Soulstreamer - Eric Torda - E-Book

Soulstreamer E-Book

Eric Torda

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Beschreibung

Ein verlorenes Gedächtnis und eine Welt voller Monster: Das Abenteuer beginnt Als Merkan Hollister in einem Krankenhausbett aufwacht, fehlt ihm jede Erinnerung – weder an seinen Heimatort, seine Familie noch an seinen eigenen Namen. Zu seinem Erstaunen befindet er sich im Jahr 2472. Er wurde angeschossen in der Wildnis gefunden und ins Hospital einer Festung gebracht, wo die Menschen seit der Auslöschung der alten Welt leben. Ein außer Kontrolle geratenes DNA-Experiment eines Wissenschaftlers hat eine neue Welt erschaffen, in der mutierte Tiere, Pflanzen und Insekten die Menschheit bedrohen. Soulstreamer, automatisierte Roboter, beschützen die wenigen verbliebenen Festungen. Merkan zeigt außergewöhnliche Fähigkeiten und wird schnell zu einem Wächter der Festung. Ausgestattet mit den besten Waffen kämpft er gegen überdimensionale Spinnen, schreckliche Golems und riesige Sandwürmer. Doch Visionen aus der Vergangenheit plagen ihn: Wer ist er wirklich? Lebt seine Familie noch? Und wer ist der bedrohliche schwarze Soulstreamer, der in seinen Träumen auftaucht? Bald wird klar, dass die Festung in großer Gefahr schwebt, denn jemand scheint das gesamte Ökosystem zu manipulieren...

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Inhalt

Kapitel 1: Erwachen

Kapitel 2: Erste Prüfung

Kapitel 3: Fünf gegen einen

Kapitel 4: Zufälliges Wiedersehen

Kapitel 5: Dunkler Himmel

Kapitel 6: Erster Tag als Wächter

Kapitel 7: Wächter gegen Wächter

Kapitel 8: Vertrauen

Kapitel 9: Die erste Jagd

Kapitel 10: Bunte Schwingen

Kapitel 11: Kinoabend

Kapitel 12: Ein Schiff und viel Sand

Kapitel 13: Der erste Angriff beginnt

Kapitel 1: Erwachen

23. September 2472

Es ist kalt und ich kann kaum etwas sehen. Ich habe Schmerzen und kann mich nicht bewegen. Eine Stimme hallt: »Er ist wach.«

»Schnell, er darf keinen Schock erleiden, er muss sofort in den Regenerationsinkubator!«, sagt eine weitere Stimme.

Dann spüre ich so etwas wie einen Elektroschock, der mich sehr sanft und schläfrig macht, aber ein wundervolles Gefühl in mir entstehen lässt, als würde mein Körper überall gleichzeitig massiert werden. Ich werde langsam wach und kann meinen Kopf bewegen, doch er schmerzt weiterhin, selbst die Gedanken schmerzen. Ich will wissen, was hier los ist. Moment mal, wer bin ich eigentlich? Ich … ich kann mich an nichts erinnern.

»Doktor, der Patient … er scheint zu kollabieren!«

»Na los, tun Sie was, geben Sie ihm etwas, um ihn zu beruhigen.«

Ich höre herumrennende Menschen, versuche im Kopf wieder klar zu werden, doch es geht nicht, ich … schreie in Gedanken, schmerzerfüllt.

»Schwester, schnell!«

Die Krankenschwester schlägt eine Nadel in meine Brust und ich beginne mich langsam zu beruhigen, ich .. ich scheine einzuschlafen …

»Hey … hey, bist du wach?«, höre ich leise jemanden fragen, doch andere Stimmen im Raum werden immer lauter.

»Ja«, kann ich erstaunlich problemlos und ohne Schmerzen sagen. »Ich fühle mich gut, was ist passiert? Wo bin ich?«

»Du befindest dich auf der Krankenstation G5 in der dritten Festung. Ich hoffe, du kannst dich wieder normal verhalten.«

Erleichtert grinst mir der Doktor ins Gesicht, doch ich bin immer noch etwas verwirrt. »Was für eine Festung? Ich … ich kann mich … diese Schmerzen in meinem Kopf.« Plötzlich sehe ich Bilder, Dinge, die mir bekannt vorkommen. Kreaturen, Pflanzen, doch was ist das? Ich habe das Gefühl, dass ich meinen Verstand verliere.

»Was ist, geht es Ihnen immer noch nicht gut? Wie heißen Sie überhaupt?«

»Ich kann mich nicht erinnern, ich weiß nicht, wer ich bin oder wo. Moment mal, was ist denn das an meinem Arm?« Erschreckt schaue ich auf die Kratzer in meiner Haut. Es wurde darin etwas eingeritzt, ob ich das selbst war? Dort steht »Merkan«, vielleicht ist das ja mein Name.

»Sie erinnern sich nicht? Oh nein, Sie haben eine Amnesie.« Der Doktor neigt den Kopf langsam zur Seite und scheint nachzudenken. »Das kann aber nicht sein, normalerweise können sich Amnesie-Patienten nicht so stark konzentrieren. Vielleicht ist es ja …«

»Na klasse, und was mache ich nun? Einen Moment, was ist mit mir eigentlich geschehen?«

»Wir haben Sie in der Wildnis gefunden, angeschossen und halb tot. Mit Hilfe der Soulstreamer haben wir Sie in die Krankenstation gebracht.«

»Was sind Soulstreamer?«

»Ich denke, Sie brauchen erst mal Ruhe. Morgen werde ich einen Agenten zu Ihnen schicken. Wenn Sie wieder fit sind, können Sie ihn alles fragen, aber machen Sie sich erst mal keine Gedanken. Schlafen Sie jetzt, morgen wird es Ihnen schon besser gehen.«

Der Doktor verlässt das Zimmer und ich denke noch ein Weilchen nach, bevor ich einschlafe. Dieser Raum, in ihm ist alles weiß, keine anderen Farben an den Wänden und der Decke. Wie der Doktor wohl heißt? Doch eines beschäftigt mich am meisten: Was waren das für Kreaturen, die ich gesehen hatte? Die hatten schlimm ausgesehen, wie überdimensionale Menschen, doch mit vielen Stacheln, riesigen Klauen und Reißzähnen, als würden sie sich von kleineren Wesen ernähren. Dennoch kamen sie mir bekannt vor … Ich denke, ich muss erst mal drüber schlafen. Morgen wird mir dieser Agent einiges erklären. Ich hoffe nur, dass ich dann endlich verstehen werde, was hier los ist.

24. September 2472

»Wachen Sie auf, Merkan.«

Ich schrecke hoch, reibe mir die Augen. »Doktor, was gibts?«

»Der Agent ist da, Sie werden sofort miteinander reden müssen. Er weiß bereits über Sie Bescheid, über die Amnesie und den Unfall. Sie werden sich nur unterhalten. Er wird Ihnen etwas über unsere Lebensart erzählen und Ihre Fragen beantworten. Ich kann nur hoffen, dass Sie sich dann schnell wieder an alles erinnern werden.«

»Und was, wenn nicht? Ich weiß doch noch nicht einmal, was geschehen ist, wieso mir das zugestoßen ist.«

Der Doktor wirft mir einen kurzen Blick zu. »Ich hoffe, Sie werden sich bald wieder erinnern.«

Dann ist er weg. Leise Schritte nähern sich, es ist der Agent. Er sieht komisch aus: schwarzer Anzug, Krawatte, er kommt mir aber vertraut vor. Nicht unbedingt er selbst, aber die Kleidung meine ich zu kennen. Vielleicht erinnere ich mich ja auch an diesen Agenten. Er setzt sich auf den Stuhl neben meinem Bett und guckt mich etwas überrascht an.

»Hallo, mein Name ist Agent Voca. Du musst Merkan sein, der Typ mit der Amnesie.«

»Ja, der bin ich.« Er scheint ziemlich cool zu sein. Gleich ein kleines Lächeln, lustiger Typ. Ich denke, ich werde mich mit ihm verstehen. »Freut mich sehr, ich hoffe, Sie können mir helfen.«

»Wir kommen gut miteinander aus, das merke ich jetzt schon. Also, es gibt etwas, das Sie vielleicht gleich erfahren wollen. Sie haben sicherlich schon von den Mutanten und den Katastrophen gehört, die stattgefunden haben.«

»Was? Mutanten? Katastrophen? Was geht hier eigentlich vor?«

»Moment, Sie wissen nichts von den Mutanten und der apokalyptischen Katastrophe? Sie passierte vor fast 400 Jahren, wir sind in diese Welt geboren worden.« Agent Voca scheint nachzudenken, anscheinend fällt es ihm schwer zu entscheiden, worüber er zuerst berichten soll.

»Voca, richtig? Sagen Sie mir doch etwas zu der Welt da draußen. Wie sieht sie aus?«

Voca schaut mich wieder lächelnd an, aber auch ein wenig bedrückt. »Nun ja, die Welt wurde 2087 durch ein DNA-Experiment quasi ausgelöscht. Wir sind jetzt im Jahre 2472, ein Wissenschaftler verursachte mit diesem Experiment eine extreme Genmutation, was dazu führte, dass Tiere, Pflanzen, Insekten und sogar Menschen zu schrecklichen Monstern mutierten. Wir, die ›normalen‹ Menschen, leben seit dem Jahre 2175 in Festungen, da diese unsere einzige Chance sind zu überleben.«

»Aber was essen wir? Wie leben wir generell?«

»Oje, du weißt wirklich gar nichts mehr, oder? Also, wir haben zum Glück die Soulstreamer erfunden, voll automatisierte und synchron steuerbare Roboter, mit denen es möglich ist, die Wildnis zu betreten, ohne dass Menschen zu Schaden kommen.«

»Wie funktioniert das?«

»Der Mensch braucht sich nur in eine Maschine zu setzen, die sich Synchronisator nennt. Seine Gedanken, Gefühle und Fähigkeiten gehen auf den Roboter über und dieser verbindet sich sozusagen mit seinem Bewusstsein. Es gibt keine künstliche Intelligenz oder sonstige Einschränkungen. Wenn ein Soulstreamer in der Wildnis stirbt, wird die Verbindung zwischen Mensch und Roboter einfach abgebrochen, der Mensch befindet sich aber weiterhin im Synchronisator. Die Teile des Roboters, die mit dem Teleporter zusammen befestigt werden, werden nach Zerstörung des Soulstreamers zur Reparaturstation teleportiert, wo sie überholt und neu zusammengesetzt werden.«

»Ja, diese Soulstreamer kommen mir irgendwie bekannt vor.«

Erleichtert und wieder mit einem Grinsen im Gesicht schaut Voca mich an. »Ich bin froh, dass wir vorankommen. Was soll ich dir noch erzählen?«

»Vielleicht etwas über dich? Ich meine, du hast mir zwar schon gut die Augen geöffnet, aber noch nichts über dich erzählt.«

»Natürlich. Ich bin ein Agent. Meine Aufgabe ist es, die Bewohner dieser Festung zu schützen. Außerdem bin ich verantwortlich dafür, dass in der Festung keine Gewalt angewendet wird. Menschenleben sind kostbar und ich wollte schon, als ich klein war, den Menschen helfen.«

»Benutzt du auch die Soulstreamer?«

»Ja, aber nur, wenn es wirklich notwendig ist. Wie ich mich erinnern kann, hat ein Kollege von mir zum Beispiel deinen Arsch aus der Wildnis gezogen und in die Station verfrachtet.«

Die Schiebetür geht überraschend auf und der Doktor kommt wieder herein. »Verzeihung, Agent Voca, aber wir müssen mit Merkan einige Tests durchführen. Sie können gerne hier warten, wir wollen bloß seine Koordination und Gelenkbewegungen prüfen.«

Agent Voca steht auf und tritt zwei Schritte nach hinten. »Natürlich, Doktor, tun Sie sich keinen Zwang an.«

Der Doktor wendet sich jetzt an mich: »Merkan, ich werde Ihnen nun ein paar Bilder zeigen. Keine Sorge, es ist nicht schlimm, wenn Sie nicht genau erkennen können, was auf dem Bild ist. Es soll lediglich Ihr Urteilsvermögen überprüft werden. Also los.«

Der Doktor zeigt mir Schwarzweißbilder, wobei ich sagen muss, was ich jeweils darauf sehe.

»Löffel – eine Art dreieckige Pflanze – sieht aus wie ein Kissen – scheint ein großes E zu sein.«

»Okay, nun ein Letztes noch.« Der Doktor hält das Bild hoch. Doch es sieht anders aus, es scheint sich zu bewegen. Mir ist plötzlich merkwürdig schwindelig, mein Kopf brummt, was ist los mit diesem Bild? … Plötzlich blendet mich ein Lichtstrahl. »Wo bin ich? Hallo? Was ist das hier?« Ich bin plötzlich nicht mehr in der Station, sondern auf einer Art Berg. Wie bin ich hierhergekommen? Ich sehe etwas, es sieht … nein, es ist ein Flugzeug. Ich erinnere mich an diese Dinger. Sie haben die Soulstreamer an einem entfernten Ort abgesetzt, aber wieso fliegt es in meine Richtung? Plötzlich ein Knall! Das Flugzeug prallt mit voller Wucht an den Berg, auf dem ich stehe. Risse in seinem Rumpf sind zu sehen, ich kann nicht entkommen, ich kann mir bloß ansehen, was gerade passiert. Die Flügel brechen auseinander, aber darin befinden sich keine Soulstreamer, sondern Menschen, die geradewegs in den Tod stürzen. Schreie sind zu hören. Ich sehe nur noch Blut und in der Luft herumfliegendes Gedärm, dann wieder einen Lichtblitz, der auf mich zugerast kommt.

»Omannomann, was geschieht hier? Was passiert hier …?« Ich befinde mich wieder in der Station. War das echt? Es fühlte sich an, als ob ich wirklich dort war, aber das ist unmöglich, was ist nur geschehen?

»Merkan, geht es Ihnen gut?«, meint der Arzt. »Sie waren mehrere Minuten abwesend, sind einfach eingeschlafen. Was ist passiert?«

»Ich … Ich weiß nicht, ich habe etwas gesehen, ein Flugzeug, das auf mich zugeflogen kam. Ich stand auf einem Berg.«

Agent Voca ist auch da, er scheint wieder hereingekommen zu sein, als ich weggetreten war. Erstaunt schaltet er sich ein: »Meinst du, es war eines der Transportflugzeuge der Soulstreamer?«

»Ja, aber es hatte keine Soulstreamer an Bord. Es waren Menschen.«

Überrascht und mit zuckendem Blick wendet der Doktor ein: »Das ist vollkommen unmöglich. Es fliegen keine Menschen in den Flugzeugen. Ich schätze, du hattest einfach nur eine falsche Wahrnehmung.«

»Nein, irgendwas hat diese Vision zu bedeuten. Ich habe das Gefühl, dass etwas Schreckliches passiert ist.« In meinem Magen grummelt es.

Voca schaut mich verdutzt an. »Doktor, können Sie mir sagen, wann Merkan die Station wieder verlassen kann?«

»Also bis auf diesen Ausfall ist ja so weit alles in Ordnung mit ihm, ich denke daher, er kann morgen schon raus. Aber Sie müssen ihn bewachen. Wenn er wieder abwesend ist, wissen wir nicht, was passiert. Er könnte um sich schlagen oder sogar jemanden verletzen.«

»Keine Sorge, Doktor, ich passe auf ihn auf. Er braucht Hilfe, das sehe ich.« Voca scheint etwas an mir zu liegen, entweder er will mir wirklich helfen oder er hat etwas vor, aber wieso bin ich mir so unsicher bei ihm? Ich hoffe auf jeden Fall, dass alles gut wird.

»Voca, danke. Was machen wir denn, wenn ich die Station verlassen habe?«

»Ich werde dir dein Zimmer zeigen und dann mit dir die Festung anschauen. Außerdem musst du getestet werden.«

»Getestet? Was wird denn bei mir getestet?«

»Du wirst darauf getestet, ob du fähig bist, einen Soulstreamer zu lenken, oder ob du dich besser als Arbeiter eignest. Alle machen diesen Test schon mit zwölf Jahren. Wie alt bist du eigentlich?«

Nachdenklich schaue ich in die Luft, ich habe keine Ahnung. »Doktor, wie alt bin ich?«

»Wir schätzen, dass du zwischen 18 und 22 Jahren alt bist. Ich würde sagen … 21«

»Erst 21 und schon solche Probleme? Na gut, ich schätze, in der heutigen Zeit ist das nicht sehr ungewöhnlich«, sagt Voca.

Der Doktor bereitet die Transfusion vor. »Ich glaube, Sie werden es bis morgen schaffen. Schließlich sind Sie schon neun Tage hier, viel länger als normal.«

»Was, neun Tage? Ich habe gedacht, es wären nur zwei.«

»Nein, es sind neun Tage, aber ich verstehe, dass Sie glauben, es seien weniger, weil Sie sieben Tage lang im Regenerator waren. Normalerweise gehen unsere Patienten am selben Tag wieder oder bleiben maximal eine Nacht, wir haben sonst nie solche Fälle wie Sie. Sie sollten jetzt schlafen. Morgen früh bekommen Sie Ihre Entlassung.«

Voca ist immer noch hier. Ich kann es kaum erwarten, dass er mir morgen alles zeigt.

»Merkan, ich werde jetzt auch losgehen, du solltest gut ausgeruht sein, um den Test zu machen. Morgen früh um 9 Uhr hole ich dich ab.«

»Danke, Voca, und danke, Doktor, dass Sie mir geholfen haben.« Ich bin sehr schläfrig, obwohl mir noch einige Gedanken durch den Kopf gehen.

»So, Merkan, ich verlasse Sie nun. Gute Nacht.« Der Doktor geht aus dem Raum und auch Voca macht sich auf den Weg. »Also dann, bis morgen, Merkan.«

Die Lichter gehen aus und meine Augen fallen auch schon zu. Ich bin mal gespannt, was mich morgen erwartet.

… Moment, was ist das? Ich befinde mich in einer Lava-Höhle. Es ist wie bei dem Berg. Ist das wieder eine Vision? Dafür fühlt es sich sehr real an, selbst die Hitze kann ich spüren. Aber was ist das? Es sieht aus wie eine riesige Bestie mit vier Beinen und Krallen wie bei einer Fledermaus, nur hundertmal größer. Jetzt fliegen Raketen auf dieses Ding zu. Es scheint angegriffen zu werden, doch niemand außer diesem Ding ist zu sehen. Doch, dort, Soulstreamer. Es sind fünf, die anscheinend gegen diese Riesenfledermaus kämpfen. Ein Soulstreamer mit einem riesigen Raketenwerfer trägt einen metallenen Mantel. Es sieht zunächst so aus, als könne er sich nicht bewegen, doch er springt auf und rennt an einen sicheren Platz. Ein weiterer Soulstreamer hält eine große Waffe in der Hand, aus der er mit Flammenkugeln auf dieses Ding schießt. Auch er sieht sehr beeindruckend aus und ich glaube, er trägt so etwas wie ein Wappen an seiner Brust. Doch da kommt noch ein Soulstreamer angerannt, in einer bläulich leuchtenden Rüstung und mit zwei blau funkelnden Schwertern. Er kommt angerast wie der Wind und führt einen so schnellen Hieb aus, dass selbst ich nicht erkennen kann, was er gerade zerschnitten hat. Es erscheinen noch zwei weitere Soulstreamer. Der eine mit einem normalen Gewehr und der andere mit einem Scharfschützengewehr. Sie fesseln die Riesenfledermaus und scheinen etwas an ihr zu befestigen. Was hat das zu bedeuten? Wieso sehe ich das? … Einen kurzen Moment darauf bin ich schon wieder woanders. »Okay, Leute, Projekt Archimedes wartet auf uns. Wir müssen dieses Vieh fangen. Ihr wisst alle, wie wichtig das ist, und denkt daran, niemand darf etwas davon erfahren.« Ich stehe im Wald, dort sind Soulstreamer, die sich unterhalten, aber ich sehe sie nur sehr verschwommen. Was bedeutet das? Wieder kommt eine Art Licht auf mich zu …

Kapitel 2: Erste Prüfung

25. September 2472

Jetzt bin ich wach. Anscheinend etwas früher als gedacht, denn die Lichter im Raum sind noch nicht an. Ich kann mich aber bewegen. Zum Glück habe ich mitbekommen, wo das Licht ausgemacht wurde. Meine Augen scheinen sich angepasst zu haben. Jetzt kommt mir dieser Raum viel klarer vor. Obwohl es dunkel ist, scheine ich erkennen zu können, wo sich die Objekte befinden. Vor mir ist das Bett, in dem ich gelegen habe. Zwei Meter weiter befindet sich eine Kathetervorrichtung, die an einem leeren Bett steht. Es ist unglaublich, aber ich denke, ich habe es irgendwie geschafft, einen siebten Sinn zu entwickeln. Ich bewege mich ohne Probleme auf den Lichtschalter zu und betätige ihn. Jetzt sehe ich, dass ich recht hatte. Die Objekte im Raum sind dort, wo ich sie vermutet habe. Doch ich habe das Gefühl, dass ich sie nicht gesehen, sondern eher gespürt habe. Was ist nur los mit mir? Es öffnet sich die Tür und der Doktor kommt herein.

»Merkan, Sie sind schon wach? Wie haben Sie denn das Licht angemacht?«

Ich halte es für notwendig, dass ich diese »besondere Fähigkeit« für mich behalte. Schließlich will ich herausfinden, wer mich erschießen wollte. Und ich kann im Moment niemandem vertrauen.

»Ich habe mich einfach hierher vorgetastet. Ich konnte nicht mehr schlafen.«

»Okay. Voca wird auch gleich kommen und Sie abholen. Kommen Sie, ziehen Sie sich an. Ich gebe Ihnen Ihre Sachen, die wir gefunden haben.«

»Ich habe Sachen?«

»Ja, wir geben Ihnen neue Kleidung, da die alte sehr zerfleddert ist, aber Sie hatten noch etwas bei sich: ein leeres Blatt Papier, eine kaputte Laserpistole und ein … ähm, na ja, wir konnten nicht entziffern, was das ist. Es sieht aus wie ein Zylinder mit Zahlen drauf.«

Ich kann mich an keines von diesen Dingen erinnern, aber vielleicht sollte ich sie mir erst einmal ansehen, eventuell erinnere ich mich dann an irgendetwas. Ich ziehe mich an und es ist das erste Mal, dass ich dieses Zimmer verlasse. Es ist merkwürdig, erst war ich in diesem hellen und weißen Arztzimmer und nun sehe ich schwarzbraune Gänge. Es sieht so aus, als wäre ich in einer Fabrik oder einem alten Gebäude. Unglaublich, dass ich mich immer noch in der Klinik befinde.

Der Doktor begleitet mich nach draußen. »Wir sind da. In diesem Raum wirst du entlassen. Voca wartet schon draußen. Er darf die Praxis momentan nicht betreten, strenge Vorschriften.«

Auf einem kleinen Podest steht eine Schale mit den Sachen. Vielleicht kommt eine Vision oder Erinnerung, wenn ich mir diese näher ansehe. Doch es passiert nichts. Ich spüre oder sehe nichts Neues. Es sind die Sachen, von denen der Doktor mir berichtet hat: ein leeres Blatt, die komplett demolierte Laserpistole und der Zylinder mit den Zahlen.

Der Doktor greift mich an der Schulter. »Und, passiert was? Erinnern Sie sich an etwas?«

Ich schüttle den Kopf. »Nein, obwohl das sehr eigenartig ist. Bei dem Bild, was Sie mir gezeigt haben, sah ich direkt etwas. Doch bei den Dingen, die anscheinend mir gehören, sehe ich nichts.«

»Nun ja, wer weiß, vielleicht passiert doch noch etwas. Also gut, Merkan. Ich wünsche Ihnen noch ein schönes Leben und hoffe natürlich, dass Sie uns nicht wieder besuchen müssen.«

»Danke, Doktor, das hoffe ich natürlich auch.«

Der Doktor dreht sich um und geht aus der Tür, aus der wir gekommen sind. Ich gehe durch denn vorderen Eingang. Es ist hell draußen. Es ist erstaunlich, zum ersten Mal sehe ich das Innere der Festung. Voca ist nirgends zu sehen, dafür sind hier viele andere Menschen. Komisches Gefühl, ich habe anscheinend vor meinem Gedächtnisverlust diese Szenerie als normal empfunden. Doch sie kommt mir jetzt sehr aufregend und neu vor, als würde ich sie zum ersten Mal sehen.

»Merkan, hier bin ich. Hat ein wenig gedauert, Verzeihung. Hatte noch etwas Wichtiges zu erledigen.« Voca kommt sehr außer Atem an.

»Kein Problem, ich bin auch erst vor ein paar Minuten entlassen worden.«

»Ich weiß, wo wir zuerst hingehen. Hast du Hunger?«

»Ja, ein wenig.«

»Also gut, wir gehen zuerst runter in das Handelsviertel. Ich erzähle dir ein wenig von der Festung, während wir laufen. Wir befinden uns gerade im Ärzteviertel. Weiter links befindet sich die Destillerie. Dort wird das Wasser zum Trinken und Waschen gewonnen. Gleich dahinter ist das Farmerviertel. Dort produzieren wir unsere Nahrung, damit wir genügend haben, falls wir nicht genügend Pfanpies fangen.«

»Was sind Pfanpies?«

»Eine nicht sehr seltene Tierart, sie vermehren sich schneller, als wir sie essen könnten. Deren Fleisch vertragen wir, weil es nicht so sehr vom Virus angegriffen wurde. Wir essen es fast immer. Es gibt natürlich auch noch Graffan oder Hukulus und etliche mehr, die wir Menschen vertragen. Oh ja, siehst du das dort, ganz weit dahinten? Da ist das Forschungszentrum. Dort suchen wir nach einer Lösung, das Virus zu zerstören. Ein Professor hatte es fast mal geschafft, aber leider ist er verstorben, bevor er sein Werk vollenden konnte.«

Nichts davon sagt mir etwas, auch habe ich keine Bilder oder Visionen. Was ist nur los? Bin ich hier überhaupt aufgewachsen? Was, wenn ich von woanders herstamme? Aber von wo? Ich mache mir wohl zu viele Sorgen. Vielleicht braucht es auch ein wenig Zeit. Wir sind immer noch in der Gasse. Ich habe gedacht, die Festung wäre größer, zumindest nach dem, was ich von Voca gehört habe. Ich kann nur hoffen, dass ich mich bald wieder an etwas erinnern kann.

»Wir sind da. Das ist das Handelsviertel.«

Erstaunt sehe ich nach oben. »Wow, es ist erstaunlich, viel imposanter, als ich mir es vorgestellt habe.« Es ist gewaltig, die ganze Festung ist viel größer, als ich dachte, doch erst hier im Handelsviertel kann man es sehen. Von hier aus kann ich auch alle anderen Gebiete überblicken. Die Festung geht mindestens tausend Meter nach oben und scheint in Bezirke aufgeteilt zu sein, ähnlich aufgebaut wie ein Würfel von innen. An den gewaltigen Wänden der Festung führen sogar Treppenwege entlang, wo Apartments aus der Wand ragen, in denen die Einwohner anscheinend wohnen.

Voca sieht mich an und lächelt. »Na, gefällt es dir? Es ist wundervoll, nicht wahr? Hier im Handelsviertel sind wir sozusagen im Zentrum der Festung. Wir sollten weiter, ich muss dich ja noch zum Test bringen. Aber erst einmal essen wir was. Komm mit, wir gehen zu Worf, er gibt hier Lebensmittel raus.«

»Was passiert eigentlich, wenn ich den Test nicht bestehe?«

»Keine Sorge, das wird nicht passieren. Der Test bestimmt nur, was für dich am besten ist, ein Durchfallen gibt es nicht.«

Nun sind wir da, am Lebensmittelstand. Voca schaut zu mir. »Okay, das ist Worf. Er ist gerade am Ausgeben. Ich hole mir meine Tagesration und teile sie mit dir. Ich habe noch genug Essen in meinem Apartment.«

»Danke, Voca, das weiß ich zu schätzen.«

Worf brüllt mit einer etwas heiseren Stimme: »Hey Voca. Na, wie geht es dir? Holst du dir heute deine tägliche Ration bei mir ab?«

»Ja, ich bin im Dienst und muss jemandem die Stadt zeigen. Er heißt Merkan und hat eine Amnesie erlitten. Hast du ihn vielleicht schon mal gesehen?«

Worf sieht mich an und denkt nach. »Nein, tut mir leid, ich sehe jeden Tag viele Gesichter, aber ihn habe ich noch nicht gesehen.«

Voca grübelt und schaut dann zu mir. »Merkan, kannst du dich vielleicht an etwas erinnern? An Worf oder irgendetwas anderes?«

Ich denke nach, aber es klickt nicht bei mir. Langsam werde ich misstrauisch. »Nein, an nichts.«

»Oh je, Kleiner, da hat es dich aber schlimm erwischt. Ich würde dir vorschlagen, du gehst zur Verwaltung und lässt dich mal scannen«, meint Worf.

Voca sieht mich an. »Stimmt, daran habe ich gar nicht gedacht, danke, Worf. Nun, wir müssen los. Der Test beginnt in zwei Stunden.«

Worf meint erstaunt: »Er hat noch keinen Test? Na gut, ich will es eigentlich gar nicht wissen. Es warten noch andere, ich mache dann mal weiter.«

Wir verabschieden uns mit einem Wink nach hinten und gehen schnell weiter.

»Nun müssen wir zum Arbeitsviertel, dort befindet sich die Testkammer und da können wir dich scannen lassen. Die Zeit, dich jetzt zu scannen, reicht leider nicht, also mach einfach den Test, dann gehen wir zur Verwaltung. Iss mal was, darauf hattest du doch gewartet.«

Nachdem ich gegessen habe, gehen wir ins Arbeitsviertel, das direkt neben dem Handelsviertel liegt. In der Menschenmenge versuche ich Gesichter zu erkennen, doch ich habe weder eine Erinnerung noch eine Vision. Ich frage mich immer noch, wieso es geklappt hat, als mir die Bilder gezeigt wurden.

Nun sind wir da. Ohne Worte folge ich Voca. Er betritt ein Gebäude, das mir ebenfalls nicht bekannt vorkommt.

»Hallo, ich möchte bitte Merkan anmelden«, sagt Voca zu der älteren Frau hinter einer Theke.

»Kein Problem, ihr seid gerade noch pünktlich. Zehn Minuten Zeit ist noch, er kann schon mal reingehen.«

Voca guckt mich an und zeigt, wo ich lang muss. »Okay, Merkan, du musst da durch, dort sind auch die anderen Leute. Setz dich einfach dazu.«

Ich gehe durch die Tür. Da sitzen fünf andere Personen meines Alters, merkwürdig, ich habe gedacht, es sei normal, schon getestet worden zu sein, zumindest hat das Worf angedeutet. Doch vielleicht habe ich mich ja auch verhört. Nun geht es in den Testraum, wo sich schon Leute befinden. Mit uns fünf sind wir jetzt 16. Niemand scheint nervös zu sein. Also nehme ich mal an, sie kennen sich aus. Ich sitze in der vordersten Reihe. Keines der Gesichter kommt mir bekannt vor, aber alle irgendwie vertraut.

»Hey, du bist neu, oder?«, sagt ein Junge zu mir.

»Ja, wie geht denn das hier, das ist mein erster Test.« Ich bin etwas nervös, doch der Junge scheint nett zu sein.

»Oh ja, ich habs mir irgendwie schon gedacht, anhand der Art, wie du dich hier umgeschaut hast. Wie kann das eigentlich sein? Hast du ihn mit zwölf nicht machen lassen?«

Irgendetwas sagt mir, dass ich diesen Test tatsächlich schon einmal gemacht habe. Soll ich lügen und Ja sagen oder die Wahrheit erzählen? Ich kann schließlich niemandem vertrauen.

»Na, was ist, bist du irgendwie nervös?« Er scheint zwar nicht so schlecht zu sein, doch ich sollte die Wahrheit doch lieber für mich behalten.

»Ja, ich bin zum Nachtest hier und auch etwas nervös. Ich habe Angst, dass dieser Test anders ist als vor einigen Jahren.«

»Nein, das denke ich nicht. Ich mache ihn jetzt schon zum dritten Mal und bisher hat sich daran nichts verändert.«

Ich frage nun mit aller Gelassenheit: »Und wieso machst du den Test?«

»Ich will nicht mehr ein blöder Minenarbeiter sein. Beim ersten Mal wurde ich Verkäufer, dann Holzer und jetzt bin ich Minenarbeiter. Ich will eigentlich ein Jäger werden. Mit den Großen mitspielen und endlich etwas mehr Action.«

Nun verstehe ich. Diesen Test kann man also jederzeit wiederholen. Wahrscheinlich hat mich Voca absichtlich hierfür eingetragen, damit keine unangenehmen Fragen aufkommen und ich unter Gleichgesinnten bin. Aber das hätte er mir auch sagen können.

»Wie ist eigentlich dein Name? Meiner ist Carlos.« Er hat eine recht entspannte Haltung

»Ich heiße Mer…« Während wir uns vorstellen, kommt ein Agent durch die Tür. Es ist nicht Voca, dieser hier ist kräftiger.

Er will etwas sagen und klopft kurz an die Wand, damit wir ihm zuhören. »Guten Tag, alle zusammen. Willkommen beim Nachtest, ich hoffe, ihr habt euch schon geistig darauf vorbereitet. Denn jeder, der gerade hier ist, hat seine alte Berufung verloren und je nach Abschluss bekommt ihr entweder eine neue oder wieder dieselbe. Einige werden mit etwas Pech etwas Schlechteres als vorher bekommen, andere vielleicht etwas Besseres. Wie dem auch sei, ich wünsche euch viel Glück.«

Der Agent scheint recht nett zu sein, dennoch kam er recht schnell zum Punkt, was mich wiederum nervös macht. Ich habe mir immer noch nicht überlegt, was ich machen will. Ich weiß nicht einmal, welche Jobs es gibt.

Carlos spricht mich flüsternd an. »Und wie ist jetzt dein Name?«

Mit etwas nervöser Stimme antworte ich ihm: »Mein Name ist Merkan und ich habe vorher Roboter … beaufsichtigt.« Ich weiß nicht, wie ich jetzt darauf gekommen bin, doch ich habe ein flaues Gefühl im Magen. Ob er mir das abkauft?

»Oh wow, habe gehört, das ist der mieseste Job überhaupt. Kein Wunder, dass du einen neuen willst.«

Da habe ich ja noch mal Glück gehabt. Doch wie kam ich überhaupt darauf? Ich habe wirklich keine Ahnung, ich wollte erst Minenarbeiter oder Jäger sagen, doch es kam aus mir rausgesprungen, als ob ich instinktiv gewusst hätte, das dies eine gute Antwort wäre.

Der Agent redet wieder. Anscheinend fängt es bald an.

»So, wir machen sofort weiter mit dem schriftlichen Test. Die meisten müssten diesen schon kennen, allerdings wird euch dort eine neue Frage gestellt, die lautet: ›Was hat euch an eurem alten Job nicht gefallen?‹ Der Rest ist im Grunde gleich. Wir haben abgetrennte Wände, sodass sich jeder auf seinen Fragebogen konzentrieren kann. Auch wenn es nur vorgefertigte Fragen sind, wollen wir ja alle fertig werden.«

Alle lehnen sich an das Gerät mit den Fragen. Mein Nachbar klickt einfach auf einen Knopf und nimmt den Stift in die Hand. Dasselbe tue ich auch und schon erscheinen die Fragen. Zufällig fasse ich beim Zurechtrücken in meine hintere Hosentasche und finde dort einen Zettel, auf dem steht: »Merkan, bei dem Test gibst du als Zweitnamen Hollister an. Deine Eltern sind, als du noch klein warst, verschollen. Viel Glück dabei, Voca.«

Voca also, ich sollte mich nach dem Test bei ihm bedanken, denn das erleichtert doch einiges für mich. Beim Test fülle ich erst einmal die Grundangaben aus. Was ich nicht weiß, lasse ich einfach aus. Offenbar muss man alles angeben.

Der Agent sitzt am vordersten Tisch und beobachtet uns, insbesondere mich. »Wie ihr wisst, ist das ein Nachtest, einige haben den schon x-mal wiederholt, andere machen ihn erst ein zweites Mal. Ihr braucht nicht nervös zu sein, nichts ist anders. Ich wünsche euch allen viel Glück«, sagt der Agent nochmals und macht es sich bequem. Ich habe das Gefühl, er weiß über mich Bescheid und dass diese Aussage wohl eher an mich ging.

Das Pad ist eine Projektion in der Luft. Sehr erstaunlich und wiederum beängstigend. Anscheinend sind solche Dinge normal, denn niemand anders im Raum ist beeindruckt davon. Wieder stelle ich mir die Frage, wer ich bin und wo ich herkomme. Aber nun konzentriere ich mich auf den Test. Er ist einfacher, als ich dachte. Familienname, Augenfarbe, Körpergröße, Alter, Namen der Eltern, alles ganz einfach. Ich trage das, was ich weiß, ein.

»Pst, kann ich nach dem Test mit dir reden?«, flüstert der Agent, der auf uns aufpassen soll, mir plötzlich zu.

Ich habe nicht mal bemerkt, dass er da steht, so konzentriert bin ich. Ich flüstere zurück: »Ja klar, bin gleich fertig.«

Ich beeile mich, die Angaben schnell abzuschließen. Es ist merkwürdig, es sind Mathematikaufgaben oder Textaufgaben, die eher dem Niveau eines Anfängers entsprechen. Doch was ist jetzt los, es verschwimmt alles. Ich … ich bekomme wieder eine dieser Visionen … »Schnell, renn weg!« Es erscheint ein Raum um mich herum, ein Gang, den ich so schnell ich kann entlangrenne. »Los, da vorne, wir müssen springen.« Diese Stimme kenne ich nicht. Oh Mann, jetzt muss ich springen.

Huh? Ich bin wieder im Testraum. Ich scheine der Letzte zu sein.

»Alles in Ordnung? Du brauchst ziemlich lang, um diese Sachen auszufüllen. Du weißt doch hoffentlich alles.«

Alle sind schon draußen, nur ich sitze noch hier. So etwas hatte ich bisher noch nicht, eine Vision, bei der ich einfach nur so dasitze und mich nicht rege. Was ist mit mir passiert? Vor allem, was war das, was ich gesehen habe? Das war zweifellos ich, der gerannt ist. Bedeutet wohl, dass ich alles, was ich sehe, schon einmal erlebt haben muss. Nur, wovor bin ich da weggerannt? Irgendetwas scheinen mir diese Visionen mitzuteilen.

»Entschuldigung, ich war in Gedanken. Ich bin fertig.«

»Kein Problem, nun, da alle weg sind, sollten wir mal reden. Mein Freund Voca, du scheinst ihn zu kennen, hat mir erzählt, was mit dir los ist. Ich möchte dir auch helfen und daher gebe ich dir das hier.«

Der Agent überreicht mir einen Armreif, als ich ihn anlege, erscheint ein Holobild mit einer Art Menü. »Was ist das?«

»Das ist ein Mobil Pad, man bekommt es eigentlich nur, wenn man genug Credits hat, es wird dir helfen. Du kannst damit mit anderen kommunizieren, Bilder aufnehmen und Objekte scannen.«

»Moment, jetzt bin ich verwirrt. Wieso soll ich Objekte scannen?«

»Das wirst du früh genug erfahren und glaub mir, du wirst dieses Pad brauchen.«

»Na gut, danke, das weiß ich sehr zu schätzen.«

»Ja, schon okay, nun musst du los, wir sollten zur nächsten Prüfung gehen.«

Ohne viel zu reden, folge ich dem Agenten. Ich dachte zunächst, es würde recht schnell vorbei sein, doch nun gibt es anscheinend einen zweiten Teil.

»Hey, da seid ihr ja endlich.« Carlos, den ich eben kennengelernt habe, lächelt zu uns rüber.

Doch der Agent beginnt schon zügig mit der Erklärung des zweiten Teils. »Ihr wisst ja alle, dass es auch einen Geschicklichkeitstest geben wird. Doch heute fangen wir direkt mit dem Soulstream an.«

Die Leute haben einen erstaunten Gesichtsausdruck, doch ohne dass jemand widerspricht, fügen sie sich dem, was der Agent sagt.

»Es erstaunt mich, dass niemand fragt wieso, nun, ich werde es dennoch erklären. Laut der Kommission wurde festgestellt, dass jeder der Anwesenden über eine miserable Kondition verfügt, was euren alten Beruf anbelangt. Daher wird ein Geschicklichkeitstest für die Eignung als Soulstreamer durchgeführt, um zu sehen, wer es wirklich wert ist, einen neuen und besseren Beruf zu erlangen.«

Die Leute werden panisch, fragen, was das soll, und sind fast wütend. Carlos und ich bleiben als Einzige ruhig und er kommentiert nur: »Na, dann müssen wir uns wohl etwas mehr Mühe geben als sonst.«

Ich bin erstaunt über seinen Optimismus, denn trotz aller erlittenen Erniedrigungen lässt er sich nicht von seinem Weg abbringen, Jäger zu werden.

»Ihr werdet euch in die Kammer begeben, wo ihr euch mit eurem Roboter verbinden könnt. Sobald ihr verbunden seid, werdet ihr automatisch ins äußere Feld teleportiert und den Parkour vollenden. Die Leistung, die ihr während der Prüfung zeigt, wird euer Endergebnis sein. Denkt daran, wer schlecht abschneidet, hat keine Chance, einen besseren Beruf anzunehmen. Ihr habt hier und jetzt die Möglichkeit, aufzugeben und euch einem Beruf zu nehmen, der auch ohne euren Roboter machbar ist.« Nachdem der Agent diese feierliche Ankündigung gemacht hat, wird es still. Die Leute lassen den Kopf hängen und einer nach dem anderen geht nach draußen. Am Ende sind nur noch vier Teilnehmer übrig.

»Okay, wir schaffen das schon irgendwie. Ich meine, du hast ja nichts zu verlieren, schlechter als ein Aufpasser wirst du mit Sicherheit nicht.« Carlos, der diese Entschlossenheit zeigt, klopft mir sogar noch auf die Schulter, doch jetzt hoffe ich natürlich, dass auch er erfolgreich sein wird.

»Ja, ich denke, wir kriegen beide, was wir wollen«, sage ich mit halbwegs selbstverständlicher Miene.

Der Agent spricht nun wieder. »Nun denn, dabeigeblieben sind Merkan Hollister, Carlos Junghan, Hierra Hiller und Matoso Kooner. Ihr begebt euch nun wie schon erklärt in den Raum. Dort stehen Synchronisatoren bereit, die eurer Neuralpad scannen und euren Roboter rufen. Nun gut, ich werde euch nun gewähren lassen. Viel Glück, ich warte hier auf euch.«

Jetzt fällt mir erst ein, dass ich doch gar keinen Roboter besitze … was mache ich nur?

»Hey, du siehst ganz schön nervös aus, Merkan. Alles gut?« Hierra, das einzige Mädchen, welches geblieben ist, klopft mir auf die Schulter, um mir das zu sagen. Sie macht einen ernsten Eindruck, so als könne sie nichts schocken.

»Ich denke nur nach, aber danke.« Doch in Ordnung ist gar nichts, denn wie soll ich diese Prüfung bewältigen ohne Roboter? Schweigend betreten wir daraufhin den Raum, doch als ich anfange, die anderen zu beobachten, sehe ich, dass sie eine Art Gerät benutzen, welches an ihren Fingern hängt, um die Synchronisatoren zu starten … natürlich, das Armband, welches mir der Agent gegeben hat. Ich teste es sofort und mache es genau wie die anderen, doch dann … »Oh Mann, du besitzt ja ein Mobil Pad, sag mal, woher hast du denn die Credits dafür? Diese Dinger sind verdammt teuer«, fragt mich Carlos überrascht und sieht es sich genauer an. Ich kann kaum glauben, dass es so viel teurer ist als die Geräte an den Fingern der anderen, schließlich ist es nicht gerade kompakt, woanders rein als in einen Rucksack kann ich es nicht mal stecken, geschweige denn verwenden. Aber vielleicht gewöhne ich mich daran, es am Arm zu haben. Doch darüber darf ich mir jetzt nicht den Kopf zerbrechen, ich muss unauffällig versuchen … Moment, da kommt mir eine Idee.

»Ähm, ja, ich habe mal einen Haufen Credits geschenkt bekommen, aber jetzt weiß ich nicht mehr, wie ich das Ding mit meinem Roboter synchronisiere.«

Carlos zeigt nur mit dem Finger auf einen Knopf. »Da draufdrücken und warten. Dann natürlich noch einsteigen.«

»Keine Sorge, ich halte es während der Prüfung für dich fest.« Plötzlich kommt dieser Agent um die Ecke, nimmt das Pad und geht wieder. Jetzt ist es wohl so weit, ich muss nur noch einsteigen und dieses Gerät macht wohl den Rest. Es hat eine Bauweise, wie sie auch ein Idiot verstehen würde. Die Arme dort, die Knie etwas angewinkelt und den Kopf … Puff ‒ ein weißer Lichtschein erscheint und ein unfassbar flüssiges Gefühl überkommt mich, es ist, als wären all meine Muskeln in einem Moment abgeschaltet worden, gleichzeitig auch nicht. Einfach unbeschreiblich, das … das ist echt ein wundervolles Gefühl, doch jetzt … ich sehe, ich kann … meine Arme bewegen, meine Beine und sehe nur Metall an mir, bin ich tatsächlich, so wie man es mir erzählt hat, im Roboter?

»Hey, du bist Merkan, oder?« Der metallene schlanke Roboter spricht mit mir, seine Stimme klingt haargenau wie die dieser Hierra.

»Ja, der bin ich.« Ich habe ein so wohliges und glückliches Gefühl, dass ich glaube, es mit der ganzen Welt aufnehmen zu können. Doch ich muss meine Gefühle zügeln, denn ich sitze vielleicht zum ersten Mal in einem Roboter, aber die anderen sind das schon gewohnt. Carlos, der sich so verhält, wie ich mich jetzt gerne verhalten würde, scheint keinerlei Scham zu haben, zu tun, was er gerade denkt. Er hat ebenfalls einen recht schlanken Typen als Roboter, der erstaunlich hoch springt und sich mühelos mal eben an einer beinahe glatten Wand festhält, als ob das nichts sei. Es ist gut, ihn so zu beobachten, so weiß ich, ohne es zu testen, was möglich ist. Mein Typ ist eher normal gebaut, hat eine Gewehrhülle an einem Arm, aus welcher eine Art Haken herausragt. Sieht so aus, als könnte ich gut klettern mit meinem Roboter. An den Beinen habe ich hinten auch Düsen hängen und Räder, ob ich in der Lage bin, dann noch die Balance zu halten? Ich werde sie wohl eher nicht benutzen.

Hierra schaut zu uns. »Na los, wir sollten zum Testgelände, das ist gleich da.«

Plötzlich, als Carlos sich noch windet, geschieht es, blitzschnell und ohne Vorwarnung.

»Du gehst mir auf die Nerven mit deinem Getue.« Es ist Matoso, der einfach so ohne Vorwarnung Carlos’ Roboter mit seiner Klinge den linken Arm abschneidet. Verdammt, was soll das?

»Sag mal, bist du noch ganz dicht!?«, schreit Hierra Matoso an, doch dieser geht, ohne Reue zu zeigen, in Richtung Testgelände.

»Verflucht, nein, so kann ich die Prüfung doch nie abschließen.« Zwar ohne einen Schmerzenslaut, aber mit demütiger Stimme senkt Carlos den Kopf.

»Keine Sorge, ich erkläre dem Agenten, was passiert ist«, verspricht ihm Hierra.

»Du weißt doch, dass das nichts bringt. Die Prüfung hat begonnen, es gibt nur noch beenden oder aufgeben.«

»Ich finde, das war echt ’ne miese Nummer von diesem Typen. Verdammt, tut mir leid, Kleiner.« Hierra blickt zur Seite, geht jedoch noch nicht weg. Sie hat wohl Mitleid mit Carlos, denn für ihn scheint es gelaufen zu sein.

Nein, das kann nicht sein, wieso er, er ist so fröhlich, voller Lebensfreude und ein sehr netter Mensch. Wenn einer es verdient hat, das zu tun, was er gerne möchte, dann er. Ich ziehe ihn an meine Schulter, energisch und voller Zuversicht, diese Energie kommt wohl aus der Wut heraus. »Ich helfe dir. Entweder wir schaffen es beide oder keiner.«

Hierra schaut erstaunt zu mir. »Bist du irre, du riskierst hier gar nichts, nur einen schlechten Job zu bekommen. Willst du etwa als Kanalarbeiter enden?«

Carlos sagt: »Hey, lass los, für mich ist es vorbei. Ich arbeite einfach als Verkäufer und in sechs Monaten mache ich eine neue Prüfung.«

»Nein, vergiss es. Hör zu, ich lasse dich hier nicht liegen. Wie soll ich denn heute Nacht gut schlafen können, wenn ich ohne dich ein Jäger geworden bin?«

Carlos und Hierra schauten mich beide an, vielleicht mache ich mich damit ja auffällig, doch das ist mir in diesem Moment egal. Hierra kommt langsam zu uns gelaufen, stellt sich an die linke Seite und nimmt Carlos’ Arm. »Tja, ich werde es wohl bereuen, allerdings will ich das Gesicht dieses miesen Typen gerne sehen, wenn er erfährt, dass du trotz aller Widrigkeiten dennoch bestehst.«

Nun habe ich wieder ein recht flaues Gefühl. Ich freue mich aber darüber, dass so etwas stattfindet wie Zusammenhalt, ich scheine Freunde gefunden zu haben. Auch wenn ich die beiden erst seit einem Moment kenne, kommt es mir richtig vor, was hier passiert. Vielleicht bin ich ja so ein Mensch … tja, genau, ich habe ja vergessen, wer ich eigentlich bin. Ich leide unter Amnesie und kann mich weder an meine Vergangenheit erinnern noch daran, wer ich eigentlich bin. Das habe ich total vergessen.

Doch wir müssen nun los. Langsam schlendern wir nach vorn. Carlos kann zwar laufen, aber ohne seinen linken Arm ist er aufgeschmissen. »Du benutzt also eine Armbrust. Und dein Haken befindet sich am rechten Arm, bedeutet wohl, du bist wohl Rechtshänder.« Recht einfach und schnell kombiniert Hierra die Situation von Carlos. »Du wirst bei der ersten Hürde also keine Probleme haben, da es sich um einen reinen Hindernisparcour handelt. Ich mache mir aber ab dem zweiten Teil Sorgen.«

Carlos schaut Hierra an und nickt. »Ich habe eine Idee, aber die ist verdammt riskant und es gibt keine Garantie, dass wir alle mit gutem Ergebnis davonkommen werden. Ich habe mehrfach geübt, auch mit dem Haken schießen zu können. Daher hat mein Haken an der rechten Seite einen Speer mit einer Sollbruchstelle, für den ich einen Haufen Credits ausgegeben habe.«

Ich frage Carlos: »Was ist das und wie funktioniert der?«

Carlos zeigt mir den rechten Arm und aktiviert den Haken, der Speer kommt herausgesprungen. Man sieht die sogenannte Sollbruchstelle ganz genau. »Wenn mein Speer sich irgendwo hineinbohrt, aber nicht mehr herausgezogen werden kann, löst er sich vom Haken und teleportiert sich zu mir zurück, ein verdammtes Hightechwunder, wie ich finde, doch es gibt ein Problem. Dieser Teleport zu meinem Arm dauert zirka 45 Sekunden. Das bedeutet, ich bin gerade mal in der Lage, einem Pfanpies den Gnadenstoß zu geben. Jeder Treffer muss sitzen und um meine Jägerlizenz zu bekommen, muss ich sie auch erledigen.«

Hierra schaut mich an und blickt dann zu Carlos. »Für mich ist das kein Problem, ich will Sammlerin werden. Ideal wäre, wenn du sie erschießt und ich scanne und teleportiere sie.«

Jetzt wird es mir klar. Diese Prüfung soll sowohl unsere Geschicklichkeit als auch unseren Willen unter Beweis stellen, es fällt mir erst jetzt auf. Wir befinden uns in einer Art Ruine und da vorne ist ein Felsgebiet, welches es wohl zu überqueren gilt. Danach kommen wir wohl zu echten, lebendigen Kreaturen und je nachdem, wie wir uns verhalten, müssen wir sie wohl erjagen, bekämpfen oder, wie Hierra schon sagte, scannen.

»Wir haben kaum noch Zeit, der Startschuss kommt gleich, Merkan, schnell, was ist deine Aufgabe?«

Eine überraschende Frage, die mir Carlos da stellt, denn bei meinem Fragebogentest habe ich als Job angegeben, dass ich unbestimmt bleiben will. Daher weiß ich das gar nicht, aber ich weiß genau, was ich darauf antworte. »Ich kümmere mich darum, dass ihr bekommt, was ihr wollt. Ich habe ›unbestimmt‹ angegeben, also lasse ich mich überraschen von dem, was kommt. Wir sollten jetzt keine Zeit verlieren und loslegen. Wir machen es so, wie ihr es gesagt habt, wir überqueren die erste Hürde, dann jagt Carlos und du, Hierra, scannst das Gejagte.«

»Klingt gut. Also dann … los!« Hierra fragt nicht danach, ob wir fertig sind, denn es bleibt kaum Zeit dafür. Als wir uns voranbewegen, fällt kurze Zeit später auch schon der Startschuss. Jetzt erst wird mir klar, dass ich zum ersten Mal im Soulstream und gerade mal ein paar Meter gelaufen bin.

»Hierra, Merkan, macht euch um mich keine Sorgen, wenn es ums Klettern geht, bin ich unübertroffen.« So selbstsicher wie eh und je springt Carlos mit seinem Haken über die Felsen und ist im Nu verschwunden.

Ich muss mich beeilen und darf keine Zeit verlieren.

»Merkan, nimm deinen Haken, du musst ihn wie deinen Arm benutzen«, schreit mir Hierra hinterher und ich verstehe. Der Haken löst sich, wenn ich nur daran denke, und ist eine Art rechte Hand. Schnell fokussiere ich die Stellen, an die ich ihn werfen will und … es klappt. Ich greife an den Fels, ziehe mich heran und lasse im richtigen Moment los. Ehe ich mich versehe, habe ich sogar Hierra eingeholt und kann Carlos sehen. Er ist schon ziemlich weit vorne und ich habe fast das Gefühl zu fliegen, aber wieso bin ich so gut darin? Anstatt wie Hierra und Carlos von Fels zu Fels zu springen, schwinge ich mich. Es ist effektiver und ich komme so sehr gut voran.

Carlos kommt mir etwas näher. »Mann, du hast es echt drauf, bist ja sogar vor mir da, wenn du so weitermachst.«

Etwas weiter vorne kann ich Matoso erkennen. Dieser Idiot hat tatsächlich schon die erste Hürde geschafft, es scheint aber so, als will er nicht in das Jagdgebiet, denn er zweigt ab. Mir soll es recht sein, so haben wir freie Bahn, Carlos da durchzubekommen. Hierra und Carlos sind jetzt auch da und Hierra gibt das Kommando: »Ich gehe voran und sehe mich um, vielleicht treffe ich ein paar Kreaturen zum Jagen an und versuche sie in eure Richtung zu locken. Danach wirst du, Merkan, versuchen, sie mit deinem Gewehr zu treffen. Denk daran, nur schwächen, den Gnadenstoß muss Carlos ihnen versetzen, sonst werden die Kreaturen für dich gezählt.«

Hierra springt nach der Rede sofort los, das ist verständlich, denn wir dürfen keine Zeit verlieren. Recht schnell macht auch Carlos sich bereit. Ich habe mein Gewehr zwar noch nie benutzt, sollte es damit aber wie beim Haken sein, werde ich damit zurechtkommen.

Die ersten Tiere kommen gerade angelaufen, ich nutze die Situation, halte mit dem Gewehr drauf und ziele auf die Beine. Recht blutrünstig sieht es nicht gerade aus, die Kreaturen springen zwar wild umher und ich treffe recht viele, doch sie bluten nicht.

Carlos läuft dennoch hin. Mit einem Kampfschrei und seinem Haken an der rechten Hand zerlegt er ein Wesen nach dem anderen. »Das war schon mal sehr gut, könnte sogar reichen, um meine Lizenz zu bekommen, aber lass uns noch mal so eine Welle erlegen, nur um sicherzugehen. Übrigens, verdammt gute Zielgenauigkeit von dir. Ich glaube, nicht ein Schuss ging dabei daneben«, lobt mich Carlos und ich nehme es nickend an. Letzten Endes scheine ich Talent für Feuerwaffen zu haben. Das ist gut, so weiß ich zumindest, wozu ich fähig bin.

Hierra kommt aus den Bäumen herausgesprungen, scannt ein Tier nach dem anderen und setzt eine Art Sonde an die toten Kadaver, worauf sich diese nach und nach auflösen. Anscheinend ist das eine Teleportation. Es geht gleich weiter. Eine weitere Runde steht an und es funktioniert alles einwandfrei, genau wie abgesprochen.

Carlos kommt zu uns. »Ich kann euch beiden nicht genug danken, ohne euch hätte ich das niemals geschafft.«

Hierra gibt ein Zeichen und wir hören zu. »Du kannst uns später danken, wir müssen zum Wegpunkt, sonst fallen wir dennoch durch.« Als sie gerade energisch in Richtung Zielgerade laufen will, hören wir ein lautes Geräusch im Wald. Es brüllt und tobt dort, es scheint, als sei es nur ein Wesen, doch es brüllt in einer so extremen Lautstärke, dass man denken könnte, es sei ganz nah. Selbst Carlos und Hierra schauen verdutzt in die Richtung, aus der das Geräusch kommt, und stehen plötzlich still da. Ein Rattern und Zittern kommt aus dem Wald, aus dem, wo vorher die Tiere kamen. Jetzt sind es käferartige Wesen, die allerdings nicht zu uns wollen, sondern es sieht eher so aus, als würden sie vor etwas flüchten. Dann, ehe man sich versieht, fällt ein Baum vor unsere Füße und es erscheint eine wilde Bestie, groß wie zwei Bäume und Fangzähne so lang wie ein Mensch, dazu schwarzes Fell und Klauen, die sowohl scharf als auch spitz aussahen.

Hierra packt uns beide und schreit: »Lauft!! Das ist ein Warikas, eine der gefährlichsten Bestien überhaupt.«

Diese Kreatur hat es wohl nicht nur auf uns abgesehen, denn die großen Käfer werden einer nach dem anderen vor unseren Augen von diesem riesigen Monster zerquetscht. Ich habe keine Wahl, denn wenn wir nur laufen, erwischt es uns. »Ihr zwei geht zum Wegpunkt, ich halte es so lange auf, ich kann das.« Sie laufen langsamer und schauen zu mir, doch ich lasse mich nicht beirren und als die beiden etwas sagen wollen, unterbreche ich sie: »Diskutiert nicht und denkt nicht darüber nach, es sollten wenigstens ein paar von uns schaffen und ich will verdammt sein, wenn ihr beide nicht bekommt, was ihr wollt.« Mir zunickend und mit einem kurzen »Danke« von Carlos machen sich die zwei auf den Weg.

Schnell reagiere ich, nehme meinen Haken, schwinge mich an einem Baum hoch und erwische das Biest, indem ich auf seinen Rücken komme. Schnell schieße ich mit dem Gewehr auf das Wesen, doch es passiert nichts. Anscheinend ist seine Haut so dick, dass alles davon abprallt. Doch ich habe wohl auf mich aufmerksam gemacht, denn das Biest springt hoch und landet seitwärts, dreht dann um und ein erbitterter Kampf beginnt. Ich habe nur meinen Haken und nachdem mein Gewehr leergeschossen ist, weiß ich nicht weiter, schwerfällig hänge ich mit beiden Händen am Fell der Bestie, dann bemerke ich es. Irgendetwas ist an meiner unteren Taille befestigt. Es ist ein Stab. Doch als ich ihn in der rechten Hand halte, vibriert er und fällt herunter. Er hängt nun am Pelz fest und verwirrt sich darin, ich habe zwar keine Ahnung, was das für ein Stab ist, und vielleicht hilft er mir auch nicht, aber momentan ist er meine einzige Option. Ich springe also hinunter an die Stelle, wo der Stab hing, und kann mich mit dem Haken noch retten. Ich ziehe an dem Stab und urplötzlich fährt dieser mit rasanter Geschwindigkeit heraus und formt sich zu einem Schwert, welches vorne eine kurze Krümmung hat und eine pechschwarze Klinge. Kurz darauf fängt es an zu summen und ein blauer Schein breitet sich vom Griff des Schwertes bis zur Klingenspitze aus. Es ist sehr ansehnlich anzuschauen und hat eine majestätische Aura. Ohne lange Bewunderung zu zeigen, schwinge ich das Schwert, während ich in der Luft baumle, und löse mich so vom Pelz. Als mich die Schwungkraft wieder zur Bestie befördert, stoße ich mit voller Wucht in seinen Bauch und verwunde es recht stark. Die Bestie jault mit einem ohrenbetäubenden Getöse und fällt um, sodass ich mich abrollen kann. Ich bremse mich am Boden ab, indem ich das Schwert in die Erde stoße. Jetzt ist es so weit, ich habe das Biest sauer gemacht. Um uns herum sehe ich nur Bäume und die Schäden, die die Bestie verursacht hat. Ich habe keine Wahl, jetzt heißt es, das Biest oder ich. Das Schwert ist meine einzige Chance. Meine Haken hängen am Fell, sind aber locker geworden durch die Erschütterung und daher unbrauchbar. Also muss ich sie abschneiden, was ich auch mit einem Schwertschwung mache. Die Bestie fokussiert mich, brüllt und rennt auf mich zu. Ich muss schnell handeln, kein Haken, keine Munition, doch da fällt mir ein, dass ich noch immer die Düsen an den Beinen habe. Ich darf nicht zu lange überlegen, also zünde ich die Düsen, es funktioniert. Allein der Gedanke daran, diese jetzt zu benutzen, bewirkt, dass sie angehen. Ich rase an der Bestie seitlich vorbei, als ob ich nie was anderes getan hätte. Mit einer perfekten Parade erwische ich zusätzlich ihr linkes Bein und ohne groß anzuhalten, wende ich, ich erreiche im Nu die rechte Bauchhälfte und stoße das Schwert hinein. Dann rase ich mit den Düsen unter der Bestie bis zur linken Bauchhälfte hindurch und bremse dann ab. Doch kurz darauf funktionieren die Düsen nicht mehr, ich habe ihre Energie wohl schon ausgeschöpft und habe nur noch einen Gedanken: Wenn ich es nicht getötet habe, bin ich erledigt. Ich drehe mich um, das Biest macht einen Satz zu mir, keucht und fällt vor meinen Augen tot um. Ich knie vor dem Wesen und kann es nicht fassen: Ich habe es besiegt, ein Monster so groß wie zwei Bäume.

Ich höre ein paar Meter weiter metallene Geräusche und frage mich, was das wohl ist. Also gehe ich langsam hin. Dort liegt ein Roboter, völlig demoliert mit nur noch einem Arm. Ein Soulstreamer, doch nicht irgendeiner ‒ es ist Matoso, der zu mir aufschaut.

»Glückwunsch, du Held, fühlst dich sicher toll, dass du es geschafft hast, mir meine Kreatur wegzuschnappen.«

Total am Ende, aber ohne ein Zeichen von Dankbarkeit liegt er da, versuchte wohl noch den Wegpunkt zu erreichen, um wenigstens den Abschluss zu schaffen.

Ich sehe zu ihm nieder. »Du hast es nicht anders verdient, nach dem, was du mit Carlos angestellt hast.« Mein Schwert in der rechten Hand angespannt haltend, würde ich ihn lieber leiden sehen, doch das wäre falsch. Ich bin kein Held, aber ich bin auch kein Schurke. Also packe ich mit der linken Hand Matosos Arm, werfe ihn über meine Schulter und gehe wortlos, aber dennoch in Eile zurück in Richtung Ziel.

Matoso ruft: »Hey, was soll das, lass mich los, du verdammt …«

»Halt die Klappe, ich will nichts von dir hören. Du bist ein Arschloch und im Idealfall würde ich dich zurücklassen und zusehen, welchen miesen Job man dir aufbürdet. Doch so bin ich nun mal nicht.«

Matoso schweigt nach meiner Ansprache. Auch wenn ich ziemlich genervt bin, konnte ich ihn nicht einfach da liegen lassen. Er hätte es nicht geschafft, wenn er nur mit dem Arm weitergekrochen wäre.

Es sind nur noch einige Meter zu laufen, aber als ich ein kleines Stück gegangen bin, sehe ich sie, Hierra und Carlos. Die beiden sind zurückgekommen und wollen sehen, ob es mir gut geht, anstatt sich direkt zum Ziel zu begeben.

»Mann, dir gehts gut, ein Glück, aber was … ist das etwa Matoso?«

Hierra schaut Matoso an und nimmt mit ihrer Hand sein Kinn, um ihn in ihre Richtung blicken zu lassen. Carlos schaut nur zu und ist froh, dass es mir gut geht.

Darauf sagt Hierra zu Matoso: »Du solltest dich glücklich schätzen, du Penner! Los, gehen wir.«

Wir kommen noch pünktlich an und sind jetzt alle beieinander. Der Agent, der die Prüfung eröffnet hat, spricht kurz darauf zu uns. »Super, eine ausgezeichnete Leistung, dafür muss ich euch wirklich mal loben. Ich habe seit Ewigkeiten kein solch spannendes Spektakel bei einer Prüfung gesehen. Nun denn, loggt euch jetzt aus und wartet auf euer Ergebnis im Warteraum.«

Hierra beginnt, sie ruft »Logout!«, mit dem Kopf nach oben gedreht, Carlos macht es ihr nach. Matoso lasse ich zu Boden gleiten. Auch wenn man es einem Soulstreamer nicht ansehen kann, da diese keine emotionale Mimik zeigen können, sehe ich an ihm so etwas wie Verzweiflung. Die Enttäuschung darüber, dass ihm geholfen wurde. Ich schaue ihn an und spreche ein letztes Mal mit ihm.

»Willst du dich nicht ausloggen, Matoso? Oder wartest du auf eine Extra-Einladung?«

Beschämt schaut er zu Boden und ruft »Logout!«

Kurz darauf mache ich es ihnen nach.

Wir landen alle in der Kammer, wo wir uns verbinden können. Alle sind glücklich über die Umstände. Dann machen wir uns auf den Weg zum Warteraum. Ich folge den anderen und sie erzählen mir ein wenig über sich, na ja, alle bis auf Matoso. Hierra stammt aus einer Familie, in der es seit Generationen üblich sei, Sammler zu werden, um Materialien und Daten zu liefern, die der Festung helfen können. Ein ehrenwerter Job, obwohl er nicht gerade spannend ist. Dennoch hängt Hierra an den Traditionen. Carlos ist eher ein Einzelgänger. Er hat zwar Familie, sogar drei Brüder und zwei Schwestern, Eltern und auch die Großeltern leben noch, dennoch sieht er sie kaum, außer an den Feiertagen, wie er sagt. Bei Matoso blicke ich nicht durch, er hat sich in die hinterste Ecke gesetzt, sieht nur an die Wand und wartet. Ich bin kein rachsüchtiger Typ, aber dieser Kerl ist mir nicht geheuer, ich mag ihn nicht, aber das muss ich ja auch nicht.

Wir warten lange. Fast eine Stunde vergeht, bis der Agent endlich hereinkommt. »Die Ergebnisse sind da. Aber vorher möchte ich mich noch bei euch vorstellen. Mein Name ist Ramiris, ich bin Agent der Stufe 2 und leite hier die Nachprüfung. Ich habe mich noch nicht vorgestellt, da ich keinen Sinn darin sah, und ihr hattet alle eh nur die Prüfung im Kopf. Wie dem auch sei, fangen wir an. Ladys first, so hieß es zumindest in der alten Welt. Hierra, du hast im Fragebogen gut abgeschnitten. Deine Leistung während des Hindernislaufes war beeindruckend. Du hast einen kühlen Kopf bewahren können und bist schnell zu einer Lösung des Problems gekommen. Du hast dich eingetragen als Sammlerin, nun, das ist toll, aber deine Fähigkeiten sind überdurchschnittlich ausgefallen für eine Sammlerin von Rang 1. Daher unser Jobvorschlag: Sammlerin auf Rang 3.«

Hierra schaut den Agenten verdutzt an und kann ihr Glück kaum fassen, sie bricht beinahe in Tränen aus. Ich sehe heimlich zu Carlos und frage ihn: »Sag mal, was ist denn der Unterschied zwischen Rang 1 und 3?«

Carlos schaut mich überrascht an. »Wie, das weißt du nicht? Ich gebe dir mal die Kurzfassung: Fast jeder Beruf hat Ränge. Die ersten Ränge sind Neulinge, die werden in der Regel erst mal auf weitere zukünftige Stufen vorbereitet. Rang 2 sind meist Leute mit Kenntnissen und Fähigkeiten, die wie geschaffen sind für den jeweiligen Beruf. Rang 3 hingegen ist so was wie … wie soll ich sagen … die Elite des Berufs. Sie werden auf schwierige Missionen geschickt und verdienen dementsprechend.«

Der Agent macht weiter. »Gut, als Nächstes Matoso.«

Wir sind alle gespannt, was Matoso zugesprochen bekommen wird. Die Frage ist, ob er überhaupt etwas geleistet hat, denn glücklich schaut er nicht gerade aus.

»Tut mir sehr leid, aber deinem Jobvorschlag als ›einsamer Jäger‹ wird nicht nachgekommen. Deine Leistung war sowohl beim Fragebogen als auch bei der Hürdenprüfung zu schlecht. Den Bogen mit möglichen Jobs …« ‒ bevor Agent Ramiris zu Ende gesprochen hat, nimmt Matoso den Zettel mit den Jobvorschlägen und verlässt den Raum, ohne ein Wort zu sagen.

»Na ja, war ja nicht anders zu erwarten von so einem Egoisten«, ruft Hierra ihm noch hinterher, ich denke aber nicht, dass er das noch gehört hat.

Der Agent macht unbeirrt weiter. »Carlos. Hervorragende Fähigkeiten, Mut und Selbstbewusstsein, was ich da gesehen habe. Bei dir haperte es ein wenig beim Fragebogen und es ist schwierig, dich einzuschätzen. Letzten Endes kamen wir aber zu dem Entschluss, dass der Beruf Jäger, den du für dich vorgeschlagen hast, nichts für dich ist.«

Enttäuscht schaut Carlos den Agenten an. Dennoch, er war verdammt gut und ich kann nicht verstehen, wieso er das nicht bekommt, was er sich wünscht.

Der Agent fährt fort: »Herausragend war deine Leistung, als du mit nur einem Arm mehrere Pfanpies zur Strecke brachtest und dabei vollkommen auf deine Mitstreiter vertrautest. Daher würden wir dich gerne als Bestienjäger vorschlagen.«

Mit aufgeregtem Gesicht fehlt Carlos die Sprache, doch Hierra und ich wissen, im Inneren war er nie glücklicher. »Das ist unfassbar, natürlich … natürlich nehme ich den Job an … unglaublich, ich kann mein Glück nicht fassen, ich danke euch, ohne euch …«

Angesichts des Zappelns und Zitterns von Carlos beruhigt ihn Hierra erst einmal. »Ja, ja, du kannst deinen Dank später zeigen, warte erst mal, was Merkan für einen Job bekommt. Schon vergessen, er hat nichts weiter getan als uns geholfen.« Etwas beschämt sieht sie zu mir rüber, doch eines wissen die beiden nicht: dass ich die Bestie erlegt habe, daher bin ich auch überhaupt nicht angespannt, was das Ergebnis betrifft.