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"Mein ganzes Leben war eine Lüge, doch schon bald werde ich endlich die Wahrheit herausfinden." Der größte Feind einer Hexe waren Dämonen. Man sollte ihnen niemals trauen. Vor allem nicht, wenn man kurz zuvor von einem entführt wurde. Doch seine Worte klangen so ehrlich und ich fing immer mehr damit an, meinen eigenen Leuten zu misstrauen. Wer sagte nun die Wahrheit und wer nicht? Aber das Wichtigste war: Werde ich jemals herausfinden, wer ich wirklich war?
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Seitenzahl: 177
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Für meine Wattpadleser und Testleser, die an mich geglaubt und mich immer unterstützt haben.
PROLOG
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Danksagung
Über mich
- Evelyn -
Hätte ich von Anfang an gewusst, wozu Dämonen eigentlich fähig sind, hätte ich das Kloster niemals verlassen!
Nichts, nichts auch nur im Entferntesten stand davon in unseren Büchern.
Man sagte uns, man würde alles über diese Monster wissen und ließen uns dabei in dem Glauben, dass wir sicher wären, doch das war gelogen!
Schnell stellte ich fest, wie wenig wir uns überhaupt auskannten und wie viel man vor uns verbarg.
Wer waren die wirklichen Monster in meiner Geschichte?
Alles, was sich anfangs so richtig angefühlt hatte, fühlte sich plötzlich so falsch an. Und nun wusste ich nicht mehr, was die Wahrheit und was eine Lüge war.
»Doch das werde ich wieder lernen.
Ich werde alles neu lernen.«
- Evelyn –
Leise schlich ich durch die kühlen Gänge des Klosters. Beinahe jede Nacht verschwand ich durch einen versteckten Ausgang, welcher nur für Dienstboten gedacht war. An jedem ersten Tag eines neuen Monats, brachten die Boten Nahrungsmittel und Schriftrollen für die lehrenden Hexen ins Kloster.
Den Schülern im Kloster war es strikt verboten hinauszugehen. Hauptsächlich, weil die meisten Junghexen ihre Magie noch nicht kontrollieren konnten und oftmals Häuser zu Schutt und Asche niedergebrannt hatten. Da ich jedoch kaum Magie besaß, sah ich es nicht als gefährlich an, wenn ich durch die Straßen des Dorfes lief. Dies machte ich nun schon seit fast drei Jahren, damit ich meinen Verstand nicht verlor und nicht in meinen Niederlagen versank. Denn während die anderen in meinem Alter schon riesige Flammen oder gigantische Wellen an Wasser erzeugten, schaffte ich es gerade so, eine Kerze zu entzünden oder einen Tropfen Wasser heraufzubeschwören. Doch um diese zwei Dinge zu erzeugen, brauchte ich mehrere Sekunden und meist litt ich danach unter starken Kopfschmerzen.
»Ich bin in zwei Stunden wieder hier und lasse dich rein«, flüsterte meine beste Freundin. Um das Kloster dennoch vor Dämonen und anderen Kreaturen schützen zu können, war die kleine Tür in der Wand nur von innen zu öffnen, weshalb Nadia mich immer hineinlassen musste. Sie allein wusste von meinen nächtlichen Wanderungen durch das Dorf und half mir jedes Mal zurück ins Kloster.
Schnell schlüpfte ich durch die Tür, zog mir meine Kapuze übers Gesicht und drehte mich dann erneut zu meiner Freundin um.
»Bring mir was Schönes mit.«
»Natürlich«, gab ich schmunzelnd zurück und tauchte dann in der Dunkelheit unter. Das Kloster befand sich inmitten eines Waldes, um die Bewohner des Dorfes, wie auch uns Junghexen zu schützen. Vor sehr langer Zeit hatte man die Junghexen im Dorf lehren wollen. Doch jedes Mal, wenn sie die Kontrolle über ihre Magie verloren hatten, wurden viele Hexen schwer verletzt oder starben sogar. Die Magie der Junghexen war eigentlich um einiges schwächer als die der älteren Hexen. Jedoch konnte sie so schnell aus dem Körper dieser jungen Menschen herausbrechen, dass sogar die gebildetsten Hexen ihre Probleme mit der wilden und frischen Zauberkraft hatten.
Nachdem es immer wieder zu solchen Vorfällen gekommen war, entschied eine ältere Hexe ein Kloster tief im Wald zu erbauen, wo die Junghexen keinem mehr schaden konnten, bis sie ihre Hexenkunst unter Kontrolle hatten. Da es sich bei der Hexerei um ein Engelsgeschenk handelte, hielt die alte Hexe es angebracht, ein Kloster zu erbauen.
Nur die erfahrensten und stärksten Hexen, welche wir hier auch als Schwestern und Brüder bezeichneten, durften uns unterrichten. Derzeit befanden sich siebzehn lehrende Hexen und etwa zweihundert Junghexen in dem Kloster. Einige davon besaßen eine recht große Menge an Magie, ausgenommen von mir natürlich.
Vor über zehn Jahren hatten meine Eltern mich in das Kloster geschickt, in der Hoffnung meine Magie würde dadurch stärker werden und sich befreien.
Monatelang wurde ich deshalb von einer Schwester allein trainiert. Doch egal was wir auch versuchten, meine Zauberkraft verstärkte sich nicht. Die meisten Lehrer hatten die Hoffnung bereits aufgegeben. Ich ebenfalls.
»Ganz allein hier draußen, junges Mädchen?«, fragte eine tiefe Stimme.
Erschrocken drehte ich mich herum und sah, wie ein Mann aus der Dunkelheit auf mich zukam. Ich befand mich mitten im Wald und etwa fünf Minuten vom Kloster entfernt.
Noch nie ist mir hier jemand über den Weg gelaufen. Automatisch zog ich meine Kapuze noch etwas tiefer. Er durfte mein Gesicht nicht sehen!
»Zu solch später Stunde sollte ein so junges Ding nicht mehr allein umherwandern, vor allem nicht in einem Wald«, sprach der Mann weiter und kam noch ein paar Schritte näher.
»Wer sagt, dass ich allein bin?«, gab ich mutig von mir.
Der Fremde machte einen weiteren Schritt nach vorn und trat somit aus den Schatten hervor. Das Mondlicht schien ihm ins Gesicht und mir stockte der Atem. Noch nie hatte ich solch einen wunderschönen, jungen Mann gesehen! Sein Haar war rabenschwarz, leicht gewellt und reichte ihm bis zum Kinn. Seine Augen schimmerten in einem unnatürlich hellen Smaragdgrün und trotz der schwachen Beleuchtung konnte ich die von der Sonne gebräunte Haut erkennen. Die Gesichtszüge des Fremden sahen streng und maskulin aus und wurden durch den leichten Bartschatten und die messerscharfe Kieferpartie noch einmal unterstrichen. Er trug ein schwarzes Hemd, welches er in eine ebenfalls schwarze Hose gestopft hatte, dazu schwarze Schuhe und eine silberne Halskette, wobei der Anhänger unter seinem Hemd versteckt war. Seine Kleidung schmiegte sich perfekt an seinen athletischen und zugleich gut trainierten Körper. Und als wäre sein muskulöser Körper nicht schon angsteinflößend genug, war er noch mindestens einen Kopf größer als ich.
Erst jetzt bemerkte ich das immer breiter werdende Grinsen auf seinem Gesicht. O Mist! Ich hatte ihn viel zu lange und viel zu offensichtlich angestarrt! Konnte er mein Gesicht etwa sehen? Oder lag es an meinem viel zu langen Schweigen? Egal was es war, ich musste hier weg, ich musste ihn so schnell wie möglich loswerden!
Beschämt sah ich auf meine Schuhe und wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte. Somit wurde die Stille um uns nur noch unangenehmer. Na, toll!
»Bist du auf dem Weg ins Dorf?«, fragte er mich. »Ich könnte dir Gesellschaft leisten. Dann musst du nicht allein durch die Dunkelheit gehen.«
Unsicher was ich von seinem Angebot halten sollte, verzog ich meine Augen zu zwei Schlitzen, wobei ich wusste, dass er es nicht sehen konnte. Am liebsten hätte ich ihm gesagt, dass ich hier beinahe jede Nacht allein umher ging.
»Ich brauche deinen Schutz nicht«, sagte ich ihm. Denn genau so war es. Ich kannte mich recht gut in diesem Wald aus und wusste mich auch ohne Magie zu wehren.
»Zu dieser Zeit sind viele Dämonen unterwegs, fürchtest du denn nicht, dass du einem begegnen könntest?«
»Ich weiß mich zu wehren«, sagte ich fauchend und sprach somit meine Gedanken aus. Seine spöttische Art ging mir so langsam auf die Nerven. Und wenn er mich noch länger aufhielt, würde ich es heute nicht mehr ins Dorf schaffen.
»Lass mich dich begleiten, ich muss ebenfalls ins Dorf und so müssen weder du noch ich allein durch diese düstere Landschaft gehen.«
Ein leises Schnauben konnte ich nicht unterdrücken und sofort sah ich es ihm an, es unterhielt ihn mich so zu nerven. Was für ein anstrengender Mistkerl!
»Von mir aus«, gab ich schließlich nach. Manchmal könnte ich mein Leben wirklich verfluchen! Wieso musste ausgerechnet jetzt und dann auch noch zu so später Stunde jemand Fremdes durch den Wald spazieren. Die Ironie ist mir dabei sehr wohl bewusst, schließlich tat ich das gleiche.
Ich deutete mit meiner Hand an, dass er voran gehen sollte. Ohne zu widersprechen, ging er an mir vorbei, doch bereits nach ein paar Metern wartete er darauf, bis ich zu ihm aufgeholt hatte und wir nebeneinanderher gingen.
- Evelyn –
Ein kühler Wind rauschte durch die düster wirkenden Bäume. Untertags leuchteten die Blätter in einem satten, strahlenden Grün, doch nun, mitten in der Nacht, sahen sie beinahe schwarz aus. Die Bäume standen dicht beieinander und ließen kaum das Licht des Mondes zu uns hindurchdringen.
Ich war erleichtert, als sich der Wald nach und nach immer mehr lichtete, bis wir schließlich am Rand des Dorfes ankamen. Nachdem wir die ersten Schritte hineingewagt hatten, konnte ich zum ersten Mal wieder etwas entspannter durchatmen.
Die letzten Minuten in diesem Wald waren wirklich der reinste Horror. Der Fremde fragte hin und wieder nach meinem Wohlbefinden und wollte wissen, was ich so spät am Abend noch vorhatte. Währenddessen versuchte ich einfach so schnell wie möglich von ihm wegzukommen.
Ich wollte mich schon von dem Fremden verabschieden, aber dieser schien andere Pläne zu haben. Als ich nämlich zu ihm sah, musste ich feststellen, dass sein Blick bereits auf mir lag. Noch immer trug ich die Kapuze tief in mein Gesicht gezogen. Hoffentlich hatte er während unseres Spaziergangs keinen Blick auf mein platinblondes Haar erhaschen können. Mein Gesicht würde er in der Dunkelheit vermutlich gar nicht richtig erkennen. Doch mein beinahe weißes Haar war auch in der Finsternis gut erkennbar und ein Merkmal, welches er nicht so leicht übersehen würde.
Ein atemberaubendes schiefes Grinsen erschien auf seinen Lippen, als er mich fragte: »Dürfte ich dich noch auf ein Getränk einladen? Ich habe gehört hier soll es eine nette, kleine Bar geben, dort haben sie angeblich das beste Bier und den besten Wein.«
Erneut musterte ich ihn skeptisch. Wieso beharrte dieser Typ so sehr darauf, weiter bei mir zu bleiben? Oder bildete ich mir das alles nur ein und es war so üblich unter den Leuten hier im Dorf?
Als meine Eltern mich ins Kloster schickten, war ich gerade einmal acht Jahre alt. In dieser kurzen Zeit konnte ich kaum etwas über die Bewohner und die Sitten der Hexen im Dorf erfahren. Viele Hexen, welche den Großteil ihres Lebens im Kloster verbrachten, taten sich danach ziemlich schwer ein Leben außerhalb der Mauern zu beginnen. Nicht alle Junghexen kamen dort hinein, doch ich wusste auch nicht genau, woran man entschied, wer ins Kloster musste und wer nicht. Ebenfalls hatte ich keine Ahnung, was mit den Hexen geschah, die erst gar nicht ins Kloster kamen.
Meine beste Freundin war mächtiger als andere in ihrem Alter, weshalb man sie vermutlich dorthin gebracht hatte.
»Ich denke, ich sollte lieber weitergehen. Ich habe noch etwas zu erledigen.«, log ich, in der Erwartung mich herausreden zu können.
Ich fluchte innerlich, als der Fremde erneut zu sprechen begann und mir eine Antwort gab, welche ich nicht erhofft hatte. »So spät hast du noch etwas zu erledigen?«
Gut, dann ging diese Diskussion eben noch weiter.
»Das habe ich.«, beharrte ich zornig.
»Kann es sein, dass du mich anlügst?«
Ich schnaubte. Bei Jorun, wieso konnte dieser verdammte Mistkerl nicht einfach nachgeben und mich in Ruhe lassen?
»Ich lüge nicht. Ich… sollte Besorgungen für meine Eltern machen.« Meine kreativen Lügen neigten sich langsam dem Ende zu. Lass mich einfach gehen!
»Im Wald? In der Nacht?«, fragte er weiter und ließ nicht locker. War er etwa so erpicht darauf, mich beim Lügen zu erwischen?
»Ich war auf der Suche nach ein paar Kräutern. Ich habe die Zeit vergessen und als ich bemerkte, wie es dunkel wurde, beschloss ich zu gehen. Schließlich sagtest du gerade selbst, dass so spät Dämonen unterwegs sind.«
»Du hast keine Kräuter bei dir.«
VERFLUCHT SEIST DU ARSCHLOCH!
»Ich habe sie nicht gefunden. Aber ich sollte nun weiter gehen, meine Eltern werden sich sicher schon fragen, wo ich bleibe.«
»Lebst du in diesem Dorf?«, fragte er dann. Mir wich sämtliche Farbe aus dem Gesicht. In diesem Moment war ich wirklich froh, dass er dieses nicht sehen konnte.
Was sollte ich nun sagen? Ja? Nein?
»Ja«, krächzte ich. Er nickte.
»Dein Dorf wird doch sicher durch eine verzauberte Barriere, die Dämonen fernhält, geschützt sein, oder nicht? Du kannst also unbesorgt etwas mit mir trinken gehen. Deine Eltern werden es sicher verstehen, wenn du es ihnen später erklärst.«
Ich hatte keine Ahnung, da dies hier nicht mein Dorf war. Zusätzlich wusste ich nicht einmal, ob es solch eine Barriere wirklich gab. Hoffen wir einfach, dass es so war!
»Natürlich!«, gab ich viel zu schrill von mir. Damit er mich jedoch nicht direkt durchschaute, falls er es nicht bereits hatte, räusperte ich mich und fügte anschließend hinzu: »Also gut, aber nur ein Getränk, danach muss ich wirklich gehen!«
Das bisher schiefe Grinsen breitete sich nun auf seinem ganzen Gesicht aus und zum ersten Mal konnte ich einen Blick auf seine makellosen, weißen Zähne erhaschen. Verdammt, der Kerl war wirklich die Perfektion in Person!
✴
Zusammen machten wir uns auf den Weg Richtung Bar. Obwohl meine Kapuze noch immer perfekt saß, zog ich sie mir erneut weiter ins Gesicht. Es durfte mich keiner sehen, nicht, dass mich irgendwann noch jemand erkannte. Vor einem kleinen Häuschen angekommen, öffnete er mir die edle Holztür und deutete mit einer Handbewegung an, vor ihm in das Lokal zu gehen. Zögerlich trat ich an ihm vorbei und sah mich im Inneren um.
In dem Häuschen befanden sich fünf Tische mit Platz für etwa dreißig Leute. Am Ende der Bar, auf der linken Seite, befand sich eine Theke. Das warme Kerzenlicht des Deckenleuchters ließ einen hier direkt wohlfühlen.
Außerdem sah es ziemlich sauber und gepflegt aus, dennoch war dies wirklich eine kleine Bar. Abgesehen von dem Wirt waren drei weitere Leute zu erkennen. Mein fremder Begleiter deutete auf einen leeren Tisch in einer Nische, abgelegen von all den anderen.
Er setzte sich und ich nahm auf der ihm gegenüberliegenden Bank Platz. Bevor der Wirt auf uns zu kam, fragte mich mein Begleiter, was ich gerne trinken möchte. Nachdem ich es ihm mitgeteilt hatte, rief er besagten Wirt zu uns und bestellte zwei Krüge mit Bier. Der Wirt nickte knapp und verschwand anschließend wieder hinter der Theke.
»Warst du schon einmal hier?«, fragte der Fremde plötzlich.
»Nein, noch nie.«
Er runzelte die Stirn und sofort erkannte ich meinen Fehler. »Ich trinke eigentlich keinen Alkohol«, versuchte ich mich aus der Situation zu retten. Er schien mir zu glauben, da er verständlich nickte.
»Willst du deine Kapuze denn gar nicht abnehmen?«
»Nein.«
»Weshalb nicht?«, fragte er, legte seine Unterarme dabei auf dem Tisch ab und beugte sich weiter zu mir nach vorn.
»Mein Gesicht hat dich nicht zu interessieren.«
Er kicherte leise und sah mit vor Entzückung glänzenden Augen zu mir auf. »Hast du Angst, mir könnte dein Gesicht nicht gefallen?«
Ich schnaubte. Was bildete sich dieser Mistkerl eigentlich ein?
»Keineswegs«
»Weshalb bist du dann so scheu?«
Langsam riss mir wirklich der Geduldsfaden. Doch gerade, als ich mich so richtig in Rage reden wollte, tauchte der Wirt wieder auf und stellte die Getränke vor uns ab. Um mich nicht weiter mit ihm unterhalten zu müssen, nahm ich den Krug sofort in die Hand und fing an zu trinken. Es war vermutlich nicht sehr klug von mir, die Hälfte des Bieres auf einmal zu leeren, doch ich brauchte den Alkohol im Moment einfach viel zu sehr.
»Weshalb hast du mich hierher eingeladen?«, fragte ich ihn nach dem ich mein Bier wieder abgestellte hatte. Ich wollte das vorherige Thema einfach beenden und zusätzlich strebte ich wirklich an, mehr über seine Pläne mit mir herausfinden. Wieso hatte er so erpicht darauf bestanden, dass ich mit ihm ging? Denn irgendwie bekam ich immer den Eindruck, dass sein Verhalten nicht wirklich üblich unter den Hexen in den Dörfern war.
Ein ungutes Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus. Vielleicht war es doch nicht meine beste Idee, einfach mit ihm zu gehen.
»Man sieht nicht oft eine junge Frau allein durch den Wald laufen, noch dazu zu solch später Stunde. Sagen wir einfach, du hast meine Neugier geweckt.« Seine Worte klangen so ehrlich, dass ich sie nicht anzweifelte. Dennoch sollte ich wachsam bleiben, man wusste schließlich nie, hinter welchen Ecken Gefahren lauerten.
- Evelyn –
Etwa fünf Minuten vor der vereinbarten Zeit stand ich vor der versteckten Tür ins Kloster. Immer wieder sah ich mich um, hatte Angst der Fremde, dessen Namen ich nicht kannte, wäre mir doch gefolgt, jedoch konnte ich im Wald niemanden sehen. Dadurch, dass es mitten in der Nacht war und somit stockdunkel, würde ich sowieso nichts darin erkennen.
Ich hatte mich von meinem fremden Begleiter »verabschiedet«, sobald ich das Bier geleert hatte. Schnell hatte ich noch etwas für meine beste Freundin gekauft und bin dann mehr oder weniger vor ihm davongelaufen. Da er bereits die ganze Zeit ziemlich hartnäckig war, wollte ich ihm nicht die Chance geben, mich zu fragen, wo ich wohnte, oder ob wir uns wiedersehen würden. Aus Angst bin ich also ohne ein Wort gegangen.
Das leise Klicken des Schlosses war zu hören, als sich die versteckte Tür öffnete. »Schnell, die Schwestern sind schon in der Nähe«, flüsterte Nadia und trat zur Seite, um mich reinzulassen. Auf leisen Sohlen rannten wir zu unseren Zimmern. Schnell hing ich meinen Mantel auf und zog meine Stiefel aus. Anschließend legte ich mich unter die Bettdecke und zog sie mir bis zum Kinn hinauf. Kaum, dass ich mich unter der Decke versteckt hatte, ertönte das mir nur allzu bekannte Klopfen.
»Herein«, nuschelte ich mit gespielt verschlafener Stimme. Die Tür wurde geöffnet und eine der Schwestern trat in mein Zimmer.
»Alles in Ordnung, Evelyn?«, fragte sie mit einfühlsamer Stimme.
Ich nickte nur.
»Alles klar, dann schlaf gut und bis morgen.«
»Gute Nacht.« Wenige Sekunden blieb sie noch in meinem Zimmer und musterte mich, bevor sie wieder aus dem Zimmer ging.
Die Schwestern kamen jeden Abend um Punkt Mitternacht zu uns. Niemand wusste genau weshalb, doch ich vermute, es hat irgendetwas mit den Dämonen zu tun. In den Büchern stand, jeder Dämon wäre um Mitternacht dazu gezwungen, sein wahres Ich zu zeigen. Die glühenden Augen würden sichtbar werden, die Reißzähne herausschießen, die langen Klauen würden sich zeigen, genauso wie die Flügel und Hörner, wenn sie denn welche besaßen. Ich hatte noch nie einen Dämon gesehen oder jemanden davon erzählen gehört, abgesehen von Nadia, welche so etwas mal erwähnte. Doch ich schätzte, die, die einen gesehen haben, sind nun entweder tot oder ebenfalls solche Monster. Ich glaubte nicht, dass die Bücher logen, schließlich waren sie unsere einzige Hoffnung auf ein wenig Schutz. Beinahe alles, was wir lernten, lernten wir aus ihnen. Jedes Detail über Dämonen oder andere Monster erfuhren wir durch die Bücher. Sollten wir diese nun hinterfragen, was würde uns dann noch an Sicherheit bleiben?
»Bist du noch wach?«, ertönte Nadias leise Stimme, als sie in mein Zimmer trat. Mit einem breiten Grinsen setzte ich mich auf. »Na klar!« Ich griff nach meiner Nachttischlampe, um mit meiner Magie eine kleine Flamme auf der Kerze zu entzünden. Nach dem zweiten Versuch und etwa zwanzig Sekunden später, hatte ich es endlich geschafft. Es dauerte nicht mehr so lange wie früher, aber dennoch tat ich mir damit etwas schwer.
»Hast du mir was mitgebracht?«, fragte sie freudig und setzte sich zu mir auf das Bett. »Natürlich«, wiederholte ich meine Worte von vorhin. Ich streckte ihr den kleinen Beutel entgegen, welchen sie mit vor Freude strahlenden Augen annahm und aufriss.
Da Nadia im Gegensatz zu mir Magie besaß, wagte sie es nicht hinauszugehen, aus Angst sie könnte jemanden aus Versehen verletzen. Zumal Nadia schon etwas älter war, als sie ins Kloster kam und somit schon einen Teil der Welt dort draußen kannte. Nachdem ich ihr damals von der Idee mich hinauszuschleichen erzählt hatte, war sie im ersten Moment ziemlich unschlüssig. Am Ende jedoch sagte sie zu mir, sie wohle mich nicht daran hindern, allein schon, da ich kaum Magie besaß und sie selbst in Sorge war, ich könnte in dem Kloster nach und nach meinen Verstand verlieren. Als kleinen Kompromiss verlangte sie dafür von mir bei meinen nächtlichen Wanderungen ihr immer etwas mitzubringen. Der freudige Glanz in ihren moosgrünen Augen war mir das auf jeden Fall wert.
So hatte sie immer etwas, worauf sie sich freuen konnte und ich hatte knapp zwei Stunden für mich allein, in denen ich neue Energie sammeln konnte.
»WEIN?!«, kreischte sie. Schnell presste ich ihr meine Hand auf den Mund.
»Es ist schön zu hören, dass du dich freust, aber die Schwestern sollten das nicht unbedingt mitbekommen.«
Röte schoss ihr in die Wangen. »Entschuldige. Woher hast du ihn?«
»Aus einer kleinen Bar, sie sollen dort den besten Wein im ganzen Dorf haben. Nur, trink nicht so viel, nicht dass es jemand mitbekommt.«
Nadia verdrehte ihre Augen. »Ich bin nicht dumm, Eve. Ich weiß, was mir blüht, sollte man mich mit Alkohol erwischen.«
»Das hoffe ich doch. Sonst werde ich dir vermutlich nie wieder etwas mitbringen.« Während Nadia die Flasche öffnete, stand ich von meinem Bett auf und ging zu meinem Kleiderschrank. Schnell holte ich mein Nachtkleid hervor und zog es mir an, da fiel mir wieder etwas ein, was der gutaussehende Mann zu mir gesagt hatte.