Soziales neu gestalten – Antworten auf aktuelle Herausforderungen -  - E-Book

Soziales neu gestalten – Antworten auf aktuelle Herausforderungen E-Book

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Beschreibung

Der Tagungsband "Soziales neu gestalten" präsentiert sorgfältig ausgewählte Artikel, die aktuelle Herausforderungen und Chancen im Sozial- und Gesundheitswesen beleuchten. Die Expert:innen diskutieren innovative Ansätze und praktische Lösungen für die digitale Transformation, gesetzliche Regelungen wie das Bundesteilhabegesetz und die Anforderungen einer agilen Organisationsentwicklung aus unterschiedlichen Perspektiven. Dabei stehen Professionalität, Praxisrelevanz und fachliche Tiefe im Vordergrund. Erfahren Sie mehr über die Auswirkungen des Bundesteilhabegesetzes auf die Eingliederungshilfe, gegenwärtige Herausforderungen in der Gesundheitssorge und die Bedeutung neuer gesetzlicher Regelungen für das Sozial- und Gesundheitswesen. Praktische Einblicke in das Gesundheitsmanagement und die Führung runden diesen Tagungsband ab. Für Fach- und Führungskräfte bietet "Soziales neu gestalten" wertvolle Impulse und fundierte Lösungsansätze, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren und eine professionelle Weiterentwicklung der Praxis ermöglichen. Mit Beiträgen von Iris Dörscheln, Julia Feldewerth, Christian Henning, Johannes Löhring, Jörg Martens, André Niggemeier, Manuel Pietsch und Marie Pidde Die Herausgeber: Jörg Martens, Prof. Dr. phil., ist Experte für Personalmanagement und Organisationsentwicklung an der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld. Er studierte Theologie, Pädagogik, Personalmanagement und hat zahlreiche Publikationen zu Themen wie Personalentwicklung, Service Design und Candidate Experience verfasst. André Niggemeier, Prof. Dr., studierte Beratungswissenschaften, Mentoring und Coaching und promovierte zu den Themen Führung und Beratung. Er ist als Professor und als wissenschaftliche Studienortleitung im Studiengang Sozialpädagogik und Management an der Internationalen Berufsakademie (iba) in Münster tätig. Aktuelle Weiterbildungen zum Gruppenanalytiker und in psychosozialer Sozial- und Kulturtheorie. Arbeitsschwerpunkte: Psychodynamik der Pädagogik und psychodynamische Aktionsforschung.

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Seitenzahl: 289

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Verlag für Systemische Forschung

im Carl-Auer Verlag

Jörg Martens / André Niggemeier (Hrsg.)

Soziales neu gestalten –Antworten auf aktuelleHerausforderungen

Lösungsmöglichkeiten aus der Praxis für die Praxis

2024

Der Verlag für Systemische Forschung im Internet:

www.systemische-forschung.de

Carl-Auer im Internet: www.carl-auer.de

Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis an:

Carl-Auer Verlag

Vangerowstr. 14

69115 Heidelberg

Über alle Rechte der deutschen Ausgabe verfügt

der Verlag für Systemische Forschung

im Carl-Auer-Systeme Verlag, Heidelberg

Fotomechanische Wiedergabe nur mit Genehmigung des Verlages

Reihengestaltung nach Entwürfen von Uwe Göbel

Printed in Germany 2024

Erste Auflage, 2024

ISBN 978-3-8497-9074-5 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-9075-2 (ePub)

DOI: 10.55301/9783849790745

© 2024 Carl-Auer-Systeme, Heidelberg

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten

sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Die Verantwortung für Inhalt und Orthografie liegt bei den Herausgebern.

Inhalt

I Was erwartet Sie in diesem Tagungsband?

Geleitwort zum Tagungsband „Soziales neu gestalten“ (Simon Stark)

Einleitung in den Sammelband „Soziales neu gestalten“ (Jörg Martens und André Niggemeier)

II Neue Ansätze und Herausforderungen in der Arbeitswelt

Digitales Workplace-Learning – eine Antwort auf New Work? Die Wiederentdeckung des Lernens am Arbeitsplatz in Zeiten der Digitalisierung und Transformation (Jörg Martens)

New Work Culture: Fundament der organisationalen Handlungsfähigkeit in der VUKA-Welt (Thorsten Löhring)

III Effekte und Umsetzung neuer gesetzlicher Regelungen

Welche Wirkungen sind durch die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in der Eingliederungshilfe bemerkbar? (Julia Feldewerth)

Gesundheitssorge im Rahmen der Eingliederungshilfe. Welche Anforderungen stellt das Konzept Gesundheitssorge an die Leistungserbringer der Eingliederungshilfe in Nordrhein-Westfalen? (Christian Henning)

Mit Sicherheit für die Menschen – das neue „Unterbringungsgesetz“ für psychisch erkrankte Straftäter zwischen Gefahrenabwehr und Hilfeleistung (Maria Pidde)

IV Gesundheitsmanagement und Führung im Sozial- und Gesundheitswesen

Die Effektivität strukturierter Personalauswahlverfahren. Eine Analyse am Beispiel des strukturierten Einstellungsinterviews (Manuel Pietsch)

Zusammenspiel von gesundheitsorientierter Führung und Kulturentwicklung in Unternehmen des Sozial- und Gesundheitswesens (Iris Dörscheln)

V Psychoanalytische Reflexionen und soziale Transformation in der Organisationsentwicklung

Die soziale Transformation. Psychoanalytische Reflexionen in der Organisationsentwicklung (André Niggemeier)

I Was erwartet Sie in diesem Tagungsband?

Geleitwort zum Tagungsband „Soziales neu gestalten“ Simon Stark

„Die Quadratur des Kreises“ – nichts weniger steht der Sozialwirtschaft in den nächsten Jahrzehnten bevor. Die Nachfrage nach sozialen Dienstleistungen wird weiter steigen. Das Angebot an qualifizierten Fachkräften wird weiter sinken. Beides eine Folge des bekannten und umfangreich beschriebenen demografischen Wandels. Damit ist die Sozialwirtschaft nicht allein: der demografische Effekt wird dem deutschen Arbeitsmarkt bis 2035 insgesamt ca. 7,2 Mio. Erwerbspersonen gegenüber dem Jahr 2020 entziehen – das sind 15%. Besonders dramatischer sieht aber die Entwicklung in der Pflegebranche aus: Laut einem aktuellen Pflegereport1 geht von den etwa 1,14 Mio. professionellen Pflegekräften mehr als jeder Fünfte in den kommenden zehn Jahren in Ruhestand. Bereits heute ist etwa ein Drittel (32,2%) der Beschäftigten in der Pflege über 50 Jahre alt. Zugleich fordert die Demografie auch die Finanzierung der deutschen Sozialsysteme heraus.

Die Kernfrage lautete daher: „(Wie) Kann die steigende Nachfrage mit weniger Personal aber weiterhin hoher Qualität bedient werden?“ Um den Kreis quadratisch zu machen, muss der Kreis womöglich neu gedacht werden. Es besteht also der dringende Bedarf, das Soziale neu zu gestalten. Die Akteure müssen sich also weiterentwickeln. Dies betrifft zuvorderst die sozialen Organisationen selbst – bei allen berechtigten Forderungen nach auskömmlicher Finanzierung und stimmigen Rahmenbedingungen.

Eine wichtige Rolle nimmt dabei eine gezielte und wohl durchdachte Organisationsentwicklung ein. Die Attribute „gezielt“ und „wohl durchdacht“ sind bedeutsam, weil sich Organisationen der eigenen Entwicklung – im Sinne einer Veränderung – kaum entziehen können. Entscheidend ist aber, ob die Veränderung in Form einer bewussten und aktiven Entwicklung geschieht oder ob sich die Organisation dem Lauf der Dinge überlässt – sich also eher treiben lässt und allenfalls dort reagiert, wo es unumgänglich ist. Letzteres werden sich soziale Organisationen kaum leisten können. Ersteres ist herausfordernd, bisweilen auch anstrengend, dennoch unerlässlich: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sozialen erwarten und verdienen eine „gute“ Organisation. Also gute, sichere und gesunde Arbeitsbedingungen, ein stärkendes und unterstützendes Arbeitsumfeld und Anerkennung für ihre Arbeit. Dann klappt es auch mit dem Nachwuchs!

Ganz unterschiedliche aber durchweg fundierte und praxisnahe Anregungen und Ideen zur Weiterentwicklung sozialer Organisationen im obigen Sinne lieferte der IFSI-Fachtag „Soziales neu gestalten“ am 26. Januar 2024 an der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld-Bethel. Erkenntnisse aus diesem Fachtag versammeln sich in diesem Tagungsband und ermöglichen den interessierten Leserinnen und Lesern an diesem Wissen teilzuhaben.

Hierfür sei den Autorinnen und Autoren ganz herzlich gedankt und den Leserinnen und Lesern ein mutiges Anpacken und gutes Gelingen bei der Neugestaltung des Sozialen gewünscht.

Dr. Simon Stark

Vorstand v. Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel

1 Beiträge zur Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung (Band 47) Pflegereport 2024 Die Baby-Boomer und die Zukunft der Pflege – Beruflich Pflegende im Fokus.

Einleitung in den Sammelband „Soziales neu gestalten“ Jörg Martens und André Niggemeier

Soziale Innovationen stehen im Mittelpunkt dieses Tagungsbandes, der aus der Fachtagung „Soziales neu gestalten“ hervorgegangen ist. Die Herausgeber haben sorgfältig eine Auswahl an Artikeln zusammengestellt, die die aktuellen Herausforderungen und Chancen im Sozial- und Gesundheitswesen beleuchten. Diese Sammlung bietet einen Einblick in innovative Ansätze und praktische Lösungen, die in Zeiten der digitalen Transformation, der Umsetzung gesetzlicher Regelungen wie dem Bundesteilhabegesetz und der Notwendigkeit einer agilen Organisationsentwicklung relevant sind.

Teil I des Tagungsbandes widmet sich neuen Ansätzen und Herausforderungen in der Arbeitswelt. Jörg Martens führt die Diskussion an mit seinem Beitrag über die Bedeutung des digitalen Workplace-Learning als Antwort auf die Anforderungen von New Work in einer sich schnell verändernden Arbeitsumgebung. Dabei betont er nicht nur die technologischen Aspekte, sondern auch die kulturellen Veränderungen, die für eine erfolgreiche Implementierung neuer Lernformate am Arbeitsplatz erforderlich sind. Im Anschluss untersucht Thorsten Löhring die Entstehung und Bedeutung einer New Work-Kultur als Fundament für die Handlungsfähigkeit von Organisationen in einer VUKA-Welt, in der Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität dominieren.

Teil II fokussiert sich auf die Effekte und Umsetzung neuer gesetzlicher Regelungen. Julia Feldewerth analysiert die Auswirkungen der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes auf die Eingliederungshilfe und stellt die damit verbundenen Herausforderungen heraus. Dabei wird nicht nur auf die rechtlichen Aspekte eingegangen, sondern auch auf die praktischen Implikationen für die Arbeit in der Eingliederungshilfe. Christian Henning erweitert diesen Blick durch eine Betrachtung der Anforderungen an die Leistungserbringer der Eingliederungshilfe in Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf das Thema Gesundheitssorge. Er diskutiert, wie diese Anforderungen in der Praxis umgesetzt werden können und welche Herausforderungen dabei auftreten. Maria Pidde schließlich untersucht das neue „Unterbringungsgesetz“ für psychisch erkrankte Straftäter und dessen Bedeutung für die Schnittstelle zwischen Gefahrenabwehr und Hilfeleistung im Sozial- und Gesundheitswesen. Dabei werden sowohl rechtliche als auch ethische Aspekte beleuchtet und diskutiert, wie diese in der Praxis umgesetzt werden können.

Der dritte Teil legt den Fokus auf Gesundheitsmanagement und Führung im Sozial- und Gesundheitswesen. Manuel Pietsch analysiert die Effektivität strukturierter Personalauswahlverfahren am Beispiel des strukturierten Einstellungsgesprächs und diskutiert, wie Organisationen ihre Rekrutierungsprozesse anpassen können, um dem zunehmenden Fachkräftemangel zu begegnen. Iris Dörscheln untersucht das Zusammenspiel von gesundheitsorientierter Führung und Kulturentwicklung in Unternehmen des Sozial- und Gesundheitswesens und zeigt auf, wie eine gesundheitsförderliche Unternehmenskultur geschaffen werden kann, die sowohl die Mitarbeiterzufriedenheit als auch die Qualität der Dienstleistungen verbessert.

Abschließend beleuchtet Teil IV des Tagungsbandes psychoanalytische Reflexionen und soziale Transformation in der Organisationsentwicklung. André Niggemeier reflektiert über die Bedeutung der sozialen Transformation aus psychoanalytischer Perspektive und zeigt auf, wie diese Erkenntnisse genutzt werden können, um Organisationen in volatilen Zeiten zu unterstützen und zu stärken.

Diese Zusammenstellung bietet Fach- und Führungskräften in Organisationen des Sozial- und Gesundheitswesens praktische Einblicke und Lösungsansätze für die Gestaltung und Umsetzung sozialer Innovationen. Jeder Artikel wird eingehend betrachtet und bietet inspirierende Erkenntnisse, die für die Praxis relevant sind. Dabei treffen diakonische Denkweisen auf innovative Ansätze, die wissenschaftlich fundiert sind und eine rekursive Weiterentwicklung der behandelten Themen (in und mit der Praxis) ermöglichen.

Wir laden Sie ein, diese vielfältigen Beiträge zu erkunden und von den Erkenntnissen und Erfahrungen der Autorinnen und Autoren zu profitieren.

Bielefeld und Münster im Frühjahr 2024,

Jörg Martens & André Niggemeier

II Neue Ansätze und Herausforderungen in der Arbeitswelt

Digitales Workplace-Learning – eine Antwort auf New Work? Die Wiederentdeckung des Lernens am Arbeitsplatz in Zeiten der Digitalisierung und Transformation Jörg Martens

1Einleitung

Gegenwärtig verändern sich gesellschaftliche, wirtschaftliche und technische Verhältnisse in einem rasanten Tempo. Damit gehen auch ständig neue Anforderungen an die Beschäftigten in der Arbeitswelt einher. Einerseits sinkt die Verwertbarkeit von ehemals erlerntem Fachwissen stark, wenn man es nicht stets aktuell hält, andererseits entstehen aus der technologischen Entwicklung wie etwa der Digitalisierung vollkommen neue Anforderungen an Mitarbeitende. Um diesen Wandel der beruflichen Anforderungen erfolgreich bewältigen zu können, kommt es weniger auf einmal erworbene Qualifikationen an, sondern vor allem auf zeitnah entwickelbare Handlungskompetenzen.

Zahlreiche Studien beschäftigen sich derzeit mit den Veränderungen in der Arbeitswelt und ziehen daraus die Schlussfolgerung, die Kompetenzentwicklung der Mitarbeitenden neu zu überdenken (Schaper et al. 2023). Dies wird nicht nur durch die voranschreitende Digitalisierung, sondern auch durch neue Konzepte der Arbeitsorganisation und -formen wie „New Work“ (Schermuly 2021) motiviert. Die Anforderungen an das Lernen der Mitarbeitenden konzentrieren sich immer weniger auf herkömmliche Weiterbildungsmaßnahmen, sondern zunehmend auf unterschiedliche Formen und Formate einer arbeitsplatzbezogenen Kompetenzentwicklung. Dadurch ergeben sich auch Veränderungen in den organisationalen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten, die im Arbeitskontext für das Lernen geschaffen werden sollten.

Aktuell lässt sich eine außergewöhnliche Dynamik und Komplexität feststellen, auf die Organisationen nicht mehr adäquat mit herkömmlichen und bisher bewährten Methoden reagieren können (Gairing 2017). Diese Veränderungen erfordern diverse Formen der Anpassung auf verschiedenen Ebenen. Insbesondere das Lernen als Erwerb und Entwicklung von Kompetenzen zur erfolgreichen Bewältigung dieser Veränderungen steht hier im Fokus: einerseits durch Prozesse einer organisationalen Kompetenzentwicklung (Schreyögg & Eberl 2015) etwa basierend auf dem „Dynamic-Capabilities-Ansatz“ (Teece 2007) und andererseits auch auf individueller Ebene durch eine gezielte Kompetenzentwicklung im Kontext des betrieblichen Lernens. Die Integration von neuartigen Ansätzen zur Organisationsentwicklung einerseits und betrieblichem Lernen andererseits wird dabei zu einem entscheidenden Faktor für eine zukunftsorientierte Ausrichtung (Fölsing & Schmitz 2021).

In diesem Beitrag werden die aktuellen Bedingungen für die Entwicklung neuer betrieblicher Lernformen und einer organisationalen Lernkultur beleuchtet, die eine erfolgreiche Kompetenzentwicklung am Arbeitsplatz ermöglichen. Unter dem Schlagwort „Workplace-Learning“ gilt die Aufmerksamkeit dabei den Faktoren, die eine effektive Einbindung von informellen Lernprozessen und -formaten im betrieblichen Kontext unterstützen.

2„New Work und New Learning“– eine Geschichte der Wiederentdeckung einer langen Beziehung?

Die aktuellen Veränderungen in Zeiten von „VUCA“ und „New Work“ machen deutlich, dass sich sowohl die Rahmenbedingungen des betrieblichen Lernens verändern als auch die organisationale Lernkultur, in der es eingebettet ist. Formale Lernformen der Weiterbildung oder Personalentwicklung reichen bei weitem nicht mehr aus, um den sich verändernden Anforderungen gerecht zu werden (Schaper et al. 2023). Gegenwärtig kreist die Fachdiskussion um konzeptionelle Überlegungen zu einem gelingenden Übergang von traditionellen Ansätzen der Personalentwicklung hin zu neuen, möglichst auf die Arbeitsprozesse bezogenen Lernformaten (Sauter & Sauter 2014).

Bislang wurde das betriebliches Lernen unter dem Etikett der Personalentwicklung oder Weiterbildung weitgehend räumlich und zeitlich getrennt vom Arbeitsplatz und überwiegend durch formale Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen gesteuert; doch dieser statische Ansatz kann mit der rasanten Veränderungsdynamik heutiger Geschäftsumgebungen kaum mehr mithalten: das formale „Lernen auf Vorrat“, wie es in konventionellen Workshops vorherrschend ist, wird zunehmend durch ein bedarfsorientiertes „juston-demand-Lernen“ am Arbeitsplatz abgelöst, das den jeweils Lernenden bestenfalls in flexiblen, orts- und zeitunabhängigen Formaten zur Verfügung stehen sollte (Dehnbostel 2020).

Ein Blick in die jüngere Geschichte der Berufsbildung zeigt, dass gesellschaftliche Veränderungen immer auch Auswirkungen auf das betriebliche Lernen nach sich gezogen haben. Die wechselseitigen Beziehungen zwischen Arbeit und Lernen sind daher demnach nicht vollkommen neu, vielmehr waren sie rückblickend schon immer vorhanden, mal enger, mal lockerer. Man kann es sich vorstellen wie eine Ehe oder eine langjährige Beziehung, die trotz ständiger Veränderungen bestehen bleibt, jedoch immer wieder neu ausgerichtet werden muss. Wenn gesellschaftliche Umbrüche auf diese Beziehung einwirken, müssen die beiden Partner – Arbeiten und Lernen – intensiv über die Grundlage ihrer Zweisamkeit nachdenken. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage immer wieder neu, was und wie Beschäftigte heute und zukünftig im betrieblichen Umfeld lernen müssen, um sich flexibel und erfolgreich den neuen Anforderungen anzupassen. Dies zeigt sich aktuell vor allem in der Diskussion über angemessene Kompetenzprofile, in denen sogenannte „future skills“ im Zentrum eines zukunftsorientierten Kompetenzmanagements stehen (Winde & Klier 2021).

Die Frage, was man lernen muss, wenn zukünftige Anforderungssituationen unbekannt sind, stellte sich in ähnlicher Weise bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als sich die aufstrebende Industriegesellschaft gegen eine überwiegend agrarisch geprägte feudale Ordnung durchzusetzen begann, was zu einer unsicheren Zukunft führte. Die Antwort – vorgetragen vor allem von Wilhelm von Humboldt – lautete Bildung bzw. Allgemeinbildung.

Dieses programmatische Leitmotiv beruht auf einer simplen Einsicht: „Wenn man, wie bis dahin üblich, den Menschen lediglich für seine künftig erwarteten spezifischen Funktionen – etwa als Bauer, Handwerker, Geschäftsmann – ausbildet, dann läuft er Gefahr, Veränderungen in seinem Beruf nicht mehr gewachsen zu sein. Erteilt man ihm jedoch eine grundlegende Bildung im Sinne einer ‚Allgemeinbildung‘, wird er in den Stand gesetzt, auf solche Veränderungen, die vorher niemand voraussehen kann, durch Weiterlernen flexibel zu reagieren. Er verfügt dann nämlich über das dafür erforderliche geistige Potential.“ (Giesecke 1999).

Etwa 150 Jahre später – Mitte der 1970er Jahre – nahm Dieter Mertens mit seinem viel rezipierten Ansatz über „Schlüsselqualifikationen“ (1974) eine ähnliche Argumentationslinie ein. Seine Überlegungen basierten auf den sich verändernden Arbeitsprozessen und den deutlich sichtbaren Risiken einer Überalterung beruflichen Fachwissens. Er forderte, dass sich berufliche Bildung stärker an den aktuellen Erfordernissen des Arbeitsmarktes ausrichten müsse und weniger am Erwerb reinen Fach- und Faktenwissens. Als Schlüsselqualifikationen bezeichnete er daher solche Kenntnisse und Fähigkeiten, die keinen direkten Bezug mehr nur zu einer konkreten Berufspraxis haben, sondern in verschiedenen – auch unvorhersehbaren – Anforderungssituationen flexibel eingesetzt werden können (Mertens 1974).

Abgesehen von zeitgenössischen Einseitigkeiten dieser Konzepte wie der Humboldtschen „Allgemeinbildung“ oder den „Schlüsselqualifikationen“ von Mertens zeichnet sich in der Sache eine gemeinsame Zielrichtung ab, die der gegenwärtigen Diskussion sehr nahekommt. Diese liegt in dem Versuch der Bewältigung einer abnehmenden Halbwertszeit des beruflichen Wissens angesichts des rapiden Wandels von beruflichen Anforderungen. Sowohl Humboldt als auch Mertens betonten – in heutigen Begrifflichkeiten dem Sinn nach – die Notwendigkeit einer überfachlichen Kompetenzentwicklung angesichts der neuen Anforderungen, die eine dynamisch sich veränderte Arbeitswelt an die Beschäftigungsfähigkeit der Menschen stellt.

Dieser kurze Rückblick zeigt, dass eine zukunftsoffene Ausrichtung des betrieblichen Lernens trotz aller Unwägbarkeiten grundsätzlich so zu gestalten ist, dass sie nicht ausschließlich an vorab definierten Inhalten und Ergebnissen ausgerichtet sein sollte, die im Rahmen einer Planung vorweggenommen werden und dann im Zuge einer curricularen Regieführung ganz und gar reglementiert werden. Im Gegensatz dazu sollte das Lernen am Arbeitsplatz vielmehr als ein offener Prozess betrachtet werden, der sich den jeweiligen Veränderungen möglichst flexibel stellt und kreativ anpasst.

3Der Stand der Forschung zum Lernen am Arbeitsplatz

Die Forschung zu Veränderungen im Lernkontext der Arbeit ist in der wissenschaftlichen Gemeinschaft kein neues Thema, sie erhält aber angesichts der „Krise des formalen betrieblichen Lernens“ durch die Wiederentdeckung von arbeitsintegrierten Lernprozessen derzeit eine neue Aktualität (Dehnbostel 2016). Ein Grund für die gegenwärtige Aufmerksamkeit, die das Lernen am Arbeitsplatz derzeit erfährt, liegt vorrangig darin, dass die formale betriebliche Weiterbildung ein anforderungsbezogenes Lernen über einen längeren Zeitraum hinweg in einem stetigen Prozess der Auslagerung, Systematisierung und Zentralisierung immer weiter vom realen Arbeits- und Berufsgeschehen abrückte. Die Weiterentwicklung des betrieblichen Lernens wurde vorrangig der Personal- und Organisationsentwicklung überlassen. Diese Entwicklung führte dazu, dass informelle und erfahrungsgeleitete Lernprozesse am Arbeitsplatz wenig berücksichtigt wurden (ebd.).

Bei Ansätzen des arbeitsintegrierten bzw. arbeitsbezogenen Lernens dagegen soll diese zeitliche und räumliche Trennung zwischen dem Arbeitsprozess und dem Lernprozess verringert und bestenfalls aufgehoben werden. Das wesentliche Ziel dieses Ansatzes besteht darin, Lernen während der eigentlichen Arbeitstätigkeit zu ermöglichen, um eine möglichst nahtlose Integration von Lernaktivitäten in den Arbeitsalltag zu fördern. Im Gegensatz dazu liegt in konventionellen Seminaren und Workshops der betrieblichen Weiterbildung der Nachteil, dass Lerninhalte oft räumlich und zeitlich separat von den spezifischen Anforderungen bestimmter Arbeitsplätze vermittelt werden, so dass die konkreten Tätigkeitsanforderungen und Arbeitssituationen im Lehrgang allenfalls nachgestellt oder simuliert werden können. Die praktische Anwendung des Erlernten auf konkrete Anforderungen des Arbeitsplatzes bleibt dem Lehrgangsteilnehmenden dann in der Regel allein überlassen und erfolgt nicht unter realen Lernbedingungen (Severing 1996).

Ein weiterer bedeutender Aspekt, der die Forschungsaktivitäten zu diesem Thema prägt, liegt im grundlegenden Perspektivwechsel hin zu einem verstärkten Fokus auf die lernenden Akteure im Unternehmen. Ähnlich wie im Kontext des Service Design Thinking und den davon abgeleiteten Ansätzen des Employee Experience Management zeigt sich auch bei der Diskussion über das Thema des Learning Experience Design (Seevaratnam et al. 2023) die Tendenz, verstärkt die Perspektive der Nutzer zu berücksichtigen. Dieser noch junge Ansatz des Learning Experience Design ist eine Methode, Lernprozesse aus der Sicht der jeweils lernenden Personen zu betrachten und möglichst nutzerorientiert zu gestalten (Chang & Kuwata 2020).

Damit verbunden ist zwangsläufig auch ein weiterer Paradigmenwechsel zu beobachten. In früheren Zeiten wurden die relevanten Lernthemen hauptsächlich von der Organisation festgelegt und in bestimmten Lernformaten angeboten. Im Gegensatz dazu setzt das Konzept des Lernens am Arbeitsplatz verstärkt auf die Selbstorganisationfähigkeit der Lernenden. Im Rahmen dieses Ansatzes haben die Mitarbeitenden die Möglichkeit, ihre Lernziele selbst zu setzen und individuell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Lernpfade zu gestalten (Chang & Kuwata 2020). Dieser Ansatz fördert nicht nur die Autonomie der Lernenden, sondern ermöglicht auch eine flexiblere Anpassung an die sich ständig ändernden Anforderungen der Arbeitswelt. Die Verlagerung der Verantwortung für erfolgreiche Lernprozesse hin zu den Lernenden selbst betont somit die Notwendigkeit einer proaktiven und eigenmotivierten Herangehensweise an berufsbezogene Weiterbildung. Dadurch verschiebt sich jedoch auch zunehmend die Verantwortung für gelingende Lernprozesse und liegt hauptsächlich bei den Lernenden selbst.

Lernen am Arbeitsplatz, sei es durch unmittelbare Problemlösungen oder als Reflexion über Schlüsselthemen des Arbeitsumfelds, kann in erheblichem Maße zur individuellen Entwicklung beitragen. Dies gilt besonders dann, wenn eine kritisch-reflexive Auseinandersetzung mit der persönlichen Lebens- und Arbeitswelt stattfindet und dabei persönliche Interessen eingebunden werden können (Lester & Costley 2010). Die vielfältigen situativen Lernarrangements dieses Ansatzes sollen dabei nicht nur auf die Anforderungen des festen Arbeitsplatzes beschränkt sein, sondern den Lernenden vielmehr in flexiblen, orts- und zeitunabhängigen Formaten zur Verfügung stehen für ein arbeitsplatzintegriertes Lernen in Echtzeit, das den Mitarbeitenden ermöglicht, während des Arbeitsprozesses möglichst synchron-simultan neue Lösungen für aufkommende Fragen oder Probleme zu entwickeln.

Das herkömmliche formale „Lernen auf Vorrat“ in formalen Veranstaltungen der Personalentwicklung wird demgegenüber zunehmend durch ein bedarfsorientiertes „Echtzeit-Lernen“ am Arbeitsplatz abgelöst. Es wird dabei „als eine synchrone oder zeitnahe handlungsorientierte Kompetenzentwicklung am Arbeitsplatz und in den entsprechenden Arbeitsprozessen beschrieben. Der Fokus liegt dabei auf dem oft impliziten Erfahrungswissen der Beschäftigten aus informellen, praxisorientierten Lernprozessen, die sich lösungsorientiert mit den sich verändernden Anforderungssituationen ihrer beruflichen Tätigkeit auseinandersetzen“ (Erpenbeck, Sauter & Sauter 2016). Mitarbeitende haben hierbei die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten und Kenntnisse kontinuierlich zu entwickeln, ohne dabei ihre Arbeit unterbrechen oder an einen anderen Ort wechseln zu müssen. Arbeit und betriebliches Lernen rücken wieder enger zusammen – sowohl räumlich als auch zeitlich. In Abgrenzung zum weitgehend formal-instruktiven Lernen in der betrieblichen Weiterbildung zeichnet sich das Lernen im Arbeitsprozess oder am Arbeitsplatz dadurch aus, dass neues Wissen und neue Fertigkeiten in der direkten Interaktion mit der arbeitsbezogenen Umwelt angeeignet werden. Auf diese Weise können neue berufsbezogene Kompetenzen erworben werden. Neue Technologien, wie etwa kollaborative Plattformen, digitale Lernwerkzeuge und künstliche Intelligenz spielen dabei eine entscheidende Rolle.

Ein wesentlicher Faktor für die gegenwärtig verstärkte Aufmerksamkeit gegenüber dem Lernort „Arbeitsplatz“ liegt demnach in der zügigen Transfergeschwindigkeit von Lerninhalten angesichts zunehmend komplexer werdender beruflicher Anforderungssituationen. Arbeitsplatzbezogene Lernprozesse bieten die Möglichkeit, diese Komplexität effektiver zu berücksichtigen und zu bewältigen, indem sie realistische Situationen simulieren und die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten anschaulich gestalten, so dass erworbenes Wissen schnell in neuen Handlungskontexten angewendet werden kann. Das Transferprinzip umfasst hierbei zwei wichtige Aspekte: Erstens geht es darum, realistische Lernsituationen zu schaffen, zweitens sollen umfassende Möglichkeiten zur Anwendung des erworbenen Wissens geboten werden. Dies soll verhindern, dass das erlangte Wissen durch zu starke Abstraktion und Vereinfachung von realen Arbeitssituationen nur als „träges Wissen“ vorliegt. Träges Wissen tritt dann auf, wenn theoretisch erworbenes Wissen in praktischen Anwendungssituationen nicht erfolgreich angewendet werden kann.

In der aktuellen Diskussion spielen nicht nur arbeitsplatzbezogene, sondern auch organisatorische Bedingungen eine entscheidende Rolle (Sauter & Scholz 2015). Es wird häufig betont, dass arbeitsbezogenes Lernen stark vom persönlichen Engagement der Mitarbeitenden sowie von den kulturellen Freiräumen und Partizipationsmöglichkeiten am Arbeitsplatz geprägt ist. Der Arbeitsplatz kann demnach nicht pauschal als ein durchweg geeigneter Lernort betrachtet werden, obwohl Beschäftigte dort täglich neue Erfahrungen sammeln und dadurch selbstgesteuert lernen können. Die Wirksamkeit und das Potential als Lernort können naturgemäß variieren, denn nicht jeder Arbeitsplatz erfüllt diese Funktion. Eine Transferfähigkeit wird jedoch besonders dann gefördert, wenn Lernende während ihrer beruflichen Tätigkeit vielfältige Erfahrungen mit unterschiedlichen Arbeitsgegenständen, -verfahren und -bedingungen machen können. Um Problemlösungsfähigkeiten zu entwickeln, bedarf es jedoch auch herausfordernder Arbeitssituationen und Entscheidungsspielräume, wie diese am besten zu bewältigen sind. Die Motivation steigt, wenn die Arbeit abwechslungsreich ist und die Lernenden einen persönlichen Nutzen erkennen (Severing 1996).

Lernen am Arbeitsplatz erfordert folglich häufig eine grundlegende Neuausrichtung der Lernkultur in Organisationen (Sauter & Sauter 2014) und eine Integration in die bestehenden Unternehmensstrukturen und -prozesse. Es geht vorrangig darum, Lernprozesse individualisiert, flexibel und zugänglich zu gestalten, um den unterschiedlichen Bedürfnissen und Lernpräferenzen der Mitarbeitenden gerecht zu werden. Darüber hinaus zeigt sich, dass dieser Ansatz eng mit der Fähigkeit der Organisation verbunden ist, eine Lernumgebung zu schaffen, die von einer offenen Kommunikation und einem regen Wissensaustausch geprägt ist. Hierbei spielt die Förderung einer lernförderlichen Unternehmenskultur eine zentrale Rolle, um die Akzeptanz neuer Lernmethoden zu stärken und den Erfolg nachhaltig zu sichern (ebd.).

Die bisherigen Erkenntnisse weisen darauf hin, dass eine gezielte Integration pädagogisch-didaktischer Aspekte am Arbeitsplatz die Lernprozesse deutlich verbessern kann. Die Schaffung von Möglichkeiten für interaktives Lernen, den Austausch von Wissen unter Kollegen und die gezielte Förderung von problemorientierten Lernansätzen können dazu beitragen, den Arbeitsplatz als effektiven Lernort zu stärken. Diese Überlegungen sind insbesondere relevant, wenn es darum geht, die Anforderungen an moderne Arbeitsplätze im Kontext einer sich ständig wandelnden beruflichen Landschaft zu verstehen und zu optimieren.

Zusammenfassend lässt sich sagen: ein entscheidender Grund für die „willkommene Rückkehr“ des Lernens an den Arbeitsplatz liegt vorrangig in der Erwartung, dass der Transfer des Gelernten in die Praxis zur erfolgreichen Bewältigung der Anforderungen am Arbeitsplatz erheblich verbessert wird. Hierbei fungieren die praktischen Anforderungen gleichzeitig als Ziele und Lernmedien des Lernens. Daher wird vorausgesetzt, dass die Lerninhalte genau in dem Umfang und möglichst in „Echtzeit“ erworben werden können, wie sie am Arbeitsplatz auftreten.

4Workplace-Learning als informelles Lernen aus Erfahrungen

Generell bezeichnet Workplace-Learning jegliche Formen und Formate des Lernens, die am Arbeitsplatz stattfinden oder aus den Themen des Arbeitsplatzes abgeleitet werden (Lester & Costley 2010). Die Besonderheit dieses Lernansatzes liegt insbesondere in der Auseinandersetzung mit zentralen Themen der beruflichen Praxis und dem Arbeitsumfeld. Im Gegensatz zu rein kognitiven Lernprozessen, wie sie beispielsweise an Universitäten stattfinden, wird arbeitsbezogenes oder arbeitsintegriertes Lernen durch eine unmittelbare Interaktion mit der beruflichen Umwelt ausgelöst (Tynjälä 2008) dabei spielen das theoretische (Vor-)Wissen, die spezifischen Vorerfahrungen und motivationalen Absichten der jeweils Lernenden sowie die Gestaltung des Arbeitsplatzes eine zentrale Rolle im Lernprozess (Illieris 2011).

Workplace-Learning ist somit eine Form des Lernens, bei der Erfahrungsbildung, Wissenserwerb oder Verhaltensveränderung entweder arbeitsintegriert während des Arbeitsprozesses oder arbeitsbezogen durch Lernaktivitäten im näheren Umfeld des Arbeitsplatzes stattfinden (Sonntag & Stegemeier 2007). Lernprozesse vollziehen sich hierbei auf vielfältige Weise durch die Bearbeitung anforderungsbezogener Aufgabenstellungen, durch das gemeinsame Bewältigen ungelöster Problemstellungen in Teams oder durch das Beobachten erfolgskritischer Verhaltensweisen erfahrener Kollegen.

Erfahrungsbasiertes Lernen am Arbeitsplatz ist die älteste und am weitesten verbreitete Art der beruflichen Kompetenzentwicklung (Dehnbostel 2016). Hier dient der Arbeitsplatz gleichzeitig als Erfahrungsraum und Lernumgebung: etwa in der betrieblichen Lehre, bei der die Auszubildenden einer Fachkraft zugeordnet sind, werden betriebs- oder berufsspezifische Tätigkeiten oft durch Beobachtung und Nachahmung erworben. Während eines Onboarding-Prozesses werden neue Mitarbeitende häufig durch berufserfahrene Kollegen begleitet und durch die Weitergabe von relevantem Wissen und gemachten Erfahrungen in die neuen Aufgaben eingearbeitet und sozial in das Kollegen-Team integriert. Diese formalen oder informellen Lernprozesse durch Erfahrungsweitergabe im Arbeitsumfeld vollziehen sich oft mehr oder weniger unbemerkt von den beteiligten Akteuren, sind aber bedeutsam, da sie eine praxisnahe und kontinuierliche Entwicklung von Kompetenzen im beruflichen Kontext ermöglichten.

Wie einschlägige empirische Untersuchungen verdeutlichen, hat diese Form des informellen, erfahrungsbasierten Lernens eine dominante Stellung im betrieblichen Lernkontext. Zwischen 60 und 80 Prozent des Handlungswissens von Fachkräften basieren auf informellen Lernprozessen am Arbeitsplatz (ebd.). Es bezeichnet den alltäglichen Prozess der Sammlung und Verarbeitung von Erkenntnissen, die sowohl selbst gemacht als auch von anderen im Arbeitsleben mitgeteilt werden. Durch die aktive Auseinandersetzung mit der Arbeit, neuen Aufgaben und Problemen sowie durch fachliche Gespräche mit Vorgesetzten, Kollegen, Kunden und Lieferanten vollziehen sich kontinuierlich Lernprozesse. Jede bewältigte Situation liefert wertvolle Entscheidungs- und Handlungshilfen für zukünftige Fälle. Das Erfahrungslernen kann sowohl von spezifischen Situationen, individuellen Voraussetzungen als auch von zufälligen Gegebenheiten beeinflusst werden. Lernen geschieht dabei spontan und oft ungeplant, obwohl es zielgerichtet sein kann, ist es in den meisten Fällen nicht absichtlich und eher beiläufig. Das eigentliche Ziel dieses arbeitsbezogenen Erfahrungslernens liegt in der Erweiterung der reflexiven Handlungsfähigkeit von Beschäftigten. Es beinhaltet strukturierte Überlegungen sowohl zur Arbeit und ihrer Umgebung als auch zu sich selbst in Bezug auf die eigene Kompetenzentwicklung (Schaper 2021).

Workplace-Learning erfolgt dabei nicht nur individuell, sondern kann auch in Gruppen und sozialen Netzwerken – analog oder digital stattfinden. Es dient damit sowohl der individuellen oder teambezogenen Entwicklung als auch der Verbesserung betrieblicher Prozesse, fachlicher Fähigkeiten und nicht zuletzt sozial-kommunikativer und personaler Kompetenzen (Kauffeld & Grote 2019).

5Social Workplace-Learning – gemeinsames Lernen als selbstorganisierter, sozialer Prozess

Wenn Lernen am Arbeitsplatz als informellen Prozesse beschrieben werden, die aus der erfahrungsbezogenen Auseinandersetzung mit beruflichen Anforderungen erwachsen, dann steht hier nicht nur das jeweilige Lernen einer einzelnen Person im Fokus, sondern insbesondere auch soziale Lernprozesse von Gruppen und Teams. Denn die rasche Vermittlung von Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie die Entwicklung von neuem Wissen innerhalb gewinnt in Zeiten der agilen Veränderung immer mehr an Bedeutung für die gesamte Organisation. In diesen situativ-erfahrungsbezogenen Ansätzen jedoch müssen für das erfolgreiche von Lernen von Teams oder anderen Gruppen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, um die Kompetenzen von Kollegen einzubinden und zu nutzen. Je nach Unternehmensgröße und Branche kommen dabei verschiedene Methoden des Social Workplace-Learning in Frage: Tandempartner aus verschiedenen Fachgebieten können sich austauschen und so beispielweise die Kommunikation und Ablaufprozesse zwischen Abteilungen verbessern, in Projektgruppen können gemeinsam Problemlösungen erarbeitet werden. Insbesondere unter den veränderten Arbeitsbedingungen in der Agilen Welt entsteht das, was zu lernen ist, oft erst im laufenden Arbeitsprozess, denn Arbeiten und Lernen finden weniger sequenziell, sondern häufiger gemeinsam und weitgehend gleichzeitig statt. Lernende Reflexionsprozesse in Expertenteams sind dabei zentral und von entscheidender Bedeutung (Faller et al. 2020).

Als ein Beispiel für ein soziales und selbstorganisiertes Lernen durch den wechselseitigen Austausch von Wissen und beruflichen Erfahrungen können „Communities of Practice“ (Lave 1991 & Wenger 2000) genannt werden, die zur Jahrtausendwende vor allem unter dem Aspekt des organisationalen Wissensmanagements diskutiert wurden. Es sind „über einen längeren Zeitraum bestehende Personengruppen, die Interesse an einem gemeinsamen Thema haben und Wissen gemeinsam aufbauen und austauschen wollen. Die Teilnahme ist freiwillig und persönlich. Wissensgemeinschaften sind um spezifische Inhalte gruppiert.” (North, Romhard & Probst 2000). Ein aktuelleres Beispiel für ein vergleichbares Format gemeinsamen und selbstorganisierten Lernens am Arbeitsplatz, das den Aspekt der Agilität stärker hervorhebt, liegt im sogenannten „Sprintlernen“ mit der Scrum-Methode. Es handelt sich hierbei um eine am agilen Projektmanagement orientierte Lernform, die in ihrem didaktischen Rahmenmodell sehr stark auf Selbststeuerung, Individualisierung, Arbeitsprozessorientierung sowie auf reflexives und entdeckendes Lernen setzt (Jungclaus & Schaper 2021). In diesem agilen „peer-to-peer-learning-Format“ geben sich Lernende gegenseitig Feedback, übernehmen wechselseitig die Rolle von Experten und bewerten damit auch die Arbeit ihrer Kollegen. Auf diese Weise lernen alle Beteiligten voneinander und bereichern sich durch unterschiedliche Perspektiven. Dies beschreibt eine gleichberechtigte Lernsituation, in der Kollegen Wissen, Ideen und Erfahrungen miteinander teilen und voneinander lernen.

Aktuell werden diese selbstorganisierten Lerngruppen auch als Online-Communities beschrieben, die im Rahmen des Corporate-Learning gemeinsam von- und miteinander lernen, um Probleme zu lösen und mithilfe von „Schwarmintelligenz“ gemeinsam neue Herausforderungen bewältigen, die auch über Organisationsgrenzen hinausgehen können (Hof et al. 2023). In einer globalisierten Welt wird die Fähigkeit zur Teamarbeit zwischen Menschen verschiedener Altersgruppen, mit unterschiedlichen Fähigkeiten, Arbeits- und Denkmustern sowie aus verschiedenen Disziplinen zur Norm. In solch diversen Gruppen ist es entscheidend, Verbindungen herzustellen, Unterschiede zu überbrücken und effektiv zusammenzuarbeiten, um erfolgreich zu sein. Bei der digitalen Transformation eines Unternehmens erweisen sich die Formate des Peer-to-Peer-Learning als eine besonders wichtige Methode, da es nicht mehr nur darum geht, einmal erworbenes Wissen zu bewahren und zu festigen. Vielmehr ist es für Mitarbeitende und Organisationen entscheidend, flexibel zu bleiben und kontinuierlich dazuzulernen.

6Workplace-Learning in einer digitalisierten Arbeitswelt

Das anhaltende Comeback des informellen Arbeitsplatzlernens gewinnt durch die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt und dem damit einhergehenden charakteristischen Wandel in Lern- und Arbeitsprozessen eine zusätzliche Dynamik. Es entstehen neue Lernformen, indem digitale Formate mit den herkömmlichen Lernansätzen kombiniert werden: „Die erweiterte Realität ist die Normalität der zukünftigen digitalen Arbeitswelt. Der reale Arbeitsplatz wird digital mit mobilen Endgeräten um virtuelle Arbeitsorte erweitert. Das erweiterte Lernen im Prozess der Arbeit verbindet die physische mit der virtuellen Arbeitswelt“ (Dehnbostel 2020).

Vor diesem Hintergrund erfährt das Lernen eine fortschreitende Befreiung von zeitlichen und räumlichen Einschränkungen, wodurch es sich der Beschränkung auf bestimmte Lebensphasen oder formale, institutionalisierte Qualifizierungen entzieht. Die Digitalisierung ermöglicht eine weitgehend zeit- und ortsunabhängige Entgrenzung von Lernprozessen, da der Zugang zu Informationen und Lernressourcen erleichtert wird (Schaper et al. 2023). Dies führt zwangsläufig zu einer kontinuierlichen Integration von Lernaktivitäten in den Arbeitsalltag, weil sich die Beschäftigten stetig auf neue Arbeitsanforderungen einstellen und in diesem Zusammenhang vermehrt auch digitale Kompetenzen entwickeln müssen, wie es beispielsweise bei der Einführung einer digitalen Patientenakte in Kliniken oder bei digitalisierten Recruiting- und Bewerbungsprozessen offenkundig wird.

Die Digitalisierung der Arbeitswelt erfordert somit einerseits und ermöglicht zugleich andererseits flexiblere und anpassungsfähigere Formen des Lernens, die sowohl den individuellen Bedürfnissen als auch den beruflichen Anforderungen besser gerecht werden können. Diese Entwicklung zeigt darüber hinaus generell einen Wandel in der Art und Weise, wie Wissen und Fähigkeiten am Arbeitsplatz erworben werden, weg von isolierten Lernorten hin zu verstärktem selbstorganisiertem Lernen im Netz.

7Digitales Workplace-Learning mit audiovisuellen Formaten

In einer zunehmend digitalisierten Welt bieten digitale Medien eine Vielzahl von Möglichkeiten, auf Lernressourcen zuzugreifen und Lernangebote zu nutzen. Insbesondere audiovisuelle Medien wie Videos oder Podcasts sind heutzutage unverzichtbare Elemente im Bildungssystem. Plattformen wie YouTube, Facebook und Instagram haben Videos fest in die digitale Kommunikation integriert. Neben YouTube sind sie auch auf anderen Videoportalen wie Mediatheken, Bildungsservern und in Online-Kursen zu finden. Unternehmen setzen vermehrt sogenannte Video-Tutorials im Bereich der “Customer Education” ein, sei es für einfache Aufgaben wie den Akkuwechsel beim Smartphone oder für umfangreichere Gebrauchsanweisungen oder um herkömmliche Handbücher zu ersetzen. Für praktisch jedes Thema existieren nicht nur ein oder einige wenige Videos, sondern oft eine breite Palette unterschiedlich gestalteter Produktionen. Diese Vielfalt birgt ein enormes Potenzial: Falls der Erklärstil, die präsentierende Person, die Beispiele oder das erforderliche Vorwissen in einem Video nicht optimal passen, haben Lernende die Möglichkeit, auf alternative digitale Erklärangebote zurückzugreifen. Das scheinbar unkontrollierte Überangebot ermöglicht somit „personalisiertes Bildungsfernsehen“, wobei der Faktencheck den Nutzerinnen und Nutzern bzw. der Community überlassen bleibt (Dorgerloh & Wolf 2020).

8Lernvideos,Erklärvideos,Video-Tutorials, Lehrfilme,Micro-Lectures – eine begriffliche Einordnung

Die Bezeichnungen für Lernvideos sind äußerst vielfältig und divers. Aufgrund ihrer Verwendung in der Alltagswelt werden sie naturgemäß nicht immer mit dem Fokus auf ihre pädagogische Wirkung beschrieben. Diese Begriffsvielfalt umfasst Erklärvideos, auch bekannt als Video-Tutorials, Explainer Videos, How-to-Videos, Lehr- und Lernvideos, Lehrfilme oder Micro-Lectures. Ebner und Schön (2017) definieren Lern- bzw. Lehrvideos als “asynchrone audiovisuelle Formate, die das Ziel verfolgen, einen Lehr- und Lerninhalt zu transportieren, der in didaktisch geeigneter Weise aufbereitet oder in einem didaktisch aufbereiteten Kontext eingebettet ist.” Darüber hinaus werden Erklärvideos und Video-Tutorials verwendet, um Wissen und Fertigkeiten anschaulich und zielgruppenspezifisch zu vermitteln. Erklärvideos sind im Allgemeinen selbstproduzierte Filme, die komplexe Konzepte und Zusammenhänge in kurzer Zeit einfach und prägnant erklären. Sie dienen dazu, zu verstehen, wie etwas funktioniert oder wie man bestimmte Aufgaben bewältigt (Wolf 2015).

In einem Video-Tutorial werden oft Sachverhalte, Begriffe oder der Umgang mit einem Gegenstand kurz erklärt. Derzeit gibt es noch keinen wissenschaftlich etablierten Begriff davon, was genau ein Video-Tutorial ist, dennoch erfreuen sie sich immer größerer Beliebtheit. Sie sind nicht nur Bestandteil informellen Alltags-Lernens, sondern werden zunehmend auch in Bildungseinrichtungen eingesetzt. Es gibt viele historische Entwicklungen, die zu der Verbreitung von Tutorials als Lern- und Lehrmedium führten. Kinderlehrfilmformate wie „Die Sendung mit der Maus“, die mit Hilfe von kurzen „Einspielern“ Sachverhalte erklärten, können als ein Vorläufer von Tutorials genannt werden (Wolf & Kratzer 2015). Bei Video-Tutorials geht es vor allem um die Vermittlung prozeduraler Handlungskompetenzen wie beispielsweise eine videobasierte Anleitung zur Bedienung einer neuen Software im Unternehmen, die von einer Kollegin hergestellt und an das Team ihrer Abteilung weitergegeben wird, weil sie über einen Wissens- und Erfahrungsvorsprung im Umgang mit dieser Software verfügt und ihr Wissen weitergeben möchte.

Ein Lehrfilm dagegen ist länger, erstreckt sich über eine Dauer von sechs bis fünfzehn Minuten und ist ein dokumentarisches Video, das ein komplexes Thema anschaulich darstellt und erklärt. Der Film präsentiert realistische Bilder der Wirklichkeit, die mit einem erklärenden, gesprochenen Kommentar unterlegt sind. Beispiele für die Inhalte eines Lehrfilms können Praxiseinblicke, Prozesse, Handlungsabläufe sowie Interviews mit Expertinnen und Experten sein. Die Produktion von Lehrfilmen erfolgt in der Regel mithilfe professionellen Videoequipments und orientiert sich an den Qualitätsstandards von Fernsehproduktionen (Bischof & Mehner 2015).

Eine Micro-Lecture ist ein drei- bis acht-minütiges Lernvideo, das z. B. eine Folienpräsentation abspielt, die mit einem erläuternden Kommentar unterlegt ist. Zusätzlich eingefügte Symbole, Grafiken und Animationen lenken die Aufmerksamkeit auf bestimmte Folieninhalte. Das Bild der Dozentin oder des Dozenten kann zusätzlich zum Ton eingeblendet werden. Dieses Format eignet sich zur einfachen Vermittlung von Faktenwissen und Handlungswissen und stammt ursprünglich aus dem Hochschulkontext, findet aber zunehmend unter dem Begriff des „Mikro-Lernens“ in der betrieblichen Weiterbildung Anwendung (Baumgartner 2014). Der Ansatz des Mikro-Lernens in der Personalentwicklung zielt darauf ab, ein Lernziel zu erreichen, indem ein komplexes Thema in kleine Module unterteilt wird und die Lernenden die Auswahl der Reihenfolge der Module selbst wählen können, so dass sie sich dem Lerninhalt Schritt für Schritt oder in kleinen „Happen“ nähern können.

9Digitales Lernen am Arbeitsplatz als Blended-Learning-Ansatz

Sowohl für das informelle Lernen als auch in formalen Kontexten der betrieblichen Weiterbildung gewinnen derzeit videobasierte Formate stetig an Bedeutung. Das Ziel liegt dabei nicht vorrangig in der erschöpfenden Darstellung eines Sachverhaltes, sondern vielmehr darin, in kurzer Dauer komplexe Sachverhalte möglichst einfach darzustellen (Zander, Behrens & Mehlhorn, 2020). Forschungsergebnisse belegen die positiven Auswirkungen des Lernens mit Videos sowohl auf kognitive Aspekte wie den Wissenszuwachs als auch auf nicht-kognitive Faktoren wie Motivation und Aufmerksamkeit. Dass die Nutzung von Videos eine förderliche Wirkung auf die Lernleistung hat, ist empirisch belegt. Zum Beispiel wurde in einschlägigen Untersuchungen festgestellt, dass Personen, die Lernvideos verwenden, über ein höheres prozedurales Wissen verfügen im Vergleich zu denen, die sich die Inhalte mithilfe von papierbasierten Unterlagen aneignen (Lloyd & Robertson 2012).