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PRINZ ALESSANDRO - EIN PATIENT ZUM KÜSSEN von SARAH MORGAN Ihr neuer Patient ist ein Prinz mit einer Traumvilla in Cornwall. Doch der umschwärmte Alessandro Cavalieri hat einst ihr Herz gebrochen! Unauffällig will Dr. Natasha O'Hara ihm das jetzt heimzahlen. Wenn seine Hoheit doch nur nicht so unwiderstehlich wäre … HOCHZEITSGLOCKEN IN CORNWALL von CAROLINE ANDERSON "Ich verlasse Penhally. Mich hält hier nichts mehr!" Kates Abschiedsbrief ist wie ein Schlag ins Gesicht für Dr. Nick Roberts. Die Frau, die er über alles liebt, lässt ihn einfach im Stich! Doch da gerät Kates Sohn in Gefahr, und nur Nick kann ihn retten … GEBORGEN IN STARKEN ARMEN von CAROL MARINELLI Seine starken Arme sind wie ein schützender Hafen - bei Diego Ramirez fühlt die junge Ärztin Izzy sich unendlich geborgen. Niemand wäre ein besserer Daddy als er! Vorausgesetzt, Diego kann akzeptieren, dass das Kind unter ihrem Herzen nicht von ihm ist … ABBYS GROSSES GEHEIMNIS von ANNE FRASER Dramatischer Rettungseinsatz in Penhally Bay: Abbys Herz schlägt höher, als sie dem faszinierenden Notarzt Mac assistiert. Doch Vorsicht! Mac hat nicht nur den Ruf, ein notorischer Playboy zu sein. Zwischen ihnen steht auch ein großes Geheimnis …
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Seitenzahl: 782
Cover
Titel
Inhalt
Prinz Alessandro – ein Patient zum Verlieben
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
Hochzeitsglocken in Cornwall
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1. KAPITEL
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9. KAPITEL
10. KAPITEL
EPILOG
Geborgen in starken Armen
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1. KAPITEL
2. KAPITEL
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9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
EPILOG
Abbys großes Geheimnis
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1. KAPITEL
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3. KAPITEL
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7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
EPILOG
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Contents
IMPRESSUM
Prinz Alessandro – ein Patient zum Verlieben erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2011 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „St Piran’s: Prince on the Children’s Ward“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBEN Band 45 - 2012 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Michaela Rabe
Umschlagsmotive: Robert Daly / Getty Images
Veröffentlicht im ePub Format in 06/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck
ISBN 9783733736217
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Tasha legte sich ihre Begrüßungsworte zurecht, während sie durch die hektische Notaufnahme ging. Sie war fürchterlich aufgeregt, aber fest entschlossen, sich nichts anmerken zu lassen.
Hallo, liebster Bruder, ich dachte, ich schaue mal rein, um zu sehen, wie es dir geht. Nein, er würde sofort wissen, dass etwas faul war.
Du siehst toll aus heute. Das klang auch nicht richtig. Normalerweise hauten sie sich kleine Sticheleien um die Ohren, da konnte sie ihm nicht plötzlich Honig um den Mund streichen.
Josh, du warst schon immer mein Lieblingsbruder. Auch nicht, sie hatte alle ihre Brüder gleich gern.
Du bist der beste Arzt der Welt, und ich habe dich immer bewundert. Das stimmte. Ihr Bruder war wirklich ein hervorragender Mediziner, ihr großes Vorbild und der einzige Mann, der stets hundertprozentig für sie da gewesen war. Er hatte die Verantwortung für die Familie übernommen, nachdem der Vater einfach gegangen war und seine vier Kinder bei der labilen, ständig erschöpften Mutter zurückgelassen hatte.
Der wilde, gut aussehende Josh, dessen eigene Ehe gerade zerbrach.
Wenigstens hat er den Mut gehabt, überhaupt zu heiraten, dachte sie. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie sich das jemals trauen würde. Seit ihrer letzten Beziehungskatastrophe hatte sich Tasha nur noch auf ihre Karriere konzentriert. Die kann dir nicht das Herz brechen – das hatte sie zumindest bis vor ein paar Wochen geglaubt.
Inzwischen war sie eines Besseren belehrt worden.
Tasha blieb vor dem Rufbereitschaftszimmer stehen. Sie hatte schon immer großen Wert auf Unabhängigkeit gelegt. Dass sie jetzt um Hilfe bitten musste, schmeckte ihr gar nicht. Doch sie schluckte ihren Stolz hinunter und klopfte an. Sie brauchte jemanden, mit dem sie reden konnte, und der Einzige, dessen Urteil sie uneingeschränkt vertraute, war ihr großer Bruder.
Sekunden später wurde die Tür aufgerissen. Josh knöpfte sich das Hemd zu, sein Haar war zerzaust, das Kinn von einem dunklen Bartschatten bedeckt. Anscheinend hatte er in der Nacht nicht viel Schlaf bekommen. Was ihm, seinem selbstvergessenen Lächeln nach zu urteilen, jedoch nicht viel auszumachen schien.
„Tasha?“ Schlagartig verschwand das Lächeln und machte einem ungläubigen Ausdruck Platz. Josh warf einen Blick über die Schulter, trat in den Flur und zog die Tür hinter sich ins Schloss. „Was machst du denn hier?“
„Tolle Begrüßung.“ Eine herzliche Umarmung wäre ihr lieber gewesen, und plötzlich war ihr nach Heulen zumute. „Ich bin deine kleine Schwester. Du solltest dich freuen, mich zu sehen.“
„Ich freue mich auch, aber … Tasha, es ist halb acht morgens.“ Josh rieb sich mit der freien Hand übers Gesicht. Mit der anderen hielt er die Türklinke immer noch fest im Griff. „Ich bin nur überrascht, das ist alles. Woher wusstest du, dass ich hier bin?“
„Ich habe eine der Schwestern gefragt. Sie meinte, du wärst vielleicht im Rufbereitschaftszimmer. Was ist los mit dir? Du siehst völlig daneben aus.“ Zum ersten Mal erlebte sie ihren sonst tadellos gekleideten Bruder so derangiert. Tasha blickte von ihm zur Tür. „Habe ich dich geweckt?“
„Nein. Ich … Ja, aber das macht nichts.“
„War viel los heute Nacht?“
„So ungefähr.“ Er blickte den Flur hinunter und wieder zu ihr zurück. „Warum bist du hier, Tasha?“
Ihr fielen der unruhige Ausdruck in seinen Augen auf und die leichte Röte, die seine Wangen überzog. Anzeichen, die nur eins bedeuten konnten …
Er hat eine Frau im Zimmer.
Aber warum dann diese Geheimniskrämerei? Rebecca hatte ihn verlassen, die Ehe war am Ende. Vor seiner Schwester musste es ihm doch nicht peinlich sein, dass er ein Liebesleben hatte. Für Tasha war es nichts Neues, dass Frauen ihren Bruder unwiderstehlich fanden.
Erleichtert, dass seine zurückhaltende Begrüßung nichts mit ihr zu tun hatte, hätte sie ihn fast geneckt. Bis ihr einfiel, dass sie ihn auf gar keinen Fall gegen sich aufbringen durfte.
Also knuffte sie ihn nur leicht gegen den Arm. „Ich dachte, ich schaue vorbei und sehe, wie‘s dir geht.“
„Noch vorm Frühstück?“
„Ich bin Frühaufsteherin.“
„Du meinst, du steckst in Schwierigkeiten.“ Die trockene Antwort bewies wieder einmal, dass sie ihrem großen Bruder nichts vormachen konnte.
„Nicht direkt“, meinte sie ausweichend. „Ich dachte nur, wir haben lange nicht mehr richtig geredet. Gibt es hier ein Plätzchen, wo wir ungestört sind?“ Sie blickte auf die Tür, aber er deutete mit dem Kopf den Flur entlang.
„Mein Büro. Komm.“
Während sie ihm durch die Abteilung folgte, fühlte sich Tasha wie ein Schulmädchen, das zum Nachsitzen verdonnert worden war. Gelegentlich fing sie neugierige Blicke auf. Unter den Patienten fiel ihr ein kleines Mädchen auf, das auf einer Liege lag und die Hand seiner Mutter hielt.
Das Kind hatte Atemnot, und instinktiv wandte Tasha sich ihm zu. Als eine Ärztin im weißen Kittel neben ihr auftauchte, entschuldigte sie sich hastig und wich zurück. Dies war nicht ihre Patientin und auch nicht ihr Krankenhaus. Sie arbeitete hier nicht.
Sie arbeitete nirgendwo.
Ihr Magen verkrampfte sich. Hatte sie vorschnell und zu impulsiv gehandelt?
Es war ja schön und gut, wenn man Prinzipien hatte, aber musste man sie manchmal nicht einfach runterschlucken und gute Miene zum bösen Spiel machen?
Unwillkürlich verharrte Tasha und schnappte dadurch einen Teil der Anamnese auf.
„Durch ihren Heuschnupfen ist das Asthma schlimmer geworden“, erklärte die Mutter gerade. „Sie bekommt kaum Luft, und ihr Gesicht ist angeschwollen. Sehen Sie sich ihre Augen an.“
Tasha wünschte, sie wäre an Stelle der Kollegin. Die Tatsache, dass sie sich schon danach sehnte, ein Stethoskop in Händen zu halten, ließ sie wieder an ihrer spontanen Entscheidung zweifeln.
Sie war mit Leib und Seele Ärztin, die Arbeit im Krankenhaus war ihr Leben. Ohne ihre kleinen Patienten, um die sie sich kümmern konnte, fühlte sich Tasha entwurzelt. Vielleicht deshalb klangen ihr die Worte der Mutter im Ohr, während sie weiterging. Geschwollene Augen? Heuschnupfen?
Tasha nahm sich zusammen und betrat hinter ihrem Bruder das Zimmer. Hier stapelten sich Bücher und Fachzeitschriften, in einer Ecke stand ein PC, daneben häuften sich Unmengen von Unterlagen. Das Foto von Rebecca fehlte, und plötzlich hatte Tasha ein schlechtes Gewissen, dass sie Josh nicht einmal gefragt hatte, wie es ihm ging. Wurde sie allmählich auch wie diese schrecklichen Leute, die nur an sich dachten?
„Wie geht es dir?“, holte sie das Versäumte schnell nach. „Wie läuft es mit Rebecca?“
„Ruhig. Unsere Trennung ist wahrscheinlich das Erste, wobei wir einer Meinung sind. Die Anwälte kümmern sich darum. Setz dich.“ Josh befreite den Besucherstuhl von einem Stapel Fachzeitschriften.
Aber sie war viel zu unruhig, um sich hinzusetzen. Sie dachte daran, wie ungewiss im Vergleich mit Joshs ihre Zukunft von einem Tag auf den anderen geworden war, und plötzlich war ihr Hals wie zugeschnürt.
Verflixt. Nicht jetzt.
Als einziges Mädchen unter drei älteren Brüdern hatte sie früh gelernt, dass Heulsusen einen schweren Stand hatten. Sie schluckte die Tränen hinunter, trat ans Fenster und öffnete es weit. „Ich liebe Cornwall.“ Mit geschlossenen Augen atmete sie tief ein. „Ich bin viel herumgekommen, aber hier fühle ich mich zu Hause. Die salzige Seeluft, das Rauschen der Brandung … ich kann es kaum erwarten, mir mein Surfbrett zu schnappen und rauszupaddeln.“ Wehmütige Erinnerungen überfluteten sie, als der schrille Schrei einer Möwe ertönte.
Zu Hause.
„Also, was ist los? Was hast du angestellt?“ Josh klang abwesend. „Sag nicht, du hast einen Patienten umgebracht.“
„Nein!“, stieß sie empört hervor. „Im Gegenteil, ich habe einen gerettet. Zwei sogar.“ Tasha ballte die Fäuste. Sie wollte hören, dass sie richtig gehandelt hatte. Dass sie ihre Karriere nicht aus einer kindischen Trotzreaktion heraus in den Wind geschossen hatte. „Es gab einen Zwischenfall. Du kennst das doch, wenn du instinktiv weißt, was du mit einem Patienten machen musst … auch wenn die Laborergebnisse vielleicht noch nicht da sind. Tja, und ich hatte so ein Gefühl. Es passte zwar nicht zum üblichen Prozedere, aber …“
„Tasha, ich bin zu müde, um mir endloses Frauengeschwafel anzuhören. Sag mir einfach, was du gemacht hast. Fakten, okay?“
„Das ist kein Geschwafel! In der Medizin gibt es nicht nur Schwarz und Weiß. Das solltest du am besten wissen.“ Eindringlich erzählte sie ihm von den Zwillingen, den Entscheidungen, die sie getroffen, und dem Medikament, das sie verordnet hatte.
Josh hörte sich alles an und fing an, Fragen zu stellen. „Du hast nicht auf die Ergebnisse der Blutkulturen gewartet? Und das Präparat stand nicht auf der Arzneimittelliste des Krankenhauses?“
„Sie hatten es vorrätig, für einen anderen Zweck. Letztes Jahr war ich doch auf dem Kongress der American Academy of Pediatrics . Erinnerst du dich, was ich dir von dem Medikament erzählt hatte? Das Zeug ist klasse, Josh. Wir sollten es in England viel öfter einsetzen, aber hier geht es immer nur um Geld, Geld, Geld …“
„Willkommen in der realen Welt der Gesundheitsversorgung.“
„Es ist mindestens fünfzig Prozent effektiver als das, was ich verwenden sollte.“
„Und drei Mal so teuer.“
„Weil es gut ist!“, begehrte sie auf. „Hohe Forschungsqualität hat eben ihren Preis.“
„Halt du mir keinen Vortrag über Kosten in der Arzneimittelforschung, Tasha.“
„Ich will das Beste für meine Patienten! Diese Kinder wären gestorben, Josh. Wenn ich erst auf die Testergebnisse gewartet oder ein anderes Medikament genommen hätte, wären sie jetzt tot.“
Vor ihrem geistigen Auge lief ein Film ab: zwei schmale Körper, zu schwach, um noch zu kämpfen … die schluchzende Mutter, daneben der Vater, kreideweiß im Gesicht und krampfhaft bemüht, wie ein Fels in der Brandung sein, während seine Welt in Scherben ging … Und sie sah sich selbst, wie sie vor der schwierigsten Entscheidung ihres Berufslebens stand.
„Aber sie leben“, fügte sie hinzu und fühlte sich plötzlich wie ausgelaugt.
„Das Medikament hat also angeschlagen?“
„Sofort! Es könnte das Verfahren im Fall von neonataler Sepsis revolutionieren.“
„Hast du schon einen Fachartikel dazu geschrieben?“
„Das habe ich vor. Ich muss nur noch die Zeit dazu finden.“ Jetzt hast du Zeit, dachte sie bedrückt. Und zwar jede Menge.
„Aber das Krankenhausmanagement war nicht begeistert, und du steckst in Schwierigkeiten?“
„Na ja, ich habe mich nicht genau an die Vorschriften gehalten, aber unter solchen Umständen würde ich es jederzeit wieder tun. Leider war mein Chef anderer Meinung als ich.“ Sie blickte aus dem Fenster. „Also habe ich gekündigt.“
„Du hast was ? Bitte sag, dass das ein Scherz ist.“
„Nein. Ich habe gekündigt, aus Prinzip!“ Sie wurde wütend, genau wie an jenem Morgen im Zimmer ihres Chefs, nachdem sie zwei Nächte lang kaum geschlafen hatte. „Ich habe ihn gefragt, was für eine Abteilung er eigentlich leitet, wenn das Budget wichtiger ist als das Leben eines Babys.“
„Sehr taktvoll.“ Josh rieb sich das Kinn. „Du hast also seine Kompetenz infrage gestellt und sein Ego angekratzt?“
„Er ist einer von denen, die daneben stehen und zusehen, wie jemand ertrinkt, nur weil die Rettungsmaßnahmen nicht genau festgelegt sind! Weißt du, wie er argumentiert hat? Er meinte, der Hersteller hätte keine zuverlässige Wirtschaftlichkeitsanalyse vorgelegt. Ja, geht‘s noch?“ Sie musste tief durchatmen. „Deshalb habe ich ihn gefragt, ob er den Eltern sagen will, dass sie ihre beiden Kinder verloren haben, nur weil irgendein Idiot im Anzug an seinem Schreibtisch ausgerechnet hat, dass die Behandlung zu teuer ist.“
Josh schloss kurz die Augen. „Tasha …“
„Okay.“ Der Kloß in ihrem Hals war wieder da, und er würde auch nicht so schnell verschwinden. „Ich weiß, ich hätte professionelle Distanz wahren müssen, aber ich konnte nicht. Mann, ich bin immer noch wütend!“
„Erzähl mir von den Babys, die du gerettet hast. Wie geht es ihnen?“
„Beide wurden inzwischen nach Hause entlassen. Du hättest sie sehen sollen, Josh.“ Ein triumphierendes Lächeln glitt über ihr Gesicht. „Dafür habe ich studiert, dafür habe ich gelernt … um Grenzen zu überwinden und Leben zu retten.“
„Du hast zwei gerettet.“
„Und meinen Job verloren.“
„Du hättest nicht kündigen sollen.“
Darüber hatte sie immer und immer wieder nachgedacht. „Keinen Augenblick länger hätte ich mit dem Mann zusammenarbeiten können. Der Typ gehört auch zu denen, die denken, dass Frauen Krankenschwestern werden sollen und keine Ärztinnen. Im Grunde ist er ein … ein …“ Sie schluckte hinunter, was ihr auf der Zunge lag, und Josh lächelte matt.
„Verstehe. Ist dir jemals in den Sinn gekommen, dass du vielleicht einen Tick zu idealistisch bist, Tasha?“
„Nein. Wir wären keine guten Ärzte, wenn wir nicht versuchen würden, immer einen Schritt weiterzugehen. Stell dir vor, wir tun nur das, was alle vor uns getan haben – dann hätten wir in der Medizin nie Fortschritte gemacht.“
„Es gibt Bestimmungen …“
„Und wenn sie falsch sind? Für so jemanden kann ich nicht arbeiten. Früher oder später hätte ich ihm Gift gespritzt …“ Sie grinste. „Natürlich nur eins, das auf der offiziellen Arzneimittelliste steht.“
„Du bist unmöglich.“
„Nein, ich bin Ärztin. Ich weiß, dass ich einigen Patienten nicht helfen kann. Aber ich wehre mich vehement dagegen, manche Patienten ihrem Schicksal zu überlassen, weil die Therapie zu teuer ist! Wer entscheidet denn, was wichtiger ist?“ Aufgebracht marschierte Tasha auf und ab. „Ich habe ihm gesagt, dass der Krankenhausdirektor nur auf einen Teil seines Gehalts verzichten müsste, dann könnten wir uns das Medikament für die wenigen Babys, die es brauchen, auch leisten.“
„Allmählich verstehe ich, warum du kündigen musstest.“
„He, was hättest du an meiner Stelle getan?“
„Keine Ahnung. Das weiß man erst, wenn man selbst in der Situation ist. Warum hast du nicht auf die Laborwerte gewartet?“
„Weil es den Zwillingen von Minute zu Minute schlechter ging. Uns lief die Zeit davon. Wenn wir sie nach Schema F behandelt hätten, nur um festzustellen, dass es doch nicht der richtige Weg war … Bei mir läuteten sämtliche Alarmglocken.“
„Du kannst Medizin nicht aufgrund von Emotionen praktizieren.“
„Ich rede nicht von Emotionen, sondern von Bauchgefühl. Ich sag dir was, Josh … ich weiß instinktiv, wenn ein Kind gefährdet ist. Frag mich nicht, woher. Hast du dich bei deinen Patienten noch nie auf deinen Instinkt verlassen?“
„Wenn du damit klinisches Urteilsvermögen meinst, dann ja, natürlich. Aber …“
„Moment mal“, unterbrach sie ihn, als ihr etwas einfiel. „Das kleine Mädchen …“
„Welches Mädchen?“
„Das draußen in der Notaufnahme. Die Mutter sagte, vom Heuschnupfen sei sein Asthma schlimmer geworden. Aber sein Gesicht war aufgedunsen und die Lider geschwollen. Ich weiß noch, wie ich dachte, seltsam, nach einer Allergie sieht mir das nicht aus …“
„Die Kleine ist nicht deine Patientin, Tasha.“
„Sie hat beim Atmen gekeucht.“
„Was bei Asthma vorkommt.“
„Und bei einer Linksherzinsuffizienz. Ich wusste, dass mich irgendetwas gestört hat!“ Tasha griff zum Telefon und hielt es ihrem Bruder hin. „Ruf die verantwortliche Kollegin an, Josh. Sie soll das abklären, mit EKG und Sono. Vielleicht hat sie es längst getan, aber wenn nicht? Meiner Ansicht nach hat das Kind eine Herzschwäche.“
„Tasha …“
„Tu‘s einfach, Josh, bitte. Wenn ich mich irre, gebe ich auf und suche mir einen Job im Supermarkt.“
Seufzend wählte Josh.
Während er sprach, starrte Tasha aus dem Fenster und wünschte, sie würde nicht immer so emotional reagieren. Warum konnte sie nicht wie die anderen professionelle Distanz wahren und einfach ihrer Arbeit nachgehen?
„Sie macht die Untersuchungen, aber sie meint, dass es Asthma in Kombination mit einer allergischen Reaktion ist. Wir werden sehen. So, und du entspannst dich jetzt mal“, fügte er sanfter hinzu. „Tasha, du bist völlig überdreht.“
„Mir geht‘s gut.“ Was gelogen war. Sie sehnte sich so sehr nach einer tröstlichen Umarmung. „Das Problem ist nur, dass ich nichts zu tun habe. Ich dachte …“ Sie zögerte. Es fiel ihr nicht leicht, ihren großen Bruder um etwas zu bitten. „Du hast Einfluss hier. Kannst du mir nicht einen Job besorgen?“
„Tasha …“
„Die Arbeit ist mein Leben, Josh. Ich bin eine gute Kinderärztin, wirklich.“
„Das will ich auch nicht infrage stellen, aber …“
„Doch, das tust du. Du hast Angst, dass ich dich blamiere.“
„Unsinn.“ Josh stand auf und trat zu ihr. „Beruhige dich, ja? Vielleicht brauchst du eine Weile Abstand vom Krankenhausalltag.“
„Nein, ich brauche einen Job. Ich liebe es, mit Kindern zu arbeiten. Ich liebe es, als Ärztin zu arbeiten. Außerdem ist da noch die praktische Seite. Da ich auf dem Krankenhausgelände gewohnt habe, bin ich nicht nur arbeits-, sondern auch obdachlos. In der Situation erschien mir die Kündigung das einzig Richtige zu sein. Im Nachhinein weiß ich, warum die meisten Leute lieber ihre Prinzipien aufgeben, als den Job hinzuwerfen. Es ist einfach zu teuer.“
„Ich kann dir hier keinen neuen beschaffen, Tasha. Wir sind knapp bei Kasse, es herrscht Einstellungsstopp.“
„Ach so.“ Ihr zog sich der Magen zusammen. Wieder eine Tür, die direkt vor ihrer Nase ins Schloss knallte. „Kein Problem“, versuchte sie, sich Mut zu machen. „Ich lasse mir etwas einfallen.“ Spontan fiel ihr leider nur ein, dass ihr letzter Chef ihr ganz bestimmt keine guten Referenzen geben würde. „Entschuldige, ich hätte dich nicht fragen sollen. Ich hätte nicht herkommen sollen.“
Die Liste der Dinge, die sie nicht hätte tun sollen, wurde länger und länger.
„Doch, ich bin froh darüber. Wir haben uns lange nicht gesehen, du hast die letzten drei Jahre wie eine Besessene gearbeitet. Seit das mit Hugo vorbei ist, meine ich.“
Hugo ? Tasha schrumpfte innerlich um zehn Zentimeter. Musste ihr Bruder ausgerechnet Hugo erwähnen, die große Katastrophe ihres Liebeslebens? „Ich liebe meine Arbeit.“ Warum sieht er mich so komisch an? „Hast du was dagegen?“, fragte sie kratzbürstig.
„Komm wieder runter, Tasha. Vielleicht solltest du dir wirklich eine Pause gönnen. Das gesellschaftliche Leben wiederentdecken.“
„Was ist das?“
„Teil eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Beruf und Privatleben. Du wolltest mal heiraten.“
Erinnere mich bloß nicht daran! „Das war ein kurzer Anfall geistiger Umnachtung.“ Tasha lachte auf, aber es hörte sich nicht echt an. „Macht es dir etwas aus, wenn wir das Thema fallen lassen? Wenn ich nur an Hugo denke, möchte ich etwas zerschlagen, und im Moment kann ich den Schaden nicht bezahlen. Und überhaupt, du hast gut reden. Du bist ein Workaholic, wie er im Buche steht.“ Aber er hat die letzte Nacht mit einer Frau verbracht.
Tasha fragte sich, ob Josh mit ihr darüber reden würde, doch er blätterte nur in irgendwelchen Papieren.
„Wie beweglich bist du?“, fragte er.
„Ich kann meine Zehen berühren und eine Rolle rückwärts machen.“ Der Scherz trug ihr einen ironischen Blick ein.
„Arbeitsmäßig, meine ich. Könntest du dir vorstellen, die Pädiatrie eine Weile links liegen zu lassen?“
„Ungern, aber …“ Sie musste etwas zu tun haben. Nicht nur, um Geld zu verdienen, sondern auch, um sich zu beschäftigen. Sonst würde sie die ganze Zeit grübeln und langsam durchdrehen. „Was schwebt dir vor?“
„Zufällig kenne ich jemanden, der händeringend eine Pflegekraft sucht, die ihn rund um die Uhr betreut. Einen Monat lang, vielleicht auch länger.“
„Das ist nicht dein Ernst. Ich soll Bettwaschungen machen bei irgendeinem alten Lustmolch, der mir ständig in den Hintern kneift?“ Tasha stutzte, als sie sah, wie ihr Bruder mühsam ein Lachen unterdrückte. „Was gibt‘s da zu lachen? Also, echt, Josh, seit wann hast du einen kranken Humor?“
„Und wenn ich dir sage, dass der Betreffende unermesslich reich ist?“
„Na und?“ Sie schob die Hände in die Gesäßtaschen ihrer Jeans und wandte sich ab. Ihr großer Bruder amüsierte sich auf ihre Kosten, und das konnte sie im Moment nicht gut vertragen. „Was interessiert mich sein Geld? Glaubst du, ich pflege ihn, er verliebt sich in mich, heiratet mich, und danach brauche ich ihn nur noch um die Ecke zu bringen, um seine Millionen zu erben? Ich will einen Job, keinen Sugardaddy.“
„Er ist zu jung, um dein Sugardaddy zu sein.“
„Und ich will nicht heiraten. Mein Leben gehört meinen Patienten, und die längste und beste Beziehung hatte ich bisher mit meinem Stethoskop!“
„Er ist auch nicht an einer Ehe interessiert, da seid ihr also schon zu zweit. Eigentlich sollte er noch mindestens eine Woche im Krankenhaus bleiben, aber er geht allen so sehr auf die Nerven, dass sie bereit sind, ihn vorzeitig zu entlassen. Vorausgesetzt, er besorgt sich eine professionelle Pflegekraft, die ihn und seinen gebrochenen Knöchel von morgens bis abends betreut. Deshalb ist er bereit, die Leistung großzügig zu vergüten.“ Josh nannte ein solches Stundenhonorar, bei dem Tasha buchstäblich die Kinnlade herunterfiel.
„Er hat tatsächlich mehr Geld als Verstand. Wo ist der Haken?“
„Ja, es gibt ein Problem. Er ist durchtrainiert und fit, ein sehr athletischer Typ, der es nicht gewohnt ist, ans Bett gefesselt zu sein. Mit dem Ergebnis, dass er extrem schlechte Laune hat, die jeder zu spüren bekommt, der sich auch nur auf einen Meter seinem Bett nähert. Aber ich bin sicher, damit wirst du fertig. Ich schätze, es dauert keine fünf Minuten, dann sagst du ihm klipp und klar, was du von dem Theater hältst.“
„Na toll …“ Aber sie hätte einen Job. Ein paar Wochen lang würde sie den Kerl schon aushalten. Und in der Zwischenzeit konnte sie sich nach einer neuen Stelle umsehen. „Das heißt, ich helfe Mr Grummelgrantig bei seiner Krankengymnastik, füttere ihn mit Antibiotika und passe auf, dass er sich nicht übernimmt. Was muss ich noch wissen? Seinen Namen, zum Beispiel?“
Josh grinste. „Sein Name, kleine Schwester, lautet Alessandro Cavalieri.“
Tasha drückte die Knie durch, weil ihre Beine plötzlich anfingen zu zittern. Ihr Herz raste so sehr, dass sie sich ernsthaft Sorgen gemacht hätte, wäre sie nicht damit beschäftigt gewesen, ihren Bruder ungläubig anzustarren. „Alessandro?“, wiederholte sie matt. „ Der Alessandro?“
„Genau der. Seine Hoheit höchstselbst.“
Tasha schluckte. Auf einmal war sie wieder ein Teenager, der sich bitterlich schluchzend fast die Augen aus dem Kopf heulte.
„Vergiss es, Josh. Ich sage Nein. Und sieh mich nicht so an.“
„Ich dachte, die Chance lässt du dir nicht entgehen. Du warst doch verrückt nach ihm, hast nur von ihm geredet … Alessandro, Alessandro .“ Er ahmte ihre schmachtende Mädchenstimme nach, und Tasha wäre am liebsten im Erdboden versunken.
„Ich war siebzehn“, fuhr sie ihn an. „Vielleicht ist es deiner geschätzten Aufmerksamkeit entgangen, dass ich erwachsen geworden bin.“ Leider nicht erwachsen genug, um kühl und gelassen zu bleiben, wenn es um Alessandro ging. Nein, nein, nein. Nicht Alessandro!
„Ist mir nicht entgangen, sonst würde ich dir den Job nicht anbieten. Wenn du immer noch hinter ihm her wärst, gäbe es nur Probleme.“ Seine Augen blitzten vergnügt. „Oh, Mann, warst du gefährlich. Teenagerhormone auf Beinen. Wie du dich ihm an den Hals geworfen hast, herrlich! Als Fürstenspross hatte er immer Leibwächter um sich, aber der einzige Mensch, vor dem er wirklich hätte beschützt werden müssen, warst du. Dein Bikini konnte nicht knapp genug sein, wenn Alessandro in der Nähe war. Wenn ich mich recht erinnere, hat er zu dir gesagt, du sollst wiederkommen, wenn du Brüste hast.“
Es war fürchterlich demütigend gewesen, und Tasha verspürte das Gleiche wie damals: dunkelrote Scham und den Wunsch, sich in Luft aufzulösen. Um sich nichts anmerken zu lassen, verschränkte sie lässig die Arme. „Lach nur, Bruder“, sagte sie spöttisch. „Lach du nur.“
„Meine kleine Schwester und der Prinz. Du hast seinen Namen auf sämtliche Schulhefte gekritzelt. Am besten hat mir das Prinzessin Tasha gefallen, das du in den alten Apfelbaum geritzt hast. Nur das Herz war ein bisschen krumm geraten.“ Josh schien sich königlich zu amüsieren.
Ja, sie war ein junges Mädchen voller rosaroter Träume gewesen. Und als sie wie Seifenblasen zerplatzten … „Bist du fertig?“, fragte sie betont gelangweilt.
„Vorerst. Gut, dass du ein Spätentwickler warst, sonst wäre er noch auf dein Angebot eingegangen. Alessandro hat einen gewissen Ruf, was Frauen betrifft.“
Und ihr Bruder schien nicht die geringste Ahnung zu haben, wie sehr Alessandro diesen Ruf verdient hatte. Tasha versuchte, die hässlichen Erinnerungen zu vertreiben.
Josh grinste immer noch. „Egal, jedenfalls liegt er mir seit einer Ewigkeit damit in den Ohren, dass ich ihm eine Pflegekraft besorgen soll. Das ist nicht so einfach, wie es aussieht. Die Sicherheitsbestimmungen müssen gewahrt werden, und die Kandidatin darf nicht zu hübsch sein. Sonst verführt er sie und macht, was er will. Andererseits, wenn wir warten, bis der Palast sein Okay gibt, kann es sein, dass der arme Kerl noch Monate im Krankenhaus liegt. Das wiederum geht auch nicht, weil uns dann die Presse belagert.“
„Wieso Sicherheitsbestimmungen?“
„Weil er der Thronfolger ist. Siehst du keine Nachrichten? Sein älterer Bruder ist bei einem Unfall gestorben, eine tragische Geschichte.“ Josh wühlte in den Papieren auf seinem Schreibtisch und zog eine Zeitung hervor. „Hier. Dein Jugendschwarm ist heutzutage Europas begehrtester Junggeselle.“
Tasha schnappte sich das Blatt, während eins der vielen unerwünschten Bilder vor ihrem inneren Auge auftauchte: Alessandro, bis zur Hüfte nackt, mit einem feinen Schweißfilm auf der muskulösen, bronzen schimmernden Brust – wie er im Garten beim Spiel mit ihren Brüdern den Ball im Tor versenkte.
„Das mit seinem Bruder habe ich gelesen. Furchtbar.“ Sie versuchte, sich den Bad Boy Alessandro als Thronfolger vorzustellen. So wie er sie damals behandelt hatte, war von Edelmut und fürstlicher Klasse nichts zu merken gewesen. „Alessandro war das schwarze Schaf der Familie.“
„Er hatte schon immer ein schwieriges Verhältnis zu seinen Eltern, aber er stand seinem Bruder sehr nahe. Und jetzt muss er den Thron besteigen, den er nie wollte. Alessandro liebt seine Freiheit.“
Die Freiheit, jeder Frau das Herz zu brechen, die ihm über den Weg läuft. „Ich kann ihn mir in so einer verantwortungsvollen Position gar nicht vorstellen“, sagte Tasha. Gerade das hatte den Reiz ausgemacht … seine Unbeständigkeit, sein Wagemut, das Verwegene an ihm.
„Ihm wird nichts anderes übrig bleiben. Er ist der Thronanwärter, ob es ihm passt oder nicht. Also, was meinst du? Ich finde, es ist der perfekte Job für dich.“ Josh wirkte sehr zufrieden. „Du hast ihn vergöttert.“
„Habe ich nicht!“, widersprach sie heftig. „Und ich habe auch nicht die geringste Lust, für Alessandro Cavalieri die Krankenschwester zu spielen. Er ist arrogant, hält sich für den Größten und …“ Ist hochintelligent und höllisch sexy .
Oh, Himmel!
Wieder stieg ihr das Blut in die Wangen, und Tasha drehte sich schnell wieder zum Fenster hin. Ich kann das nicht. Ich will ihn nicht wiedersehen.
Verlangen, prickelnd und süß, durchfuhr sie. Der Mann ist nicht mal im Zimmer, dachte sie wütend. Warum wurde ihr dann plötzlich heiß?
Ihre Erinnerungen spielten ihr einen bösen Streich, mehr nicht. Alessandro hatte ihre Träume zerstört. Er hätte sie bestimmt, aber freundlich zurückweisen können. Stattdessen war er grausam gewesen.
Eigentlich sollte ich ihm dankbar sein, dachte sie. Ihrem Selbstvertrauen mochte er einen empfindlichen Schlag versetzt haben, der ihre Beziehung zu Männern bis heute beeinflusste. Aber was ihren Ehrgeiz betraf, so hatte Alessandro wahre Wunder bewirkt.
Nachdem sie aus ihren Mädchenträumereien unsanft geweckt worden war, hatte sie sich nur noch auf die Schule konzentriert. Statt sich auf Partys zu vergnügen, saß sie abends über ihren Büchern. Die Familie hatte nicht nachgefragt. Im Gegenteil, ihre Brüder waren froh gewesen, dass ihr Wildfang von Schwester endlich zur Vernunft gekommen war. Zum Glück wussten sie nicht, was in jener Nacht passiert war.
Josh hätte ihn umgebracht.
Ihr Bruder sah die Korrespondenz durch. „Klar, arrogant war er schon.“ Er setzte seine Unterschrift unter einen Brief. „Aber das ist auch kein Wunder. Auf der Uni konnte er sich vor Frauen nicht retten.“
Steif drückte sie den Rücken durch. „Tatsächlich?“
„Du warst verrückt nach ihm.“ Josh warf das Schreiben in den Ablagekorb. „Ist es dir peinlich, ihn wiederzusehen?“
„Nein! Natürlich nicht. Ich … wüsste nur etwas Besseres mit meiner Zeit anzufangen. Ich bin Kinderärztin, ich brauche eine Stelle in der Pädiatrie. Das macht sich besser in meinem Lebenslauf.“
„Mir ist nur eingefallen, dass du ganz schön mit ihm geflirtet hast.“
Ich will es mit dir, Alessandro. Ich möchte, dass du der Erste bist.
Sie hatte das Gefühl, kopfüber in einen Hochofen zu stürzen. „Ich war siebzehn, ich habe mit jedem geflirtet.“ Warum reagierte sie so heftig? Verflixt, das Ganze war zehn Jahre her!
Doch eine solche Demütigung vergaß man nicht. Und den Mann, der sie einem zugefügt hatte, auch nicht. Albern eigentlich, wahrscheinlich würde sie ihn gar nicht mehr attraktiv finden. Damals war sie eben leicht zu beeindrucken gewesen, hatte von ihrem Prinzen geträumt und einem Märchenschloss.
Heute war sie klüger.
Tasha atmete tief durch. Er hat dich gekränkt, dich verletzt. Du hattest nie die Gelegenheit, ihm zu sagen, was er dir angetan hat.
Glühender Ärger wallte in ihr auf.
Nein, sie konnte Alessandro nicht pflegen. Nicht, wenn sie nicht übel Lust hatte, ihm auch den anderen Knöchel zu brechen.
Sie war drauf und dran, ihrem Bruder zu sagen, dass er sich leider jemand anders suchen musste, da kam ihr ein Gedanke. Nein, dachte sie schockiert von sich selbst, das geht nicht. Das kannst du nicht machen, das ist kindisch, und es würde …
Spaß machen?
Sie könnte ihm eine Lektion erteilen.
„Dieser Job … Muss ich dafür bei Alessandro einziehen?“
„Sicher. Er braucht jemanden, der Tag und Nacht für ihn da ist. Einen Monat lang, vielleicht auch etwas länger.“
Tag und Nacht.
Zeit genug, um einen Mann zum Wahnsinn zu treiben.
Bis er bereut.
Ja, sie würde ihm zeigen, dass er keinen Einfluss mehr auf sie hatte. Der atemberaubende Mann, den sie in Erinnerung hatte, war nur das Produkt einer Teenagerfantasie. Mit dem echten zusammenzuleben, würde sie ein für alle Mal von ihrem Traum befreien. Und es wäre eine Chance, Würde und Stolz zurückzugewinnen.
Josh legte den Stift hin. „Gerade eben hast du gesagt, dass er ein arroganter, eingebildeter Kerl ist.“
„Er war noch jung. Bestimmt hat er sich geändert.“ Das glaubte sie zwar nicht eine Sekunde lang. Ein Mann wie Alessandro änderte sich nie, und warum sollte er? Er sah blendend aus, hatte Geld wie Heu und war es gewohnt, dass ihm die Welt zu Füßen lag. „Ich freue mich, ihn wiederzusehen“, fügte sie hinzu. „Und ich helfe ihm gern.“
„Die Knöchelfraktur ist kompliziert. Allein deswegen war er vier Mal im OP. Außerdem hat er sich zwei Rippen gebrochen und sich ein paar ordentliche Prellungen zugezogen.“
„Du meinst, er ist so gut wie hilflos?“ Umso besser …
„Ja. Deshalb ist es besonders wichtig, dass wir die richtige Betreuung für ihn finden. Natürlich möchte er nicht von jemandem abhängig sein, mit dem er sich nicht versteht.“
„Klar.“ Abhängig ist gut.
„Wer sich um ihn kümmert, muss wissen, was er braucht.“
Tasha nickte mitfühlend. „Auf jeden Fall.“ Eine Lektion, dachte sie. Das ist es, was er braucht. Jemand muss diesem reichen Playboy beibringen, dass Frauen kein Spielzeug sind . „Ich bin sehr gut darin, einen Patienten davon zu überzeugen, dass er seine Medizin nehmen muss. Also genau die richtige Frau für den Job.“
„Das sehe ich auch so. Du bist nicht so leicht zu beeindrucken wie einige unserer Schwestern, die sich kaum trauen, dem Fürsten Anweisungen zu erteilen.“
„Verlass dich drauf, großer Bruder.“
Josh betrachtete sie ernst. „Aber nicht, dass du dich wieder in ihn verknallst.“
Ihr Lachen kam aus vollem Herzen. „Oh nein, das wird nicht passieren.“ So blöd bin ich nicht .
„Ausgezeichnet. Du kannst es ihm gleich selbst sagen. Er liegt in einem Einzelzimmer, ich erkläre dir den Weg.“
Jetzt?
Tasha hatte Mühe, weiterhin unbefangen zu lächeln. Ihr Herz hämmerte. Nein, sie konnte ihm noch nicht gegenübertreten. Sie hatte gerade ihren Job verloren. Nun ja, sie hatte ihn nicht verloren, sondern eher … weggeworfen. Aber ihr Nervenkostüm war nicht das stabilste, sie musste sich erst darauf vorbereiten, Alessandro zu begegnen. Sie wollte einen klaren Kopf haben, und sie wollte gut aussehen.
Als ihr bewusst wurde, dass Josh sie ansah, versuchte sie sich zu beruhigen. Wenn sie jetzt Nein sagte, würde ihr Bruder Fragen stellen. Und je länger sie mit ihrer Antwort wartete, umso weniger Mut würde sie aufbringen. Das einzig Gute war, dass Alessandro nicht erwartete, sie zu sehen. Sie hätte das Überraschungsmoment auf ihrer Seite.
Tasha schlenderte zum Spiegel neben dem Schrank und betrachtete sich. Große grüne Augen starrten ihr entgegen. Augen, denen man den Schlafmangel ansah. Ein gewohnter Anblick, seit sie als Ärztin arbeitete.
Aber sonst sah sie nicht schlecht aus.
Der Mund ist zu groß, dachte sie. Und die Sommersprossen störten das Bild ebenmäßiger Haut. Ein paar dunkle Locken waren der Haarspange entwischt, was etwas zerzaust wirkte. Als Teenager hatte sie ihren zigeunerhaften Look gehasst. Wie gern hätte sie glatte blonde Haare und himmelblaue Augen gehabt wie einige ihrer beneidenswerten Mitschülerinnen.
Verunsichert spürte sie, wie der Knoten im Magen sich fester zusammenzog. Hör auf, ermahnte sie sich. Du hast Verstand und bist kein hohles Dummchen wie die meisten Frauen, mit denen sich Alessandro umgibt.
Aber es waren auch die schönsten Frauen der Welt darunter. Also musste sie sich wappnen. Entschlossen holte Tasha das Schminktäschchen aus ihrem kleinen Lederrucksack.
„Armer Alessandro.“ Sie tuschte sich die Wimpern und tupfte etwas Rouge auf ihre Wangen. Nur ein wenig, gerade genug, um ein natürliches Aussehen zu unterstreichen. „Ich kann mir vorstellen, dass er halb durchdreht, wenn er den ganzen Tag im Bett liegen muss. Du hast recht, er braucht jemanden, der sich um ihn kümmert.“
Oh ja, sie würde sich um ihn kümmern. Und wenn sie mit ihm fertig war, dann war der gebrochene Knöchel das geringste seiner Probleme. Es wurde höchste Zeit, dass Seine Hoheit begriff, dass Frauen Gefühle hatten, auf denen man nicht wie der letzte Macho herumtrampelte.
Josh betrachtete sie. „Wieso schminkst du dich?“
„Weil es mir nicht egal ist, wie ich aussehe.“ Sie suchte nach dem Lipgloss. „Als er mich das letzte Mal gesehen hat, war ich ein Teenager, und ich möchte, dass er mich als Erwachsene wahrnimmt – als jemanden, der fähig und in der Lage ist, ihn professionell zu betreuen.“
„Du siehst plötzlich ziemlich glücklich aus für jemanden, der seinen Job verloren hat. Vorhin dachte ich, gleich bricht sie in Tränen aus.“
„Ich? Sei nicht albern, Josh. Und mach dir keine Sorgen, dein Freund ist bei mir in guten Händen.“ Tasha löste ihren Haarclip, und die dunklen Locken fielen ihr in üppigen Wellen auf die Schultern. Lächelnd schüttelte sie sie mit einer Kopfbewegung zurecht. „In sehr guten.“
Alessandro Cavalieri hatte ihr zerbrechliches Teenagerherz gestohlen und es mit Füßen getreten.
Rache ist süß, dachte sie, während sie glänzenden Lipgloss auftrug.
Und wenn er sich bei ihr entschuldigt hatte, dann konnte sie vielleicht, nur vielleicht, endlich mit dieser Geschichte abschließen.
„Hoheit, Sie dürfen hier im Krankenhaus kein Handy benutzen.“
Sein Geduldsfaden drohte zu reißen. Alessandro warf der blutjungen Schwester einen durchdringenden Blick zu. „Dann bringen Sie mich hier raus.“
„Es tut mir wirklich leid, aber das darf ich nicht. Sie haben eine Infektion, Hoheit, und …“
„Hören Sie auf, mich Hoheit zu nennen“, fuhr er sie an und wurde im selben Moment von Schuldgefühlen geplagt. Sie konnte ja nichts dafür, dass er auf seinen fürstlichen Titel genauso gern verzichtet hätte wie auf den zerschmetterten Knöchel und die Rippenprellungen. „Entschuldigung“, knurrte er. „Ich bin es nicht gewohnt, untätig im Bett zu liegen.“
Erst recht nicht, wenn er zu viel Zeit hatte, um über Dinge nachzudenken, die er lieber verdrängt hätte.
Die Krankenschwester räusperte sich. „Der Herr Direktor hat angerufen, als Sie beim Chefarzt waren. Er bat mich, Ihnen auszurichten, dass er die Sicherheitsvorkehrungen verschärft hat. Und er entschuldigt sich vielmals wegen des Fiaskos gestern. Wir haben keine Ahnung, wie es dem Reporter gelungen ist, an der Regenrinne zu Ihrem Zimmer hinaufzuklettern.“
Fehlt noch, dass sie einen Hofknicks macht, dachte er missmutig, hielt aber seine schlechte Laune diesmal im Zaum. Er war es gewohnt, dass sich die Leute ihm gegenüber nicht natürlich verhielten.
„Manche Vertreter der Presse erweisen sich als echte Akrobaten. Das ist für mich nichts Neues.“ Alessandro griff nach dem Wasserglas und musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht vor Schmerzen laut aufzustöhnen.
„Warten Sie, Sir, ich helfe Ihnen.“
„Es geht schon“, stieß er hervor, doch seine Hand gehorchte ihm nicht, und das meiste Wasser ergoss sich auf seine Brust. Alessandro verfiel in seine Muttersprache und fluchte laut und heftig.
Sichtlich nervös nahm ihm die Schwester das Glas aus den Fingern, füllte es wieder mit Wasser und reichte es ihm. Dann starrte sie auf sein T-Shirt, das feucht auf seiner breiten Brust klebte. „Soll ich …“
„Nein, nicht nötig.“
Nur zögernd, wie ihm schien, wandte sie den Blick von seinen Muskeln ab und schluckte. „Ihr Chefberater hat angerufen, Sir. Er bittet Sie dringend um Rückruf.“
Alessandro lehnte den Kopf ins Kissen und unterdrückte das Bedürfnis, schallend zu lachen. Ein Gutes hatte dieses Drama … seine Berater rauften sich schon die Haare. Irgendwie gefiel ihm das Chaos, das sein Unfall verursacht hatte.
„Ich kann ihn nicht anrufen“, sagte er mit samtiger Stimme. „Sie haben mir gerade verboten, mein Handy zu benutzen.“
„An Ihrem Bett steht ein Telefon, Sir … Hoheit.“
Verdammt … „Sie dürfen Alessandro zu mir sagen. Und haben wir nicht gerade eben festgestellt, dass ich nichts von dem, was an meinem Bett steht, erreichen kann?“
„Es gab noch andere Anrufe, Hoheit.“ Unsicher warf sie ihm einen zaghaften Blick zu. „Von fünf Journalisten und vier … Frauen. Keine hat ihren Namen genannt. Und Ihre Hoheit Fürstin Eleanor rief an, als Sie im Bad waren. Sie sagte, Sie brauchen nicht zurückzurufen. Sie hat eine Nachricht hinterlassen.“
„Welche?“
„Sie hätte im Fernsehen gesehen, dass das Krankenhaus von Medienvertretern belagert sei, und bittet Sie, Ihre Äußerungen diskret zu halten.“
Alessandro lächelte dünn. Der dumpfe Schmerz in seinem Innern wurde zu einem schwarzen Loch, das ihn in einen Abgrund zu ziehen drohte.
Seine Mutter hatte also endlich angerufen.
Was sie bisher nicht für nötig gehalten hatte – weder nach dem Unfall, als niemand seinen Zustand einschätzen konnte, noch als er zu einer Notoperation in den OP geschafft wurde. Sie hatte sich nicht erkundigt, wie es ihm ging, geschweige denn ihm gute Genesung gewünscht. Nein, das Einzige, was sie interessierte, war sein Image.
Oder ging es ihr eher um ihr Image?
Achte darauf, wie du dich in der Öffentlichkeit präsentierst, Alessandro. Es fällt auf uns alle zurück.
Um die kühle, missbilligende Stimme aus seinen Gedanken zu vertreiben, suchte Alessandro nach Ablenkung. Die Schwester war hübsch. Dass es ihm erst jetzt auffiel, sagte eine Menge über seinen Zustand aus. Spontan reizte es ihn, die junge Frau zum Fenster zu ziehen und vor einer Horde von Fotografen leidenschaftlich zu küssen.
Aber abgesehen davon, dass er mit seinem Knöchel nirgendwohin kam, wäre das ziemlich unfair dem Mädchen gegenüber.
Oder Miranda gegenüber.
Der Gedanke an Miranda verdarb ihm endgültig die Laune.
Ich muss mich entscheiden, dachte er, so geht das zwischen uns nicht weiter.
„Kann ich Sie vielleicht bestechen, dass Sie mich hier rausschmuggeln?“ Alessandro versuchte, nicht bedrohlich zu klingen. „Ich besitze ein Haus an der Küste. Der Aussicht ist atemberaubend, vor allem von meinem Schlafzimmer.“
Die Schwester errötete, ihre Blicke trafen sich. Er sah, wie sich ihre Lippen leicht öffneten, als sie unwillkürlich den Atem anhielt. Dummerweise konnte Alessandro Gedanken lesen … Gedanken und romantische Träume, die alle mit einem Satz endeten: Krankenschwester heiratet Prinz .
Er dachte an die Ehe seiner Eltern, und es kroch ihm kalt über den Rücken.
Alessandro hatte keine Ahnung, warum die meisten Menschen so aufs Heiraten versessen waren. Er würde sich lieber von einer Horde wilder Pferde überrennen lassen, als sich für den Rest seines Lebens an eine einzige Frau zu binden. Erst recht, wenn diese Frau sich nur deshalb für ihn interessierte, weil er ein reicher Fürstensohn war.
„Das ist natürlich ein unmoralisches Angebot.“ Er bewegte sein Bein, doch der Schmerz blieb. „In meinem Haus hat jedes Zimmer einen herrlichen Blick aufs Meer, und auf der Terrasse steht ein Whirlpool, ideal für Krankengymnastik und Massage.“
„Wir sind in Cornwall“, erklang eine energische Frauenstimme von der Tür her. „Wer im April draußen im Whirlpool sitzt, holt sich eine Lungenentzündung. Hallo, Alessandro. Du siehst aus, als hättest du schlechte Laune. Ich hoffe, ich muss keinen Knicks machen.“
Die helle, melodiöse Stimme hatte er mehr als zehn Jahre nicht gehört, aber er erkannte sie sofort. Sein Körper spannte sich an, und Alessandro war froh, dass die Bettdecke die verräterische Reaktion verbarg. Versuchung, dachte er, so etwas vergisst ein Mann nicht so leicht. Und Natasha O‘Hara war die personifizierte sinnliche Versuchung gewesen. Ein Mädchen, entschlossen, zur Frau zu werden. Mit siebzehn hatte sie nichts unversucht gelassen, Alessandro auf sich aufmerksam zu machen.
Es war ihr gelungen.
Und wie er sie bemerkt hatte!
Er spürte, wie sich ein feiner Schweißfilm auf seinen Brauen bildete. Alessandro wusste nicht, ob der Schmerz in seiner Brust von den gebrochenen Rippen herrührte oder von seinen Schuldgefühlen. Ich habe ihr übel mitgespielt.
Selbstbewusst schlenderte sie ins Zimmer. Von dem linkischen Teenager, den er in Erinnerung hatte, keine Spur. Auch die steife Förmlichkeit, die alle anderen in seiner Gegenwart zu befallen schien, fehlte ihr völlig. Sie errötete nicht, und sie redete ihn nicht mit Hoheit an. Ihr Blick war direkt, fast herausfordernd, und Alessandro hätte gelacht, wäre ihm nicht so mulmig zumute gewesen.
Tasha hatte schon immer Mut bewiesen. Hätte jemand von ihr verlangt, zu knicksen, sie hätte als Erstes gefragt, warum. Es war einer der Gründe, weshalb er sie gern um sich gehabt hatte: Sie behandelte ihn wie einen normalen Menschen.
Als Dank hatte er ihr das Herz gebrochen.
Alessandros Unbehagen wuchs. Gehörte sie zu den Frauen, die nachtragend waren? Genau wie er hatte sie jenen Sommer bestimmt nicht vergessen.
„Tu nicht so, als würdest du mich nicht kennen.“ Das klang unbefangen und freundlich. Falls sie immer noch wütend auf ihn war, so zeigte sie es jedenfalls nicht.
Alessandro entspannte sich ein wenig. Vielleicht musste er sich gar keine Gedanken machen. Damals war sie noch sehr jung, überlegte er, und in der Jugend heilte alles schnell: Knochenbrüche und auch gebrochene Herzen.
Tasha blieb an seinem Bett stehen. Sie trug ein scharlachrotes Top, das sie in die schmal geschnittene Jeans gesteckt hatte. Der breite Gürtel betonte ihre schmale Taille. Das üppige schwarze Haar fiel ihr in seidig schimmernden Locken über den Rücken. Sie sah aus wie eine Mischung aus Zigeunerin und Flamencotänzerin.
Der Wildfang war zu einer betörenden Frau geworden.
„Du hast dein T-Shirt nass gemacht.“ Sie richtete den Blick auf seine feuchte Brust.
Alessandro spürte, wie sich etwas in ihm regte. „Mit einem gebrochenen Knöchel und Rippenbrüchen ist man nicht besonders beweglich.“
„Armer Alessandro.“ Ihre Stimme klang warm und mitfühlend. „Deshalb bist du so griesgrämig. Ist bestimmt schrecklich, hilflos zu sein.“
Und schwer zu ertragen. Bisher hatte er das Gefühl der Ohnmacht erfolgreich verdrängt, indem er darüber nachdachte, wie er aus diesem verdammten Krankenhaus herauskam. Dass Tasha plötzlich hier aufgetaucht war, lenkte ihn auf beunruhigende Weise ab. Wie sie ihn ansah, das passte irgendwie nicht ins Bild. Er hätte erwartet, dass sie sauer war oder wenigstens reserviert oder verlegen. Schließlich hatte er ihr …
Alessandro bewegte sich unruhig, und wieder durchschoss ihn ein stechender Schmerz. Er achtete nicht darauf. „Was machst du hier?“, fragte er stattdessen. „Josh sagte, du arbeitest weit weg von hier in einem Krankenhaus.“
„Nicht mehr. Ich …“ Sie zögerte und lächelte dann, „habe einen neuen Job in Aussicht.“
Ihre Blicke trafen sich, und er stöhnte insgeheim auf, als Verlangen ihn packte. Womit habe ich das verdient?
„Du siehst gut aus, Natasha“, sagte er. Zu gut. Schon als junges Mädchen war sie verführerisch gewesen. Die Frau, die jetzt vor ihm stand, hatte eine Figur, bei der jeder Mann sofort an wilden Sex denken musste. Prompt wurde ihm heiß, und er wandte den Blick ab, fest entschlossen, keinen weiteren Gedanken an ihre Brüste, ihre langen, schlanken Beine und die vollen glänzenden Lippen zu verschwenden.
„Danke, Schwester …“ Tasha sah auf das Namensschild. „Carpenter. Dieser Patient hat Sie genug geärgert. Ich übernehme für Sie.“
Schwester Carpenter machte ein langes Gesicht. „Aber ich bin gerade erst zum Dienst gekommen. Seine Hoheit braucht …“
„Ich weiß genau, was Seine Hoheit braucht.“
Die höflich ausgesprochenen Worte täuschten nicht darüber hinweg, dass die Schwester das Feld räumen sollte. Alessandro überlegte, ob Tasha diese gebieterische Art schon als Teenager gehabt hatte. Nein, auf keinen Fall. Er sah sie vor sich, mit großen sehnsüchtigen Augen, lebhaft und erwartungsvoll. Sie mit hoffnungslos romantisch zu beschreiben, wäre noch untertrieben gewesen.
Schwester Carpenter warf Alessandro einen bedauernden Blick zu und verschwand stumm.
„Ja, Hoheit, nein, Hoheit … das muss dich doch verrückt machen“, meinte Tasha spöttisch. „Oder hast du deine Frauen gern unterwürfig?“
Sie war so erfrischend anders als alle, mit denen er zu tun hatte, seit er auf dem Polofeld im Schlamm gelandet war, dass Alessandro zum ersten Mal seit Wochen laut auflachte. „Auf keinen Fall“, antwortete er amüsiert.
„Gut, denn wenn ich dich alle zwei Minuten mit Hoheit anreden muss, wird die Sache nicht funktionieren.“
„Wovon redest du?“
„Du machst aus den Schwestern einen aufgescheuchten Hühnerhaufen, Alessandro. Sie haben Angst vor dir.“
„Ich bin sanft wie ein Lamm.“
Ihre Mundwinkel zuckten. „Ja, klar.“
„Vielleicht bin ich ein bisschen gereizt, aber es passt mir nun mal nicht, untätig im Bett zu liegen.“
„Gewöhne dich lieber daran.“ Sie sah ihn an. „Ich habe mir die Röntgenbilder angesehen. Mit dem Knöchel wirst du eine kleine Ewigkeit nicht laufen können. Du hast aus deinen Knochen Krümel gemacht.“
„Ich nicht, das war das Pferd.“ Trotzdem sein Fehler, er war abgelenkt gewesen. Um nicht weiter darüber nachzudenken, betrachtete er sie. War sie noch gewachsen, oder wirkte sie durch ihre Haltung größer?
Natasha O‘Hara strahlte ein Selbstvertrauen aus, das vor zehn Jahren noch nicht da gewesen war. So als wüsste sie genau, dass sie eine schöne Frau war. Mit ihrem sanften Hüftschwung und dem leicht dekolletierten Top, das wohlgeformte, feste Brüste erahnen ließ, lenkte sie die Gedanken eines Mannes in eine einzige Richtung. Alessandro hatte plötzlich Sehnsucht nach einer kalten Dusche.
„Warum bist du hier, Tasha?“ Seit jener Nacht hatte er sie nicht wiedergesehen, jener Nacht, in der er sie einfach stehen ließ … schluchzend, das Make-up auf ihrem hübschen Gesicht verwischt und von Tränenspuren durchzogen.
Er vertrieb das Bild, schob es in den dunklen Winkel, wo auch alles andere lauerte, was er vergessen wollte.
„Ich habe gehört, du suchst eine Krankenschwester, die dich zu Hause pflegt.“
„Richtig.“ Allerdings fragte er sich allmählich, was schwerer zu ertragen war: im Krankenhaus zu liegen oder zu Hause einer schmachtenden Schwester ausgeliefert zu sein, die ihn alle zwei Minuten mit Hoheit anredete.
„Du wirst keine finden. Nicht, wenn du weiterhin launisch und aufbrausend bist.“
„Das gibt sich, sobald ich hier weg bin. Josh hat mir versprochen, bis heute Abend jemanden zu haben. Du weißt nicht zufällig, ob er Glück hatte?“
„Kommt darauf an, was du unter Glück verstehst.“ Sie schnappte sich sein Smartphone, das auf der Bettdecke lag. „Du solltest das hier nicht benutzen. Es ist gegen die Vorschriften.“
„Ja, das hat man mir gesagt. Leider war ich nie gut darin, mich an Vorschriften zu halten.“
Ihr sinnlicher Mund verzog sich zu einem schwachen Lächeln. „Da haben wir ja etwas gemeinsam. Aber solange du hier bist, musst du dich benehmen.“
„Sorge dafür, dass ich entlassen werde, dann benehme ich mich auch. Also, was ist … hat er eine Krankenschwester für mich?“
„Nicht direkt eine Krankenschwester.“
„Wieso nicht?“, fuhr er ungeduldig auf. „Ich brauche jemanden, der Ahnung hat – und vorzugsweise jemanden, der nicht jeden Satz mit dem Wörtchen Hoheit garniert.“
Tasha sah ihm in die Augen. „Ich habe Ahnung. Und ich werde dich ganz bestimmt nicht mit Hoheit anreden.“
„Du?“ Alessandro spürte den Schock wie einen Schlag in die Magengrube. „Du bist Kinderärztin.“ Und jemand, dem er zehn Jahre lang bewusst aus dem Weg gegangen war.
„Ich bin Ärztin und zufällig auch Fachärztin für Kinderheilkunde. Das heißt, ich besitze alle nötigen Qualifikationen, um deinen Genesungsprozess zu fördern. Ich sorge dafür, dass du regelmäßig deine Krankengymnastik machst, dich gesund ernährst und jeden Abend früh ins Bett gehst …“ Ihre Augen blitzten amüsiert, als sie hinzufügte: „und zwar allein. Ich habe zwar noch nie jemanden gepflegt, aber ich lerne schnell.“
Sein Mund war plötzlich wie ausgetrocknet, aber ihm tat alles weh, sodass er lieber darauf verzichtete, nach dem Wasserglas zu greifen. „Du willst mich pflegen?“
„Wir sind alte Freunde, Alessandro. Das ist doch das Mindeste, was ich tun kann.“
Ihr Lächeln war warm und aufrichtig. Warum verspürte er dann ein wachsendes Unbehagen?
Alessandro entschloss sich für die Flucht nach vorn. „Du und ich, wir sind nicht gerade im Guten auseinandergegangen.“
„Stimmt. Du hast dich wie der letzte Schuft verhalten“, antwortete sie leichthin. „Aber das ist lange her, und ich war in einem Alter, in dem man leicht zu beeindrucken ist. Glaubst du ernsthaft, ich bin nachtragend, nach zehn Jahren? Das wäre ziemlich albern, meinst du nicht?“
Wäre es das wirklich?
Er betrachtete sie forschend, versuchte, die wahren Gefühle hinter ihren lockeren Worten zu entdecken. „Tasha …“
Sie beugte sich vor und sah ihn spöttisch an. „Ich war siebzehn. Ich hatte keinen Geschmack und war überwältigt von der Tatsache, dass du ein Prinz bist. Und da wir das jetzt geklärt haben, können wir es einfach vergessen. Also, was ist, Alessandro? Habe ich einen Job?“
Josh stieß die Haustür auf, hin- und hergerissen zwischen Hochstimmung und Schuldgefühlen.
Er verdrängte sie. Rebecca hatte selbst gesagt, dass sie die Scheidung wollte, und war ausgezogen.
Als er seine Jacke aufhängte, umhüllte ihn Megans Duft und brachte die Erinnerung an die vergangene Nacht zurück. Wenn er nur an Megan dachte, hob sich seine Stimmung. Josh schloss die Schranktür. Er war froh darüber, dass Tasha sein Angebot, bei ihm zu übernachten, abgelehnt hatte. Er brauchte Ruhe zum Nachdenken.
Eins jedoch stand für ihn fest: Heimliche Tête-à-Têtes im Rufbereitschaftszimmer genügten ihm nicht. Er wollte mit Megan zusammen sein, jetzt und in Zukunft. Mit ihr lachen, reden, mit ihr schlafen und neben ihr aufwachen.
Aufgekratzt und erfüllt von neuer Energie checkte er sein Handy. Keine SMS von ihr, stellte er enttäuscht fest. Ob sie wieder eingeschlafen war, nachdem er mit Tasha in sein Büro gegangen war? Er stellte sich vor, wie Megan zwischen den zerwühlten Laken lag und von ihrem leidenschaftlichen Liebesspiel träumte.
Josh warf sein Schlüsselbund auf das Telefontischchen. So gut hatte er sich seit Monaten nicht gefühlt. Still vor sich hin lächelnd hob er die Post vom Boden auf und schlenderte in die Küche. Ein starker Kaffee wäre jetzt das Richtige.
„Hallo, Josh.“ Mit anklagender Miene saß Rebecca am Küchentisch.
Seine Träume zerschellten an der Wirklichkeit.
„Was tust du hier?“, fragte er.
„Ich bin deine Frau“, entgegnete sie spitz. „Dies ist immer noch mein Zuhause.“
Sein schlechtes Gewissen erwachte wieder. Es fiel ihm unbeschreiblich schwer, sich vorzustellen, dass sie einander jemals nahe gewesen waren.
„Wo warst du heute Nacht?“
Josh unterdrückte den Wunsch, ihr zu sagen, dass sie das nichts anging. „Im Krankenhaus, da arbeite ich.“
„Aber du hast nicht gearbeitet, oder? Und lüg mich nicht an, ich habe angerufen und nach dir gefragt.“ Ein dünnes Lächeln erschien auf ihren perfekt geschminkten Lippen. „Ein Vorteil, den man als Chefarztgattin hat – man bekommt sofort Auskunft. Zwar wusste keiner, wo du warst, doch sie wussten genau, dass du keinen Dienst hattest.“
Die Wände der Küche schienen näher zu rücken. Vor wenigen Minuten noch hatte er eine strahlende Zukunft vor sich gesehen. Jetzt hatte er das Gefühl, als schnüre ihm jemand langsam die Luft ab. „Rebecca …“
„Soll ich dir noch dankbar sein, dass du es nicht in unserem Ehebett mit ihr getrieben hast?“, fauchte sie. „Wer ist sie, Josh? Versuch nicht, es abzustreiten, ich sehe es in deinen Augen, dass du eine andere hast!“
Nein, er würde Megan nicht verleugnen. Diesmal nicht. Josh drückte die Schultern durch. „Es gibt jemanden“, gestand er. „Das mit uns ist vorbei, Rebecca. Wir waren uns einig, dass …“
„Ich bin schwanger.“
Tödliche Stille breitete sich im Raum aus. Es war, als hätten die drei Worte die Zeit angehalten, wäre nicht der Sekundenzeiger der Küchenuhr gewesen, der stetig weitertickte.
Schwanger. Ein Baby.
Josh hatte das seltsame Gefühl, neben sich zu stehen. Sein Verstand weigerte sich, die Worte zu erfassen. Sein Herz hielt verzweifelt an dem Traum fest, der rasend schnell in unerreichbare Ferne rückte.
„Das kann nicht sein!“
„Warum nicht? Weil es dir nicht in den Kram passt?“, sagte sie schneidend. „Falls du es noch nicht gewusst hast, Josh – Babys kommen nicht nur dann, wenn man sie gebrauchen kann.“
Wem sagte sie das? Megan hatte zugegeben, dass das Baby, das sie vor acht Jahren verloren hatte, von ihm gewesen war. Josh war dabei gewesen, als sie ihr in einer dramatischen Nacht mit einer Notoperation das Leben retteten. Der Preis war das Kind gewesen, ihr gemeinsames Kind. Wieder verspürte Josh die erdrückenden Schuldgefühle.
Als Rebecca und er sich getrennt hatten, war sein erster Gedanke gewesen: Zum Glück haben wir keine Kinder.
Und jetzt …
„Du weißt, dass ich nie Kinder wollte“, sagte er.
Sie lachte bitter auf. „Daran hättest du denken sollen, bevor du mit mir geschlafen hast.“
„Das war ein Fehler.“ Er war betrunken gewesen und erinnerte sich kaum an jene Nacht. Bruchstückhaft nur sah er vor sich, wie Rebecca sich an ihn drängte, ihn antrieb … „Du hast es geplant, stimmt‘s? Du hast es tatsächlich darauf angelegt, ein Kind in die Welt zu setzen, dessen Eltern kaum mehr miteinander reden?“
„Um mit mir ins Bett zu gehen, hat es gereicht.“
„Ich dachte, du nimmst die Pille.“
„Ich bekomme ein Baby, Josh, finde dich damit ab. Bevor du dich also zu sehr auf diese neue tolle Frau einlässt, sollten wir überlegen, was wir machen. Du wirst Vater.“
Es war nicht ihr bester Einfall gewesen. Im Gegenteil!
Angespannt sah Tasha sich in Alessandros elegantem Domizil hoch oben auf der Klippe über dem Meer um und wünschte, sie hätte sich nie auf Joshs Angebot eingelassen. Aber sie hatte nun einmal unangenehme Fragen befürchtet und außerdem gedacht, dass sie für Alessandro nichts weiter empfinden würde – von einer leichten Verachtung einmal abgesehen.
Sie hatte vorgehabt, den Jungen endlich aus ihren Gedanken und Gefühlen zu verbannen, und dabei völlig vergessen, dass aus dem Jungen ein Mann geworden war. Ein Mann, der auch dann noch Sex-Appeal und ein umwerfendes Charisma ausstrahlte, wenn er schwer verletzt war. Schon in der ersten Minute, als sie sein Krankenzimmer betrat und sah, wie er die schüchterne Schwester mit diesem schiefen, leicht spöttischen Blick bedachte, wusste sie, dass sie in Schwierigkeiten steckte.
Um sich ihre Unsicherheit nicht anmerken zu lassen, wandte sie Alessandro den Rücken zu und richtete ihre Aufmerksamkeit auf das Haus. Es war ein beeindruckendes Anwesen, einige hundert Quadratmeter zu ebener Erde, mit breiten Glasfronten, die von jedem Punkt des riesigen Wohnzimmers einen atemberaubenden Blick auf den Strand boten. Tiefe, weiche Sofas in den Farben des Ozeans waren um einen großen blau-weiß gestreiften Teppich gruppiert, und wohin man blickte, setzte das Thema Meer geschmackvolle Akzente … hier mit verwittertem Treibgut, dort mit einem alten Anker. An den Wänden hingen großformatige Gemälde moderner Malerei, und in breiten Regalen standen unzählige Bücher.
Neidisch betrachtete Tasha die Buchrücken. Es musste herrlich sein, einen Monat frei zu haben, sich auf einem dieser Sofas auszustrecken, stundenlang zu lesen und immer wieder den grandiosen Ausblick zu genießen. Sie hatte keine Ahnung, wie, aber dem Innenarchitekten war es gelungen, ein stilvolles, modernes Ambiente zu schaffen, das gleichzeitig intime Gemütlichkeit bot.
„Wie hast du dieses Schmuckstück entdeckt?“
„Ich hatte bestimmte Vorstellungen. Als das Grundstück auf den Markt kam, hat mir jemand einen Tipp gegeben.“
„Ich möchte nicht wissen, was du dafür bezahlt hast“, meinte sie trocken. Eine Villa in diesem Teil von Cornwall kostete ein Vermögen.
„Das eigentliche Problem war die Baugenehmigung. Das ursprüngliche Haus war schon baufällig, und wir mussten die Behörden davon überzeugen, dass das neue sich harmonisch in die Landschaft einfügen würde.“
Allein der Ausblick war Millionen wert. Rund um das Haus zog sich eine breite Terrasse mit einer gläsernen Balustrade, die einerseits Schutz bot, andererseits aber nichts von der herrlichen Natur verbarg.
Ein moderner Palast, dachte Tasha, wie geschaffen für einen adligen Playboy, der das Leben in vollen Zügen genießen will.
Jeder Gegenstand strahlte Reichtum und Macht aus, und auch die High-Tech-Sicherheitsanlage ließ keinen Zweifel daran, dass eine wichtige Persönlichkeit hinter diesen Mauern lebte. Elektronisch gesicherte Tore, Überwachungskameras auf der langen, gewundenen Zufahrt zur Villa und breitschultrige, durchtrainierte Bodyguards, die sich im Schichtdienst abwechselten, beschützten den Fürstensohn.
Tasha warf ihm einen Seitenblick zu und dachte: Er wirkt nicht wie ein Mann, der Personenschutz braucht. Mit dem dunklen Bartschatten und den verwegen blitzenden dunklen Augen sah er weniger wie ein Prinz, sondern mehr wie ein Pirat aus.
Ihr fiel ein, dass sie ihm nie in seiner Welt begegnet war, sondern nur in ihrer. Niemals hätte sie sich vorgestellt, dass er so lebte, rund um die Uhr bewacht von bulligen Leibwächtern.
Mit siebzehn hatte sie bei Prinz nur an Märchen gedacht, an Ritterlichkeit, an Mut, an Tapferkeit und Ehre. Für ein kleines Mädchen, dessen Vater die Familie einfach im Stich gelassen hatte, ein wahrer Traum.
Sie wusste noch wie heute, wie sie damals reagiert hatte, als Josh von dem Studienfreund erzählte, der ihn besuchen wollte. Ehrfürchtig sprach sie die Worte aus, die sie noch Jahre später bereute: „Ein echter, lebendiger Prinz?“ Von dem Moment an ließen ihre großen Brüder keine Gelegenheit aus, sie damit aufzuziehen.
Das hielt sie jedoch nicht davon ab, romantischen Träumen nachzuhängen, nachdem sie Alessandro zum ersten Mal gesehen hatte. Hochgewachsen, mit geschmeidigen Bewegungen entstieg er seinem gepanzerten Wagen, das Sonnenlicht spielte in seinem glänzenden tintenschwarzen Haar, und um Tasha war es geschehen.
Mit zwanzig sah Alessandro Cavalieri atemberaubend gut aus, aber mehr noch verführte er sie mit seinem Charme. Sie war es gewohnt, von ihren Brüdern unaufhörlich geneckt zu werden. Dass nun einer daherkam, der sie nicht wie einen Wildfang, sondern wie ein weibliches Wesen behandelte, weckte schwärmerische Sehnsüchte in ihr.
Ihre Träume wurden bitter enttäuscht. Die Erinnerung daran war auch jetzt wieder wie eine eiskalte Dusche. Alessandro mochte noch besser aussehen als damals, doch sie war kein naiver Teenager mehr.
Erleichtert, dass ihr Verstand die Sache im Griff hatte, entspannte sie sich. „Der Blick auf den Strand ist klasse“, sagte sie leichthin. „In ganz Cornwall findest du keine besseren Surfbedingungen als hier, aber wegen der Felsen ist es nicht überlaufen. Man muss schon ein guter Surfer sein, um hier klarzukommen.“
„Josh hat mir erzählt, dass ihr als Kinder ständig auf dem Wasser gewesen seid.“