Stark im Leben, geborgen im Sein - Lea Stellmach - E-Book

Stark im Leben, geborgen im Sein E-Book

Lea Stellmach

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Beschreibung

Innere Leere, Stress, Unzufriedenheit – wie oft erfahren wir uns als abgetrennt von der Fülle des Seins! Lea Stellmach zeigt, dass echte Veränderung allein über den Körper geschehen kann. Aus ihrer jahrzehntelangen Praxis hat sie eine einfach anzuwendende Methode entwickelt, um sich in jeder Lebenssituation zu zentrieren und dadurch ganz in die eigene Energie zu kommen.

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Seitenzahl: 391

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LEA STELLMACH

Stark im Leben, geborgen im Sein

Über den Körper zu sich selbst finden

Die in diesem Buch vorgestellten Informationen und Empfehlungen sind nach bestem Wissen und Gewissen geprüft. Dennoch übernehmen die Autorin und der Verlag keinerlei Haftung für Schäden irgendwelcher Art, die sich direkt oder indirekt aus dem Gebrauch der hier beschriebenen Methoden ergeben. Bitte nehmen Sie bei ernsthaften Beschwerden immer professionelle Diagnose und Therapie durch ärztliche oder psychotherapeutische Hilfe in Anspruch.

1. eBook-Ausgabe 2022

Vollständige Taschenbuchausgabe 2022

© 2018 der Originalausgabe Trinity (jetzt Scorpio Verlag),

ein Imprint der Europa Verlage GmbH, München

Logoentwurf: Hauptmann und Kompanie, Zürich

Umschlaggestaltung: Danai Afrati

Lektorat: Andrea Löhndorf

Layout & Satz: Robert Gigler

Konvertierung: Bookwire

ePub-ISBN: 978-3-95803-487-7

Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

Alle Rechte vorbehalten.

www.scorpio-verlag.de

Inhalt

Vorwort von Franz AltDer Schlüssel liegt in uns

Einführung

Teil eins: Schlüssel zur Ganzheit

Verlust und Lebenskampf

Der erste Schlüssel: Das Bewusstsein entwickeln

Übung 1: Die innere Instanz fühlen

Der zweite Schlüssel: Der Körper als Datenspeicher unserer Geschichte

Übung 2: Unbewusste Überzeugungen aufdecken

Der dritte Schlüssel: Innerlich frei werden durch den bewussten Atem

Übung 3: Den Atem wahrnehmen

Übung 4: Den Atem vertiefen

Übung 5: Im Körper atmen und durchlässiger werden

Die energetische Grundlage innerer Befreiung

Übung 6: Den Jogging-Atem aktivieren

Teil zwei: Ganzheit braucht eine Adresse — zu Hause im Körper

Der vierte Schlüssel: Die innere Achse als Lebenszentrum

Übung 7: Der Achsenatem

Der fünfte Schlüssel: Innerhalb der Energiefeldgrenze sicher und geborgen sein

Übung 8: Der richtige Sitz

Übung 9a: Den Atemraum kennenlernen

Übung 9b: Die Energiefeldgrenze festlegen

Übung 10: Die Energiefeldgrenze im Alltag

Wer kämpft, hat (sich) schon verloren: Vom Lebenskampf zum Leben

Übung 11: Sich der Bewegung der Energie bewusst werden

Warum wir nicht kämpfen müssen: Sich einsetzen, um zu gewinnen

Übung 12: Innerhalb der Wohlfühlgrenze unabhängig werden

Teil drei: Die Trennung überwinden

Die Sache mit der Leere

Übung 13: Reflexion

Wie sich unser »Ich« gebildet hat

Übung 14: Den Achsenatem in unruhigen Momenten einsetzen

Übung 15: Ganz da sein

Die grundlegende Erfahrung unserer Existenz

Übung 16: Der körperliche Ort des »Ich bin«

Die Persönlichkeit und das wahre Wesen

Übung 17: Die Information atmen

Unser wirklicher Gegner

Übung 18: Die Energiefeldgrenze wiederherstellen

Das kleine Beben: Unserem wahren Wesen begegnen

Übung 19: Der Gewebeatem

Teil vier: Stark im Leben

Seien Sie anwesend im eigenen Leben!

Übung 20: Der BAG-Zustand im Alltag

Übung 21: Sich selbst Erlaubnis geben

Übung 22: Den Startpunkt-Reflex wahrnehmen

Die Widerstände aufdecken, die uns verhindern

Übung 23: Den inneren Kleinmacher entkräften

Frei fließende Energien der Ganzheit

Übung 24: Im BAG-Zustand entspannen

Der Schatz in der Tiefe: Rückverbindung mit dem wahren Sein

Übung 25: Im BAG-Zustand das Herz ausdehnen

Teil fünf: Der kleine Reiseführer für Ihren Weg zur Ganzheit

Danksagung

Anmerkungen

Das Institut für Psychoenergetik und persönliche Entwicklung

Über die Autorin

Mein großer Dank gilt den wunderbaren Menschen, die seit vielen Jahren zusammen mit mir dem inneren Weg zur Ganzheit folgen.

Ihre Erfahrungen haben mich viel gelehrt und sind für die hier vorgestellte Praxis von unschätzbarem Wert.

Vorwort

Der Schlüssel liegt in uns

Viele Menschen spüren, dass sie im Laufe ihrer Kindheit und durch ihre Erziehung etwas verloren haben. Vom einst ursprünglichen und natürlichen Zustand kam etwas abhanden. Diesen Ur-Zustand empfinden wir als Ganzheit und sehnen uns danach zurück. Wie aber geht es zurück? Wie werden wir stark im Leben und geborgen im Sein?

Lea Stellmach ist Medizinerin und Körperpsychotherapeutin, Energieheilerin und spirituelle Lehrerin. Vielleicht kann sie deshalb eine hilfreiche Brücke schlagen zwischen unserer spirituellen Erfahrungswelt und unserem Alltag auf der Suche nach Ganzheit. Ihre Übungen vermitteln Impulse, um wieder in Berührung mit unserem ursprünglichen Selbst zu kommen. Dabei finden wir durch tiefes Atmen und Meditation Kräfte, die uns helfen, unser Leben selbst zu bestimmen. Und wir erleben beglückt, dass echte Liebe, wahrer Frieden und tiefe Gerechtigkeit nur von innen kommen können. Innen wie außen!

Die Lehre dieses ganzheitlichen Buches: Den Schlüssel zur Verwandlung und Rückführung in unsere Ganzheit finden wir nur in uns selbst. Der Schlüssel ist unser Körper. Hier liegt auch der Weg zur Ganzheit.

Stark im Leben, geborgen im Sein kann uns einen strahlenden Zugang zur Wesensessenz unserer Persönlichkeit schenken.

»Wer sucht, der findet«, »Wer anklopft, dem wird aufgetan«, hat Jesus schon vor 2000 Jahren gesagt. Das bedeutet auch: Wer krampfhaft sucht, kann nicht finden. Wer gar nicht sucht, kann auch nicht finden. Wer aber offen ist und weit wie der Horizont, der wird empfangen: Lebensfreude und Liebe, Klarheit und Wahrheit, Empathie und Achtsamkeit.

Ein Buch für Suchende, dem ich viele Leserinnen und Leser wünsche – und Lust auf Zukunft aus der Perspektive der Ganzheit. Bleiben Sie erneuerbar, werden Sie gelassen und entspannt.

Franz Alt

Einführung

Es ist mir eine Freude, liebe Leserin und lieber Leser, in diesem Buch etwas Besonderes mit Ihnen zu teilen. Es handelt sich um das Wesentliche, das ich auf meinem bisherigen Lebensweg in mir gefunden habe. Ich möchte mit Ihnen teilen, was sich mir in vielen Jahren meiner inneren Reise erschlossen und offenbart hat. In diesem Buch möchte ich Ihnen zeigen und zugänglich machen, welch große Kraft in uns allen wohnt und welche innere Fülle Sie in Ihrer Tiefe erfahren können.

Wenn ich den Alltag der Menschen unserer Kultur betrachte, nimmt es in meinen Augen überhand, dass sie sich gestresst, getrieben und unzufrieden fühlen. Es fällt mir auf, wie viele Menschen ihr tägliches Leben leben, ohne sich selbst wahrzunehmen. Kommen sie irgendwann doch einmal zur Ruhe, fühlen sie sich nervös, angespannt und verausgabt. Auch wenn sie eigentlich abschalten könnten, entspannen sie sich zu wenig und spüren sich selbst kaum. Die alltäglichen Probleme scheinen sich zu häufen und die Umstände schwieriger zu werden. Seelisch erlebe ich viele Menschen unerfüllt und unausgeglichen: Sie funktionieren. Tief in sich aber haben sie Angst. Was scheinbar bleibt, ist der tägliche Kampf. Manchen Menschen kommt sogar der Sinn abhanden. Die Frage des »Wozu« drängt sich auf: Wozu hektiken wir herum? Warum fehlt uns die Ruhe? Weshalb der ganze Stress? Was soll das Hamsterrad? Das Kämpfen? Wo führt das alles hin?

In diesem Buch möchte ich Ihnen meine Antwort darauf geben. Aus der Antwort entfaltet sich eine Alternative. Was ich Ihnen aus meiner Einsicht vermitteln möchte, ist nämlich, dass Sie etwas verloren haben. Tatsächlich ist es so: Etwas Wesentliches ist Ihnen abhandengekommen. Etwas, worum Sie wahrscheinlich gar nicht mehr wissen. Aber unbewusst empfinden Sie den Verlust. Die meisten Menschen sind daher nach irgendetwas auf der Suche. Und vielleicht ist ihnen sogar das nicht einmal mehr bewusst.

Was wir Menschen in dieser Zeit und dieser Kultur verloren haben, hat mit einem inneren Raum, mit einem Zustand zu tun. Dieser Zustand ist uns angeboren und natürlich. Wenn wir ihn wiederfinden, begreifen wir ihn sofort. Aber wir sind davon abgeschnitten worden. Wir haben diesen Zustand und damit uns selbst verloren. Das, was wir verloren haben, suchen wir seitdem in der Außenwelt. »Es muss doch möglich sein, das zu bekommen, was ich so dringend brauche«, denken wir. Und wenn wir überhaupt noch dazu in der Lage sind, strengen wir uns noch ein wenig mehr an.

In diesem Buch werde ich Ihnen nicht nur verdeutlichen, dass Sie etwas verloren haben und was genau es ist, das Sie verloren haben, ich werde Ihnen auch verständlich machen, dass es genau dieser Verlust ist, der für die ganze Mühsal verantwortlich ist. Dann werden Sie mich vielleicht fragen, was Sie dagegen tun können. Und ob und wie es Ihnen möglich wäre, das Verlorene wiederzufinden und an Ihren inneren Reichtum anzudocken. Genau das, liebe Leserin und lieber Leser, möchte ich Ihnen in diesem Buch zeigen. Zuallererst müssen Sie dafür natürlich am richtigen Ort suchen. Sie erfahren deshalb, wie Sie zu sich selbst zurückkehren und Ihr inneres Zuhause wieder bewohnen können, denn Veränderung braucht eine Adresse. Erst wenn Sie ganz zu Hause angekommen sind, finden Sie in Ihrem Inneren die Türen, um sich mehr auf Ihre Tiefe einzulassen und hier Ihre Schätze zu finden.

Anhand vieler Fallbeispiele werde ich Ihnen sichtbar machen, dass tief in unserer inneren Welt ein Reichtum verborgen liegt. Denn das, was in unserem Inneren auf uns wartet, ist nichts weniger als ein Zustand von Ganz-Sein.

In Wahrheit fehlt uns nämlich nichts, wir sind vollständig. Alles, was wir für dieses Leben brauchen, ist tief in uns schon vorhanden. Unsere Gaben sind tatsächlich nur verschüttet. Aber alle Ressourcen und die innere Fülle sind in uns angelegt und warten auf uns. Auf einer tieferen Ebene von uns selbst sind wir ganz.

Wie aber können wir unser Ganz-Sein wiederentdecken? Wie können wir dorthin finden? Es geht um einen Rückweg, um eine Reise. Es ist eine innere Reise, eine Lebensausrichtung. Diese Lebensausrichtung, die sich mir über die Jahre meiner inneren Reise offenbart hat, möchte ich Ihnen hier vorstellen.

Mithilfe von praktischen Übungen werde ich Ihnen hierfür die Schlüssel an die Hand geben. Die fünf Schlüssel stellen Grundelemente dar, um uns wieder mit uns selbst zu verbinden. So können wir im Leben ein inneres Zentrum haben und im Körper sicher und stark in der Welt sein. Das Verständnis der Schlüssel ist unverzichtbar, um in den Zustand von Ganzheit langsam hineinzuwachsen. Wenn Sie im vierten Teil alle Schlüssel zu einem einheitlichen Erfahrungszustand zusammensetzen, wissen Sie aus Ihrer eigenen direkten Erfahrung, was es genau bedeutet, wieder ganz mit sich selbst verbunden zu sein. Und wie anders sich Ihr Dasein plötzlich anfühlt. Dann kennen Sie den Weg.

Auf dem Rückweg zur Ganzheit entfalten sich wunderbarerweise Ihre inneren Ressourcen: Ab dem zweiten Teil erfahren Sie, wie Präsenz und Lebendigkeit in Ihnen wachsen und Ihnen ein größeres Potenzial Ihrer selbst zugänglich wird. Aber das ist noch nicht alles. Denn Sie nähern sich dem Verständnis von Ganzheit an. Die vielen Reichtümer dieser inneren Erfahrungswelt werden sich Ihnen in ihrer eigenen Weise langsam eröffnen. Bis dahin fühlen Sie sich mit sich zunehmend wohler. Sie fühlen sich mehr angenommen und nehmen sich selbst mehr an. Sie sind erfüllter. Sie empfinden mehr Geborgenheit. Und vielleicht wird Ganzheit sich Ihnen unerwartet offenbaren und ihre wunderbaren Geheimnisse enthüllen.

Wie alles begann

Wie meine Entdeckungsreise in die inneren Welten anfing? Das möchte ich Ihnen jetzt kurz erzählen.

Meine innere Reise begann, als ich 26 Jahre alt war und eines Tages Gott verlor. An einem heiteren Morgen wachte ich auf und hatte eine erschütternde Erkenntnis. Nichts Außergewöhnliches war diesem Moment vorausgegangen, in dem ich auf einmal unwiderruflich wusste, dass es Gott so, wie ich bis zu diesem Tag an ihn geglaubt hatte, nicht gab. Es war ein Schock. Meine festgefügte seelische Welt brach ziemlich zusammen. Erschrocken erkannte ich, dass ich ganz allein und auf mich gestellt war. Dass mein seelischer Halt sich als Illusion erwiesen hatte. Plötzlich sah ich keine richtige Perspektive mehr. Der Sinn? Welchen Sinn sollte es geben? Wofür war alles gut, wozu all die Mühen, die Leistung, die Anstrengung? Wenn am Ende doch alles vorbei sein würde?

Es war ein ziemlicher Bruch in meinem Leben. Ich glaube, so geht es vielen Menschen, die etwas verlieren, was ihnen bisher einen Sinn oder eine Grundlage gegeben hat: einen geliebten Partner, einen Arbeitsplatz, mit dem sie sich identifiziert haben, oder das Vertrauen in jemanden, der sie enttäuscht und betrogen hat. Plötzlich ist der Sinn weg. Die Hoffnung hört auf. Leere. Sinnlosigkeit.

Das ist heftig, nicht wahr?

Aber genau so erging es mir, und ich kann nicht behaupten, dass diese Krise schnell überwunden war. Nur: Zu diesem Zeitpunkt begann mein innerer Weg. Viele Jahre ist das nun her, und heute bin ich dankbar, dass es damals dazu gekommen ist. Denn aus dieser schwierigen Krise ist mein innerer Weg zur Ganzheit hervorgegangen, den ich seit dem Jahr 2002 auch unterrichte. Auf diesem Weg habe ich in mein inneres Zuhause gefunden. Langsam wurde ich durchlässiger für die tiefer liegende Wahrheit, die in mir so wie in allen Menschen lebt: dass ich ganz mit mir verbunden und an das große Ganze angeschlossen bin. Es war die Ganzheit selbst, die mir gezeigt hat, wie ich mich immer tiefer befreien und mit mir selbst wieder verbinden konnte, um mein ursprüngliches wahres Wesen wiederzufinden und es in der Welt auszudrücken. Und das Wunder geschah, dass die Ganzheit mir das Göttliche auf neue Weise gezeigt hat.

Auf meinem persönlichen Lebensweg durchlief ich viele Stationen. Es gab weitere innere und auch äußere Umbrüche, und es war ein langer Weg für mich, bis ich heute als Energieheilerin und spirituelle Lehrerin zu Ihnen spreche.

Ich komme aus einer Arzt- und Professorenfamilie, und meine Eltern haben sich sehr dafür eingesetzt, mir eine klassische Ausbildung mitzugeben. Ich besuchte in Berlin, wo ich aufwuchs, ein humanistisches Gymnasium und bekam jede Woche zehn Stunden lang Latein und Altgriechisch eingetrichtert, wobei ich die alten Sprachen sogar ziemlich gern mochte.

Nach meinem Abitur studierte ich Zahnheilkunde und promovierte in einem allgemein-chirurgischen Fach. Ich erforschte einen seltenen und komplizierten Tumor in der Halsschlagader. Nach meinem Ausflug in die Welt der Chirurgie entschied ich mich für eine Facharzt-Ausbildung für Kieferorthopädie, da die Kieferorthopäden sich dem Wachstum und der Entwicklung der Kiefer und des Gesichts widmen und diese Spezialisierung mich am meisten anzog.

Im Rückblick fasziniert es mich immer wieder neu, zu erkennen, wie meine Seele schon damals ihre Führung in meinem Leben manifestiert und mich gelenkt hat. Denn es sollte später für mich tatsächlich um Wachstum und Entwicklung gehen, allerdings nicht auf der Ebene des Knochenwachstums, mit dem sich die Kieferorthopäden beschäftigen. Ich hatte schon eine Oberarzt-Stelle zugesagt bekommen, um mich an einer deutschen Hochschule im Fachbereich Kieferorthopädie zu habilitieren – als Tochter eines Professors für Chirurgie erschien mir das ganz selbstverständlich –, als sich etwas ereignete, wovon ich später im Buch noch ausführlicher berichten werde, und es zum ersten Umbruch in meiner bis dahin glatten Laufbahn kam. Zehn Jahre arbeitete ich daraufhin in meiner eigenen kieferorthopädischen Praxis, und dann änderte sich plötzlich wieder alles: Innerhalb weniger Monate stand ich ohne meine gut gehende Praxis und ohne meine bisherige Lebensperspektive da und wusste noch nicht einmal, wie ich meinen Weg weitergehen sollte.

Im Nachhinein ist mir sonnenklar, dass ich in Wahrheit dem Ruf meiner Seele gefolgt bin und dass es nur so geschehen konnte. Vielleicht befanden Sie sich, liebe Leserin und lieber Leser, schon einmal in einer ähnlichen Umbruchsituation und können bestätigen, dass man, während man mitten in der Veränderung steckt, keineswegs klarsieht. Für mich war es besonders schwierig, da ich wissenschaftlich und rational geprägt war und die Möglichkeit, dem Ruf meiner Seele zu folgen, für mich im praktischen Alltag keinerlei Bedeutung zu haben schien. Heute bin ich tief in der Materie von Wachstum und Entwicklung angekommen, aber jetzt geht es in meinem Leben um das Wachstum der Seele.

So ist es gekommen, dass seit dieser Zeit viele wunderbare Menschen mit mir zusammen auf der Entdeckungsreise in ihre inneren Welten sind. Ihre Erfahrungen sind es, die mir gezeigt haben, dass es für uns alle möglich ist, den Weg zur Ganzheit als innere Befreiung zu leben und der Sehnsucht unseres Herzens nach einer tieferen Wahrheit zu folgen, bis wir uns mit der Größe, der Weite und unendlichen Liebe der Ganzheit wieder verbunden fühlen können.

Unser inneres Leben wiederentdecken

Wenn wir uns bei unserer Suche nach dem Sinn auf das Abenteuer des inneren Weges zur Ganzheit wirklich einlassen, kann etwas Magisches geschehen: Das, was wir in uns berühren und entdecken können, ist nichts weniger als die besondere Erfahrung, ganz und wirklich lebendig zu sein. Der Mythenforscher Joseph Campbell wusste darum und brachte es in folgendem Satz auf den Punkt:

Die Leute sagen, dass wir alle nach einem Sinn des Lebens suchen. Ich glaube nicht, dass es das ist, was wir wirklich suchen. Ich glaube, was wir suchen, ist eine Erfahrung des Lebendigseins, sodass unsere Lebenserfahrungen auf der rein physischen Ebene in unserem Innersten nachschwingen und wir die Lust, lebendig zu sein, tatsächlich empfinden.1

Dieser Satz von Campbell hat mich als Lebensmotto begleitet. Aber als es dazu kam, dass ich die Erfahrung des lebendigen Seins tatsächlich körperlich spüren konnte, da verstand ich, dass ich davor gar nichts begriffen hatte. Denn verstehen bedeutet, etwas direkt zu er-leben. Und das geschieht durch den Körper.

Wenn ich hier also sage, ich habe etwas gefunden, dann hat es mit einem Ankommen zu tun. Mit dem körperlichen Ankommen im lebendigen Dasein. Ganz einfach. Ganz tief.

In diesem Buch werde ich Sie auf eine innere Reise mitnehmen, die Ihr Verständnis für den Raum der Ganzheit oder des Seins entwickelt und die, wenn wir Glück haben, sogar eine Erinnerung in Ihnen wachruft. Vor allem aber werde ich Ihnen vermitteln, was Sie in sich finden können, wenn Sie sich auf das Abenteuer des inneren Weges zur Ganzheit einlassen. Denn auch wenn ich Ihnen einen Leitfaden, einen Reiseführer an die Hand gebe, handelt es sich um ein Abenteuer.

Und Ihr Leben ist der Hauptakteur.

Von manchen meiner Teilnehmer kenne ich es, dass sie grundsätzlich Zweifel oder Misstrauen hegen oder vielleicht sogar denken, anderen sei es zwar gegeben, sich zu entwickeln, ihnen selbst aber nicht. Falls sich auch in Ihnen ähnliche Gefühle regen sollten, möchte ich Ihnen Mut machen. Da Sie einen Körper haben, werden Sie es unweigerlich irgendwann selbst spüren und erfahren. Im vierten Teil werden wir auch die Widerstände entlarven, die unsere Entfaltung verhindern. Denn jeder Mensch kommt aus der Ganzheit und kennt Ganzheit. Auch Sie!

Ich wünsche mir, liebe Leserin und lieber Leser, dass Sie das Buch nicht nur mit dem Intellekt aufnehmen, sondern ich würde mich sehr freuen, wenn Sie es auch fühlen und erfahren könnten. Ich werde Sie daher immer wieder dazu einladen, eine kleine Übung auszuprobieren. Es geht mir nämlich darum, dass auch Ihr Körper erleben darf, was Sie hier lesen.

An dieser Stelle möchte ich Ihnen auch empfehlen, das Buch langsam zu lesen. Ganz sicher werden Sie sich vertiefen und verwandeln, wenn Sie sich erlauben wahrzunehmen, was Sie spüren, während Sie dieses Buch in den Händen halten. Es könnte auch spannend für Sie werden, darauf zu achten, was in Ihrem Leben geschieht, während Sie es lesen. Sie werden erfahren, wie tief unsere innere und äußere Welt miteinander verbunden sind. Um das Buch nicht mit dem Kopf, sondern mit der Seele zu lesen, dürfen Sie sich also wirklich Zeit lassen!

Bevor wir zu den Schlüsseln kommen, möchte ich Ihnen nun erst einmal verständlich machen, worauf sich der Verlust bezieht, von dem ich spreche, und was genau ich damit meine. Und ich möchte Sie erkennen lassen, warum wir den Kampf erfunden haben, um den Verlust zu ersetzen, und dadurch daran gehindert sind, zu uns selbst zurückzufinden.

Ich wünsche Ihnen eine spannende Entdeckungsreise zur Ganzheit!

Teil eins

Schlüssel zur Ganzheit

Verlust und Lebenskampf

Wir haben etwas verloren. Was es aber ist, das wir verloren haben, können wir nicht benennen. Und da wir sehr beschäftigt sind und uns selbst nur wenig spüren, merken wir es auch erst einmal nicht. Wenn wir mit uns jedoch irgendwann allein sind, fühlen wir uns vielleicht nicht richtig wohl. Möglicherweise sind wir unruhig. Das Gedankenkarussell dreht sich. Vielleicht machen wir ja auch schnell den Fernseher an. Oder wir schauen immer wieder aufs Smartphone, chatten oder surfen im Internet.

Wenn wir aber doch einmal in uns hineinspüren, können wir Spannung in unserem Körper wahrnehmen. Vielleicht erleben wir sogar ein hohles oder bohrendes Gefühl in der Körpermitte, und wir greifen zur Zigarette oder genehmigen uns einen Keks. Viele kennen auch die kleinen Stimmen, die uns einflüstern, dass wir jetzt etwas tun sollten, da wir sonst faul sind, dass wir kein Recht auf Ruhe haben, dass wir nicht gut genug sind und etwas mit uns nicht stimmt. Wenn wir genauer hinschauen und das entsprechende Gefühl untersuchen, entdecken wir, dass irgendetwas fehlt. Das Gefühl gleicht einem inneren Mangel. Natürlich verdrängen wir es sofort, denn es ist unangenehm. Etwas fehlt in uns, und wir verstehen es nicht. Die Ursache ist uns unbekannt.

Wir denken natürlich gleich, es liegt an uns. Irgendwie scheinen wir nicht in Ordnung zu sein. Wir finden viele gute Gründe, was an uns es wohl sein muss, das diesen Mangel rechtfertigt. Irgendetwas stimmt nicht mit uns. Also sollte es besser niemand wissen. Auch wir selbst nicht. Wir sollten lieber etwas tun. Folglich verdrängen wir das Gefühl des Mangels, so gut es geht. Wir beschäftigen uns und verstärken unser Denken. Aber auch wenn wir es in unsere Tiefe verdrängen, bleibt das Gefühl wirksam. Unbewusst wissen wir, dass uns etwas fehlt. Um es nicht zu spüren, müssen wir noch mehr tun. Immer weiter aktiv sein. Es schaffen.

Und so haben wir den Lebenskampf erfunden.

Die Flucht in den Kampf

Vor ein paar Wochen rief ich meinen Steuerberater an. Seine Sekretärin wies mich vorsorglich auf die gerade neu installierte Telefonanlage hin, bevor sie mich weiter verband. Überraschenderweise erklang am anderen Ende der Leitung aber eine ganz andere Stimme, als ich erwartet hatte. Nach kurzem Hin und Her klärte sich die Situation: Der andere Teilnehmer war auch ein Klient, der gerade angerufen hatte, um unseren Steuerberater zu sprechen. Irrtümlich waren wir beide verbunden worden. Wir lachten und stellten uns vor. Dann trat eine kurze Pause ein. Ich überlegte gerade, wie ich mich verhalten sollte und wer von uns beiden Herrn Müller zuerst sprechen würde. Ehrlich gesagt ging ich davon aus, dass mein Telefonpartner sich als Kavalier erweisen würde. Überrascht und fast erschrocken vernahm ich aber seine plötzlich fordernde, scharfe Stimme: »Nun machen Sie schon, und legen Sie endlich auf! Oder wollen Sie etwa mit mir darum kämpfen, wer Herrn Müller zuerst spricht?« Einen Moment lang war ich sprachlos. Ich atmete tief durch: Kampfansage, grobe Unhöflichkeit oder Taktik, wie reagiere ich am besten? Dranbleiben und mit dem Typen diskutieren? Nachgeben? Spontan legte ich den Hörer auf. Ich wählte neu, und 15 Sekunden später hatte ich Herrn Müller am Apparat. Es wurde ein langes Gespräch, und mein Kontrahent musste sich vermutlich ziemlich gedulden. Später konnte ich schmunzeln: Er ist in den Angriff gegangen und hat den Kampf eindeutig gewonnen, denn ich hatte ja den Hörer aufgelegt – aber in Wahrheit hat er verloren.

Kämpfen. Es ist eine solche Normalität in unserem Leben, dass wir darüber nicht einmal nachdenken. Wir sind davon überzeugt, dass wir im Leben kämpfen müssen und dass wir, wenn wir es nicht tun, zu den Verlierern gehören werden. Wir sind sicher, dass wir, um im Leben zu bestehen und uns zu behaupten, den Kampf brauchen. Und dass wir ohne Kampf zu nichts kommen. Kämpfen bewahrt uns davor, machtlos oder ohnmächtig zu sein. Wenn wir gute Kämpfer sind, haben wir Erfolg und gewinnen. Wenn man uns unrecht tut, kämpfen wir. Wenn wir angegriffen werden, wehren wir uns und kämpfen. Wenn wir uns durchsetzen wollen, kämpfen wir.

Manchen fällt der Kampf leicht, und sie genießen das Kräftespiel, das Sich-Messen. Sie beziehen ihren Selbstwert aus dem Gewinnen. Und je größer die Herausforderung war, desto mehr fühlen sie sich bestätigt. Andere sind dem weniger gewachsen und weichen aus. Und in der Tat erreichen sie auch weniger, stehen in der zweiten Reihe oder ziehen den Kürzeren.

Aber immer geht es ums Kämpfen: Wir kämpfen um Anerkennung, um Gerechtigkeit, um höhere Löhne, um sozialen Frieden, wir kämpfen um Durchsetzung, um Moral, um die richtigen Werte oder darum, Marktführer zu sein, Klassenbester oder die Fußball-WM zu gewinnen. Wir kämpfen gegen Krankheit und gegen den Tod, wir kämpfen um Ruhe, um die Wahrheit und um unser Recht. Wir kämpfen darum, die Hoffnung nicht zu verlieren. Wir kämpfen um Liebe, den wahren Glauben und um unseren Job. Wir kämpfen gegen Atomkraftwerke, gegen den Krieg, gegen Terrorismus und gegen Massentierhaltung. Wir kämpfen gegen dominante Eltern und Vorgesetzte, wir kämpfen gegen unsere Kinder, damit sie ihr Zimmer aufräumen, und gegen unseren Ehepartner, damit er die oft zitierte Zahnpastatube zuschraubt. Wir kämpfen gegen unsere Müdigkeit an, wir kämpfen für gerechtere Chancen und für einen Sitzplatz im Kino.

Wir sind fest davon überzeugt, dass das Leben ohne Kampf nicht funktioniert.

An dieser Stelle möchte ich ein wenig vorgreifen und Sie hoffentlich neugierig machen:

Allen diesen Ausdrucksformen von Kampf – und sicher fallen Ihnen aus Ihrer Lebenserfahrung noch viele weitere ein – liegt eine einzige Ursache zugrunde. Ein einziger Grund, warum Sie und ich und unsere ganze Kultur gelernt haben, dass wir kämpfen müssen. Es handelt sich darum, dass wir etwas verloren haben. Und weil wir etwas verloren haben, das eigentlich von großer Wichtigkeit wäre, brauchen wir dafür Ersatz. Das passiert ganz automatisch. Unser Ersatz ist der Lebenskampf.

Ich gebe zu, es ist herausfordernd, dass ich mir hier erlaube zu behaupten, dass Sie, liebe Leserin und lieber Leser, etwas verloren haben. Und dass ich weiter behaupte, dass das, was Sie verloren haben, von großer Wichtigkeit ist. Etwas, um das Sie tief in sich auch wissen. Woran Sie sich aber meistens nicht erinnern können. Und dass Sie deshalb – wie die meisten Menschen in unserer Kultur – auf Ihre Art und Weise im Lebenskampf stehen.

Sehr herausfordernd könnte es für einige von Ihnen sein, dass ich das Kämpfen selbst infrage stelle. Für Sie möchte ich vorausschicken, dass ich damit keinesfalls sage, dass wir uns nicht mit ganzer Kraft für das einsetzen sollten, was uns für uns selbst, für andere und die Welt wichtig ist. Nein, der Kampf, den ich hier meine, ist unser Lebens- und Überlebenskampf, geboren aus dem Verlust.

Oft genug erlebe ich, dass Menschen mir erklären, sie seien ein defensiver Typ und kein Kämpfertyp, und sie würden das nicht mitmachen, sie kämpften nicht. Das finde ich immer sehr interessant. »Könnte es aber vielleicht sein, dass Sie eine andere Taktik fahren?«, frage ich sie dann. »Haben Sie vielleicht die Taktik, sich selbst zurückzunehmen, sich kleinzumachen oder sich zu verweigern?« Kennen Sie Leute, die blocken, »null Bock« haben oder einfach dichtmachen?

Die Geschichte von Caroline auf den nächsten Seiten wird Sie erkennen lassen, dass Sie tatsächlich irren, wenn Sie glauben, dass eine defensive Reaktionsweise kein Kämpfen ist. Caroline zeigt uns, dass sie nur eine Variante desselben Lebenskampfes auslebt, der unsere alltägliche Erfahrung beherrscht.

Solange wir glauben, kämpfen zu müssen, steht uns etwas ganz Bestimmtes im Weg. Zuerst möchte ich Ihnen daher von Gewinnern und Verlierern erzählen.

Von Gewinnern und Verlierern

Lukas, 42, gehörte zum klassischen Typ des Selfmademans, der »es geschafft« hatte. In seinem hoch kompetitiven Segment in der Wirtschaft hatte er gleich mehrere Führungspositionen inne. Lehraufträge an Wirtschaftsuniversitäten und Vorsitze in internationalen Gremien folgten. Er schrieb Bücher und gewann viele Titel und Auszeichnungen. Ursprünglich kam er aus einer einfachen, im Umgang miteinander nicht sehr liebevollen Arbeiterfamilie und war auf seinen Erfolg außerordentlich stolz. Er war ein Workaholic, schlief wenig, war selten zufrieden, konnte seinen Erfolg nicht richtig genießen und sich auch nicht entspannen. Er spürte sich nicht. Irgendetwas trieb ihn immer weiter. Er hatte Probleme mit Frauen, weil er sich zu wenig Zeit für sie nahm. Sein Hausarzt hatte bei ihm Herzrhythmusstörungen diagnostiziert und ihn gewarnt, dass sich mit der Zeit organische Schäden an seinem Herzen entwickeln könnten.

Er war der Empfehlung einer Freundin gefolgt und hatte sich für mein Institut entschieden, weil es ihm logisch erschien, mit dem Körper zu arbeiten, da er es ja am Herzen hatte. Er beabsichtigte, sich persönlich weiterzuentwickeln, mit dem erklärten Wunsch, seinen Erfolg und sich selbst noch weiter zu optimieren.

Schnell stellte sich in seiner Arbeit bei mir heraus, dass der Motor seines Erfolgs, seines zerfressenden Ehrgeizes und seiner verbissenen Vorwärtsstrategie ein ganz einfacher war: Er wollte besser sein. Besser als alle, mit denen er jemals zu tun gehabt hatte und zu tun haben würde. Er würde jeden besiegen. Er würde bis zum Ende seiner Karriere gegen jeden kämpfen. Und gewinnen. Er würde immer oben in der Rangordnung stehen. Immer.

Caroline, 34, war eine unglaublich liebe Frau. Sie bemühte sich von morgens bis abends, es allen recht zu machen: ihrem Chef, der ständig Sonderwünsche hatte und selten Danke sagte, ihrem Mann, der absolute Ruhe und Ordnung verlangte, wenn er abends nach Hause kam, und ihrer kleinen Tochter, die gerade in die Schule gekommen war, große Schwierigkeiten hatte, allein zu sein, und schnell schrie. Wenn eine Freundin anrief, um sich auszuheulen, war sie ebenso selbstverständlich für sie da wie für ihre Mutter, wenn diese wollte, dass sie ihr Einkäufe mitbringen sollte. Viele Menschen baten Caroline um Hilfe oder um einen Gefallen. Es war Caroline unmöglich, Nein zu sagen. Schließlich wurde sie von den anderen gebraucht.

In der letzten Zeit fühlte sie sich irgendwie kraftlos, das Aufstehen morgens fiel ihr neuerdings schwer, aber sie biss die Zähne zusammen und machte weiter. Sie würde es schon schaffen. Caroline lernte ich kennen, weil ihre Cousine ihr einen Kurs bei mir geschenkt hatte: Der Kurs hieß Tiefenentspannung und Selbstkontakt.

Wenn Sie jetzt über Lukas und Caroline nachdenken: Würden Sie sagen, die beiden haben etwas gemeinsam?

Ich vermute, Sie sagen eher »Nein«. Sie könnten in etwa folgendermaßen argumentieren: Der eine ist ein Mann, die andere eine Frau, der eine ein Karrieretyp, erfolgreich in der Öffentlichkeit stehend, die andere eine untergeordnete Angestellte und doppelt belastete Familienmutter. Lukas hat sich in seiner Rolle als Sieger und Gewinner eingerichtet, Caroline in weiblicher Selbstaufopferung. Er hat Probleme mit Frauen, sie lebt erfolgreich in einer eigenen Familie. Er kommt mit Herzproblemen zu mir, sie mit beginnendem Erschöpfungssyndrom. Er kämpft. Sie nicht. Sie gibt nach.

Was sollten die beiden also gemeinsam haben?

Nun, ich möchte es Ihnen verraten. Denn beide haben etwas gemeinsam. Lukas begreift sich als Sieger. Caroline hingegen fühlt, dass sie kein Recht auf ihre eigenen Bedürfnisse hat. Sie hat keinen Selbstwert. Sie weiß, gegen jemanden wie Lukas würde sie niemals ankommen. Sie kann ihre Kraft nur für andere, aber nicht für sich selbst einsetzen. Für sich selbst ist sie schwach. Innerlich fühlt sie sich leer. Tief in ihrer Seele empfindet sie sich daher als Verliererin. Dennoch haben beide, der Sieger und die Verliererin, einen kleinsten gemeinsamen Nenner. Und das ist der Lebenskampf.

Ich möchte Sie also gerne davon überzeugen, dass nicht nur er, sondern beide kämpfen. Dass beide gleichermaßen den Kampf kämpfen, der das ersetzt, was wir verloren haben. Und dass das für unser Thema deshalb so interessant ist, weil ein Stück Caroline und Lukas in jedem von uns steckt.

Die tief gehenden Konsequenzen des Lebenskampfes beschreibe ich Ihnen im Kapitel »Wer kämpft, hat (sich) schon verloren: Vom Lebenskampf zum Leben«. Vorher möchte ich Ihnen aber die fünf Schlüssel vermitteln, damit Sie sonnenklar erkennen können, warum Kämpfen Sie in Wahrheit schwächt. Und warum Sie sich selbst nicht spüren können, solange Sie kämpfen.

Was ist es, das uns verloren gegangen ist und das wir durch den Lebenskampf ersetzen, wie auch immer wir ihn führen?

Es handelt sich um einen Zustand. Einen besonderen Zustand, in dem wir uns sehr wohl, ganz und zu Hause fühlen. Wenn wir erkennen, wie stark das Kämpfen unser Leben beherrscht, und begreifen, dass wir es auch bleiben lassen können, dann werden wir trotzdem nichts verlieren. Wir werden aber einen zutiefst wertvollen, guten inneren Zustand gewinnen. Ich möchte Sie in diesem Buch dahin führen, dass Sie diesen ganzheitlichen inneren Zustand fühlen können. Dass Sie körperlich von ihm berührt werden, dass Sie ihn unmittelbar erleben und dadurch verstehen.

Wir können etwas nur dann wirklich verstehen, wenn wir von einer Erfahrung körperlich berührt werden.

Das gilt auch für die Schlüssel, zu denen wir als Nächstes kommen. Sie scheinen auf den ersten Blick vielleicht gar nichts Besonderes zu sein, sondern einfach nur Begriffe, mit denen wir oft genug umgehen. Das Geheimnis aber ist, sie körperlich zu erfahren. Denn wahres Wissen, das möchte ich hier noch einmal betonen, bedeutet, etwas direkt und körperlich zu spüren. Erst jetzt wird es zu Ihrer Erfahrung. Erst jetzt wissen Sie es wirklich. Wahres Wissen entspringt immer der körperlichen Erfahrung.

Wenn wir im vierten Teil alle fünf Schlüssel als körperliche Grundelemente auf dem Weg zur Ganzheit zusammensetzen und direkt erfahren, passiert etwas Magisches: Unser Zustand, unser gewohntes Lebensgefühl, verändert sich.

Vielleicht erst einmal nur für kurze Zeit. Aber lange genug, um zu begreifen, dass es noch eine ganz andere Möglichkeit gibt, wie wir uns selbst erleben können, als die gewohnte, altbekannte Erfahrung unserer selbst. Und dass diese andere Möglichkeit, da zu sein und uns selbst wirklich zu spüren, »voller« ist. Vollständiger. Befriedigender. So, als ob in dem Moment alles in Ordnung ist. Genug. Rund. Und sogar viel mehr als das: gut und erfüllend.

Im nächsten Kapitel zeige ich Ihnen den ersten Schlüssel. Ich fände es schön, wenn Sie sich etwas Zeit und Ruhe nehmen könnten, damit Sie den Inhalt fühlend verstehen, und wenn Sie sich erlauben, sich einzulassen. Ich hoffe, dass Sie Augenblicke der Erweiterung Ihrer Wahrnehmung erleben. Und dass Sie in Ihrer inneren Landschaft vielleicht sogar ein Fleckchen Neuland entdecken.

Der erste Schlüssel ist der herausforderndste. Aber sehr spannend.

Nun wünsche ich Ihnen für Ihr Weiterlesen viel Freude und Entdeckergeist!

Der erste Schlüssel

Das Bewusstsein entwickeln

Wie könnte es möglich sein, der Anstrengung des Lebenskampfes zu entkommen? Wie können wir erkennen, was eigentlich los ist mit uns und unserem Leben? Wie können wir unsere Überzeugung »Ich muss kämpfen« verändern? Denn es ist ja unser »Ich«, das denkt, es müsste kämpfen.

Unsere erste Frage lautet daher: Wen meine ich, wenn ich »Ich« sage? Wir verwenden dieses kleine Wort täglich viele Male. Gleichzeitig haben wir eine größere Instanz, die »Ich« wahrnehmen kann. Diese Instanz nennen wir das Bewusstsein.

Sie sitzen hier und lesen dieses Buch.

Wissen Sie das, weil Sie es direkt fühlen?

Oder wissen Sie es, weil Sie es denken?

Sie lesen dieses Buch.

Wer in Ihnen weiß, dass Sie hier sitzen und dieses Buch lesen? Könnten Sie auch wissen, dass Sie hier sitzen und dieses Buch lesen, wenn jemand Ihre Denkfunktion ausgeschaltet hätte?

ÜBUNG 1:

Die innere Instanz fühlen

Hier lade ich Sie ein, kurz innezuhalten.

Nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, und fühlen Sie der Instanz in sich nach, die weiß, wer »Ich« ist. Vielleicht sehen oder hören Sie auch die Instanz, die weiß, wer »Ich« ist.

Vielleicht fühlen, sehen oder hören Sie »Ich« überhaupt nicht.

Auf keine Weise.

Dann fühlen Sie bitte die Instanz in Ihnen, die »Ich« nicht spürt.

Es macht keinen Unterschied.

(Wie verrückt ist das denn, könnten Sie jetzt sagen. Aber lassen Sie sich bitte erst auf die Erfahrung ein. Das Rätsel, warum es keinen Unterschied macht, erkläre ich Ihnen am Ende des Kapitels.)

Es gibt also eine Instanz in Ihnen, die weiß oder beobachtet, wer »Ich« ist. Die Instanz in Ihnen, die weiß, wer »Ich« ist, ist Ihr Bewusstsein. Und: Die Instanz in Ihnen, die weiß, dass sie »Ich« nicht spürt, ist ebenfalls Ihr Bewusstsein.

Es ist etwas ohne Worte. Ein direktes Wissen. Ein momentaner Zustand. Ein Sein. Ganz kurz vielleicht. Ein Aufschimmern für einen Augenblick. Trauen Sie Ihrem Erleben. Sie können es in diesem Moment erfahren oder erahnen, aber schlecht beschreiben.

Wir verwenden den Begriff Bewusstsein in unserer Sprache häufig. Dennoch existiert oft Unklarheit über das, was mit Bewusstsein gemeint ist. Im Folgenden können wir uns diesem Phänomen annähern.

Unser Bewusstsein nimmt wahr, was gerade geschieht, und ist vollständig im Moment anwesend.

Die Begrenzungen des »Ich« sprengen

Das Bewusstsein gehört der Ganzheit an. Dem inneren Raum, der sich uns verschlossen hat, den wir verloren haben. Es ist viel größer als unser kleines persönliches »Ich«. Unsere Erfahrungen, die wir im ganzheitlichen Bewusstsein machen, fühlen sich völlig anders an als die Erfahrungen, die unser »Ich« macht.

Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel geben: Stellen Sie sich vor, Sie essen ein Ei. Wenn Sie das Ei bewusst essen, nehmen Sie mit allen Sinnen wahr, dass das Essen des Eies gerade geschieht. Sie erfahren sich und das Ei und das Essen als eine Erfahrung, die in diesem Augenblick geschieht.

Sie denken nicht, dass Sie ein Ei essen. Sie denken auch nicht daran, dass Sie ein Ei essen. Sie denken nicht darüber nach, dass Sie ein Ei essen.

Sie sind vollkommen anwesend in der Erfahrung, ein Ei zu essen. Ohne Kopf. Ohne Denken. Es gibt nur das: Sie erfahren sich im Ei-Essen. Direkt und unmittelbar.

Versuchen Sie einmal, es einen Moment zu erspüren: Sie erfahren sich als ein Ei-Essender.

Es ist sozusagen die totale Erfahrung. Können Sie es »kosten«, wie umfassend und tief und sinnlich eine solche Erfahrungsmöglichkeit des Lebens ist?

Vielleicht gehen Sie jetzt schnell in die Küche und kochen sich ein Ei. Funktioniert auch mit Schokolade. Oder sauren Gurken!

Aber bitte nehmen Sie mich hierbei nicht ganz ernst, denn ich scherze: Es funktioniert natürlich für jedes Essen und für absolut jede Erfahrung. In jedem Moment unseres Lebens wäre eine solche ganzheitliche und volle Erfahrung unseres Daseins möglich.

Wenn wir Menschen solche bewussten Momente haben, fühlt sich alles sehr intensiv an. Ich glaube, Sie wissen, was ich hier meine. Sie kennen bestimmt solche plötzlichen, intensiven Momente in Ihrem Leben. Sie wissen auch, wie Sie darauf reagieren, wenn Sie einen solchen Moment erlebt haben: Vielleicht in der Natur, in der Musik oder mit einem geliebten Menschen. Ziemlich sicher sind Sie glücklich und voller Energie. Warum ist das wohl so?

Ja, genau: Sie fühlen sich besonders lebendig. Es ist ein Phänomen, das wir hier feststellen und das für uns Menschen gilt:

Wenn wir vollkommen bewusst sind, dann sind wir glücklich und voller Energie.

Sie werden noch sehen, warum das wichtig ist. Nun aber zur Auflösung des Rätsels: Warum macht es für Ihr Bewusstsein keinen Unterschied, ob Sie Ihr »Ich« spüren oder nicht?

Ihr Bewusstsein ist nicht an Ihr Ich gebunden. Es ist ein Zustand, der größer ist als Ihr Ich. Es ist energetisch gesprochen ein Feld, das in allem ist und alles durchdringt. Wenn wir von »Ihrem« Bewusstsein sprechen, dann beziehen wir uns auf Ihren individuellen Anteil an diesem großen Bewusstseinsfeld.

Konnten Sie es eben für einen Augenblick spüren? Wenn nicht, dann versuchen Sie es doch noch einmal: Schließen Sie die Augen, und nehmen Sie einen tiefen Atemzug. Welche Instanz in Ihnen weiß auf irgendeine Weise, wer »Ich« ist?

Oder welche Instanz in Ihnen weiß, dass sie »Ich« nicht spürt?

Lauschen Sie nur in sich selbst hinein!

Es ist etwas ohne Worte. Ein direktes Wissen. Ein momentaner Zustand. Ein Sein. Es ist größer als Sie.

Trauen Sie Ihrem Erleben. Sie können es in diesem Moment erfahren oder erahnen, aber schlecht beschreiben.

Bewahren Sie es in Ihrem Inneren. Das Geheimnis des Bewusstseins.

Das große Feld des Bewusstseins ist fähig, alles zu erhellen und zu verwandeln. Unsere unbewussten Erfahrungen jedoch entziehen sich dieser transformierenden Kraft. Erreicht das Bewusstsein aber unsere unbewussten Ebenen, geschieht Magie.

Wir gewinnen Macht über unsere Lebenserfahrung. Welche Rolle spielt daher das Unterbewusstsein in unserer Lebenserfahrung?

Im zweiten Schlüssel lernen Sie die Ebene Ihres Unterbewusstseins kennen.

Der zweite Schlüssel

Der Körper als Datenspeicher unserer Geschichte

Als ich vor vielen Jahren meine kieferorthopädische Fachpraxis von einem in seine Heimat im Ausland zurückgekehrten Kollegen übernahm, bekam ich gleich am Anfang einen Heidenschreck: Wahrscheinlich die Hälfte der Patienten, deren Behandlungen ich weiterführen sollte, wies knackende oder reibende Kiefergelenke auf. Alarmiert erkannte ich, dass es nicht genügen würde, die Korrektur der Zahn- und Kieferstellung meiner Patienten weiterzuführen. Ich musste die Einordnung des Kausystems in den Körper ganzheitlich betrachten. Damals allerdings hatten wir an der Uni herzlich wenig über die Zusammenhänge zwischen Zahnstellung, Kiefergelenken und Körperstatik gelernt. Und so kam es, dass ich gemeinsam mit einigen Kollegen eine Forschungsgruppe gründete. Unsere intensive Lernzeit war hoch spannend. Wir reisten von Italien bis in die USA, um immer tiefere Einsichten in die Organisationsketten zusammenhängender Körperstrukturen zu gewinnen. Als Pionierin nahm ich damals einen Osteopathen in meine Praxis auf, um gemeinsam mit ihm alle Aspekte der Körperstatik unserer Patienten in meine Behandlung einzubeziehen. Unsere Arbeit war ein durchschlagender Erfolg. Denn alles hängt mit allem zusammen.

Ich stellte auch fest, dass ich ein sehr genaues Gespür dafür hatte, was meinen Patienten seelisch fehlte. Kleine Jungs mit offenen Bissen wirkten kraftlos und schwächlich, Mädchen mit Rücklagen fehlte das Selbstbewusstsein. Viele Erwachsene pressten vor lauter Stress die Zähne zusammen. Kinder mit Skoliose wurden im häuslichen Umfeld nicht geachtet. Wenn seelische Symptome im Spiel waren, erlebte ich selbst nach erfolgreichem Therapieergebnis immer wieder Rückfälle. Manchmal verschoben sich Symptome einfach auf andere Körperregionen, was nicht immer leicht zu erkennen war. Ein Mann zum Beispiel entwickelte ein Magengeschwür, nachdem die Kiefersituation von uns so behandelt worden war, dass er nicht mehr pressen konnte. Mir wurde mehr und mehr klar, welchen großen Einfluss die Seele auf den Körper nimmt. Ich war vollkommen fasziniert. Und ich fragte mich jetzt öfter: Warum mache ich als Kieferorthopädin immer noch mechanische Arbeit, während mich doch das Wachstum der Seele mittlerweile viel mehr interessiert? Ich erkannte, dass ich mich entscheiden musste.

Die Seele ist im Körper gespeichert

Die Seele ist im Körper gespeichert – als ich das vollständig begriff, gab es kein Halten mehr. Ich verkaufte meine sehr gut gehende Fachpraxis, um mich ausschließlich dem Wachstum und der Entwicklung der menschlichen Seele zu widmen, auch wenn ich noch überhaupt nicht wusste, wie ich es angehen sollte. Obwohl ich in meinem Tun wirklich sehr erfolgreich gewesen war, wollte ich die Leiden, die meine Patienten mir gezeigt hatten, in ihrer Ursache ergründen. Es musste einen Weg geben, diese ganz aufzulösen und am Ursprung zu heilen. Ich musste diesen Weg finden.

Letzten Herbst besuchte ich mit meinem Mann Gallipoli, eine kleine, alte und quirlige Stadt in Süditalien. Dort gibt es immer noch einen großen alten Fischereihafen und viele Fischer, die täglich aufs Meer fahren, um ihre Netze auszuwerfen. Wir kamen in Gallipoli an, als die Fischerboote gerade eingelaufen waren und ihren Fang am langen Kai ausstellten. Hunderte von Fischernetzen lagen herum oder waren zum Trocknen aufgehängt. Ein Netz im Besonderen zog mich in seinen Bann: Es war ein altes Netz, das an der oberen rechten und linken Ecke säuberlich und gerade an einer Holzwand aufgehängt war.

Das riesige Gebilde bestand aus einem einzigen langen Faden. Dieser Faden bildete Maschen. Im oberen Teil ergaben die einzelnen Maschen ein wunderschönes gleichmäßiges Rautenmuster. Im mittleren Abschnitt des Netzes verlor sich diese harmonische Struktur allerdings fast völlig. Als ich an einer Stelle des Fadens zog, bewegte sich das Gefüge am anderen Ende. So groß dieses Netz auch war, es war unmöglich, an einer Stelle etwas zu bewegen, was nicht eine Anpassung in weiter entfernten Arealen verursachte.

Risse in den Maschen waren geflickt und erzeugten Knoten. Der Zug zwischen den Knoten verzerrte das Maschenbild und formte Linien durch das Netz. Mein Mann und ich schnappten uns jeder eine der unteren Ecken und versuchten das Netz an vier Ecken gespannt zu halten. Das ging aber nicht. Die Spannung war viel zu groß. Im unteren Teil des Netzes war keine Nachgiebigkeit mehr vorhanden, um die ursprüngliche Form auch nur einigermaßen herzustellen.

Dieses Fischernetz entspricht der Struktur unseres Körpers. Mein Fischernetz-Vergleich verdeutlicht zwei für mich wesentliche Prinzipien, die miteinander eng verwoben sind:

Das erste Prinzip beinhaltet, dass Veränderung auf die gesamte Struktur wirkt. So wie im Fischernetz nichts beeinflusst oder bewegt werden konnte, das nicht eine Bewegung, Veränderung und Anpassung in entfernten Bereichen des Netzes bewirkt hätte, so hängt innerhalb der Struktur vom Körper und seinen Gefühlserfahrungen alles mit allem zusammen. Seele und Körper bilden eine Einheit, unser psycho-energetisches System. Man kann auch von der Körper-Seele* sprechen.

Bindegewebe, Faszien, Knochen, Knorpel und Organe – alle Gewebe funktionieren und bewegen sich harmonisch miteinander. Jedes Gewebe bewegt sich frei und gleichzeitig verbunden mit allen anderen Geweben. Sensationelles Teamwork, nicht wahr? Vollkommen eingebunden und mit klarem Auftrag – und gleichzeitig frei. Nun ist diese wunderbare Struktur aber verletzt worden. Im menschlichen Körper können rein körperliche Verletzungen vorkommen: eine Schnittwunde, ein Schlag, eine starke Krafteinwirkung wie vielleicht ein Schleudertrauma, ein Beinbruch, ein Schlaganfall. Magengeschwüre. Der Körper macht Reparaturprozesse durch. Er bildet Vernarbungen, kompensiert durch Fehlhaltung oder eine eingeschränkte Funktion, zum Beispiel humpelt man nach einem Beinbruch. Und jedes Mal entstehen den Knoten im mittleren Teil des Netzes vergleichbare Verdichtungen der Gewebestruktur. Es kann zu Verklebungen, Verwachsungen und Verzerrungen kommen. Diese erzeugen in den reibungslosen Funktionsabläufen des Körpers Störungen. Reibung, Druck und Zug entstehen im Gewebe dort, wo vorher Freiheit war. Schmerzen und das Einnehmen einer schützenden Schonhaltung können die Folge sein.

Und weiter, Sie ahnen es schon: Der Körper entwickelt diese Spannungslinien durch seine ganze Struktur hindurch. Ich nenne diese Spannungslinien Stressvektoren. Nun können Sie sich auch vorstellen, warum der Körper sich an seine Verletzungen erinnert. Und warum alles, was der Körper erlebt hat, als Erinnerung in ihm gespeichert bleibt.

An dieser Stelle berichte ich Ihnen etwas, was Sie vielleicht schlucken lässt. Das, was jetzt kommt, ist aber wieder ein Schlüssel. Etwas, was sich viele Menschen noch nicht klargemacht haben. Der menschliche Körper speichert nicht nur seine physische Geschichte. Er speichert nach demselben Muster auch seine seelische Geschichte. Alle Erfahrungen und Erlebnisse unserer Vergangenheit mit den dazugehörigen Gefühlen, Annahmen und Überzeugungen sind in unserer Körperstruktur abgelegt. Ihr Körper, liebe Leserin und lieber Leser, kennt absolut jede Ihrer Erfahrungen, auch die, die Sie schon lange vergessen haben. Das betrifft sogar solche Erfahrungen, von denen Sie meinen, dass Sie damals zu klein waren, um sie noch zu erinnern. Oder Erfahrungen, die Sie unterdrückt haben, weil Sie sie nicht fühlen wollten.

Der Körper speichert nicht nur unsere physische Lebensgeschichte, sondern auch unsere seelische.

Nun möchte ich Ihnen Hans vorstellen. Seine Geschichte ist etwas traurig, aber wir können von Hans viel lernen.

Hans verlor seinen Vater, als er ein Jahr alt war. Seine Mutter fand kurz nach dem Tod ihres Mannes einen neuen Partner. Der Stiefvater konnte mit dem kleinen Hans nicht warm werden, denn er begriff ihn als Konkurrenten um die Liebe der Mutter. Die Mutter bemühte sich sehr, ihren neuen Partner zufriedenzustellen. Sie hatte für den kleinen Hans nur wenig Aufmerksamkeit und Zuwendung übrig. Der Stiefvater gab ihm regelmäßig Ohrfeigen und strafte ihn mit Hausarrest. Die Mutter ließ alles zu. Als Hans mit Mitte 30 zu mir kam, fühlte er sich als »Loser«: unwichtig, abgelehnt und nicht liebenswert.

Die Erfahrung, immer wieder vom Stiefvater angegriffen zu werden, hatte Hans hauptsächlich in der Muskulatur seines Oberkörpers gespeichert. Vor allem im Schulter-Nacken-Bereich hatte er viel Abwehrspannung aufgebaut. Hans hatte immer den Kopf eingezogen, wenn er geohrfeigt wurde. Er ging bald dauerhaft mit eingezogenem Kopf, da er in der ständigen Erwartung der nächsten Ohrfeige lebte. Als er sich mir vorstellte, hatte er ein Jahr zuvor einen Bandscheibenvorfall am siebten Halswirbel erlitten. Immer noch hatte er stark verspannte Schultern und chronische Rückenschmerzen. Auch sein Unterbauch war sehr angespannt. Er litt unter Verdauungsbeschwerden.

Seine Trauer darüber, von der Mutter im Stich gelassen worden zu sein, hatte sich direkt im Herzmuskel niedergeschlagen. Sein Herzmuskel war kontrahiert und seine Brust hohl. Er ging vornübergebeugt.

Aus seinen Erlebnissen hatte sich in Hans seine Grundüberzeugung über sich selbst herangebildet: »Ich bin nicht wichtig und nicht liebenswert. Ich bin ein Loser.« Diese Überzeugung hatte er so verinnerlicht, dass sie ihm kaum mehr bewusst war. Es war schließlich schon immer so gewesen. Alle anderen würden es packen – er nicht.