Star Trek – Zeit des Wandels 4: Ernte - Dayton Ward - E-Book

Star Trek – Zeit des Wandels 4: Ernte E-Book

Dayton Ward

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Beschreibung

Kurz nach der epischen Schlacht des Raumschiffs Enterprise gegen Shinzon nahmen viele langjährige Besatzungsmitglieder von Captain Jean-Luc Picard neue Posten und neue Herausforderungen an. Unter den vielen Veränderungen war auch William Rikers Beförderung zum Captain und sein neues Kommando, Rikers Hochzeit mit Counselor Deanna Troi und Dr. Beverly Crushers neue Karriere beim Medizinischen Korps der Sternenflotte. Doch die Geschichte, wie es dazu kam, wurde nie erzählt … BIS JETZT. Noch immer unter dem Eindruck der katastrophalen Ereignisse, die die gesamte Sternenflotte erschüttert und der Karriere eines der höchstdekorierten Captains der Föderation geschadet haben, müssen Picard und seine Crew nun das Undenkbare ertragen: Ächtung und eine ungewisse Zukunft. Doch trotz allem, was vorgefallen ist, hat niemand an Bord der Enterprise seine Pflicht als Sternenflottenoffizier vergessen … Die Besatzung soll den Dokaalan – einer kleinen Flüchtlingskolonie, die in einer auseinanderfallenden Asteroiden-Abbauanlage haust – mittels Terraforming dabei helfen, einen nahegelegenen Planeten zu ihrem neuen Zuhause zu machen. Doch Sabotage lässt die humanitäre Krise zu einer tödlichen Krise werden. Picard muss die Dokaalan vor dem Aussterben bewahren – und eine Tragödie katastrophalen Ausmaßes verhindern!

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INHALT

DANKSAGUNGEN

PROLOG

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

DANKSAGUNGEN

Hm.

Wie es scheint, haben wir einigen Personen an dieser Stelle bei Zeit des Wandels – Aussaat unseren Dank ausgesprochen. Als die Arbeit abgeschlossen war, dämmerte uns jedoch, dass wir dabei einen schwerwiegenden Fehler gemacht hatten.

Ja, ihr ahnt es bereits. Wir haben unsere Ehefrauen vergessen.

Ups.

Nun denkt ihr vielleicht: »Okay, aber die Frauen von den beiden sind erwachsen, oder? Ihnen wird es vermutlich ziemlich egal sein, ob sie in einem Star Trek-Buch erwähnt werden. Dayton und Kevin machen echt ein bisschen viel Wind um die Sache.«

Ihr naiven Leser, darüber solltet ihr lieber noch mal nachdenken.

Wir möchten nun also ohne weitere Verzögerung die Chance nutzen, um MICHI und MICHELLE zu danken, die unerschöpfliche Geduld an den Tag legen, während ihre idiotischen Ehemänner niemals den Ausgang aus dem Kinderzimmer finden werden.

Und da wir diesmal genau wissen, was wir tun, danken wir auch niemandem sonst. Nie mehr.

Außer – und an dieser Stelle denkt bitte an den armen Typen bei irgendeiner Preisverleihung, der über die einsetzende Musik weiterreden muss, weil sein Kollege die ganze Zeit verbraucht hat – dass Kevin noch von Herzen Rosy King und dem Team der Free Library in Paola (Kansas) sowie Gloria und Chuck Gray und dem Team des örtlichen McDonald’s danken möchte, weil sie ihm erlaubt haben, ihre Räume als Nebenbüro zu nutzen, um Teile dieses Romans zu schreiben.

Okay, das war’s jetzt.

Nein, diesmal wirklich.

Ernsthaft.

Drück auf den Knopf, Frank.

Übersetzt aus dem persönlichen Tagebuch von Hjatyn:

Während ich das hier schreibe, frage ich mich, ob nachfolgende Generationen womöglich glauben werden, sie hätten anstatt des Tagebuchs eines alten Mannes aus Versehen doch eine rein fiktive Geschichte erwischt.

Ich sitze oft allein in meiner Bibliothek und lese meine Aufzeichnungen. Meist staune ich dann über all das, was geschehen ist, und meine Gedanken zu jener Zeit. Die Tatsache, dass alles der Wahrheit entspricht und keine Schönfärberei oder Überhöhung meinerseits benötigte, macht die Geschichte nur umso erstaunlicher.

Es kann keinen Zweifel geben, dass unsere Reise erstaunlich war. Wir haben die Zerstörung von Dokaal, unserer Heimatwelt, erlebt und viele Generationen lang darum gekämpft, uns hier draußen in der künstlichen Umgebung der verschiedenen Außenposten mitten im Asteroidenfeld eine neue Existenz aufzubauen. Es schien immer unmöglich zu sein, mehr als nur das bloße Überleben zu erreichen. Dennoch sind wir hier, haben uns trotz aller Herausforderungen wunderbar entwickelt und waren schließlich mit dem nackten Überleben nicht mehr zufrieden. Doch auch wenn wir bereits so viel erreicht haben, fehlt uns zur Abrundung unseres Lebens immer noch eine Sache: ein echtes Zuhause. Daher haben wir auf typisch dokaalanische Art damit begonnen, uns eins zu erschaffen.

Die Umwandlung des Planeten Ijuuka nach dem Vorbild von Dokaal kann man nur als einschneidenden technologischen Meilenstein in unserer Geschichte bezeichnen. Die lebensfeindliche Atmosphäre zu einer zu machen, in der unsere Leute atmen können, hat uns wissenschaftliche wie technologische Fortschritte abverlangt, die zuvor undenkbar waren. Vergessen wir auch nicht die Entwicklung von Techniken, Ausrüstung und den notwendigen Fertigkeiten, um diese Aufgabe zu bewältigen. Es handelt sich um ein Projekt von gigantischer Komplexität und Langfristigkeit. Zuzusehen, wie unsere schlausten Köpfe jede Stufe begleitet haben, war inspirierend. Und auch wenn ich die tiefe Spiritualität meiner verstorben Frau Beeliq nie geteilt habe, musste ich doch feststellen, dass ich Dokaa zu verschiedenen Gelegenheiten für ihren Segen gedankt habe. Ich habe es immer zutiefst bedauert, dass ich nicht in der Lage sein würde, das Ergebnis der Umwandlung mitzuerleben.

Dieses Gefühl änderte sich mit der Ankunft der Enterprise, dieses prächtigen fremden Raumschiffs und seiner Besatzung, die für eine große Gemeinschaft Hunderter Planeten stehen, die uns sehr ähnlich sind. Unglaublicherweise haben sie damit einen Notruf beantwortet, der bereits vor Generationen abgeschickt wurde.

Als einer der wenigen Überlebenden aus der Zeit, als unsere Heimatwelt zerstört wurde, erinnere ich mich noch an die Rede des Obersten Ministers Zahanzei, in der er den Plan vorstellte, unbemannte Raumschiffe mit der Bitte um Hilfe ins All zu schicken. Nahezu jeder, mit dem ich damals darüber sprach, hielt es für eine sonderbare Vorgehensweise, die aus Verzweiflung und Panik geboren zu sein schien. Eine echte Chance auf Erfolg wurde dem Plan von den wenigsten eingeräumt. Auch wenn ich immer offen für die Vorstellung von Leben auf anderen Planeten weit weg von Dokaal war, machte ich mir keine Illusionen über die Chancen, die drei kleine Schiffe haben würden, irgendwo in dieser immensen Weite des Alls auf Leute zu treffen, die in der Lage und willens sein würden, uns zu helfen. Und doch betete ein kleiner Teil von mir für den Erfolg des Plans des Obersten Ministers. All das endete, als meine Heimatwelt vor meinen Augen zerbrach.

Und nun, lange nach dem Tod von Zahanzei, ist die Antwort auf all seine Gebete zum Greifen nah. Ich frage mich, was er wohl sagen würde, wenn er die Leute treffen könnte, die so weit gereist sind, um seiner Bitte nachzukommen. Meine eigene Ehrfurcht vor der wahren Größe des Universums ist nur noch größer geworden, als ich vom Captain der Enterprise erfuhr, wie lange es gedauert habe, von seiner Welt zu unserer zu reisen, obwohl sie die Fähigkeit besitzen, ein Vielfaches der Lichtgeschwindigkeit zu erreichen. Das erklärt auch, warum die erste Sonde erst so spät nach dem Start und die zweite sogar erst vor Kurzem gefunden wurde.

Einige Ratsmitglieder haben die Motive der Fremden natürlich infrage gestellt. Selbst wenn man sich ihr Schiff nur flüchtig ansieht, wird jedoch deutlich, dass sie die Technologie und Waffen besitzen, um uns mit minimalem Aufwand zu besiegen. Ich selbst hatte zu Beginn meine Zweifel über unsere Gäste. Ihre dunklen Uniformen wirken einschüchternd. Sie erinnern an jene der militärischen Truppen einer rivalisierenden Gruppierung auf Dokaal.

Allerdings enden die Ähnlichkeiten an dieser Stelle auch schon, wie wir erkennen konnten, als das Schiff eintraf und die Besatzung, ohne zu zögern, einen Rettungsplan in Angriff nahm, um Minenarbeiter und ihre Familien von einem unserer Außenposten zu retten. Auch wenn bei diesem Versuch einige Verluste zu beklagen waren, steht fraglos fest, dass der Einsatz der Enterprise unzählige Leben gerettet hat.

Ihre medizinische Abteilung arbeitete bis zur Erschöpfung, um die Verletzten zu versorgen und allen anderen Obdachlosen so lange Unterkunft zu gewähren, bis unsere eigenen Schiffe vom zentralen Habitat eintrafen. Kurz gesagt handelt es sich bei ihnen um außergewöhnliche Leute.

Besonders Captain Picard ist ein bemerkenswerter Mann. Auch wenn er verglichen mit dem durchschnittlichen Dokaalaner von der Statur her eher zierlich wirkt, zeigt sich seine Führungsstärke bei jeder Gelegenheit im Gespräch mit mir, meinen Leuten und seiner eigenen Besatzung. Seine Leute folgen ihm aus freien Stücken, nicht weil sie an einen Vertrag oder Eid gebunden wären. Obwohl ich ihn nur zweimal kurz getroffen habe, möchte ich diesem Mann vertrauen.

Auch wurde mir schnell klar, was für ein fähiger Diplomat er ist. Er hat meinem Volk auf vielfältige Weise seine Hilfe angeboten. Dazu gehörte auch die Idee, unsere Leute auf einen anderen Planeten umzusiedeln, um diesen zu unserem neuen Zuhause zu machen. Und obwohl ich sein großzügiges Angebot freundlich ablehnen musste, sprach er mir seine Bewunderung dafür aus, dass wir danach streben, die Umwandlung von Ijuuka aus eigener Kraft zu bewältigen. Wir nehmen unser Versprechen an all die Millionen Toten, die der Zerstörung von Dokaal zum Opfer fielen, sehr ernst und halten daran fest, die Umwandlung allein und ausschließlich mit Materialien, Werkzeugen und Fähigkeiten zu bewerkstelligen, die wir selbst hergestellt oder uns angeeignet haben.

Dennoch möchte Captain Picard uns weiterhin unterstützen und hat Spezialisten auf seinem Schiff darauf angesetzt, unsere Technologien zu untersuchen, um in Teilbereichen für Verbesserungen sorgen zu können. Der Gedanke dahinter ist, unsere Bemühungen zu beschleunigen, uns aber weiterhin die gesamte Arbeit wie gewünscht selbst zu überlassen. Damit kann ich sehr gut leben, nicht ganz uneigennützig, wie ich zugeben muss. Schließlich könnte ich neben allen anderen, die unseren kollektiven Traum am Leben halten, auf diese Weise selbst noch die Chance erhalten, unter einem blauen Himmel auf echter Erde und Gras unter meinen Füßen zu laufen.

Außerdem wäre ich hocherfreut, mehr über Picards interstellare Gemeinschaft zu erfahren, die sogenannte Vereinigte Föderation der Planeten. Die Vorstellung allein klingt schon herrlich. Jede Mitgliedswelt bringt ihre individuellen technologischen und künstlerischen Begabungen in diese größere Gemeinschaft ein. Vielleicht ist es uns eines Tages, wenn wir unsere neue Heimatwelt besiedelt haben, möglich, in diese Föderation eingeladen zu werden.

Der Gedanke daran erwärmt mein Herz. Ich glaube fest daran, dass die Umsetzung dieses Ziels alles, was wir als dokaalanische Gesellschaft tagtäglich erreichen und wonach wir streben, noch in den Schatten stellen würde.

Admiral Alynna Nechayev war allein in ihrem Büro und hatte es sich in ihrem gemütlichen Sessel bequem gemacht. Sie hielt ihren Kaffeebecher ganz nah an die Nase und genoss das Aroma. Von ihrem Platz aus konnte sie über die Bucht von San Francisco blicken. Die ersten schwachen Sonnenstrahlen brachen gerade durch den morgendlichen Nebel und ließen die Golden Gate Bridge erstrahlen.

Kaffee und Aussicht gehörten zu ihren ganz privaten Annehmlichkeiten, die sie sich auf dem Gelände des Sternenflottenhauptquartiers erlaubte. Ihr Kollege und Freund William Ross hatte sie auf den Geschmack der Kombination aus kolumbianischen Bohnen und klingonischem Raktajino gebracht. Diese Mischung war schnell zu einem wichtigen Teil ihres Morgenrituals geworden. Das Lesen von Berichten und Nachrichten vor Sonnenaufgang fiel mit einer guten Tasse Kaffee einfach viel leichter.

An diesem besonderen Tag erfreute Nechayev jedoch noch etwas anderes. In ihrem Schoß lag ein Padd, das den neuesten Bericht von Captain Jean-Luc Picard enthielt, der sich aus dem dokaalanischen Sektor vom aktuellen Einsatzort der Enterprise gemeldet hatte. Von allen Berichten, die sie heute zu lesen hatte, würde dieser ohne jeden Zweifel den Höhepunkt darstellen. Allerdings war ihr auch bewusst, dass der Inhalt bei den verschiedenen Besprechungen des heutigen Tages für viele Diskussionen sorgen würde.

Ihre Gedanken wurden vom Türsummer unterbrochen. »Herein«, rief sie und drehte ihren Sessel, um William Ross höchstpersönlich eintreten zu sehen.

»Guten Morgen, Alynna«, sagte dieser, als er den Raum betrat. Mit seiner perfekt sitzenden Sternenflottenuniform, dem kurz geschnittenen dunklen Haar mit den grauen Schläfen und seinen blauen Augen, die den Eindruck erweckten, durch Tritanium bohren zu können, stellte der Admiral den Inbegriff eines Flaggoffiziers der Sternenflotte dar. Nechayev wusste natürlich, dass die Äußerlichkeiten bei Weitem nicht alles waren. Ross war für die meisten Sternenflottenoperationen während des Dominion-Krieges verantwortlich gewesen und hatte sich damit als dynamischer Anführer und taktisch einfallsreicher Befehlshaber bewiesen. Man konnte ohne Übertreibung sagen, dass ein Großteil des Erfolgs der Föderation im Krieg sein Verdienst war.

»Hallo, Bill«, antwortete Nechayev, während sie sich aus ihrem Sessel erhob. Sie schritt einmal quer durch den Raum auf den Replikator zu, der links von ihrem Schreibtisch in die Wand eingelassen war. »Kaffee?«

Ross nickte. »Unbedingt«, sagte er und nahm auf einem Stuhl ihrem direkt gegenüber Platz. Er hielt das mitgebrachte Padd hoch und sagte: »Die morgendlichen Berichte bieten interessanten Lesestoff, was?«

»Das könnte man so sagen«, antwortete sie, ging zurück zu ihrem Schreibtisch und reichte Ross einen der beiden Kaffeebecher. Sie machte es sich wieder in ihrem Sessel bequem und sah durch das große Fenster, wie das Sonnenlicht über den östlichen Horizont lugte und nun die Berge rund um die Bucht erreichte. Ein neuer Tag brach an. »Ich bin mir sicher, dass auch die heutigen Besprechungen äußerst unterhaltsam werden.« Sie nahm einen Schluck ihres zweiten Kaffees, genoss das reichhaltige Aroma und wusste doch, dass ihre persönliche Zeit, um Freuden wie diese zu genießen, vorüber war. Nun handelte es sich eher um Treibstoff, um ihr hoffentlich genug Energie zu verleihen, all die anderen Berichte zu studieren und die Versammlungen und Besprechungen zu überstehen, die zu den täglichen Pflichten eines hochrangigen Sternenflottenoffiziers gehörten.

»Einige dieser neuen Anordnungen sind ein wenig beunruhigend«, sagte Ross mit einem Blick auf sein Padd. »Können Sie sich das alles vorstellen? Die Sicherheitspatrouillen an der klingonischen und romulanischen Grenze sowie im bajoranischen System sollen verstärkt werden. Alle Sternenflottenschiffe will man unabhängig von ihrer Mission langfristig mit besseren Waffen ausrüsten. Außerdem sollen Bodenkampftruppen zur Besatzung der Kriegsschiffe hinzustoßen.« Er sah kopfschüttelnd auf. »Ich habe sogar Gerüchte gehört, dass eine neue geheime Einheit von Eliteoffizieren geplant ist, um Raumschiffe und die Sicherheit von Raumbasen mit den Taktiken aller bekannter Feinde zu testen. Finden Sie das nicht auch ein wenig übertrieben?«

»Davon habe ich noch gar nichts gehört«, entgegnete Nechayev, während sie kurz darüber nachdachte und zu dem Schluss kam, dass dieser Vorschlag ein wenig extrem klang. Ein paar Überlegungen später musste sie sich jedoch eingestehen, dass es durchaus Vorteile haben könnte, diesen Plan zu verfolgen.

Mit einem Schulterzucken fuhr sie fort: »Wir haben in den letzten Jahren einige Lektionen auf die harte Tour gelernt. Mr. Azernal scheint sehr daran interessiert zu sein, dass wir die richtigen Konsequenzen daraus ziehen und nie wieder mit heruntergelassener Hose erwischt werden.«

Abgesehen von seinen bemerkenswerten politischen Fähigkeiten hatte Koll Azernal, der Stabschef des Föderationspräsidenten, sich wie viele andere Zakdorn einen Ruf als gerissener militärischer Stratege erworben. Mehr noch als Ross, Benjamin Sisko oder sogar Nechayev war es in großem Maße seinem taktischen Können zu verdanken gewesen, dass die Föderation das Dominion schließlich hatte besiegen können. In den Nachwehen dieses Erfolgs nutzte Azernal nun seine unbestrittenen Talente sowie seine neue Popularität, um einige Prozesse in Gang zu bringen, die die Föderation langfristig schützen sollten.

Seine Rede vor dem Föderationsrat vor einem Monat hatte bezüglich seiner Einstellung zu diesem Thema keine Fragen offengelassen. Er sprach über die Invasion durch die Borg und das Dominion in den zurückliegenden Jahren und vergaß auch nicht, alle anderen intergalaktischen Notsituationen in der Zwischenzeit zu erwähnen. Azernal deckte dabei schonungslos die Schwächen und Lücken in der Verteidigung der Grenzen und Bewohner der Föderation auf. Seiner Ansicht nach waren drastische Veränderungen notwendig. Und mit dieser Einschätzung war er längst nicht mehr allein.

»Sie müssen zugeben, dass er nicht ganz unrecht hat«, ergänzte Nechayev. »Vielleicht ist es wirklich an der Zeit, unseren Verteidigungsansatz zu überdenken. Wir haben das viel zu lange vor uns hergeschoben. Einige der Dinge, die Azernal vorschlägt, ergeben durchaus Sinn, wenn man genauer darüber nachdenkt.«

Ross nahm einen Schluck seines Kaffees und antwortete: »Wenn es um die Verteidigung geht, werde ich sicher nicht widersprechen, dass immer mehr möglich ist.« Er hielt sein Padd hoch, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Dennoch scheint mir einiges doch sehr übereilt und übertrieben zu sein. Sogar die Sternenflottenakademie soll am liebsten über Nacht neue Tricks lernen, wenn es nach Azernal geht. Das Team von Admiral Brand hat zwei Tage und Nächte durchgearbeitet, um einen Vorschlag zu erarbeiten, die Kampfstrategien und die taktischen Kurse auszuweiten und sie bereits früher in den Stundenplan einzuarbeiten. Azernal möchte auch die Klassengröße im Kommandobereich erhöhen, um mehr junge Offiziere durchschleusen und schneller zu ihren ersten Aufträgen schicken zu können.«

Nechayev richtete ihre Aufmerksamkeit teilweise auf die Szenerie außerhalb ihres Büros und sagte: »Nichts davon ist unangemessen. Wenn wir ehrlich sind, wird über einiges davon schon seit einer ganzen Weile nachgedacht.« Vor ihrem Fenster zuckte ein Blitz über den Himmel. Der folgende Donner ließ die dicke Scheibe erzittern. Der Sonnenaufgang hatte eine graue Wolkenfront mit sich gebracht, die sich nun über der Bucht zusammenzog. Es schien, als würde der neue Tag mit Regen beginnen. Nechayev hoffte, dass dieser Sturm kein schlechtes Omen für einen Stimmungsumschwung darstellte.

Ihr war bewusst, dass es nicht schwierig war, Admiral Brand für derartige Ausweitungen des militärischen Trainings an der Akademie zu begeistern. Sie hatte derartige Pläne genau genommen vom ersten Tag auf ihrem Posten als Leiterin der Akademie an unterstützt, den sie kurz nach der ersten Begegnung mit den Borg angetreten hatte.

»Es kann aber auch immer passieren, dass man dabei zu weit geht«, entgegnete Ross, der nun aufstand und zum Replikator ging. »Azernal kümmert sich ein bisschen zu viel um militärische Initiativen. Was ist mit all den anderen Bereichen? Wir haben auch noch einen Haufen sonstiger Probleme zu lösen.«

Damit hatte er recht, wie Nechayev zugeben musste. Etwas mehr als drei Jahre nach Ende des Dominion-Krieges war man auf vielen Welten immer noch mit dem Wiederaufbau beschäftigt. Viel Zeit und Ressourcen würden dafür noch notwendig sein. Ignorierte man derartige Sorgen nun, könnte das dazu führen, dass die Föderation wichtige Alliierte verärgerte. In Zeiten wie diesen war das keine Option. Auch wenn Nechayev eine gute Defensivstrategie begrüßte und sich immer für angemessene Sicherheitsmaßnahmen einsetzte, war sie der Sternenflotte nicht beigetreten, um in den Krieg zu ziehen. Waren die von Koll Azernal proklamierten Änderungen zu drastisch?

»Ich bin mir sicher, dass der Föderationsrat dafür sorgen wird, dass er nicht zu weit geht«, sagte sie. »Präsident Zife hat der Föderation zugesagt, dass seine oberste Priorität darin liegt, den Wiederaufbau voranzutreiben. Wenn er beim Rat seinen Plan einreicht, werden alle notwendigen Themen, ob nun militärisch oder gesellschaftlich, darin Berücksichtigung finden.«

»Dann hoffe ich mal, dass Sie recht haben«, sagte Ross, als er gerade einen weiteren Becher Kaffee aus dem Replikator nahm und zu seinem Platz zurückging. »Dies ist das erste Mal seit langer Zeit, dass wir uns überhaupt auf etwas anderes als Krieg konzentrieren können. Ich für meinen Teil bin der Sternenflotte zum Forschen beigetreten.«

Als er an ihr vorüberging, nahm Nechayev den Duft seines Kaffees wahr. Das Aroma ließ ihren Magen rumoren und erinnerte sie daran, dass sie noch nicht gefrühstückt hatte. Ein Blick auf die Uhr an der Wand machte ihr klar, dass ihr nur noch fünfzehn Minuten blieben, bevor ihr vollgepackter Terminplan ihr keine Gelegenheit mehr dazu geben würde.

Sie entschied sich, ihren Hunger erst einmal zu ignorieren, und sagte: »Sie haben also Picards Bericht gelesen?«

Ross nickte und nahm einen weiteren Schluck seines Kaffees. »Gleich als Erstes.« Er zuckte mit den Schultern und ergänzte: »Ich brauchte etwas Erfreuliches bei all den Dingen, mit denen ich mich in den letzten Tagen befassen musste. Sein Bericht ist gelinde gesagt erstaunlich.«

»Dass es Überlebende gibt, ist in der Tat erstaunlich«, antwortete Nechayev. »Bedenkt man ihr Dilemma, ist fast nicht zu glauben, dass es ihnen so gut ergangen ist.«

Anstatt die Trümmer eines Planeten vorzufinden, der einst Heimat einer blühenden Zivilisation gewesen war, waren Jean-Luc Picard und die Besatzung der Enterprise vielmehr auf Überlebende der Katastrophe gestoßen, die den Heimatplaneten der Dokaalaner vor mehr als zwei Jahrhunderten zerstört hatte. Mit ihren rudimentären Fähigkeiten in der Raumfahrt war es den Dokaalanern gelungen, ein Netzwerk aus Minenkolonien im gigantischen Asteroidenfeld zwischen dem fünften und sechsten Planeten ihres Sonnensystems zu errichten. Diese Kolonien hatten lange Zeit Minerale und Rohstoffe geliefert, die man auf den Asteroiden abbaute und dann zurück zur Heimatwelt schickte.

Dieser technologischen Leistung war es auch zu verdanken gewesen, dass Tausende Dokaalaner Schutz in den Kolonien gefunden hatten, als ihre Heimatwelt dem monatelangen tektonischen Druck zum Opfer gefallen war. Millionen ihrer Leute hatten die Katastrophe nicht überlebt. Der Rest der Population hatte sich ein neues Leben aufbauen und gegen die lebensfeindliche Umgebung des Alls und des Asteroidenfelds kämpfen müssen. Diese Leute und ihre Nachkommen hatten eine neue Lebensart begründet, die zunächst aus nacktem Überleben bestand und später dank großer Entschlossenheit und dem Drang, die Toten zu ehren, erweitert worden war.

»Ihre technologische Entwicklung befindet sich auf dem gleichen Niveau wie das der Erde, während wir unserer ersten permanenten Mondkolonien errichtet haben«, sagte Ross. »Ihre Raumschiffe besitzen etwas, das sich grob mit unserem Impulsantrieb vergleichen lässt und ihnen zumindest interplanetare Reisen innerhalb eines überschaubaren Zeitrahmens ermöglicht. Dafür wurden die Bemühungen um ein Äquivalent zum Warpantrieb nicht fortgesetzt, wenn man einmal vom rudimentären Antrieb der drei unbemannten Sonden absieht, mit denen sie ihren Hilferuf ins All geschickt haben.«

Das hat jedoch gereicht, dachte sie. So primitiv die Versuche der Dokaalaner in Sachen Überlichtgeschwindigkeit gewesen sein mochten, hatten sie dennoch ausgereicht, um in den Diskussionen zwischen Sternenflottenangehörigen und dem Föderationsrat zu dem Ergebnis zu führen, dass eine Interaktion mit diesen Leuten keine Verletzung der Obersten Direktive darstellte. Diese sehr strikte Verordnung besagte, dass Kontakt nur mit Spezies erlaubt war, die über Warpantrieb verfügten, weil sie damit bewiesen hätten, dass sie sich aus eigener Kraft in die Mitte einer intergalaktischen Gemeinschaft katapultieren konnten. Man sah sie durch diesen Schritt als reif dafür an. Was Nechayev betraf, waren die Dokaalaner bereit, auch wenn sie die Kriterien der Obersten Direktive auf ihre ganz eigene Art erfüllt hatten.

»Ich würde gern zweihundert Jahre zurückreisen«, sagte sie, »und unseren Vorfahren sagen, was für einen Fehler sie gemacht haben, als sie kein Schiff ausgesandt haben, nachdem sie diese erste Sonde entdeckt hatten.«

Ross schmunzelte. »Seien Sie nicht zu streng mit ihnen, Alynna. Das waren andere Zeiten.«

»Stimmt«, gab Nechayev zu. »Was hatten sie schon? Ein oder zwei Langstreckenschiffe, die mit Warp fünf fliegen konnten? Dazu noch die Vulkanier, die jede Entscheidung der Sternenflotte hinterfragten?« Nachdenklich fügte sie hinzu: »Das waren wahrlich andere Zeiten.« Aber auch aufregende, musste sie insgeheim einräumen.

»Dieses Terraforming-Projekt der Dokaalaner hat für einiges an Gesprächsstoff gesorgt«, fuhr Ross fort und suchte auf seinem Padd nach Picards Bericht. »Die Einheit für Terraforming würde am liebsten sofort ein Schiff bereit machen und aufbrechen. Und das nur aufgrund der Informationen im vorläufigen Bericht des Chefingenieurs der Enterprise.« Kopfschüttelnd ergänzte er: »Ich frage mich, ob sie einfach nur neugierig auf einen neuen Ansatz des Terraformings sind oder vielleicht eher Angst haben, dass jemand das Know-how besitzt, um es zu versuchen.«

Ein rhythmisches Trommeln am Fenster erregte Nechayes Aufmerksamkeit, als die ersten Regentropfen auf das Glas trafen. Es zog definitiv ein Sturm auf, entschied sie.

»Ich glaube nicht, dass wir in dieser Hinsicht Grund zur Sorge haben«, sagte sie. »Picards Bericht nach zu urteilen, werden die Dokaalaner ausschließlich von ihrem Überlebenswillen angetrieben. Sie wollen sich ein echtes, neues Zuhause schaffen. Außerdem wird es noch einige Generationen dauern, bis der Planet überhaupt bereit für Leben ist.«

Der Regen wurde stärker und sie konnte von ihrem erhöhten Blickwinkel aus sehen, wie der Wind die Bäume unter ihr durchschüttelte. Sie fragte sich, ob das Wetterkontrollnetzwerk wohl würde eingreifen müssen, um die Intensität des Sturms einzudämmen.

Ein interessanter Gedanke, dachte sie, wenn man das Thema unserer Unterhaltung bedenkt.

Ross stellte seinen Becher auf den Schreibtisch zwischen ihnen und sagte: »Er hat auch geschrieben, dass sie nicht nur sein Angebot zur Umsiedlung auf einen geeigneten Planeten abgelehnt haben, sondern auch unsere Hilfe bei ihren aktuellen Herausforderungen. Ich habe trotzdem bereits mit Captain Scott gesprochen. Er hat mir versichert, dass er die Musgrave mit einer Einheit des Ingenieurkorps ins dokaalanische System schicken kann, sobald wir den Befehl dazu geben. Sie würden als eine Art Vorhut fungieren, bis ein vollständiges Team der Einheit für Terraforming bereit ist.«

Nechayev nickte. Das Ingenieurkorps stellte sicher nicht die beste Option für eine langfristige Operation dar, sofern die Dokaalaner ihre Meinung ändern und sich helfen lassen würden, allerdings würde Montgomery Scotts Abteilung aus versierten Spezialisten in jedem Fall in der Lage sein, bestmögliche Hilfe zu leisten, bis die Terraforming-Experten in den dokaalanischen Sektor geschickt werden konnten. Außerdem würde die Präsenz der Musgrave nicht zur zeigen, dass die Sternflotte schnell in der Lage wäre zu helfen, sondern auch die große Bandbreite ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse demonstrieren.

»Der schwierige Teil wird allerdings, die Dokaalaner davon zu überzeugen, unsere Hilfe doch noch anzunehmen«, sagte sie.

»Nach allem, was Picard in seinen Berichten schreibt«, antwortete Ross, »handelt es sich bei den Dokaalanern um ein stolzes und friedliches Volk.« Zuversichtlich fügte er hinzu: »Wenn ihnen jemand klarmachen kann, dass wir nur helfen wollen, dann er. Ich vertraue seinem Urteilsvermögen.«

Es war erfrischend, jemand anders etwas Derartiges sagen zu hören, stellte Nechayev fest. Das galt insbesondere, weil es Ross war. In der Zeit nach dem Zwischenfall mit den Ontailianern schien es fast so, als würde sich niemand in den heiligen Hallen der Sternenflotte trauen, seine Unterstützung für Captain Picard laut auszusprechen. Das war umso schlimmer, weil zumindest einige von ihnen die Wahrheit hinter dem Zwischenfall kannten und genau wussten, warum er die Schuld auf sich genommen hatte. Selbst Ross hatte zu denen gehört, die nach den Ereignissen geäußert hatten, dass vielleicht die Zeit für Picards Rücktritt gekommen sei. Später hatte er diese Aussage revidiert. Seine jetzige Haltung verdeutlichte nur, dass er sein Vertrauen in den Captain der Enterprise zurückgewonnen hatte.

Man musste dem Admiral zugutehalten, dass es zunächst gute Gründe für seine Sichtweise gegeben hatte. Zu Beginn der ganzen Angelegenheit hatte sogar Nechayev selbst zu denen gehört, die der Ansicht waren, dass sich die einzigartige Karriere Picards vielleicht langsam dem Ende zuneigte, zumindest was den aktiven Dienst als Captain eines Raumschiffs anging. Nachdem sie jedoch die Details erfahren hatte, hatte sie ihre Meinung geändert. Danach war sie sogar zur Verbündeten Picards geworden und schließlich sogar zu einer Art Beschützerin.

Ihr Verhältnis zu dem angesehenen Captain war zeitweise angespannt gewesen. Mit den Jahren hatte sie jedoch seine vielfältigen Talente, den großen Erfahrungsschatz und seine Weisheit zu schätzen gelernt. Bis zum heutigen Tag erinnerte sie sich lebhaft daran, wie Picard das Einschleusen eines invasiven Computerprogramms ins Borg-Kollektiv abgelehnt hatte, das sie potenziell auf einen Schlag von einem der gefürchtetsten Feinde der Föderation hätte befreien können. Für ihn wäre dieser Angriff einem Genozid gleichgekommen, bei dem Millionen, die ohne ihr eigenes Verschulden assimiliert worden waren, getötet worden wären. Für ihn war dieser Plan eine gewissenlose Tat, die er nicht unterstützen wollte.

Auch wenn Nechayev bis zum heutigen Tag der Meinung war, dass seine Entscheidung vom militärischen Standpunkt aus falsch gewesen war, respektierte sie seine Beweggründe. Für Picard waren die Gesetze und Prinzipien der Föderation mehr als nur schöne Worte. In seinem Leben und der Erfüllung seiner Pflicht hielt er sich streng an diese Ideale. Viele Male hatte ihn diese Vorgehensweise in problematische Situationen mit seinen Vorgesetzten gebracht. Dazu gehörte nun auch die Situation mit den Ontailianern und dem Dämonenschiff.

Natürlich hatten all diese Faktoren Picard nicht davor bewahrt, sich in der gewaltigen Maschinerie der intergalaktischen Politik zu verheddern. Das sprichwörtliche Pulverfass der politischen Situation mit den Ontailianern bot auch weiterhin so viel Zündstoff, dass ihr potenzieller Rückzug aus der Föderation wie ein Damoklesschwert über der Galaxis hing. Um zu verhindern, dass die Anführer der Ontailianer im Nachgang des peinlichen Zwischenfalls um das Dämonenschiff an Vertrauen bei ihren Leuten einbüßten und sie dadurch gezwungen wären, die Föderation zu verlassen, hatte Picard die volle Verantwortung für die Affäre übernommen. Diese Bereitschaft zeigte in Nechayevs Augen seine Loyalität zur Föderation und seine uneingeschränkte Kompetenz als Anführer.

Es tut mir leid, dass ich erst zu denen gehört habe, die an Ihnen gezweifelt haben, Captain, dachte sie und hoffte, dass die Umstände es eines Tages erlauben würden, sich persönlich bei ihm zu entschuldigen.

Einen Moment lang hörte sie dem rhythmischen Trommeln der Regentropfen an der Scheibe zu, bevor sie sagte: »Ich vertraue ihm ebenfalls. Allerdings frage ich mich, was seine Gegner aus den Berichten machen werden.« Nun hielt sie ebenfalls ihr Padd hoch. »Dass er solche Probleme mit dieser Rettungsmission hatte, dürfte für einige hochgezogene Augenbrauen sorgen. Siebenundzwanzig Tote, zwei davon aus seiner eigenen Mannschaft.« Zweifelnd fuhr sie fort: »Das muss ihm ziemlich zu schaffen machen, denke ich. Und obwohl ich weiß, dass es nicht seine Schuld war, könnte irgendjemand die Sache ausnutzen, um die Entscheidung, ihm das Kommando über die Enterprise zurückzugeben, erneut infrage zu stellen.«

Nun schüttelte Ross den Kopf. »Das wäre Erbsenzählerei. Er hat fast vierhundert Opfer dieser Katastrophe gerettet. Natürlich ist es tragisch, dass überhaupt jemand sterben musste. Allerdings lag das nicht an seinen Versäumnissen. Ich werde es mit Freude mit jedem aufnehmen, der etwas anderes erzählt.«

»Wenn es hart auf hart kommt, denke ich, werden Sie damit nicht allein sein«, antwortete Nechayev und musste darüber grinsen, welche Bilder das in ihrem Kopf erzeugte. »Und jetzt«, sagte sie, während sie sich erhob, »sollten wir uns vermutlich zu unseren morgendlichen Besprechungen begeben.«

Ross ließ den Kopf auf melodramatische Weise hängen und seufzte, als würde er sich geschlagen geben. »Na gut, wenn es wirklich sein muss.«

Nechayev nahm amüsiert ein weiteres Padd von ihrem Schreibtisch. Auf diesem befanden sich ihr Tagesplan und die Berichte, über die sie die anderen Offiziere bei der folgenden Besprechung informieren wollte. Erneut erinnerte sie ihr Magen an ihre Versäumnisse des Morgens.

Frühstück. Sie seufzte resigniert. Nun ist es zu spät. Hoffentlich handelte es sich dabei nicht um ein weiteres schlechtes Omen für den kommenden Tag.

Diese Hoffnungen wurden allerdings durch ihre Überlegungen befeuert, welche Aufregung der Bericht von Jean-Luc Picard bei all den Leuten hervorrufen würde, denen sie den ganzen Tag gegenübersitzen musste. Dabei dachte sie natürlich besonders an all jene, die ihre Zweifel an den Fähigkeiten und der Kompetenz des Captains der Enterprise geäußert hatten, weiterhin eins der geschichtsträchtigsten Raumschiffe in der Geschichte der Föderation und der Erde zu kommandieren.

Gute Arbeit, Picard. Verdammt gute Arbeit. Sein erster Bericht war verheißungsvoll. Die simple Mission war zu einer ermutigenden Erstkontakt-Situation geworden, bei der all die Qualitäten zutage traten, für die die Vereinigte Föderation der Planeten seit ihrer Gründung stand.

Alynna Nechayev wünschte, sie könnte bei Picard und auf der Enterprise sein. Als sie mit Ross in einen Turbolift trat, um den weiteren Morgen mit eintönigen, langweiligen Besprechungen zu verbringen, hielt sich eine Frage hartnäckig in ihrem Kopf.

Ich frage mich, wie es gerade da draußen läuft.

Will Rikers Magen rebellierte, als die Enterprise gerade einen weiteren großen Asteroiden umflog. Lieutenant Kell Perim lenkte das Schiff nach Backbord und ließ den Felsen vorbeischweben.

»Entschuldigung, Sir«, sagte sie, ohne sich umzudrehen. Ihre Finger bewegten sich mit der Anmut einer Konzertpianistin über die Kontrollen ihrer Konsole und ließen das Schiff so sanft wie möglich durch das Asteroidenfeld der Dokaalaner gleiten. »Das letzte Stück wird ein wenig holprig.«

Riker hätte über diese Aussage beinahe gelacht. Die Trill-Offizierin hatte ihre Arbeitsgeschwindigkeit aufrechterhalten, seit sie das zentrale Habitat der Dokaalaner mit Kurs auf Minenaußenposten 12 verlassen hatten. Riker fragte sich, wann sie wohl müde werden würde – und ob das überhaupt geschehen würde, bevor sie ihr Ziel erreichten. Zum dritten Mal innerhalb einer Stunde fühlte er sich verpflichtet, ja fast wie von einem Traktorstrahl angezogen, die Steuerkonsole persönlich zu übernehmen und das Schiff zu fliegen. Allerdings wusste er, dass er diesem Impuls nicht nachgeben durfte. Sein Platz war aktuell in der Mitte der Brücke. Er hatte das Kommando über die Mission und musste all jenen vertrauen, die um ihn herum ihren Job machten.

»Das sagen Sie mir jetzt?«, versuchte er es mit der ihm eigenen Heiterkeit. Das reichte, um Perim genug Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zu signalisieren, damit sie das Asteroidenfeld sicher passieren konnten. Jeder auf dem Schiff – besonders die mit einem so guten Überblick wie auf der Brücke – wusste, dass das Reisen durch diese scheinbar endlose Weite des Asteroidenfelds selbst bei dieser reduzierten Geschwindigkeit voller Gefahren steckte. Doch leider befand es sich zwischen ihnen und den Hunderten verletzter – und womöglich sterbender – Dokaalaner.

Die Gefahr erhöhte sich nur noch, während Perim das Schiff so schnell wie möglich vorantrieb. Sie konnten nichts anderes tun, als den Hilferuf der Minenkolonie mit der gebotenen Eile zu beantworten. Als er eingetroffen war, hatte sich Captain Picard beim Obersten Minister Hjatyn und den anderen Ratsmitgliedern aufgehalten. Während er, Dr. Crusher und Counselor Troi im Shuttle auf dem Weg waren, hatte er die Enterprise schnellstmöglich vorausgeschickt.

Nun hing das Leben von mehr als achthundert Leuten an Commander Rikers Fähigkeit, die Enterprise durch dieses dichte Feld aus Felsen zu bringen. Eine Information von Picard hatte die Situation nur noch komplizierter gemacht: Bei der Explosion auf dem Außenposten handelte es sich möglicherweise um einen Akt der Sabotage. Wollte irgendjemand, vielleicht eine Gruppierung der Dokaalaner, Angst und Schrecken in der Gemeinschaft verbreiten? Handelte es sich um Extremisten, die einer noch unbekannten Agenda folgten und in irgendeiner Art mit den Anführern in einen Austausch treten wollten? Wie weit würden sie für ihre Ziele gehen? War sogar die Enterprise in Gefahr?

Riker war sich sehr wohl bewusst, dass es sich bereits um ihre zweite Rettungsmission handelte, seit sie das System der Dokaalaner erreicht hatten. Beim ersten Mal war nicht alles glatt gelaufen. Dennoch hatte die Besatzung der Enterprise fast alle Minenarbeiter von ihrem beschädigten Außenposten retten können. Ein schaler Beigeschmack war dem Ersten Offizier angesichts jener, denen sie nicht hatten helfen können, jedoch geblieben. Auch die vielen Geretteten konnten dieses Gefühl nicht vollständig vertreiben.

Wir müssen diesmal einfach noch besser sein.

Sein dezimierter Kommandostab war bei all den Problemen natürlich nicht hilfreich. Dazu gehörte auch die Abwesenheit von Dr. Crusher bei der notwendigen und sicher chaotischen Triage, sobald sie den Außenposten erreichten. Geordi La Forge hielt sich ebenfalls nicht auf dem Schiff auf, weil er die Terraforming-Bemühungen der Dokaalaner untersuchte und sich daher auf Ijuuka befand. Data schließlich war von einem unerklärlichen Ausfall betroffen. Zwar arbeiteten die Ingenieure des Schiffs daran, den Grund für seinen Zustand zu ergründen, mussten diese Bemühungen nun aber hintanstellen, da den Systemen und Ressourcen der Enterprise erneut einiges abverlangt wurde.

Und zuletzt, auch wenn er das niemals öffentlich zugeben würde, vermisste Will Riker die beruhigende Präsenz von Deanna Troi. Sie war nicht nur sein persönlicher emotionaler Anker, ihre empathischen Fähigkeiten stellten auch einen unverzichtbaren Indikator für die psychische Verfassung der Besatzung dar. In Zeiten wie diesen waren ihre Einblicke von unschätzbarem Wert.

Also gut, ermahnte er sich selbst, da du all das momentan nicht hast, musst du wohl ohne klarkommen.

»Ich erkenne Fluktuationen in den Trägheitsdämpfern«, sagte Perim, ohne ihren Blick von der Konsole zu nehmen. »Irgendwie muss die Hintergrundstrahlung sie beeinträchtigen.«

Riker verfluchte das Asteroidenfeld und die vielfältigen Strahlungsarten nicht zum ersten Mal. Beides stellte seit ihrer Ankunft ein echtes Problem dar. Gleich mehrere Schiffssysteme – Transporter, Traktorstrahl, Sensoren und nun die Trägheitsdämpfer, um nur einige zu nennen – wurden von der potenziell tödlichen Strahlung in dieser Region gestört.

Commander La Forge und seinem Stab war es gelungen, die gefährlichen Strahlenarten mit den Deflektorschilden herauszufiltern. Dennoch stellte es auch für andere Systeme zunehmend ein Problem dar, dass man die Schilde die gesamte Zeit aufrechterhalten musste. Auch mussten sie ständig rekalibriert werden, um sich den verschiedenen Strahlungswerten anzupassen, während sich die Enterprise durch das Asteroidenfeld bewegte.

Nur ein weiterer Tag im dokaalanischen System, dachte Riker resigniert.

»Commander Riker«, sagte eine Stimme von der Maschinenkontrolle im hinteren Bereich. »Ich glaube, ich habe einen Weg gefunden, das Problem zu isolieren, Sir.«

Riker schwang seinen Kommandosessel herum und blickte in die großen Augen eines jungen Mannes mit gebräunter Haut und kurzen schwarzen Haaren. Die Knöpfe am Kragen der goldenen Uniform wiesen ihn als Lieutenant aus. Der Erste Offizier der Enterprise erkannte den jungen Ingenieur nicht sofort. Er war aber offensichtlich als Teil von Rikers eigenem Rotationsplan auf die Brücke geschickt worden. Sein Gesichtsausdruck sprach Bände. Er war ebenso eifrig wie auch nervös, was einerseits an ihrer ungewöhnlichen Situation lag, andererseits aber auch daran, dass er mit dem Brückendienst noch nicht vertraut war. Plötzlich musste er Hand in Hand mit Teilen der Führungsriege arbeiten.

Riker wurde klar, dass er den jungen Mann nur noch weiter verunsichern würde, wenn er sich nicht in den nächsten Nanosekunden an seinen Namen erinnern würde.

»Danke, Lieutenant … Pauls, richtig?« Der Ingenieur schien sich ein wenig zu entspannen, was Riker verriet, dass er zumindest schon mal den Namen richtig hinbekommen hatte. Er stellte sicher, dass er bei den nächsten Worten seinen besten Mentorentonfall anschlug, um den Lieutenant weiter zu beruhigen. »Was haben Sie gefunden?«

Pauls erhob sich von seinem Platz und näherte sich dem Kommandobereich. »Wir könnten die Schilde natürlich einfach auf eine andere Frequenz einstellen, Sir. Allerdings bringen wir die Schildgeneratoren bereits jetzt an ihre Grenzen. Sie jedes Mal nachzujustieren, wenn sie beeinträchtigt sind, ist nicht zielführend. Damit gehen wir das Risiko ein, dass sie irgendwann einfach zusammenbrechen, Sir.«

Commander La Forge und sein Stab aus dem Maschinenraum hatten herausgefunden, dass die Deflektorschilde, auf die korrekte Frequenz eingestellt, die Strahlung des Asteroidenfelds herausfiltern konnten. Das schützte nicht nur die Besatzung an Bord, sondern auch jene Systeme, die ebenfalls durch die Strahlung beeinträchtigt wurden. Nur dank dieser Strategie konnten Systeme wie die Replikatoren, die Kraftfeldgeneratoren oder sogar die Eindämmungsfelder der Krankenstation, im Maschinenraum oder in anderen sensiblen Bereichen überhaupt funktionieren. Allerdings hatte der Plan nicht dazu geführt, dass die Transporter des Schiffs oder die Traktorstrahlemitter eingesetzt werden konnten. Natürlich hatten sich die Ingenieure sofort an die Arbeit gemacht, um auch dieses Problem zu lösen. Laut ihrem letzten Bericht gab es zumindest Fortschritte bei den Traktorstrahlsystemen. Einzig die Transporter blieben weiterhin unbrauchbar.

»Da wir die Schilde brauchen«, sagte Riker, als er aufstand und in den erhöhten Bereich ging, »scheint unsere einzige Chance darin zu bestehen, einige der anderen Systeme, die wir schützen wollen, zu opfern. Verstehe ich Sie da richtig, Lieutenant?«

Das klang ganz einfach. Sollten die Schilde ausfallen, wäre die Hülle der Enterprise nicht nur der Strahlung des Asteroidenfelds, sondern auch den ganzen Felsen schutzlos ausgeliefert. Ein aus der Kollision mit einem Asteroiden resultierender Hüllenbruch war immer gefährlich, ohne Notfallkraftfelder und andere Notsysteme könnte jedoch bereits ein kleiner Riss in der Hülle katastrophale Folgen haben.

Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war Pauls all das ebenfalls bewusst. Er schien gegen einen Kloß im Hals anzukämpfen, als er antwortete: »So ist es, Sir. Solange wir versuchen, alles gleichzeitig zu schützen, ist es, als würden wir die Butter zu dünn aufs Brot schmieren … also, nun ja, bildlich gesprochen, Sir.«

Riker nickte, als er über den Bericht des Ingenieurs nachdachte. »Und Sie sagen mir, dass wir mit ein paar Veränderungen auswählen könnten, welchen Teil des Brots wir bestreichen wollen, ist das richtig?«

Der Lieutenant lächelte über Rikers Fortführung seiner Metapher. »Das ist absolut korrekt, Sir.«

»In Ordnung«, antwortete der Erste Offizier und klopfte dem jungen Mann auf die Schulter. »Bitte erstellen Sie eine Liste mit Vorschlägen, auf welche Systeme wir verzichten können. Ich brauche sie in etwa zwei Minuten.«

»Verstanden, Sir«, antwortete Pauls, ohne zu zögern. Sollte er von dem Befehl in irgendeiner Form eingeschüchtert sein, ließ er es sich nicht anmerken und machte sich wieder an die Arbeit.

Guter Mann, dachte Riker. Geordi hat seine Leute wirklich im Griff. Wenn der Chefingenieur im Moment schon nicht persönlich anwesend sein konnte, gab es dem Commander ein gutes Gefühl, dass er offenbar dafür gesorgt hatte, dass jeder in seinem Stab in der Lage war, sofort einzuspringen.

»Commander«, rief Lieutenant Christine Vale von der taktischen Station. »Die Sensoren dringen langsam durch die Strahlung und ich kann den Außenposten erfassen. Ich glaube, wir hätten sogar schon ein Bild.«

»Das wird auch Zeit«, sagte Riker und ging zu Vales Station an der Steuerbordseite der Brücke. »Lassen Sie sehen.« Als er die taktische Station erreichte, richtete er seine Aufmerksamkeit ein weiteres Mal auf den Sichtschirm, dessen Bild trotz der Bemühungen der technischen Abteilung immer noch von Störungen durchzogen war.

Zu sehen war nun ein riesiger Asteroid, bei dem Riker sogar aus dieser Entfernung die verschiedenen Färbungen der Oberfläche erkennen konnte. Graues Metall stand in Kontrast zu dunklen braunschwarzen Felsen. Die symmetrischen Linien und Kurven der künstlichen Konstruktionen hoben sich von den zerklüfteten, felsigen Konturen ab.

»Können Sie das Bild vergrößern?«, fragte er.

Vale schüttelte den Kopf. »Klarer geht es im Moment nicht. Es wird aber deutlicher, je näher wir rankommen. Wir sollten in etwa drei Minuten dort sein.«

Riker war unzufrieden mit ihrem Bericht, wusste aber, dass er nichts dagegen unternehmen konnte. Er ließ seinen Blick über die taktische Station wandern. Vale hatte diverse Monitore aktiviert, um ihren verschiedenen Pflichten nachzukommen. Die Sicherheitschefin der Enterprise war während des Trips durch das Asteroidenfeld dafür zuständig, die externen Sensoren im Blick zu behalten, sich um die Kommunikation mit dem in Not geratenen Außenposten zu kümmern und dafür zu sorgen, dass alle Bereiche des Schiffs bereit für die kommende Rettungsmission waren. Damit bewies Vale wieder einmal, dass sie mehrere Aufgaben parallel bewältigen konnte. Riker hatte in den zwei Jahren, die sie nun zur Besatzung des Schiffs gehörte, gelernt, ihre Vielseitigkeit zu bewundern. Darüber hinaus löste sie Probleme meist aus Eigeninitiative, ohne Befehle abzuwarten.

»Lebenszeichen?«, fragte er.

»Unklar, Sir«, antwortete die Sicherheitschefin. »Auch die Energiesignaturen sind schwach. Seit einer Stunde senden wir auf der zuletzt von ihnen verwendeten Frequenz, ohne eine Antwort zu erhalten.«

Plötzlich bebte der Boden unter Rikers Füßen und er griff instinktiv nach der Reling vor sich, als das Schiff nach Steuerbord schwenkte. Auf dem Sichtschirm schien der Asteroid nach links zu kippen, während Perim ein Ausweichmanöver flog.

»Die Trägheitsdämpfer sind definitiv beeinträchtigt«, sagte er, als das Deck erneut schwankte. »Lieutenant Pauls, ich brauche Ihre Empfehlungen.«

Pauls gab an der Maschinenkontrolle noch ein paar Befehle ein, bevor er sich zu Riker umdrehte. »Ich habe eine neue Schildkonfiguration vorbereitet, Sir. Diese sollte uns die bestmögliche Sicherheit vor der Strahlung bieten und dabei so wenige Systeme wie möglich in Mitleidenschaft ziehen. Wir verlieren die Replikatoren und die holografischen Systeme auf dem gesamten Schiff. Das könnte für die medizinische Abteilung wichtig sein, sofern sie das MHN nutzen.«

Riker ging zurück zu seinem Platz und nickte. »Da Dr. Crusher nicht auf dem Schiff ist, können Sie davon ausgehen, Lieutenant.« Bis zur Rückkehr der Chefärztin der Enterprise würden sich Dr. Tropp und der restliche Stab sicher auf die Fähigkeiten des MHN verlassen.

Er deutete auf den Monitor und sagte: »Versuchen Sie, die Krankenstation und die Triage-Bereiche zu schützen, falls das MHN den Ort wechseln muss. Ansonsten machen Sie es genauso, wie Sie es ausgearbeitet haben. Wir werden den Rest später anpassen.«

»Verstanden, Sir«, antwortete Pauls. »Das wird nicht lange dau…«

»Commander!«, schrie Vale plötzlich auf. »Ein metallisches Objekt befindet sich direkt vor uns. Es hat eine Größe von etwa fünfzig Metern. Keine Energiesignaturen oder Waffen.«

Riker lehnte sich in seinem Sessel vor. »Was zum Teufel ist es dann?«

»Wir können es jetzt sehen, Sir«, antwortete Vale und tippte Befehle in ihre Konsole ein. Nun war auf dem Hauptschirm ein graues Objekt zu erkennen, das auf sie zutrudelte. Es war rechteckig und zog abgerissene Metalltrümmer hinter sich her.

»Ein Teil des Außenpostens«, sagte Riker, während er aufstand und zu den vorderen Stationen ging. »Von der Explosion weggesprengt?«

Von der taktischen Konsole meldete sich Vale: »Sehr wahrscheinlich, Sir.« Ein Warnton lenkte sie ab. Sie beugte sich über ihre Anzeigen und sah kurz darauf wieder auf. Ihr Gesichtsausdruck spiegelte Entsetzen wider. »Ich empfange biologische Anzeigen aus dem Innern der Struktur, Sir. Keine Lebenszeichen.«

Stille breitete sich nach ihren Worten auf der Brücke aus. Alle Blicke richteten sich auf den Sichtschirm, während im Hintergrund nur die Systemgeräusche zu hören waren. Riker verfolgte den Kurs des Objekts mit den Augen. Es musste die Hölle für die Eingeschlossenen gewesen sein, in dieser einstmals sicheren Umgebung in den Tod zu fliegen. Waren sie aufgrund der explosiven Dekompression sofort in den Sekunden nach dem Zwischenfall gestorben oder hatten sie diese grässliche Erfahrung irgendwie überlebt und waren dann durch den zuneige gehenden Sauerstoff und die sinkenden Temperaturen umgekommen?

Allein der Gedanke an einen solchen Tod ließ Riker erschaudern. Wie viele weitere hatten ein ähnliches Schicksal erlitten?

Vale schien seine Gedanken zu lesen und berichtete: »Commander, ich entdeckte überall um uns herum vergleichbare Anzeigen. Es scheint sich um weitere Trümmerteile der Explosion zu handeln, Sir.« Sie schüttelte den Kopf. »Es muss eine ziemlich große gewesen sein«, fügte sie leiser hinzu und bestätigte damit Rikers Befürchtungen.

Ob überhaupt noch irgendjemand gerettet werden kann?

Er griff nach der Lehne seines Kommandosessels und hoffte, dass niemand bemerkte, wie blass er geworden war. Der Erste Offizier versuchte, alle Emotionen aus seiner Stimme zu verbannen, als er fragte: »Wann erreichen wir den Außenposten?«

»In weniger als einer Minute, Sir.« Mit ein paar schnellen Handgriffen veränderte Perim erneut die Anzeige vor ihnen. »Ich lege es auf den Schirm.«

Erneut war der Asteroid zu sehen, der vor Kurzem noch Minenaußenposten 12 beheimatet hatte. Jetzt, wo die Enterprise näher dran war, wurde das Bild deutlicher und Riker konnte die Schäden der Explosion erkennen. Ein klaffender schwarzer Schlund ersetzte den Großteil des ehemaligen Außenpostens. Er hatte seinen Ursprung im Zentrum und schien sich in alle Richtungen auszubreiten. Zerfetztes Metall, Steine und andere Materialien, die man nicht näher identifizieren konnte, breiteten sich als Trümmerwolke um den Asteroiden aus. Für Riker sah es aus, als hätte jemand im Rahmen einer Bombardierung aus dem All eine Rakete oder einen Quantentorpedo mitten ins Herz der Anlage geschossen.

»Wie furchtbar«, sagte Pauls hinter ihm. Seine Stimme war eher ein gequältes Flüstern, das Riker kaum verstand. »All diese Leute …«

»Ich empfange Lebenszeichen in einigen der äußeren Bereiche«, sagte Vale, die immer noch über ihren Anzeigen brütete. »Es sind weniger als einhundert, Sir. Ein massives strukturelles Versagen im gesamten Komplex steht kurz bevor. Der Hauptreaktor wurde zerstört. In einigen Bereichen laufen aber offenbar Notstromaggregate.« Einen Moment später ergänzte sie: »Es gibt eine große Ansammlung von Lebensformen in einem der größeren Module am Rand des Außenpostens. Vielleicht handelt es sich dabei um Wohnquartiere.«

Riker ging mit schnellen Schritten zur Flugkontrolle. »Perim, bringen Sie uns näher ran. Vale, starten Sie alle Rettungsshuttles und übermitteln Sie alle Koordinaten, bei denen Sie Lebenszeichen empfangen.« Es war immer der Plan gewesen, die Enterprise und die kleine Flotte an Shuttles einzusetzen. Das große Raumschiff sollte dabei wie bei der von Picard geleiteten ersten Rettungsmission so nah wie möglich an die Einrichtung herangebracht werden. Diese Taktik hatte fast jedem auf dem ersten Außenposten das Leben gerettet. Riker hoffte, dass sie erneut so viel Glück haben würden, vielleicht bräuchten sie sogar noch etwas mehr.

Als er die Befehle gab, spürte er Energiewellen durch seinen Körper rauschen. Es fühlte sich belebend an, dass sie vielleicht zumindest eine kleine Chance erhalten würden, noch etwas zu bewegen. Noch sind wir nicht geschlagen. Noch lange nicht.

»Mr. Pauls«, sagte er, während seine Aufmerksamkeit immer noch auf dem Sichtschirm lag. »Bereiten Sie ein Kraftfeld um die Andockvorrichtung vor. Aktivieren Sie es, sobald wir in Position sind. Es kann auch sein, dass wir den Traktorstrahl brauchen.« Auch wenn er dank des verdammten Strahlungsfelds keine volle Leistungsfähigkeit erreichte, funktionierte der Traktorstrahl nun zumindest.

Nimm, was du kriegen kannst, ermahnte er sich.

Es dauerte einen Moment, bis Riker erkannte, dass Pauls nicht auf den Befehl geantwortet hatte. Er drehte sich zu dessen Station um. »Lieutenant?«

Der junge Mann starrte auf den Sichtschirm. Riker bemerkte, dass er durch das Bild der Zerstörung wie versteinert war. »All diese Leute … Wir sind zu spät … Sie sind einfach …«

»Mr. Pauls!«, fauchte Riker. Seine Stimme hallte von allen Seiten der Brücke wider.

Das war genug, um den Ingenieur aufzurütteln. Er blinzelte mehrmals heftig, bis er seinen Blick endlich vom Hauptschirm abwenden konnte. »Sir?«

»Ich brauche ein Kraftfeld, um die Andockschleuse zu schützen, Lieutenant«, sagte Riker ruhig, aber bestimmt und fixierte den Blick des anderen Mannes. Fast hätte er ihn gefragt, ob er sich der Aufgabe gewachsen fühle. Er entschied aber abzuwarten, da die nächsten Sekunden diese Frage ohnehin beantworten würden.

Pauls nickte endlich. »Verstanden, Sir. Ich bin schon dabei«, erwiderte er und drehte sich zu seiner Station um.

Riker erlaubte sich einen kaum hörbaren Seufzer und ließ seinen Blick kurz über die Brücke schweifen. Er wollte herausfinden, ob sonst noch jemand seine Unterstützung brauchte. Dann ging er in den hinteren Bereich. Pauls schien von den Geschehnissen mitgenommen zu sein, arbeitete aber dennoch konzentriert, wenn auch blass, an seiner Konsole. Riker näherte sich und legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter.

»Lieutenant, ist alles in Ordnung?«

Pauls blieb auf seine Arbeit konzentriert und antwortete: »Ja, Sir. Was gerade geschehen ist, tut mir leid. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich war wie erstarrt.«

»Da sind Sie nicht der Erste«, sagte Riker. »Und ganz sicher sind Sie auch nicht der Letzte.« Es war sehr wahrscheinlich, dass der junge Ingenieur, der seit weniger als einem Jahr auf dem Schiff diente, noch nie in einer Situation gewesen war, in der Leben und Tod so nah beieinander lagen wie in diesem Moment. »Immerhin ist Ihnen bewusst, was los war. Nächstes Mal sind Sie besser vorbereitet.«

»Wird es denn einfacher, Sir?«, fragte Pauls.

Riker antwortete kopfschüttelnd: »Die Umstände nicht, nein. Aber man geht anders damit um. Das heißt nicht, dass man abstumpft. Es bedeutet nur, dass man lernt, diese Gefühle für einen angemessenen Zeitpunkt aufzusparen, zum Beispiel für die Zeit nach der Rettungsmission. Schaffen Sie das?«

Pauls richtete sich etwas auf seinem Sitz auf und sah Riker in die Augen. »Ja. Sir. Das schaffe ich.«