36,99 €
Diplomarbeit aus dem Jahr 2000 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 2,0, Evangelische Fachhochschule Reutlingen-Ludwigsburg; Standort Reutlingen, Sprache: Deutsch, Abstract: Sterben, Tod und Trauer sind in unserer Gesellschaft noch immer sensible Themen und werden meist privatisiert und tabuisiert, auch wenn jeder mehr oder weniger damit konfrontiert wird. Trauer wird versteckt, damit andere nicht irritiert und in ihrem Wohlbefinden gestört werden. An den Tod als unsere letzte, unüberwindliche Grenze wollen wir nicht gerne erinnert werden. In unserem persönlichen Leben wie auch in der sozialpädagogischen Arbeit begegnen wir der Trauer immer wieder. Trauer erleben wir da, wo wir uns trennen müssen, beim Tod eines geliebten Menschen, bei Trennungen und Scheidungen. Der Tod eines geliebten Menschen stellt eine besondere Anforderung an den Hinterbliebenen dar, da er im Gegensatz zu Trennungen und Scheidungen auf jeden Fall von Endgültigkeit geprägt ist und keine Klärung von noch bestehenden Problemen o.ä. mehr möglich er-scheint. Für den Hinterbliebenen kann die ganze Lebensplanung oder –erwartung auf den Kopf gestellt werden. Nicht jeder findet in seinem Schmerz und seiner zeitweisen Orientierungslosigkeit Hilfe bei Verwandten oder Freunden. Es stellt sich die Frage, ob wir die Trauer wirklich leben. Ob die Trauer Raum und Platz in unserem Leben einnehmen darf. Oder ob wir sie verdrängen und sich dann daraus Schwierigkeiten in der Lebensgestaltung einstellen, evtl. sogar in Form von Krankheiten oder Depressionen. In dieser Arbeit wird der Frage nachgegangen, ob psychodramatische Ansätze eine für die Sozialpädagogik sinnvolle methodische Interventionsmöglichkeit in der Arbeit mit Menschen im Trauerprozess sind.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2008
Page 1
Page 2
Wie
Page 9
Zu ersten Überlegungen über Trauerarbeit und Krisenbegleitung hinsichtlich des Themas wurde ich angestoßen durch das Buch „Der schöpferische Sprung“ von Verena Kast. Beeindruckt haben mich ihre Gedanken, dass jede Krise auch Chancen in sich bergen kann, die es zu erkennen, zu entfalten und zu nutzen gilt.
Sterben, Tod und Trauer sind in unserer Gesellschaft noch immer sensible Themen und werden meist privatisiert und tabuisiert, auch wenn jeder mehr oder weniger damit konfrontiert wird. Trauer wird versteckt, damit andere nicht irritiert und in ihrem Wohlbefinden gestört werden. An den Tod als unsere letzte, unüberwindliche Grenze wollen wir nicht gerne erinnert werden.
In unserem persönlichen Leben wie auch in der sozialpädagogischen Arbeit begegnen wir der Trauer immer wieder. Trauer erleben wir da, wo wir uns trennen müssen, beim Tod eines geliebten Menschen, bei Trennungen und Scheidungen. Der Tod eines geliebten Menschen stellt eine besondere Anforderung an den Hinterbliebenen dar, da er im Gegensatz zu Trennungen und Scheidungen auf jeden Fall von Endgültigkeit geprägt ist und keine Klärung von noch bestehenden Problemen o.ä. mehr möglich erscheint. Für den Hinterbliebenen kann die ganze Lebensplanung oder -erwartung auf den Kopf gestellt werden. Nicht jeder findet in seinem Schmerz und seiner zeitweisen Orientierungslosigkeit Hilfe bei Verwandten oder Freunden. Es stellt sich die Frage, ob wir die Trauer wirklich leben. Ob die Trauer Raum und Platz in unserem Leben einnehmen darf. Oder ob wir sie verdrängen und sich dann daraus Schwierigkeiten in der Lebensgestaltung einstellen, evtl. sogar in Form von Krankheiten oder Depressionen. Die mittlerweile recht zahlreiche Literatur zu diesem Thema kann Betroffenen nur bedingt Hilfestellung sein, denn sicher sind gerade in der Trauerzeit Menschen wichtig, die dem Trauernden zur Seite stehen. Es ist wichtig für den Betroffenen, die Vereinsamung aufzubrechen und Gefühle „öffentlich“ machen zu dürfen. Trauernde brauchen die Anteilnahme ihrer Mitmenschen, Schutz und Geborgenheit in der Gemeinschaft. Angebote
Page 10
für die Begleitung von Menschen im Trauerprozess gibt es jedoch nur wenige, es finden sich eher Angebote im Kreativbereich und solche, die zwar auf Glaubens- und Lebensfragen Antwort geben, weniger jedoch speziell zum Thema Trauer.
Während einer persönlichen Beratung sowie während eines im Studium der Sozialpädagogik belegten Seminars zum Ansatz des Psychodramas kam ich zu der Überlegung, ob nicht die dort vorgestellten Ansätze und Methoden auch geeignet wären für eine sozialpädagogische Arbeit mit Menschen im Trauerprozess. Der Titel des Moreno-Instituts Stuttgart, welches ausgerichtet ist für PsychotherapieundSozialpädagogik sowie die Information, dass Psychodrama auch eine Methode der Pädagogik ist, veranlassten mich, mir konkretere Gedanken über die Möglichkeit der Ausarbeitung einer Diplomarbeit zu diesem Thema anzustellen.
So möchte ich in dieser Arbeit der Frage nachgehen, ob psychodramatische Ansätze eine für die Sozialpädagogik sinnvolle methodische
Interventionsmöglichkeit in der Arbeit mit Menschen im Trauerprozess sind. Da es sehr unterschiedliche Traueranlässe gibt, möchte ich mich hier beschränken auf Trauerprozesse, die aufgrund des Todes eines geliebten Menschen bzw. nahen Angehörigen entstehen. Ferner werde ich hier Erwachsene im Blickfeld haben, da bei Kindern und Jugendliche nochmals weitere Gesichtpunkte, wie z.B. entwicklungspsychologische, zu bedenken wären.
In einem ersten Teil geht es um eine Begriffsklärung, was unter Trauer und Trauerarbeit zu verstehen ist, welche Bereiche des Erlebens und Verhaltens von Menschen davon betroffen sind. In einem nächsten Schritt stelle ich die zentralen Inhalte des psychodramatischen Ansatzes näher dar, um in dem vorletzten Teil die Frage zu klären, was Sozialpädagogik ist und leistet. Im Schlussteil führe ich die Ausarbeitungen zusammen unter dem Aspekt der erkenntnisleitenden Fragestellung, exemplarisch angewendet auf die Ausarbeitung eines Seminars für Menschen im Trauerprozess.
Page 11
Der Übersichtlichkeit und der besseren Lesbarkeit wegen werde ich in der allgemeinen männlichen Geschlechtsform schreiben, wobei selbstverständlich damit gleichzeitig auch die weibliche Form gemeint ist.
Mit dem im Anhang C abgedruckten Interview erhebe ich keinen empirischen Anspruch; es soll jedoch zur Untermauerung verschiedener Ausarbeitungen in dieser Arbeit dienen. Von einer Fallanalyse habe ich aus pragmatischen Gründen abgesehen, da mir gerade die Untersuchung eines Trauerseminars nur über längere Zeit sinnvoll erscheint und auch eine Anwesenheit vor Ort erfordert, was in diesem Bereich aufgrund der großen Entfernung und des zeitlichen Rahmens eines Seminars von mindestens sechs Monaten so nicht möglich gewesen wäre.
Page 12
In diesem Kapitel wird zunächst das Thema der Trauer undTrauerarbeitdargestellt. Wie in der Einleitung dargelegt, wird in dieser Arbeit speziell die Trauer durch die Todeserfahrung eines geliebten Menschen bzw. nahen Angehörigen dargestellt und diese untersucht. Sicher werden auch untersuchte Ansätze und Beispiele auf andere Trauersituationen und Trauererfahrungen zu übertragen sein wie z.B. durch Trennungsverlust, worauf aber aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden kann. Aus dem selben Grund kann nur am Rande auf gesellschaftliche Aspekte im Zusammenhang mit Trauer oder auf Aspekte der Bedeutung von Ritualen eingegangen werden, wobei ich deren Wichtigkeit betonen möchte. Zunächst einige Begriffserklärungen:
4.1.1. Trauer
Trauer ist „die von oft heftigen psychischen wie psychosomatischen Symptomen (Nervosität, Depressionen, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen u.a.) begleitete Reaktion auf den Verlust einer geliebten Person. Auf den Schock [...] und die Phasen der Kontrolle über sich selbst [...] und der Regression [...] folgt in der Regel die erneute Zuwendung zur Umwelt und die realitätsgerechte Bewältigung der Krise. [...]“1
4.1.2. Krise
„Als Krise wird ein (nicht durch Krankheit erklärbarer) meistens unter hohem emotionellem Druck einhergehender Verlust des seelischen Gleichgewichts bezeichnet, den der Betroffene mit seinen erlernten Bewältigungsmöglichkeiten selbst nicht beheben kann. Es wird zwischen situationsbedingten (z.B. [...] Tod eines Angehörigen) und reifungsbedingten Krisen (z.B. Pubertät [...]) unterschieden. Für das Entstehen einer Krise sind Art, Schweregrad, die objektive und subjektive Bedeutung des auslösenden Ereignisses sowie der Grad der Krisenanfälligkeit des Betroffenen
Page 13
ausschlaggebend. [...]“2Den Kern einer Krise formuliert Ulich in einer umgangssprachlichen Weise: „Eine Krisehatman nicht, wie etwa eine Krankheit, sondern ‚man steckt drin’, man ist ausgeliefert, passiv, fühlt sich wie gelähmt.“3
4.1.3. Trauerarbeit
„Mit Trauerarbeit werden alle gezielten sozialarbeiterischen/beraterischen und therapeutischen Handlungsschritte bezeichnet, die sich auf Kinder, Jugendliche oder Erwachsene beziehen, die durch den Verlust einer nahen Bezugsperson [...] in eine seelische Krise geraten sind. [...] Die Gefühlsdynamik ist bei Kindern und Erwachsenen nahezu gleich“ [...] und wird in der Empirie in verschiedenen Phasen differenziert, die später dargestellt werden.4Trauerarbeit wird auch als der „innerpsychische Vorgang der allmählichen Ablösung von der verlorenen Person“ bezeichnet.5
Um sich der Auswirkungen des Todes eines geliebten Menschen bewusst zu werden, ist es notwendig näher zu betrachten, was Bindung bedeutet. Bindungen entstehen aus einem Schutz- und Sicherheitsbedürfnis und entwickeln sich früh im Leben, sind in der Regel auf nur einige spezifische Individuen gerichtet und bilden einen Großteil des Lebens. Bindungsverhalten hat bei Mensch und Tier Überlebenscharakter. Es unterscheidet sich allerdings vom Fress- und Sexualverhalten.6
Beim Bindungsverhalten wird die Bindungsfigur in der fortschreitenden Entwicklung in immer größeren Zeitspannen verlassen, um die Umwelt zu erkunden. Hilfe- und schutzsuchend wird jedoch stets Nähe zur Bindungsfigur gesucht. Ist die Bindungsfigur bedroht, folgen Reaktionen in Form von intensiver Angst und starkem Protest. Eltern bieten dem Kind eine sichere Ausgangsbasis für Erkundungen, was später die Fähigkeit des Kindes bestimmt
1Schülerduden:Die Psychologie.S. 379.
2Bechtler, Hildegard,in:Fachlexikon der Sozialen Arbeit,S. 595.
3Ulich, Dieter:Psychologie der Krisenbewältigung,S. 14.
4Faltermeier, Josef,in:Fachlexikon der Sozialen Arbeit,S. 962.
5Schülerduden:Die Psychologie.S. 379.
6Vgl.Worden, J. William:Beratung und Therapie in Trauerfällen,S. 14/15.
Page 14
und/oder beeinflusst, affektive Bindungen herzustellen. Dies entspricht der Theorie Eriksons vom Urvertrauen. Wenn Bindungen gefährdet werden, kommt es zu sehr spezifischen Reaktionen, die umso stärker sind, je größer der Verlust ist. Es kommt zu den stärksten Formen des Bindungsverhaltens: Anklammern, Weinen, zorniger Zwang. Bei Erfolg hören die Reaktionen auf, bleibt die Gefahr bestehen, folgen Sich-zurückziehen, Apathie und Verzweiflung.7
Bowlby unternahm zahlreiche Untersuchungen zum Verlustverhalten bei Tieren, die auch auf den Menschen übertragbar sind. Er meint, dass Verlust nicht irreparabel sei. Daraus haben sich im Laufe der Evolution ein Rüstzeug und Verhaltensreaktionen entwickelt, die einen Teil vom Verlustkummerprozess bilden. Sie zielen auf Wiederherstellung zu dem verlorenen Objekt ab. Trauerreaktionen von Tieren zeigen, welche biologischen Prozesse im Menschen ablaufen. Der Verlustkummer des Menschen weist aber bestimmte Merkmale auf, die nur bei ihm zu finden sind und im Abschnitt der Trauerprozesse beschrieben werden. In jeder Gesellschaft gibt es bei Verlusterlebnissen ein nahezu allgemeines Bemühen um Wiedererlangung des verlorenen geliebten Objekts, und/oder es wird an ein Leben nach dem Tode geglaubt, das ein Wiedersehen mit dem geliebten Menschen möglich macht.8So ist es im Hinblick auf die stark emotionalen Dimensionen bei Verlusterfahrungen interessant zu untersuchen, was ein Mensch erfährt und was in ihm vorgeht beim Tod eines geliebten Menschen. Dies werde ich im nachfolgenden darstellen.
Insbesondere beim Tod einesgeliebtenMenschen machen wir eine sehr eindrückliche Erfahrung,wasTod bedeutet. Dieses Todeserlebnis trifft uns und widerfährt uns, erschüttert unser Welt- und Selbstverständnis und zwingt uns zur Wandlung.9
7A.a.O., S. 15.
8A.a.O., S. 16/17.
9Vgl.Kast, Verena:Trauern. Phasen und Chancen des psychischen Prozesses,S. 13.
Page 15
Wenn ein geliebter Mensch stirbt, dann nehmen wir in seinem Sterben nicht nur antizipatorisch unser eigenes Sterben vorweg; in gewisser Weise sterben wir auch mit ihm. Selten wird es uns so eindrücklich und radikal bewusst wie beim Tod eines geliebten Menschen, in welchem Maße wir uns aus unseren Beziehungen zu anderen her definieren und erfahren.10Durch den Tod eines geliebten Menschen können wir in unserem Weltverständnis erschüttert werden; durch den Tod wird deutlich, wie sehr die Beziehung zwischen zwei Menschen eine gemeinsame Welt schafft und diese gemeinsame Welt ein Stück weit zerbrochen wird.11Nach Kast wird ein Aspekt der später dargestellten Trauerarbeit sein, dass ein neues Verhältnis zur Welt geschaffen werden soll! Nach einem solchen großen und schweren Verlusterlebnis ist jedoch diese Erkenntnis noch verborgen, es geht vielmehr zunächst um eine Ruhelosigkeit, in der zielgerichtet der eben verlorene Partner wiedergefunden werden möchte. Daher gehört zur Trauerarbeit auch, die Funktion der Ruhelosigkeit zu begreifen, besonders auch als Widerstand gegen die notwendige Veränderung im Leben.12
Im Trauererleben steht dem Lebensüberdruss die Todesangst gegenüber und ganz wesentlich auch Hass. Dieser Hass kann bezogen sein auf den Tod als solchen, aber auch auf eine göttliche Instanz oder auf den geliebten Menschen, der einen verlassen hat. Suizidale Ideen sind dabei häufig, viele Menschen suchen in ihrer Trauer und Verzweiflung Zuflucht in Drogen, um den unerträglich erscheinenden Schmerz nicht spüren zu müssen.13
Wie weiter oben erwähnt, stirbt auch ein Teil von uns beim Verlust eines geliebten Menschen, da geliebte Menschen zu einer „Hälfte unserer Seele“ werden können. So wird der Tod zu einer Grenzsituation des Lebens, die uns verändern kann, an der wir aber auch zerbrechen können. Damit es nicht zum Zerbrechen kommt, zu einem Verharren in der Trauer, hängt es ganz wesentlich davon ab, ob wirrichtigzu trauern verstehen. Darunter kann man die
10A.a.O.
11A.a.O., S. 14.
12A.a.O., S. 14/15.
13A.a.O., S. 15.
Page 16
Möglichkeit verstehen, neue Perspektiven in unser Welt- und Selbsterleben zu bringen, Todesbewusstsein auch als einen Aspekt unseres Selbstbewusstseins zu sehen. Trauern ist ein wichtiger Prozess und sollte auf keinen Fall als Schwäche gesehen werden. Keinem Menschen bleiben Verluste erspart, so unterschiedlich Verlusterfahrungen auch sind. Sehr schlagartig kann sich das Leben durch den Tod eines geliebten Menschen verändern. Dadurch können sehr viele Probleme entstehen, die dann auch noch mit einer psychischen Verfassung bewältigt werden müssen, die Problemlösungen erschweren. Es können sich neue Rollenidentitäten ergeben (Ehefrau wird zur Witwe), finanzielle Probleme können auftreten, mit der Erziehung von Kindern ist der Trauernde plötzlich auf sich allein gestellt, Einsamkeit kann sich einstellen u.v.m. Ebenso kann es sein, dass die Umwelt anders auf den Trauernden reagiert als zuvor. Denn Trauer und Tod werden in unserer Gesellschaft nach wie vor verdrängt, und so kann der wichtige Trauerprozess in seiner vollständigen Form auch nicht ungehindert vollzogen werden. Insbesondere da, wo die Gesellschaft um so schneller fordert, man solle doch nun endlich wieder einmal mit der Trauer aufhören.14
Nicht nur die Welt tritt dem Trauernden anders gegenüber, sondern auch der Trauernde selbst erlebt die Welt anders. Er ist auf sich selbst fixiert, mit seinem Problem, alles andere interessiert ihn nur wenig. Er benötigt in dieser Situation Menschen, die auf ihn zugehen, weil er dazu selbst meist nicht mehr in der Lage ist. Aber gerade an dieser Unterstützung mangelt es in unserer Gesellschaft, da uns die rituelle Trauer fehlt. Vielmehr erwartet sein Umfeld von ihm, dass er „normal“ weiterlebt. So entwickelt sich ein Zirkel von Isolierung, Angst, Weltentfremdung, in dem sich ein neues Weltverständnis nur schwer aufbauen lässt.15
Der Trauernde versteht allerdings nicht nur die Welt nicht mehr, sondern auch das ihm zuteil gewordene Schicksal. Alle ihm angebotenen Antworten klingen wie Hohn. Das Lebensgefühl des Trauernden ändert sich durch den Tod
14A.a.O., S. 16 - 18.
15A.a.O., S. 18.
Page 17
eines geliebten Menschen immens, das Selbsterleben wird stark beeinflusst, denn es ist verwurzelt in unseren Beziehungen. Diese Erschütterung unseres Selbsterlebens ist schwer zu ertragen.16
4.3.1. Verändertes Blickfeld zur Trauer und dem Umgang mit TrauerJedoch scheint gerade das Trauern, das Zulassen von Emotionen, das SichÜberwältigen-Lassen von Gefühlen der Sinnlosigkeit, Angst und Wut wieder ein neues Selbsterleben möglich zu machen.17Hierzu müssen sich allerdings Menschen einander helfen. Der Trauernde fühlt sich von der Welt ausgestoßen, mit dem Toten ausgestoßen. Es ist wichtig, mittrauern zu lernen und Trauern als einen wesentlichen Bestandteil unseres Lebens zu betrachten. Es geht darum, Angst vor der Trauer zu überwinden, zu erkennen, dass wir immens zerbrechlich sind. Wir können aber Trauer und Grenzsituationen durchstehen und an ihnen reifen und erstarken. Es geht darum, ein Miteinander im Trauern zu finden. Dieses sollte auch mit Ritualen verbunden sein, so z.B. die Anwesenheit eines Menschen bei dem Trauernden direkt nach dem Verlustereignis, das Zuhören und Sprechen über die Gefühle und Unverständnisse, oder aber auch einfach nur das Schweigen.18
Trauer und Trauerarbeit ist ein Prozess, der in verschiedenen Phasen verläuft. Wie in der Definition von Trauerarbeit dargestellt, werden mit Trauerarbeit sozialarbeiterische/beraterische und therapeutische