Starfire - Rebellion - Spencer Ellsworth - E-Book

Starfire - Rebellion E-Book

Spencer Ellsworth

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Beschreibung

Raumschiff-Navigatorin Jaqi und ihre Gefährten Araskar und Z sind auf der Flucht – vor dem Widerstand, vor dem Imperium, vor den Cyborgs und nun auch noch vor den Mataskas, einer eigenartigen insektenhaften Alien-Spezies. Dass der Widerstand ein gewaltiges Kopfgeld auf sie ausgesetzt hat, macht ihre Situation auch nicht gerade einfacher. Als Araskar mit den Mataskas einen Handel eingeht, scheint sich das Blatt sich endlich zu ihren Gunsten zu wenden, doch um ihren Teil der Vereinbarung einzulösen, müssen Jaqi und ihre Gefährten bis an den Rand des sicheren Territoriums vordringen – in die Dark Zone ...

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DASBUCH

Raumschiff-Navigatorin Jaqi und ihre Gefährten Araskar und Z sind auf der Flucht – vor dem Widerstand, vor dem Imperium, vor den Cyborgs und nun auch noch vor den Mataskas, einer eigenartigen insektenhaften Alien-Spezies. Dass der Widerstand ein gewaltiges Kopfgeld auf sie ausgesetzt hat, macht ihre Situation auch nicht gerade einfacher. Als Araskar mit den Mataskas einen Handel eingeht, scheint sich das Blatt sich endlich zu ihren Gunsten zu wenden, doch um ihren Teil der Vereinbarung einzulösen, müssen Jaqi und ihre Gefährten bis an den Rand des sicheren Territoriums vordringen – in die Dark Zone …

DERAUTOR

Spencer Ellsworth schreibt, seit er als Kind schreiben gelernt hat. Seine Kurzgeschichten wurden in Science-Fiction- und Fantasy-Magazinen und Online-Portalen veröffentlicht. Er lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Bellingham, Washington.

SPENCER ELLSWORTH

STARFIRE

Rebellion

Roman

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Titel der englischen Originalausgabe

STARFIRE: SHADOW SUN SEVEN

Deutsche Übersetzung von Martin Gilbert

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Deutsche Erstausgabe 02/2019

Redaktion: Elisabeth Bösl

Copyright © 2017 by Spencer Ellsworth

Copyright © 2019 der deutschsprachigen Ausgabe

und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Das Illustrat GbR, München,

unter Verwendung einer Illustration von Sparth

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN 978-3-641-23236-8V002

www.diezukunft.de

Für meine Schwestern. Entschuldigt bitte, dass ihr bei

allen Romanen, die ich bisher geschrieben habe,

vergeblich auf eine Fortsetzung warten musstet.

Hier habt ihr endlich euer »Buch Zwei«.

»Die Wunder des Ersten Imperiums faszinieren Historiker und Politiker gleichermaßen. Wir richten den Blick auf ein Zeitalter, in dem die Jorier die Fähigkeit besaßen, Leute, die beinahe schon ins Jenseits gewechselt waren, ins Leben zurückzuholen, ganze faszinierende Ökosphären zu erschaffen und Planeten in nur wenigen Wochen bewohnbar zu machen – und schütteln voller Unglauben den Kopf. Im Zweiten Imperium erzeugen diese Fähigkeiten ein Klima der Furcht und des Reaktionismus. Wir trauen diesen Wundern nicht, denn aus ihnen entstanden die Teufel.«

– Thusen Tratus, Erster Historiker des Ordens des Heiligen Thuzera, durch das Zweite Imperium des Hochverrats für schuldig befunden und hingerichtet im Jahr 2IY 946

ZWISCHENSPIEL

Sie strich sich den Rock glatt. Ihr war heiß. Zu heiß für diese Jahreszeit, denn der Winter brach über Irithessa herein. Kalter Nebel waberte durch die Hauptstadt und legte sich wie ein Leichentuch über das, was hier passiert war.

Jedoch hatte man in der Hauptstadt immer das Gefühl, hermetisch vom Universum abgeschirmt zu sein. Der innere Ring war weitgehend unbeschädigt, die Gebäude standen fast alle noch. Jeden Morgen strömten Leute in diese Gebäude und verließen sie am Abend wieder – obwohl die Sterne über ihnen Schauplatz blutiger Kriege waren.

Sie richtete den Blick wieder auf den Mann, der ihr gegenüberstand.

Der neue Herrscher der Galaxis war in Wirklichkeit noch imposanter als in den unzähligen holografischen Abbildungen. John Starfire hatte ein einzigartiges Gesicht, eine Seltenheit bei Hybriden. Er hatte buschige, grau melierte Augenbrauen und einen genauso grau melierten Bart. Zwar umrahmten Lachfältchen und Krähenfüße die Augen, aber sie vermochten das insgesamt harte Profil auch nicht weicher zu zeichnen.

Gesichter von Politikern wurden individuell designt, und er hatte offensichtlich das Glück gehabt, dass man ihn auch mit einem solchen Gesicht ausgestattet hatte. Trotzdem behauptete er steif und fest, ein Zufallsprodukt aus dem Zuchtbottich zu sein.

»Tut mir leid«, sagte er und sah an ihr vorbei aus dem Fenster. »Es fällt mir schwer, still zu sitzen.«

»Davon habe ich schon gehört. Es ist schon in Ordnung. Sie können auch stehen bleiben.«

Mit dem Gesicht hatte er Glück gehabt – jedoch hatte Glück keine Rolle dabei gespielt, dass er zum Liebling der Medien avanciert war: Das war durch eine phänomenale Siegesserie und einen Überraschungsangriff durch den Knoten von Irithessa geschehen. Es war ihm gelungen, die Knoten zur Dunklen Zone zu blockieren, die Imperiale Navy dort einzuschließen und somit zur stärksten Militärmacht in der Galaxis zu werden.

»Sagen Sie mir noch mal Ihren Namen.«

»Paxin. Paxin sher-Kohin. Nicht annähernd so prägnant und prominent wie John Starfire.«

Seine Hand zuckte, und er umklammerte den Schwertknauf so fest, dass die Knöchel sich weiß verfärbten. Dann lockerte er den Griff, nur um den Knauf gleich wieder zu umklammern. »Erzählen Sie mir doch etwas von dieser unabhängigen Agentur, zu der Sie gehören, Paxin.«

»Nun«, hob sie zu der sorgfältig geprobten Ansprache an, mit der sie sich hier Zutritt verschafft hatte, »jetzt, da alle imperialen Nachrichtenagenturen nach der, äh, Änderung nichts mehr berichten, haben wir einen neuen Zusammenschluss unabhängiger Medienagenturen gebildet. Wir sind auf der Suche nach dem Geist des … des neuen Imperiums?«

»Nicht das neue Imperium«, sagte John Starfire.

»Noch immer der Widerstand?«

»Wir sind uns da noch nicht ganz sicher«, antwortete er mit einem Anflug des Lächelns, mit dem er die Galaxis für sich eingenommen hatte.

»Ich verstehe. Sind Sie für Vorschläge offen?«

»Welche Vorschläge hätten Sie denn?«

»Das hängt von der Art von Regierung ab, die Sie bilden wollen. Ein parlamentarisches System? Falls ja, wie stark ist die zentralistische Ausprägung? Wird es ein föderaler Zusammenschluss, oder …«

»In dieser frühen Phase konzentrieren wir uns zunächst auf die Konsolidierung«, unterbrach er sie. »Viele Systeme fallen nämlich wieder in eine Form des von den Blaublütern eingeführten repräsentativen Wahlsystems zurück, und wir wollen ihnen klarmachen, dass solche Systeme auf den Müllhaufen der Geschichte gehören.«

Im Klartext heißt das: Wir werden eine militärische Besatzung aufrechterhalten, solange wir uns das leisten können. Dazu hatte sie noch eine Frage, die sie ihm allerdings nicht zu stellen wagte: Werden Sie neue Hybriden züchten, um Besatzungstruppen zu rekrutieren? Starfire hatte versprochen, die Zuchtanlagen stillzulegen. Hybriden sollten von nun an wieder allein durch die gute alte geschlechtliche Fortpflanzung entstehen.

Sie begnügte sich mit einer alternativen Frage: »An welche Staatsform genau denken Sie also?«

Er antwortete mit einer Gegenfrage: »Woher kommen Sie eigentlich?« Und schon wieder dieses Lächeln.

»Die Leute sind neugierig. Der Widerstand geht von System zu System, löst die Wahlkonvents der Blaublüter auf und richtet ein militärisches Besatzungsregime ein. Die imperialen Reisebeschränkungen sind immer noch in Kraft, obwohl das Imperium technisch nicht mehr existiert. Die Leute sind auf den Schwarzmarkt angewiesen, wenn sie Güter von anderen Welten erwerben wollen. All das … gibt Anlass zur Sorge.«

Gibt Anlass zur Sorge. Eine dieser Floskeln, die im Jargon der Journalisten eine euphemistische Chiffre für Rette sich, wer kann war.

Er ließ sie erst einmal reden und hörte nur zu. Er würde ihren Redefluss zu gegebener Zeit schon unterbrechen. »Und dann ist da noch der Frieden mit der Dunklen Zone. Möchten Sie mir ein paar Einzelheiten zu diesem Abkommen mitteilen? Ich meine, wie haben Sie überhaupt eine Vereinbarung mit … ihnen treffen können? Wie ist die Kommunikation zustande gekommen?«

»Es herrscht Frieden, und nur darauf kommt es an.«

Das Blut war ihm nun ganz aus der Hand gewichen, so fest umklammerte er das Schwert. »Woher kommen Sie?«

»Ah … ich bin eine Kerboghan.«

»Kerbogha. Interessante Welt.«

»Ja, ein paar Milliarden Menschen, und kein einziger Blaublüter unter uns …« Sie wurde sich bewusst, dass sie soeben ihre Identität preisgegeben hatte – vielleicht hatte er sie bisher für eine Hybridin gehalten.

Sie war nicht dumm. Sie wusste, was den Menschen zurzeit widerfuhr. »Die Blaublüter haben meine Leute schon vor Jahren als Bastardkinder verunglimpft. In ihren Augen sind wir nicht einmal richtige Menschen.«

»Und was glauben Sie?«, fragte er. »Glauben Sie, Ihre Leute seien menschlich?«

»Eigentlich wollte ich Sie interviewen«, sagte sie. »Sonst verschwende ich hier nur meine Zeit.«

»Was sind Sie?«

Seine Augen leuchteten im trüben Licht wie ein blauer Doppelstern. Sie warf einen Blick auf den Bildschirm an ihrem Handgelenk – die Notizen wanderten über das Display. »Viele Leute fragen sich, ob Sie eine bestimmte Glaubensrichtung bevorzugen. Immerhin erhalten Sie viel Unterstützung von biblischen Kongregationen.«

»Ich bin ein Jorischer Originist«, erwiderte John Starfire. »Sind Sie mit dieser Theorie vertraut?«

Sie kannte diese Idee. Sie besagte, dass es die Jorier gewesen seien, die diese Galaxis mit Leben erfüllt hatten. Diese Theorie hatte vielleicht sogar einen wahren Kern. Es gab viele Sauerstoff atmende, zweibeinige Spezies, um die sich Legenden rankten, wie sie sich bei der Gründung des Ersten Imperiums vermischt hätten, um sich besser in die mächtige Allianz aus Menschen und Joriern zu integrieren.

Das Problem war, dass John Starfire nicht nur an diesen wahren Kern glaubte. Er war ein Anhänger der fundamentalistischen Version, wonach die Jorier die Erschaffer allen Lebens waren.

»Was veranlasst Sie zu dieser Überzeugung?«

»Wenn Sie gesehen hätten, was ich gesehen habe … Wenn Sie gesehen hätten, dass wir in schier ausweglosen Situationen schließlich doch noch gewonnen haben, würden auch Sie die Überlegenheit der jorischen DNA anerkennen«, erklärte er. »Meine Truppen sind die wahren Jorier. Es genügt ein Blick in ihre Augen, um das zu erkennen.«

Es wurde Zeit, das Thema zu wechseln. »Wie ist das traute Beisammensein mit Ihrer Frau, jetzt, wo der Krieg vorbei ist?«

»Sie bekommt mich nicht oft zu Gesicht«, antwortete er. »Ich habe eine Tochter, die ungefähr in Ihrem Alter ist.«

»Ich wusste gar nicht, dass Sie Kinder haben.« Das hatten die Medien verschwiegen.

»Vier Töchter. Drei von ihnen leben noch.« Er lächelte nun nicht mehr.

»Das tut mir leid.«

»Meine Tochter Rashiya war die Einzige, die nach mir geraten ist. Die anderen sind brave Bürgerinnen. Rashiya hatte sich dem Widerstand angeschlossen. Sie hat gekämpft. Und sie ist gestorben. Erst vor ein paar Tagen.« Er drehte sich zum Fenster um und richtete den Blick auf den Dunst über der Hauptstadt.

»Das tut mir wirklich leid.«

»Und ich weiß auch, wer sie getötet hat. Genau das macht mir so zu schaffen.« Er drehte sich wieder zu ihr um. »Ich weiß alles. Wie bei einem Stück, das auf einer Bühne aufgeführt wird. Ich kann alles sehen.«

»Möchten Sie darüber sprechen …?«

»Ein Hybrid hat sie getötet. Ein Hybrid, der genug wusste, um zu glauben, und der doch nicht glaubte. Wie kann jemand, der so viel Grund zum Glauben hatte, so viel sehen und sich dann doch gegen den Glauben entscheiden?« Er schüttelte den Kopf. »Er hat Wunder geschaut. Er hat gesehen, wie wir die fast schon sichere Niederlage in einen totalen Sieg verwandelt haben. Und was nimmt dieser … dieser … Araskar davon mit?«

»Das ist sein Name? Ar …«

»Schreiben Sie das nicht auf!«

»Keine Sorge, äh, ich habe es nicht notiert.« Ihr Eingabestift zitterte. Sie hielt sich viel auf ihre Fähigkeit zugute, dem Blick von Humanoiden standhalten und selbst den schlimmsten Exemplaren Antworten entlocken zu können. Aber es fiel ihr immer schwerer, sich auf das Gespräch zu konzentrieren – ihr Blick wurde wie magisch angezogen von dieser narbigen Hand, die sich unablässig um den Schwertknauf öffnete und schloss. »Ich glaube, wir können das Interview an dieser Stelle beenden. Ich weiß nun alles, was ich wissen wollte.«

»Es war mutig von Ihnen, überhaupt hierherzukommen«, sagte John Starfire. »Ich bewundere das.« Er deutete auf die Tür.

Die Tür öffnete sich nicht. Nicht einmal, als sie direkt vor ihr stand und die Hand auf die Sensorfläche drückte.

»Leider«, fuhr John Starfire fort, »halte ich nicht viel von Interviews. Ich war vielmehr daran interessiert, Sie kennenzulernen und zu erfahren, welche Art von Mensch glaubt, dass wir eine unabhängige Presseagentur bräuchten. Ich bin nämlich nicht der Ansicht, dass wir eine brauchen. Zumindest jetzt noch nicht. Nicht auf absehbare Zeit. Wir brauchen eine feste Hand, und die Presse sollte uns darin unterstützen.«

»Sie … wir brauchen Informationsfreiheit. Auch für die staatlich geförderten Medien«, widersprach sie. »Das ist ein Prinzip der …« Sie wurde sich bewusst, dass sie beinahe die Charta des Imperiums zitiert hätte. Das Imperium, das er zu Fall gebracht hatte. Sie änderte ihre Taktik. »Die Leute haben Sie unterstützt, weil sie glaubten, Sie würden für eine gerechtere Galaxis kämpfen.«

»Die Leute haben den Jorischen Originismus nicht verstanden«, entgegnete er und ging um den Tisch herum. »In der öffentlichen Wahrnehmung glauben wir, dass Menschen und Jorier die einzigen Spezies seien, die sich unabhängig entwickelt hätten. Das stimmt aber nicht. Ich glaube nicht an eine menschliche Evolution. Ich glaube, sie sind nur eine Bastard-Spezies, ein Zufallsprodukt der Experimente der Jorier, als sie versuchten, schwächere und kleinere Versionen von sich selbst herzustellen. Ich finde Gefallen an dieser Theorie. Wir haben ein paar akademische Administratoren für das imperiale akademische System übernommen, die mit mir konform gehen.«

Sie schluckte die Worte hinunter. Bitte lass mich raus.

»Bald werden die Schulen wieder öffnen, und wir könnten zu diesem Anlass auch die Medien einladen. Sogar Sie, wenn dieses Interview die Zustimmung des Widerstandes findet. Das wäre doch eine viel schönere Geschichte. Etwas, das den Glauben der Leute beflügelt und nicht ihre Ängste schürt.«

Sie sah ihm direkt in die Augen und sagte: »Ich zeichne das alles hier gerade auf und übertrage es.«

»Und wer, glauben Sie, wird es wagen, das zu senden?«, fragte er.

»Alle«, antwortete sie nach kurzer Überlegung. Sie hatte trotzig klingen wollen, aber es reichte dann doch nur für eine Piepsstimme.

»Während die Schiffe der Garde in einer Umlaufbahn über ihren Planeten stehen? Wenn aus heiterem Himmel ein Planetenknacker auftaucht?« Er lachte. »Vielleicht schicken sie ja das nächste Mal jemanden mit mehr Biss.« Er trat direkt vor Paxin. »Oder vielleicht sind Sie doch stärker, als ich annehme. Vielleicht sind Sie nur noch nicht auf die Probe gestellt worden.«

Seine Hand öffnete und schloss sich um den Schwertknauf.

1

Jaqi

Mein Leben ist nie einfach gewesen – und es ist noch viel komplizierter geworden, seit ich losgezogen bin und ein Wunder gewirkt habe.

Betrachten wir zum Beispiel die jetzige Situation: Ich befinde mich am Fuß eines Knotenrelais-Turms. Er kontrolliert die Knotenrelais-Kommunikation für den gesamten Mond, und er ragt eine Meile hoch in den Himmel. Die kristalline jorische Struktur leuchtet wie ein Juwel inmitten dieses Wüsten-Schrottplatzes, der mit alten Raumschiffrahmen und sonstigen Bauteilen übersät und so groß ist, dass er als imperiales Flottendepot für gebrauchte Ersatzteile durchgehen könnte.

Es ist aber nicht unser Knotenrelais-Turm. Wir wollen ihn nur kurz übernehmen und für unsere Sache nutzen. Er gehört eigentlich den Matakas, dem übelsten Gesindel auf allen Drecksloch-Welten. Und wenn sie uns dabei erwischen, werden sie uns direkt aus der Luftschleuse werfen.

Gut, hier gibt es keine Luftschleusen. Wir sind auf einer Planetenoberfläche, wo Schwerkraft und Luft sozusagen zur Serienausstattung gehören. Also würden sie uns wohl erst ins All fliegen und dann rauswerfen. Ihr müsst mir verzeihen – ich bin eben ein Weltraummädchen.

Ja, ich, Jaqi, die dreckige Herumtreiberin aus dem All. Ich führe meinen persönlichen Kleinkrieg gegen John Starfire, der die Galaxis erobert hat. Und das nur, weil ich ein Wunder gewirkt habe.

Fragt mich aber nicht, wie ich das geschafft habe.

Im Moment beuge ich mich jedenfalls über eine Energiezelle und schmiere sie mit einem Antioxidans ein, um sicherzustellen, dass das Ding ordnungsgemäß mit dem Turm kommuniziert. Ich muss die Kontakte warten, bevor sie angeschlossen werden, weil in dieser aggressiven Atmosphäre alles ziemlich schnell korrodiert. Diese Energiezellen sind eigentlich für den Einsatz im Vakuum ausgelegt.

»Komm schon«, murmle ich. »Informieren wir den Rest der Galaxis, und danach gehen wir ins Lager zurück und futtern erst mal was Richtiges.« Ich hatte Tomaten, Mais und Bohnen zum Frühstück, und es war ein Gedicht. Trotzdem könnte ich schon wieder ein Mittagessen vertragen. Auf Raumflügen gibt es kein Mittagessen. Mittagessen ist eine altehrwürdige Tradition – ich könnte durchaus zweimal am Tag Mittag machen.

Ich wische mir die Hände an der Hose ab, und plötzlich steht das Mirakel vor mir – mit einer Handvoll Sand.

»Was soll ich damit?«

»Damit bekommst du die Schmiere von den Händen. Mein Volk verwendet gerne Sand als Reinigungsmittel.«

»Danke.« Ich schrubbe mit den rauen Sandkörnern die Haut. »Fühlt sich an wie Schmirgelpapier.« Ein Lappen wäre mir lieber gewesen. Im All recyceln wir diese Tücher und verweben sie neu, wenn die Fasern brüchig geworden sind. Aber auf einem Planeten kann man nicht alle Putzlumpen zurückverfolgen, die man weggeworfen hat. (Ich bin wirklich auf einem Planeten! Wo man Dinge verlieren kann! Hatte ich schon erwähnt, dass Nahrung einfach so aus dem verdammten Boden wächst?)

»Wir beide haben schon einmal über Sand gesprochen«, sagt das Mirakel.

»Ach ja?«

»Ja.« Warum ist er nur so nervös? Ich habe diesen Typen noch nie so nervös gesehen. Nur weil ich ein Wunder gewirkt habe? »Auf der Asteroidenbasis. Bills Basis. Wir haben die jeweiligen Vorzüge der Reinigung mit Wasser, Sensorfeldern und Sand erörtert.«

»Ich erinnere mich.«

Das Mirakel ist mein Freund Z, Kurzform für Zaragathora – nicht, dass ich vorhätte, mir diesen Zungenbrecher jedes Mal anzutun. Er ist ein Zarra, über zwei Meter groß und einer von diesen Typen, vor denen deine Mama dich immer gewarnt hat.

Z und ich haben uns an dem Tag zusammengetan, als die Galaxis »befreit« wurde. John Starfire, der größte Schwertkämpfer, Krieger und wahrscheinlich sogar Teetrinker der Galaxis, hat das Imperium gestürzt, eine neue Ordnung verkündet und zur Jagd auf die Menschen geblasen. Z und ich haben gemeinsam ein paar Menschenkinder beschützt, die ein großes Geheimnis hüteten, und dabei hat es uns hierher, ans Ende des Universums, verschlagen.

Und dann ist er gestorben.

Und ich habe ihn wieder zum Leben erweckt.

Keine Ahnung, wie ich das geschafft habe. Ich habe echt keinen blassen Schimmer.

»Was meinst du, woraus er besteht?« Z deutet nach oben, auf den Knotenrelais-Turm.

Ich folge seiner Blickrichtung bis zur Spitze des Turms. Im Gegensatz zu dem Schrott, der das Land im Umkreis von Meilen um uns herum bedeckt, ist dieser Turm ein Relikt jorischer Architektur: Er scheint aus gezogenem Kristall zu bestehen und ist ein leuchtendes, funkelndes Kaleidoskop unzähliger Farben. Wie ein Gespinst aus vielfach gestaffelten Netzen, das in den Himmel ragt.

»Das weiß niemand. Irgendetwas Jorisches, ein Überbleibsel aus der Vergangenheit.«

»Wunderschön. Es rührt ans Herz, als ob das Sternenfeuer selbst daraus entspringt. Tausend Jahre hat die Galaxis im Schatten gelegen, und doch ist dieses geheimnisvolle Licht nie erloschen.«

Das ist schon ein merkwürdiges Gespräch, das wir beide hier führen, wenn man bedenkt, dass der Wortschatz dieses Kerls früher nur aus zwei Worten bestand: »Blut« und »Ehre«. »Geht es dir gut, Z?«

Das tragbare Funkgerät knistert, und Taltus’ zischende Stimme ertönt. »Ich habe den Monitor für das manuelle Relais erreicht, sss. Habt ihr die Zelle angeschlossen?«

»Ja, haben wir.«

Taltus, der Sprecher an der Gegenstelle, sitzt oben auf dem Turm und ist ein Sska, eine eidechsenartige Kreatur. Aber noch wichtiger, er ist ein Thuzerer, ein Angehöriger des militärischen Mönchsordens, der sich mit Masken vermummt und geschworen hat, die Unschuldigen zu beschützen. Er ist der Anführer einer Gruppe Vagabunden, die in der Wüste leben und allen möglichen Aktivitäten nachgehen – vom Sammeln von Samen über das Zureiten von Pferden bis hin zur Veranstaltung von Gottesdiensten. Und nun soll ich mit seinem geistlichen Vorstand sprechen. »Läuft alles glatt, sss? Wir brauchen eine zuverlässige Verbindung zum Ältestenrat.«

»Aiya, läuft wie geschmiert. Bist du sicher, dass deine Leute dich auch hören werden?«

»Ich habe den großen Blut-Eid gesprochen, den stärksten Schwur auf Gott. Den müssen sie einfach hören. Denn du, Sohn der Sterne, rufst sie.«

»Äh …« Was soll ein Mädchen darauf antworten? »Jau.«

Das Aggregat summt – es bekommt Saft von den Solarzellen. Im Raum kann man die Hintergrundstrahlung anzapfen, wenn man einen dichten Materiegürtel durchquert, oder einfach Unthunium verbrennen. Aber auf einem Planeten hat man diese Möglichkeit natürlich nicht. Dann muss man eben Sonnenlicht einfangen.

Ich blicke den Horizont entlang. Es droht keine Gefahr von jenseits dieses Schrottplatzes. Zumindest noch nicht. Die Leute, die ausgeschwärmt sind, um die Ablenkungsmanöver durchzuführen, waren wohl erfolgreich.

Ich gehe los, um nach den Kindern zu sehen, derentwegen ich überhaupt erst in diesen ganzen Schlamassel geraten bin. Sie hocken neben der Energiezelle und betrachten den Horizont – zumindest Toq, der kleine Junge. Das Mädchen, Kalia, hat nur Augen für den älteren Jungen neben ihr.

Erdo ist eines der Kinder, die in der Wüste herumstreunen und mit denen wir seit ein paar Wochen das Brot brechen. Er ist ein klassischer Vagabund – ein gewiefter Dieb, ernährt sich von Proteinpäckchen und ist hier aufgeschlagen, nachdem er einen Job vermasselt hat. Er ist ein Jahr älter als Kalia und hoch aufgeschossen, hat ein loses Mundwerk und einen Wuschelkopf. Kalia ist so heiß auf ihn wie fünf Sonnen.

»Sie sagte, das sei keinen Scheiß im Raum wert«, kicherte Kalia.

»Aiya, das stimmt, vertrau mir«, sagt der Junge. »Als ich im Weltraum arbeitete, hatten wir Energiezellen, die dreimal so groß waren wie die hier.« Er grinst, schüttelt den Kopf und lässt die Haare fliegen, als ob er mit dieser Energiezelle angeben wollte – vor einem Blaublut wie Kalia! »Du hättest mal das Ding sehen sollen, das ich so einem Kerl in der Nähe von Routalais geklaut habe. Damit hätte man eine ganze Ökosphäre mit Energie versorgen können.«

»Wow«, macht Kalia.

Dann fällt sein Blick auf mich, und er und Kalia sehen mich merkwürdig an – Kalia, weil sie ein Mädchen ist, das allzu offensichtlich in einen Jungen verknallt ist, und Erdo … nun, dieser kleine Weltraumvagabund springt auf und verneigt sich.

Dieses ewige Verbeugen! »Lass das bleiben«, fahre ich ihn an.

Er hört nicht auf mich, sondern richtet sich so formvollendet aus der Verbeugung auf wie ein Butler in einer Holo-Serie. »Eine Botschaft für die Wächter, heilige Jaqi?«

»Erdo, hör auf damit!« Ich habe es ihm schon so oft erklärt. »Taltus hat es dir auch schon gesagt. Ich bin keine Heilige. Das ist eine ganz andere Baustelle.«

»Genau«, stimmt mir Kalia vorlaut zu. »Heilige müssen drei bezeugte Wunder wirken. Jaqi hat aber erst eins geschafft.«

Damit ist sie mir auch keine Hilfe. »Ich habe überhaupt nichts gewirkt. Du sollst endlich mit diesen Verbeugungen aufhören.«

Erdo nickt heftig mit wehender Mähne. »Ich werde es den Wachen sagen, heilige … Ma’am.«

»Ma’am?« Ich kann nicht mehr an mich halten und lache den armen Jungen aus. »Ma’am! Das ist ja noch schlimmer!«

Erdo will wieder etwas sagen, aber er stottert nur herum und scheint es sich dann anders zu überlegen. Er geht, um mit den Wächtern zu reden.

Ein verrücktes Völkchen.

In der ersten Woche oder so war noch alles in Ordnung. Die freundlichsten Wanderer, die man sich nur vorstellen konnte, und alle mit einer ähnlichen Geschichte – sie sind vor Problemen woanders in der Galaxie geflohen, und diejenigen, die von unserem Problem gehört hatten, waren trotzdem nett zu uns. Wir haben auch nur darüber gesprochen, wenn wir danach gefragt wurden, und insofern war alles paletti für mich. Doch dann sprach sich herum, was ich mit Z gemacht hatte, und eines Tages fingen sie an, sich vor mir zu verneigen und mich als Heilige zu verehren.

»Mein lieber Scholli, Jaqi«, stöhnt Kalia, als ihr Freund außer Hörweite ist. »Du kannst doch nicht andere Leute so in ihrem Glauben beleidigen!«

»Wann habe ich denn jemanden in seinem Glauben beleidigt? Und wer ist dieser Scholli?«

»Die Leute glauben an dich«, erklärt sie, als ob das eine feststehende Tatsache wäre. »Seit du Z wieder zum Leben erweckt hast, bist du jemand, zu dem die Leute aufschauen. Und das wird sich auch noch verstärken, je länger wir gegen John Starfire kämpfen.«

»Vielleicht sollen die Leute ihren Glauben besser in etwas Verlässlicheres setzen.«

»Was könnte denn verlässlicher sein als ein Wunder, das wir mit unseren eigenen Augen gesehen haben?« Sie dreht sich zu ihrem Bruder um. »Stimmt’s, Toq?«

»Erdo soll mich wieder auf einem Pferd mitnehmen«, antwortet Toq. Im Gegensatz zu seiner Schwester ist Toq noch zu jung, um viel Aufhebens um diese Wundergeschichte zu machen.

»Toq, was meinst du, es ist doch nicht verrückt, zu glauben, dass Jaqi Wunder wirken kann, oder? Wir haben doch gesehen, wie sie Z wieder zum Leben erweckt hat.«

»Klar«, sagt Toq. »Du wirst John Starfire killen!«, fügt er dann noch mit der unbändigen Energie eines Kindes hinzu.

»Lasst uns über etwas anderes sprechen.«

»Nur weil du nicht weißt, wie du es gemacht hast«, meint Kalia altklug, »ist das noch lange kein Grund, es nicht herausfinden zu wollen …«

Ich werde durch das erneute Knistern des Funkgeräts gerettet. »Energieverlust«, meldet Taltus. »Überprüft bitte den Relais-Ausrichter. Wo ist Araskar? Ich muss ihn sprechen.«

Ich gehe zu der Stelle am Turm, wo wir unsere autonome Energiezelle eingefügt haben. Ein paar Kabel führen zu einem Relais-Ausrichter. Araskar hat sich darübergebeugt.

Araskar.

Meine Leute sind schon ein illustrer Haufen. Zwei kleine Blaublüter und ein Zarra-Arenakämpfer. Und dann noch ein paar religiöse Typen.

Aber Araskar schlägt sie alle um Längen.

Bevor wir auf dem Planeten landeten, wollte er uns töten. Er war Teil der Garde, die uns durch die halbe Galaxis gejagt, Mordanschläge auf die Kinder verübt und Bills Basis, mein Zuhause, zerstört hat. Dann hat er sich im letzten Moment dafür entschieden, die Seiten zu wechseln und seine Freundin getötet, als die gerade Kalia umbringen wollte.

Versteht sich von selbst, dass ich ihm nicht weiter als bis zur Spitze eines Seelenschwerts traue.

Trotzdem … er spielt schon in einer eigenen Liga.

Er trägt nur Shorts, und seine vernarbte braune Haut wirkt noch dunkler als sonst. Und wie er so über die Energiezelle gebeugt ist, sehe ich (und mir gehen dabei fast die Augen über), wie diese durch jahrelanges Training und militärischen Einsatz gestählten Muskeln unter der vernarbten Haut arbeiten.

Ich muss wieder daran denken, dass wir beide Hybriden sind, und ich hätte rein gar nichts dagegen, wenn er mich mal ordentlich durchnehmen würde. Das wäre bestimmt ein höllisch guter Ritt.

Seht ihr, das sind nun wirklich nicht die Gedanken einer Heiligen!

»Willst du etwas von mir?«, fragt er.

»Taltus will dich sprechen.« Ich gebe ihm das Funkgerät. Araskar und Taltus reden eine Weile miteinander, wobei Araskar verschiedene Einstellungen am Ausrichter vornimmt. »Das müsste genügen«, sagt Araskar ins Funkgerät. »Versuch es noch mal.«

»Ich habe Empfang«, meldet Taltus. Seine Stimme wird durch die Maske gedämpft, die alle Angehörigen seines Ordens tragen. Wir warten derweil. Ich versuche, Araskar nicht merken zu lassen, dass ich ihn mustere: Mit einem Auge verfolge ich seine technischen Bemühungen, mit dem anderen bewundere ich seine athletische Brust.

»Schon eine Antwort von deinen Leuten?«, fragt Araskar ins Funkgerät.

»Das dauert seine Zeit, sss«, ertönt Taltus’ knisternde Stimme im Lautsprecher. »Ich habe mit einem untergeordneten Adepten gesprochen.«

»Was hast du eigentlich angestellt, dass du aus diesem Orden verbannt wurdest?«, frage ich.

»Wir hatten eine Meinungsverschiedenheit bezüglich einer religiösen Doktrin, sss.« Taltus bricht die Verbindung ab. Das tut er immer, wenn ich darauf zu sprechen komme.

Ich wende mich wieder Araskar zu. »Noch immer alles ruhig«, sage ich, weil mir sonst nichts anderes einfällt.

Er legt die Hand auf das Schwert an seiner Seite. Vielleicht eine unbewusste Geste. »Ich bin fertig.«

»Was willst du überhaupt mit diesem Ding?« Ich deute auf das Schwert. »Die Kurguls sind keine Schwertkämpfer. Sie würden dich einfach mit Scherben spicken.« Ich weiß, was dieser Kerl jetzt denkt. »Willst du immer noch sterben? Du hast doch versprochen, das nicht zu tun. Du solltest lieber lernen, Gitarre zu spielen.«

»Ich habe gar nichts versprochen«, entgegnet er so mürrisch wie immer, »aber ich bin auch nicht lebensmüde. Obwohl unser Leben keinen Pfifferling mehr wert ist, wenn die Thuzerer uns nicht helfen.«

»Du sprühst nur so vor Optimismus.«

»Ich bin nur realistisch.« Er sieht mich schief an, schirmt die Augen mit einer Hand ab und richtet den Blick dann auf den Horizont. Ich sehe dort keinen Staub, aber ich bin auch noch nie in der offenen Weite eines Planeten gewesen. »Es gibt nur ein paar bedeutende militärische Mächte in der Galaxis, und der militärische Mönchsorden ist die einzige Instanz, die sich nie dem Widerstand oder dem Imperium angeschlossen hat.«

»Sei doch nicht immer so negativ! Wir konnten immerhin schon ein paar Leute für unsere Organisation rekrutieren. Wie nennst du sie gleich noch mal?«

»Gegen-Résistance.«

»Ein schrecklicher Name.«

»Du kannst dir gern einen schöneren ausdenken.« Er dreht sich geflissentlich wieder zum Ausrichter um, als ob der noch seiner Aufmerksamkeit bedurft hätte. »Es spielt sowieso alles keine Rolle mehr, wenn wir nicht herausfinden, was John Starfire über die Dunkle Zone weiß. Weshalb er hinter diesem Krypto-Speicher her war, den die Kinder hatten.«

Er spricht von der Karte, die wir gesehen haben, bevor wir auf diesem Mond gelandet sind. Es war eine verdammt große Sternenkarte, und all diese Sterne sind von der Dunklen Zone verschluckt worden. Ich erinnere mich nicht gern an die Dunkle Zone. Ich denke nur ungern an die Kälte zurück, an dieses unheimliche Zwielicht und an dieses Gesicht von der Größe eines Planeten – ein Gesicht, das ganze Sonnen verschlucken konnte. Ich bin zufällig da hineingeraten und kann gern auf ein weiteres Erlebnis dieser Art verzichten. »Du, äh, weißt du etwas über diese Teufel?«

»Nicht mehr als du. Vor tausend Jahren haben die Shir …«

»Aiya, Mann! Nenn den Teufel nicht beim Namen!«

Er lacht freudlos. Ich habe doch gleich gesagt, dass dieser Typ verrückt ist. »Also, vor tausend Jahren sind sie aufgetaucht, zur selben Zeit, als die Jorier verschwanden. Sie haben tausend Sternsysteme zerstört und Sonnen verschluckt, um ihre inneren Öfen zu befeuern. Und dann wurde die Imperiale Navy gebildet, um sie aufzuhalten, mit den ersten erfolgreichen Hybridsoldaten. Aber das ist nur Propaganda, die ich in meinem Infodump habe. Zusammen mit anderen Werken wie Das Imperium braucht Helden wie Dich und Die Schlacht – der Daseinszweck hybriden Lebens sowie Das Geheimnis der Empfindungsfähigkeit: eine Anleitung für nicht empfindungsfähige Spezies.« Er lacht, aber es ist kein fröhliches Lachen. Ich glaube auch nicht, dass er überhaupt zu einem fröhlichen Lachen fähig ist. »Ich weiß nichts über die wahre Geschichte dieser Zeit. Die paar Informationen, die es dazu gibt, sind in Krypto-Speichern, oder …« Er hält inne.

»Oder was?«

»Oder an einem Ort, wo niemand sie finden kann.«

Das ist wieder mal typisch für ihn. Wenn er mich nicht so verrückt machen würde mit seiner pessimistischen Einstellung, würde ich mir fast Sorgen machen, dass er sich in sein eigenes Schwert stürzt. »Sieh doch nicht immer alles so schwarz. Denk lieber an deine Gitarre. Oder an ein leckeres Mittagessen. Und denk nicht immer so viel über die Toten nach, aiya?«

Ich versuche, freundlich zu klingen. Aber bei seinem grimmigen Blick und den zu Schlitzen verengten Augen will mir das nicht gelingen. »Was weißt du schon?« Er dreht sich wieder zu mir um und sieht mich mit diesen kalten, von Narben umkränzten Augen an. Und ich werde mir wieder bewusst, dass dieser Typ ein Killer ist – ein noch üblerer, als selbst Z einer war. »Du begreifst nicht einmal, wer du überhaupt bist oder was du da getan hast. Wegen dir habe ich die Frau getötet, die ich liebte. Ich …« Er verstummt.

»Endlich gehst du mal aus dir raus. Aber sprich nur weiter! Was wolltest du noch sagen? Dass ich eigentlich wissen sollte, wie ich ein verdammtes Wunder zustande gebracht habe? Das wüsste ich selbst nur zu gern!«

Er richtet den Blick wieder zum Horizont und antwortet nicht.

»Du bist doch auf diese Idee gekommen! Du willst gehört haben, dass ich irgendeine Musik ausstrahle!«

»Ja«, sagt er, wobei er kaum die Lippen bewegt.

»Magische Musik, ätherische Klänge, die mich zu etwas Besonderem machen.«

»Ja. Ich höre sie die ganze Zeit. Ich höre sie auch jetzt. Ich habe aber keine Erklärung dafür.«

»Damals hast du mich einfach nur angesehen, und du hast Z tot daliegen sehen. Und dann hast du dir gesagt, au ja, ich sollte sie dazu bringen, diesen Kerl mit der Musik wieder zum Leben zu erwecken. Waren das deine Gedanken? Nur aufgrund eines einzigen Blickes?«

»Nein, ich wusste, dass du etwas Besonderes bist. Schon seit Langem.«

»Was denn? Wann denn? Wir sind uns vorher doch noch nie begegnet!«

»Auf der Asteroidenbasis. Ich war in einer der Motten, die euch angegriffen haben. Ich konnte die Musik damals schon hören.«

Die Basis.

Bills Basis.

Mein Zuhause.

Das Zuhause, das von der Garde überfallen wurde. Und obwohl ich viele von ihnen abgeschossen hatte, sind immer noch genug durchgekommen und haben Bill ermordet, der wie ein Vater für mich war, nachdem meine Eltern gestorben waren. Sie hätten beinahe auch die Kinder getötet, und sie haben Z vergiftet. »Du wusstest also schon in Bills Basis, dass ich etwas Besonderes bin?«

Seine Narben verzerren sich, als sein Gesicht einen verwirrten Ausdruck annimmt. »Was ist Bills Basis?«

»Der Asteroid.« Nun bin ich an der Reihe, kalt zu klingen. »Du wusstest also, dass ich etwas Besonderes war, und doch hast du versucht, mich zu töten, und hast zugelassen, dass deine Leute meine Leute getötet haben?«

»So war das nicht. Ich …«

»Du wusstest damals also noch nicht, was Sache ist.«

Er antwortet nicht sofort. »Nein. Noch nicht.«

»Du hast mich also nur für etwas Besonderes gehalten, aber nicht gewusst, dass der Widerstand die Kinder töten wollte.«

»Es war kompliziert.«

»Natürlich war es das.« Ich bin so zornig, dass ich tausend Dinge gleichzeitig sagen möchte, und zugleich verschlägt es mir förmlich die Sprache. »Natürlich war es das. Ich meine, wenn man im Weltraum ein paar Kinder umbringen will, arrangiert man einfach einen tragischen Unfall mit einer Luftschleuse. Wie viele imperiale Jahre hast du nun schon hinter dir? Eins? Oder kommst du gerade frisch aus dem Tank?«

»Ich bin vor fünf Jahren aus dem Tank gekommen«, antwortet er.

»Dann hast du in diesen fünf Jahren ja viel Weisheit erlangt. So viele Komplikationen.«

Er starrt mich für eine Weile an, und seine Hand schwebt zuckend über dem kleineren der beiden Schwerter, die er mitführt. Als ob er es jeden Moment ziehen und einen Kampf anfangen wollte. »Ich habe mich geirrt. Der Widerstand hat sich geirrt.«

»Durch diese ›Irrtümer‹ werden all die Toten aber auch nicht wieder lebendig, Mann …«

Eine Scherbe fliegt rechts an uns vorbei und explodiert am Maschinenmantel eines abgewrackten Schiffs. Unzählige weißglühende Fragmente wirbeln durch die Luft.

»Matakas!«

»Scheiße!«

»Ich dachte, wir hätten eine Ablenkungsgruppe rausgeschickt!« Eine Gruppe von Wüstenläufern sollte das keine fünf Meilen entfernte Lagerhaus der Matakas angreifen, damit wir ungestört hier arbeiten konnten.

»Sie sind nicht darauf reingefallen«, sagt Araskar. »Oder aber sie haben genügend Drohnen, um mit beiden Bedrohungen gleichzeitig fertigzuwerden.«

Ich lasse mich fallen und robbe mit der Waffe in einer Hand auf den Ellbogen durch den Sand. Meine große Sorge gilt der Energiezelle – wenn sie getroffen wird, verlieren wir die Kommunikation. Außerdem würden bei einer Explosion der Akkus auch Giftstoffe freigesetzt werden. In meiner Waffe summen die Scherben. Es ist noch immer dasselbe schöne Zarronen-Modell, das ich bei mir habe, seit ich den Kindern begegnet bin. »Wo stecken sie?«

Araskar zieht das Schwert und verlässt die Deckung. Ich hatte schon befürchtet, er würde in einer Scherbenwolke verschwinden, aber er ist schneller als die roten Funken, die zwischen den Schrottteilen tanzen.

»Kinder!« Ich renne zu der Stelle, wo ich Kalia und Toq zurückgelassen habe. Vorhin waren sie noch auf der anderen Seite der Energiezelle am Fuß des Turms, aber jetzt sind sie nicht mehr dort.

Plötzlich wird auch noch der Funkturm aktiv. Der ganze Knotenrelais-Turm verfärbt sich hellblau – Schlieren und Muster wabern über seine gesamte Länge. Das blaue Licht überstrahlt sogar das Sonnenlicht und verleiht mir und dem ganzen, von Scherben durchzuckten Schrottplatz einen gespenstischen Anstrich.

»Jaqi, sss.« Taltus’ zischende Stimme ertönt im Lautsprecher. »Ich habe die Ältesten meines Ordens erreicht. Sie möchten mit dir sprechen, um sich zu vergewissern, dass du wahrhaft diejenige bist, die uns prophezeit wurde …«

Weiterer Schrott explodiert auf der anderen Seite des Turms. »Hier ist gerade der Teufel los!«

»Ist das das Mädchen?« Eine tiefe Stimme dringt aus dem Lautsprecher. »Hier spricht Vater Abodus, Leiter des Rats des heiligen Thuzera …«

Ich kann die Kinder immer noch nicht sehen. Geduckt renne ich an der Seite der Energiezelle durch den Schmutz. Kalia und Toq sind wahrscheinlich zum Schrottplatz geflohen. Das wäre aber das Schlechteste, was sie in dieser Situation hätten tun können. Damit würden sie ein gutes Ziel abgeben und sich den Schrapnellen aussetzen. Ich renne von einem Schrottteil zum nächsten, vom ausgebrannten Triebwerk eines Keil Spinner X5 zum noch halbwegs passablen Rahmen eines Z-Nova J-26.

Und dann ertönt wieder diese tiefe Stimme im Lautsprecher. »Wie gedenkst du, die Shir zu vernichten?«

»Was?« Das fragen sie mich ausgerechnet jetzt?

»Sag uns, wie du gedenkst, die Shir zu vernichten! Der Sohn der Sterne muss den Teufel bezwingen und die verdunkelten Sterne in neuem Licht erstrahlen lassen …«

Ich höre ein paar Explosionen in der Ferne. »Die Weltraum-Superheldin hat keine Ahnung. Und ihr sollt den Teufel doch nicht beim Namen nennen!«, murmle ich. Aber sie müssen es wohl verstanden haben, denn sie sagen noch etwas, das ich in der Hektik des Augenblicks aber nicht mitbekomme.

»Jaqi, sss!« Das ist wieder Taltus. »Bitte, sprich mit meinen Ältesten«, sagt er. Zum Glück redet er in normaler Lautstärke. »Ich kann die überlichtschnelle Verbindung nicht mehr lange aufrechterhalten. Bitte, sss, sage ihnen irgendetwas!«

Ich gehe hinter einem Maschinenteil in Deckung. Ich hasse alles in der Galaxis – vor allem diese Prophezeiungen, diese Bibel und am allermeisten die Verbeugungen. »Ich weiß nicht, wie ich die Teufel stoppen soll«, schreie ich ins Funkgerät, »aber ich glaube, der erste Schritt wäre der, John Starfire aufzuhalten, ai? Er ist schließlich der Einzige, der bisher mit ihnen gesprochen und überlebt hat!«

Das Knotenrelais knistert, und dann höre ich wieder diese tiefe Stimme. »Wie hast du dieses Wunder vollbracht?«

Eine weitere Explosion, diesmal in unmittelbarer Nähe. Ich werde mit Kleinteilen überschüttet. Ich wische mir den Sand aus den Augen. »Äh, es gibt da so eine Art Musik, und ich glaube, sie ist wie das Sternenfeuer. Ich habe die Musik mit einem Schwert in einen Kerl gestochen, und dann ist er wieder zum Leben erwacht.«

»Musik.«

»Aiya. Ich meine, ja.« Komm schon, bemühe dich um eine vernünftige Ausdrucksweise, Jaqi, und rede nicht in so einem Assi-Jargon!

»Du hast ein Schwert verwendet, um …«

»Gib mir das.«

Eine Mataka-Drohne steht keine drei Schritte entfernt vor mir.

Sie sieht mich mit ihren schwarzen Knopfaugen an und schlägt geräuschvoll mit den im Panzer verstauten Stummelflügeln. Das ist ein Ausdruck von Nervosität. Zitternde Tentakel baumeln vor dem Gesicht. Und die Drohne hat eine Waffe – so einen schrottigen Keil-Nachbau – auf meinen Kopf gerichtet.

»Gib mir das Funkgerät.«

Ich setze mein bestes listiges Lächeln auf. »Du willst mich wirklich mit diesem Schrott erschießen? So, wie ich das sehe, wird das Ding dir die Hand abreißen, bevor die Scherben den Lauf verlassen haben. Aber guck mal hier, das ist eine Waffe.« Ich hebe meinen Blaster. »Ich gebe sie dir, und du lässt mir dafür das Funkgerät, aiya?«

»Du bist wirklich das dümmste Weibchen, das ich jemals …« Ein roter Blitz – und dann ist dieser Kurgul plötzlich über etliche Quadratmeter Wüstensand verteilt.

Z kommt auf mich zugerannt. »Es tut mir leid, ich hätte dich schon früher sehen müssen«, knurrt er.

»Kein Ding. Vielen Dank. Einen Moment. Hast du eben gesagt, es täte dir leid?«

Die Tattoos auf seiner Wange verziehen sich in einer ausdrucksstärkeren Version seines üblichen Stirnrunzelns. »Ja.«

Als Nächstes wird Araskar mir dann wohl ein Küsschen geben. Ich schalte das Funkgerät wieder ein. »Okay, wo waren wir …«

In diesem Moment erlischt das blaue Licht.

Entweder hat Taltus die Verbindung mit meinem tragbaren Funkgerät verloren, oder die Matakas sind uns auf die Schliche gekommen und haben das überlichtschnelle Knotenrelais von den Hauptsatelliten in der Umlaufbahn aus deaktiviert.

»Die Kinder«, sagt Z.

»Kalia!« Ich sehe sie und Erdo durch die Wüste rennen. Sie versuchen, hinter irgendwelchem Schrott Deckung zu finden. »Nicht …«

Zu spät. Eines dieser Fluggeräte hat die Kinder entdeckt. Sie rast über den Sand hinweg auf uns zu. Energetische Wellen, die vom Sensorfeld an der Unterseite ausgesandt werden, schleudern die Maschinenteile zur Seite.

Z und ich eröffnen das Feuer auf den Angreifer. Es gelingt mir, ein paar Treffer zu platzieren. Schließlich erwische ich die Flugscheibe am Heck, worauf sie in einen spiralförmigen Sturzflug übergeht. Z nimmt das Sensorfeld an der Vorderseite unter Beschuss.

»Du triffst ja gar nichts, Z …«

»Hierin liegt keine Ehre!«

Dann eröffnen sie ein Sperrfeuer auf uns, und wir beide lassen uns in den Sand fallen. Die Flugscheibe rotiert wie ein Kreisel, streift den Gitterrahmen eines alten Schiffs und fliegt weiter, bis sie schließlich gegen die rostige Hülle eines anderen Schiffs prallt und sich zum restlichen Schrott gesellt.

Ich renne zu den Kindern.

Es sind aber nur Kalia und Erdo da, die sich aneinandergeklammert haben. Ich drehe mich zu Z um. »Hast du Toq an einem sicheren Ort versteckt?«

»Ich habe ihn nicht gesehen, bei meinem Blut und bei meiner Ehre! Ich habe den kleinen Jungen nicht mehr gesehen, seit wir den Turm erreicht haben.«

»Wo ist er?« Ich sehe Kalia an.

»Ich weiß nicht!«, schluchzt sie. »Er wollte nach dir suchen, kurz bevor sie angegriffen haben …«

Z sprintet los und macht sich auf die Suche nach Toq.

Ich ziehe Kalia an mich und drücke sie. »Geht es dir gut?«

»Ja«, antwortet sie und betastet Brust, Beine und Arme. »Ich bin … ich habe nicht einmal einen Kratzer.« Dann dreht sie sich mit der ganzen Sorge, die ein verliebtes Mädchen für ihren Jungen empfindet, zu Erdo um. »Erdo, bist du in Ordnung?«

Erdo sieht zuerst mich an, dann sie, wirft den Kopf leicht zurück und verneigt sich.

»Es ist nichts …«

Er verharrt in der vornübergebeugten Haltung. Dann kippt er nach vorn. In seinem Hinterkopf steckt ein großer, glühender Schrapnellsplitter.

»Ach du Scheiße!« Ich aktiviere das Funkgerät und sende ein lokales Signal. »Taltus, komm runter. Wir brauchen einen Sanitäter!« Ich versuche, Erdo in die stabile Seitenlage zu bringen. Er regt sich nicht und hat glasige Augen, und nun sehe ich auch, wie stark der Blutverlust ist: Es ist bis zu den Hosenbeinen hinunter gelaufen. Bei allen Teufeln der Hölle! So viel Blut habe ich noch nie gesehen!

Ich versuche den Gedanken zu verdrängen, aber es gelingt mir nicht. Bei Quinn war es genauso. Er war auch nur ein Kind, das in meinen Armen gestorben ist – ein Kind, dessen einziger Fehler darin bestanden hatte, sich mit den falschen Leuten einzulassen. Ich weiß kaum etwas über diesen Jungen. Ich weiß nur, dass er sich immer vor mir verneigt hat und jetzt verblutet.

»Er wird sterben«, sage ich laut. Nicht noch einmal. Ich habe mir geschworen, es nicht wieder zu tun.

»Jaqi, nein, warte.« Kalia legt ihre Hand auf meine. »Du musst ihn heilen, Jaqi.«

»Ich muss was?«

»Du musst ihn heilen! Wie du Z geheilt hast! Tu es einfach wieder!«

Ich schaue zurück und nach vorn, als ob Araskar jeden Moment zurückkommen würde. »Ich habe kein Schwert«, sage ich und klinge dabei so, wie ich mich fühle: wie ein Idiot.

»Tu es einfach! Mach einfach, was du damals getan hast! Bündel das Sternenfeuer! Heile ihn! Du hast es schon einmal getan!«

»Ich habe es getan, oder?« Ich klinge noch immer wie ein Narr. »Ich …« Okay, Jaqi, dieser Junge verblutet, wenn du nichts unternimmst, spreche ich mir selbst Mut zu. Du hast das schon einmal getan. Wo ist diese Musik? Ich hatte damals an meine Mutter gedacht, an die Feldlieder, die sie gesungen hat. Ein ganz einfacher Rhythmus. Bücken, zupfen, bücken, zupfen. Also stimme ich das Lied an.

»Bücken, zupfen, Unkraut rupfen, bücken, zupfen, Unkraut rupfen. Mach den Rücken krumm krumm krumm …« An den restlichen Liedtext erinnere ich mich nicht mehr, aber ich weiß auf jeden Fall, dass das noch nicht alles war. Also halte ich inne und denke nach. »Jaqi!«, schreit Kalia.

»Ups, ich meine, bücken, zupfen, Musik, komm schon Musik, komm schon, komm …« Wo ist die Musik? Wo sind diese grandiosen, mitreißenden Lieder, die aus den Sternen kommen? »Müsste jeden Moment so weit sein, bücken, zupfen …« Ich höre nichts mehr außer dem Wind und dem Summen der anderen Flugscheiben.

Erdo zuckt noch einmal und stirbt dann in meinen Wunder wirkenden Armen.

2

Araskar

In der gestohlenen Erinnerung kitzeln meine Bartstoppeln Rashiyas Wangen. Sie hat meinen Hals umklammert und die Brüste gegen meinen vernarbten Rücken gepresst. Ich rieche nach Schweiß und muffigem Raumschiff. Ihr Kinn ruht auf meiner Schulter, während wir beide das Comicbuch lesen.

Auf der einen Seite im Buch nimmt Scurv Silvershot einen Zug von seiner Zigarette, hebt die Waffe und feuert einen letzten Schuss ab. Die Scherbe fliegt auf einer gekrümmten Flugbahn durch den Raum, meilenweit durch das Vakuum, und trifft dann eine andere Figur. Der Treffer erzeugt eine Kaskade enttäuschend farblosen Blutes, doch dafür ist in liebevollen Details gezeichnet, wie es aus der klaffenden Wunde strömt …

Sie legt einen Finger auf die Sprechblase, und die blutrünstige Seite des Comicbuchs mit der Geschichte von Scurv Silvershot wellt sich unter ihrer Hand. »Suchst du hierin nach Weisheiten?«, fragt sie. Sie hat noch nie einen Soldaten kennengelernt, der Comicbücher sammelt. Sie gefallen ihr.

»Sieh dir das an.«

Auf der nächsten verblichenen Seite verliert die verwundete Figur blass gefärbtes Blut, und Scurv Silvershot steht mit seinem markanten Kinn, das einen Großteil des Panels einnimmt, über ihr.

»Lies es mir vor«, bittet Rashiya.