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Wie von Geisterhand ... Eine verschwundene Katze?! Ihren ersten Auftrag hat sich Robert etwas spektakulärer vorgestellt. Zusammen mit der Computerspezalistin Isabella und seinem Geistercousin Lorenzo hat er eine Agentur gegründet, um anderen Kindern zu helfen, die in Schwierigkeiten stecken. Und jetzt sollen sie Mumsy wiederfinden, die laut ihrer Klassenkameradin entführt wurde? Doch dann verschwinden plötzlich immer mehr Haustiere auf unerklärliche Weise und bald schon steht fest: Das kann kein Zufall sein! Und als auch noch Isabellas Schildkröte Celeste entführt wird, stecken die drei mitten in einem neuen gefährlichen Abenteuer. "Eine spannende Abenteuerreihe voll absurder Szenen, die Gespenstergeschichte und alles rund um Künstliche Intelligenz, KI, kombiniert – darum der Titel "SpooKI". Das lockt auch lesefaule Jungs an." NDR Der neue Band der actionreichen SpooKI-Abenteuerreihe um eine KI und jede Menge Geisterspuk: perfektes Lesefutter für Jungs und Mädchen ab 9 – mit magischem Buchumschlag, der im Dunkeln leuchtet! Alle Bände der SpooKI-Reihe: - SpooKI. Den Geist aufgeben gibt's nicht (Bd. 1) - SpooKI. Ins Netz gegangen (Bd. 2) - SpooKI. Der Spuk geht weiter (Bd. 3) - SpooKI. Ausgespielt (Bd. 4)
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Ruth Rahlff:SpooKI - AusgespieltMit Bildern von Timo Grubing
Ausgespielt
Eine vermisste Katze?! Ihren ersten Auftrag hat sich Robert etwas spektakulärer vorgestellt. Mit der Agentur, die Isabella, Lorenzo und er gegründet haben, wollen sie doch eigentlich richtige Fälle lösen. Aber dann verschwinden immer mehr Tiere spurlos und es wird klar: Irgendetwas stimmt da nicht! Zusammen mit der KI Medusa stürzen sich die drei in die Ermittlungen. Und es scheint, als spiele da jemand ein wirklich falsches Spiel ...
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Viten
Zitternd presste er sich auf die metallene Tischplatte. So flach, wie er nur konnte. Vielleicht würde er den Fremden damit ja beschwichtigen? Bei seinem Herrchen half das doch auch immer, wenn er etwas angestellt hatte.
»Jetzt hör endlich auf zu winseln, du kleiner Höllenhund!«, fuhr ihn der Mann ungeduldig an. »Bei diesem ständigen Gejaule kann ich mich nicht konzentrieren.«
Mit eisernem Griff drückten ihn zwei Pranken grob auf die harte Arbeitsplatte.
»Wäff. Wäff!«, versuchte er verzweifelt dem Mann seine Angst mitzuteilen, aber der scherte sich gar nicht darum.
Er bellte aus voller Kehle, als ein zweiter Mann kam und ihn von allen Seiten fotografierte. Das grelle Blitzlicht blendete, doch das schien den Typen nicht im Geringsten zu interessieren.
Als Nächstes holte der zweite Mann ein komisches Gerät und hielt es dicht über seinen Körper. Was war denn das? Zähnefletschend schnappte er danach.
»Schluss! Ich vermesse dich doch nur«, rief der Mann. »Jetzt stell dich nicht so an!«
Aber er wollte das alles nicht! Er wollte wieder nach Hause! Und zwar jetzt!
»Au!!«, schrie der Mann. »Wenn du mich noch einmal beißt, kannst du was erleben!«
»AHOUUUUUUUUUU!!«
»Schnauze! Und NEIN … es wird nicht vom Tisch gesprungen. Platz! PLATZ, habe ich gesagt. DU BLEIBST JETZT HIER!«
Oh nein! Diese Männer waren so grob und unfreundlich. Das genaue Gegenteil von seinem fürsorglichen Herrchen! Wie sollte er es bloß schaffen, von hier zu entkommen?
»Probleme? Was denn für Probleme? Also echt! Nur Loser haben Probleme«, dröhnte Damons Stimme über den Flur vorm Informatikraum. »Wenn ich was hab, dann regle ich das einfach selbst.«
Isabella stöhnte auf. »Der hängt sich ja mal wieder megaweit aus dem Fenster«, flüsterte sie.
Auch Ahmed, Loretta und Preeti verdrehten die Augen.
Ich nickte. Typisch Damon! Gerade verkündete er allen, die es hören wollten (also nur Ava und Justus), und leider auch denen, die es nicht hören wollten (das war der Rest der Klasse), was er von der neuen Agentur KID hielt. Seine Meinung dazu ließ sich in zwei Worten zusammenfassen: gar nichts. Dummerweise benötigte Damon dafür aber wesentlich mehr Wörter.
»Jeder sollte genug Arsch in der Hose haben, um seinen Scheiß selbst auf die Reihe zu kriegen«, grölte er jetzt.
Isabella fing an zu grinsen und auch ich musste mir das Lachen verkneifen, denn in diesem Moment rauschte unsere Klassenlehrerin Frau Watanabe heran. Kein Zweifel, sie hatte alles gehört und Damons Ausdrucksweise schien ihr überhaupt nicht zu gefallen. Damon allerdings hatte die Auffassungsgabe einer Mikrowelle und bekam deshalb wie üblich absolut nichts mit von dem Unheil, das gleich über ihn hereinbrechen würde. Er gestikulierte so wild mit den Armen, dass er Ava fast eine Ohrfeige gegeben hätte. Die wich seiner Pranke gekonnt aus und stieß dabei gegen Valentina aus der Nachbarklasse.
»Pass doch auf!«, schnauzte Ava sie an.
Empört fauchte Valentina zurück: »Pass gefälligst selber auf!« In dem Moment sagte Frau Watanabe scharf: »Damon, drück dich bitte etwas gewählter aus.«
Valentina schnappte sich ihren Turnbeutel und verdrückte sich schnell. Damon glotzte Frau Watanabe an. »Hä?«
Sein Mund stand weit offen, was ihn nicht gerade intelligenter wirken ließ.
Frau Watanabe seufzte. »Hör endlich auf zu fluchen!«
»Aber wieso?«, fragte Damon verdutzt. »Ich hab doch gar nichts Schlimmes gesagt. Nur dass jeder genug Ar…«
»Das reicht«, fiel Frau Watanabe ihm ins Wort. »Wir müssen es nicht noch wiederholen. Du verstehst mich auch so. Damit du dich das nächste Mal besser daran erinnerst, schreibst du heute Nachmittag einen Aufsatz über das, was du dir unter gutem Benehmen vorstellst. Zwei DIN-A4-Seiten genügen.«
Isabella und ich grinsten uns an. Der Schultag heute fing gar nicht so schlecht an …
Damon stöhnte genervt.
Da wandte Frau Watanabe sich an mich. »Ach übrigens, Robert?«
»Ja?« Überrascht schaute ich auf.
»Ich bräuchte noch dringend die Info, wo du den Future Day verbringst«, sagte sie. »Die meisten in der Klasse haben bereits einen Praktikumsplatz. Wie sieht es bei dir aus?«
»Ähm, ich bin dran«, antwortete ich ausweichend. »Es gibt … ähm … mehrere Möglichkeiten.« Wenn’s bloß so wäre!
»Na schön, aber beeil dich bitte. Der Future Day ist ja schon übermorgen.« Jetzt lächelte Frau Watanabe freundlich. »Und wenn du Unterstützung brauchst, sag mir gern Bescheid. Es ist nämlich überhaupt keine Schande, bei Problemen um Hilfe zu bitten.«
Sie nickte bedeutungsvoll in Damons Richtung, aber der kapierte leider gar nichts. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, mich höhnisch anzugrinsen. Multitasking war nicht so sein Ding.
Sobald Frau Watanabe außer Hörweite war, ging er auf mich los. »Na, Robert, für Typen wie dich ist diese komische neue Agentur doch wie gemacht.«
Er tippte auf sein Handy und schwenkte es so herum, dass wir auf das Display schauen konnten. Darauf erschien sein neues Lieblingsspiel.
»Und was hat das Spiel jetzt damit zu tun?«, fragte Preeti verwirrt. Doch in dem Moment tauchte das kleine Werbebanner auf, das ich auch auswendig hätte aufsagen können.
Du brauchst dringend Hilfe oder hast Sorgen? Wenn du nicht mehr weiterweißt, ganz allein bist oder dich niemandem anvertrauen kannst, dann wende dich an KID, die Agentur für Kids in Danger. Wir sind verschwiegen und ermitteln absolut diskret. Besonders knifflige oder schier unlösbare Fälle sind unsere Spezialität. Also klick einfach auf den Link und nimm Kontakt auf!
Dein Team von KID
»Ich weiß gar nicht, warum du dich so darüber lustig machst, Damon«, mischte Loretta sich ein. »Ich finde, die Agentur ist eine gute Sache.«
»Genau«, gab Preeti ihr recht. »Das ist bestimmt so ähnlich wie die Nummer gegen Kummer. Nur eben online.«
»Ach, damit kennst du dich wohl aus, was?«, johlte Justus.
Preetis Ohren färbten sich ein winziges bisschen rot, aber sie zuckte nur cool mit den Schultern und sagte: »Das gehört doch zur Allgemeinbildung.«
»Sehe ich genauso«, sprang Ahmed ihr bei. »Bei uns zu Hause ist ja alles okay, aber sonst würde ich die Agentur ausprobieren, glaube ich.«
Preeti und Loretta nickten zustimmend.
»Hey, habt ihr euch gestern die Challenge im Skateboarden angeschaut?«, wechselte Ahmed dann das Thema. »Da war ein echt cooles Video im Netz.«
Sofort redeten alle nur noch über Skateboarden und die neuesten Videoclips.
Isabella schaute zu mir. Bestimmt hatte sie den gleichen Gedanken wie ich: Wenn jetzt schon in der Schule über KID gesprochen wurde, dann würde es sicher nicht mehr lange dauern, bis die ersten Aufträge bei uns eingingen.
Da klingelte es zur ersten Stunde und die Tür zum Informatikraum sprang auf. Herr von Hageboom schoss heraus wie ein Springteufel aus seiner Box. Er klatschte in die Hände und trällerte: »Aaaaall right, girls ’n’ boyzzz!«
»Wann kapiert er endlich, dass er trotz dieser englischen Fetzen überhaupt nicht cool rüberkommt?«, murmelte Preeti missmutig hinter mir.
Herr von Hageboom hatte sie offensichtlich nicht gehört, denn er machte munter weiter: »Let’s go and have a fantastic time with our Hightech-Ausstattung.«
»Hightech-Ausstattung? Hier in der Schule?« Isabella bekam sich gar nicht mehr ein. Mir dagegen verging das Lachen, als mich Herrn von Hagebooms Blick streifte.
»Robert, deine letzte Klassenarbeit war mal wieder alles andere als rühmlich. Dabei hattest du die letzten Wochen für deine Verhältnisse erstaunlich gute Fortschritte gemacht.« Er bleckte die Zähne und grinste so breit, dass sein weißes Gebiss mich fast blendete. »Aber keine Sorge, mate, ich habe mir etwas für dich ausgedacht, um dir auf die Sprünge zu helfen.«
O-oh, ich ahnte Schlimmes. Und richtig. Er dirigierte mich zu meinem Platz in der letzten Reihe, wo bereits ein großer Stapel Papier auf mich wartete.
»Alles Rechercheaufgaben«, verkündete Herr von Hageboom. »Ganz oldschool auf Zetteln, aber natürlich erwarte ich, dass du mir deine Ergebnisse per Mail präsentierst. Du kannst dir aussuchen, ob du mit Word oder Excel arbeiten willst. Oder du machst eine PowerPoint-Präsentation. Du hast die Wahl, ich bin ja kein Unmensch.«
Da war ich entschieden anderer Ansicht, erst recht, als er noch hinzufügte: »Morgen früh habe ich alles im Kasten. Got it, mate?«
Er ignorierte mein verzweifeltes »Was?!«, wandte sich ab und joggte mit weit ausladenden Schritten nach vorn zum Pult.
»Keine Sorge, das bekommen wir schon hin«, versicherte Isabella mir.
»Danke.« Da fiel mir etwas ein. Natürlich! Ich hatte ja ein ganz neues Ass im Ärmel! »Kannst du mir die Blätter einscannen?«, fragte ich.
»Klar«, sagte sie sofort. »Aber wozu?«
»Dann lege ich das Zeug Medusa vor und es ist im Handumdrehen erledigt.« Glänzende Idee! Warum hatte ich nicht gleich daran gedacht? Medusa: die Lösung all meiner Schulprobleme. Dass ich das mal sagen würde!
Vor Kurzem war eine künstliche Intelligenz namens Medusa auf meine Familie und mich aufmerksam geworden. Der KI war aufgefallen, dass unser Haushalt andere Daten lieferte als normale Haushalte. Was natürlich kein Wunder war, denn meine Eltern Ophelia und Henry, mein Opa Arthur, mein Cousin Lorenzo und unser Hund Unfug waren allesamt Geister – und somit für andere Menschen unsichtbar. Außer für Isabella, die selber einen Geistervater hatte. Er hieß Felipe Mendoza, auch genannt »El Manifesto«, denn er war ein Meister im Manifestieren. Dabei machten Geister sich für kurze Zeit sichtbar für Menschen. Was sie allerdings furchtbar viel Kraft kostete, deshalb taten sie das nur, wenn es unbedingt notwendig war.
Isabella, Lorenzo und ich waren Medusa allerdings auf die Spur gekommen. Mithilfe von Herrn Smirnow, dem netten Kioskbesitzer in unserer Straße und, wie sich zu unserer Überraschung herausstellte, ehemaligen Agenten für eine geheime Hilfsorganisation, fanden wir heraus, dass der fiese Computerspezialist Cosmo die KI für seine Zwecke missbraucht hatte. Wir überwältigten Cosmo und dann endlich konnte ich meine Menscheneltern Norma und Vasco kennenlernen. Sie hatten sich jahrelang vor Cosmo verstecken müssen und mich deshalb als Baby in die Obhut meiner Geisterfamilie gegeben. Endlich hatten wir uns wieder! Und zum Glück verstanden sich die beiden auch so gut mit meiner Geisterfamilie, dass wir jetzt alle zusammen bei uns zu Hause in der Zwieselgasse wohnten. Dank einer rasch von Opa durchgeführten Geistertaufe – genau wie bei mir als Säugling – war meine Geisterfamilie nun auch für meine Menscheneltern sichtbar. Norma und Vasco waren es auch gewesen, die Medusa ursprünglich programmiert hatten. Nachdem wir Cosmo außer Gefecht setzen konnten, hatte sich Medusa ausgerechnet mich zu ihrem neuen Systemadministrator auserkoren, weil sich herausgestellt hatte, dass ich auf eine besondere Art mit ihr kommunizieren konnte. Wenn das Herr von Hageboom wüsste, würde es ihm glatt die Sprache verschlagen.
Und während der sich jetzt mit der »Hightech-Ausstattung« abmühte, die in diesem Fall aus einem Smartboard der allerersten Generation bestand, flüsterte Isabella mir zu: »Wenn wir doch bloß schon unseren ersten Fall hätten. Dann könnten wir die Zeit hier sinnvoll nutzen.«
Inspiriert von Normas, Vascos und Herrn Smirnows früherer Arbeit bei der geheimen Hilfsorganisation hatten Isabella, Lorenzo und ich nämlich KID gegründet. Mit der Agentur wollten wir anderen Kindern helfen. Denn wie es sich anfühlte, ganz allein vor einem Berg von Problemen zu stehen, wusste ich leider nur allzu gut.
Wir hatten beschlossen, unsere Agentur streng geheim zu halten. Niemand ahnte, dass wir drei zusammen mit Medusa dahintersteckten.
»Es meldet sich bestimmt bald jemand«, versicherte ich Isabella. Schließlich hatten wir mit Medusas Hilfe auf den Handys und Computern der Kinder aus der Umgebung Werbeanzeigen geschaltet. In Gedanken malte ich mir bereits aus, wie wir mögliche Verbrecher verfolgten oder arme Mitschüler vor fiesen Erpressern beschützten. Was für Aufträge uns auch immer erwarteten – es würde ganz bestimmt aufregend werden.
Nach der Schule gingen wir zu Isabella und sie scannte mir schnell den Haufen Zettel von Herrn von Hageboom ein.
»Ist alles in deinem Mailfach«, sagte sie, als sie mich zur Haustür brachte.
»Gut. Ich lade das nachher gleich bei Medusa ab.« Ich schnitt eine Grimasse. »Jetzt brauche ich nur noch einen Praktikumsplatz für den Future Day.«
»Soll ich nicht doch mal fragen, ob du bei mir mitkommen kannst?«, bot Isabella an.
»Nein, danke. Ich fürchte, das würde nicht gut gehen«, erwiderte ich. Isabella hatte ihren absoluten Traumplatz bekommen. Das IAFZ, also das Internationale Atom-Forschungszentrum, war weltberühmt für seine wissenschaftlichen Untersuchungen mikroskopisch kleiner und kleinster Teilchen. Oder so ähnlich. Kurz gesagt: Ich hatte null Ahnung, was dort eigentlich gemacht wurde. Im Gegensatz zu Isabella, die bereits einen kompletten Fragenkatalog zusammengestellt hatte und die Stunde herbeisehnte, in der der Future Day endlich begann. Nein, das war kein geeigneter Praktikumsplatz für mich. Sie würden dort innerhalb von zwei Sekunden herausfinden, dass ich weder etwas von Physik und Mathe noch von Technik verstand. Ich brauchte etwas anderes. Nur was?
Zu Hause versammelten wir uns zum Mittagessen rund um den riesigen Holztisch im Salon, wie Mama das Wohnzimmer nannte. Nur Norma war noch unterwegs.
»Du suchst immer noch einen Praktikumsplatz? Das kann doch nicht so schwer sein«, dröhnte Opa. »Hast du schon mal in diesem Beerdigungsinstitut am Friedhof nachgefragt?«
Ein Beerdigungsinstitut? »Ähm, ich dachte eher an etwas … Zeitgemäßeres«, wandte ich vorsichtig ein.
»Was ist aktueller als der Tod?« Opa nahm den Kopf von den Schultern und knallte ihn nicht eben sanft auf die Tischplatte, woraufhin Vasco zusammenzuckte und Schere und Papier fallen ließ. Was bastelte er denn da?
Seitdem Norma und Vasco hier eingezogen waren, suchten sie fieberhaft nach einer neuen Beschäftigung. Bisher jedoch ohne Erfolg.
»Bald habe ich mich daran gewöhnt«, wisperte Vasco mir zu, dann griff er nach einem signalroten Stück Papier und klebte es auf die Rückseite eines grünen Pappschildes.
»Klar doch.« Ich nickte ermutigend. »Noch ein paar Mal und es fällt dir gar nicht mehr auf.«
»Ehrlich, Junge, so ein Beerdigungsinstitut ist doch en vogue, gestorben wird schließlich immer«, fuhr Opa fort, streckte den Arm aus und kratzte sich nachdenklich unterm Kinn. »Sagt ihr das eigentlich noch so? En vogue?«
»Ich glaube, heutzutage heißt es eher up to date«, mischte sich Vasco ein. »Aber ein Beerdigungsinstitut? Da findet sich doch bestimmt etwas Passenderes für Robert. Wie wäre es mit etwas Sozialem? Einem Kindergarten oder einem Altersheim vielleicht?«
»Hm, ich weiß nicht.« Misstrauisch beäugte ich den gräulichen Schleim, den Papa gerade mit einer Suppenkelle auf meinen Teller bugsierte.
Er bemerkte meinen Blick. »Selbst gemachtes Kartoffelpüree«, verkündete er strahlend. »Ha, ich hab’s! Robert, warum probierst du es nicht als Kochlehrling?«
»Dolle Idee, Henry«, grunzte Opa. »Dann schält er den ganzen Tag Kartoffeln, schrubbt dreckiges Geschirr und ist abends ganz beduselt von den Bratgerüchen in der Restaurantküche.«
»Nun, zu unserer Zeit gab es diese wunderschönen Blumengebinde«, warf Mama verträumt ein. Sie nahm sich den spitzen Knochen, den sie immer als Haarnadel verwendete, aus ihrem Dutt und band sich die Haare zu einem ordentlichen neuen Knoten. »Die machten auf Särgen ordentlich was her … Vielleicht so etwas?«
»Ich denk mal drüber nach«, sagte ich, weil ich sie nicht enttäuschen wollte. Vorsichtig probierte ich eine Löffelspitze Püree. Wenn man die Augen zumachte, schmeckte es eigentlich gar nicht so schlecht.
Tja, was den Future Day anging, hatte ich mir eigentlich etwas vorgestellt, bei dem ich mich für unsere Agentur vorbereiten konnte. Doch weder bei der Kripo noch bei den zwei Privatdetektiven, die es in der Stadt gab, hatte es geklappt. Alle hatten meine Anfrage freundlich, aber unmissverständlich abgelehnt. Als Nächstes hatte ich mich bei einem Kryptoanalytiker, dessen Beruf das Entschlüsseln von Geheimschriften war, nach einem Praktikumsplatz erkundigt – auch ohne Erfolg. Danach waren mir die Ideen leider ein wenig ausgegangen.
Opas Miene hellte sich auf. »Hm, was gibt es denn da noch? Pulveraffe, Gasriecher, Aufwecker oder Haderlump vielleicht?«
Ich riss die Augen auf. »Was sind das denn für seltsame Berufe?«
»Ausgestorbene«, antwortete Vasco trocken. »Die gibt es allesamt nicht mehr.«
»Du bist aber schwer zufriedenzustellen, Robert«, brummte Opa.
»Wie wäre es denn mit Goldgräber?«, fragte Lorenzo.
»Wo soll ich denn hier nach Gold graben?« Ich schob den Teller mit dem Kartoffelpüree unauffällig beiseite. Es war hoffnungslos. Wo sollte ich bloß in zwei Tagen einen Praktikumsplatz herbekommen? Und am besten einen, der mir auch gefiel?
Mama schwebte zu mir und legte mir sanft eine Hand auf den Arm. Wie immer erschauerte ich kurz, denn wie alle Geister strahlte sie eine eisige Kälte aus.
»Was würde dir denn am meisten Spaß machen, mein Schatz?«, fragte sie.
»Abgesehen von den Jobs, bei denen ich abgelehnt wurde? Hm …« Ich überlegte kurz. »Am liebsten würde ich bei Mrs Scout-Thomas in der Tierhandlung arbeiten«, sagte ich ehrlich. »Aber die ist ja leider geschlossen.«
»Ich könnte Smetty fragen, ob er dich im Kiosk beschäftigen kann«, schlug Vasco vor.
Das war lieb, aber im Kiosk hing ich sowieso schon ständig herum, las Comics und trank Herrn Smirnows Limonade. Das war doch kein richtiges Praktikum.
»Huhu!«, rief es da aus dem Flur. Im nächsten Moment sprangen die Türen vom Salon auf und Norma stürmte herein.
»Ich hoffe, es ist noch was vom Mittagessen da?«, fragte sie hoffnungsvoll.
Im Gegensatz zu Vasco und mir schien sie sich niemals irgendwelche Gedanken um Papas Kochkünste zu machen. Im Gegenteil: Sie aß einfach alles, was Papa ihr servierte, ganz gleich wie es roch oder aussah. Dabei ignorierte sie sogar Vascos oder meine versteckten Hinweise, wenn wir sie vor etwas besonders Scheußlichem warnen wollten.
»Aber natürlich! Bin gleich wieder da!« Papa schwebte durch die Wand in die Küche. Seitdem er nicht nur für mich, sondern auch für Norma und Vasco kochte, war er meistens in Hochstimmung und suchte den halben Tag nach neuen Rezepten. Das war schön, nur wäre es noch schöner, wenn er sich dann auch an die Rezepte halten und weniger experimentieren würde.
Norma ging auf mich zu und drückte mir einen Kuss auf die Wange, dann ließ sie sich auf einen Stuhl fallen und strich Unfug über den Rücken, der sie schwanzwedelnd begrüßte. »Was habe ich verpasst?«, fragte sie und schaute uns erwartungsvoll an.
»Nur das Drama um diesen … wie heißt das? … Fun Day«, antwortete Opa und setzte seinen Kopf wieder auf.
»Es heißt Future Day, Arthur«, korrigierte Mama ihn.
»Oh, da braucht Robert wirklich etwas Geeignetes«, sagte Norma.
Vasco lächelte sie an. »Wie war es denn heute bei dir, Liebling? Hat dir das Probearbeiten bei der Goldschmiedin gefallen?«
Täuschte ich mich oder wurde Norma ein bisschen rot? O-oh, da war doch bestimmt etwas schiefgegangen …
»Also, ich glaube, es lief ganz gut«, sagte sie. »Allerdings habe ich einer Kundin mit einem Ohrring in den Hals gepikt. Aber nur aus Versehen! Und es hat auch nur ganz kurz geblutet.«
»Ach, das ist doch nicht schlimm«, meinte Mama, während Vasco einen erschrockenen Blick mit Papa wechselte. »Beim Anprobieren von Schmuck fließt doch öfters mal Blut. Zu meiner Zeit war es jedenfalls so.«
Heißhungrig stürzte Norma sich auf den Teller mit Kartoffelpüree und begann zu essen.
Vasco nutzte die Gelegenheit und schob ihr auch gleich seinen Teller zu.
»Aber als der Computer ausgefallen ist, hatte ich ihn im Nu repariert«, erzählte Norma mit vollem Mund. Sie ließ sich von Papa noch einen Nachschlag geben. »Ich konnte heute jedenfalls kreativ arbeiten und das wollte ich ja schon immer mal«, sagte sie. »Aber wahrscheinlich wäre etwas Technisches doch besser für mich. Na, mal sehen, wie es heute Nachmittag noch so läuft.«
Wo wir gerade beim Thema waren … Ich schob meinen Stuhl zurück. Herrn von Hagebooms Haus- oder besser Extraarbeiten mussten ja auch noch erledigt werden. »Ich muss los, hab noch einen Berg Hausaufgaben.«
Lorenzo sauste über den Tisch und auch Unfug sprang auf. »Wir kommen mit«, sagte Lorenzo vergnügt. »Und helfen dir ein bisschen.«
»Oh nein!«, stieß Norma hervor und sprang vom Stuhl auf. Sie zeigte auf ein kleines graubraunes Etwas, das über die Tischplatte wuselte. »Das geht echt zu weit!«
»Wie – zu weit?«, fragte Lorenzo verwirrt und blieb in der Luft schweben.
»Eine Maus!«, rief Mama und entschuldigte sich sofort. »Ich finde sie ja putzig, aber ich weiß, beim Essen haben sie hier nichts zu suchen.«
Sie versuchte, die Maus wegzuscheuchen, doch die scherte sich nicht um Mamas hektische Handbewegungen und knabberte an einem Krümel.
»Oh, ich hasse diese Biester!«, jammerte Norma. »Es tut mir leid, da kann ich nicht aus meiner Haut. Gebt mir Schlangen, Spinnen, Fledermäuse, Käfer … alles kein Problem. Nur diese langen, dünnen …«
RUMS! Opa hatte seinen Spazierstock herausgeholt und auf den Tisch gedonnert. »Das haben wir gleich«, brüllte er und holte wieder aus.
Die verängstigte Maus sprintete los, direkt auf Norma zu.
»Nein!«, schrie Norma und hüpfte mit einem Hechtsprung aufs Sofa.
»Keine Gewalt, Vater«, rief Papa, bevor Opa erneut zuschlagen konnte. »Das lässt sich doch raffinierter lösen.«
»Ach ja?« Opa rollte mit den Augen. »Wie denn?«
Papa schwebte zu einer Kiste und holte schwungvoll seinen Zauberstab und den Zylinder hervor. Er warf sich seinen zerschlissenen Umhang mit dem verblichenen Sternenmuster um. Opa stöhnte laut und tippte ungeduldig mit der Spitze seines Stocks gegen das Tischbein.
Während wir alle gespannt warteten, spazierte die Maus, die sich offensichtlich von ihrem Schrecken erholt hatte, wieder seelenruhig über den Esstisch. Papa hob die Hände und murmelte beschwörend einige unverständliche Worte.
»Henry«, ermahnte Mama ihn, nachdem sie einen Seitenblick auf Norma geworfen hatte, die blass und mit Schweißperlen auf der Stirn auf dem Sofa hockte und wie gebannt die Maus anstarrte. »Beeil dich ein bisschen, ja?«
»Schon fast fertig, mein Schatz«, gab Papa zur Antwort, riss den Zauberstab hoch und zeigte damit auf die unbeeindruckte Maus. »Errator errate Maximiator!«, donnerte er.
Unbeirrt steckte die Maus ihre Nase in einen Klecks Kartoffelpüree. Sie wirkte völlig unverändert – nein, halt! War sie nicht ein kleines bisschen größer geworden?
Das war auch Norma nicht entgangen. »Sie wächst!«, schrie sie.
»Ähm, ich glaube, ich habe da was verwechselt.« Papa rückte seine Fliege zurecht. »Errator cantate Maximultator!«, probierte er es erneut.
Es zischte und die Maus machte einen Satz in die Luft, dann wieselte sie wieder über die Tischplatte.
»Oh«, machte Papa enttäuscht. »Also neulich hat das richtig gut geklappt. Bei diesem Marienkäfer. Wirklich!« Zerknirscht sammelte er seine Zaubersachen wieder ein.
Opa schob ihn rüde zur Seite. »Das reicht!« Mit Wucht knallte er den Spazierstock noch mal auf den Tisch.
Die Maus quietschte auf und flitzte los. Diesmal geradewegs zu mir!
»Ihr macht ihr Angst!«, rief ich, schnappte mir Papas Zauberhut und stülpte ihn kurzerhand über die Maus. Dann schob ich ein Stück Karton darunter und trug sie zur Terrassentür.
»Bring sie bitte schön weit weg«, rief Norma mir nach.
Natürlich! Schon allein im Interesse der Maus. Sie blinzelte mich dankbar an, als ich sie am Gartenteich absetzte, dann huschte sie durch das Gras davon.