Star Trek – The Next Generation: Im Bann der Schatten - Cassandra Rose Clarke - E-Book

Star Trek – The Next Generation: Im Bann der Schatten E-Book

Cassandra Rose Clarke

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Beschreibung

Die U.S.S. Enterprise empfängt den Notruf einer Wissenschaftsstation der Föderation, die auf dem isolierten Planeten Kota liegt. Captain Jean-Luc Picard entsendet William Riker, Data und seine Chefärztin Beverly Crusher, um die Lage vor Ort zu untersuchen. Doch was als Routineeinsatz für die beiden Parteien beginnt, endet bald im Chaos: Picard, Worf und Deanna Troi müssen sich mit einer gefährlichen diplomatischen Krise auseinandersetzen. Ein zunehmend kritischer medizinischer Notfall sowie die versagende Technik der Wissenschaftsstation – und keinerlei Hoffnung auf Rettung – bringen Dr. Crusher in schwere Bedrängnis, die gegen die Zeit versucht, ein beunruhigendes Rätsel zu lösen, das all ihren Kollegen den Tod bringen könnte …

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Seitenzahl: 380

Veröffentlichungsjahr: 2022

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STAR TREK

THE NEXT GENERATION®

IM BANNDER SCHATTEN

CASANDRA ROSE CLARKE

Based onStar TrekandStar Trek: The Next Generationcreated by Gene Roddenberry

Ins Deutsche übertragen vonBernd Perplies

Die deutsche Ausgabe von STAR TREK – THE NEXT GENERATION: IM BANN DER SCHATTENwird herausgegeben von Cross Cult, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.Herausgeber: Andreas Mergenthaler; Übersetzung: Bernd Perplies;verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Jana Karsch;Korrektorat: Peter Schild; Cover Artwork: Alan Dingman, Satz: Rowan Rüster;Print-Ausgabe gedruckt von CPI Moravia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice. Printed in the EU.

Titel der Originalausgabe: STAR TREK – THE NEXT GENERATION: SHADOWS HAVE OFFENDED

German translation copyright © 2022 by Cross Cult.

Original English language edition copyright © 2021 by CBS Studios Inc. All rights reserved.

TM & © 2021 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc. All Rights Reserved.

This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.

Print ISBN 978-3-96658-672-6 (März 2022) · E-Book ISBN 978-3-96658-673-3 (März 2022)

WWW.CROSS-CULT.DE · WWW.STARTREKROMANE.DE · WWW.STARTREK.COM

Inhalt

HISTORISCHE ANMERKUNG

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

DANKSAGUNG

ÜBER DIE AUTORIN

HISTORISCHE ANMERKUNG

Die in diesem Buch geschilderten Ereignisse finden während der siebten Staffel von STAR TREK – THE NEXT GENERATION statt, und zwar unmittelbar bevor Q verkündet, dass die Prüfung der Menschheit, die seinerzeit im Laufe der ersten Mission der U.S.S. Enterprise-D zur Farpoint Station begann, während der gesamten letzten Jahre nie geendet hat (»Gestern, Heute, Morgen«).

KAPITEL 1

Jean-Luc Picard trug seine Galauniform. Schon wieder.

Der Kragen drückte unangenehm gegen seinen Kehlkopf und er versuchte unauffällig, die Uniform so zurechtzuziehen, dass sie sich nicht anfühlte, als würde sie ihn strangulieren. Dem Versuch war kein Erfolg beschieden.

»Noch immer keine Nachricht von Andor«, verkündete Lieutenant Kociemba, die am Kontrollpult des Transporters stand.

Picard nickte. »Es scheint, als würde uns unser Gast noch etwas länger warten lassen«, sagte er zu Commander William Riker, der reglos neben ihm stand und sich offenbar kein bisschen durch seine Galauniform eingeschränkt fühlte.

»Sieht so aus«, erwiderte Riker.

Picard blickte auf die leere Transporterplattform. Er wartete auf die berühmte andorianische Tänzerin Tirra zh’Undissa, einen von zwölf Gästen, die die Enterprise derzeit im Auftrag der Regierung von Betazed einsammelte, damit sie an einer anstehenden kulturellen Feierlichkeit teilnehmen konnten. Tirra war die erste Tänzerin, aber sie hatten bereits ein paar Adlige, drei Sänger und einen hallianischen Bildhauer, der sich ganz auf zutanianische Kristalle spezialisiert hatte, an Bord. Die perfekte Route zu planen, um sie alle rechtzeitig und auf ihre jeweils bevorzugte Art und Weise abzuholen, hatte sich als schwieriger erwiesen als alle Raumschiffmanöver, die Picard während seiner Zeit an der Akademie hatte lernen müssen.

»Sir, wenn Sie gestatten …« Riker blickte den Captain an. »Ich bringe Tirra gern in Ihrem Namen zu ihrem Quartier. Mir ist nicht entgangen, dass dies hier eine … anstrengende Mission für Sie ist.«

Picard lächelte. »Habe ich mir das so sehr anmerken lassen?«

Lieutenant Kociemba an der Transporterkonsole gab sich Mühe, möglichst beschäftigt auszusehen.

»Nicht sooo sehr.« Riker grinste. »Sie haben mir allerdings noch immer nicht verraten, warum die Enterprise ausgewählt wurde.«

Picard stieß einen tiefen Seufzer aus. »Wir verdanken unsere Rolle als Raumtaxi Botschafterin Troi, die uns persönlich ausgewählt hat.«

Bei der Erwähnung von Trois Namen funkelten Rikers Augen. »Ah«, sagte er. »Ich verstehe.«

Picard zupfte erneut an seinem Kragen. Lwaxana Troi hatte mit großer Überzeugungskraft dargelegt, warum die Enterprise ausgewählt werden musste. Während die meisten der zweihundertfünfzig Gäste von betazoidischen Schiffen abgeholt wurden, hatte Lwaxana darauf bestanden, dass auch die Sternenflotte miteinbezogen werden sollte. »Wir möchten die Föderation so weit wie möglich einbinden«, hatte sie über den Komm-Kanal erklärt. »Und wie ließe sich die Sternenflotte wohl besser in die Feierlichkeiten einbinden als durch ihr Flaggschiff, das Gäste von überall innerhalb des Föderationsraums abholt?« Anscheinend war das Einsammeln der Gäste an sich bereits Teil des Zeremoniells – aber es hatte zur Folge gehabt, dass die Enterprise die ganze letzte Woche eine ziemliche aufwendige Runde gedreht hatte.

Er konnte es kaum erwarten, diese ganze Geschichte endlich hinter sich zu bringen, und so langsam merkte man es ihm an.

»Madam zh’Undissa ist bereit zum Beamen«, meldete Kociemba und holte Picard damit aus seinen Gedanken ins Hier und Jetzt zurück.

»Ausgezeichnet«, sagte er, ließ die Hand sinken und straffte die Schultern. »Fahren Sie fort.«

Inmitten des funkelnden Transporterstrahls materialisierte sich die Tänzerin. Mit kühler Miene stieg Tirra zh’Undissa von der Transporterplattform und zog dabei die kunstvoll bestickte Schleppe ihres Kleides hinter sich her. »Dies ist also die Enterprise«, sagte die Andorianerin und ließ den Blick durch den Transporterraum schweifen.

Nur noch fünf, dachte Picard. Dann trat er vor und streckte die Hand aus. »So ist es, Madam zh’Undissa. Willkommen an Bord.«

Tirras Antennen wandten sich ihm einen Moment schneller zu als ihre Augen. »Und Sie müssen der Captain sein.« Sie musterte ihn einen Moment lang, dann hielt sie ihm eine schlanke, von einem weißen Gazehandschuh verhüllte Hand entgegen. »Es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen.«

Es gelang Picard, sich ein dünnes Lächeln abzuringen, während er ihr die Hand schüttelte. »Es ist mir eine große Ehre, Sie an Bord begrüßen zu dürfen, Madam zh’Undissa«, sagte er und wiederholte damit die Worte, die er an all seine Gäste gerichtet hatte. »Commander Will Riker wird Ihnen Ihr Quartier zeigen.«

Riker schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. »Willkommen, Madam zh’Undissa.«

»Es ist mir eine Freude«, sagte Tirra in einem Tonfall, der kein bisschen erfreut klang. »Wie lange wird es dauern, bis wir Betazed erreichen?«

»Zwei Tage.« Riker ergriff Tirras glitzernden Reisekoffer.

»Wunderbar. Ich hatte gehofft, dass ich etwas Zeit haben würde, um in Erfahrung zu bringen, welchen Effekt Warpgeschwindigkeiten auf meine Choreografie haben. Sie wissen sicher, dass ich auf dem Festival auftreten werde. Zwei Tage werden mir hinreichend Zeit bieten, um mich vorzubereiten. Sagen Sie …« Sie glitt an Picards Seite, wobei ihr Kleid sanft säuselte wie fallender Schnee. »… wurde in meinem Quartier wie gewünscht eine Ballettstange aufgestellt?«

»Natürlich.« Picard deutete auf den Ausgang. Er hoffte, Tirra rasch loszuwerden, damit er auf die Brücke zurückkehren konnte. Ihre Schritte waren federleicht und ihre Kleider schienen um sie herum zu schweben. Sie bewegte sich auf den Gang hinaus, als stünde sie auf der Bühne des Intergalaktischen Theaters auf Andoria.

Picards Kommunikator zirpte. »Brücke an Picard.«

Tirra warf ihm einen schiefen Blick zu.

»Bitte entschuldigen Sie mich«, sagte er und berührte den Kommunikator. »Picard. Sprechen Sie.«

»Wir erhalten einen Funkspruch der Prioritätsstufe eins, Sir.«

»Ich bin auf dem Weg.« Picard bedachte Tirra mit einem reumütigen Lächeln. »Leider werde ich auf der Brücke gebraucht. Nummer Eins, sorgen Sie dafür, dass Madam zh’Undissa gut in ihrem Quartier ankommt. Madam.« Er deutete eine Verbeugung an. »Ich hoffe, Ihre Proben verlaufen nach Ihren Wünschen.«

Seine Mühe brachte ihm ein kleines Lächeln ein.

Riker trat mit geübter Lässigkeit an seine Stelle und führte Tirra den Gang hinunter. Unterdessen machte sich Picard auf den Weg zur Brücke. Die letzten paar Tage – seit die Enterprise informiert worden war, dass man sie ausgewählt hatte, Teil der Zeremonie zu sein – waren ein einziges Chaos gewesen. Counselor Deanna Troi hatte den Grund für die Festlichkeit erklärt, eine hübsche Geschichte über eine Heldin der betazoidischen Kulturgeschichte namens Xiomara, drei uralte Schätze, die aufgrund eines ebenso uralten Streits zwischen den drei Häusern, denen sie gehörten, nie gemeinsam ausgestellt worden waren, ein ganzes Heer aus unglaublich wichtigen Gästen und einen absurden Grad an Zeremoniell. »Zeremonien innerhalb von Zeremonien«, so hatte sie es ausgedrückt. »Ich glaube nicht, dass es Ihnen sonderlich gefallen wird.«

Er konnte ihr diesbezüglich nicht widersprechen.

Der Turbolift entließ Picard auf die Brücke. »Mister Data«, sagte er, während Lieutenant Commander Data vom Stuhl des Captains aufstand.

»Es handelt sich um die Hochkommissarin der Föderation für Flüchtlingsfragen, Sir«, erwiderte Data. »Sie wünscht mit Ihnen über die wissenschaftliche Expedition auf Kota zu sprechen. Es scheint so …« Sein zweiter Offizier zögerte. »Es scheint so, als gäbe es ein Problem mit der Tauglichkeit des Planeten.«

»Merde«, flüsterte Picard. Kota hatte ganz oben auf der Liste der Welten gestanden, um eine Gruppe von Flüchtlingen von der Föderationskolonie auf Aratril zu beherbergen, deren Planet aufgrund eines drohenden Asteroideneinschlags im Begriff war, unbewohnbar zu werden. In diesem Augenblick lief eine groß angelegte Rettungsmission mit Dutzenden von Schiffen, um alle Kolonisten zu evakuieren, bevor der Asteroid eintraf.

Picard holte tief Luft. »Ich nehme die Nachricht in meinem Bereitschaftsraum entgegen.«

Data nickte und setzte sich wieder auf den Stuhl des Captains. Picard verließ die Brücke. Mit leisem Zischen schloss sich die Tür hinter ihm. Auf dem Bildschirm erwartete ihn bereits Kommissarin Fortnoy.

»Captain Picard.« Sie bedachte ihn mit einem grimmigen Lächeln. »Ich hoffe, es geht Ihnen gut.«

»Danke, ja, Kommissarin. Wie ich höre, gibt es ein Problem mit Kota?«

»So ist es. Ich weiß nicht, ob Sie über die Lage dort informiert sind …«

»Meines Wissens hat das Team die Überprüfung, ob der Planet geeignet ist, beinahe beendet«, erwiderte er.

»Genau, es war mit den letzten Tests beschäftigt.« Fortnoys Ausdruck verhärtete sich. »Aber ich fürchte, dass sich dort gestern eine Tragödie ereignet hat. Die jüngste Expedition hat ihre Basis an der Küste errichtet und wurde von einem furchtbaren Unwetter erwischt. Die Expeditionsleiterin wurde unglücklicherweise von der Flut überrascht, die urplötzlich über das Tiefland hinwegspülte. Sie kam zusammen mit einem anderen Teammitglied ums Leben.«

Bei ihren Worten schloss Picard die Augen. Alles, was er über Kota gehört hatte, hatte darauf hingedeutet, dass sich die Welt hervorragend für eine Kolonisierung eignete – es gab sehr wenig Fauna, die gestört werden konnte, und eine perfekte Klasse-M-Umgebung. Soviel er wusste, waren alle bisherigen Expeditionen lehrbuchmäßig verlaufen.

»Es tut mir leid, das zu hören«, sagte Picard.

»Ja, wir sind alle betroffen.« Fortnoy beugte sich vor. »Trotzdem müssen wir weitermachen. Die Flüchtlinge von Aratril brauchen eine neue Heimat und im Augenblick ist Kota nach wie vor unsere beste Option.«

»Dem stimme ich zu«, sagte Picard.

»Ich weiß, dass Sie gegenwärtig damit beschäftigt sind, Gäste zu der Veranstaltung nach Betazed zu bringen«, fuhr Fortnoy fort, »aber das Team auf Kota benötigt Personal und Sie sind das nächste Schiff. Kota liegt einfach so weit draußen. Wäre es Ihnen möglich, ein Außenteam zu schicken, um die Überprüfung zu beenden?«

»Natürlich.«

Fortnoy ließ einen tiefen Seufzer der Erleichterung hören. »Ich danke Ihnen, Captain.«

Picard nickte. »Ich werde Commander Riker bitten, ein Team zusammenzustellen.«

»Wunderbar.« Fortnoy legte sich eine Hand auf die Brust. »Sie sind meine Rettung, Jean-Luc. Vor allem sind Sie es für diese Flüchtlinge.«

Picard lächelte, aber im Inneren verspürte er einen harten Knoten der Anspannung. Nun lag noch ein weiterer Halt vor ihnen auf ihrem quälend langsamen Flug in Richtung Betazed.

KAPITEL 2

Kota hing als schimmernde Kugel vor dem samtschwarzen Hintergrund des Alls, eine Welt voller kleiner Landmassen, die von kräftigem, glitzerndem Violett umgeben waren. Von hier oben konnte Doktor Beverly Crusher einen weißen Wirbel aus Sturmwolken ausmachen, der sich mit einer langsamen Linksdrehung um den Äquator des Planeten bewegte. Sie fragte sich, ob das die Sturmfront war, die zum Tod des Commanders geführt hatte.

»Wir sorgen schon dafür, dass du die Flüchtlinge aufnehmen kannst«, murmelte sie zu sich selbst, dann wandte sie sich vom Aussichtsfenster ab, um ihr Medikit einzupacken. Commander Riker war überrascht gewesen, als sie ihn gefragt hatte, ob sie sich dem Team für diese Mission anschließen könne. Er hatte bereits Ensign Josefina Rikkilä, eine Labortechnikerin mit ausreichend medizinischem Training, ausgewählt, denn es gab keinen wirklichen Bedarf für einen Arzt unten auf Kota.

Doch diese Woche war für Crusher nicht leicht gewesen. Zuerst war die tanzianische Grippe einmal quer durch das Sicherheitsteam gewandert. Außerdem waren nicht bloß eins, sondern gleich drei Babys geboren worden, darunter ein aurelianisches, deren Geburten berüchtigt dafür waren, sowohl für die Mutter als auch das Kind ziemlich gefährlich zu sein. Ganz abgesehen davon schien sich gefühlt gleich die halbe Mannschaft zur Routineuntersuchung angemeldet zu haben. Erst jetzt begannen sich die Dinge auf der Enterprise langsam wieder zu beruhigen.

Mit dieser Ruhe kam ihr Wunsch nach einer Auszeit, selbst wenn es ein Landgang mit Arbeitsauftrag war. Zu Beginn ihrer Sternenflottenkarriere war sie auf ein paar Missionen gewesen, die der auf Kota ähnelten, und die Arbeit im Außeneinsatz hatte ihr immer Spaß gemacht: Dieses ruhige, beinahe meditative Beobachten von mikroskopischem Leben, das sich unter dem elektronischen Vergrößerungsglas wand. Die Befriedigung, die einen überkam, wenn man Hunderte von Luftproben nahm und sich jede einzelne als sauber herausstellte.

Nach all der Aufregung konnte sie ein wenig Meditation gut gebrauchen. Und zu wissen, dass sie damit den Flüchtlingen von Aratril half, machte diese Aussicht sogar noch erfreulicher.

Also hatte sie Riker aufgesucht und ihn gefragt, ob sie sich dem Team anschließen könne.

Riker hatte gelacht. »Das wird ein langweiliger Job, Doktor.«

»Langeweile ist genau das, was ich nach meiner letzten Woche gebrauchen kann.« Sie hatte ihm ein strahlendes Lächeln geschenkt. »Nach einer aurelianischen Geburt wünscht man sich nichts anderes mehr. Und da sich die Enterprise im Orbit um Betazed befinden wird, gibt es auch keine Probleme in der Krankenstation, sollte ein Notfall eintreten.«

»Sie wollen nicht zu der Feier gehen?« Rikers Augen funkelten. »Ich habe gehört, dass sie vierundzwanzig Stunden dauern soll und mehrere traditionelle Tänze dazugehören.«

»Ich denke, ich kann darauf verzichten.«

Damit war die Sache entschieden gewesen. Crusher sollte die Gelegenheit erhalten, einige Zeit auf einer Wissenschaftsstation der Föderation zu verbringen, um Planetenproben zu prüfen. Abgesehen davon gab es, wie Riker beiläufig erwähnte, dort auch einen Strand.

Crusher machte sich auf den Weg zum Transporterraum. Commander Riker erwartete sie bereits mit Data und Ensign Amir Muñoz, einem vielversprechenden jungen Wissenschaftsoffizier von der Erde, der eine Xenobotanik-Arbeit über die Flora im Uskati-System geschrieben und damit viel positiven Anklang gefunden hatte.

»Doktor.« Data drehte sich zu ihr um, als sie den Raum betrat. »Commander Riker hat uns soeben informiert, dass Sie sich uns anschließen werden. Ich bin … überrascht.«

»Wirklich, Data?« Crusher schenkte ihm ein Lächeln. »Ich bin nur auf ein wenig gute alte Laborarbeit aus.«

»Ich verstehe«, sagte Data. »So wie ich.«

Crusher wandte sich Ensign Muñoz zu, um ihn zu begrüßen. In diesem Moment kam Ensign Rikkilä durch die Tür des Transporterraums gestürmt. Ihr blondes, zum Pferdeschwanz gebundenes Haar wehte hinter ihr her. »Bitte warten Sie!«, rief sie. »Brechen Sie nicht ohne mich auf!« Dann kam sie unbeholfen zum Stehen und wurde knallrot. »Es tut mir leid, Commanders.« Sie straffte den Rücken und presste den Trikorder an die Brust. »Ich hatte mich verspätet, und dies ist meine erste Außenmission.« Ihr Blick huschte zu Data, dann zu Crusher. Rikkilä bedachte sie mit einem schiefen Lächeln, das die Ärztin erwiderte. Die junge Frau mochte nicht immer der professionellste Offizier sein, aber das machte sie mit einem Übermaß an Eifer mehr als wett.

»Ensign Rikkilä«, sagte Riker. »Sie kommen genau rechtzeitig.« Er trat auf die Transporterplattform und die anderen folgten ihm. »Energie.«

Als Erstes spürte Beverly Crusher den Wind, rau und feucht. Vor ihr breitete sich die Landschaft von Kota aus, ein endloser Teppich aus fahlsilbernem Gras, das sich zur Seite bog, während der Wind durch die Halme fuhr. Die Luft roch leicht süßlich, als ob irgendwo Blumen blühen würden, die sie nicht sehen konnte.

Sie drehte sich um und erblickte nur wenige Meter entfernt den wissenschaftlichen Außenposten der Föderation. Es handelte sich um einen gedrungenen Komplex aus zwei Biomasse-Gebäuden, die weniger gebaut als vielmehr angebaut worden waren. Die Samen wurden um einen Generator gepflanzt, an den ein Computerkern angeschlossen war. Nachdem die Mission beendet war, würde der Einsatzleiter dem Computer einen Selbstzerstörungsbefehl geben, um die Injektion eines Anisotrops einzuleiten, woraufhin die Biomasse zu leichten, drei Meter breiten Hüllblättern zusammenschrumpeln würde, die sich problemlos vom Planeten abtransportieren ließen. Die Föderation sorgte dafür, dass sie den Planet genauso zurückließ, wie sie ihn vorgefunden hatte, ganz gleich, ob er nun für eine Besiedlung freigegeben wurde oder nicht.

»Dieser Ort ist atemberaubend«, hauchte Rikkilä. Sie zückte ihren Trikorder und begann, die Prärie hinter ihnen zu scannen.

»Willkommen auf Kota«, dröhnte eine laute Stimme. Als sich Crusher umdrehte, erblickte sie einen stattlichen Wissenschaftsoffizier der Sternenflotte, der ihnen entgegenkam. »Den Sternen sei Dank, dass Sie hier sind. Die letzten paar Tage waren ein Albtraum.« Er hielt kurz inne, bevor er sich vorstellte: »Ich bin Lieutenant Cecil Solanko, verantwortlich für die Labortests.«

Für einen Menschen war er wirklich riesig, mit breiter Brust und dicken, fleischigen Armen. Solanko sah aus, als sollte er eigentlich Sicherheitsteams im Nahkampf Mann gegen Mann anführen. Eine etwas oberflächliche Beurteilung, wie Crusher sofort klar wurde und sich dafür schalt.

»Wir freuen uns, Ihnen helfen zu können«, antwortete Commander Riker und stellte ihre Gruppe vor.

Solanko nickte. »Sie alle sind wirklich unsere Rettung«, sagte er. »Am besten sorgen wir erst mal dafür, dass Sie hier ordentlich ankommen, dann führe ich Sie herum.« Er machte eine ausladende Geste, die die Station mit einschloss, dann setzte er sich in Bewegung.

»Ich bin so nervös«, flüsterte Rikkilä. Sie sprach mit Muñoz, die beiden gingen hinter Crusher. »Das ist meine erste Außenmission und normalerweise werde ich nicht hinaus ins Feld geschickt.« Sie schwieg kurz. »Was ist mit Ihnen?«

»Ich war schon auf ein paar Missionen«, erwiderte Muñoz. »Das letzte Mal wurde ich angefordert, um dabei zu helfen, eine Pflanzenspezies auf Hid zu identifizieren – irgendetwas hat der dort heimischen Flora zugesetzt.«

»Oh«, sagte Rikkilä, »ich erinnere mich, davon gehört zu haben.«

»Tja, ich saß die ganze Zeit in der Forschungsstation und habe Pflanzenproben untersucht. Ich schätze, deswegen wurde ich für diese Mission ausgewählt.«

»Es gibt ein Unmenge an Flora auf Kota«, sagte Rikkilä, »aber kaum Fauna.«

»Exakt. Bloß mikroskopisches Leben im Ozean.«

Die Ärztin beschleunigte ihre Schritte ein wenig, um den beiden etwas Privatsphäre zu gönnen. Sie schloss zu Riker und Data auf.

»Der Lieutenant ist … recht eindrucksvoll«, bemerkte Data.

Riker gluckste. »Gut, dass er auf unserer Seite ist, was? Ich würde ihm nicht gern in irgendeiner dunklen Seitengasse auf Orion begegnen wollen.«

»Das meinte ich nicht«, sagte Data. »Ich bezog mich auf die Tatsache, dass Lieutenant Solanko als Koryphäe auf dem Gebiet der Geochronologie gilt.«

Nun musste Crusher lachen, während sich Rikers Wangen röteten. »Das wusste ich nicht«, gestand er.

»Ich habe all seine Werke gelesen. Ich freue mich schon darauf, mit ihm zu arbeiten, während wir auf Kota sind.« Data hielt kurz inne. »Ich hoffe darauf, dass sich zwischendurch die Gelegenheit ergibt, mit ihm über die geologische Geschichte des Nilko-Systems zu sprechen.«

»Die bekommen Sie bestimmt«, sagte Crusher, »sobald wir erst den Arbeitsrückstand aufgeholt und die Überprüfung beendet haben.«

Data schenkte ihr dieses sanfte Beinahe-Lächeln, das er immer aufsetzte, wenn ihn etwas erfreute.

Sie erreichten den Eingang der Station. Solanko zog den Kopf ein, als er durch den niedrigen offenen Eingang trat. Er führte sie in einen Aufenthaltsraum, der mit schlichten Biomasse-Möbeln ausgestattet war. »Dies ist das Wohngebäude«, sagte er. »Hier nehmen wir unsere Mahlzeiten ein. Der Schlafraum befindet sich gleich dort den Gang hinunter.« Er deutete auf einen weiteren niedrigen Durchgang in der hinteren Ecke des Raums. »Es gibt nur einen großen Raum für uns alle, fürchte ich. Die Labore befinden sich im zweiten Gebäude. Sie erreichen sie durch diesen Gang dort, gegenüber dem, der zum Schlafraum führt. Der Rest des Teams befindet sich gerade dort.«

»Es gehören noch zwei andere Personen zum Team«, sagte Riker.

Ein Schatten huschte über Solankos Züge und seine kräftigen Schultern sackten nach unten. »Ja. Nach dem Verlust unseres Commanders und eines unserer besten Lieutenants …« Seine Stimme verlor sich. »Lassen Sie mich einfach wiederholen, dass ich froh bin, Sie hier zu haben.«

»Es ist uns eine Ehre, behilflich sein zu können«, versicherte ihm Riker.

»Kommen Sie«, sagte Solanko. »Lassen Sie mich Ihnen den Schlafraum zeigen. Danach bringe ich Sie auf den neusten Stand.«

KAPITEL 3

»Was halten Sie von Betazed, Miss Trigg?« Commander Deanna Troi setzte das strahlendste Lächeln auf, das sie zustande bringen konnte. »Wenn ich es richtig verstanden habe, waren Sie noch nie zuvor hier.«

Adora Trigg ließ den Blick über den Garten des Isszon-Tempels schweifen. Sie verströmte mit jeder Pore Anspannung. All ihre anderen Gefühle wurden davon unterdrückt. »Es ist wunderschön«, erwiderte sie steif und zupfte an dem Gurt ihrer Gepäcktasche. »Wird hier die Feierlichkeit abgehalten?«

Das Wort Feierlichkeit sorgte dafür, dass eine weitere Stoßfront aus Furcht von ihr ausging. Troi verspürte einen Anfall von Mitleid. Adora Trigg trat nur selten in der Öffentlichkeit auf. Es war etwas ganz Besonderes, dass sie der Bitte der Regierung von Betazed zugestimmt hatte, als Gastrezitatorin zu erscheinen.

»Zum Teil«, sagte Troi und führte sie die sanft geschwungenen Pfade entlang, die elegante, geometrische Muster in das satte Grün des Rasens schnitten. »Die Eröffnungszeremonien werden auf dem Rasen stattfinden, ebenso das Tanzspiel der Irener. Aber der größte Teil der Feierlichkeiten wird innerhalb des Tempels abgehalten.« Sie deutete auf das schimmernde Gebäude, dessen Steinmauern im warmen Sonnenlicht glänzten.

»Aarno Roque hat einen Holoroman geschrieben, der dort spielt, nicht wahr?« Der Themenwechsel schien Triggs Anspannung erheblich zu beruhigen. »Ich habe ihn vor einigen Jahren erlebt. Die Darstellung des Tempels werde ich nie vergessen.«

Troi lächelte – diesmal aufrichtiger. Adora Trigg war der fünfte und letzte Ehrengast, den sie, um Captain Picard einen Gefallen zu tun, von der Enterprise hinunter zum Planeten begleitete. Doch gleichzeitig die Sorgen dieser Leute zu zerstreuen, ihre Egos zu streicheln und sie ihren Betreuern vor Ort vorzustellen, hatte sie einiges an Nerven gekostet. An Aarno Roques Holoromane erinnert zu werden, die sie bereits seit ihrer Jugend liebte, sorgte für einen kurzen Moment unerwarteter Freude.

»Ja«, erwiderte sie. »Das Geheimnis der Knochen. Eines meiner Lieblingswerke.«

»Genau das ist es.« Trigg nickte. Der Pfad führte sie in den Sonnengarten, dessen Blüten um diese Jahreszeit kräftig leuchteten und dufteten. »Ich mag seine historischen Werke am liebsten. Sie sind so voller Liebe zum Detail.«

»Da bin ich ganz Ihrer Meinung«, antwortete Troi. »Obwohl ich zugeben muss, dass es der Handlungsstrang rund um den Raubzug war, der mich bei Das Geheimnis der Knochen so gefesselt hat.«

Trigg lachte. »Ja, als Narenda die taschanischen Piraten abwehren muss – damit hatte ich so viel Spaß. Welche Waffe haben Sie gewählt? Das Schwert oder die Axt?«

»Das Schwert«, erwiderte Troi sofort. Erfreut stellte sie fest, dass sich Adoras Unbehagen beinahe vollständig aufgelöst hatte. Sie bewegten sich durch den Sonnengarten und näherten sich dabei dem Eingang des Tempels. Er war mit flatternden Seidenbahnen geschmückt und dazu mit einer holografischen Abbildung des Herzstücks der an diesem Wochenende stattfindenden Festivitäten: den drei Schätzen der Xiomara. In sieben Stunden würden die echten Schätze aus ihren jeweiligen Häusern gebracht werden, um zum ersten Mal seit annähernd fünfhundert Jahren Seite an Seite präsentiert zu werden. Das Erste Haus hatte – wie weithin bekannt war – seinen Schatz, die Geheiligte Urne, zweihundert Jahre lang verlegt, nur um sie dann inmitten eines Krieges wiederzufinden. Das Vierte Haus hatte diese absurde Fehde mit dem Zweiten Haus vom Zaun gebrochen und sich seitdem geweigert, irgendjemandem Zugang zum Geweihten Silber zu gestatten. Und als dieser Konflikt endlich beigelegt worden war, hatte das Dritte Haus bereits seinen Schwur der Vereinzelung ausgesprochen und jedem Außenseiter den Zugang zur Geehrten Scheibe verwehrt. Wenn es nicht eine Sache gewesen war, dann eine andere. Letztlich waren die drei Schätze der Xiomara für Jahrhunderte getrennt gewesen.

»Eine Frau nach meinem Herzen«, sagte Trigg. Sie verlangsamte ihre Schritte und blickte blinzelnd zum Tempeleingang auf. Ihre Beklommenheit nahm wieder zu.

»Es ist alles so groß, nicht wahr?«

Der Commander ließ den Blick über den Tempel schweifen und versuchte, ihn aus Triggs Perspektive zu sehen. Nicht nur die Banner und Hologramme, sondern all die opulenten Zeugnisse der Schönheit, die die Betazoiden so mochten. Zwei Meter hohe Statuen waren in die Wände gemeißelt worden und standen zwischen Wandleuchtern, in denen – Dank eines Zusatzes aus gemahlenem Kalit-Stein – blaue Flammen flackerten. Einst war Isszon ein religiöser Schrein gewesen, doch heute diente er als Kulturstätte. Große Steinstufen führten zu Bronzetoren, in die mit großer Kunstfertigkeit Szenen aus Betazeds Mythologie eingraviert worden waren.

»Darf ich ehrlich zu Ihnen sein?«, fragte Trigg in gedämpftem Tonfall. »Ich verstehe gar nicht, warum ich eingeladen wurde.«

Sofort spürte Troi, wie sich Triggs Stimmung durch Furcht und Zweifel verschlechterte.

»Ich war nicht im Auswahlkomitee«, erwiderte Troi, »aber ich bin mir sicher, dass Vor der Schimäre der Grund war. Das Werk ist auf Betazed unglaublich beliebt.«

Trigg schien bei den Worten leicht zu erröten. »Das ist schön zu hören.«

Mittlerweile hatten sie den Fuß der Stufen erreicht. Vom Eingang drangen Stimmen zu ihnen herunter, die lebhaften Gespräche der anderen Ehrengäste und ihrer betazoidischen Betreuer.

»Wie viel wissen Sie über die Veranstaltung des kommenden Wochenendes?«, fragte Troi.

Trigg schüttelte den Kopf. »Nur das, was in der Einladung stand. Ich habe kurz mit einem Gentleman gesprochen – Sildar Syn …«

»Dem Veranstaltungsdirektor.«

»Ja, genau. Er erzählte mir irgendetwas davon, dass Repräsentanten aller Fünf Hohen Künste gebraucht würden. Es klang damals so aufregend.« Triggs Miene verdüsterte sich. »Aber nun, da ich hier am Fuß des Tempels stehe …«

Der Commander legte Trigg eine Hand auf die Schulter und sofort entspannte sie sich. »Die Festivität dient dazu, eine große Heldin Betazeds zu feiern«, sagte sie sanft. »Xiomara.«

»Oh, das weiß ich«, erwiderte Adora. »Ich bin mit der Geschichte von Xiomara vertraut.«

»Das ist wunderbar.« Troi lachte. »Ganz ehrlich, wenn ich sie noch einmal hätte erzählen müssen …«

»Ich verstehe schon. Sie ist ziemlich verwickelt.« Erneut beruhigte sie sich und Troi führte sie die Stufen hinauf.

»Aber es gibt noch eine kaum bekannte Version der Geschichte«, fuhr Troi fort, »in der Xiomora, nachdem sie ihre psychischen Kräfte verloren hatte, die Fünf Hohen Künste begründete.« Sie zählte sie an den Fingern ab. »Musik, Tanz, Dichtkunst, Gestaltung und Träume.«

»Und ich repräsentiere die Dichtkunst. Obwohl ich in meinem ganzen Leben noch keinen einzigen Vers geschrieben habe.«

»Ihre Holoromane sind pure Dichtkunst, ganz gleich, ob in Versform oder nicht.«

Triggs lachte nervös. »Sie sind zu freundlich – vielen Dank.«

Mittlerweile waren sie am oberen Ende der Treppe angekommen. Troi atmete ein wenig schwerer. Es war warm heute und die Stufen zum Tempeleingang hinaufzusteigen, erwies sich als überraschend effektive Trainingseinheit. »Da wären wir«, verkündete sie und deutete auf die offenen Türflügel. Das Tempelfoyer im Inneren war erfüllt von Sonnenschein und den Stimmen der Ehrengäste. »Erlauben Sie mir, Ihnen Ihre Ansprechperson vorzustellen. Sie wird dafür sorgen, dass Sie gut in Ihrer Unterkunft ankommen.«

Triggs Unruhe schien zurückzukehren, aber diesmal spürte Troi, dass sie von Aufregung durchsetzt war. Gut. Sie wollte Trigg nicht mit ihren negativen Gedanken allein lassen.

Der Tempel war ein riesiger Raum, dessen Decke sich acht Meter über ihnen wölbte. Durch große Deckenfenster fiel Sonnenlicht ins Innere. Die Gesellschaft wirkte inmitten der Weitläufigkeit des Raums beinahe ein wenig verloren. Es schien, als könnte man noch zahllose Gäste einlassen, ohne Gefahr zu laufen, den Tempel auch nur annähernd zu füllen. Die Emotionen der Gäste wirbelten um sie herum: Aufregung, Ehrfurcht, aufflackernde Langeweile. Troi schob sie alle in ihrem Kopf beiseite, bevor sie davon überwältigt wurde.

Triggs Betreuerin war eine betazoidische Künstlerin namens Andra Sai. Troi konnte ihre Präsenz bereits von der anderen Seite des Raums aus spüren, denn Andras telepathischer Gruß erfüllte ihren Geist wie ein warmes Leuchten: Hier drüben! Ist das Trigg? Ich freue mich schon so, sie kennenzulernen.

Troi drehte sich gerade rechtzeitig um, um zu sehen, wie Andra auf sie zugeeilt kam. Der Saum ihres Kleides flatterte hinter ihr her.

»Adora Trigg! Ich bin Andra, Ihre Betreuerin. Ich bin überglücklich, dass Sie hier sind!«

Triggs Augen waren groß, während sie die Umgebung auf sich wirken ließ: das Innere des Isszon-Tempels, die anderen Gäste und natürlich Andra Sai, die sich in traditionell betazoidischer Festtagskleidung herausgeputzt hatte. Sie trug ein bodenlanges Ballkleid mit einer eleganten Stola aus hauchdünnem Stoff, die von ihren Schultern floss.

»Ich bin überglücklich, hier sein zu dürfen«, erwiderte Trigg etwas mechanisch.

»Deanna.« Andra presste ihre Hand an die Brust. »Ich war so froh, als ich hörte, dass Sie die Ehrengäste der Enterprise begleiten würden. Ihre Mutter hat mir schon so viel von Ihnen erzählt.«

»Ist sie hier?« Troi hatte ihre Mutter nicht gesehen, während sie die anderen Gäste hergebracht hatte, aber sie war ganz sicher irgendwo auf dem Gelände unterwegs.

»Oh, nein«, erwiderte Andra. »Lwaxana trifft sich mit den anderen Botschaftern. Aber ich weiß, wie erfreut sie darüber ist, dass Sie mal wieder die Heimat besuchen!« Sie wandte sich an Trigg. »Wie war Ihr Flug? Ist die Enterprise imposant? Ich habe solch wundervolle Dinge über sie vernommen …« Sie führte Trigg hinüber zu dem Tisch mit den Erfrischungen. Die arme Trigg wirkte ein wenig wie eine Flasche, die man in den Ozean geworfen hatte. Sie winkte Troi ein letztes Mal zu und formte mit ihren Lippen ein Danke, dann ergab sie sich ihrem Schicksal als Ehrengast dieser Veranstaltung.

Troi flüchtete aus dem Empfang und begab sich zurück auf den Rasen. Sie wusste, dass Transportersperren rund um den Tempel aktiviert worden waren, denn die drei Schätze befanden sich bereits auf dem Gelände.

Die Geschichte der drei Schätze hatte Troi zum ersten Mal als junges Mädchen gehört: das Geweihte Silber von Xiomara, die Geheiligte Urne von Rus’xi und die Geehrte Scheibe des Dritten Hauses – drei gewöhnliche Gegenstände, die einer jungen Betazoidin gewaltige Macht verliehen hatten, nachdem ihre geistigen Kräfte versagt hatten. Zumindest lautete so die Legende.

Sie brannte darauf, sie endlich mit eigenen Augen zu sehen.

Nachdem sie genug Abstand zum Tempel hatte, um die Transportersperren zu umgehen, berührte sie ihren Kommunikator. »Eine Person bereit zum Hochbeamen.«

Schimmernd materialisierte sie sich wieder auf der Transporterplattform der Enterprise. Während Lieutenant Kociemba die Kontrollkonsole bediente, erblickte Troi zu ihrer Freude Lieutenant Worf, der sie erwartete. Troi und Worf hatten sich verabredet, gemeinsam zu Abend zu essen, nachdem sie Adora Trigg abgeliefert hatte.

»Sie sind früh dran«, sagte sie, als sie von der Plattform trat.

»Ich bin pünktlich«, erwiderte Worf ernst.

Sie lachte und gemeinsam begaben sie sich hinaus in den Korridor. Worf wirkte etwas steif. Er hielt den Rücken kerzengerade und sie spürte, dass eine leichte Nervosität von ihm ausging Dies war bei dem Klingonen nun schon seit einer Weile der Fall. Es war eine kaum merkliche Veränderung seiner Gefühle ihr gegenüber. Sie wusste nicht genau, was sie davon halten sollte, aber Troi stellte fest, dass sie seine Gesellschaft mehr und mehr genoss. Sie freute sich jedes Mal über ihr gemeinsames Abendessen.

»Also, was gibt es heute Abend?«, fragte sie. »Vulkanische Küche? Oder wirst du endlich den betazoidischen Blumeneintopf probieren, jetzt, wo wir uns im Orbit um Betazed befinden?«

»Ich wäre einem Blumeneintopf nicht abgeneigt.«

Trois Kommunikator zirpte, dann war Captain Picards Stimme zu hören. »Picard an Troi. Haben Sie kurz Zeit?«

Troi runzelte die Stirn und blickte zu Worf auf, der besorgt die Augenbrauen zusammenzog. »Gibt es ein Problem, Captain? Ich habe Adora Trigg zu ihrer Betreuerin gebracht.«

»Nein, kein Problem«, erwiderte Picard. »Ich benötige Ihre Hilfe wegen einer … Anfrage.« Er schwieg einen Moment lang. »Von der Botschafterin Betazeds an die Föderation.«

Oh, nein. »Ich war im Begriff, mit Lieutenant Worf zu Abend zu essen …«

»Bringen Sie ihn mit. Es wird nicht lange dauern. Ich bin in meinem Quartier. Picard Ende.«

»Mutter«, seufzte sie.

Troi konnte sehen, dass sich Worf bemühte, nicht das Gesicht zu verziehen. »Wir können unsere Mahlzeit verschieben«, sagte er. »Wenn du möchtest, dass ich dich begleite …«

Er war sich unsicher, das merkte sie. Er bot ihr eine Möglichkeit an, sich elegant aus der Affäre zu ziehen. Aber sie spürte, dass er nicht wollte, dass sie Nein sagte.

»Das wäre wundervoll.« Sie drehte sich im Korridor um und begann, in die entgegengesetzte Richtung zu laufen, auf das Quartier des Captains zu. Worf blieb an ihrer Seite. »Ich schätze, der Captain wird jede … Unterstützung brauchen können, die er kriegen kann.«

KAPITEL 4

Jean-Luc Picard schritt unruhig vor den Aussichtsfenstern hin und her. Im Hintergrund hing Betazed unheilvoll vor der Schwärze des leeren Raums. Er war bereits erschöpft von seiner Rolle als Reiseleiter für all die Ehrengäste und das heikle Navigieren durch das endlose Labyrinth aus gesellschaftlichen Höflichkeiten, die zu jeder diplomatischen Veranstaltung zu gehören schienen. Nachdem er schließlich Opernsängerin Tangela Vallejo im Tempel abgeliefert hatte, hätte er am liebsten einfach nur ein oder zwei Stunden für sich gehabt, bevor er sich darauf vorbereitete, zur Eröffnung der Feierlichkeit am morgigen Vormittag runterzubeamen.

Doch stattdessen hatte eine Nachricht auf ihn gewartet.

Die Türglocke läutete. »Herein«, rief er gedankenverloren. Wolken zogen in fahlen Streifen über die gewölbte Oberfläche von Betazed.

Er drehte sich um und sah Commander Troi und Lieutenant Worf in sein Quartier treten. Der Counselor hatte auf eine Weise die Stirn gerunzelt, wie sie es immer tat, wenn es um Angelegenheiten ging, in die ihre Mutter verwickelt war.

»Danke, dass Sie gekommen sind.« Er nickte Worf zu. »Lieutenant, ich bin froh, dass Sie sich entschieden haben, Counselor Troi zu begleiten. Letzten Endes könnte die Sache auch Sie interessieren.«

»Sir?« Worf blickte zu Troi hinüber. Diese deutete ein Schulterzucken an, bevor sie sich wieder an Picard wandte.

»Captain«, sagte sie. »Diese Botschaft … ist etwas passiert?«

»Es war …« Picard räusperte sich. »Eine Einladung.«

Troi presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. »Ich verstehe.«

»Ich spiele sie Ihnen vor. Ich hoffe, Ihnen fällt eine Möglichkeit ein, um mich aus dieser …« Er wedelte mit der Hand. »Situation zu befreien.« Er richtete sich auf. »Computer, spiel die letzte Nachricht der betazoidischen Botschafterin ab.«

Sofort tauchte Lwaxana Trois strahlendes Lächeln auf dem Bildschirm auf. »Jean-Luc!«, rief sie und Picard musste sich zusammenreißen, um nicht zurückzuweichen. Es ist nur eine Aufzeichnung, sagte er sich. »Vielen Dank dafür, dass Sie so viele Ehrengäste für die Feierlichkeiten am Wochenende nach Betazed gebracht haben! Als die Föderation angeboten hat, die Sternenflotte für die Beförderung der Gäste einzusetzen, habe ich natürlich dafür gesorgt, dass die Enterprise auf der Liste der Schiffe ist.«

Picard warf seinen Offizieren einen Blick zu. Ihre Gesichter wurden vom Bildschirm angestrahlt. Troi wahrte ihre Fassung, aber er entdeckte einen Anflug von Panik auf ihren Zügen.

»Und nun, da Sie hier sind …« Ihr Lächeln wurde noch breiter. Ihre Zähne schimmerten mit den Juwelen in ihren langen, herabhängenden Ohrringen um die Wette. »Nun, lassen Sie mich dies zuerst sagen: Einer unserer Ehrengäste musste absagen. Etwas wegen einem Feuer auf Cuziti.« Lwaxana schüttelte den Kopf. »Eine schreckliche Tragödie, ja, aber dadurch fehlt uns nun ein Ehrengast.«

»Oh, nein«, hauchte Troi. »Sie hat doch nicht etwa …«

»Doch, hat sie«, gab Picard grimmig zurück.

»Es war E’kan Closa, der große gartianische Philosoph. Er war einer unserer Träume-Gäste. Es muss genau siebenundvierzig Gäste von jeder Kategorie geben, deshalb ist das Planungskomitee nun etwas in Hektik, um in letzter Minute einen Ersatz zu finden.«

Troi gab einen Laut des Mitgefühls von sich. Picard rieb sich die Schläfen, während er sich für den Rest von Lwaxanas Nachricht wappnete, der ihm bereits bekannt war.

»Und da sagte ich zu Casimir, die für die Einladung der Ehrengäste verantwortlich war, dass ich einen ganz wundervollen Träume-Gast wüsste! Und wissen Sie wen?«

»Jean-Luc Picard«, murmelte Troi, eine Sekunde bevor ihre Mutter trällerte: »Captain Jean-Luc Picard!«

»Computer, Wiedergabe anhalten.« Picard warf die Hände in die Luft und wandte sich Troi zu. »Ich muss Ihnen wohl nicht erklären, in welchem Dilemma ich stecke.«

»Botschafterin Troi wünscht, dass Sie einer der Ehrengäste sind?« Worf legte die Stirn in Falten. »Das ist eine große Ehre, Sir.«

»Natürlich ist es das«, sagte Picard schnell. »Aber es ist eine Ehre, die einem Künstler gebühren würde. Einem Philosophen wie E’kan Closa. Ich bin bloß …«

»Ein Raumschiffcaptain entspricht durchaus den Anforderungen für einen Träume-Gast«, stellte Troi klar.

Picard ließ sich in den Sessel hinter seinem Schreibtisch fallen. Lwaxana Troi war auf dem Bildschirm eingefroren, einen Ausdruck strahlender Fröhlichkeit auf den Zügen. »Ich weiß.« Er blickte zu ihr auf. »Sagen Sie mir: Gibt es irgendeine Möglichkeit, das Angebot abzulehnen? Mit aller gebührenden Höflichkeit, natürlich.«

Zweifel flackerte über die Miene des Commanders und Picard hatte seine Antwort. »Verdammt«, sagte er leise.

»Es wäre eine Beleidigung, wenn Sie die Einladung ablehnen würden«, sagte Troi sanft.

Picard stieß einen langen Seufzer aus.

»Ist das eine offizielle Einladung? Oder hat meine Mutter bloß …«

»Ja«, entgegnete Picard mit einem weiteren Seufzer. »Wiedergabe fortsetzen.«

Lwaxanas Stimme erfüllte erneut den Raum. »Und Casimir war absolut meiner Meinung, ist das nicht fantastisch? Also hat sie eine Anfrage an das Gremium des Veranstaltungsdirektors geschickt und auf eine Genehmigung in letzter Minute gedrängt, die sie natürlich erhalten hat.« Lwaxana klatschte in die Hände. »Sobald Sie bereits sind, müssen Sie nichts weiter tun, als zu uns herunterzubeamen, und ich werde Ihnen persönlich Ihr Einladungssiegel überreichen.«

»Oh«, sagte Troi, »eine Genehmigung in letzter Minute.«

Picard gefiel die Endgültigkeit dieser Worte überhaupt nicht.

»Wenn Sie den Einladungsprozess so eilig durchgeführt haben …« Troi schenkte ihm ein kleines Lächeln. »… dann gelten Sie auch als Gast in letzter Minute. Ich bin mir sicher, dass man nicht von Ihnen erwartet, an sämtlichen Feierlichkeiten teilzunehmen. Nur an der Enthüllung.« Sie zögerte. »Und an der Willkommensfeier. Dem Tanzspiel. Oh, und ich schätze, an den Hausdarbietungen, die sind schrecklich wichtig …«

Picard spürte, wie die Last jeder zusätzlichen Pflicht sich auf seine Schultern legte. »Es wäre wohl unangemessen von mir, die Einladung abzulehnen.«

Troi warf Worf einen Blick zu, der dem ganzen Wortwechsel mit stoischer Miene gefolgt war. »Ja, Sir.«

Worf zuckte fast unmerklich mit den Schultern.

»Ich verstehe.« Picard beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf dem Tisch auf. Drei Tage. So lange würde die ganze Feier dauern. Die Enterprise würde im Orbit warten, um die ihr zugeteilten Gäste am Ende wieder zu ihren Heimatwelten zu bringen. Eigentlich hatte Picard vorgehabt, die drei Tage auf dem Schiff zu verbringen und ausstehende Berichte zu lesen.

So viel zu diesem Plan.

»Nun gut.« Er richtete sich in seinem Sessel auf. »Mister Worf, da sich Commander Riker und Lieutenant Commander Data auf Kota befinden, werden Sie das Kommando über die Enterprise haben, während ich mich meinen …«, er schloss die Augen, »… Pflichten widme. Counselor?«

»Ja, Captain?«

»Wären Sie so nett, mich zum Verwaltungsgebäude zu begleiten? Ich wäre für Ihre Unterstützung sehr dankbar.«

»Natürlich.« Sie nickte und Worf wandte sich an Picard.

»Captain, danke für diese Gelegenheit«, sagte er. »Ich werde Sie nicht enttäuschen.«

»Ganz sicher nicht.« Picard überlegte, dass er sich wohl am besten auf das Positive konzentrieren sollte. Es gab zweifellos schlimmere Aufgaben, als während einer dreitägigen Festlichkeit auf Betazed eine Rolle zu übernehmen. Allerdings entging ihm der Anflug von Aufregung hinter Worfs kühler Fassade keineswegs.

»Und da wären wir wieder«, murmelte er. Allein der Anblick der Transporterplattform sorgte dafür, dass Picard Erschöpfung empfand.

»Captain«, sagte Troi. »Ich weiß, dass Sie gehofft hatten, die nächsten paar Tage anders zu verbringen, aber dies hier ist wirklich eine große Ehre. Und ich bin mir sicher, dass Sie einen ganz wundervollen Träume-Gast abgeben werden.«

Picard unterdrückte den Drang zu schnauben, als er gemeinsam mit Troi auf die Transporterfelder trat. Er blickte zu Lieutenant Kociemba hinüber. »Sie haben heute ausgezeichnete Arbeit geleistet«, sagte er. »Energie.«

Kociemba lächelte, dann huschten ihre Finger über die Kontrollen und sie schickte Picard und Troi ihrer Wege.

Einige Sekunden später standen sie vor einem kleinen, unscheinbaren Gebäude mit quadratischem Grundriss, an dem sich Kletterpflanzen emporrankten, die voller rosafarbener und gelber Blüten waren. In der Ferne erhob sich der Isszon-Tempel. Sein von Spitzen gekröntes Dach funkelte im zitronengelben Sonnenlicht.

»Ich schätze, ich sollte es einfach hinter mich bringen«, sagte Picard und strich seine Galauniform glatt.

»Sie werden das ganz wunderbar machen, Captain.«

Der Captain spürte den harten Griff des Unvermeidlichen im Nacken. Es sind nur drei Tage, sagte er sich.

Picard machte einen Schritt auf das Gebäude zu. Im selben Moment glitt die Tür auf und Lwaxana Troi rauschte heraus. Ihr Ballkleid glitzerte mit dem Tempel um die Wette. »Jean-Luc!«, rief sie. »Oh, ich habe bereits auf Sie gewartet. Was bin ich froh, dass Sie sich uns anschließen!« Mit beiden Händen den Stoff ihres Kleids raffend, eilte sie über den Rasen. »Deanna! Bitte sag mir, dass du das da nicht zu den Festlichkeiten tragen wirst.«

Troi seufzte. »Das ist meine Uniform, Mutter.«

»Oh, ich weiß.« Lwaxana zog sie in eine Umarmung. Ich habe dich vermisst, Kleines. Ich habe die Enterprise absichtlich angefordert, um Gäste zu bringen. Ich musste dafür sorgen, dass du dieses Ereignis nicht verpasst!

Danke, übermittelte Troi in Gedanken.

Botschafterin Troi schnalzte mit der Zunge und wandte sich Picard zu. Sie schenkte ihm ein weiteres ihrer strahlenden Lächeln. »Sie können sich kaum vorstellen, wie sehr es mich freut, dass Sie die Einladung angenommen haben«, sagte sie. »Sie werden einfach großartig sein. Sildar und Sulel können es gar nicht erwarten, Sie kennenzulernen.« Sie hakte sich bei Picard unter und zog ihn vorwärts. Der Captain ließ es einfach geschehen. Es hatte wohl keinen Sinn zu versuchen, gegen die Strömung anzuschwimmen.

Das Bauwerk wirkte von außen so ernst, dass Picard erwartet hätte, im Inneren die kühle Strenge eines Museums vorzufinden. Doch als Lwaxana die Tür aufstieß, wurden sie von heillosem Chaos begrüßt. Der kleine Raum war mit Tischen und Schreibpulten unterschiedlichster Herkunft vollgestopft, die alle nebeneinander gequetscht worden waren und auf denen sich Berge aus Stoff, Serviertellern, Padds, Plastiken und uralten Büchern aus Papier stapelten. In der Mitte des Ganzen erhob sich das stumme Hologramm einer Betazoidin, die in altertümliche Gewänder gekleidet war und einen großen Silberlöffel schwang.

Zwischen den Tischen huschten gehetzt wirkende Betazoiden umher, von denen die meisten nach Picards Ansicht bestenfalls halb festliche Kleidung trugen – ein bodenlanges Kleid mit einer schlaffen Tunika darüber, ein schicker Anzug, dessen Träger barfuß herumlief. Alle riefen einander Arbeitsanweisungen zu, ein verwirrendes Hin und Her aus Dingen, die getan werden mussten, und Aufgaben, die erledigt worden waren, dem Picard nicht folgen konnte.

Lwaxana stürzte sich kopfüber in diesen Mahlstrom und wurde sofort von dem Wirbelwind aus disharmonischem Glamour verschluckt.

»Was geht hier vor?«, fragte Picard leise.

»Das nennt man organisiertes Chaos«, flüsterte Troi. »Seien Sie froh, dass Sie bloß ein Raumschiff kommandieren müssen und nicht eine betazoidische Veranstaltung zu planen haben.«

»Wo sind die Hausplakate?«, rief jemand aus der Mitte des Raums.

»Amalia hat sie! Konzentrier dich!«, kam die prompte Antwort zurück.

»Niemand kontrolliert hier seine Gedanken«, jammerte jemand. »Wenn wir uns alle nur ein bisschen beruhigen würden, wäre das hier so viel einfacher …«

Unwillkürlich wich Picard Richtung Tür zurück. Troi stoppte ihn, bevor er über den Haufen gerannt werden konnte.

Und dann tauchte Lwaxana wieder auf. Noch nie war Picard so froh gewesen, sie zu sehen. Diesmal folgten ihr zwei Begleiter: ein älterer Betazoide in einem kunstvollen Ensemble, das um einen langen Überwurf herum gestaltet worden war, sowie die Föderationsbotschafterin auf Betazed.

»Ist er das?«, fragte der Betazoide.

»Das ist er«, erwiderte Lwaxana strahlend. »Jean-Luc Picard, Deanna, es ist mir eine Freude, euch Sildar Syn, den Veranstaltungsdirektor, vorzustellen.«

Sildar verbeugte sich rasch.

»Und dies hier ist natürlich Botschafterin Sulel von Vulkan.«

Die Vulkanierin nickte knapp.

Mit zusammengekniffenen Augen trat Sildar vor und nahm Picard von Kopf bis Fuß in Augenschein. Picard warf Troi einen Seitenblick zu, die ihm daraufhin ein entschuldigendes Lächeln schenkte.

»Er ist zu klein für E’kans Kostüm«, sagte Sildar. »Ich lasse Seabert ein neues replizieren. Seabert!« Er wirbelte herum und verschwand wieder im Durcheinander der Veranstaltungsvorbereitungen.

»Kostüm?«, fragte Picard mit schwacher Stimme.

»Natürlich«, erwiderte Lwaxana. »Sie werden die klassischen Gewänder aus der Lakryn-Ära tragen, als Betazed den Raumflug entwickelte. Und Sie werden gewiss ganz reizend in diesen Pluderhosen aussehen. Denken Sie nicht auch, Sulel?«

Sulel warf Picard einen unerbittlichen Blick zu. »Es steht mir nicht zu, das zu beurteilen.«

Picard spürte, wie ihm heiß wurde. »War da nicht irgendein Einladungssiegel, das Sie mir überreichen wollten, oder …«

»Natürlich!« Lwaxana klatschte in die Hände und Picard erschrak, als ein hagerer grauer Mann wie aus dem Nichts auftauchte. »Homn, haben Sie das Siegel?«

Er nickte und zog es aus einer Seitentasche seiner Tunika. Es handelte sich um ein gerolltes Blatt Pergament, das mit einem rosafarbenen Band zusammengebunden worden war. Wortlos händigte er es Lwaxana aus, die sich daraufhin zu Picard umdrehte. »In meiner Funktion als Repräsentantin von Betazed«, intonierte sie, »als Tochter des Fünften Hauses, Bewahrerin des geheiligten Kelches von Rixx und Erbin der heiligen Ringe von Betazed lade ich, Lwaxana Troi, Sie offiziell ein, der Enthüllung der Drei Schätze der Xiomara als unser Ehrengast beizuwohnen, als leuchtendes Beispiel ebenjener Künste, die wir in höchsten Ehren halten: der Träume! Nehmen Sie die Einladung an, Jean-Luc Picard?«

Während sie sprach, hatte sie in einem höfischen Knicks die Knie gebeugt. Der fließende Stoff ihres Kleids verteilte sich rings um sie herum auf dem Fußboden. Hinter ihr ging das Organisationsteam unablässig seinem wilden Treiben nach und ein Stimmengewirr rasselte Instruktionen herunter oder bat eindringlich darum, die eigenen Gedanken zu nutzen. Die Vulkanierin erweckte den Eindruck, als wolle sie in Gelächter ausbrechen – aber das bildete sich Picard garantiert nur ein.

Er warf Troi einen letzten verzweifelten Blick zu, doch sie schüttelte nur den Kopf.

»Ich fühle mich geehrt«, erwiderte er seufzend.

Lwaxana hielt ihm die Rolle hin und er nahm sie entgegen.

»Wundervoll!«, rief Lwaxana aus. »Soll ich Sie zum Empfang im Tempel begleiten? Ich bin mir sicher, es ist immer noch …«