Sprich es an! - Philipp Steffan - E-Book

Sprich es an! E-Book

Philipp Steffan

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Beschreibung

Warum ist Sprache so wichtig? Weil WIE wir etwas sagen, maßgeblich bestimmt, WAS wir aussagen. Der engagierte Verein "Tadel verpflichtet! e.V." entlarvt in diesem neuen Band rechtspopulistische Sprache und das dahinterstehende Weltbild. Er schärft den Blick für rechtspopulistische Sprache und ihre Wirkung, für Selbstverharmlosung und schleichende Verrohung. Praxisnahe Beispiele helfen, schwierige Situationen richtig einzuschätzen und radikal höflich zu kontern.

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Über dieses Buch

Warum ist Sprache so wichtig? Weil WIE du etwas sagst, maßgeblich bestimmt, WAS du sagst. Dieses Buch hilft dir, rechtspopulistische Sprache zu erkennen und ihre Wirkung zu verstehen. Alltagsnahe Beispiele zeigen dir, wie du schwierige Situationen richtig einschätzen und radikal höflich reagieren kannst. Und wie es dir gelingt, Sprache konstruktiv zum Thema zu machen.

 

»Ein wichtiges Buch, das zeigt, wie es geht: sachlich und entschieden widersprechen, wenn im Alltag um uns herum rechtspopulistische Begriffe fallen.«

Ferda Ataman

 

»Ein superkleines Buch mit supergroßer Wirkung. Es zeigt, wie man mit Sprache Rassismus entgegentreten und Frieden stiften kann.«

Heribert Prantl

Lesehinweis

Da es in diesem Buch um die Auseinandersetzung mit rechtspopulistischer Sprache geht, tauchen leider auch entsprechende Begriffe auf. In Kapitel 1–5 vermeiden wir bewusst den Abdruck von rassistischen, antisemitischen, queerfeindlichen und behindertenfeindlichen Beleidigungen. Im Glossar sind jedoch zur Erläuterung rechtspopulistischer Sprache Begriffe zu lesen, die sich aggressiv gegen einzelne Menschengruppen richten.

Vorwort

Ich bin müde.

Ich bin super müde, in einem Land zu leben, das gerne mal so tut, als wäre in puncto Rassismus alles tutti: Rassismus? Haben wir nicht. Als wäre das gerade ausverkauft, weil die letzte Saison super lief.

Und überhaupt sind ja eh gerne mal die Betroffenen selbst schuld an dem Diskriminierungsschlamassel: Die stellen sich aber auch immer an.

Als wäre es ein Hobby, wenn man beispielsweise rassistisch beleidigt wird. So nach dem Motto: Und was hast du heute Feines erlebt? Du, ich wurde mal wieder aufgrund meiner Hautfarbe als faul, kriminell und dumm abgestempelt. Hat richtig Fun gemacht.

Ich bin müde, weil einige Rechtspopulismus erst auf dem Zettel hatten, als die AfD in den deutschen Bundestag einzog. Als wäre Rechtspopulismus 2015 ein neues Musikalbum: Wow, das habe ich noch nie gehört, gar nicht groovy.

Dabei wird gerne vergessen, dass die Menschen, die von Rechtspopulist*innen angegriffen werden, die Nummer ganz genau kennen, aka ein Lied davon singen können. Nur haben Teile der Mehrheitsgesellschaft dabei gerne mal den Stummmodus angeschaltet.

Rechtspopulismus ist aber eben kein One-Hit-Wonder, sondern ein Evergreen und natürlich hat die AfD nicht die exklusiven Rechte daran. Vielmehr sind Rassismus und daraus resultierender Rechtspopulismus fest verankert in unserer Gesellschaft.

Wie oft wird und wurde in den Medien der Begriff »Flüchtlingskrise« benutzt? Als wären Menschen, die vor Krieg und Hunger fliehen eine unberechenbare Naturkatastrophe, die das »Abendland« wegfegt.

Wie oft werden und wurde darüber diskutiert, ob der Islam jetzt zu Deutschland gehört oder nicht?

Wie oft werden und wurden Lebensrealitäten infrage gestellt, die nicht dem Max-und-Erika-Mustermann-Ideal entsprechen? Viel zu oft!

Deswegen darf sich auch niemand wundern, wenn Rechtspopulismus gerade mal wieder, und die Betonung liegt auf wieder, en vogue ist. Denn Medien, Politik, Zivilgesellschaft: Wir alle haben unseren Teil dazu beigetragen. Und mit wir, meine ich natürlich auch mich.

Denn nur weil ich schwarz bin, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht selbst auch rassistische Tendenzen mit mir herumschleppe. Die Frage ist eher: Wem gebe ich die Schuld daran? Meinem Gegenüber, das ich aufgrund meiner eigenen Engstirnigkeit diskriminiere oder suche ich den Fehler bei mir selbst.

Auch ich bin mit der Idee groß geworden, dass alles, was nicht in eine vermeintliche und konstruierte Norm passt, als weniger wertvoll oder als Gefahr abgestempelt werden kann.

Auf rechtspopulistisch klingt das dann so: Ich habe nichts gegen Ausländer*innen, aber …

Wer also Rechtspopulist*innen radikal höflich widersprechen möchte, ist herzlichst eingeladen, erst einmal vor der eigenen Rassismus-Tür zu kehren. Da haben sich nämlich bestimmt ein paar Staubmäuse angesammelt. Und wer ordentlich und gründlich durchfeudelt, also das eigene rassistische Verhalten reflektiert, Betroffene ernst nimmt und ihnen zuhört, hat genug Rückenwind, um Rechtspopulist*innen den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Und das mit dem Wind-aus-den-Segeln-nehmen sollten wir uns alle aufs Fähnchen schreiben. Denn Rechtspopulist*innen verkaufen Rassismus und andere Diskriminierungsformen als Meinung à la: Das wird man doch noch sagen dürfen.

Nein, man darf nicht alles sagen, das durfte man noch nie: Es war zum Beispiel noch nie okay, das N-Wort zu benutzen. Es hat nur niemanden gejuckt. Weil gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit mit Meinung so viel zu tun hat, wie Friedrich Merz mit Feminismus.

Wer oft müde ist, hat viel Zeit zum Träumen. Und ich träume, nein, ich fordere eine Gesellschaft, in der alle Menschen demokratisch mitmischen können. Eine Gesellschaft, in der Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Islam-, Queerfeindlichkeit und andere Diskriminierungen eben doch einen auf One-Hit-Wonder machen. Eine Gesellschaft, in der Menschen mit Migrationsgeschichte nicht als »Fremde« gelesen werden. Eine Gesellschaft, die stattdessen Migration feiert, Normalität hinterfragt und alle Lebensmodelle mit einem High-Five wertschätzt. Eine Gesellschaft, in der Rechtspopulist*innen nichts zu melden haben.

Ich bin mir sicher, wir kriegen das hin. Und zwar radikal höflich!

Tarik Tesfu

Kapitel 1: Sprich über Sprache!

Du bist in einer Gruppe unterwegs. Mit einigen bist du befreundet, andere kennst du weniger gut. Ihr redet durcheinander, habt Spaß. Mit einem Ohr hörst du, wie eine Freundin mit ihrem Nebenmann diskutiert. Er sagt: »Man muss schon auch verstehen, dass Menschen Angst vor Überfremdung haben.«

Stopp! Instinktiv willst du ihn darauf hinweisen, dass »Überfremdung« ein »rechter Begriff« ist. Schließlich benutzen ihn AfD-Politiker*innen genauso wie rechtsradikale Youtuber*innen. Gerade weil sich Begriffe wie dieser in den vergangenen Jahren immer weiter in unserer Sprache ausbreiten, denkst du, wäre es eigentlich wichtig, etwas dazu zu sagen.

Sprung ins kalte Sprachwasser

Denn rechtspopulistische Sprache ist ausgrenzend und diskriminierend. Der Begriff »Überfremdung« ist an Überfüllung oder Übersättigung angelehnt. Er legt nahe, es gäbe »zu viel« von etwas angeblich Fremden, wodurch Gewohntes verdrängt werde.

Gemeint sind aber Menschen. Menschen, die eine andere Religion, Sprache, »Hautfarbe« oder Staatsangehörigkeit haben als die Bevölkerungsmehrheit. Indem sie als »fremd« bezeichnet werden, übernimmt der Begriff die rechtspopulistische Trennung zwischen »Wir« und »den Anderen« (»den Fremden«). Er grenzt Menschen sprachlich aus unserer Gesellschaft aus, die selbstverständlicher Teil von ihr sind. Ihr Recht, hier zu leben, wird so unterschwellig infrage gestellt.

Rechtspopulistische Sprache und Weltbild

Als rechtspopulistische Sprache bezeichnen wir Begriffe, Sprachbilder und Argumentationsmuster, die in ein menschen- und demokratiefeindliches Weltbild passen. Viele dieser Begriffe sind sehr deutlich, andere klingen aber auch »weniger schlimm«.

Manche der Begriffe, die wir als rechtspopulistisch verorten, stammen aus dem Nationalsozialismus oder dem Kolonialismus. Andere sind jünger und gehören zum Standardwortschatz der sogenannten »Neuen Rechten«. Einige werden auch seit Jahrzehnten von Konservativen verwendet und sind Teil unseres alltäglichen Sprachgebrauchs.

Sie alle eint: Ihre gefährliche Wirkung entfalten sie unterschwellig. Viele können zwar rechtsextrem, rechtsradikal oder einfach rassistisch genannt werden. Die Zusammenfassung zu rechtspopulistischer Sprache soll trotzdem nicht verharmlosen! Im Gegenteil: Wenn sowohl die »weniger schlimmen« als auch die klar besetzten Begriffe als rechtspopulistisch verstanden werden, zeigt sich, wie sie zusammenhängen.

Denn gemeinsam transportieren und unterstützen sie die hinter dieser Sprache stehende Denkweise – das rechtspopulistische Weltbild. Es basiert auf einer Gegenüberstellung zweier konstruierter Gruppen: »Wir« und »die Anderen«. Das »Wir« steht für das angeblich einheitliche »Volk«, obwohl Rechtspopulist*innen weder die Bevölkerungsmehrheit noch alle Bevölkerungsgruppen vertreten. Demgegenüber steht die zweite konstruierte Gruppe: »Die Anderen«, die als Feindbilder und Gefährdungen für »das Volk« beschrieben werden, vor denen dieses sich schützen müsse.

Wer alles zu diesen »Anderen« gehört, ist dabei relativ variabel: Zum einen werden Politik- und Medienschaffende als »die da oben«, als »Eliten« oder »Lügenpresse« verunglimpft. Ihnen wird vorgeworfen, sie würden »den Volkskörper« ausnutzen und sich selbst bereichern. Zum anderen gelten im Rechtspopulismus Menschen als Feind*innen, die eine andere Herkunft, Religion, »Hautfarbe«, Geschlechtsidentität, sexuelle Orientierung oder politische Einstellung als die »Wir«-Gruppe haben.

Weil die Feindbilder im rechtspopulistischen Weltbild teilweise austauschbar sind, wird Rechtspopulismus auch als dünne Ideologie bezeichnet. Je nach Feindbild, wird es durch verschiedene Inhalte (und dazu passende Begriffe!) angereichert – zum Beispiel medienfeindliche, anti-feministische oder anti-muslimische. Dadurch zieht es auch Menschen an, die es gar nicht vollständig teilen – und das macht es so gefährlich.

Doch bei dieser Ausgrenzung allein bleibt es nicht: In »Überfremdung« werden die angeblich »Fremden« auch noch zu einer diffusen Gefahr erklärt!

Wenn Begriffe wie »Überfremdung« einfach stehen gelassen werden, werden sie irgendwann Teil der Alltagssprache, fallen in immer mehr Situationen selbstverständlich und schüren Angst vor Einwanderung. Für Betroffene ist das verletzend und bedrohlich! Denn solche Begriffe sind auch das sprachliche Fundament für körperliche Gewalt. Je häufiger sie fallen, je öfter sie versteckt dazu aufrufen, sich vor bestimmten Gruppen zu schützen, desto eher fühlen sich Rechtsextreme zum Handeln aufgefordert – und desto größer ist die Bedrohung für Betroffene.

Traurige Beispiele für diesen Zusammenhang gab es in den vergangenen Jahren zu viele: 2018 in Chemnitz, als ein rechter Mob Jagd auf Menschen mit vermeintlich »fremdem« Aussehen machte. 2019 in Halle, als ein Rechtsextremist nur von einer Holztür daran gehindert wurde, in einer Synagoge jüdische Menschen zu ermorden – und dann auf offener Straße zwei Menschen tötete. Und 2020 in Hanau, als ein rechtsextremer Terrorist in zwei Shisha-Bars neun Menschen mit Migrationsgeschichten erschoss.

In all diesen Fällen begründeten die Täter ihre Angriffe mit einer Bedrohung durch angeblich »Fremde« – ein klar rassistisches, beziehungsweise antisemitisches Motiv. Es ist deshalb wichtig, Begriffe wie »Überfremdung« zum Thema zu machen, auch wenn sie im Alltag und ohne böse Absicht verwendet werden – damit sie sich nicht weiter ausbreiten!

Zurück zur Anfangssituation: Vielleicht hast du trotzdem ein schlechtes Gefühl bei der Vorstellung, die Person auf »Überfremdung« anzusprechen. Du kennst sie kaum und weißt nicht, wie sie reagieren wird. Sie könnte sich angegriffen und vor den Kopf gestoßen fühlen. Eure Beziehung und das Treffen wären belastet. Es könnte auch passieren, dass die Person deinen Einwand beiseite wischt: »Es ist doch nur ein Wort, mach dich mal locker.« Du könntest als moralisierende Spaßbremse gelten. Von deinem Anliegen bliebe in beiden Fällen wenig übrig.

Wie reagierst du also? Wie schaffst du es, einzuschreiten und die Person auf ihren Sprachgebrauch hinzuweisen, ohne sie dabei persönlich zu attackieren? Wie machst du klar, dass dir Sprache und Wortwahl wichtig sind, ohne den Eindruck zu vermitteln, der anderen Person etwas vorschreiben zu wollen? Wie erklärst du, dass es schon hilft, bei scheinbar kleinen Dingen wie der Wortwahl anzufangen, wenn man gesellschaftlich etwas verändern möchte?

Von solchen Situationen und wie du dich in ihnen verhalten kannst, handelt dieses Buch. Es handelt von Sprache, wie sie unser Denken prägt und welche Wirkung sie haben kann. Warum unser Sprachgebrauch also einerseits etwas sehr Persönliches ist, aber gleichzeitig uns alle betrifft – darum geht es in Kapitel 2.

Insbesondere handelt dieses Buch von rechtspopulistischer Sprache. Denn je weiter sie sich in unserem Alltag breitmacht, desto einflussreicher wird auch das menschen- und demokratiefeindliche Weltbild dahinter. Deshalb geht es in Kapitel 3 darum, wie rechtspopulistische Sprache funktioniert und wie wir sie erkennen.

Schließlich und vor allem aber handelt dieses Buch davon, wie du rechtspopulistischer Sprache entgegentreten kannst – und zwar, indem du sie sachlich und radikal höflich zum Thema machst, deine eigene Sprache nutzt und erklärst. In Kapitel 4 geht es anhand konkreter Beispielsituationen ganz praktisch darum, wie du auf rechtspopulistische Sprache reagieren kannst und dabei deinen Überzeugungen und Werten Ausdruck verleihst.