Sommerträume im kleinen Seelencafé - Inge Zinßer - E-Book
NEUHEIT

Sommerträume im kleinen Seelencafé E-Book

Inge Zinßer

0,0

Beschreibung

Eiskaffee, Limonade und Zitronenkuchen - der Sommer hält Einzug im Seelencafé und Fine und ihre Freundinnen Luise, Elfi und Babsi könnten nicht glücklicher sein: Das kleine Café, das die vier neben dem Dorffriedhof eröffnet haben, ist zu einem besonderen Wohlfühlort geworden. Doch bald kommen neue Herausforderungen auf die Frauen zu: Fines Tochter Betty kehrt unerwartet in ihren Heimatort zurück, der neue Vikar mischt das Dorf auf, und dann soll auch noch das Cafégebäude verkauft werden. Bedeutet das das Ende für das kleine Seelencafé?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 229

Veröffentlichungsjahr: 2025

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.

Beliebtheit




Inge Zinßer

Sommerträume im kleinen Seelencafé

Roman

Zum Buch

Turbulenzen im kleinen Seelencafé Die Tage im kleinen Seelencafé am Fuße der Schwäbischen Alb werden länger. Eine Weile ist es her, dass Fine und ihre Freundinnen das Café neben dem Dorffriedhof eröffnet haben, noch immer arbeiten sie mit Begeisterung zusammen und bilden mit der alten Hedwig Richter ein richtig gutes Team. Totengräber Hans bleibt dem Café genauso treu wie das frisch verheiratete Rentnerpaar Henny und Josef Ziegler. Während Elfi ihren Durchbruch als Schneiderin feiert, bringt der neue Vikar frischen Wind in die Gemeinde und vor allem in Bettys Leben – die Tochter von Cafébetreiberin Fine ist plötzlich in ihre Heimat zurückgekehrt, aus gutem Grund … Doch bald tauchen Gewitterwolken am Sommerhimmel auf: Das gemeindeeigene Haus, in dem sich das Café befindet, soll verkauft werden. Ist das bereits das Ende einer wunderbaren Erfolgsgeschichte? Nein – alle sind sich einig, es muss eine Lösung her!

Inge Zinßer, Jahrgang 1954, ist Buchhändlerin in Rente. Sie lebt im schwäbischen Hochdorf und hat bereits mehrere Regionalkrimis mit schwäbisch heiterer Note veröffentlicht, die eine wachsende Fangemeinde haben. Wenn man einmal nicht weiß, wo sie gerade ist, findet man sie mit Sicherheit in der nächsten Buchhandlung. Durch ihren Ehemann, der jahrzehntelang Gräber gebaggert hat, ist sie mit dem lokalen Friedhofswesen und seinen Eigenheiten bestens vertraut. Kein Wunder, dass ihr Roman »Das kleine Seelencafé« auf einem schwäbischen Friedhof spielt. Im neuen Buch »Sommerträume im kleinen Seelencafé« geht die Geschichte genauso warmherzig weiter, wie sie im ersten Band begonnen hat.

Impressum

Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß § 44b UrhG (»Text und Data Mining«) zu gewinnen, ist untersagt.

Bei Fragen zur Produktsicherheit gemäß der Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit (GPSR) wenden Sie sich bitte an den Verlag.

Immer informiert

Spannung pur – mit unserem Newsletter informieren wir Sie

regelmäßig über Wissenswertes aus unserer Bücherwelt.

Gefällt mir!

Facebook: @Gmeiner.Verlag

Instagram: @gmeinerverlag

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-verlag.de

© 2025 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

Satz/E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © Daria Ustiugova / istockphoto.com; miko2 / shutterstock.com; Chitrogiri / stock.adobe.com

ISBN 978-3-7349-3218-2

Haftungsausschluss

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

1

Als Hans Geiger die Kirchturmuhr neunmal schlagen hörte, legte er seine Schaufel zur Seite. Zeit für die Frühstückspause. Er war gerade damit beschäftigt gewesen, Humus von einem Container in seinen Schubkarren zu laden. Heute stand die Pflege des großen Blumenbeets am Friedhofseingang an.

Der Winter war vorbei und endlich kehrten die Farben zurück. In mehreren Kisten standen Stiefmütterchen in Violett und Orange bereit, die er nachher einpflanzen würde.

Nun freute Hans sich erst einmal auf das warme Plätzchen im gegenüberliegenden Café, das für ihn im letzten Jahr zu einem zweiten Zuhause geworden war.

Er wusch sich gründlich die Hände und ging über die Straße. Durch die offen stehende Tür des Seelencafés duftete es bereits nach Kaffee. Offiziell öffnete es erst um halb zehn, aber für ihn machten Fine und ihre Freundinnen gerne eine Ausnahme.

»Guta Morga, Fine – wunderbares Wetter heut’ und ma’ riecht d’ Frühling scho’ richtig!«, begrüßte er Josefine Eichinger, die in der Küche stand und Butterbrezeln schmierte. Im Hintergrund blubberte die Kaffeemaschine, was bei Geiger augenblicklich Wohlbehagen auslöste.

»Guten Morgen, Hans! Ja, deshalb steht auch alles offen, die frische Luft ist wunderbar. Du bist heut’ wieder früh dran, aber ich auch, also kein Problem. Setz dich, ich bring dir gleich deinen Kaffee. Brezel wie immer? Heut’ gibt’s außerdem Marmorkuchen und dann noch etwas ganz Besonderes!«

»Was denn? Jetzt mach’sch mi ganz neugierig!«

»Seelen – richtig selbst gemachte mit Salz und Kümmel! Die Hedwig hat’s drauf!«

Hans Geiger strahlte beim Gedanken an die deftigen Hefestangen mit Kümmel und grobem Salz. Etwas Butter dazu – einfach, aber köstlich!

»Und weißt du auch, warum sie Seelen heißen? Früher schenkte man das Gebäck den armen Leuten am Allerseelentag und legte sogar welches auf die Gräber. Du musst bloß aufpassen, wenn du eine große Seele an eine Frau verschenkst, denn das galt damals als Heiratsantrag.«

»Ach, du liebes Herrgöttle! Da kann ma’ ja in was nei g’raten!« Geiger grinste von einem Ohr zum anderen. Als Totengräber der Gemeinde war er zeit seines Lebens allein geblieben. Nicht unbedingt freiwillig, er hatte einfach nicht die richtige Frau gefunden. Und wenn ihm doch einmal eine gefallen hatte, hatte die ihn nicht gewollt.

»Dann nehm’ ich heut’ zu meiner Brezel außerdem eine Seele, i hab an Mordshunger.«

Fine lachte. »Ja klar, du kriegst sogar noch mehr, wenn du willst, schließlich warst du schon fleißig. Ich hab dich schaufeln hören.«

Sie brachte Hans einen Teller mit dem Gebäck und eine Tasse Kaffee an seinen Stammplatz, setzte sich zu ihm und schaute zufrieden aus dem Fenster.

*

Fine war jedes Jahr tief berührt von der steten Wiederkehr des Frühlings. Mochte das Weltgeschehen noch so düster sein – das Grün kam hervor, die ersten zarten Blüten zeigten sich, die Luft roch wärmer und die Vögel sangen. Nicht, um die Menschen zu erfreuen, sondern um ihr Revier zu markieren und einen Partner zu finden. Ein neuer Kreislauf begann und das hatte etwas überaus Beruhigendes für Fine.

Wie aufregend waren die letzten zwölf Monate gewesen! Zusammen hatten Luise, Babsi, Elfi und sie das Seelencafé eröffnet, gleich gegenüber dem Friedhof. Keine der vier Frauen hätte sich das träumen lassen, und doch war es einfacher gewesen als gedacht. Als sie erst einmal angefangen hatten, lief es fast von allein. Manche der Gäste kamen häufig und die Frauen vom Café konnten inzwischen auf viele schöne Erlebnisse zurückblicken. Vor längerer Zeit hatte hier sogar eine Hochzeit stattgefunden: Josef und Henny hatten den Schritt gewagt.

Die beiden hatten sich auf dem Friedhof kennengelernt, waren verwitwet und einsam gewesen. Eines Tages hatte Josef seinen Mut zusammengenommen und Henny angesprochen. Von da an trafen sie sich häufig, gingen spazieren oder saßen im Seelencafé bei Kaffee und Kuchen zusammen. Fine hatte die zarten Anfänge dieser späten Liebesgeschichte mitbekommen und freute sich von Herzen für das Paar. Die Hochzeit hatten sie in kleinem Rahmen gefeiert – viel Platz bot das Seelencafé ja nicht, aber es reichte.

Anschließend wollten die frisch Vermählten zu einer Hochzeitsreise aufbrechen. Leider mussten sie diese verschieben, weil Josef eine schlimme Bronchitis bekommen hatte und sich wochenlang auskurieren musste. Nun waren sie unterwegs und hatten auch eine malerische Ansichtskarte geschickt. Sicher hatten sie eine Menge zu erzählen, wenn sie zurückkehrten.

Der Vormittag verlief heute sehr ruhig und Fine war darüber nicht unglücklich. Babsi hatte sich entschuldigt, weil sie einen Termin beim Augenarzt hatte. Das dauerte meist ewig, vor allem wenn man diese pupillenerweiternden Tropfen in die Augen bekam. Danach war man stundenlang zu nichts nütze. Also hatte Fine beschlossen, den Morgen ausnahmsweise allein zu übernehmen. Am Nachmittag würde Elfi dazustoßen.

Fine schloss das Café für die Mittagspause ab, stapelte ihre Utensilien in ihr Auto und machte, dass sie nach Hause kam. Vielleicht war Wilhelm schon in der Küche und bearbeitete den Spargel, den sie ihm mit der Bitte, ihn zu schälen, auf den Platz gelegt hatte. Der Spargel war frisch vom Markt. Fine hatte ihn gestern auf dem Wochenmarkt entdeckt, zusammen mit einem Bund duftender Kräuter und jungen Kartoffeln. Heute sollte daraus eine leichte Suppe entstehen. Fine hatte beschlossen, ihren Mann in Zukunft auch mal kochen zu lassen. Sie hatte die tagtäglichen Überlegungen, was denn wieder auf den Tisch kommen sollte, endgültig satt. Wenn sie alles zusammenrechnete, waren das bei zwei Mahlzeiten am Tag in ungefähr fünfundvierzig Jahren über dreißigtausend Mahlzeiten! Von Ausnahmen wie Urlaub, Einladungen oder Restaurantbesuchen einmal abgesehen. Auf jeden Fall eine riesige Menge an Kocharbeit! Also höchste Zeit, diese Aufgabe etwas gerechter zu verteilen. Schließlich hatte Wilhelm genug Muße, jetzt, wo er Rentner war.

Und tatsächlich: Als Fine in die Küche kam, sah sie den klein gewürfelten Spargel auf dem Holzbrett liegen.

»Super, schön, dass du daran gedacht hast, Wilhelm, dann mach ich jetzt die Suppe. Willst du mithelfen und zuschauen, wie’s geht?«

»Nö, mach du nur, ich muss noch das Auto ans Ladekabel hängen. Die Sonne scheint grad so schön, da sollten wir den Strom vom Dach nutzen.«

Seit sie das Elektroauto hatten, achtete Wilhelm immer darauf, dass der Strom der Photovoltaikanlage direkt in das Auto floss und nicht aus dem Netz gekauft werden musste – für ihn als alten Schwabe sehr befriedigend. Auch Fine fand das gut.

Wenig später saßen sie beim Essen und löffelten ihre Suppe, die verführerisch duftete. Danach entspannten sie auf dem Sofa mit Kaffee und Lesestoff. Fine vertiefte sich in ihr aktuelles Buch, das sie nach Cornwall entführte. Ein lang vergessener Mordfall stand kurz vor der Aufklärung. Sie brauchte alle drei, vier Tage ein neues. Das Bücherregal quoll schon wieder über, aber wovon sollte sie sich trennen? Am liebsten las sie englische Kriminalromane, gerne auch historische. Oder Geschichten über Frauen, die ihr zusätzlich zur Handlung auch Zeitgeschichte vermittelten.

Wilhelm widmete sich den restlichen Seiten seiner Zeitung. Dieser Teil des Tages war wie immer der gemütlichste. Kurz nach zwei machte sich Fine fertig für ihre Schicht im Seelencafé.

»Also, ich geh dann, Wilhelm. Bis heut’ Abend. Was hast du noch vor?«

Keine Antwort. Sie hörte ein leises Schnarchen – Wilhelm war eingeschlafen und die Zeitung aus seinen Händen gefallen. Fine grinste und verließ leise das Zimmer.

Sie kam fast gleichzeitig mit Elfi am Seelencafé an. Nachdem Fine ihr Fahrrad an der Ecke abgestellt hatte, half sie Elfi, den Nachmittagskuchen und die Brezeln aus dem Auto zu laden. Den Apfelkuchen hatte Elfi am Vormittag gebacken, er war noch warm und duftete leicht nach Zimt. Sie setzten die beiden Bleche in der Küche ab und lüfteten die Stube sowie die Toilette.

Ansonsten gab es nicht viel zu tun, schließlich hatte Fine mittags alles sauber und aufgeräumt hinterlassen.

»Ob heut’ wohl viel los sein wird?«, fragte Elfi.

»Keine Ahnung, du weißt ja, man steckt nicht drin. Das Wetter ist gut. Stellt sich nur die Frage, ob der fleißige Schwabe lieber was schafft oder sich einen Spaziergang gönnt.«

»Da hast du recht.« Elfi lachte.

»Auf dem Friedhof war es heute früh ziemlich voll, die Leute richten die Gräber her. Vielleicht können wir sie danach zu uns locken. Wir müssten eine Apfel-Zimt-Spur über die Straße legen …«, überlegte Fine.

Elfi kicherte. »Du hast Ideen! Ich sehe es richtig vor mir, wie Hans schnüffelnd immer näher kommt.«

»Na, der kommt sowieso, auch ohne Schnüffelspur.« Fine grinste.

Inzwischen hatten sie den Kuchen und die Brezeln angerichtet und beides auf dem kleinen Tresen in der Caféstube platziert. Fine hatte am Morgen schon einen Frühlingsstrauß dort hingestellt. Alles zusammen sah sehr einladend aus. Gerade bewunderte sie den Strauß erneut, als schon die ersten Gäste kamen.

»Ach, du lieber Gott, ausgerechnet!«, murmelte Fine vor sich hin, als sie sah, wer da in die Caféstube trat.

2

Als Gastgeberin wusste Fine, dass sie alle Gäste in ihrem Café mit der gleichen Zuvorkommenheit und Freundlichkeit bedienen musste, damit sie sich wohlfühlten. Daran hielt sie sich auch meistens. Aber ab und an musste sie sich doch sehr zusammenreißen. Schließlich war sie auch nur ein Mensch mit Gefühlen, und auf denen ließ sie sich nicht gern herumtrampeln.

Die beiden Frauen, die durch die Tür kamen, gehörten nicht zu Fines bevorzugter Gesellschaft. Mit Monika war sie bereits zu Schulzeiten aneinandergeraten. Sie war schon damals eine Tratschtante gewesen, die andere hintenherum schlechtmachte und vornherum ein falsches Lächeln zeigte. Fine war immer eine der Klassenbesten gewesen, und das hatte die neidische Monika ihr offenbar übelgenommen.

Außerdem hätte sie gern den Wilhelm als Freund gehabt und hatte ihn wohl schon damals als ihren zukünftigen Ehemann auserkoren. Doch daraus wurde zu Monikas Pech nichts. Wilhelm hatte erstens keinerlei Interesse an der falschen Schlange – so hatte er es jedenfalls ausgedrückt – und zweitens gefiel ihm Fine, die nach einigen Jahren in Stuttgart nach Steiglingen zurückgekehrt war.

So waren Wilhelm und Fine ein Paar geworden. Aus der Traum für Monika! Sie war fast geplatzt vor Eifersucht. Ein paar Jahre später hatte sie einen anderen Mann geheiratet, den Fine nicht kannte. Aber die Verbitterung blieb, was Monika ihre ehemalige Schulkameradin deutlich spüren ließ.

Und nun führte Fine auch noch ein Café, das allgemeinen Anklang fand! Wieder ein Grund zur Eifersucht. Fine wusste, dass Monika regelmäßig über das Seelencafé und seine Betreiberinnen herzog. Deshalb wunderte sie sich umso mehr, Monika heute als Gast hier zu sehen. Eigentlich könnte Fine das alles gleichgültig sein, aber ihre Abneigung gegenüber der ehemaligen Schulkameradin war so groß, dass sie ihr am liebsten aus dem Weg ging. Die Frau, die hinter Monika das Café betrat, kannte Fine nur flüchtig. Sie wusste lediglich, dass sie Holderstein hieß und aus dem Nachbardorf stammte.

»Möchtest du die beiden vielleicht übernehmen?«, fragte Fine Elfi.

Elfi nickte wissend. Sie lief freundlich lächelnd auf den Tisch der beiden Gäste zu.

»Hallo zusammen! Haben Sie sich schon was ausgesucht? Heute gibt es frischen Apfelkuchen, auch mit Sahne, Marmorkuchen oder eine Butterbrezel. Ich glaube, es sind auch noch einige Seelen von heute Morgen da, wenn es lieber etwas Deftiges sein soll.«

Frau Holderstein beäugte prüfend den Apfelkuchen, bestellte ein Stück mit Sahne und einen großen Milchkaffee. Monika entschied sich für eine Brezel ohne Butter und einen Kräutertee. Die beiden hatten offensichtlich etwas zu besprechen und flüsterten leise. Es schien aber nicht das Café oder Fine zu betreffen, denn Monikas kritische Blicke in Richtung ihrer ehemaligen Schulkameradin blieben heute aus.

Schon kamen die nächsten Gäste und bald darauf eine kleine Wandergruppe. Das Café füllte sich schnell.

Fine sah sich zufrieden um. Ihre schlechte Laune war verflogen und sie entspannte sich.

Zwischenzeitlich waren Monika und ihre Bekannte gegangen und diese hatte sogar den Apfelkuchen in höchsten Tönen gelobt, worüber Elfi sich sehr freute. Auch von Monika kam kein böses Wort zum Abschied, nur ein etwas kühler Blick. Vielleicht hatte sich ihr Groll gegenüber der Cafébesitzerin inzwischen gelegt. Das wäre schön, dachte Fine.

Sie konnte es nicht ertragen, wenn Anspannung in der Luft lag. Sie wollte immer Frieden und ein gutes Miteinander. Natürlich war das utopisch, aber trotzdem – Fine liebte Harmonie.

Kurz vor halb sechs war das Café leer. Elfi und Fine spülten und räumten auf, als Wilhelm den Kopf zur Tür hereinsteckte.

»Hallo, ihr zwei, na, alles verkauft und einen schönen Mittag gehabt?«, fragte er.

»Alles bestens, danke«, antwortete Elfi und Fine fügte hinzu: »Auf den Besuch einer bestimmten Person hätte ich verzichten können. Falls es dich interessiert: Deine alte Verehrerin Monika war hier.«

Wilhelm verdrehte die Augen und ließ ein leises Stöhnen vernehmen. »Da bin ich aber froh, dass ich ihr nicht über den Weg gelaufen bin.«

»Na ja, sie war ganz zahm, bestimmt weil sie mit einer Freundin unterwegs war. Aber was führt dich eigentlich hierher, guter Mann? Normalerweise kommst du mich nicht abholen.«

»Ich fahr gleich noch ins Gartencenter und dachte, du willst vielleicht mit, Blumen riechen und so.«

»Au ja, das ist jetzt genau das Richtige! Willst du ein Stück Restkuchen, bis wir hier fertig sind?«

Wilhelm ließ sich nicht lange bitten. Schon saß er am Tisch und Elfi brachte ihm das letzte große Stück Apfelkuchen mit Sahne. »Ich hab ja keinen eigenen Mann zum Mästen, also muss deiner ab und zu herhalten«, sagte sie dabei und lachte. Fine stimmte mit ein.

Wilhelm kümmerte sich nicht um Elfis Bemerkung – der Kuchen schmeckte, der Rest war ihm egal.

Bald darauf schlossen sie das Café ab. Wilhelm packte Fines Fahrrad auf die Ladefläche seines Pick-ups, und sie fuhren los.

Im Gartencenter ging er zielstrebig zu den Blumenerde- und Düngersäcken. Fine brauchte nichts außer Vogelfutter, sah sich aber gründlich bei den Pflanzen um. Das Grün war eine Wohltat für ihre Augen. Sie hielt sich schon immer gern in Gärtnereien auf, vor allem im Frühling, wenn die ersten blühenden Pflanzen angeboten wurden. Diese Farbenpracht und die Düfte der Blüten waren jedes Mal ein Erlebnis. Natürlich konnte sie auch heute nicht widerstehen und packte vier Töpfe mit Leberblümchen ein. Unter dem Hartriegel in ihrem Garten war eine kahle Stelle, genau der richtige Platz für die zarten Blümchen. Sie würden sich von allein ausbreiten und jedes Frühjahr wiederkommen.

An der Kasse traf sie Wilhelm, der einen schwer beladenen Wagen schob.

»So, fertig, das müsste genügen. Aha, dachte ich es mir doch, dass du auch was findest, wir haben ja noch nicht genug Blumen im Garten«, neckte er sie.

»Es können nie genug sein, oder?«

»Du machst das toll. Unser Garten wird jedes Jahr schöner, Fine, lass dich bloß nicht aufhalten.«

Gemeinsam luden sie die Säcke auf den Pick-up, und dann ging es nach Hause.

*

Elfi stand in ihrer Küche und grübelte, ob es sich überhaupt lohnte, nur für sich selbst zu kochen. Sie seufzte tief. Manchmal fiel ihr das Alleinsein schwer, besonders an den Abenden. Luise und Fine hatten beide Familien, Babsi genauso. Wobei Letztere im vergangenen Jahr mehr Probleme als Glücksmomente mit ihrem Mann erlebt hatte. Kurt war arbeitslos geworden und hatte begonnen zu trinken. Inzwischen hatte er wieder Arbeit und war trocken, der Entzug war erfolgreich gewesen. Trotzdem hatte diese schwierige Zeit tiefe Spuren bei Babsi hinterlassen, um die Elfi sie nicht beneidete.

Elfi war als Einzige der vier Freundinnen alleinstehend. Meistens genoss sie diese Freiheit, aber eben nicht immer. Heute war einer dieser schwierigen Tage. Elfi beschloss, sich etwas Gutes zu tun und eine besonders leckere Mahlzeit zu kochen. Sorgfältig deckte sie den Tisch mit dem feinen Geschirr aus der Vitrine. Dazu stellte sie frische Blumen.

Im Gefrierschrank fand sie eine Packung Zuckerschoten und Zanderfilet. Perfekt! Dazu etwas Wildreis und ein Zitronensößchen – schon war das Festmahl fertig.

Nach dem Essen setzte sie sich an ihre Näharbeiten, das hellte ihre Stimmung immer auf. Nein, sie wollte sich nicht gehen lassen und jammern, lieber etwas Sinnvolles machen.

Obwohl sie bereits im Ruhestand war, betrieb Elfi noch eine kleine Schneiderei. Meistens kamen ihre Kundinnen mit Änderungswünschen an ihrer Kleidung zu ihr, manchmal bekam sie aber auch besondere Aufträge. Momentan arbeitete sie an einem Brautkleid im Stil der Zwanzigerjahre, das machte ihr großen Spaß. Die junge Frau, die das Kleid bestellt hatte, erzählte, dass sie oft mit ihrem Mann zu Boogie-Woogie tanze, und auf ihrer Hochzeit sollte diese Musik gespielt werden. Alle Gäste würden sich im Stil der Zwanziger kleiden. Die Braut freute sich schon sehr darauf. Also gab Elfi ihr Bestes, damit es ein superschönes Brautkleid wurde.

Über der Arbeit vergaß sie ihre trüben Gedanken, und die Zeit flog nur so dahin. Als sie auf die Wanduhr schaute, war es bereits fast Mitternacht und sie merkte, dass sie müde war. Elfi stellte die angefangene Naht fertig und schaltete dann die Nähmaschine ab. Keine halbe Stunde später kuschelte sie sich in ihr warmes Bett, löschte das Licht und fiel in einen tiefen Schlaf.

3

Die Wochen vergingen und der Sommer begann. Immer häufiger machten es sich die Gäste des Seelencafés auf der Terrasse gemütlich und reckten ihre Gesichter der Sonne entgegen. Die vier Freundinnen stellten die ersten Sommerblumen auf die kleinen Tischchen und freuten sich, dass es um das Café herum lebhafter wurde. Heute allerdings schüttete es wie aus Kübeln. Fine sah aus dem Fenster und verzog das Gesicht.

»Da möchte man ja am liebsten liegen bleiben und den ganzen Tag nur lesen und gar nichts tun. Du brauchst dich überhaupt nicht zu beeilen, Wilhelm, heut’ kannst du eh nicht im Garten arbeiten, die reinste Sintflut.«

Wilhelm kam aus dem Bad geschlurft, noch im Schlafanzug und ohne Brille. Mit zusammengekniffenen Augen sah er ebenfalls durch die Scheibe und knurrte missbilligend. »Meinen Plan für heute kann ich vergessen. Entweder ich mach einen Bürotag oder ich fahr gleich ins Thermalbad. Kommst du mit zum Schwimmen, Fine?«

»Schön wär’s, aber ich hab Dienst im Café.«

»Ein Graus ist das. Da hätte man als Rentner endlich Zeit, aber die Frau ist plötzlich wieder berufstätig und hat Pflichten.«

»Tut mir leid, Wilhelm, aber ich kann mich nicht einfach drücken und freimachen. Ich muss mich an unsere Planung halten.«

»Jaja, ich kapier’s ja, aber schon schade.«

Fine ging in die Küche und bereitete Tee und einen Obstteller für sie beide zu. Kurze Zeit später saß das Ehepaar einträchtig am Tisch und las Zeitung. Das war ihr morgendliches Ritual, nachdem sie gefrühstückt hatten. Geredet wurde dabei nicht viel, nur Wilhelm regte sich ab und an über einen Artikel oder das Weltgeschehen auf und brummelte dabei vor sich hin.

»Was gibt’s denn heute zum Mittagessen?«, wollte er zwischendurch wissen.

»Kommt drauf an, was du kochst, lieber Mann. Du weißt, ich komm erst gegen zwölf. Wie wär’s denn mit Fisch? Heute ist Markt.«

Wilhelm seufzte theatralisch. Er schien sich noch nicht an Fines Idee, ihm hin und wieder das Kochen zu überlassen, gewöhnt zu haben. Aber er konnte ihren Argumenten nichts entgegensetzen, schließlich hatte sie mit dem Seelencafé mehr als genug zu tun.

»Also gut, ich werde sehen, was ich hinkriege. Irgendwelche besonderen Wünsche für das Gemüse oder die Beilagen?«

»Nein, du kannst alles machen, was dir einfällt. Ich versuche, nicht zu meckern.« Fine lächelte.

Das war gar nicht so einfach für sie. Zuzuschauen, nichts zu sagen, keine Verbesserungsvorschläge zu machen – manchmal musste sie sich auf die Zunge beißen. Aber sie bemühte sich, still zu bleiben, sonst fühlte Wilhelm sich beobachtet.

Fine wusste aus Erfahrung, dass aller Anfang schwer war. Sie selbst hatte kaum kochen können, als Wilhelm und sie geheiratet hatten. Ihre Mutter hatte immer alles allein erledigt und wollte niemanden in der Küche he­rum­stehen sehen, und so lernte sie nichts über die Essenszubereitung. Aber ehrlich gesagt hatte sie sich auch nicht darum gerissen.

In der Schule gab es dann Hauswirtschaftsunterricht, und der machte Fine richtig Spaß. Sie lernte, wie man den Tisch sorgfältig deckte, die Mahlzeiten servierte und auch abtrug. Dazwischen wurde ein ganzes Menü gekocht, das sie alle zusammen verspeisten. Fines Wissen erweiterte sich enorm und sie liebte diese Stunden und auch das gute Essen. Noch heute blätterte sie ab und an in ihrem Schulbuch von damals. Vielleicht sollte sie es Wilhelm ans Herz legen. Der Gedanke war überlegenswert, er mochte doch Anleitungen und Fachbücher zu allen Themen, warum nicht eines für Haushaltskunde? Kochbücher standen jedenfalls genug im Regal, auch für einfache Gerichte.

Inzwischen war es Zeit, ins Seelencafé zu fahren. Heute würde sie ausnahmsweise das Auto nehmen, bei dem Dauerregen hatte sie keine Lust, zu laufen oder mit dem Rad zu fahren. Außerdem musste sie vorher noch zum Bäcker, die bestellten Backwaren abholen.

»Tschüss, Wilhelm, bis später!«, rief sie in Richtung Küche, als sie an der Haustür stand. Dort hörte sie Wilhelm scheppern, der offenbar irgendetwas im Topfregal suchte. Sie beschloss, es zu ignorieren. Er würde sich mit der Zeit schon zurechtfinden.

Beim Bäcker war die Schlange nicht ganz so lang wie sonst, sodass Fine ein paar Worte mit der Verkäuferin Frau Weber wechseln konnte.

»So, Frau Eichinger, heut’ wieder Dienst? Es lauft ganz gut, Ihr Café, oder?«

»Ja, wir sind wirklich zufrieden. Damit verdienen wir nicht das große Geld, aber die Arbeit im Café macht Spaß und ich glaube, die Steiglinger sind froh über den Treffpunkt.«

»Hab scho’ g’hört, dass der Hans Geiger euer größter Fan isch und jeden Tag im Seelencafé hockt«, sagte Frau Weber lachend.

»Das stimmt, das Café ist anscheinend seine zweite Heimat geworden, aber uns freut’s, er ist immer gern gesehen.«

Inzwischen war der Käsestreuselkuchen eingepackt und die zwanzig Brezeln in einer Tüte verstaut.

»Bis zum nächsten Mal, Frau Weber. Der Kuchen sieht übrigens super aus – wetten, dass kein Stück übrig bleibt?«

»Ade, Frau Eichinger, danke fürs Lob!«

*

Als Fine am Seelencafé ankam, stand Hans Geiger bereits wieder vor der verschlossenen Tür und wartete auf Einlass.

»Guten Morgen, Hans, ist die Elfi noch nicht da?«

»Morga, Fine, noi, ihr lasset mi heut’ ihm Rega stehn. I hab a bissle früher Pause g’macht, bei dem Sauwetter stand i au net gern im Freien.«

»Dann komm schnell rein, es ist wirklich ungemütlich heute.«

Sie schloss zügig die Tür auf und ließ Hans vorausgehen, bevor sie die Einkäufe aus dem Auto holte.

»Setz dich schon mal, ich mach gleich Kaffee, dauert nicht lange. Und was möchtest du heute dazu? Die übliche Brezel oder auch ein Stück vom Käsestreuselkuchen? Ich hab ihn frisch vom Bäcker geholt.«

»Erstmol bloß a Brezel, vielleicht später Kuchen.«

*

Hans saß auf seinem Stammplatz am Fenster, von dem aus er die Aussegnungshalle und das Friedhofstor überblicken konnte, so entging ihm nichts. Für zwei Uhr nachmittags war heute eine Beerdigung angesetzt, aber bis dahin blieb viel Zeit. Das Grab war bereits seit gestern fertig. Er musste nur noch nach den Stühlen und den Gesangbüchern schauen und auf die Gärtnerin warten, die für den Blumenschmuck in der Halle und am Grab zuständig war. Aber die würde erst in ungefähr einer Stunde auftauchen.

Es würde voraussichtlich eine kleine Trauerfeier werden, bei dem Wetter scheuten die Leute oft den Gang zum Friedhof. Die Verstorbene war eine alte Frau, es gab kaum noch Bekannte oder Nachbarn und die Familie war seines Wissens auch nicht allzu groß. Aber genau konnte man das vorher nie sagen, manchmal kam es auch ganz anders. Den Lautsprecher für den Pfarrer musste er trotzdem aufstellen, fiel ihm ein.

Der Bestatter würde seine kleine Musikanlage mitbringen. Der Sohn hatte zwei Lieblingslieder der alten Frau ausgesucht, die bei der Zeremonie gespielt werden würden. Und auch die Kirchenlieder brauchten eine musikalische Begleitung, sonst traute sich keiner mitzusingen.

Seit Jahren wurde immer weniger gesungen bei den Trauerfeiern. Oft fragte Hans sich, wieso er die Gesangbücher überhaupt hinlegte. Nur beim Vaterunser hörte man einige Stimmen.

Über vierzig Jahre arbeitete er nun bereits auf dem Steiglinger Friedhof, er kannte beinahe jeden und jede, die hier ruhten, persönlich. Na ja, die Neuzugezogenen erst mal nicht, aber auch die lernte er mit der Zeit kennen, wenn sie Besuch von ihren Angehörigen bekamen und diese an den Gräbern von ihnen erzählten. Er kam mit allen ins Gespräch.

Hans schlürfte behaglich seinen Kaffee, der ihn wunderbar wärmte. Die Brezel war mit genau der richtigen Menge Butter bestrichen – erst die knusprige Kruste beim Reinbeißen und dann die kühle, cremige Butter, welch ein Genuss!

Elfi war inzwischen auch eingetroffen, die beiden Frauen hantierten in der Küche und er hörte sie werkeln und lachen. Was für ein Segen, dass es das Seelencafé gab! So hatte er doch jeden Tag etwas mehr Leben um sich herum als früher. Bevor die Frauen das Café eröffnet hatten, vesperte er meist allein im Friedhofsgebäude oder bei gutem Wetter draußen auf einer Bank. Manchmal kam einer vom örtlichen Bauhof vorbei, ein Bestatter oder Friedhofsbesucher aus dem Ort. Aber das war nicht das Gleiche. Hier in der schönen Stube zu sitzen, gefiel ihm weitaus besser.

Er sah, dass die Gärtnerin soeben vorgefahren war und ausstieg. Sie ließ die Heckklappe ihres kleinen Transporters noch geschlossen und kam zielstrebig zum Café gelaufen.

»Guten Morgen! Ah, das dachte ich mir, Hans, dass du hier sitzt. Ich nehme auch einen Kaffee und was zu futtern, es ist scheußlich draußen, da bleib ich gern noch ein Weilchen hier drin bei dir.«

»Recht hast du. Fine – bringst du was für das Blumenmädle hier?«

»Was darf’s denn sein?«

»Ein großer Milchkaffee und ein Stück Kuchen von dem da auf dem Tisch, bitte.«

»Kommt sofort!« Fine verschwand wieder in der Küche, um den Kaffee zuzubereiten.

Angenehme Stille breitete sich im Raum aus. Diese Ruhe, bei der man wusste, dass man nichts reden musste, bei der sich jeder wohlfühlte.

Anke, die Gärtnerin, aß mit Genuss ihren Käsekuchen. Hans hatte seine Zeitung aus der Jackentasche geholt und las. Elfi und Fine saßen in der Küche und unterhielten sich leise.