein.«

Lachend schlugen Peter und Ben ein.

Dann normalisierte sich Marias Stimme wieder. »Draußen sind außerdem zu viele Insekten und das Gras nervt.«

»Na toll!«, stöhnte Peter. »Aber in meinem Porno liegt eh eine Matratze rum.«

»Und woher soll die bitte schön kommen? Hat die der IKEA-Laster verloren?«, fragte Romy, die etwas irritiert verfolgte, wie Julia ihren Ben – für ihre Verhältnisse ungewöhnlich wild – küsste und ihm durch die braunen Haare wuschelte.

»Ja, und irgendeiner trägt die Matratze dann zu einem schönen Plätzchen Erde«, seufzte Vanessa. Und mit einer Hand auf dem Herzen legte sie nach: »Romy, willst du die Matratze in meinen Porno tragen?«

»Wenn ich dann auch bleiben darf.«

»Nein, du musst schon wieder gehen, wenn du sie abgelegt hast.«

Gespielt beleidigt drehte sich Romy weg. Sie ließ ihre Gedanken wandern und hörte von Vanessas anschließendem Monolog nur noch einzelne Brocken wie »Kamasutra – Stellung Nr. 45«, »Justin Timberlake« und »Pizzalieferant«.

Es war nicht so, dass Romys Leben grundsätzlich scheiße war. Wenn sie ehrlich zu sich war, musste sie zugeben, dass es eigentlich sogar ziemlich gut war. Keine kaputte Familie, keine Fächer, in denen sie schlechter als Drei stand. Sie passte in Größe 34, hatte einige Freunde, viele Bekannte und unzählige Interessen. Und genau derentwegen wollte sie daran glauben, dass da draußen etwas Besonderes auf sie wartete, dass das Leben unvergleichliche Gefühle und schmerzhaft schöne Augenblicke für sie bereithielt. Doch sicher war sie sich dessen nicht und so hatte sie Angst, doch nur das Mittelmaß zu erreichen. Denn manchmal fühlte es sich für sie an, als hätte es all die Dialoge, an denen sie beteiligt war, schon einmal gegeben, als wären alle Menschen in ihrer Umgebung nur Kopien von jemand anderem, als würden sie das wirkliche Leben nur streifen. Romy wollte das nicht. Sie wollte etwas finden, von dem die anderen nicht mal glaubten, dass es existierte. Von dem sie selbst noch gar keine genaue Vorstellung hatte. Doch sie war fest entschlossen, dass ihr Wille oder das Schicksal oder was auch immer sie letztendlich dorthin führen würden, wo sie hin wollte – egal, welche Opfer sie dafür würde bringen müssen.

Sie liebte Maria, Vanessa, Arthur, Ben und Peter – aber bei all ihrer Innigkeit beschlich sie doch das Gefühl, das in ihrem späteren Leben womöglich kein Platz mehr haben würden. Denn Romy wollte das Extrem, sie wollte mehr leiden als andere, aber auch mehr lieben als sie. Sie fand keinen Weg, ihre Wünsche zu umschreiben, ohne dass es abgedroschen oder naiv klang. Ihr schien, als wären alle Worte schon von anderen aufgebraucht worden, die ein solches Leben tatsächlich gelebt und wahrscheinlich auch viel eher verdient hatten – weil sie mutiger, exzentrischer und vor allem schöner als Romy waren. Bilder von zerbrechlichen Menschen, deren riskante Lebensführung und überbordende Empfindsamkeit sie legendär gemacht hatten, nährten Romys Zweifel, dass sie jemals jemand Außergewöhnliches sein würde.

Um ihre Zweifel auszuräumen oder wenigstens zu mindern, hatte Romy beschlossen, ihre Erscheinung der ihrer fragilen Vorbilder anzupassen. Ohne sich zu fragen, ob es vielleicht zu radikal war, kotzte sie und wurde zuerst dünn und dann dürr. Mit ihrem schwarzen Nagellack, kräftigem Augen-Make-up und ihren zu langen blonden Haaren hoffte sie, die Art von Menschen anzuziehen, die sie in ihrem Leben haben wollte. Doch eben damit vertrieb sie auch viele andere. Sie wusste zwar, dass sie nicht so rein und makellos schön war, wie sie es gern gewesen wäre, doch sie hatte durchaus hübsche Züge an sich. Trotzdem blieb es immer bei flüchtigen Unterhaltungen, überstürzten Küssen und fragwürdigen Fast-aber-dann-doch-nicht-Sex-Aktionen. Auch wenn sie sich, schon allein aus Angst vor Demütigung, nie auf einen Jungen einließ, beunruhigte sie die Tatsache, dass deren Interesse nie den Morgen nach der Party überdauerte. In Maria verliebten sich ständig irgendwelche Typen, nicht selten sogar ziemlich attraktive – und das, obwohl ihr Ruf nicht der beste war und Marias Begeisterung die erste gemeinsame Nacht nie überstand. Neid lag immer dann in Romys Blick, wenn Maria wieder einmal einen scharfen Typen abblitzen ließ, weil sie wusste, dass er zurückkommen würde.

Passenderweise schob sich genau in diesem Moment Marias Stimme zwischen Romys Gedanken: »Ich fand die Amateure früher auch immer geil und jetzt vögele ich mit ihnen, aber ich kann euch versichern, dass es bessere Liebhaber gibt!«

»In Hamburg findest du sicher welche, die deinen hohen Standards entsprechen«, spöttelte Ben und wendete sich dann Peter zu. »Wie sieht das eigentlich aus, Mann, hast du uns jetzt schon einen Ort zum Pennen besorgt?«

»Wolltest du nicht eigentlich diesen Typen fragen, den du beim Green-Day-Konzert kennengelernt hast?«, hakte Vanessa nach.

»Ja ja, alles geregelt. Carl meint, wir können in seinem Wohnzimmer pennen!«

»Hast du auch erwähnt, dass wir sieben Leute sind?«

»Nun ja, kommt drauf an, was er unter ›ein paar‹ Freunde versteht!«

»Oje, wir werden wirklich noch unter einer Brücke schlafen müssen. Wollen wir uns nicht doch noch was buchen?«, fragte Romy.

Maria protestierte: »Nein, so ist das viel cooler, wir planen nichts und tun nur das, worauf wir Lust haben!«

»Na gut, aber ich hab echt keinen Bock, ständig mein Zeug in der Stadt rumschleppen zu müssen.«

»Musst du nicht, Romy. Wir stellen alles bei Carl unter. Und in Berlin steigen wir bei Vanes großer Schwester ab. Stimmt’s, Vane?«

»Ja, da ist alles geregelt, die wohnt in so einer WG und da ist noch genug Platz für uns!«

»Und in München haben wir schon immer was gefunden!«, sagte Peter.

»Du hast schon immer eine Ische gefunden, die dich, aus welchen Gründen auch immer, beherbergt hat.«

»Wir müssen in Berlin unbedingt in den Reichstag gehen!«, warf Julia ein. Sie war dafür bekannt, wann immer es ging, Kommentare abzugeben, die die anderen verwunderten.

Peter hob die Augenbrauen und entgegnete ihr: »Wir müssen nur eines: jede Nacht Party machen und jeden Tag mit zwei Feigling und einer Marlboro beginnen!«

Maria, Vanessa, Romy und Ben lachten zustimmend, woraufhin Letzterer einen bösen Blick von Julia erntete.

»Und wir müssen mit mindestens einem Penner über die öffentlichen Duschen am Hamburger Hafen diskutieren!«, fügte Vanessa hinzu.

»Und wir müssen auf ’ner Kreuzberger Party alle wegpogen«, schlug Ben mit den Fingerknochen knacksend vor.

Und Peter ergänzte: »Und wir müssen in einem Reeperbahnstripclub die Zeche prellen.«

Erleichtert sah Ben auf die Uhr: Nur noch 15 Minuten, dann würden sie in den Hamburger Hauptbahnhof einfahren. Julia war inzwischen eingedöst. Bens Mundwinkel hoben sich automatisch, er lächelte immer, wenn er sie schlafen sah.

Als er gestern gepackt hatte, waren die meisten Sachen schnell vom Schrank in seine Hand und dann in die Tasche – oder zurück in den Schrank – gewandert. Doch bei ein paar Kleinigkeiten hatte er gezögert. Das Herzkissen mit Julias Gesicht hatte er lange Zeit betrachtet, ebenso wie die Bierdeckelkette, die ihm seine Kumpels zum Achtzehnten geschenkt hatten, und eine Ansammlung von Bildern, die die schönsten Suffgrimassen seiner Freunde zeigten. Während er darüber nachgedacht hatte, ob sie einen Platz in seinem Gepäck finden sollten, hatte er die letzten Jahre Revue passieren lassen. Und als er den Rauch seiner Zigarette tief eingesogen und auf seine fertig gepackte Tasche hinabgestarrt hatte, hatte er ein seltsames Gefühl der Erleichterung verspürt. Er hatte noch immer Angst, natürlich, aber jetzt hatte er es seinen Eltern gesagt. Aus einem Radio neben dem Esstisch war der Klassiker The Free Electric Band geschallt und während Albert Hammond davon gesungen hatte, sein geregeltes Mittelstandsdasein gegen ein Leben als Musiker einzutauschen, hatte Ben mit seiner Ansprache begonnen.

Seine Eltern hatten seine Nachricht natürlich nicht freudig aufgenommen. Aber sie hatten loslassen können, auch wenn sie ihn so sehr vermissen würden, wie es für Eltern eben üblich war. Und auch ihm würden ihre Fürsorge, die Gespräche und die Auseinandersetzungen mit den beiden fehlen. Ebenso wie das nächtliche Hereintapsen seiner Mutter in sein Zimmer, wenn sie nicht schlafen konnte und ihn längst im Land der Träume wähnte. Manchmal setzte sie sich auf den Boden neben sein Bett, legte ihre Hand auf seine Stirn und machte drei Kreuzzeichen darauf, zart und fast unbemerkt. Geborgenheit. Die würde er nun hinter sich lassen. Denn seit ein paar Wochen hatte er den Realschulabschluss.

Und auch wenn er nie gern in die Schule gegangen war, hatte er aus dem Matheunterricht doch eines mitgenommen: Wenn man die Lösung aus dem Lösungsbuch abschreibt, weiß man zwar das richtige Ergebnis, kennt aber nicht den Weg dorthin und versagt, wenn es hart auf hart kommt. Und deshalb hatte er sich fest vorgenommen, in den nächsten Monaten zu erproben, wie er ohne das Lösungsbuch auskommen würde. Ohne die Sicherheit in seinem Elternhaus. Ohne Julia.

Als die Stimme aus dem Off verkündete, dass sie am Ziel angekommen waren, war keiner erschöpft, stattdessen waren sie heiß auf die Stadt. »Wo genau müssen wir jetzt eigentlich hin?«, fragte Arthur, nachdem sie den Zug verlassen hatten.

»Carl wohnt in der Nähe vom Schanzenviertel. Ich habe die Straße schon in mein iPhone-Navi eingegeben!«

Peter zog ganz vorsichtig ein kleines graues Stofftier aus seiner Tasche, das sich bei genauerer Betrachtung als Maus entpuppte. Diese Maus hatte einen Reißverschluss, den Peter vorsichtig öffnete und aus dem er sein Heiligtum hervorzog. Vanessa, Maria und Romy schauten einander vielsagend an. Das war der Beweis: Peters Liebe zu seinem Mobiltelefon hatte eine neue Dimension angenommen.

»Peter, meinst du nicht, dass dein Baby auch ohne Stofftierschutzhülle überleben kann? Apple hat dieses Teil bestimmt so konstruiert, dass man es auch in einer normalen Hosentasche mit sich herumtragen kann! Und was machst du eigentlich, wenn es mal verloren geht?«

»Ich werde es nicht verlieren. Niemals. Und wenn doch, orte ich es über Funk!«

Peters Schatz lotste sie zuverlässig durch die Stadt, ihr erster Zwischenstopp war McDonald’s. Wie immer regte sich Peter fürchterlich über den Veggie-Burger auf.

»Wie kann man nur diesen gepressten Kompost essen, wenn wenn man einen saftigen Chicken-Burger haben kann?«, wollte er von Romy wissen, die Vegetarierin war. »Wenn man ein Steak draufhauen würde, ginge das ja vielleicht noch, aber so?«

»Ah, gepresster Kompost mit Antibiotika-Fleisch ist dann aber okay, oder was?«, hakte Julia. Seit einiger Zeit aß sie nur noch Produkte von heimischen Biobauern.

»Ach, ihr seid auch keine besseren Menschen, nur weil ihr kein Steak esst oder euer Steak mal glücklich war!«, zischte Peter.

»Wie man’s nimmt. Du und das Fleisch, ihr seid beide Rindviecher und das, was du dir da in den Mund schiebst, hing bestimmt mal genau so an seinem Leben, wie du es tust!«, konterte Romy.

»Willst du jetzt Peta-Aktivistin werden, wenn du groß und stark bist?«, höhnte Peter.

»Wenigstens will ich nicht Homer Simpson werden!«, scherzte Romy.«

»Stimmt, ihr seid ja beide frei«, überlegte Arthur laut. »Was willst du jetzt eigentlich machen, Ben!?«

Ben erschrak und zögerte, dann murmelte er möglichst überzeugend irgendetwas von wegen »Ausbildung zum Trockenbaumonteur« und versuchte weitere Fragen abzuwürgen, indem er sich eine Zigarette ansteckte und ungewöhnlich lange an dem Feuerzeug nestelte. Als er merkte, dass ihm noch immer alle lauschten, schlug er vor zu gehen. Unruhig stand er auf, nahm sein Tablett und verließ das Lokal. Als ihm die anderen folgten, verspürte Romy plötzlich das Gefühl, auch ohne irgendwelche Mittel jedes Ziel erreichen zu können. An jeder Hausecke sah sie schon jetzt, welche bedeutenden Szenen sich hier abspielen könnten. Spektakuläre, erregende Szenen, die von der Realität hoffentlich noch übertroffen werden würden.

Lippenstiftgeschmacksekstase

»Vieles ist zur Gewohnheit verkommen Doch das ist immer die Gefahr Routine hat ihren Platz eingenommen Bis es nicht mehr auszuhalten war.«

Die Ärzte: 1/2 Lovesong

Es war bereits Abend, als sie die Bleibe ihres mehr oder weniger freiwilligen Gastgebers Carl erreichten. Er wohnte am Rand des Schanzenviertels, im dritten Stock eines für die Gegend ungewöhnlich seriös wirkenden Hauses. Nachdem sie geklingelt hatten, meldete sich eine dunkle Stimme über die Gegensprechanlage.

»Atzen-Angriff!«, schrie Peter ihr entgegen.

»Er wird uns für total prollig halten!«, seufzte Vanessa leise.

»Er wird erst mal total geschockt sein, dass wir so viele sind«, fügte Ben hinzu.

Und tatsächlich stutzte Carl, als die sieben plötzlich in seinem zwanzig Quadratmeter kleinen Wohnzimmer standen. Er hatte wohl doch nicht mit so vielen Gästen gerechnet. Maria musterte Carl enttäuscht, sie hatte einen heißen Jüngling und ihren potenziellen nächsten Lover erwartet, doch Carl war pickelig und hager, und obwohl er schon über zwanzig sein musste, haftete ihm etwas Pubertäres, Unbeholfenes an. Seine Wohnung wirkte unterdessen wie die eines Fünfzigjährigen: Sie war sehr ordentlich, beinahe steril und abgesehen von ein paar Metallica- und Green-Day-Postern deutete nichts auf die Jugendlichkeit ihres Besitzers hin. Auf dem Balkon hatte er zwei Blumenkästen angebracht, in denen ein kleiner Kräutergarten grünte.

Nachdem sich alle vorgestellt hatten, schien Carl etwas aufzutauen. Er führte die Gruppe durch seine Räumlichkeiten. Sein Schlafzimmer, die winzige Küche und das Badezimmer waren ebenso aufgeräumt und kahl wie das Wohnzimmer. Nur ein Zimmer weckte das Interesse der Freunde: Zwei PCs standen darin, ein Schlagzeug, eine lebensgroße Pappstatue von Lara Croft und eine überdimensionale Spielkonsole. Peter und Ben jauchzten entzückt auf. Sie unterhielten sich eine ganze Weile mit Carl über seine Sehenswürdigkeiten und dessen Gamer-Erfahrungen.