Spielen Plus (E-Book) - Catherine Lieger - E-Book

Spielen Plus (E-Book) E-Book

Catherine Lieger

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Beschreibung

Dieses E-Book enthält komplexe Grafiken und Tabellen, welche nur auf E-Readern gut lesbar sind, auf denen sich Bilder vergrössern lassen. Welche Bedeutung hat Spielen für das Lernen? Wie können Spielsituationen begleitet werden? Und wie werden Spiel- und Lernprozesse am besten dokumentiert? "Spielen Plus" ist ein Lehr-, Arbeits- und Praxisbuch zum Spielen und Lernen von vier- bis achtjährigen Kindern. Es liefert angehenden und erfahrenen Elementarpädagog*innen das nötige Wissen und Strategien, um Spielen lernförderlich in Unterricht und Betreuung einzusetzen. Das Handbuch verknüpft Theorie mit Anwendung, Übung und Reflexion und ist vielseitig einsetzbar: in der Aus- und Weiterbildung oder für die individuelle Schwerpunktsetzung.

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Catherine Lieger, Wiltrud Weidinger (Hrsg.)

Spielen Plus

Ein Handbuch für Kindergarten, Schule und Betreuung

ISBN Print: 978-3-0355-1883-2

ISBN E-Book: 978-3-0355-1884-9

1. Auflage 2021

Alle Rechte vorbehalten

© 2021 hep Verlag AG, Bern

hep-verlag.com

Zusatzmaterialen und -angebote zu diesem Buch:

spielenplus.ch

INHALT

Vorwort

1Spielen und Lernen — Rahmen, Ziele und Aufbau des Buches

Catherine Lieger & Wiltrud Weidinger

2Spielen und seine Bedeutung für die Entwicklung

Catherine Lieger

3Spielen und Planung und Durchführung von Unterricht

Catherine Lieger

4Spielen und wie man es begleitet

Catherine Lieger

5Spielen und wie man es erfasst und dokumentiert

Natalie Geiger

6Spielen in einer förderlichen Umgebung

Katharina Ganz & Wiltrud Weidinger

7Spielen in verschiedenen kulturellen Kontexten

Wiltrud Weidinger

8Spielen in einer veränderten Gesellschaft

Wiltrud Weidinger, Andrea Kern & Stefanie Schild

9Spielen als Element gemeinsamer Schulentwicklung

Catherine Lieger & Katharina Ganz

10Zum Abschluss: Neun wichtige Grundthesen

Catherine Lieger & Wiltrud Weidinger

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Mitwirkende

VORWORT

«DAS SPIEL IST SCHLÜSSEL ZUR AUSSENWELT UND WECKER DER INNENWELT.»

Friedrich Fröbel (1782–1852), deutscher Reformpädagoge, Begründer des Kindergartens

Die Förderung von Spielen im Unterricht und in der Betreuung ist uns ein großes Anliegen. Wir sind der Meinung, dass sich hier vielfältige Möglichkeiten bieten, sinnvolle Spielsituationen zu schaffen und Kinder in der Aneignung ihrer Welt, ihrer Kompetenzen und ihres Wissens zu unterstützen.

Als ehemalige Lehrerinnen für Kindergarten und Primarstufe kennen wir aber auch den Unterrichtsalltag und wissen, vor welchen Herausforderungen Elementarpädagog*innen stehen. Dies wird vor allem dann zur noch größeren Herausforderung, wenn die Schüler*innengruppe im Hinblick auf Vorerfahrungen und Vorwissen sehr heterogen zusammengesetzt ist.

Wir wissen, wie groß der Spagat ist zwischen dem, was man als Lehrperson gemäß Lehrplan zu erfüllen hat, und den Zeiten, in denen man die Kinder in freien Spielsituationen begleitet und sie zum Weiterdenken, zum Experimentieren und zum Entdecken anregen kann. Wir kennen den unsichtbaren Druck, dem man ausgesetzt sein kann.

Wir haben selbst erfahren, welchen Mut es braucht, Spielsituationen bewusst zu initiieren und – vor allem auf der Primarstufe – zuzulassen und dies trotz allfälliger Kritik von Kolleg*innen und Schulleitung auch zu realisieren. Wir kennen die Dynamiken zwischen Unterricht und Betreuung und wissen um das nicht ausgesprochene Paradigma vom Lernen in der Schule und vom Spielen in der Betreuung in beiden Institutionen.

Als Dozentinnen an der Pädagogischen Hochschule wissen wir, wie wichtig es ist, angehende Elementarpädagog*innen auf diesen schönen Beruf vorzubereiten und sie genau für diese Herausforderungen zu ermutigen. Dabei geht es uns um die grundsätzliche Einstellung zum Kind als Individuum und seinem individuellen Entwicklungs- und Lernpotenzial. Hier steht die eigene professionelle Identität als Lehr- oder Betreuungsperson im Fokus, die von einem positiven Menschenbild ausgeht und versucht, Kinder altersgemäß zu fördern, aber auch zu fordern. Und sie in ihren Lernprozessen zu begleiten, sie nicht allein zu lassen, aber auch nicht übermäßig zu behüten oder vor einem Scheitern zu schützen. Aus unserer Sicht können gezielte freie Spielsituationen eine Chance für eine kind- und zeitgemäße Förderung sein. Dazu braucht es unserer Meinung nach Wissen über das Zusammenwirken von Spielen und Lernen, ein Verständnis für didaktische Ansätze und Erkenntnisse sowie Kompetenzen in der Planung, Durchführung und Reflexion von Spiel- und Lernsituationen. Es war uns vor einigen Jahren bereits ein Anliegen, dies in einem Handbuch festzuhalten und etwas zu entwickeln, das wir selbst in Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen einsetzen können.

In den vergangenen Jahren haben wir zudem gesehen, mit welchen Anliegen Schulen und Betreuungsinstitutionen an uns herangetreten sind. Diese zeigten vor allem das Bedürfnis nach einfachen, aber interessanten, nach praktischen, aber nicht banalen Unterlagen zum Thema «Spielen und Lernen». Es war das Anliegen nach einem Buch, das man auch in der Praxis verwenden kann, nach einem Buch, das lesbar ist und in dem man nicht jeden Satz dreimal lesen muss, um ihn zu verstehen. Es war das Anliegen, etwas in die Hände zu bekommen, mit dem man arbeiten kann, aber in dem auch eine Struktur erkennbar ist. Kurz, es war das Bedürfnis nach einer Professionalisierung des Bereichs «Spielen und Lernen» und der eigenen Tätigkeit als Lehr- oder Betreuungsperson. Und nach Materialien, die dies unterstützen.

Wir haben diese Anliegen aufgenommen, an unseren eigenen Ideen gespiegelt und uns an ein größeres Projekt herangewagt. Das vorliegende Handbuch «Spielen Plus» und die dazugehörigen Filme sind Teil des gleichnamigen Projekts, eines Kooperationsprojekts zwischen der Pädagogischen Hochschule Zürich und der Bildungsdirektion des Kantons Zürich. Unser Dank gilt daher dem Volksschulamt und der Bildungsplanung der Bildungsdirektion des Kantons Zürich, dem Prorektorat Weiterbildung und Dienstleistungen und dem Digital Learning der Pädagogischen Hochschule Zürich für die Unterstützung während des gesamten Projekts in der Steuergruppe von «Spielen Plus» und für die Stärkung dieses Bildungsbereichs.

Während der Planung und Entwicklung dieses Handbuchs und der dazugehörigen Filme haben wir einen noch besseren Einblick in die Schulen und Betreuungsinstitutionen bekommen. Für diesen Dialog bedanken wir uns vor allem bei allen Pilotlehrpersonen und Schulleiter*innen des Praxisbeirats, die während des gesamten Prozesses dabei waren, ihre Erfahrungen mit uns geteilt und uns mit ihrem Feedback jedes Mal aufs Neue herausgefordert haben. Die Arbeit am Handbuch und an den Filmen fiel zu einem großen Teil in die Zeit der Coronapandemie und forderte sowohl von den Schulen als auch vom Team des Digital Learning der Pädagogischen Hochschule Zürich enorme Flexibilität und Kreativität.

Dem Fachbeirat danken wir für die vielen wertvollen Hinweise zur Entwicklung dieses Handbuchs und die fruchtbaren fachlichen Diskussionen, die uns jedes Mal ein Stück weitergebracht haben.

Unseren Kolleg*innen aus dem Schwerpunktprogramm Elementarbildung und der Abteilung Weiterbildung und Beratung danken wir für die tatkräftige Unterstützung, als Mitleser*innen, Mithelfer*innen und Unterstützer*innen. Besonders bedanken wir uns bei Andrea Kern und Stefanie Schild für ihren Beitrag zum Thema «Digitalisierung».

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen und viel Erfolg bei der Umsetzung von Spiel- und Lernsituationen in Ihrem Berufsalltag. Möge ein Funken der Begeisterung für dieses Thema von uns an Sie überspringen.

Die Herausgeberinnen

Catherine Lieger

Wiltrud Weidinger

1

Catherine Lieger & Wiltrud Weidinger

SPIELEN UND LERNEN — RAHMEN, ZIELE UND AUFBAU DES BUCHES

«MEIN SPIELEN IST LERNEN, MEIN LERNEN IST SPIELEN.»

Hieronymus Simons van Alphen (1665–1742), deutscher reformierter Theologe

«DAS BESTE ZUM SPIELEN FÜR EIN KIND IST EIN ANDERES KIND.»

Friedrich Fröbel (1782–1852), deutscher Reformpädagoge, Begründer des Kindergartens

Das freie Spielen von Kindern ist an sich kein neues Thema. Trotzdem liegt hier nun ein weiteres Handbuch vor. Das hat einen bestimmten Grund. Das freie Spielen von Kindern ist seit dem Bestand der Menschheit ein unumstrittenes Merkmal des Heranwachsens. Es gehört praktisch zum Kindsein und zum Erwachsenwerden als Tätigkeit dazu. Im Zuge der Jahrhunderte und Jahrzehnte hat sich die Auffassung von Spielen jedoch immer wieder verändert. Freies Spielen als ausschließliches Element in der Familie oder in der Peergroup, Spielen als Imitation von Erwachsenen, Spielen als Einüben gesellschaftlicher Regeln, Spielen als Bestandteil einer adäquaten Freizeitbetreuung und Spielen im Unterricht. Spielen, auch das freie Spiel, ist im Kindergarten, in den ersten Jahren der Primarstufe und in der Betreuung ein fixer pädagogischer Bestandteil. Besonders in den vergangenen Jahren ist in der Diskussion und Umsetzung von kompetenzorientierten Lehrplänen und dementsprechenden Standards das Spielen im Unterricht verstärkt zu einem geplanten Instrument geworden. Freies Spielen als Ausdruck des kindlichen Entdeckungswillens und der Erforschung der Welt ist dabei immer mehr in den Hintergrund getreten zugunsten anderer, ebenso wichtiger Anliegen. Aus der Sicht der Autorinnen dieses Handbuchs vergibt man dadurch aber eine Reihe von Chancen. Denn das freie Spielen von Kindern ist, wenn sinnvoll und altersgerecht im Unterricht und in Betreuungssituationen eingesetzt, die kindliche Form von Lernen. Aus dieser Perspektive wird auch das freie Spiel in «Spielen Plus» definiert. Dabei stützt sich dieses Handbuch auf die Bestimmungsstücke von Einsiedler (1999), da diese für den konkreten pädagogischen Umgang besonders geeignet sind.[1] Demnach beschreibt «das Kinderspiel eine Handlung, eine Geschehniskette oder eine Empfindung,

• die intrinsisch motiviert ist oder durch freie Wahl zustande kommt,

• die stärker auf den Spielprozess als auf ein Spielergebnis gerichtet ist (Mittel-vor-Zweck),

• die von positiven Emotionen begleitet ist und

• die im Sinne des So-tun-als-ob von realen Lebensvollzügen abgesetzt ist.»[2]

Im Verständnis der sich durch diese Definition eröffnenden Entfaltungs- und Gestaltungsmöglichkeiten in pädagogischer und didaktischer Hinsicht lehnt sich das vorliegende Buch an die Ausführungen von Petillon und Valtin (1999) an.[3] Dieses Potenzial gilt es besser zu nutzen und den Mut aufzubringen, Kinder weiterhin durch spielerische Aktivitäten in Unterricht und Betreuung zu fördern. Gerade Kinder aus bildungsfernen Familien erhalten dadurch vermehrt die Chance, allfällige Spieldefizite aufzuholen und in begleiteten Situationen und einer angstfreien Atmosphäre einen guten Start in ihre Bildungslaufbahn ermöglicht zu bekommen.

Man könnte es auch ein «Zurück zum freien Spielen» oder ein «Revival» nennen, was sich derzeit in der Diskussion um pädagogisch-didaktische Interventionen in Kindergarten, Primarstufe und Betreuung abzeichnet. Dies belegt auch die von der Bildungsdirektion im Kanton Zürich durchgeführte Studie zur Situation des Kindergartens.[4] Die Befunde zeigen einen Bedarf seitens der Kindergartenpädagog*innen in der Weiterentwicklung des Spiels als Lernform. Dies betrifft vor allem den «Einsatz von geführten und offenen Formen wie dem freien Spiel», um eine Rhythmisierung und einen «sinnvollen Wechsel zwischen Phasen der Konzentration und der Entspannung» herstellen zu können.[5] Freies Spiel, und damit auch die Einstellung und das Bekenntnis zum Anspruch der individuellen Förderung und der professionellen Spielbegleitung, sind darin die wesentlichen Handlungsfelder.

Die Diskussion um ein «Zurück zum freien Spiel» wird auch im angelsächsischen Diskurs zum Thema geführt. Die Initiative kommt hier aus dem Kreis der Kinderärzt*innen, die mit Publikationen wie «Let the Children Play» die Schulen dazu auffordern, Kinder vermehrt spielen zu lassen, um dem Potenzial der kognitiven, körperlichen und psychisch-emotionalen Entwicklung gerecht zu werden und Kinder auch in einer veränderten Gesellschaft bestmöglich fördern zu können.[6] Auch Initiativen von großen Playern wie etwa «Learning through Play» der Lego Foundation fokussieren im Grunde die gleiche Botschaft.[7] All dies zeigt, dass wir den Schatz von und die Offenheit für Lernen durch Spielen, den alle Kinder in sich tragen, in den verschiedenen Bildungsangeboten nicht zur Genüge nutzen. «Spielen Plus» nimmt sich dieser Botschaft an und richtet sich an diejenigen Schlüsselpersonen in den kindlichen Bildungsbiografien, die maßgeblich dazu beitragen können, dies zu ändern: an alle Pädagog*innen der vier- bis achtjährigen Kinder.

«Elementar», und dann? Begrifflichkeiten und Stufen in diesem Handbuch

Die Begrifflichkeiten bezüglich der Stufen unterscheiden sich nicht nur im internationalen Kontext, sondern bereits im deutschsprachigen Raum in ihrer Spannweite voneinander. Doch welche Schüler*innen sind genau gemeint? Welche Stufen sind angesprochen, wenn von «Elementarpädagogik» oder «Elementarbildung» gesprochen wird?

In Österreich heißt die institutionalisierte Arbeit mit der Altersgruppe der Null- bis Sechsjährigen «Elementarpädagogik», welche die spezifische Lern- und Entwicklungsbedürfnisse dieser Altersgruppe in den Fokus stellt.[8] Gleichzeitig ist an dieser Stelle nicht nur die gesellschaftliche und politische Gleichstellung elementarer Bildungseinrichtungen nennenswert, sondern auch die Zuschreibung und Anerkennung eines eigenständigen Bildungsauftrags, die in Österreich seit Jahren angestrebt werden.[9]

In Deutschland ist der Diskurs über den Wandel der Elementarpädagogik ebenfalls seit längerer Zeit aktuell. An vielen Stellen wird zudem der Begriff «Elementarpädagog*innen» verwendet.[10] Diese Begrifflichkeit lässt sich laut einiger Autor*innen auf den Wandel der Frühpädagogik zurückführen sowie auf die gestiegene Aufmerksamkeit, die dieser mittlerweile zukommt.[11] Kinder besuchen in Deutschland ab dem dritten Lebensjahr institutionalisierte Bildungseinrichtungen im Elementarbereich.

In den Bildungsinstitutionen der Schweiz beginnt mit dem Eintritt in den Kindergarten der Zyklus 1, der die Stufen Kindergarten und Unterstufe (1./2. Klasse) zusammenfasst. Mit der Einführung des neuen Lehrplans 21 bildet der Zyklus 1 den ersten von drei Zyklen der obligatorischen Schulzeit. Die Begrifflichkeiten in der Schweiz waren bis vor Kurzem sehr unterschiedlich und reichten von «Kindergarten – Unterstufe», «4 bis 8» oder «Grund- und Basisstufe» bis hin zu «Schuleingangsstufe», «Eingangsstufe» und «Zyklus 1».[12]

Im englischsprachigen Kontext wird der Ausdruck «elementar» nochmals anders verwendet. Im Bildungssystem von England ist der Begriff «Elementary Education» verankert. Die «Elementary Education» formt die erste Stufe der formalen Bildung, die traditionell im Alter von fünf bis sieben Jahren beginnt und im Alter von etwa elf bis 13 Jahren endet.[13]

In den Vereinigten Staaten wie auch in Kanada verwendet man den Begriff «Elementary School», der Bildungseinrichtungen für Kinder ab dem vierten bis zum elften Lebensjahr umfasst.

Ebenfalls spannend ist der Blick nach Japan, wo vier unterschiedliche Modelle im Elementarbereich zur Auswahl stehen: Als Erstes existieren für Kinder zwischen drei und fünf Jahren integrierte Zentren für frühkindliche Bildung und Betreuung. Daneben bestehen für dieselbe Altersklasse weitere Angebote: der Kindergarten, die Schule für Kinder mit besonderen Lernbedürfnissen und der Tageskindergarten. In allen vier Modellen besucht das Kind die Institution ein bis drei Jahre.[14]

Im vorliegenden Handbuch werden sämtliche Bildungsbereiche der vier- bis achtjährigen Kinder fokussiert und mit dem Begriff «Elementarbildung» beschrieben. Die angesprochene Zielgruppe wird der Einfachheit halber als «Elementarpädagog*innen» bezeichnet und umfasst in gleicher Weise Lehrpersonen, Kindergartenpädagog*innen und Fachpersonen in der Betreuung.[15]

Abb. 1 Elementarbildung

Spielen und Lernen brauchen eine zeitgemäße Didaktik

Damit das freie Spiel von Kindern für ein erfolgreiches Lernen eingesetzt werden kann, braucht es grundsätzliche didaktische Überlegungen. Dem ganzheitlichen Lernen kommen dabei wichtige Funktionen zu, die in den verschiedensten Entwicklungsbereichen im Idealfall nachhaltige Spuren hinterlassen. Das vorliegende Handbuch geht in diesem Sinne von einer Reihe grundlegender didaktischer Prinzipien aus, die immer wiederkehrend in den verschiedenen Kapiteln auffindbar sind. Die folgenden didaktischen Prinzipien sind auch Teil eines umfassenden didaktischen Konzepts – dem «8-Schritt-Modell», das auch noch eingehender im Handbuch dargestellt wird (siehe Kapitel 3).[16]

• Lernen über Emotion, mit allen Sinnen und intrinsisch motiviert.

• Lernen als dynamischer Lernprozess durch Bewegung.

• Lernen durch Beziehung, Partizipation und Zusammenarbeit.

• Lernen durch effektive Raumgestaltung.

Wie aus diesen allgemeinen didaktischen Setzungen ersichtlich wird, muss das freie Spiel in Unterricht und Betreuung eine individuelle Passung zum Kind haben und als Prozess betrachtet werden. Sowohl Bewegung als auch das Einbeziehen aller Sinne spielt entgegen der oft gängigen Praxis eine bedeutsame Rolle für das Erleben und Internalisieren von Lernprozessen, für kognitive Erkenntnisse und für die notwendige Modellierungsfähigkeit auf neue Situationen. Das freie Spiel wird in diesem Handbuch auch nie nur als rein individueller, einsamer Prozess betrachtet, sondern geschieht in Beziehung: in der Auseinandersetzung mit anderen Kindern, in der Resonanz im Dialog und in der Zusammenarbeit. Letztlich kommt auch der Gestaltung der Spiel- und Lernumgebung in räumlicher Hinsicht eine nicht zu unterschätzende Rolle zu.

Was beinhaltet «Spielen Plus»?

«Spielen Plus» ist mehr als ein Lehrbuch zum Thema «Spielen». «Spielen Plus» ist ein Handbuch für Elementarpädagog*innen, Schulleitungen, Bildungsverantwortliche und Fachpersonen an den verschiedenen Schnittstellen von Schule, die mit der Altersgruppe der vier- bis achtjährigen Kinder arbeiten, aber auch für interessierte Eltern. «Spielen Plus» vermittelt Wissen, trainiert Kompetenzen und thematisiert Haltungen zum Thema «Spielen» und seiner Bedeutung für das kindliche Lernen.

Dieses Handbuch dient im weiteren Sinne auch dazu, die Bedeutung von Spielen und Lernen von Kindern in den Vordergrund zu rücken. Dazu werden aktuelle Ergebnisse aus der pädagogischen und didaktisch-methodischen Diskussion präsentiert und eine persönliche Auseinandersetzung mit dem Umgang von Spielen in Unterricht, Betreuung oder zu Hause angeregt. Illustriert werden die Ausführungen im Handbuch durch konkrete Filmbeispiele aus der Praxis, die einfach via QR-Code zu den jeweiligen Themen abgerufen werden können.

In der Auseinandersetzung mit Spielen und Lernen stehen demnach theoretische und praktische Fragen der Vorbereitung, Durchführung und Dokumentation von lernanregenden Settings im Zentrum. Wie schaffe ich als Lehr- oder Betreuungsperson möglichst einfach zielführende und wertvolle Spielgelegenheiten für die Kinder? Wie kann ich sie dabei begleiten? Was muss ich dazu wissen, und wie kann ich mein Wissen und meine Kompetenzen in Unterricht und Betreuung am besten nutzen? Was bedeutet Spielen als Lernform für meine Schule oder meinen Betreuungsstandort? Wie kann eine Schule oder eine Betreuungseinrichtung den Weg zu einer spiel- und damit lernförderlichen Unterrichtskultur beginnen? Diese und andere Fragen werden in «Spielen Plus» thematisiert. Das Handbuch nutzt aktuelles Grund- und Basiswissen zum Thema «Spielen» und bereitet dies für die Aus- und Weiterbildung von Elementarpädagog*innen auf, verbindet es mit Anwendungsmöglichkeiten in Unterricht und Betreuung und zeigt mittels realen Praxisbeispielen, wie diese umgesetzt werden können. Dieses Handbuch ist daher kein akademisch-wissenschaftliches Lehrbuch, das sämtliche wissenschaftliche Diskussionen aus der Pädagogik und ihren Nachbardisziplinen um das Thema «Spielen» wiedergibt. Die verschiedenen Themenbereiche, die in «Spielen Plus» behandelt werden, sind aufgrund ihrer Relevanz für Elementarpädagog*innen konzipiert worden. Dabei werden manche Themen intensiver bearbeitet und andere Themenbereiche nur gestreift.

Das Handbuch ist einerseits ein Lehrbuch beziehungsweise Nachschlagewerk für alle jene, die sich für die thematischen Hintergründe interessieren, und andererseits ein Praxisbuch, das didaktische Hinweise für die Umsetzung von Spiel- und Lernumgebungen in Schule und Betreuung gibt. «Spielen Plus» ist auch ein Arbeitsbuch, das in der Aus- und Weiterbildung von Elementarpädagog*innen eingesetzt werden kann, weil die Teilnehmer*innen direkt mit dem Buch arbeiten können. Das Handbuch richtet sich an verschiedene Zielgruppen, die allesamt einen beruflichen Bezug zur Thematik haben. Interessierte Eltern haben zwar keine berufliche Verbindung zum Thema, sehr wohl aber eine privaten.

«Spielen Plus» ist in enger Zusammenarbeit des Teams Elementarbildung der Pädagogischen Hochschule Zürich, Fachpersonen anderer Institutionen sowie einer Pilotgruppe von Schweizer Pädagog*innen der Kindergarten- und Unterstufe entstanden. Sowohl Themenauswahl, Aufbau der Kapitel als auch Anwendungsbeispiele aus der Praxis wurden gegengelesen, angereichert und aufgrund von Rückmeldungen überarbeitet.

Wie ist «Spielen Plus» aufgebaut?

Das Handbuch «Spielen Plus» besteht aus insgesamt zehn Kapiteln, die mit Fokus auf unterschiedliche Aspekte und aus verschiedenen Perspektiven auf das Thema «Spielen» eingehen.

Die folgende Grafik zeigt einen groben Überblick über das gesamte Handbuch.

Abb. 2 Übersicht der Kapitel

In diesem ersten Kapitel «Spielen und Lernen – Rahmen, Ziele und Aufbau» werden der grundsätzliche Rahmen, der Aufbau und die Ausrichtung dieses Handbuchs erläutert. Zudem werden die zum Handbuch parallel entwickelten Filmsequenzen vorgestellt.

In Kapitel 2 «Spielen und seine Bedeutung für die Entwicklung» werden die wichtigsten Merkmale und Funktionen qualitätsvollen und lernförderlichen Spiels fokussiert. Die Bedeutung und pädagogisch-didaktische Sicht auf das Spiel sowie der entwicklungsorientierte Zugang zu Spielen und Lernen werden hier diskutiert. Die unterschiedlichen Kompetenzbereiche, die mit Spielen beeinflusst werden, sind hier ebenfalls Thema. Zudem wird das Spielen als Kinderrecht eingeführt. Dieses Kapitel klärt die thematischen Grundlagen und eröffnet das Feld für die nachfolgenden acht Kapitel.

In Kapitel 3 «Spielen und Planung und Durchführung von Unterricht» wird die Einbettung des Spiels in den Unterricht und in die Betreuung in den Fokus genommen. Die Planung von angeleiteten und/oder freien Spielsequenzen sowie Hinweise zur Durchführung und Reflexion dieser Spielsequenzen bilden das Kernstück dieses Kapitels.

Kapitel 4 «Spielen und wie man es begleitet» widmet sich der Rolle der Lehr- oder Betreuungsperson im Spiel- und Lernprozess. Es geht darin um die Formen von Spielbegleitung, um Möglichkeiten von Interaktionen und Fragen der Klassenführung.

Kapitel 5 behandelt ein Bedürfnis von Elementarpädagog*innen, das explizit als solches in der Umfrage zu den Themen dieses Handbuchs formuliert wurde. «Spielen und wie man es erfasst und dokumentiert» beleuchtet Fragen der Beobachtung von Spielsituation und deren Dokumentation in Form von Notizen sowie Möglichkeiten, Lernprozesse mit Kindern im Dialog zu thematisieren und festzuhalten.

Kapitel 6 greift eine weitere hoch relevante Perspektive auf das Thema Spielen auf. «Spielen in einer förderlichen Umgebung» geht auf Fragen der Schulraumarchitektur ein und zeichnet Möglichkeiten nach, wie Räume so gestaltet werden können, dass sie Spiel- und Lernmöglichkeiten eröffnen und nicht verunmöglichen.

In den beiden folgenden Kapiteln wird der Bogen weiter gespannt in die Richtung größerer, gesellschaftlicher Fragestellungen, die aber auch das Verständnis und den Umgang von Spielen beeinflussen. Mit Kapitel 7 «Spielen in verschiedenen kulturellen Kontexten» werden andere kulturelle Verständnisse von Spielen in die Diskussion eingebracht. Kompetenzen, die vor allem für Lehr- und Betreuungspersonen von Schüler*innen mit Migrationserfahrung wichtig sind, werden vorgestellt sowie Hinweise gegeben für eine mögliche Thematisierung von Spielen in der Elternzusammenarbeit mit Familien aus einem anderen kulturellen Kontext.

Kapitel 8 «Spielen in einer veränderten Gesellschaft» geht auf veränderte Wahrnehmungen von und Bedingungen für das kindliche Spiel ein, denen allgemeine Veränderungstendenzen zugrunde liegen. Veränderte Familienformen, Verschiebung von Wertvorstellungen, Aspekte von Gesundheit und Nachhaltigkeit sowie der Einfluss von digitalisierten Spiel- und Lernformen kommen in diesem Kapitel zur Sprache.

Kapitel 9 geht den Weg wieder zurück zur eigenen Schule beziehungsweise dem eigenen Betreuungsstandort. «Spielen als Element von Schulentwicklung» zeigt auf, wie die Zusammenarbeit im Team, die Integration des Anliegens der Spiel- und Lerngelegenheiten als stufenübergreifende Aktivität im Rahmen von Schulentwicklungsprojekten angegangen werden kann. Weiter wird Spiel als Teil des Schulprofils in diesem Kapitel thematisiert.

Im zehnten und letzten Kapitel des Handbuchs sind neun Grundthesen zu finden, die als Essenz für Elementarpädagog*innen gelten können. Diese sollen als Erinnerung, Zusammenfassung oder als Inspiration dienen.

Wie sind die Kapitel aufgebaut?

Jedes Kapitel beginnt mit einer kurzen Einleitung ins Thema. Anschließend werden die Leser*innen mit kurzen einführenden Aufgaben zum Thema direkt aktiv werden. Es folgen in knapper Form alle wesentlichen Informationen zum Thema. Im nachfolgenden Abschnitt werden Anwendungshinweise gegeben. Jedes Kapitel schließt mit Beispielen, Übungen und Aufträgen zur praktischen Umsetzung oder zur persönlichen inhaltlichen Vertiefung ab. Weiter wird auf die Filme zum Thema auf spielenplus.ch verwiesen. Diese sind mittels QR-Codes an der Seite ersichtlich und können direkt mit einem Smartphone oder Tablet aufgerufen werden. Durch die bewusste Platzierung von praktischen Hinweisen und Tipps sowie Links zu Filmen soll allen Zielgruppen der Transfer in die Unterrichts-, Betreuungs- oder Spielpraxis zu Hause ermöglicht werden.

Aufgrund der in sich geschlossenen Struktur eines Kapitels ist es möglich, auch einzelne Kapitel für Aus- oder Weiterbildungsanlässe separat zu behandeln und aus der Chronologie des Buches auszukoppeln. Durch Hinweise zum weiterführenden Studium wird eine vertieftere Auseinandersetzung mit zentralen Themen angeregt.

Welche Funktion haben die Filme?

Die Filme zu «Spielen Plus» sind auf der Website spielenplus.ch zu finden. Im Handbuch leiten die QR-Codes direkt auf diese Website und zu den Filmen, die zum Thema der jeweiligen Stelle passen.

Die Filme zeigen verschiedene Spielsituationen in Schule und Betreuung und geben tieferen Einblick in das freie Spiel vier- bis achtjähriger Kinder sowie Hinweise und Möglichkeiten für eine pädagogisch-didaktische Gestaltung von Spielsettings. Die Filme wurden in Kooperation mit Pilotschulen entwickelt, vom Digital Learning der Pädagogischen Hochschule Zürich gefilmt und vom Projektteam Elementarbildung der Pädagogischen Hochschule Zürich bearbeitet, gestaltet und für die Verwendung in Aus- und Weiterbildung bereitgestellt. Eine kleinere Auswahl von Filmen steht explizit für die Kommunikation mit Eltern zur Verfügung. Diese Filme sind in die häufigsten Migrationssprachen übersetzt und untertitelt worden und sind ebenfalls auf der Website verfügbar.

Die insgesamt 48 Filme sind verschiedenen Themen im Handbuch zugeordnet, lassen sich aber auch unabhängig voneinander davon für Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen einsetzen. Die folgende Übersicht zeigt, welche Filme zu den entsprechenden Themen vorhanden sind.

Abb. 3 Übersicht der Filme

 Kapitel 2 – Spielen und seine Bedeutung für die Entwicklungspielenplus.ch/kapitel/22a: Funktionsspiel Sand2b: Funktionsspiel Alles rollt2c: Symbolspiel Abakus2d: Rollenspiel Zirkus Gämperli2e: Konstruktionsspiel Zeitmaschine2f: Konstruktionsspiel Verschiedene Materialien2g: Interview Bedeutung des Spiels (Catherine Lieger)2h: Interview Bedeutung des Spiels (Claudia Knoll)Kapitel 3: Spielen und Planung und Durchführung von Unterrichtspielenplus.ch/kapitel/33a: Spielprojekt Schiffbau3b: Spielprojekt Rettungseinsatz3c: 8-Schritt-Modell3d: Interview Planung, Durchführung und Reflexion (Catherine Lieger)3e: Interview Planung, Durchführung und Reflexion (Sabina Bürki)3f: Interview Planung, Durchführung und Reflexion (Michaela Siggelkow)Kapitel 4 – Spielen und wie man es begleitetspielenplus.ch/kapitel/44a: Spielbegleitung Styropor4b: Spielbegleitung Hochzeit4c: Spielbegleitung Schreinerei4d: Spielbegleitung Lampe4e: Spielbegleitung Vom Einzelteil zum Fahrzeug4f: Interview Spielbegleitung (Catherine Lieger)Kapitel 5 – Spielen und wie man es erfasst und dokumentiertspielenplus.ch/kapitel/55a: Erfassen und dokumentieren Sandwanne5b: Erfassen und dokumentieren Beobachten5c: Erfassen und dokumentieren Tagebuch5d: Erfassen und dokumentieren Ich-Heft5e: Interview Erfassen, beobachten und dokumentieren (Andrea Siegenthaler)Kapitel 6: Spielen in einer förderlichen Umgebungspielenplus.ch/kapitel/66a: Förderliche Lernumgebung Wald6b: Förderliche Lernumgebung Raum im Raum6c: Interview Förderliche Lernumgebung (Hansjörg Dittli)6d: Interview Förderliche Lernumgebung (Melk Nigg)6e: Interview Förderliche Lernumgebung (Sandra Gerber)Kapitel 7: Spielen in verschiedenen kulturellen Kontextenspielenplus.ch/kapitel/77a: Das Spiel ist universell Handwerker auf der Leiter7b: Das Spiel sprachlich begleiten Schloss7c: Deutsch als Zweitsprache Flugzeugwerkstatt7d: Erstsprache als Ausgangspunkt Monster7e: Sprachenvielfalt Unterrichtssprache als Brücke7f: Interview Spielen in verschiedenen kulturellen Kontexten (Wiltrud Weidinger)Kapitel 8 – Spielen in einer veränderten Gesellschaftspielenplus.ch/kapitel/88a: Verschiedene Lebens- und Familienformen Baby baden8b: Verschiedene Lebens- und Familienformen Physio8c: Rolle von Schule und Betreuung Zwischenmahlzeit im Wald8d: Gemeinsam Spielregeln festlegen Rauferei8e: Von der Beobachtung ins Spiel Briobahn8f: Gleichstellung Hütten bauen8g: Interview: Spielen in einer veränderten Gesellschaft (Eliane Bernet)8h: Interview: Spielen in einer veränderten Gesellschaft (Wiltrud Weidinger)Kapitel 9 – Spielen als Element gemeinsamer Schulentwicklungspielenplus.ch/kapitel/99a: Interview Schulentwicklung (Eliane Bernet)9b: Interview Schulentwicklung (Sandra Hürlimann)9c: Interview Schulentwicklung (Hansjörg Dittli)9d: Interview Schulentwicklung (Catherine Lieger)

Zusätzliche Dokumente zu verschiedenen Themen des Handbuchs finden sich auf der Website spielenplus.ch.

 

Anmerkungen

[1]Einsiedler: Das Spiel der Kinder. Zur Pädagogik und Psychologie des Kinderspiels, 1999, S. 17.

[2]Ebd.

[3]Petillon: Spielen in der Grundschule – eine Ortsbestimmung, 1999.

[4]Imlig, Bayard & Mangold: Situation des Kindergartens im Kanton Zürich, 2019.

[5]Ebd., S. 127.

[6]Sahlberg & Doyle: Let the Children Play, 2019.

[7]www.legofoundation.com/en/

[8]Hartel, Hollerer, Smidt, Walter-Laager & Stoll: Bildungsbericht 2018. Elementarpädagogik in Österreich. Voraussetzungen und Wirkungen elementarer Bildung.

[9]Ebd.

[10]Geene & Borkowski: Elementarpädagogik im Wandel. Überlegungen an eine neue Professionalität, 2018.

[11]von Balluseck: Elementarpädagogik, 2020.

[12]Lieger & Huber: Elementarbildung im Zyklus 1. Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern zwischen 4 und 8 Jahren, 2020.

[13]Lewis: Elementary Education, 2020.

[14]OECD: Bildung auf einen Blick 2016 – OECD-Indikatoren, 2016.

[15] Gemeint sind damit ebenfalls Sozialpädagog*innen, Hortpädagog*innen, Freizeitpädagog*innen, Klassenassistent*innen, Quereinsteiger*innen und sämtliche andere Bezeichnungen aus dem deutschsprachigen Raum, die mit Kindern in Unterricht oder Betreuung arbeiten.

[16]Lieger, Geiger & Bühlmann: Das 8-Schritt-Modell zur Kompetenzorientierung. Online unter: www.8-schritt-modell.ch [06.01.2021].

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Catherine Lieger

SPIELEN UND SEINE BEDEUTUNG FÜR DIE ENTWICKLUNG

Seit einiger Zeit befindet sich die Elementarbildung, die Bildung von vier- bis achtjährigen Kindern, im Wandel. Internationale Vergleichsstudien wie «Starting Strong»[1] lösten europaweit Diskussionen über die frühkindliche Bildung und die Professionalisierung von Pädagog*innen im Elementarbereich aus. Durch die Ergebnisse der internationalen Vergleichsstudien wurde das Lernpotenzial von Kindern bis zum achten Lebensjahr bekannt gemacht. Dies führte zu Forderungen nach Reformen zur Professionalisierung des Elementarbereichs.[2] Durch den in der Schweiz vorverlegten Schuleintritt beginnen Kinder nun bereits mit vier Jahren die Schulzeit. Damit stehen die Pädagog*innen des Elementarbereichs vor der Aufgabe, nicht nur den Aspekt der Bildung, sondern ebenfalls die Betreuungs- und Erziehungsarbeit verstärkt einzubeziehen.[3]

In Ländern, die in den internationalen Vergleichsstudien zur frühkindlichen Bildung besser abschneiden, werden die Kinder früher an Formen des selbstwirksamen, entwicklungsorientierten Lernens herangeführt. Damit Lernprozesse auch längerfristig erfolgreich verlaufen, sind nebst der Effektivität auch die Freude und Motivation der Lernenden selbst wichtige Faktoren.[4] Diese Erkenntnisse haben zu zwei wichtigen Neuerungen geführt: Mit dem Lehrplan 21 wird in der Schweiz einerseits die erste Schulstufe für vier- bis achtjährige Kinder als ein Zyklus betrachtet. Andererseits wurde mit der Gründung der Pädagogischen Hochschulen die Tertiarisierung der Lehrpersonenausbildung umgesetzt. In der Schweiz werden seit 2002 Lehrpersonen des Kindergartens und der Primarschule gemeinsam an Pädagogischen Hochschulen auf tertiärer Stufe ausgebildet.

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit dem entwicklungsorientierten Lernen, im Besonderen mit der Bedeutung des Spiels für die kindliche Entwicklung im Elementarbereich. Es geht auf die Formen des Spiels ein und zeigt auf, welche Bedeutung das Spielen für das Lernen von Kindern hat.

Kernfragen und -themen dieses Kapitels:

→ Spiel als Kinderrecht

→ Was ist entwicklungsorientiertes Lernen, und wie wird Spiel definiert?

→ Wie hängen Spielen und Lernen zusammen?

→ Die Bedeutung von Spiel für die kindliche Entwicklung

→ Didaktische Konsequenzen für Unterricht und Betreuung

→ Hinweise für die Zusammenarbeit mit Eltern

EINSTIEG IN DAS THEMA

1 Eigene Spielerfahrungen

Welche Kindheitserinnerung haben Sie, wenn Sie an die Spielerfahrungen Ihrer Kindheit zurückdenken? Finden Sie dazu noch Fotos, Dokumentationen oder Bilder aus der Vergangenheit? Ordnen Sie Ihre Gedanken, machen Sie sich Notizen und tauschen Sie sich mit mindestens einer Person dazu aus.

2 Wann sprechen Sie von Spiel?

Was bedeutet für Sie entwicklungsorientiertes Lernen, im Besonderen im Spiel? Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit Sie eine Situation als Spiel bezeichnen? Machen Sie sich dazu Notizen und tauschen Sie sich mit mindestens einer Person darüber aus.

3 Was bedeutet Spiel?

Sehen Sie sich die Interviews zur Bedeutung von Spiel an. [2g, 2h] Welche Erkenntnisse ziehen Sie aus den gehörten Aussagen? Machen Sie Notizen und tauschen Sie sich mit einer Person dazu aus.

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WISSEN ZUM THEMA

1 Das Spiel als Kinderrecht

Die UNO-Generalversammlung verabschiedete 1989 die Kinderrechtskonvention, deren erklärter Zweck es ist, Schutz und Unterstützung zu gewährleisten, damit Kinder ihre Persönlichkeit entfalten können. Die Schweiz hat die Kinderrechtskonvention im März 1997 ratifiziert. Seitdem ist die Schweiz in diese internationale Abmachung verbindlich eingebunden, und die Kinderrechtskonvention wurde zu einem Bestandteil der eidgenössischen Gesetzgebung. Die Gewährung grundlegender persönlicher Rechte, wie die Rechte auf die Berücksichtigung des Kindeswillens und auf freie Meinungsäußerung (Artikel 12 und 13), das Recht auf Freizeit, Spiel und Teilnahme am kulturellen und künstlerischen Leben (Artikel 31) sowie das Recht auf Bildung (Artikel 29, Abs. 1) sind zentrale Bestandteile der Konvention. Die Partizipation der Kinder wurde so auch Teil des Auftrags der Bildungsinstitutionen.[5]

Die Auseinandersetzung um die Bedeutung und Wichtigkeit der Kinderrechte erhöht das gesellschaftliche Bewusstsein und beeinflusst respektive steuert die Bildung und Erziehung im Elementarbereich. Die aktuelle Diskussion über die Umsetzung von Kinderrechten sollte Einrichtungen der Elementarerziehung veranlassen, ihre Aufgabe nicht nur in der Vermittlung von fachdidaktischen Inhalten zu sehen. Sie besteht auch darin, den Kindern unter anderem im Spiel Gelegenheit zu geben, ihr eigenes Leben zu gestalten. Kinder müssen Möglichkeiten erhalten, selbst handeln zu können. Der Leitsatz lautet: «Lernen durch Tun, durch aktive Partizipation».[6]

Verantwortung tragen und Entscheidungen treffen können sind zentrale Kompetenzen, die einem Kind vermittelt werden sollen. «Kinder müssen lernen, Entscheidungen selbst zu fällen – so wie sie alles andere auch lernen müssen. Kinder lernen, indem sie handeln. Sie lernen zu gehen, indem sie Schritte machen, fallen und es wieder versuchen.»[7] Aber sie lernen nur Entscheidungen zu fällen, wenn ihnen Wahlmöglichkeiten gegeben werden. So werden Verantworten und Entscheiden zu einem zentralen Konzept und einer ebenso wichtigen pädagogischen Kompetenz.[8]

22 Entwicklungsorientiertes Lernen und die Definition von Spiel

Kinder lernen immer und überall – im Zusammenleben in der Familie, beim Spielen mit anderen Kindern, in der Schule, in Betreuungsstrukturen. Familie und Schule sind für das Kind Lebens- und Bildungsraum zugleich. Alltägliche Situationen und nahe an den Bedürfnissen und Interessen orientierte Angebote bieten Gelegenheit, etwas zu erleben, zu entdecken, zu spielen und zu lernen.[9] Insbesondere das Spiel und damit verbunden erlebnisorientierte Spielprojekte mit starkem partizipativem Charakter erweisen sich im Elementarbereich als altersgerecht und sinnvoll.[10