Sprachstandsdiagnose - Durchführung und Auswertung der Profilanalyse bei Vorschulkindern - Jennifer Broek - kostenlos E-Book

Sprachstandsdiagnose - Durchführung und Auswertung der Profilanalyse bei Vorschulkindern E-Book

Jennifer Broek

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  • Herausgeber: GRIN Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2011
Beschreibung

Bachelorarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Pädagogik - Kindergarten, Vorschule, frühkindl. Erziehung, Note: 1,3, Universität Münster (Germanistisches Institut ), Sprache: Deutsch, Abstract: 1. Einleitung „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“, konsta-tierte schon Wittgenstein (1921: 246) im beginnenden 20. Jahrhundert. Dass „die Grenze der Welt“ für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ) im 21. Jahrhundert die Bildung darstellen kann, attestieren internationale ver-gleichende Schulleistungsstudien wie PISA (Programme for international Student Assessment) und IGLU (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung), die einen maßgeblichen Einfluss der Sprachkompetenz auf den Bildungserfolg festgestellt haben (Roux 2005). Dass ein erheblicher Teil der in Deutschland lebenden Kinder und Jugendlichen aus Zuwanderer-familien aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse keine Teilhabe an Bildung hat, zeigt deutlich, dass diagnostische Instrumente von Nöten sind, die Lücken in der Sprache offenbaren und Lernziele festlegen können. In der vorliegenden Arbeit wird die Profilanalyse nach Wilhelm Grießhaber vorgestellt, an Vorschulkindern durchgeführt und ausgewertet. Dieses Ver-fahren erfasst den Sprachstand von Zweitspracherwerben anhand syntakti-scher Strukturen, die in einer invarianten Reihenfolge erworben werden. Für die Einteilung in insgesamt fünf Profilstufen, von denen die höchste dem muttersprachlichen Niveau entspricht und von gleichaltrigen deutschen Kindern tatsächlich erreicht wird, ist die Stellung des Verbs die zentrale Größe. Nach Grießhaber (2006, 2010) legen die Ergebnisse der Profilanalyse den tatsächlichen Sprachstand in der Zweitsprache insofern dar, als dass sich der Blick auf die grammatischen Tiefenstrukturen der Sprache richtet, deren Erwerbsreihenfolge, wie empirische Befunde zeigen, bei allen Lernern gleich ist. Im Rahmen dieser Arbeit wird der Sprachstand zweier Vor-schulkinder untersucht, die zum Zeitpunkt der Sprachstandserfassung Vor-schulkinder waren. Sie sind libanesischer Herkunft und lernen Deutsch als Zweitsprache seit dem Eintritt in die Kindertagesstätte in ihrem 3. Lebens-jahr. Das Ziel der Untersuchung ist, den Sprachstand mit der Profilanalyse zu ermitteln und diesen im Hinblick auf die Methodik, den Spracherwerbs-typ nach Grießhaber & Rehbein (1996) und soziale Bedingungen zu analy-sieren.

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Inhaltsverzeichnis

 

1.    Einleitung

2.    Theoretische Einleitung ins Thema Zweitspracherwerb

2.1      Definitionen

2.2      Zweitspracherwerbsforschung

2.3      Zweitspracherwerbstypen nach Grießhaber und Rehbein (1996)

2.4      Praxis und Relevanz von Diagnostik

3.    Grundlagen der Profilanalyse nach Grießhaber

3.1      Linguistische Grundlage der Profilanalyse: Die Klammerstruktur der deutschen Sprache

3.2      Die Erwerbsreihenfolge im Zweitspracherwerb

3.3      Der vereinfachte Profilbogen nach Grießhaber

4.    Durchführung der Profilanalyse

4.1      Die Probanden

4.2      Der Kontext der Datenerhebung

5.    Ergebnisse

5.1      Ergebnisse der Daten von Kind HAS

5.2      Ergebnisse der Daten von Kind HAM

6.    Diskussion der Ergebnisse

6.1      Ergebnisse im Kontext der Datenerhebung

6.2      Abweichungen an der „Wortoberfläche“

6.3      Ergebnisse im sozialen Kontext

7.    Kritische Betrachtung der Profilanalyse

8.    Fazit

9.    Literaturverzeichnis:

10.  Anhang

I.         Transkription Kind HAS

II.       Transkription Kind HAM

1. Einleitung

„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“, konstatierte schon Wittgenstein (1921: 246) im beginnenden 20. Jahrhundert. Dass „die Grenze der Welt“ für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ) im 21. Jahrhundert die Bildung darstellen kann, attestieren internationale vergleichende Schulleistungsstudien wie PISA (Programme for international Student Assessment) und IGLU (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung), die einen maßgeblichen Einfluss der Sprachkompetenz auf den Bildungserfolg festgestellt haben (Roux 2005). Dass ein erheblicher Teil der in Deutschland lebenden Kinder und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse keine Teilhabe an Bildung hat, zeigt deutlich, dass diagnostische Instrumente von Nöten sind, die Lücken in der Sprache offenbaren und Lernziele festlegen können.

In der vorliegenden Arbeit wird die Profilanalyse nach Wilhelm Grießhaber vorgestellt, an Vorschulkindern durchgeführt und ausgewertet. Dieses Verfahren erfasst den Sprachstand von Zweitspracherwerben anhand syntaktischer Strukturen, die in einer invarianten Reihenfolge erworben werden. Für die Einteilung in insgesamt fünf Profilstufen, von denen die höchste dem muttersprachlichen Niveau entspricht und von gleichaltrigen deutschen Kindern tatsächlich erreicht wird, ist die Stellung des Verbs die zentrale Größe. Nach Grießhaber (2006, 2010) legen die Ergebnisse der Profilanalyse den tatsächlichen Sprachstand in der Zweitsprache insofern dar, als dass sich der Blick auf die grammatischen Tiefenstrukturen der Sprache richtet, deren Erwerbsreihenfolge, wie empirische Befunde zeigen, bei allen Lernern gleich ist. Im Rahmen dieser Arbeit wird der Sprachstand zweier Vorschulkinder untersucht, die zum Zeitpunkt der Sprachstandserfassung Vorschulkinder waren. Sie sind libanesischer Herkunft und lernen Deutsch als Zweitsprache seit dem Eintritt in die Kindertagesstätte in ihrem 3. Lebensjahr. Das Ziel der Untersuchung ist, den Sprachstand mit der Profilanalyse zu ermitteln und diesen im Hinblick auf die Methodik, den Spracherwerbstyp nach Grießhaber & Rehbein (1996) und soziale Bedingungen zu analysieren.

Die Gliederung der vorliegenden Arbeit gestaltet sich wie folgt: Das an die Einleitung anschließende Kapitel 2 stellt theoretische Grundlagen des Zweitspracherwerbs dar. Dazu werden Definitionen der verwendeten Termini erläutert und ein Überblick der in der Zweitspracherwerbsforschung gängigen Theorien gegeben. Im Speziellen werden die Zweitspracherwerbstypen nach Rehbein & Grießhaber (1996) vorgestellt, nach deren Schema die Probanden im empirischen Teil dieser Arbeit eingeordnet werden. Schließlich wird das Erläuterte mit dem Kontext der Institution Schule verbunden und die Relevanz der Diagnostik im Zweitspracherwerb herausgestellt.

In Kapitel 3 wird die Profilanalyse nach Grießhaber vorgestellt. Die der Profilanalyse zugrunde liegende Klammerstruktur der deutschen Sprache wird erläutert und die daraus resultierende invariante Erwerbsreihenfolge ebendieser syntaktischen Strukturen bei Zweitspracherwerbern dargestellt. Folgend wird die Methode der  Profilanalyse nach Grießhaber vorgestellt und die Durchführungs- und Auswertungsmodalitäten werden erläutert. Kapitel 4 widmet sich den Grundlagen der Untersuchung, indem Informationen über die Probanden bezüglich der Sprachbiographie gegeben werden. Ferner werden die verschiedenen Kontexte der Datenerhebung dargestellt. Die Ergebnisse der Untersuchung werden in Kapitel 5 in einer Tabelle präsentiert und erläutert. Das 6. Kapitel diskutiert die Ergebnisse im Hinblick auf den Sprachstand und berücksichtigt die Aufnahmesituationen, den Zweitspracherwerbskontext und soziale Bedingungen der Probanden. Die kritische Betrachtung der Methode der Profilanalyse zur Sprachstanderhebung von Vorschulkindern erfolgt in Kapitel 7. Die vorliegende Arbeit schließt mit dem Fazit in Kapitel 8 ab.

Die Auswahl des Themas dieser Arbeit geschah keineswegs willkürlich. Die Beschäftigung mit Kindern und Jugendlichen mit Deutsch als Zweitsprache im deutschen Bildungssystem stellt für eine angehende Grundschullehrerin eine interessante Herausforderung dar. Sie muss sich in ihrer späteren Arbeit dieser Problematik stellen und kann von einer Beschäftigung mit dieser Thematik, die leider noch kein verpflichtender Bereich der universitären Ausbildung ist, nur profitieren.

2.                Theoretische Einleitung ins Thema Zweitspracherwerb

 

2.1           Definitionen

 

In der Zweitspracherwerbsforschung wird zwischen dem Erwerb einer Erstsprache (L1), einer Zweitsprache (L2), sowie dem Erwerb einer Fremdsprache unterschieden. Mit dem Begriff „Erstsprache“ wird diejenige Sprache bezeichnet, die der Mensch zuerst lernt, sie bezeichnet also den Anfang einer Erwerbsfolge. Die Erstsprache wird synonym auch als „Muttersprache“ bezeichnet (Oksaar 2003). Dabei muss die Sprache nicht zwingend die der Mutter sein, sondern jene, welche „wir als Kinder von den Erwachsenen, die uns umgeben, gehört haben“ (Oksaar 2003:7). Der Erwerb der Erstsprache ist ein komplexer Prozess, bei dem Faktoren wie die neurobiologische Veranlagung, die kognitive Entwicklung des Kindes, der soziale Kontext und die Interaktion zwischen Kind und Eltern eine zentrale Rolle spielen (Oksaar 2003).

 

In der Sprachlehrforschung und der Soziolinguistik wird zwischen Zweit- und Fremdsprache unterschieden. Diese Differenzierung wird mit dem Erwerbskontext begründet. Eignet sich ein Lerner eine Sprache im Kontext der Ausgangskultur, also seiner eigenen, an und wird die Sprache vorwiegend im Unterricht gelernt, so spricht man von der Fremdsprache (Kniffka & Siebert-Ott 2007). Findet der Erwerb in der Zielkultur und vorwiegend in alltäglichen Kontaktsituationen statt und hat die Sprache einen besonderen Stellenwert für die Aufrechterhaltung oder Veränderung der Identität, so bezeichnet man sie als Zweitsprache (Kniffka & Siebert-Ott 2007). In diesem Zusammenhang wird auch zwischen dem „Lernen“ einer Fremdsprache und dem „Erwerben“ einer Zweitsprache differenziert (Kniffka & Siebert-Ott 2007). Lernen wird dabei als bewusstes Erwerben verstanden und mit gesteuertem Unterricht verbunden, Erwerben dagegen als unbewusst und ungesteuert angesehen (Kniffka & Siebert-Ott 2007).

 

Die vorliegende Arbeit behandelt Aspekte des Erwerbs von DaZ.

 

2.2           Zweitspracherwerbsforschung

 

In der Spracherwerbsforschung gibt es keine allgemein akzeptierte Theorie, die den Spracherwerb in der Erst- und Zweitsprache erklärt (Oksaar 2003). Dies mag vor allem daran liegen, dass es sich bei dem Spracherwerb um einen komplexen Vorgang handelt, in den mehrere Faktoren einwirken, die bei den Lernern individuell ausgeprägt sind. Bis in die 1960er Jahre war die in den USA entstandene Kontrastivhypothese vorherrschend, die der L1 einen maßgeblichen Einfluss auf den L2-Erwerb zuschreibt. Lexik und Grammatik der L2 werden als „habits“ verstanden, die im Prozess des Zweitspracherwerbs transferiert werden (Grießhaber2010). Der Lerner überträgt demnach die sprachlichen Strukturen seiner L1 auf die L2. Sind L1 und L2 strukturell gleich, findet ein positiver Transfer statt, die L2-Äußerungen sind korrekt. Befindet sich zwischen L1 und L2 eine Differenz, ist der Transfer negativ und die L2-Äußerungen sind nicht korrekt (Grießhaber 2010). Der L1 kommt nach dieser Hypothese im L2 Erwerb eine zentrale Rolle zu, denn Unterschiede in den beiden Sprachen werden für Lernschwierigkeiten und Fehler herangezogen (Grießhaber 2010). Der Ansatz basiert auf Annahmen des Behaviorismus, welche Versuch und Irrtum als zentrale Größe für den Erwerb richtiger L2-Strukturen benennen. Demnach sollen unkorrekte L2-Strukturen, die aus der L1 resultieren, durch die korrekten L2-Strukturen überschrieben werden (Grießhaber 2010). Der Lernprozess selbst wird als Imitation von Vorbildäußerungen betrachtet, so dass im Laufe des Zweitspracherwerbs richtige Äußerungen verstärkt und unkorrekte Äußerungen von der Umwelt ignoriert werden. Der behavioristische Ansatz wurde schon in dem Jahrzehnt seiner Entstehung für das komplexe Lernobjekt Sprache in die Kritik genommen (Grießhaber 2010). Zentraler Punkt dieser Kritik ist der hohe Lerngewinn in der L2 von Kindern, deren Eltern die L2 nur unzureichend sprechen. Trotz unzureichender Kenntnisse der Eltern sind Kinder in der Lage, die Sprache adäquat zu erwerben, was darauf schließen lässt, dass Kinder fähig sind, „aus einem unvollkommenen Input einen vollkommenen Output zu erzeugen“ (Grießhaber 2010). Ferner wird die Dauer des Spracherwerbs (ca. 5 Jahre) als sehr kurz bezeichnet, was die Annahme von angeborenen sprachlichen Strukturen untermauert. Ein weiteres Argument gegen die Kontrastivhypothese ist die Fähigkeit von Kindern, die komplexe Grammatik einer Sprache zu erwerben, obwohl ihnen die zugrunde liegenden Regeln nicht vermittelt werden. So kann davon ausgegangen werden, dass Kinder sich die Regeln selbst erschließen und folglich auf angeborene sprachliche Grundstrukturen zurückgreifen können (Grießhaber 2010).