Stalky & Co. - Rudyard Kipling - E-Book

Stalky & Co. E-Book

Rudyard Kipling

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Beschreibung

Rudyard Kiplings Erzählsammlung ›Stalky & Co.‹ ist eines der berühmtesten Internatsbücher der Weltliteratur, voller Anarchie und Witz. Seine drei Helden finden sich im hintersten Winkel Englands am Rand einer kalten Küste wieder. Aber dank ihres Einfallsreichtums und ihrer Fantasie gelingt es ihnen, die beinahe makabre Brutalität der Institution zu unterlaufen. Schonungslos schildert Kipling seine eigenen Internatsjahre. Mit hinterlistiger Ironie beweist er, dass man besser lernt, wenn die Lehrer nicht dabei stören, und nebenbei verhalf er seinen abenteuerlustigen Kameraden zu literarischem Weltruhm. Überarbeitete Neuausgabe der 2001 erschienenen Übersetzung von Gisbert Haefs - jetzt bei FISCHER Taschenbuch

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Seitenzahl: 614

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Rudyard Kipling

Stalky & Co.

Erzählungen

Aus dem Englischen von Gisbert Haefs

Mit Illustrationen von Leonard Raven-Hill

FISCHER E-Books

Inhalt

»Selige Insel Aves« [...]Dem Andenken von [...]›Let us now praise [...]»Stalky«»Im Hinterhalt«Diener der Wunderlampe IEin übelriechendes ZwischenspielDie ImpressionistenDie Moral-ReformerTO THE COMPANIONSHORACE, ODE [...]Die vereinigten GötzendienerTHE CENTAURS [...]RegulusA TRANSLATIONHORACE, ODE 3, [...]Ein bißchen SilentiumDie Flagge ihres VaterlandesTHE BIRTHRIGHT [...]Die Verbreitung von WissenSatisfaktion für einen GentlemanDas letzte TrimesterDiener der Wunderlampe IIAnhangKiplingEditorische NotizZum HintergrundZur Organisation der SchuleZur RezeptionAnmerkungen»Stalky«»Im Hinterhalt«Diener der Wunderlampe IEin übelriechendes ZwischenspielDie ImpressionistenDie Moral-ReformerTo the Companions / An die GefährtenDie vereinigten GötzendienerThe Centaurs / Die KentaurenRegulusA Translation / Eine ÜbersetzungEin bißchen SilentiumDie Flagge ihres VaterlandsThe Birthright/Das GeburtsrechtDie Verbreitung von WissenSatisfaktion für einen GentlemanDas letzte TrimesterDiener der Wunderlampe IIDaten zu Leben und WerkWerke

»Selige Insel Aves«

Dem Andenken von

CORMELL PRICE

Direktor, United Services College,

Westward Ho! Bideford, North Devon

1874–1894

›Let us now praise famous men‹ –

 

›Let us now praise famous men‹ –

 Men of little showing –

For their work continueth,

And their work continueth,

Broad and deep continueth,

 Greater than their knowing!

 

Western wind and open surge

 Took us from our mothers;

Flung us on a naked shore

(Twelve bleak houses by the shore!

Seven summers by the shore!)

 ’Mid two hundred brothers.

 

There we met with famous men

 Set in office o’er us;

And they beat on us with rods –

Faithfully with many rods –

Daily beat us on with rods,

 For the love they bore us.

 

Out of Egypt unto Troy –

 Over Himalaya –

Far and sure our bands have gone –

Hy-Brasil or Babylon,

Islands of the Southern Run,

And cities of Cathaia!

 

And we all praise famous men –

 Ancients of the College;

For they taught us common sense –

Tried to teach us common sense –

Truth and God’s Own Common Sense,

 Which is more than knowledge!

 

Each degree of Latitude

 Strung about Creation

Seeth one or more of us

(Of one muster all of us),

Diligent in that he does,

 Keen in his vocation.

 

This we learned from famous men,

 Knowing not its uses,

When they showed, in daily work,

Man must finish off his work –

Right or wrong, his daily work –

 And without excuses.

 

Servants of the Staff and chain,

 Mine and fuse and grapnel –

Some before the face of Kings,

Stand before the face of Kings;

Bearing gifts to divers Kings –

 Gifts of case and shrapnel.

 

This we learned from famous men

 Teaching in our borders,

Who declaréd it was best,

Safest, easiest, and best –

Expeditious, wise, and best –

 To obey your Orders.

 

Some beneath the further stars

 Bear the greater burden:

Set to serve the lands they rule,

(Save he serve no man may rule),

Serve and love the lands they rule;

 Seeking praise nor guerdon.

 

This we learned from famous men,

 Knowing not we learned it.

Only, as the years went by –

Lonely, as the years went by –

Far from help as years went by,

 Plainer we discerned it.

 

Wherefore praise we famous men

 From whose bays we borrow –

They that put aside To-day –

All the joys of their To-day –

And with toil of their To-day

 Bought for us To-morrow!

 

Bless and praise we famous men –

 Men of little showing –

For their work continueth,

And their work continueth,

Broad and deep continueth,

 Great beyond their knowing!

 

»Laßt uns nun große Männer preisen«

 

»Laßt uns nun große Männer preisen« –

 Männer ohne viel Aufhebens –

denn ihr Wirken dauert fort,

und ihr Wirken dauert fort,

breit und tief dauert es fort,

 größer als sie wissen!

 

Westwind und offene See

 nahmen uns unseren Müttern;

warfen uns an einen nackten Strand

(zwölf trübe Häuser an dem Strand!

Sieben Sommer an dem Strand!)

 unter zweihundert Brüder.

 

Dort trafen wir große Männer,

 über uns gesetzt im Amt;

und sie schlugen uns mit Ruten –

getreulich mit vielen Ruten –

schlugen täglich uns mit Ruten,

 ob der Liebe, die sie für uns hegten.

 

Aus Ägypten bis nach Troja –

 über den Himalaya –

weit und unbeirrbar zogen unsere Scharen –

Hy-Brasil oder Babylon,

Inseln der Südlichen Route,

 und Städte von Cathay!

 

Und wir alle preisen große Männer –

 Ahnen aus dem College;

denn sie lehrten uns Vernunft –

versuchten, uns Vernunft zu lehren –

Wahrheit und Gottes Eigenen Common Sense,

 was mehr ist als Kenntnisse!

 

Jeder Breitengrad, der

 die Schöpfung umschlingt

sieht einen oder mehr von uns

(alle aus dem gleichen Holz),

gewissenhaft in dem, was er tut,

 eifrig in seiner Berufung.

 

Dies lernten wir von großen Männern,

 ohne den Sinn dessen zu kennen,

als sie uns zeigten, im täglichen Werk,

daß der Mensch seine Arbeit beenden muß –

recht oder schlecht, sein Tagewerk –

 und ohne Ausreden.

 

Diener von Stab oder Kette,

 Mine, Lunte und Dregge –

einige, im Angesicht von Königen,

stehen im Angesicht von Königen;

bringen Geschenke vielen Königen –

 Geschenke von Hülse und Schrapnell.

 

Dies lernten wir von großen Männern,

 die zu Hause lehrten,

die erklärten, es sei das Beste,

Sicherste, Leichteste und Beste –

Wirksamste, Klügste und Beste –

 Befehlen zu gehorchen.

 

Einige, unter fernen Sternen,

 tragen die größere Bürde:

eingesetzt, den Ländern zu dienen, die sie beherrschen,

(keiner darf herrschen, wenn er nicht dient),

den Ländern, die sie beherrschen, zu dienen und sie zu lieben;

 und nicht Preis noch Lohn zu suchen.

 

Dies lernten wir von großen Männern,

 ohne zu wissen, daß wir es lernten.

Erst als die Jahre vergingen –

einsam, wie die Jahre vergingen –

fern von Hilfe, während Jahre vergingen,

 erkannten wir dies deutlicher.

 

Deshalb wollen wir nun große Männer preisen,

 von deren Lorbeeren wir borgen –

sie, die das Heute aufgaben –

alle Freuden ihres Heute –

und durch die Plagen ihres Heute

 uns das Morgen erkauften!

 

Laßt uns große Männer segnen und preisen –

 Männer ohne viel Aufhebens –

denn ihr Wirken dauert fort,

und ihr Wirken dauert fort,

breit und tief dauert es fort,

 groß jenseits ihres Wissens!

»Stalky«

»Und dann« – es war die Stimme eines Jungen, seltsam flach und beherrscht – »hat De Vitré gesagt, wir wären blöde Hosenscheißer, weil wir nicht helfen, und ich hab gesagt, für unsern Geschmack machen schon zu viele mit. Außerdem gibt es bestimmt irgendein Schlamassel, wenn der olle De Vitré die Sache schmeißt. Stimmt’s nicht, Beetle?«

»Jedenfalls ist das Ganze komplett bescheuert. Was wollen die denn bloß mit den blöden Kühen machen, wenn sie sie haben? Kühe kann man melken – wenn sie stillhalten. Das ist auch in Ordnung, aber sie einfach so durch die Gegend zu treiben …«

»Du bist doof, Beetle.«

»Nee, bin ich nich. Was soll denn das für nen Sinn haben, nen Haufen Kühe von den Weiden hochzutreiben nach … nach … wohin soll’s gehn?«

»Sie wollen sie zu Tooweys Hof oben auf dem Berg treiben – dem, der leersteht, wo wir letzten Dienstag geraucht haben. Es geht um Rache. Der olle Vidley ist letzte Woche zweimal hinter De Vitré her, weil der mit seinen Ponys über die Weiden geritten ist; und De Vitré will dem ollen Vidley so viel Vieh klauen, wie er kriegen kann, und oben auf den Berg packen. Er wird’s aber versauen – vor allem, wo ihm Parsons, Orrin und Howlett helfen. Die werden doch bloß schreien und brüllen, und dann hauen sie ab, sobald sie Vidley sehen.«

»Wir hätten das schaffen können«, sagte McTurk langsam; er schlug den Kragen seines Rocks hoch gegen den Regen, der über die Weiden geweht wurde. McTurks Haar war von dem dunklen Mahagoni-Rot, das zu einem bestimmten Temperament gehört.

»Hätten wir«, antwortete Corkran mit dem gleichen Selbstbewußtsein. »Aber die sind losgegangen, als ob das ne Art Spatzenjagd wär. Ich hab mich noch nie mit Viehdiebstahl beschäftigt, aber ich finde, wenn’s um was geht, kann man es genausogut stalky machen.«

Der brodelnde Dampf des Atlantik trieb in Kringeln und Wölkchen über die Köpfe der Jungen. Luvwärts aus dem Nebel kam von jenseits der grauen Linie des Kiesrückens das unaufhörliche Röhren meilenlanger Atlantikbrecher. Leewärts zeichneten sich einige verstreute Ponys und Rinder im Dunst ab, Eigentum der Kleinbauern von Northam und widerwilliges Spielzeug der Jungen in ihren freien Stunden. Die drei Jungen waren am Gatter stehengeblieben, das die Grenze des genutzten Landes markiert, wo die Felder von Northam Hill zu den Weiden herunterkommen. Beetle, mit wirrem Schopf und Brille, rieb die Nase hin und her über die nasse oberste Stange; McTurk trat von einem Fuß auf den anderen und betrachtete das Wasser, das in die wechselnden Fußabdrücke sickerte; Corkran pfiff durch die Zähne, lehnte sich an eine Sodenbank und spähte in den Nebel.

Erwachsene oder geistig Gesunde hätten das Wetter vielleicht scheußlich genannt; aber die Jungen in dieser Schule waren noch nicht vom nationalen Interesse an der Witterung befallen. Es war ein bißchen feucht, klar; aber im Ostertrimester war es immer feucht, und von Meeresfeuchte, fanden sie, könne man sich unter gar keinen Umständen erkälten. Regenmäntel waren etwas, womit man in die Kirche ging, aber sie machten einen zum Krüppel, wenn man ohne große Vorwarnung über schweres Gelände rennen mußte. Also warteten sie im Regenguß, gelassen und so gekleidet, wie ihre Mütter es sehr ungern gesehen hätten.

»Hör mal, Corky«, sagte Beetle, der sich zum zwanzigsten Mal die Brille abwischte, »wenn wir De Vitré nicht helfen wollen, weshalb sind wir dann hier?«

»Wir sehen uns das an«, war die Antwort. »Behalt nur deinen Onkel im Auge; der bringt dich heil durch.«

»Schlimme Sache das, Rindertreiben – in offenem Gelände«, sagte McTurk, der als Sohn eines irischen Baronet etwas über derlei Operationen wußte. »Die werden ihnen über die halben Weiden hinterherlaufen müssen. Meinste, die reiten auf Vidleys Ponys?«

»De Vitré ganz bestimmt. Der kennt sich mit Pferden aus. Hört mal! Was für nen Krach die bloß machen. Die kann man ja meilenweit hören.«

Die Luft füllte sich mit Juchzern und Gebrüll, Schreien, Befehlen, dem Klappern zerbrochener Golfschläger und Hufgetrappel. Drei Kühe kamen mit ihren Kälbern zum Gatter, im Eutergalopp, gefolgt von vier stieräugigen Ochsen und zwei Ponys mit rauhem Fell. Ein fetter, sommersprossiger Fünfzehnjähriger trabte hinter ihnen her; er ritt ohne Sattel und fuchtelte mit einem Zaunpfahl. Bis zu einem gewissen Punkt besaß De Vitré Einfallsreichtum; außerdem hatte er eine Leidenschaft fürs Pferdetummeln, die von den Farmern von Northam nicht gefördert wurde. Farmer Vidley, der nicht verstehen konnte, daß ein grasendes Pony sich gern im Galopp umherjagen läßt, hatte ihn einmal einen Dieb genannt, und diese Beleidigung nagte an dem Jungen. Daher der Überfall.

»Komm schon«, schrie er über die Schulter, »mach das Gatter auf, Corkran, sonst rennen sie alle wieder zurück. War schwer genug, sie zusammenzukriegen. Oh, wird der olle Vidley toben!«

Drei Jungen kamen angerannt und scheuchten die Tiere aufgeregt und amateurhaft weiter, bis sie sie in den engen, bergauf führenden Devonshire-Hohlweg mit seinen steilen Böschungen getrieben hatten.

»Komm doch mit, Corkran. Es macht irren Spaß«, bat De Vitré; aber Corkran schüttelte den Kopf. Die Angelegenheit war ihm an diesem Tag nach dem Mittagessen als fertig ausgeheckter Plan vorgelegt worden, bei dem er durch De Vitrés Gunst eine Nebenrolle spielen durfte. Und Arthur Lionel Corkran, Nr. 104, legte keinen Wert darauf, jemandes Leutnant zu sein.

»Die kriegen dich am Schlafittchen«, rief er, als er das Gatter schloß. »Parsons und Orrin sind nichts wert, wenn’s eng wird. Du kannst Gift drauf nehmen, die schnappen dich, De Vitré.«

»Hach, was bist du für n mieser Schlappschwanz!« Der Sprecher war bereits vom Nebel verhüllt.

»Zum Teufel«, sagte McTurk. »Ich glaub, das ist das erste Mal, daß wir im Coll je Rinderklauen probiert haben. Sollen wir nicht …«

»Überhaupt nicht«, sagte Corkran fest. »Behaltet euren Onkel im Auge.« In diesen Dingen war sein Wort Gesetz, denn Erfahrung hatte sie gelehrt, daß sie in Schwierigkeiten gerieten, wenn sie sich ohne Corkran auf Manöver einließen.

»Du bist bloß sauer, weil du nicht als erster dran gedacht hast«, sagte Beetle. Corkran trat ihn dreimal ganz ruhig, wobei weder er noch Beetle auch nur mit einem Muskel zuckten.

»Nee, bin ich nicht; aber es ist einfach nicht stalky genug für mich.«

»Stalky« bedeutete in ihrem Schulvokabular schlau, überlegt und gerissen, vor allem, was Schlachtpläne anging; und »stalkiness« war die einzige Tugend, um die Corkran sich bemühte.

»Is doch dasselbe«, sagte McTurk. »Du meinst, du bist der einzige im Coll, der stalky ist.«

Corkran trat ihn, wie er Beetle getreten hatte, und genau wie Beetle nahm McTurk nicht die mindeste Notiz davon. Der Etikette ihrer Freundschaft entsprechend war es nicht mehr als die förmliche Mitteilung von Einwänden gegen einen Gesetzesantrag.

»Sie haben keine Aufklärer vorgeschickt«, fuhr Corkran fort (diese Schule bereitete Jungen für die Armee vor). »Sollte man immer machen – sogar, wenn’s um Äpfel geht. Tooweys Hof könnte ja voll von Farmarbeitern sein.«

»Letzte Woche war er’s nicht«, sagte Beetle, »als wir in diesem Wagenschuppen da geraucht haben. Außerdem ist es meilenweit von allen Häusern weg.«

Eine von Corkrans hellen Augenbrauen hob sich. »O Beetle, muß ich dich denn dauernd treten! Heißt das vielleicht, daß der Hof jetzt leer ist? Die hätten einen vorschicken müssen, um nachzusehen. Die sorgen schon dafür, daß es ihnen nur ja an den Kragen geht. Und wohin abhaun, wenn sie um ihr Leben rennen müssen? Parsons ist erst zwei Trimester hier. Der kennt sich im Gelände nicht aus. Orrin is n feister Esel, und Howlett zieht Leine, wenn er nen guv’nor [Dialektbezeichnung für jeden Eingeborenen von Devon, der landwirtschaftlichen Betätigungen nachgeht] bloß von weitem sieht. De Vitré ist der einzige Brauchbare von dem Haufen, und – und ich hab ihn drauf gebracht, Tooweys Hof zu benutzen.«

»Bleib in deiner Haut«, sagte Beetle. »Was machen wir jetzt? Hier isses heftig klamm.«

»N bißchen nachdenken.« Corkran pfiff durch die Zähne; bald brach er in einen schnellen, kurzen doppelten Schleppschritt aus. »Wir gehn direkt den Hügel rauf und sehn uns an, was mit denen passiert. Quer über die Felder; und oben legen wir uns in die Hecke, wo der Weg zur Scheune reingeht – wo wir letztes Trimester den toten Igel gefunden haben. Los!«

Er kletterte über die Erdbank und ließ sich auf das regendurchtränkte Ackerland fallen. Bis zur Hügelkuppe, wo Tooweys Scheunen standen, war es weit und steil. Die Jungen kümmerten sich nicht um Durchstiege oder Feldwege; ein Feld nach dem anderen überquerten sie diagonal, und wenn sie an eine Hecke kamen, wühlten sie sich hindurch wie Beagles. Der Weg lag rechts von ihnen, und aus der Richtung hörten sie viel Gebrüll und Geschrei.

»Also, wenn De Vitré nich in ne Klemme kommt«, sagte McTurk, wobei er an einem Gatterpfosten ein paar Pfund Lehm abtrat, »verdient hätt er’s jedenfalls.«

»Uns klemmen sie auch noch, wenn du weiter mit so hoher Nase rumläufst. Duck dich, du Esel, halt dich unter der Hecke. Wir können ziemlich nah an die Scheune kommen«, sagte Corkran. »Wenn man einmal angefangen hat, sollte man die Sache auch stalkymäßig durchziehen.«

Sie pfriemelten sich oben in eine alte hohle Doppelhecke, keine dreißig Yards entfernt von der großen schwarzen Holzscheune mit ihren viereckigen Anbauten. Nach ihrem zehnminütigen Anstieg waren sie einige hundert Fuß über den Weiden. Als sich hier und da die Nebel teilten, konnten sie das sattgrüne Dreieck der Weideflächen sehen, mit gelben Sanddünen an der Spitze, gesäumt von weißer Gischt; es lag unter ihnen wie eine verwischte Landkarte. Die Brandung am Kiesrücken gab einen feinen Hintergrund für den wilden Lärm im Hohlweg ab.

»Hab ich’s euch nicht gesagt?« sagte Corkran. Er spähte zwischen den Stämmen der Setzlinge hindurch, von wo aus er einen guten Blick auf den Hof hatte. »Drei Farmarbeiter – beim Ausmisten – mit Mistgabeln. Zu spät, um De Vitré zu warnen. Die würden uns schnappen, wenn wir uns sehen lassen. Außerdem haben sie sie schon gehört. Konnte man ja auch nicht überhören. Was für Esel!«

Die Eingeborenen fuchtelten mit ihren Waffen und besprachen sich; dabei gebrauchten sie sehr oft das Wort »Colleger«. Als der Tumult lauter wurde, verschwanden sie in den verschiedenen Pferchen und Ställen. Die ersten Tiere trabten zum Hoftor, und De Vitré beglückwünschte seine Bande. »So isses prima!« rief er. »Oh, wie der olle Vidley toben wird! Mach das Tor auf, Orrin, und jag sie rein. Die sind ganz erhitzt.«

»Du auch, in einer Minute«, murmelte McTurk, als die Räuber hinter dem Vieh auf den Hof eilten. Sie hörten einen Triumphschrei, schrille Verzweiflungsrufe; sahen, wie einer von den Devonleuten sich mit Mistgabel am Tor postierte, während die anderen alle vier Jungen gefangennahmen.

»Ach diese höllischen, idiotischen, trotteligen Anfängeresel!« sagte Corkran. »Die haben ja nicht mal ihre House-Kappen abgenommen.« Anders, als manche glauben, wurden diese niedlichen Konfektionen, gehalten in Grundfarben, nicht ausgegeben, um Stolz auf das jeweilige House oder esprit de corps zu fördern, sondern um eine Identifizierung aus der Ferne möglich zu machen, falls der Kappenträger Schranken oder Gesetze übertrat. Deshalb trugen alle, außer Idioten, in Kriegszeiten ihre Kappen von innen nach außen gedreht.

»Aie! Ihr jungen Schufte. Ham wir euch! Was macht ihr mit Master Vidley seine Ochsen?«

»Ach, die haben wir gefunden«, sagte De Vitré, der in der Niederlage tapfer Haltung bewahrte. »Wollen Sie sie haben?«

»Gefunden! Die Ochsen so jagen – wie die prusten und keuchen tun, un ganz heiß sind se! Schande, so was! Un die Küh habt ihr auch fast umgebracht – von geklaut nich zu reden. Arme Jungs wern schon für halb soviel in n Knast gesteckt.«

»Der lügt.« Beetle wandte sich auf dem nassen Gras zu McTurk.

»Weiß ich; sagen die aber immer. Weißt du nich mehr, wie die uns mal sonntags bei der Monkey-Farm erwischt haben, wo du Äpfel unterm Zylinder gehabt hast?«

»Liebe Tante! Jetzt sperren sie sie ein und gehn Vidley holen«, flüsterte Corkran, als einer der Häscher bergab in Richtung Appledore lief und die Gefangenen in die Scheune gebracht wurden.

»Aber immerhin haben sie ihre Namen und Nummern nicht aufgeschrieben«, setzte er hinzu. Corkran war mehr als einmal in die Hände des Feindes gefallen.

»Aber die sitzen in der Falle! Sieht schlimm aus für De Vitré«, sagte Beetle. »Auf jeden Fall kriegt er Prügel, auch wenn Vidley ihn nicht auseinandernimmt. Der Chef is ziemlich scharf, was Ausbüchsen und Wildern und so was angeht. Kühe klauen findet er bestimmt nicht lustiger.«

»Außerdem isses ganz schlecht für Kühe, wenn man sie mit der ganzen Milch ans Rennen bringt«, sagte McTurk; er nahm ein Knie von einem nassen Primelkissen. »Was ist unser nächster Zug, Corky?«

»Wir gehn in den alten Wagenschuppen, wo wir geraucht haben. Direkt neben der Scheune. Wir können rüberrennen, solang sie drin sind, und durchs Fenster reinklettern.«

»Angenommen, die schnappen uns?« sagte Beetle. Er stopfte seine House-Kappe in die Tasche. Kappen können herunterfallen, deshalb geht man barhäuptig in den Kampf.

»Das ist es ja gerade. Die denken doch nicht mal im Traum dran, daß noch mehr Jungs einfach so peng in die Falle gewandert kommen. Außerdem können wir durchs Dach raus, wenn sie uns sehen. Behaltet euren Onkel im Auge. Los«, sagte Corkran.

Ein kurzer Sprint brachte sie zu einem großen Brennesselbusch unter dem unverglasten Rückfenster des Wagenschuppens. Die offene Vorderseite lag natürlich am Innenhof.

Sie kletterten durchs Fenster, landeten zwischen den Karren und klommen ins mit groben Brettern gefertigte Obergeschoß, das sie eine Woche zuvor auf der Suche nach einem ungestörten Platz entdeckt hatten. Es zog sich durch den halben Schuppen und endete in Dunkelheit an der Scheunenwand. Die Dachziegel waren zerbrochen und verschoben. Durch die Ritzen hatten sie einen guten Blick auf den Scheunenhof, der halb angefüllt war mit trostlosem Vieh, das trübe im Regen dampfte.

»Seht mal«, sagte Corkran, wie immer bemüht, seine Rückzugslinie offenzuhalten. »Wenn sie uns hier festsetzen, können wir zwischen den Sparren da durch, rutschen das Dach runter und ab die Post. Die kommen ja nich mal durchs Fenster. Die müßten um die Scheune rumlaufen. Bist du jetzt zufrieden, du Waschlappen?«

»Hah! Das haste doch bloß gesagt, um selber ganz sicher zu sein«, gab Beetle zurück.

»Wenn die Bretter nicht so lose wären, würd ich dich treten«, knurrte Corkran. »Hat keinen Zweck, irgendwo reinzugehen, wo man nicht mehr rauskommt. Halt die Klappe und hör mal.«

Vom Ende des Dachbodens drang Stimmengemurmel zu ihnen herüber. Vorsichtig tappte McTurk auf Zehenspitzen dorthin.

»He! Hier kommt man rüber in die Scheune. Man kann durch. Kommt!« Er betastete die Bretterwand.

»Was ist auf der anderen Seite?« sagte Corkran der Umsichtige.

»Heu, du Trottel.« Sie hörten seine Absätze auf Holz klacken, und weg war er.

Irgendwann einmal mußte man Schafe im Wagenschuppen untergebracht haben, und ein findiger Farmarbeiter, der das Heu nicht außen herum schleppen wollte, hatte ein Brett aus der Scheunenwand entfernt, um das Futter hindurchschieben zu können. Es war beileibe kein richtiger Durchgang, aber dreißig Zentimeter im Quadrat ist alles, was ein Junge braucht.

»Sieh mal!« sagte Beetle, während sie auf McTurks Rückkehr warteten. »Die Rinder wollen nich mehr im Regen stehn.«

Etwa drei Fuß unter dem Halbboden zeigte sich ein brauner, haariger Rücken, als die Rinder sich eins nach dem anderen unten schutzsuchend zwischen die Karren drängten und den Schuppen mit ihrem süßen Hauch erfüllten.

»Das blockiert uns den Fluchtweg, außer wir gehn übers Dach, und das ist ein bißchen sehr hoch, außer wenn man muß«, sagte Corkran. »Und vor dem Fenster stehn sie jetzt auch alle rum. Was für n Tag!«

»Corkran! Beetle!« McTurks Flüsterstimme bebte vor Wonne. »Man kann sie sehen; ich hab sie gesehn. Die stecken in der Scheune und haben die Hose gestrichen voll, und die beiden Bauern machen sich lustig über sie – schlimm. Orrin versucht, sie zu bestechen, und Parsons heult gleich. Kommt her, seht’s euch an! Ich bin auf dem Heuboden. Ihr müßt durchs Loch. Mach keinen Krach, Beetle.«

Geschickt schlängelten sie sich zwischen den verschobenen Brettern hindurch ins Heu und krochen zum Rand des Bodens. Drei Jahre Scharmützel gegen eine harte und mitleidlose Landbevölkerung hatten sie mit den Grundbegriffen der Strategie vertraut gemacht. Was die Taktik angeht, folgten sie Corkran, aber selbst der notorisch zerstreute Beetle hielt eine Heulocke vor seinen Kopf, als er nach vorn kroch. Es gab keine Hast, kein verräterisches Kichern, kein aufgeregtes Quietschen. Aus Striemen hatten sie gelernt, daß derlei nicht klug ist. Aber die Konferenz neben einem Rübenschneider unten in der Scheune war tief in ihre eigenen Angelegenheiten versunken; De Vitrés Seite machte Versprechungen und flehte und schmeichelte, während die Eingeborenen wie Inquisitoren lachten.

»Wartet, bis Master Vidley un Master Toowey kommen – ja, un die Polizei«, war ihre einzige Antwort. »Is jetz auch fast Zeit fürs Melken. Was solln wir tun?«

»Du gehs melken, Tom, un ich bleib bei die junge Herrn hier«, sagte der Größere von beiden, der auf den Namen Abraham hörte. »Master Toowey wird euch ne feine Rechnung machen, wo ihr doch sein Hof so einfach benützt habt. Ne Rechnung nach seine Nase! Ihr werdet gehörig durchgehaun werden. Ich glaub, ihr werdet zwei Monate lang nich sitzen können. Aber Master Vidley, der is noch besser, der gibt euch die beste Abreibung von allen. Der is da ganz Leidenschaft, sach ich euch.«

Tom stapfte hinaus, um zu melken. Die Scheunentüren schlossen sich hinter ihm, und im schwindenden Licht legte sich arge Düsternis über alle außer Abraham, der wortgewaltig einen Vortrag hielt über Mister Vidley, sein Temperament und seinen starken Arm.

Corkran drehte sich im Heu um und zog sich zum Dachboden des Schuppens zurück, gefolgt von seiner Armee.

»Sinnlos«, lautete sein Urteil. »Ich fürchte, die sind erledigt. Laßt uns besser abhauen.«

»Ja, aber sieh dir diese blöden Kühe an«, sagte McTurk; dabei spuckte er einer Färse auf den Rücken. »Wir brauchen ne Woche, um die vom Fenster wegzukriegen, und dieser Tom da wird uns hören. Er ist ja bloß auf der andern Seite vom Hof, da melkt er.«

»Dann müssen wir sie zwicken«, sagte Corkran. »So n Mist, ich würd auch lieber bleiben. Wenn wir den anderen Kerl nen Moment aus der Scheune kriegen, könnten wir sie raushauen. Ach, hat keinen Zweck. Allons, zwickons!«

Er zog eine schmale, abgenutzte, selbstgemachte Schleuder heraus – damals »Zwicker« genannt –, ließ ein paar Steinchen in das weiche Chamoisleder gleiten und zog das Gummi voll durch. Die anderen taten es ihm nach. Sie wollten nur die Rinder aus dem Weg räumen, aber da die Rücken so nah waren, hielten sie es für ihre Pflicht, sich jeweils ein bestimmtes Ziel zu suchen und so feste wie möglich abzuziehen.

Auf das, was folgte, waren sie nicht im mindesten vorbereitet. Drei Ochsen, die sich zwischen sechs eng zusammengedrängten Genossen zu drehen versuchen, nicht zu reden von drei Kälbern, mehreren Karren und all dem Kram, der sich in einem Vielzweckschuppen sammelt, müssen einfach ein Wirrwarr anrichten, wenn sie eine volle Schwenkung machen. Die Jungen hatten Glück, daß sie nicht an der Vorderkante des Bodens standen, denn ein im Schmerz hochgeworfener gehörnter Kopf riß am Rand ein lockeres Brett heraus, das wie eine Lanze auf einen verwirrten Rücken stürzte. Ein anderes Opfer polterte mit dem ganzen Körper über die Deichseln eines morschen Gig, brach sie und zertrümmerte die Räder. Das war mehr als genug für die Nerven der Versammlung. Mit wildem Gebrüll und vielen Kopfstößen nach allen Seiten rasten sie auf den Platz vor der Scheune hinaus, die Schwänze erhoben, und begannen dort einen feinen Freistilkampf auf dem Mist. Die letzte Kuh, die den Schuppen verließ, streifte ein altes Geschirre von der Wand ab; wie eine Flosse hing es über einem Auge, und sie schleifte es hinter sich her. Wenn eines der anderen Tiere darauf trat, was alle paar Sekunden geschah, brach sie natürlich in die Knie; und da sie eine Kuh von den Weiden war, der ihr Kalb am Herzen lag, attackierte sie alles, was an ihr vorbeikam. Halb entsetzt, aber ganz begeistert sahen die Jungen dem Ausbruch zu. Er war bereits in vollem Gang, ehe sie auch nur an einen zweiten Schuß denken konnten. Tom tauchte mit Mistgabel aus einem Stall auf, nur um von der beschirrten Kuh wieder hineingejagt zu werden. Ein Ochse torkelte auf den Misthaufen, stürzte, stand auf und sank bis zum Bauch ein, hilflos und brüllend. Die anderen Tiere sahen ihm sehr interessiert zu.

Corkran »zwickte« mit wissenschaftlicher Genauigkeit durch das Dach hindurch eine hüpfende Färse an der Nase, und es ist keine Übertreibung, wenn man feststellt, daß sie eine halbe Minute lang auf den Hinterbeinen tanzte.

»Abram! He, Abram! Die sin verhex. Die sin ja toll. Muß Milchfieber sein. Die sin verrück vom Treiben. Oh, Abram! Die nehmen die Bullen aufe Hörner! Jetz nehm se mich, Abram!«

»Stillhalten, bis ich die Tür abschließ«, sagte Abraham, gewissenhaft auf seine Pflicht bedacht. Sie hörten, wie er das Vorhängeschloß anbrachte, und sahen ihn mit einer weiteren Mistgabel auftauchen. Ein Ochse senkte den Kopf, Abraham rannte zum nächsten Schweinekoben, aus dem lautes Quieken verriet, daß er den Frieden einer großen Familie gestört hatte.

»Beetle«, schnauzte Corkran, »geh rein und hol diese Trottel raus. Schnell! Wir halten die Kühe bei Laune.«

Ein Volk, das in Finsternis und unter dem Schatten ungeheuerlicher Prügel hockte, zu deprimiert, um böse auf De Vitré zu sein, hörte eine Stimme aus der Höhe, die zu ihnen also sprach: »Kommt hier rauf! Los! Kommt rauf! Hier geht’s raus.«

Ohne ein Wort klommen sie die Stützbalken hinauf, fanden einen Stiefelabsatz vor, wurden angewiesen, diesem zu folgen, quetschten sich verzweifelt durch ein Loch im Dunkel und wurden von Corkran herausgezogen.

»Habt ihr eure Kappen? Habt ihr denen Namen und Nummern gesagt?«

»Ja. Nein.«

»Na gut. Springt da runter. Reden könnt ihr später. Über die Karre – durch das Fenster da, und verduften! Raus!«

De Vitré brauchte nichts Genaueres. Sie hörten ihn quietschen, als er in den Brennesseln landete, und durch die Ritzen im Dach sahen sie vier schmächtige Gestalten im Regen verschwinden. Tom und Abraham, aus Stall und Koben, mahnten das Vieh zur Ruhe.

»Jesses!« sagte Beetle. »Das war ja stalky. Wie bist du bloß darauf gekommen?«

»Das war die einzige Möglichkeit. Hätte eigentlich jeder sehen müssen.«

»Sollten wir jetzt nicht auch besser verduften?« sagte McTurk besorgt.

»Wieso denn? Mit uns ist doch alles bestens. Wir haben doch nix getan. Ich möcht gern hören, was der olle Vidley zu sagen hat. Hör mit dem Zwicken auf, Turkey. Die sollen sich abkühlen. Jesses, wie die Kuh getanzt hat! Also ehrlich, ich hab nich gewußt, daß Kühe so lebhaft sein können. War aber knapp.«

»Kannste wohl sagen! Da kommt Vidley – und Toowey«, sagte Beetle, als die beiden Farmer den Hof betraten.

»Geweide! Oh, Geweide! Gewonne! Oh, Gewonne! Heftiges Gewonne und Geweide für uns!« sagte Corkran.

Diese Wörter drückten in ihrem Vokabular die allerhöchsten Wonnen aus. »Geweide« bedeutete, je nach Abstufung, Gefühle persönlichen Triumphs, »Gewonne« war Wonne und Glückseligkeit im abstrakten Sinn, und die Jungen kosteten an diesem Tag beides aus. Nicht die geringste Freude war es, daß sie längst das Vergnügen gehabt hatten, Mister Vidleys Bekanntschaft zu machen, wenn man auch nicht sagen kann, daß er sie unbedingt liebte. Toowey war eher ein Fremder für sie; seine Obstgärten lagen zu nah an der Straße.

Tom und Abraham erzählten gemeinsam eine Geschichte von gestohlenem Vieh, verrückt gemacht durch zu wildes Treiben; von Kühen, die ganz bestimmt beim Kalben sterben würden, und von Milch, die auf ewig gestockt war; daraufhin fluchte Mister Vidley drei geschlagene Minuten lang in der Sprache von Nord-Devon.

»Is schlimm. Is ganz schlimm«, sagte Toowey trostreich; »wollmer hoffen, dasse nich zuviel abgekricht ham. Sinn aber wirklich fies wild.«

»Du has gut Redn, Toowey, wo du doch die verdammte Collegers achtzig Liter die Woche verkaufen tus.«

»Neunzich«, antwortete Toowey, mit dem sanftmütigen Triumph dessen, der seinen Nachbarn bei einer öffentlichen Ausschreibung unterboten hat. »Spielt aber doch jetz keine Rolle. Die kannze verhaun wie wenn’s deine eigne Söhn sin. Auf meim Scheunenboden kannze se verhaun.«

»Freigebige alte Sau!« sagte Beetle. »De Vitré hätte doch hierbleiben sollen, dafür.«

»Die sin alle sicher, da drin«, sagte Abraham beflissen; er zog den Schlüssel hervor. »Wir gehn wohl besser mit rein un halten se für Sie fest. He! Die Küh toben ja immer noch. Nix wie wech!«

Da die Scheune gleich neben dem Schuppen stand, konnten die Jungen diesen erhabenen Einmarsch nicht beobachten. Aber sie hörten.

»Ham sich im Heu versteck, was? Aie! Müssen schön Angst ham«, rief Abraham.

»Hol se raus! Hol se raus!« brüllte Vidley; dabei ließ er ungeduldig einen Stock auf dem Rübenschneider rappeln.

»O liebe heilige Tante!« sagte Corkran; er stand auf einem Bein.

»Mach de Tür zu. Tür zu, sach ich. Die kriegen wir auch im Dunkel. Dasse uns nich wie Karnickels untern Arm rausflitzen tun.« Krachend schloß sich die große Scheunentür.

»Mein Gote!« sagte Corkran; in Kampfeszeiten war dies immer sein Kriegsfluch. Er sprang hinab und blieb vielleicht zwanzig Sekunden verschwunden.

»Und so ist das prima«, sagte er, als er in lockerem Schlendergang zurückkam.

»Watt?« McTurk kreischte beinahe, denn Corkran, unten im Schuppen, schwenkte einen großen Schlüssel.

»Stalky! Frabulöse Stalkerei! Eingesackt! Alle vier!« war die Antwort, und Beetle ließ sich auf den Bauch fallen. »Jau. Die sin, wie sollmer saang, eingesperrt, wat? Wenn du jetzt lachst, Beetle, muß ich dich wieder treten.«

»Aber ich kann nich anders!« Beetle lief vor unterdrückter Begeisterung schon dunkel an.

»Aber hier tust du’s nicht.« Er schob den längst völlig kraftlosen Beetle durchs Fenster des Schuppens. Das ernüchterte ihn; auf einem Brennesselbett kann man nicht lachen. Dann trat Corkran auf seinen ausgestreckten Kadaver, gefolgt von McTurk, als Beetle gerade aufstehen wollte; das warf ihn wieder um, und die Nesseln malten ihm etwas auf die Wange, das aussah wie gräßlicher Ausschlag.

»Auf meim Scheunenboden kannze se verhaun«

»Ich dachte mir, das kuriert dich«, sagte Corkran; er rümpfte die Nase.

Beetle rubbelte sein Gesicht verzweifelt mit Ampferblättern ab und sagte nichts. Alle Lachlust hatte ihn verlassen. Sie kamen zum Hohlweg.

In diesem Moment brach in der Scheune ein Getöse los – ein Mischlärm, zusammengesetzt aus einer Art Pferdegetrampel, Türrütteln und unterschiedlich gellenden Schreien.

»Jetzt haben sie es entdeckt«, sagte Corkran. »So ne Überraschung.« Wieder rümpfte er die Nase.

»Laß sie doch«, sagte Beetle. »Die hört sowieso keiner. Komm, zurück zum Coll.«

»Wie kann man nur so brutal sein, Beetle! Du denkst bloß an dein mieses Ich. Die Kühe da müssen gemolken werden. Die Armen! Hör mal, wie sie brüllen«, sagte McTurk.

»Dann geh hin und melk sie doch selbst.« Beetle tanzte vor Schmerz. »Wir kommen zu spät zum Appell, wenn wir weiter hier rumhängen; und ich hab diese Woche schon zwei Punkte.«

»Dann haste Montag Exerzieren«, sagte Corkran. »Wobei mir einfällt, ich hab aussi zwei Punkte. Hm! Das ist ernst. Das ist heftig ernst.«

»Hab ich doch gesagt«, sagte Beetle in rachsüchtigem Triumph. »Und dabei wollen wir doch Montag nach diesem Falkennest suchen. Statt dessen werden wir Hanteln stemmen müssen. Alles deine Schuld. Wenn wir gleich mit De Vitré verduftet wären …«

Corkran blieb zwischen den Hecken stehen. »Halt doch mal nen Moment die Klappe. Behaltet euren Onkel im Auge. Wißt ihr was – ich glaube, irgendwer ist da in der Scheune eingesperrt. Ich finde, man müßte mal nachsehen.«

»Sei nich so n blöder Esel. Komm, los, zum Coll.«

Aber Corkran nahm keine Notiz von Beetle. Er ging zum Ende des Hohlwegs zurück und rief dort laut, als wäre er verblüfft: »Hallo? Ist da jemand? Was ist das für ein Lärm? Wer ist denn da?«

»O Peter Puter!« sagte Beetle; er hüpfte herum und vergaß bei dieser neuen Entwicklung ganz seinen Ärger.

»Hoi! Hoi! Hier! Laßt uns raus!« Die Antworten kamen dumpf und hohl aus dem schwarzen Rumpf der Scheune, begleitet von neuem Donner an der Tür.

»Nu spielt gut mit«, sagte Corkran. »Turkey, du beschäftigst die Kühe. Denk dran, wir haben sie grade erst entdeckt. Wir wissen von nichts. Sei höflich, Beetle.«

Sie suchten sich einen Weg durch den Dung und begannen ein Palaver durch einen Spalt neben der Türangel. Niemals fiel Dauerregen auf drei ehrlicher erstaunte Jungen. Und es war so schwierig, ihnen die Sache klarzumachen. Wieder und wieder mußten sie es sich von den Gefangenen in der Scheune auseinandersetzen lassen.

»Wir sin hier schon Stunndenn.« Das war Toowey. »Un die Küh müssen gemolkt wern, un überhaup.« Das war Vidley. »Un de Tür is uns vor die Nase zugefallen.« Das war Abraham.

»Ja, das sehen wir. Hier hat sie sich verklemmt«, sagte Corkran. »Nein, wie kann man nur so leichtsinnig sein!«

»Macht doch auf! Aufmachen. Brechtse doch mitm Stein auf, die junge Herrschaftens! Die Küh sin voll Milch un se toben. Habt ihr Jungs denn kein Küh?«

In Anbetracht der Tatsache, daß McTurk von Zeit zu Zeit die Rinder durch Zwicken zu neuem Gehüpfe brachte, war es durchaus möglich, daß die Jungen doch ein wenig Ahnung hatten. Aber Mister Vidley war unhöflich. Das sagten sie ihm auch durch die Tür, wobei sie feststellten, daß sie erst jetzt seine Stimme erkannten.

»Macht’s vorsichtich, wenn’s geht. Ich hab siemenhalb Shilling fürs Schloß bezahlt«, sagte Toowey. »Kümmert euch nich um den. Das is bloß der olle Vidley.«

»Willste hier wie im Knast bleim bloß weeng nem Schloß, Toowey? Schäm dich was. Brecht’s auf, die junge Herrschaftens! Gotzeidank daß ihr uns gehört habt. Toowey, du bis als Geizhals auf de Welt gekomm.«

»Das wird aber dauern«, sagte Corkran. »Hören Sie mal. Bei uns ist gleich Zapfenstreich mit Namensappell. Wenn wir hier bleiben und Ihnen helfen, kommen wir zu spät. Wir haben schon einen Riesenumweg gemacht – Ihretwegen.«

»Dann sacht eurem Lehrer, weshalb ihr spät seid – weeng Wohltätigkeit, kamman saang. Sach ich ihm auch, wenn ich morng die Milch bringen tu«, sagte Toowey.

»Das reicht nicht«, sagte Corkran; »bis dahin sind wir schon zweimal durchgeprügelt worden. Sie müssen uns nen Brief mitgeben.« McTurk, an die Scheunenwand gelehnt, feuerte gleichmäßig und zielsicher mitten in die Herde.

»Jach. Jach. Kommt mit zu meim Haus. Die Frau schreibt euch n feinen Brief, junge Herrschaftens. Die Rechnung, die schreibtse auch immer. Ich geb euch n Emfehlungsbrief mit, wie ich n für mein eingnen Sohn machen würd, wenn ihr bloß das Schloß ganz sachte aufkriegen könnt!«

»Kümmert euch nich ums Schloß«, jammerte Vidley. »Ich will bei meine arme Küh, eh daß se tot sin.«

Sie machten sich an die Arbeit, mit demonstrativem Rappeln und Reißen und jeder Menge dramatischer Zutaten, wie Corkran sie immer liebte. Schließlich – das Schlüsselgeräusch wurde überlagert von phantasievollem Hämmern mit einem kleinen Felsbrocken – öffnete sich die Tür, und die Gefangenen kamen herausmarschiert.

»Bitte Beeilung, Mister Toowey«, sagte Corkran; »wir müßten schon längst zurück sein. Geben Sie uns bitte diesen Brief?«

»N paar von euch junge Herren habt doch mein Vieh von die Weiden wechgetriem«, sagte Vidley. »Paßt bloß auf, ich sach’s eure Lehrer. Dich kenn ich doch!« In bösartigem Wiedererkennen starrte er Corkran an.

McTurk musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Ach, das ist doch bloß der alte Vidley. Besoffen wie üblich, was? Tja, da ist nix zu wollen. Kommen Sie, Mister Toowey. Gehen wir zu Ihrem Haus.«

»Besoffen, was? Ich etwa? Ich werd euch gleich! Woher soll ich denn wissen, daß ihr nich dieselbe Bande seid? Abraham, haste denen ihre Namen un Nummern aufgeschriem?«

»Was faselt der da eigentlich?« sagte Beetle. »Meinen Sie etwa, wenn wir Ihr blödes Viehzeug geklaut hätten, würden wir noch lange bei Ihrer blöden Scheune rumhängen? Also ehrlich, ihr guv’nors von den Weiden habt wirklich nix im Kopf …«

»Von Dankbarkeit nicht zu reden«, sagte Corkran. »Ich nehme an, er war wirklich betrunken, Mister Toowey, und Sie haben ihn in die Scheune gesperrt, damit er wieder nüchtern wird. Schockierend! Wirklich, schockierend!«

Vidley leugnete diese Bezichtigung in einer Sprache, bei deren Anhörung die Mütter der Jungen geweint hätten.

»Na, dann gehn Sie doch endlich und kümmern Sie sich um Ihre Kühe«, sagte McTurk. »Stehn Sie doch nicht da rum und beschimpfen uns, bloß weil wir nett genug gewesen sind, Ihnen aus ner Klemme zu helfen. Wieso sind denn Ihre Kühe nicht längst schon gemolken? Sie wollen Farmer sein? Die Melkzeit ist doch schon lange vorbei. Kein Wunder, daß die Tiere ganz verrückt sind. Sie sind ein schäbiger alter Lehmlatscher, sind Sie. Kämmen könnten Sie sich auch mal wieder, Sir … Bitte vielmals um Entschuldigung, Mister Toowey. Hoffentlich halten wir Sie nicht auf.«

Sie ließen Vidley zwischen den Kühen auf dem Misthaufen tanzend zurück und bemühten sich, Mr Toowey auf dem Weg zu seinem Haus günstig zu stimmen. Körperliche Bewegung hatte sie hungrig gemacht; Hunger ist der Vater guter Manieren; und ihre Manieren trugen ihnen goldene Lobreden von Mrs Toowey ein.

 

»Drei Viertelstunden zu spät für den Appell und fünfzehn Minuten zu spät fürs Schließen«, sagte der Schul-Sergeant Foxy knapp. Er wartete auf sie am Kopfende des Korridors. »Melden Sie sich bitte bei Ihrem House-master – un wie sehn Se bloß aus, die Herrschaften!«

»Ganz recht, Foxy. Immer pflichtbewußt im Dienst, das bringt Sie weiter«, sagte Corkran. »Wo vermutlich, wenn wir Sie fragten, würden Sie sagen, daß Seine Ehren Mister Prout, zu diesem präzisen Zeitpunkt, herumprauten könnte?«

»In seim Studio – wie immer, Mister Corkran. Er hat den Appell gemacht.«

»Hurra! Wir haben wirklich bei allem Glück. Nicht weinen, Foxy. Ich fürchte, diesmal kriegen Sie uns nicht dran.«

 

»Wir haben uns zuerst umgezogen, Sir, bevor wir zu Ihnen gekommen sind. Deshalb sind wir ein bißchen spät dran, Sir. Eigentlich waren wir gar nicht so spät hier. Wir sind aufgehalten worden – von einem –«

»Es war ein Akt der Mitmenschlichkeit«, sagte Beetle, und sie legten Mrs Tooweys mühsam ausgefertigtes Schreiben hin. »Wir dachten uns, ein Brief wäre Ihnen lieber, Sir. Toowey war irgendwie in einer Scheune eingeschlossen worden, und wir hörten ihn rufen – Toowey ist der, der dem Coll immer die Milch bringt, Sir – und dann sind wir hingegangen, um ihn rauszulassen.«

»Vor der Scheune waren furchtbar viele Kühe, die gemolken werden mußten«, sagte McTurk; »und er konnte natürlich nicht an sie ran, Sir. Die haben gesagt, die Tür hätte sich verklemmt. Hier ist sein Brief, Sir.«

Mr Prout las ihn dreimal. Er war absolut unanfechtbar, verriet aber nichts über einen umfangreichen Nachmittagstee, den Mrs Toowey beigesteuert hatte.

»Nun ja, ich habe es nicht gern, wenn Sie sich bei den Bauern herumtreiben. Natürlich werden Sie den Tooweys keine weiteren – eh – Visiten abstatten«, sagte er.

»Natürlich nicht, Sir. Es war wirklich alles nur wegen der Kühe«, antwortete McTurk; er glühte vor Menschenfreundlichkeit.

»Und Sie sind sofort zurückgekommen?«

»Wir sind fast den ganzen Weg vom Viehgatter gerannt«, sagte Corkran, bemüht, unwesentliche Einzelheiten sorgsam darzulegen. »Das ist eine Meile, Sir. Natürlich mußten wir zuerst den Brief von Toowey kriegen.«

»Aber weil wir uns zuerst umgezogen haben – wir waren ziemlich naß, Sir –, deshalb sind wir eigentlich so spät. Nachdem wir uns beim Sergeant gemeldet hatten, Sir, und er wußte, daß wir im Coll sind, wollten wir doch nicht so völlig verdreckt in Ihr Zimmer kommen.« Süßer denn Honig war Beetles Stimme.

»Sehr schön. Daß mir das nicht wieder vorkommt.« Ihr House-master sollte Sie in den nächsten Jahren besser kennenlernen.

Sie traten – um nicht zu sagen stolzierten – in den Klassenraum Nummer neun, wo De Vitré, Orrin, Parsons und Howlett vor dem Feuer noch immer bewundernden Kameraden ihre Abenteuer erzählten. Die vier standen gleichzeitig auf.

»Was ist euch denn passiert? Wir haben’s grad noch zum Appell geschafft. Seid ihr dageblieben? Erzählt schon! Komm, erzählt’s!«

Die drei lächelten versonnen. Sie waren nicht unbedingt berühmt dafür, mehr zu erzählen als notwendig.

»Ach, wir sind noch ein bißchen geblieben und dann hergekommen«, sagte McTurk. »Das ist alles.«

»Du Miststück! Uns kannst du’s doch wirklich erzählen.«

»Meinst du? Also, das ist ganz reizend von dir, De Vitré. Beim heiligen Sam, das ist wirklich ganz reizend vor dir«, sagte Corkran; er bahnte sich einen Weg mitten ins Warme und röstete einen im Hausschuh steckenden Fuß vor der Lohe. »Du meinst also, wir dürfen es wirklich erzählen?«

Sie starrten die Kohlen an und bebten von tiefem, köstlichem Kichern.

»Liebe Tante! Waren wir stalky«, sagte McTurk. »Ich schwöre, wir waren ungefähr so stalky, wie’s überhaupt nur geht. Stimmt’s?«

»Das war ne frabulöse Stalkerei«, sagte Beetle. »Aber wirklich viel zu gut, um sie euch Trotteln zu erzählen.«

Die anderen wanden sich unter der Beleidigung, machten aber keinen Versuch, sich zu rächen. Immerhin ergab sich aus De Vitrés Bericht und Verhalten, daß die drei den Viehräubern mindestens eine öffentliche Züchtigung erspart hatten.

»War wirklich nicht schlecht«, sagte Corkran. »Stalky ist das richtige Wort.«

»Du bist derjenige gewesen, der wirklich stalky war«, sagte McTurk, die Schulter verächtlich der lauschenden Welt zugewandt. »Wahrlich, ich sage euch, du warst wirklich stalky.«

Corkran nahm Kompliment und Namen gleichzeitig entgegen. »Ja«, sagte er, »behaltet euren Onkel Stalky im Auge, der bringt euch heil durch.«

»Trotzdem brauchst du dich nicht so hämisch aufzuplustern«, sagte De Vitré gehässig. »Du siehst aus wie n vollgefressener Kater.«

Corkran, hinfort als Stalky bekannt, nahm nicht die geringste Notiz von ihm, sondern lächelte verträumt.

»Liebe heilige Tante! Ja. Natürlich«, murmelte er. »Euer Onkel Stalky – ein verdammt guter Name. Euer Onkel Stalky ist wirklich sehr stalky. Er ist ein Großer Mann. Ich schwöre, er ist es. De Vitré, du bist ein Esel – ein stinkiger Esel.«

Ohne Parsons’ und Orrins zustimmendes Gemurmel hätte De Vitré das geleugnet.

»Trotzdem brauchst du nicht darauf rumzureiten.«

»Tu ich aber. Tu ich wohl tun. Du bist so ein blöder Esel. Weißt du das? Denk mal im Silentium ein bißchen drüber nach. Denk im Bett dran. Tu mir den Gefallen und denk jede halbe Stunde dran, bis auf weiteres. Jotto! Was für ein Esel du doch bist! Aber dein Onkel Stalky« – er packte das Schüreisen und schlug damit gegen den Kaminsims – »ist ein Großer Mann!«

»Hört, hört«, sagten Beetle und McTurk, die unter diesem General gekämpft hatten.

»Ist dein Onkel Stalky nicht ein Großer Mann, De Vitré? Sag die Wahrheit, du Hochstapler mit Gehirnverfettung.«

»Ja«, sagte De Vitré, von aller Gefolgschaft verlassen. »Ich … ich glaub, das ist er.«

»Du sollst nicht glauben. Ist er es?«

»Ija, also, er ist.«

»Ein Großer Mann?«

»Ein Großer Mann. Erzählst du es uns denn jetzt?« sagte De Vitré flehentlich.

»Keinen feuchten Furz«, sagte »Stalky« Corkran.

Deshalb ist die Geschichte bis heute nicht erzählt worden.

»Im Hinterhalt«

Im Sommer bauten alle geistig gesunden Jungen Hütten am Stechginster-Hügel hinter dem College – kleine Höhlen, aus dem Herzen der stacheligen Büsche herausgeschnippelt, voll von Stümpfen, krummen Wurzelenden und Dornen; aber weil streng verboten, waren es Paläste der Wonne. Und im fünften Sommer hintereinander hatten Stalky, McTurk und Beetle (das war, ehe sie es zur Würde eines eigenen Studios brachten) wie die Biber einen Ort der Zuflucht und Meditation gebaut, wo sie rauchten.

Ihre Charaktere, wie diese ihrem House-master, Mr Prout, bekannt waren, hatten allerdings nichts Respektheischendes; und auch Foxy, der schlaue rothaarige Schul-Sergeant, traute ihnen nicht. Es war sein Job, Tennisschuhe und ein Fernglas zu tragen und sich wie ein Habicht auf böse Jungen zu stürzen. Wenn er allein ins Feld gezogen wäre, hätte er die Hütte gestürmt, denn Foxy kannte die Gewohnheiten seines Wilds; die Vorsehung ließ jedoch Mr Prout, dessen Schulname, abgeleitet von der Größe seiner Füße, Hufer war, auf eigene Faust Nachforschungen anstellen; und es war der umsichtige Stalky, der ausgerechnet auf dem Grund ihrer Höhle die Spur seiner Stampfer fand, an einem friedlichen Nachmittag, als Stalky sehr gern Prout und all seine Werke über einem Band Surtees und einer neuen Bruyère-Pfeife vergessen hätte. Nicht einmal Robinson hat beim Anblick der Fußspuren schneller gehandelt als Stalky. Er beseitigte die Pfeifen, kratzte alle herumliegenden Streichholzstummel zusammen und brach auf, um Beetle und McTurk zu warnen.

Es war jedoch charakteristisch für den Jungen, daß er sich erst dann zu seinen Alliierten begab, nachdem er den kleinen Hartopp aufgesucht und mit ihm konferiert hatte. Hartopp, Vorsitzender der Naturkundlichen Gesellschaft – einer Institution, für die Stalky nur Verachtung empfand –, war mehr denn überrascht, als der Junge ganz lammfromm (worauf er sich verstand) darum bat, sich selbst, Beetle und McTurk als Kandidaten vorschlagen zu dürfen, ein lange verschüttetes Interesse an Lenzblumen, frühen Schmetterlingen und Neuerwerbungen für die Gesellschaft bekannte und vorschlug, dieses neue Leben sofort zu beginnen, falls Mr Hartopp das für tunlich halte. Als Lehrer war Hartopp natürlich argwöhnisch; er war aber auch ein Enthusiast, und zufällig aufgeschnappte Bemerkungen der drei und vor allem von Beetle hatten seine sanfte kleine Seele verwundet. Er nahm daher diesen reumütigen Sünder huldreich auf und trug die drei Namen in sein Buch ein.

Dann, und erst dann, suchte Stalky Beetle und McTurk im Klassenraum ihres House auf. Sie waren gerade dabei, Bücher für einen ruhigen Nachmittag im Ginster zu verstauen, den sie wuzzy nannten.

»Alles geplatzt«, sagte Stalky gelassen. »Nach dem Essen hab ich Huffys Feenfüße bei unserer Hütte entdeckt. Gott sei Dank, daß sie so riesig sind.«

»Verflixt! Hast du unsere Pfeifen versteckt?« sagte Beetle.

»Aber nein doch. Ich hab sie natürlich mitten in der Hütte liegengelassen. Was du doch für n blinder Esel bist, Beetle! Meinst du, außer dir denkt keiner nach? Jedenfalls können wir nicht mehr in die Hütte. Hufer wird sie überwachen.«

»Verdriß! Desgleichen Verdruß!« sagte McTurk bedächtig; er packte die Bände wieder aus, die er vor der Brust stecken hatte. Die Jungen trugen ihre Büchereien zwischen Gürtel und Kragen. »Feine Kiste! Das heißt, wir stehen bis zum Ende vom Trimester unter Verdacht.«

»Wieso? Alles, was Heffy gefunden hat, ist eine Hütte. Er und Foxy werden sie bewachen. Das hat mit uns doch nichts zu tun; wir dürfen uns da bloß ne Weile nicht sehen lassen.«

»Ja schön, und wohin sollen wir gehen?« sagte Beetle. »Du hast die Stelle auch noch ausgesucht, und – und ich hab heut nachmittag lesen wollen.«

Stalky setzte sich auf ein Pult und trommelte mit den Absätzen auf der Bank.

»Du bist n Scheusal ohne Mumm, Beetle. Manchmal überleg ich, ob ich dich nicht ganz fallen lasse. Hast du es denn je erlebt, daß dein Onkel Stalky nicht an dich denkt? His rebus infectis – nachdem ich Heffys Menschenfährte um unsere Hütte hatte marschieren sehen, bin ich dem kleinen Hartopp begegnet – destricto ense –, wie er mit nem Schmetterlingsnetz fuchtelt. Ich hab Hartopp versöhnlich gestimmt. Hab ihm gesagt, daß du den Wanzenjägern Vorlesungen halten würdest, wenn er dich mitmachen läßt, Beetle. Und daß du Schmetterlinge liebhast, Turkey. Jedenfalls hab ich Hartoffel besänftigt, und jetzt sind wir Wanzenjäger.«

»Wozu soll das gut sein?« sagte Beetle.

»Oh, Turkey, tritt ihn!«

Im Interesse der Wissenschaft durften sich Mitglieder der Naturkundlichen Gesellschaft auch außerhalb der von der Schule festgesetzten Grenzen bewegen. Solange sie sich von allen Häusern fernhielten, konnten sie praktisch gehen, wohin sie wollten; Mr Hartopp verbürgte sich persönlich für ihr gutes Betragen.

Beetle begann dies zu begreifen, als McTurk mit dem Treten anfing.

»Ich bin ein Esel, Stalky!« sagte er; dabei versuchte er, den betroffenen Körperteil zu schützen. »Pax, Turkey. Ich bin ein Esel.«

»Nicht aufhören, Turkey. Ist dein Onkel Stalky nicht ein Großer Mann?«

»Großer Mann«, sagte Beetle.

»Trotzdem ist Wanzenjagen ne ziemliche Sauerei«, sagte McTurk. »Wie zum Teufel fängt man das an?«

»So«, sagte Stalky; er drehte sich um zu den Spinden einiger fags. In Naturkunde sind fags Spitze. »Das ist die Botanisiertrommel vom kleinen Braybrooke.« Er schüttelte ein Gewirre verfaulter Wurzeln heraus und setzte den Schieber wieder ein. »Damit siehste doch wohl aus wie n echter Profi, find ich. Das da ist der Geologenhammer von Clay minor. Den kann Beetle schleppen. Turkey, du klaust dir am besten irgendwo ein Schmetterlingsnetz.«

»Eher laß ich mich begraben«, sagte McTurk schlicht, mit großem Nachdruck. »Beetle, gib mir den Hammer.«

»Da bitte. Ich bin nicht zu stolz dazu. Schmeiß uns mal das Netz da oben vom Spind runter, Stalky.«

»Alles klar. Da. Kann man auch noch zusammenklappen. Was für Luxusschweine diese fags sind. Gebastelt wie ne Angelrute. Lieber Himmel, wir sehn aber wirklich wie die perfekten Wanzenjäger aus! Also, jetzt hört auf euren Onkel Stalky! Wir gehn die Klippen lang, Schmetterlinge jagen. Da kommen nur selten welche von der Truppe hin. Und wir werden ein bißchen rennen. Laß besser dein Buch hier.«

»Nix da!« sagte Beetle entschlossen. »Ich laß mir doch von so n paar schmierigen Schmetterlingen nich den ganzen Spaß verderben.«

»Dann wirste aber fein schwitzen. Am besten trägste auch meinen Jorrocks. Da kommts dann nich mehr drauf an.«

Sie schwitzten alle, denn Stalky führte sie in einem scharfen Trab nach Westen, die Klippen entlang, unter den Ginsterhügeln vorbei, durch eine stachlige Mulde nach der anderen. Sie achteten nicht auf flüchtende Kaninchen oder flatternde Perlmutterfalter, und was Turkey über Geologie sagte, war sämtlich nicht zitierbar.

»Willste nach Clovelly?« keuchte er schließlich, und sie warfen sich ins kurze elastische Gras, zwischen dem Dröhnen der See unter ihnen und dem leichten Sommerwind in den Bäumen landeinwärts. Sie blickten in eine Senke, halb gefüllt von altem hohen Ginster in munterer Blüte, der sich hinaufzog zu einem Saum von Dorngestrüpp und einem dichten Wäldchen aus gemischten Nutzhölzern und Stechpalmen. Es war, als wäre die Hälfte der Mulde bis zum Klippenrand mit goldenem Feuer gefüllt. Die Seite, an der sie lagen, war offenes Gras und starrte förmlich von Hinweisschildern.

»Wüster oller Knacker, der hier«, sagte Stalky; er las das nächststehende Schild. »›Wird mit der ganzen Strenge des Gesetzes verfolgt. G.M. Dabney, Oberst, Friedensrichter‹ und so weiter. Sieht mir aber nich so aus, als ob einer, der alle Tassen im Schrank hat, hier ›unbefugt betreten‹ würde, oder?«

»Man muß beweisen, daß was beschädigt worden ist, eh man wen für was verfolgen kann! Strafverfolgung bloß für Betreten gibts nicht«, sagte McTurk, dessen Vater in Irland viele acres besaß. »Das is alles Quatsch!«

»Hör ich gern; das sieht nämlich aus, als ob’s genau das wär, was wir suchen. Nicht mitten drüber, Beetle, du blinder Obertrottel! Hier sieht uns doch jeder ne halbe Meile weit. Hier lang; und roll dein verdammtes Schmetterlingsnetz ein.«

Beetle öffnete den Ring, stopfte das Netz in die Tasche, schob den Stab auf zwei Fuß Länge zusammen und legte sich den Reifen um die Hüfte. Stalky ging landeinwärts voraus zum Wald, der vielleicht eine Viertelmeile vom Meer entfernt war, und erreichte den Dorngestrüpp-Saum.

»Jetzt können wir gradeaus runter durch den Ginster, ohne gesehn zu werden«, sagte der Taktiker. »Beetle, geh vor, rekognoszieren. Snf! Snf! Irgendwo stinkt’s hier scheußlich nach Fuchs!«

Auf allen vieren, außer wenn er sich an seine Brille klammerte, wühlte Beetle sich durchs Gesträuch, und bald verkündete er unter Schmerzgegrunze, daß er eine ganz deutliche Fuchsspur gefunden habe. Das war gut für Beetle, denn Stalky kniff ihn a tergo. Durch diesen Tunnel krochen sie hinab. Er war offensichtlich die Schnellstraße der Bewohner der Mulde, und zu ihrer unaussprechlichen Freude endete der Weg genau am Rand der Klippe auf ein paar Quadratfuß von trockenem Gras, umwallt und überdacht von undurchdringlichem Stechginster.

»Jesses! Hier braucht man ja wirklich nix mehr zu machen, als sich hinzulegen«, sagte Stalky; er steckte das Messer wieder in die Tasche. »Kuckt mal!«

Er bog die kräftigen Zweige vor sich beiseite, und es war ein Fenster, das sich zu einem Fernblick auf Lundy öffnete; ein paar hundert Fuß unter ihnen beschnüffelte das offene Meer träge die Kiesel. Sie konnten junge Dohlen auf den Klippenrändern quäken hören, das Zischeln und Plappern eines Nests von Falken irgendwo außer Sicht; und mit großer Bedachtsamkeit spuckte Stalky auf den Rücken eines Kaninchens, das sich tief unten sonnte, wo nur ein Klippenkaninchen einen Halt finden konnte. Große grauschwarze Möwen kreischten gegen die Dohlen an; die betäubend duftenden acres blühenden Landes ringsum wimmelten von niedrig nistenden Vögeln, die sangen oder schwiegen, wie der Schatten der kreisenden Falken ging und kam; und auf dem freien Gras jenseits der Mulde hoppelten und tobten die Kaninchen.

»Joj! Was für ne Stelle! Von wegen Naturkunde – hier haben wir sie«, sagte Stalky; er stopfte sich eine Pfeife. »Is das nich Klasse? Gute alte See!« Er spuckte abermals beifällig und schwieg.

McTurk und Beetle hatten ihre Bücher herausgeholt und lagen auf dem Bauch, das Kinn in der Hand. Das Meer schnarchte und gurgelte; die Vögel, für einen Moment von diesen neuen Tieren aufgescheucht, gingen wieder ihren Geschäften nach, und die Jungen lasen und lasen in der dicken, warmen, schläfrigen Stille.

»Hallo, da ist ein Wildhüter«, sagte Stalky; behutsam klappte er Handley Cross zu und spähte durch den Dschungel. Ein Mann mit einem Gewehr erschien am östlichen Rand des Blickfelds. »Teufel auch, der will sich da niederlassen!«

»Und der würd schwören, daß wir Wilddiebe sind«, sagte Beetle. »Bloß, was sollen wir mit Fasaneneiern? Die sind doch immer faul.«

»Vielleicht sollten wir rauf zum Wald, find ich jedenfalls«, sagte Stalky. »Wir wollen doch nicht, daß G.M. Dabney, Oberst, Friedensrichter, sich jetzt schon um uns sorgen muß. Rauf durch den wuzzy und ganz leise! Vielleicht ist der da uns ja gefolgt.«

Beetle war schon tief im Tunnel. Sie hörten ihn unbeschreiblich ächzen; dann prasselte der Ginster vom Sprung eines schweren Körpers.

»Aie! Kleiner roter Schurke du. Ich seh dich!« Der Hüter riß das Gewehr an die Schulter und feuerte beide Läufe in Richtung der Jungen. Die Kugeln staubten die trockenen Stämme rings um sie ab, während ein großer Fuchs durch Stalkys Beine stürmte und über den Klippenrand stürzte.

Sie sagten nichts, bis sie den Wald erreichten, zerkratzt, zerzaust, verschwitzt, aber ungesehen.

»Das war knapp«, sagte Stalky. »Ich schwöre, daß mir ein paar von den Schrotkörnern durch die Haare gesaust sind.«

»Habt ihr den gesehn?« sagte Beetle. »Fast hätt ich mich draufgestützt. Mann, was für n Riesenvieh! Und hat der gestunken! He, Turkey, was is los? Haste was abgekriegt?«

McTurks hageres Gesicht war perlweiß geworden; seine Lippen, normalerweise halb offen, waren zusammengepreßt, und seine Augen loderten. So hatten sie ihn nur ein einziges Mal gesehen, in einer trüben Bürgerkriegs-Zeit.

»Wißt ihr, daß das genauso schlimm war wie Mord?« sagte er mit rissiger Stimme, während er sich Dornen aus dem Haar zupfte.

»Also, er hat uns doch nicht getroffen«, sagte Stalky. »Ich find das ganz lustig. He, wo willste hin?«

»Ich geh rauf zum Haus, wenns da eins gibt«, sagte McTurk; er drängte sich durch die Stechpalmen. »Das werd ich Oberst Dabney erzählen.«

»Bist du wahnsinnig? Der wird bloß sagen, daß es uns verdammt recht geschieht. Melden wird er uns. Das gibt öffentliche Haue. Mensch, Turkey, sei doch kein Trottel! Denk an uns!«

»Du Idiot!« sagte McTurk; er fuhr herum. »Meinste denn, ich denk an uns? Es geht um den Hüter.«

»Er is meschugge«, sagte Beetle kläglich, während sie folgten. Tatsächlich war dies ein neuer Turkey – ein arroganter, barscher, hochnäsiger Turkey –, den sie durch Gesträuch zu einem Rasen begleiteten, wo ein alter Gentleman mit weißem Backenbart und langem Golfschläger abwechselnd schlug und deftig fluchte.

»Sind Sie Oberst Dabney?« begann McTurk mit seiner neuen knarrenden Stimme.

»Ich – der bin ich, und« – seine Augen wanderten am Jungen auf und nieder – »wer – was zum Teufel wollen Sie? Ihr habt meine Fasane aufgescheucht. Leugnen ist zwecklos. Deshalb brauchen Sie nicht zu lachen. [McTurks ohnehin nicht besonders liebliche Züge hatten sich beim Wort Fasan zu einer scheußlichen Grimasse verzerrt.] Ihr habt Nester ausgenommen. Die Kappe brauchen Sie nicht zu verstecken. Ich kann doch sehen, daß ihr zum College gehört. Leugnen ist zwecklos. Kann ich nämlich sehen! Sofort Ihren Namen und Ihre Nummer, Sir. Sie wollen mich sprechen – was? Haben Sie meine Hinweistafeln gesehen? Natürlich habt ihr. Leugnen ist zwecklos. Müßt ihr gesehen haben. Abscheulich! Ganz abscheulich!« Er erstickte fast vor Erregung.

McTurk stampfte mit dem Absatz auf den Rasen, und er stotterte ein wenig – zwei sichere Anzeichen, daß er die Geduld verlor. Aber weshalb sollte denn er, der Übeltäter, wütend werden?

»Schau-schauen Sie mal, Sir. Schie-schießen Sie Füchse? Weil nämlich, wenn Sie es nicht sind, dann Ihr Wildhüter. Wir haben ihn gesehen! Mi-mir ist es egal, ob Sie uns beschimpfen – aber das ist widerwärtig. Das ruiniert jedes gute Einvernehmen unter Nachbarn. Ein Ma-mann sollte ein für allemal sagen, wie er es mit der Hege hält. Das ist schlimmer als Mord, weil es nämlich keine legale Handhabe gibt, dagegen.« McTurk zitierte wirr seinen Vater, während der alte Gentleman Geräusche in der Kehle produzierte.

»Leugnen ist zwecklos!«

»Wissen Sie eigentlich, wer ich bin?« gurgelte er schließlich; Stalky und Beetle zitterten.

»No, Sorr, un wär mir auch egal wennSe vom Castle selps kämen. GehmSe mir jetz Auskunft, wie ein Gentleman zum andern. SchießenSe nu Füchse, wohl oder nich?«

Und vor vier Jahren hatten Stalky und Beetle McTurk mit sorgfältigen Fußtritten seinen irischen Dialekt ausgetrieben! Bestimmt war er durchgedreht oder hatte einen Sonnenstich, und genau so bestimmt würde er massakriert werden – einmal von dem alten Gentleman und einmal vom Chef. Öffentliche Prügel für alle drei war das mindeste, womit sie rechnen mußten. Aber – wenn sie ihren Augen und Ohren trauen durften – der alte Gentleman war zusammengeklappt. Es mochte eine Flaute vor dem Sturm sein, aber …

»Tu ich nich.« Er gurgelte noch immer.

»Dann müssenSe Ihrn Hüter feuern. Er is nich wert, in der selben Grafschaft zu leben wie n gottesfürchtiger Fuchs. Ne Füchsin außerdem, auch das noch – un das in dieser Jahreszeit!«

»SindSe raufgekommen, bloß um mir das zu sagen?«

»Klar bin ich, Sie dummer Kerl«, mit einem Fußstampfen. »Hätten Sie denn nich dasselbe für mich gemacht, wennSe so was auf meinem Land gesehn hätten?«

Vergessen – vergessen waren das College und das Älteren gegenüber angemessene Betragen! McTurk wandelte wieder über die kahlen Purpurhügel an der regnerischen Westküste, wo er in den Ferien Vizekönig von viertausend nackten acres war, einziger Sohn eines dreihundertjährigen Hauses, Herr eines halbwracken Fischerboots und Abgott der trägen Pächter seines Vaters. Hier sprach der Grundbesitzer mit seinesgleichen – eine Tiefe rief nach der anderen Tiefe –, und der alte Gentleman erkannte den Schrei.

»Ich bitte um Entschuldigung«, sagte er. »Ich entschuldige mich uneingeschränkt – bei Ihnen und bei der Alten Heimat. Wollen Sie jetzt so gut sein, mir die ganze Geschichte zu erzählen?«

»Wir waren in Ihrer Mulde«, begann McTurk, und er erzählte seine Geschichte abwechselnd als Schuljunge und, wenn die Schändlichkeit der Sache ihn überkam, als empörter Squire; er schloß: »Sie sehen also, er muß das wohl gewohnheitsmäßig machen. Ich … wir … man will ja nie die Leute des Nachbarn anzeigen; aber in diesem Fall hab ich mir die Freiheit genommen …«

»Versteh ich. Ganz richtig. Und einen Grund hatten Sie wirklich. Schändlich – ganz schändlich!« Die beiden gingen nebeneinander auf dem Rasen hin und her, und Oberst Dabney redete, wie ein Mann mit einem anderen Mann redet. »Das kommt davon, daß man nen Fischer – nen Fischer – von seinen Hummerpötten wegholt, befördert. Das reicht, um nem Erzengel den Ruf