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Dieser Band enthält folgende Romane: (349XE) Ann Murdoch: Ein uralter Bahnfluch Ann Murdoch: Der graue Zirkel Ein mehr als seltsamer Talisman verbindet die Physikstudentin Charlotte mit dem jungen Arzt Marius. Als unbegreifliche, bizarre Vorfälle auftreten, werden die beiden wider Willen in ein gefährliches Abenteuer hineingezogen. Nach und nach müssen sie erkennen, dass viel von ihnen beiden abhängt – das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse muss wiederhergestellt werden, und ihre Aufgabe ist es, die Dunklen Mächte zu besiegen. Eine Aufgabe, an der das ungleiche Pärchen zu scheitern droht …
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Seitenzahl: 252
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Spuk Thriller Doppelband 2008
Copyright
Ein uralter Bannfluch
Der Graue Zirkel
Dieser Band enthält folgende Romane:
Ann Murdoch: Ein uralter Bahnfluch
Ann Murdoch: Der graue Zirkel
Ein mehr als seltsamer Talisman verbindet die Physikstudentin Charlotte mit dem jungen Arzt Marius. Als unbegreifliche, bizarre Vorfälle auftreten, werden die beiden wider Willen in ein gefährliches Abenteuer hineingezogen. Nach und nach müssen sie erkennen, dass viel von ihnen beiden abhängt – das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse muss wiederhergestellt werden, und ihre Aufgabe ist es, die Dunklen Mächte zu besiegen. Eine Aufgabe, an der das ungleiche Pärchen zu scheitern droht …
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
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Alles rund um Belletristik!
von Ann Murdoch
Der Umfang dieses Buchs entspricht 102 Taschenbuchseiten.
Ein uralter Bannfluch lastet auf zwei Familien; es geht um rachlustige Seelen, deren Hass niemals aufzuhören scheint. Die junge, schottische Lady Rowena reist nach Deutschland und lernt dort den Grafensohn Marius kennen. Um den Fluch zu brechen, werden die zwei jungen Leute in haarsträubende Ereignisse hineingezogen; doch auch Amor verschießt seine Pfeile …
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
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© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen Alle Rechte vorbehalten.
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Graf Gregor stand in einer ähnlichen Haltung da wie ihr Vater bei seiner Beschwörung. Was taten diese Männer? Marius fasste sich nach dem ersten Schock recht schnell. Und er hatte durchaus nicht vor, tatenlos zuzusehen, wie sein Vater in eine Welt eintauchte, die ihm nicht nur absolut fremd und unverständlich war, sondern die so unvorstellbar bedrohlich wirkte, dass sein ganzes Weltbild ins Wanken geriet. Er ging auf seinen Vater zu und griff nach einem der hoch erhobenen Arme. Doch der alte Graf war ebenfalls von einem blauen Leuchten eingehüllt, wie auch Lord Douglas bei seiner Beschwörung, und als jetzt Körperkontakt zwischen Marius und ihm zustande kam, sprangen Funken über. Marius schrie auf und wurde von einem heftigen Schlag zurückgeschleudert. Mit einem schweren Krachen fiel er zu Boden ...
Die lauten Hammerschläge hallten durch das Gewölbe der Kapelle. Der Altar, die Statuen und auch die Gemälde an den nur wenig verputzten Wänden waren abgedeckt, um vor dem Staub geschützt zu sein. Denn in der Kapelle von Glengrove Manors, dem malerischen Gebäude inmitten der rauen unwirtlichen Highlands, wurde heftig gebaut.
Der Hausherr von Glengrove, Lord Douglas Conway of Aransborough, hatte sich dazu entschieden, die Kapelle mit einer Heizung ausstatten zu lassen, um auch in den kalten Wintermonaten, wenn Wind und Schnee die Landschaft bedeckten und die Stürme eisig kalt über das Land tosten, den Gottesdienst in behaglicher Wärme feiern zu können.
Die drei Handwerker, die ganz eifrig damit beschäftigt waren, den Boden an verschiedenen Stellen auszuschlagen, um Rohre zu verlegen und Stromkabel zu ziehen, verständigten sich mit lauten Rufen, die in dem Gewölbe widerhallten.
Plötzlich schrie einer von ihnen laut auf. Gleich darauf ertönte ein furchtbares Poltern und Krachen – dann stürzte in einer gewaltigen Staubwolke ein Teil des Steinbodens ein.
Terry Cuttler, der Elektriker, war mit dem Boden in die Tiefe gestürzt und lag jetzt reichlich benommen, aber zum Glück unverletzt, inmitten von Trümmern, Staub und Schutt da und machte trotz des Schocks große Augen.
»Mann, ich werde verrückt«, stieß er schließlich hervor und spuckte aus. »Barney, lauf ganz schnell und hole Seine Lordschaft. Das gibt’s doch gar nicht.«
Barney tat wie geheißen, während Steven, der Monteur, sich auf die Suche nach einer Leiter machte, um Terry die Möglichkeit zu geben, wieder herauszuklettern.
Es dauerte nicht lange, bis Lord Douglas und seine bildhübsche Tochter, Lady Rowena, angelaufen kamen. Das Gesicht des Lords drückte Besorgnis aus.
»Ist jemandem etwas passiert?«, fragte er.
Barney grinste ihn an. »Terry ist hart im Nehmen, Euer Lordschaft, der hat nur ein paar Kratzer. Allerdings wird es nicht ganz billig werden, den Boden wieder ...«
»Geschenkt«, unterbrach ihn der Lord. »Wichtig ist nur, dass keine Verletzten oder gar Menschenleben zu beklagen sind.«
Conway und seine Tochter starrten jetzt ungläubig auf das Loch im Boden. »Eine Krypta«, stellte Rowena fest. »Hat denn niemand gewusst, dass sich unter der Kapelle eine Krypta befindet?«
Lord Douglas zuckte die Schultern. »Es hieß, dass vor mehr als hundert Jahren die Krypta geschlossen und versiegelt wurde. Danach hat man sie einfach vergessen.« Die Stimme des Mannes hatte einen seltsamen Unterton, der Rowena sofort auffiel.
Die 28jährige Frau mit den kupferfarbenen Haaren und den ungewöhnlich leuchtend blauen Augen warf ihrem Vater einen skeptischen Blick zu.
»Das klingt reichlich mysteriös, Dad. Da war doch bestimmt noch mehr. Warum sonst sollte man eine Krypta, einen Raum, der zu einer geweihten Kapelle gehört, einfach versiegeln und vergessen? Das ist doch mehr als ungewöhnlich. Bestimmt gehört dazu eine Geschichte, die du mir bisher vorenthalten hast.«
Der Lord machte eine wegwerfende Handbewegung »Das spielt hier und jetzt keine Rolle.«
Rowena wirkte irritiert, denn das Verhalten ihres Vaters war absolut unüblich. Die junge Frau war jetzt aber von einer gesunden Neugier erfüllt. Da ja keiner der Handwerker verletzt worden war, konnte man jetzt auch das Beste aus der Situation machen und erst mal sehen, ob sich da unten außer Schutt und Dreck noch etwas anderes befand.
»Rowena, sei vorsichtig, du könntest dich verletzen. Lass das doch besser, wir lassen das alles wieder abdichten«, warnte ihr Vater und machte Anstalten, die junge Frau zurückzuhalten. Doch die lachte nur auf und war schon flink auf dem Weg nach unten.
»Terry, haben Sie eine Lampe? – Danke.«
Der Elektriker reichte Rowena einen starken Handstrahler.
Lord Douglas sah noch immer aus, als wollte er seine Tochter von diesem Ausflug ins Ungewisse abhalten, doch die war längst unten und leuchtete umher. Der Staub hatte sich mittlerweile wieder etwas gelegt.
»Wir sollten eine Putzfrau hierherschicken«, spottete Rowena. »Aber mal im Ernst, Dad. Ich würde es toll finden, wenn wir die Krypta in die Kapelle wieder einbringen könnten. Warum sollte man so etwas nicht nutzen, wenn es einem schon so großzügig geschenkt wird. Mann, o Mann, was ist das denn? Dad, komm mal runter, bitte.«
Lord Douglas schickte einen hilfesuchenden Blick gen Himmel, folgte seiner Tochter dann aber.
Unten erwartete ihn ein ausgedehntes Gewölbe, und weiter hinten stand Rowena und beleuchtete ein merkwürdig aussehendes Bündel. Der Lord ahnte mittlerweile, was sie da gefunden hatte, und er konnte nichts dagegen unternehmen, dass ihm ein eisiger Schauder über den Rücken lief. Er wüsste mehr über die Geschichte der Krypta, als er jemals hatte zugeben wollen, und er sah in diesem Augenblick seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Dabei hatte er so gehofft, dass seine geliebte Tochter niemals mit diesen dunklen Geschehnissen aus der Vergangenheit konfrontiert werden würde. Er verwünschte plötzlich sich selbst und seinen eigenen Einfall, eine Heizung in die Kapelle einbauen zu lassen.
Doch es war müßig, jetzt noch darüber nachzudenken. Er musste versuchen, das Beste daraus zu machen.
Er trat jetzt zu Rowena, die mit der Lampe noch immer auf das Bündel leuchtete. Ein Skelett lag daneben, in verrottete Überreste von Kleidung gehüllt. Und eine Kiste stand dabei.
Lord Douglas spürte, dass sein Herz rasend schnell schlug.
»Nicht«, bat er. »Fass das alles nicht an, mein Kind. Lass uns die Krypta wieder schließen und versiegeln.«
»Jetzt reicht es aber, Dad«, erklärte Rowena energisch. »Ich verstehe dich wirklich nicht, und ich denke, du solltest mir diese Geschichte besser erzählen. Aber erst, nachdem wir für eine anständige Beerdigung für diesen Haufen Knochen gesorgt und den Inhalt der Kiste untersucht haben.«
Der Lord schaute seine Tochter unglücklich an, wusste aber gleichzeitig, da er sie in dieser Stimmung nicht bremsen konnte. Wenn sie sich einmal was in den Kopf gesetzt hatte, war es fast unmöglich, sie davon wieder abzubringen. Und im Grunde hatte sie recht und einen sehr vernünftigen Vorschlag gemacht. Es konnte nicht angehen, dass ein Skelett hier herumlag. Zumindest eine ordentliche Beerdigung stand dem zu. Aber diese Kiste! Lord Douglas wäre es lieber, seine Tochter würde sie nicht einmal berühren. Doch das war natürlich nur Wunschdenken, es war bereits zu spät.
Rowena griff nach dem Schloss der Kiste. Es war dermaßen durchgerostet, dass es dem kräftigen Griff nicht viel Widerstand entgegensetzte. Staub wallte auf, als der Deckel zurückflog.
Ein Glitzern und Funkel erfüllte die Krypta, als der Lichtschein der Lampe auf Gold und Edelsteine fiel.
Rowena hielt den Atem an, und auch Lord Douglas schluckte schwer.
Die Kiste war angefüllt mit Schmuckstücken, die einen unglaublichen Wert darstellten.
»Ich glaube, das überrascht dich gar nicht, Dad. Du solltest jetzt vielleicht doch endlich mit einer Erklärung anfangen.«
Dieser aufregende Tag war nun doch endlich zu Ende gegangen. Im Beisein von Father Gregory, dem Hausgeistlichen, waren die traurigen Überreste dessen, was einmal ein Mensch gewesen war, geborgen und aufgebahrt worden. Er sollte eine formlose, gleichwohl aber ordentliche Beerdigung erhalten.
Die Kiste mit dem wertvollen Inhalt war ins Herrenhaus gebracht worden, wo sie sich jetzt hier in der Bibliothek befand, wo sich auch Lord Douglas und seine Tochter aufhielten.
Rowena hatte ihre erste Überraschung überwunden. Jetzt packte sie mit einem ehrfürchtigen Gesichtsausdruck die wertvollen Gegenstände aus der Kiste. Auf einem Tisch hatte Haynes, der Butler, ein Tuch aus Samt ausgebreitet, und die junge Frau legte nach und nach alle Teile darauf ab.
»Zwölf«, sagte sie dann. »Zwölf Gegenstände, die ich, zumindest zum Teil, für sakral halte. Kelche, ein Kreuz, Ringe, wie für einen Bischof, sogar ein Rosenkranz aus Gold und Ebenholz. Und ich werde das Gefühl nicht los, dass du mir eine ganze Menge darüber erzählen kannst. Du solltest das also besser tun, denn mein Gefühl sagt mir auch, dass das wichtig ist.«
Lord Douglas saß in einem Sessel und starrte trübsinnig auf die Ansammlung von wertvollen Gegenständen. Seit Jahren hatte er immer wieder die Hoffnung gehegt, dass er das Wissen, das sich tief in seinem Herzen befand, eines Tages würde vergessen dürfen. Aber nun wusste er, dass seine schlimmsten Befürchtungen Wahrheit geworden waren.
Er steckte sich mit fahrigen Fingern eine Pfeife an, gleich darauf erfüllte der Duft von aromatischem Tabak den Raum. Der Blick des Mannes blieb düster, aber nun begann er doch zu reden.
»Was du hier vor dir siehst, ist die Hälfte eines sakralen Schatzes, den einer unserer Vorfahren geraubt hat. Er befand sich dabei in der Gesellschaft eines anderen Mannes, auf den ich gleich noch zu sprechen kommen werde. Jeder dieser Gegenstände gehörte zu seiner Zeit einem hohen kirchlichen Würdenträger. Unser Vorfahr, dessen Name aus der Ahnentafel gestrichen wurde, hat dieses unvorstellbare Verbrechen begangen, um mit Hilfe dieser Gegenstände Macht zu erlangen.«
Rowena runzelte die Stirn. »Das ist ziemlich weit hergeholt, findest du nicht?«, unterbrach sie ihren Vater. »Wie soll man durch den Diebstahl von Gold und Schmuck Macht erlangen?«
Der Lord seufzte. »Um diese Dinge zu rauben, wurden die jeweiligen Besitzer getötet und dabei mit einem Fluch belegt. Frag’ bitte nicht, auf welche Weise, aber es hat funktioniert, denn Angus besaß Macht und beherrschte Kräfte, die wir heute nicht mehr nachvollziehen können. Und bevor du darüber lächelst, es gibt eine Menge Dinge, die auch ich nicht erklären kann, die ich aber zu respektieren habe. Nun gut, Angus übertrieb es schließlich. Er beschwor dunkle Mächte, die er nicht mehr beherrschen konnte, und so fiel er ihnen schließlich zum Opfer. Sein Bruder Arthur opferte sich schließlich zum Wohl der Familie. Er brachte diesen Schatz in die Krypta und ließ sich selbst dort einmauern, um den Fluch zu brechen. Die Blutlinie wurde dann von seinem zum damaligen Zeitpunkt noch ungeborenen Sohn weitergeführt. Dieses Opfer war jedoch sinnlos, denn es nützte nichts.«
»Du hast jetzt eine Menge erzählt, Dad. Eine wirklich tolle Abenteuergeschichte, wie man sie am Kamin zur blauen Stunde berichtet. Aber davon glaube ich nicht einmal die Hälfte. Es wundert mich nur, dass du mir das alles nicht längst schon einmal erzählt hast. Immerhin gehört auch das zur Familiengeschichte, mag es auch ein dunkles Kapitel sein und vermutlich nicht einmal wahr.«
»Wie ich schon sagte, wurde der Name von Angus aus der Ahnentafel getilgt. Und du tätest gut daran, die Geschichte nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Rowena, glaube mir, jedes Wort davon ist wahr und das ist nicht einmal alles. Aber es ist alles, was ich dir im Augenblick dazu erzählen möchte.«
Rowena lachte auf, doch selbst in ihren Ohren klang das falsch, so als wäre da eine Stimme in ihrem Unterbewusstsein, die sie warnte. »Nun gut, ich stelle das jetzt erst mal so hin. Du sagtest, es war noch jemand daran beteiligt, und dies wäre nur die Hälfte des ganzen Schatzes.«
Seine Lordschaft nickte. »Ja, richtig. Es wird vielleicht einmal wichtig sein, alles zusammen zu haben, aber dazu kommen wir später noch. Der andere Beteiligte war Graf Otto von Meerveldt zu Rosenberg aus Deutschland.
Rowena dachte nach. Sie hatte den Namen schon einmal gehört, aber es gab keine engeren Kontakte zwischen den beiden Familien, wenn sie sich recht erinnerte.
»Dann sehe ich das also richtig, dass die andere Hälfte des Schatzes sich in Deutschland befindet? Ist er dort ebenfalls so gut versteckt wie hier? Hat man ihn dort auch schon vergessen?«
»Nein, das war nicht nötig. Graf Otto hatte seine Macht damals nicht auf diese wahnsinnige Art ausgenutzt wie Angus. Und doch wirst du keinen Teil davon irgendwo offen herumliegen sehen.«
»Warum hast du nicht längst dafür gesorgt, dass dieses Zeugs ausgegraben wird, damit es mit den anderen Stücken vereint werden kann, aus welchen Gründen auch immer? Dann hätte man dieses dunkle Kapitel vielleicht längst abschließen können? Und wenn ihr dann immer noch glaubt, dass ein Fluch darauf liegt, könnte man das alles einem Museum stiften.«
Der gequälte Gesichtsausdruck ihres Vaters gab Rowena weiter Rätsel auf.
»Es gibt da noch ein paar Dinge, die du jetzt noch nicht verstehst. Allerdings möchte ich, dass du nach Deutschland reist und Graf Gregor und seinen Sohn Marius aufsuchst. Der alte Graf wird vielleicht noch etwas mehr dazu zu sagen haben. Aber dann können wir wenigstens darüber beraten, wie es weiteigehen soll. Du musst aber sehr vorsichtig sein.«
»Warum?«, fragte Rowena erstaunt. »Was ist denn schon dabei nach Deutschland zu fliegen? In zwei Stunden bin ich da.«
»Es ist nur so ein Gefühl, eine ungute Ahnung, mein Kind. Und nun willst du mich bitte entschuldigen, ich fühle mich sehr müde.« Lord Douglas stand mit langsamen Bewegungen auf, er wirkte wie ein alter gebrochener Mann, und Rowena verstand noch immer nicht, warum ihn diese Sache so mitnahm. Es war doch eine uralte Geschichte, mit der man heute nur noch indirekt etwas zu tun hatte. Was also belastete ihren Vater so sehr? Eigentlich hätte er doch froh sein müssen, eine alte Geschichte in der Ahnengalerie endlich aufzulösen.
Sie gab ihm zärtlich einen Kuss auf die Wange und schaute ihm hinterher, strich mit den Fingern über getriebenes Gold und funkelnde Edelsteine, bevor sie alles wieder verpackte und in den Kasten legte, den ihr Vater dafür bestimmt hatte. Morgen wollte sie alles nach Glasgow zu einer Bank bringen, um es dort sicher in einem Safe aufzubewahren. Immerhin musste die weitere Verwendung dieser Gegenstände sorgfältig erwogen werden, und die letzte Entscheidung würde bei Lord Douglas liegen.
An der Tür drehte sich Rowena noch einmal um und starrte irritiert in den Raum hinein. War da gerade eine Bewegung gewesen? Nein, Unsinn! Wer sollte sich denn auch hier im Raum noch aufhalten? Schließlich war außer ihr niemand mehr hier. Kopfschüttelnd löschte sie das Licht und ging ebenfalls ins Bett. Doch der Schlaf wollte zunächst gar nicht kommen, und als sie dann doch einnickte, träumte sie sehr unruhig. Seltsame Gestalten tanzten durch ihre Träume und versetzten sie in Angst.
Doch als am nächsten Morgen die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster brachen, lachte die junge Frau sich selbst aus. Da hatte sie sich doch wirklich von den unbegründeten Sorgen ihren Vater anstecken lassen. Verrückt, wirklich, total verrückt.
»Wer ist diese Lady Rowena?«, fragte Graf Marius seinen Vater. Der junge Mann mit den braunen Haaren, die immer etwas eigensinnig in verschiedene Richtung zeigten, blickte seinen Vater, Graf Gregor von Meerveldt zu Rosenberg, neugierig an. Der lächelte geheimnisvoll.
»Sie ist die Tochter von Lord Douglas Conway of Aransborough. Unsere Familien sind seit sehr langer Zeit miteinander befreundet, auch wenn wir in den letzten Jahren diesen Kontakt nicht mehr so eng gepflegt haben. Allerdings hat das unserer Freundschaft keinen Abbruch getan. Der Lord rief mich jedenfalls heute früh an. Es gibt da ein paar Dinge, über die ich auch mit dir noch reden muss, auch wenn ich, und nicht nur ich, gehofft hatte, dass das niemals nötig würde. Leider haben sich besondere Umstände gegeben ...«
Graf Marius schüttelte verständnislos den Kopf. Der 29-Jährige war ein anerkannter Wirtschaftsfachmann, nüchtern und sachlich in seinem Denken und tatkräftig in seinen Entscheidungen. Er hatte nichts übrig für die alte dunkle Geschichte, und schon gar nicht für unbegreifliche Mächte, die in grauer Vorzeit beschworen worden waren. Graf Gregor hatte so etwas schon geahnt, er kannte seinen Sohn und wusste, es würde ein hartes Stück Arbeit werden, ihm den Sachverhalt darzulegen.
Graf Marius hörte sich die Geschichte ungeduldig und ungläubig an, die sein Vater ihm berichtete, und er dachte ähnlich wie Rowena. Wenn es nach diesen beiden ging, dann stellte man die Gegenstände aus dem zweiteiligen Schatz einem Museum als Dauerleihgabe zur Verfügung und kümmerte sich nicht mehr darum. Das bot sogar noch den Vorteil einer steuerlichen Abschreibung. Was also sollte dieses dumme Gerede von Gefahr und Beschwörungen? Graf Gregor war doch sonst auch eher nüchtern und hielt Märchen für das, was sie waren – Märchen eben. Was also bewog ihn, auch nur ein Wort dieser verrückten, ja, geradezu absurden Überlieferung ernst zu nehmen?
»Vater, ich glaube, das ist eine Geschichte, die du einem professionellen Schriftsteller erzählen solltest. Der kann dann ein Buch daraus machen für Leute, die Spaß an unmöglichen Geschichten haben und ihre Zeit gerne damit verbringen möchten, sich über Unmöglichkeiten zu gruseln.«
Der ältere Mann mit den schneeweißen Haaren blickte seinen Sohn unwillig an. »Was habe ich nur falsch gemacht bei deiner Erziehung, mein Sohn, dass du nicht einmal in der Lage bist, Entspannung und Freizeit zu würdigen. Es könnte dir auch nicht schaden, mal ein Buch mit einem Märchen oder etwas Ähnlichem zu lesen, statt immer nur Wirtschaftsjournale und nüchterne Fachbücher. Doch das nur nebenbei. Du nimmst diesen Teil unserer Familiengeschichte nicht ernst, und das ist ein großer Fehler. Marius, ich will nicht hoffen, dass du auf unsanfte Art aus deiner nüchternen Sachlichkeit aufgeweckt wirst. Aber darüber reden wir noch, wenn Lady Rowena morgen hier ist. Ich möchte, dass du sie am Flughafen abholst. Dann muss sie sich nicht auf unsere Straßenverkehrsmittel einstellen. Außerdem kennst du dich hier aus, so muss sie nicht lange suchen.«
»Ich will nur hoffen, dass diese Lady nicht zu denen gehört, die ebenfalls mit Geschichten über dunkle Mächte und Beschwörungen hausieren geht«, seufzte Marius.
»Wahrscheinlich nicht«, meinte Graf Gregor trocken. »Sie ist ebenfalls so nüchtern wie du – eine Mathematikerin.«
Unmerklich atmete Marius auf. Das zumindest schien geklärt. Von einer solchen Frau erwartete er nicht, dass sie Hirngespinsten aus vergangenen Zeiten nachjagte.
Noch immer war das Verhalten von Lord Douglas seiner Tochter rätselhaft. Er schien direkt Angst vor etwas zu haben, und nichts, was Rowena sagte oder tat, konnte daran etwas ändern. Besonders betrübte es sie, dass ihr Vater plötzlich kein Vertrauen mehr zu ihr zu haben schien. Warum sonst sprach er nicht über das, was ihn bedrückte? Er beharrte nur darauf, dass sich erst dann etwas ändern konnte, wenn Rowena mit Graf Gregor zusammengetroffen war und sie mit ihm eine Lösung gesucht hatte. Bis dahin bestünde Gefahr.
Die junge Frau hielt das alles für übertrieben, sie konnte nirgends eine Gefahr erkennen. Und außerdem, welchen Sinn machte es, wenn sie das Gespräch mit dem Grafen führte, wo sie doch immer noch nicht genug wusste, um was es eigentlich ging. Sie machte sich jedenfalls ernsthafte Sorgen um ihren Vater. Vielleicht sollte sie den alten Hausarzt informieren. Offensichtlich ging es Seiner Lordschaft gar nicht gut.
Den ganzen Tag über war Lord Douglas sehr schweigsam und verkroch sich hinter alten Büchern in der Bibliothek.
Obwohl Rowena versuchte ein Gespräch mit ihm anzufangen, blieb er sehr einsilbig. Nicht einmal zum Essen wollte er kommen.
Spät am Abend machte Rowena einen letzten Versuch. »Dad, so kann das nicht gehen«, beharrte sie.
Er blickte sie aus trüben rotgeränderten Augen an. »Das verstehst du nicht, mein Kind. Frag jetzt bitte nicht weiter. Wir werden uns morgen wohl nicht sehen, weil du schon früh zum Flughafen fahren musst. Ich wünsche dir eine gute Reise. Bitte richte den beiden Grafen meine besten Wünsche aus. Du wirst Gregor wohl kaum von der Dringlichkeit der Sache überzeugen müssen, er wird von allein verstehen. Und nun lass mich bitte allein.« Er hatte leise, aber mit großer Bestimmtheit gesprochen. Rowena sah ein, dass sie nichts tun konnte, tun ihren Vater umzustimmen.
Er verschloss hinter ihr die Tür, und sie ging in ihr Zimmer, um ihre Sachen zu packen. Er hatte schon recht, sie wollte sehr früh am Morgen fliegen, und zum Flughafen war es ein Weg von mehr als einer Stunde. Müde ging sie zu Bett und konnte doch nicht schlafen. Unruhig wälzte sie sich von einer Seite auf die andere. Schließlich stand sie auf, um sich ein Glas Milch unten aus der Küche zu holen.
Unter dem Türspalt der Bibliothek hindurch schimmerte noch Licht. War Lord Douglas immer noch wach? Oder hatte er einfach vergessen ...?
Nein, Rowena hörte eine Stimme hinter der Tür. Redete ihr Vater jetzt womöglich mit sich selbst? Es war doch eher unwahrscheinlich, dass er mitten in der Nacht mit jemandem telefonierte.
Lautlos drückte sie die Klinke nieder und lugte durch den Spalt. Sie glaubte, ihr Herz müsste stehenbleiben.
Lord Douglas stand mit hoch erhobenen Händen vor dem Kamin, in dem ein seltsames blaues Feuer flackerte. Aus diesem Feuer formte sich eine schattenhafte Gestalt und schwebte vor dem Mann in der Luft. Der Lord stieß einige Worte in einer unverständlichen Sprache hervor. Das Geisterwesen hüllte ihn plötzlich ein, und er bewegte sich langsam auf die Tür zu. Dabei schimmerte sein Körper so hell, dass er außerhalb des Raumes ganz sicher kein Licht brauchen würde. Aber wohin wollte er?
Rowena pochte das Herz jetzt bis zum Hals, als sie sich unbemerkt in den Schatten der Eingangshalle zurückzog.
Dann folgte sie ihrem Vater hinaus bis in die Kapelle, wo er zielstrebig in die Krypta hinunterging. Mittlerweile hatte man hier längst Ordnung geschaffen, der Mann musste also nicht mehr über Schutt und Trümmer steigen.
Dann stand Lord Douglas mitten in dem unterirdischen Gewölbe an dem Ort, wo das Skelett und die Schatzkiste gelegen hatten. Es schien ein Ort besonderer Kräfte zu sein, denn der Lord stand stocksteif da und hob wieder die Hände. Der blaue Schemen löste sich von ihm und begann auf der Stelle zu rotieren. Ein Sog entstand, aus dem sich ein schwarzer Kopf formte, der nicht viel Menschliches besaß. Ein Gesicht mit glühenden Augen, einem rot leuchtenden Mund und Hörnern statt Haaren.
Wieder stieß der Lord eine Reihe von unverständlichen Wörtern hervor, es klang wie eine flehentliche Bitte. Der rote Mund antwortete in der gleichen Sprache, und der Mann wich einige Schritte zurück. Noch einmal sprach er, dann verschwand der Kopf. Der blaue Schemen legte sich wieder um den Körper, und der Lord kehrte in sein Haus zurück.
Rowena hatte das alles ungläubig und mit angehaltenem Atem verfolgt. Nun stand sie wieder in der leicht geöffneten Tür zur Bibliothek und sah, dass der Schemen zurück ins Feuer floss, mit einer letzten Stichflamme erlosch die Flamme.
Lord Douglas atmete schwer. Er schlug die Hände vor das Gesicht und sank auf einem Sessel zusammen. Rowenas erster Gedanke war, zu ihm zu laufen, ihn zu trösten und zu fragen, was das alles zu bedeuten hatte. Doch dann überlegte sie, dass ihm das vielleicht unangenehm sein könnte.
Immerhin hatte er nicht den Eindruck gemacht, als würde ihm diese Beschwörung Spaß machen. Außerdem war sie selbst verstört genug, und sie wollte vielleicht gar keine Antwort auf ihre Frage. Wahrscheinlich war es besser, wenn sie sich selbst belog und sich einredete, dass sie ganz einfach geträumt hatte.
Lautlos zog Rowena sich zurück, legte sich ins Bett und war wider Erwarten gleich eingeschlafen. Als sie am Morgen erwachte, war die Erinnerung an die Vorgänge der letzten Nacht wirklich fast verschwunden. Sie hatte bestimmt nur geträumt. Niemals würde ihr Vater etwas so Unsinniges und Verrücktes tun.
Rowena schüttelte den Kopf über sich selbst. Das Unterbewusstsein war schon ein merkwürdiges Ding. Doch ein letzter Rest von Zweifel blieb zurück. Aber sie hatte jetzt keine Zeit mehr, um darüber nachzudenken. Dieser Tag steckte noch voller Überraschungen und Arbeit. Es wurde Zeit, wenn sie ihre Maschine nach Deutschland noch erreichen wollte.
Mit einer solchen Schönheit hatte Graf Marius mm wirklich nicht gerechnet. Aber aus dem Clipper von London waren nur wenige Passagiere ausgestiegen, bei denen es sich um Lady Rowena handeln konnte. Die meisten waren Geschäftsleute und männlich. Überhaupt gab es in dieser Maschine nur wenige Frauen. Zwei davon schienen Mutter und Tochter zu sein, sie unterhielten sich angeregt und beachteten niemanden. Die dritte jedoch war nicht nur eine ausgesprochene Schönheit, sondern sie wartete offensichtlich auch auf jemanden. Kupferfarbene Haare umrahmten in sanften Wellen ein schmales Gesicht, in dem leuchtend blaue Augen einen verwirrenden Kontrast bildeten. Die Figur war schlank, aber sportlich, die Kleidung von erlesenem Geschmack. Die Frau trug eine kleine Reisetasche bei sich und blickte sich suchend um.
Graf Marius trat näher. Warum hatte ihn sein Vater eigentlich nicht vorgewarnt? Der junge Mann war drauf und dran, auf den ersten Blick sein Herz zu verlieren.
»Lady Rowena Conway?«, sprach er die Frau an.
Sie drehte sich und schaute ihn an, dann schenkte sie ihm ein bezauberndes Lächeln. Was sie sah, gefiel ihr.
Marius von Meerveldt war einen halben Kopf größer als sie selbst, schlank, sportlich, mit braunen Haaren und verwirrenden grünen Augen. Seine Stimme klang warm und sympathisch und sein Lächeln wirkte ansteckend.
»Zufrieden? Oder hätte ich mir vorher noch einmal die Nase putzen sollen?«, fragte er mit leichtem Spott, als sie nicht gleich antwortete, sondern ihn einer weiteren intensiven Musterung unterzog.
Flüchtige Röte zog über ihre Wangen, doch sie hatte sich gleich wieder im Griff.
»Ich wollte sichergehen, dass mich kein Fremder anspricht. Mein Vater hat mir nämlich verboten mit Fremden zu reden. Graf Marius von Meerveldt?«
Er machte eine angedeutete Verbeugung. »In voller Lebensgröße. Haben Sie noch weiteres Gepäck? Dann will ich es gerne holen.«
Rowena schüttelte den Kopf. »Das ist alles. Ich habe eigentlich nicht vor, länger als zwei Tage zu bleiben. Da brauche ich nicht mehr.«
Marius machte ein betrübtes Gesicht. »Da urteilen Sie wirklich, bevor Sie überhaupt wissen, auf was Sie so rasch wieder verzichten wollen?«
Die Frau lachte auf. Dieser Mann machte ihr Spaß.
Warum hatten sie einander nicht schon früher kennengelernt? Immerhin waren ihre Väter doch gut bekannt. Seltsam genug, dass nie jemand den Versuch gemacht hatte, eine Ehe zwischen ihnen abzusprechen. Nun, vielleicht gab es dafür Gründe, die sie nicht kannte. Konnte ja sein, dass Graf Marius sich längst in festen Händen befand. Obwohl ein Mann, der gebunden war, würde wohl kaum solche Blicke auf eine andere Frau werfen.
Marius führte Rowena nun galant durch das Gedränge der sie umgebenden Menschen, hinaus auf den Parkplatz zu seinem Wagen. Rowena war nicht zum ersten Mal in Deutschland, doch bisher hatte sie stets die großen Metropolen aufgesucht, hier im ländlichen Bereich war sie zum ersten Mal.
Die Fahrt führte durch eine sanfte hügelige Landschaft und freundliche gepflegte Dörfer bis hin zu einem großen Herrenhaus, das Glengrove Manors vom Stil her gar nicht so unähnlich war. Allerdings war das Gebäude etwas kleiner, was seiner Schönheit jedoch keinen Abbruch tat.
»Ich finde es eine sträfliche Nachlässigkeit unserer Väter, dass man uns noch nicht vorgestellt hat«, bemerkte Marius jetzt und lächelte Rowena an.
»Vielleicht wollten sie verhindern, dass sich internationale Affären bilden«, erwiderte sie leicht ironisch.
»Sind es nicht solche Affären, die das Leben so schönmachen?«, konterte er und wartete auf ein neuerliches Lächeln von ihr, das auch prompt kam. »Mein Vater wird Ihnen gefallen. Er ist ein prächtiger alter Herr. Und dann werde ich vielleicht auch den Grund für Ihren plötzlichen Besuch verstehen.« Marius klopfte mal kurz auf den Busch. Ihm war trotz der Erzählung seines Vaters noch immer einiges unklar. Er hoffte jetzt, dass Rowena ihm mehr sagen konnte.
Die schaute ihn jetzt irritiert an. »Ja, wollen Sie damit sagen, dass Sie auch keine Ahnung haben, was hier eigentlich vorgeht?«
Marius hatte den Motor des Wagens jetzt abgestellt und blickte Rowena verblüfft an.
»Ich glaube, unsere beiden Väter haben da noch eine Menge Geheimnisse, und vielleicht ist es endlich an der Zeit, dass auch wir eingeweiht werden. Das Ganze klingt ja schon abenteuerlich genug, aber diese Geheimniskrämerei gefällt mir überhaupt nicht.«
»Mir auch nicht.« Rowena musste wieder daran denken, dass ihr Vater in der Nacht vorher eine Beschwörung vorgenommen hatte, wenn sie nicht doch einem Alptraum erlegen war. Doch darüber würde sie jetzt nicht reden, das alles klang hier im hellen Sonnenschein viel zu abstrus und unwahrscheinlich, und unter Umständen würden Marius und sein Vater am Verstand von Lord Douglas zweifeln. Oder was noch schlimmer wäre, Graf Gregor würde selbst auf eine ähnliche Idee kommen. Außerdem kannte sie die beiden so gut wie gar nicht, es wäre vielleicht vorschnell, soviel Vertrauen zu schenken.
Marius spürte, dass sie ihm etwas verschwieg. Aber auch er zögerte, sie kannten einander noch nicht gut genug, so dass er es jetzt nicht wagte nachzufragen. Er merkte nur, dass es nicht gerade freundliche Gedanken waren, die ihr durch den Kopf gingen.
Graf Gregor von Meerveldt begrüßte seinen Gast wie eine lang entbehrte Tochter, er ließ erst gar keine Fremdheit aufkommen und bestand darauf, dass Rowena Onkel Gregor zu ihm sagte. Auch das förmliche Sie zwischen den beiden jungen Leuten ließ er nicht einen Moment lang gelten.
Rowena war überwältigt. Der weißhaarige alte Herr nahm sie herzlich in die Arme und behandelte sie, als würde er sie schon ein Leben lang kennen. Indirekt war das wohl so, wie sich die junge Frau eingestand. Immerhin hatte ihr Vater den Grafen als alten Freund bezeichnet, es mochte wohl sein, dass Nachrichten hin und her gegangen waren, ohne dass sie etwas davon gewusst hatte.
Marius betrachtete diese Begrüßung mit einem breiten Grinsen und unverhohlener Belustigung.
Schließlich aber saßen sich alle drei in einem kleinen gemütlichen Salon gegenüber.
»Und nun erzähle, mein Kind, wie geht es meinem alten Freund Douglas? Wir hören nur selten voneinander, doch ich hege die größte Hochachtung für ihn. Und wenn ich gewusst hätte, welch ein reizendes Geschöpf du bist, dann hätten wir schon längst einen regen Familienaustausch eingerichtet, damit ihr zwei euch kennenlernt.«
Marius verschluckte sich fast an seinem Kaffee, den der Butler hier serviert hatte.
Rowena lachte auf. »Ich versteh’ sowieso nicht, dass es keine häufigeren Besuche gibt, da ihr euch doch offensichtlich gut zu verstehen scheint. Oder warum sonst sollte mein Vater mich mit einem recht seltsamen Auftrag hierhergeschickt haben?«
Graf Gregor wurde ernst. »Du kommst gleich zur Sache, Rowena. Nun, wahrscheinlich hast du recht, nicht erst fange um den heißen Brei herumzureden. Was also ist genau passiert? Lass nichts aus, berichte ganz genau.«
Die junge Frau begann mit dem Einsturz in der Krypta und dem geheimnisvollen Fund. Sie beschrieb ausführlich die zwölf Gegenstände und sie sah mit Erstaunen, dass Graf Gregor bleich wurde.
»Vater, ich glaube, ebenso wie Rowena, dass ihr zwei uns noch einiges verschweigt«, mischte sich nun Marius ein. »Es scheint aber dennoch eine Familienangelegenheit zu sein, die immerhin beide Familien betrifft. Also sollten wir doch auch über alles informiert sein.«
Die vorher so feste Stimme des alten Grafen klang jetzt brüchig und rau. »Es ist noch nicht an der Zeit, euch alles zu sagen, das könnte sich als zu gefährlich erweisen.«
Jetzt hatte Rowena allerdings genug. »Ich finde es langsam lächerlich, dass ihr beide ständig über Gefahren redet, die wahrscheinlich nur in euren Köpfen vorhanden sind. Bisher gibt es nichts außer einigen sehr wertvollen Kunstgegenständen, die offensichtlich durch Raub und Mord in den Besitz unserer Familien gelangt sind, und ein Skelett, das mittlerweile ordentlich begraben ist. Wo also sollte die Gefahr liegen?«
Die junge Frau war jetzt energisch geworden. Dieses ganze Gerede war ihr einfach zu viel.
»He, das ist nun kein Grund, dass du meinen Vater derart angreifst«, bremste Marius.
»Lass nur, mein Sohn, sie hat nicht ganz unrecht, und außerdem kann ich mich selbst verteidigen, wenn es nötig sein sollte.«