Stefan Zweig - Gesammelte Werke - Zweig Stefan - E-Book

Stefan Zweig - Gesammelte Werke E-Book

Zweig Stefan

0,0

Beschreibung

*** NEU: Mit alphabetischem Index *** Über 8000 Seiten Mit einem einführenden Aufsatz zu Leben und Werk. Zweig, zu seinen Lebzeiten einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftsteller weltweit, wird schon früh in viele Sprachen übersetzt. Sein Werk als umfangreich zu beschreiben, grenzte an Untertreibung. Zweig ist ein Multitalent: Lyriker, Erzähler, Dramatiker und Kulturhistoriker. Stefan Zweig ist ein ebenso wortgewaltiger wie eleganter Erzähler. Vor allem seine Prosa und Biografien ("Joseph Fouché", "Marie Antoinette") finden bis heute ein Publikum. Das Gesamtwerk zeichnet sich durch viele Novellen ("Schachnovelle", "Der Amokläufer") und historisch basierten Erzählungen aus (Tolstoi, Dostojewski, Napoléon, Marie Antoinette, Freud). Alle wichtigen Werke Zweigs finden sich in dieser Sammlung ›Wissen Sie, daß ich dadurch meine Pension verliere?‹ ›Ich werde sie Ihnen entschädigen.‹ ›Sie sind sehr deutlich ... Aber ich will noch mehr Deutlichkeit. Welche Summe haben Sie als Honorar in Aussicht genommen?‹ ›Zwölftausend Gulden, zahlbar auf Scheck in Amsterdam.‹ Ich ... zitterte ... ich zitterte vor Zorn und ... ja auch vor Bewunderung. Alles hatte sie berechnet, die Summe und die Art der Zahlung, durch die ich zur Abreise genötigt war, sie hatte mich eingeschätzt und gekauft, ohne mich zu kennen, hatte über mich verfügt im Vorgefühl ihres Willens. Am liebsten hätte ich ihr ins Gesicht geschlagen ... [Ausschnitt aus "Der Amokläufer"] Auszug aus dem ausführlichen Inhaltsverzeichnis: - Stefan Zweig - Leben und Werk - Ungeduld des Herzens - Brennendes Geheimnis - Der Amokläufer - Maria Stuart - Sternstunden der Menschheit - Jeremias - Eine dramatische Dichtung in neun Bildern - Drei Dichter ihres Lebens: Casanova - Stendhal - Tolstoi - Schachnovelle - Drei Meister: Balzac - Dickens - Dostojewski - Brasilien - Ein Land der Zukunft - Der Kampf mit dem Dämon: Hölderlin - Kleist - Nietzsche - Erstes Erlebnis - Vier Geschichten aus Kinderland - Marie Antoinette u. a.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 10643

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Stefan Zweig

Gesammelte Werke

Stefan Zweig

Gesammelte Werke

 

Zusammengestellt von Jürgen Schulze

Überarbeitung, Umschlaggestaltung: Null Papier Verlag

7. Auflage, ISBN 978-3-95418-292-3

Umfang: 8520 Normseiten bzw. 13516 Buchseiten

www.null-papier.de/zweig

 

Inhaltsangabe

VORWORT ZUR FÜNFTEN AUFLAGE

VORWORT ZUR VIERTEN AUFLAGE

VORWORT ZUR DRITTEN AUFLAGE

STEFAN ZWEIG – LEBEN UND WERK

ORIGINALAUSGABEN

NOVELLEN UND ERZÄHLUNGEN

Angst

Untergang eines Herzens

Verwirrung der Gefühle

Vierundzwanzig Stunden aus dem Leben einer Frau

Leporella

Die gleich-ungleichen Schwestern

Vergessene Träume

RAUSCH DER VERWANDLUNG

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

IX.

X.

KURZE TEXTE ÜBER HISTORISCHE PERSÖNLICHKEITEN

Edmond Jaloux

Legende und Wahrheit der Beatrice Cenci

Nietzsche

Jaurès

Jakob Wassermann

Irrfahrt und Ende Piere Donchamps’

Max Herrmann-Neiße zum Gedächtnis

Rabindranath Tagores »Sadhâna«

Erinnerung an Theodor Herzl

Erinnerungen an Emile Verhaeren

Abschied von John Drinkwater

Léon Bazalgette

Montaigne

Paul Verlaines Leben

Tolstoi als religiöser und sozialer Denker

Lafcadio Hearn

Joseph Roth

Busoni

Romain Rolland

Auguste Rodin

Jens Peter Jacobsens

Romain Rolland. Geheimnis der Produktion

Walther Rathenau

Lord Byron

Frans Masereel

Anton Kippenberg

Theresa Feodorowna Ries

Bruno Walter: Kunst der Hingabe

Briefe an Frans Masereel

Arthur Schnitzler zum 60. Geburtstag

Abschied von Alexander Moissi

Arturo Toscanini

Unvergeßliches Erlebnis. Ein Tag bei Albert Schweitzer

Pour Ramuz!

Dank an Romain Rolland

Rilke

Konstantin Meunier

Abschied von Rilke

Chateaubriand

Peter Rosegger

Der Dirigent

Gustav Mahlers Wiederkehr

Marcel Prousts tragischer Lebenslauf

E.T.A. Hoffmann

Worte am Sarge Sigmund Freuds

Otto Weininger

BRIEFE AN ZEITGENOSSEN

An Richard Dehmel

An Hermann Hesse

An Hugo von Hofmannsthal

An Romain Rolland

An Emil Ludwig

An Maxim Gorki

An Arthur Schnitzler

An Max Herrmann-Neiße

An Rudolf G. Binding

An Hans Carossa

An Klaus Mann

An Joseph Roth

An René Schickele

An Richard Beer-Hofmann

An Thomas Mann

FRÜHE LYRIK

Das Mädchen

Im Feld

Sternenglaube

Im Abendpurpur

Du!

In tiefer Nacht

Vorahnung

Das fremde Lächeln

Gewährung

Ein Drängen …

Ausklang

Volksmotiv

Die Zärtlichkeiten

Lied

Hand in Hand

Abendklänge

Verflogene Sehnsucht

Die Hände

Junge Glut

Ahnung

Schneewinter

Nach Hause

Aus schweren Nächten …

Erste Schatten

Meine Liebe

Ein paar Verse …

Blauer Blick

Nun weiß ich …

Sehnsucht

Erfüllung

Linder schwebt der Stunden Reigen

Die Nacht der Gnaden

Blühen

Wie die Schwalbe …

Der Verführer

Terzinen an ein Mädchen

Neue Fülle

JEREMIAS – EINE DRAMATISCHE DICHTUNG IN NEUN BILDERN

Die Gestalten des Gedichts

Die Bilder des Gedichts

I. Die Erweckung des Profeten

II. Die Warnung

III. Das Gerücht

IV. Die Wachen auf dem Walle

V. Die Prüfung des Profeten

VI. Stimmen um Mitternacht

VII. Die letzte Not

VIII. Die Umkehr

IX. Der ewige Weg

DIE LIEBE DER ERIKA EWALD – NOVELLEN

Die Liebe der Erika Ewald

Der Stern über dem Walde

Die Wanderung

Die Wunder des Lebens

DREI DICHTER IHRES LEBENS

Casanova

Stendhal

Tolstoi

SCHACHNOVELLE

DREI MEISTER: BALZAC – DICKENS – DOSTOJEWSKI

Vorwort

Balzac

Dickens

Dostojewski

BRASILIEN

Einleitung

Geschichte

Wirtschaft

Blick auf die brasilianische Kultur

Rio de Janeiro

Einfahrt

Das alte Rio

Spazieren durch die Stadt

Die kleinen Straßen

Kunst der Kontraste

Ein paar Dinge, die morgen vielleicht schon entschwunden sind

Gärten, Berge und Inseln

Sommer in Rio

Blick auf São Paulo

Besuch beim Kaffee

Besuch hei den versunkenen Goldstädten

Flug über den Norden

Daten zur Geschichte Brasiliens

DER KAMPF MIT DEM DÄMON: HÖLDERLIN – KLEIST – NIETZSCHE

Vorwort

Hölderlin

Heinrich von Kleist

Friedrich Nietzsche

ERSTES ERLEBNIS – VIER GESCHICHTEN AUS KINDERLAND

Geschichte in der Dämmerung

Die Gouvernante

Brennendes Geheimnis

Sommernovellete

MARIE ANTOINETTE

Einleitung

Ein Kind wird verheiratet

Geheimnis des Alkovens

Debüt in Versailles

Der Kampf um ein Wort

Die Eroberung von Paris

Le Roi est mort, vive le Roi!

Bildnis eines Königspaares

Königin des Rokoko

Trianon

Die neue Gesellschaft

Der Bruder besucht seine Schwester

Mutterschaft

Die Königin wird unbeliebt

Der Blitzschlag ins Rokokotheater

Die Halsbandaffäre

Prozess und Urteil

Das Volk erwacht, die Königin erwacht

Der Sommer der Entscheidung

Die Freunde fliehen

Der Freund erscheint

War er es, war er es nicht?

Die letzte Nacht in Versailles

Der Leichenwagen der Monarchie

Selbstbesinnung

Mirabeau

Die Flucht wird vorbereitet

Die Flucht nach Varennes

Die Nacht in Varennes

Rückfahrt

Einer betrügt den Andern

Der Freund erscheint zum letzten Mal

Die Flucht in den Krieg

Die letzten Schreie

Der zehnte August

Der Temple

Marie Antoinette allein

Die letzte Einsamkeit

Die Conciergerie

Der letzte Versuch

Die große Infamie

Der Prozess beginnt

Die Verhandlung

Die letzte Fahrt

Die Totenklage

Zeittafel

Nachbemerkung

DIE HEILUNG DURCH DEN GEIST: MESMER – MARY BAKER-EDDY – FREUD

Einleitung

Franz Anton Mesmer

Mary Baker-Eddy

Sigmund Freud

DIE WELT VON GESTERN – ERINNERUNGEN EINES EUROPÄERS

Vorwort

Die Welt der Sicherheit

Die Schule im vorigen Jahrhundert

Eros Matutinus

Universitas vitae

Paris, die Stadt der ewigen Jugend

Umwege auf dem Wege zu mir selbst

Über Europa hinaus

Glanz und Schatten über Europa

Die ersten Stunden des Krieges von 1914

Der Kampf um die geistige Brüderschaft

Im Herzen Europas

Heimkehr nach Österreich

Wieder in der Welt

Sonnenuntergang

Incipit Hitler

Die Agonie des Friedens

JOSEPH FOUCHÉ – BILDNIS EINES POLITISCHEN MENSCHEN

Erstes Kapitel – Aufstieg

Zweites Kapitel – Der »Mitrailleur de Lyon«

Drittes Kapitel – Der Kampf mit Robespierre

Viertes Kapitel – Minister des Direktoriums und des Konsulats

Fünftes Kapitel – Minister des Kaisers

Sechstes Kapitel – Der Kampf gegen den Kaiser

Siebentes Kapitel – Unfreiwilliges Intermezzo

Achtes Kapitel – Der Endkampf mit Napoleon

Neuntes Kapitel – Sturz und Vergängnis

AMOK – NOVELLEN EINER LEIDENSCHAFT

Der Amokläufer

Die Frau und die Landschaft

Phantastische Nacht

Brief einer Unbekannten

Die Mondscheingasse

TRIUMPH UND TRAGIK DES ERASMUS VON ROTTERDAM

Sendung und Lebenssinn

Blick in die Zeit

Dunkle Jugend

Bildnis

Meisterjahre

Größe und Grenzen des Humanismus

Der große Gegner

Der Kampf um die Unabhängigkeit

Die große Auseinandersetzung

Das Ende

Das Vermächtnis des Erasmus

MARIA STUART

Einleitung

Dramatis personae

Erstes Kapitel – Königin in der Wiege

Zweites Kapitel – Jugend in Frankreich

Drittes Kapitel – Königin, Witwe und dennoch Königin

Viertes Kapitel – Heimkehr nach Schottland

Fünftes Kapitel – Der Stein kommt ins Rollen

Sechstes Kapitel – Großer politischer Heiratsmarkt

Siebentes Kapitel – Die zweite Heirat

Achtes Kapitel – Die Schicksalsnacht von Holyrood

Neuntes Kapitel – Die verratenen Verräter

Zehntes Kapitel – Furchtbare Verstrickung

Elftes Kapitel – Tragödie einer Leidenschaft

Zwölftes Kapitel – Der Weg zum Mord

Dreizehntes Kapitel – Quos deus perdere vult…

Vierzehntes Kapitel – Der Weg ohne Ausweg

Fünfzehntes Kapitel – Die Absetzung

Sechzehntes Kapitel – Abschied von der Freiheit

Siebzehntes Kapitel – Ein Netz wird gewoben

Achtzehntes Kapitel – Das Netz zieht sich zusammen

Neunzehntes Kapitel – Die Jahre im Schatten

Zwanzigstes Kapitel – Die letzte Runde

Einundzwanzigstes Kapitel – Es wird Schluß gemacht

Zweiundzwanzigstes Kapitel – Elisabeth gegen Elisabeth

Dreiundzwanzigstes Kapitel – »In meinem Ende ist mein Anbeginn«

Nachspiel

STERNSTUNDEN DER MENSCHHEIT

Vorwort

Flucht in die Unsterblichkeit

Die Eroberung von Byzanz

Georg Friedrich Händels Auferstehung

Das Genie einer Nacht

Die Weltminute von Waterloo

Die Marienbader Elegie

Die Entdeckung Eldorados

Heroischer Augenblick

Das Erste Wort über den Ozean

Die Flucht zu Gott

Der Kampf um den Südpol

Der versiegelte Zug

MAGELLAN

Einleitung

Navigare necesse est

Magellan in Indien

Magellan macht sich frei

Eine Idee verwirklicht sich

Ein Wille gegen tausend Widerstände

Die Ausfahrt

Die vergebliche Suche

Die Meuterei

Der große Augenblick

Magellan entdeckt sich sein Königreich

Tod vor dem letzten Triumph

Die Heimfahrt ohne Führer

Die Toten behalten unrecht

Anhang

AMERIGO – DIE GESCHICHTE EINES HISTORISCHEN IRRTUMS

Amerigo

Die historische Situation

Für zweiunddreißig Seiten Unsterblichkeit

Eine Welt erhält ihren Namen

Der große Streit beginnt

Die Dokumente mengen sich ein

Wer war Vespucci?

CASTELLIO GEGEN CALVIN

Einleitung

Die Machtergreifung Calvins

Die »discipline«

Castellio tritt auf

Der Fall Servet

Der Mord an Servet

Das Manifest der Toleranz

Ein Gewissen erhebt sich gegen die Gewalt

Die Gewalt erledigt das Gewissen

Die Pole berühren einander

UNGEDULD DES HERZENS

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

MARCELINE DESBORDES-VALMORE – DAS LEBENSBILD EINER DICHTERIN

Erster Teil. Bildnis ihres Schicksals

Zweiter Teil. Gedichte

Dritter Teil. Autobiographische Fragmente

Vierter Teil. Briefe

Fünfter Teil. Urteile der Mit- und Nachwelt

ROMAIN ROLLAND – DER MANN UND DAS WERK

Kunstwerk eines Lebens

Dramatisches Beginnen

Die heroischen Biographien

Die unvollendeten Biographien

Intermezzo scherzoso (»Meister Breugnon«)

Das Gewissen Europas

Nachlese

DIE FRÜHEN KRÄNZE – GEDICHTE

Die frühen Kränze

Die Lieder des Abends

Abendtrauer

Sehnsüchtige Melodie

Träume

Lied des Einsiedels

Überglänzte Nacht

Herbst

Der dunkle Falter

Sinkender Himmel

Graues Land

Fahrten

Sonnenaufgang in Venedig

Stille Insel (Bretagne)

Nächte am Comersee

Brügge

Stadt am See (Konstanz)

Die geneigten Krüge

Die Nacht der Gnaden. Ein Reigen Sonette

Bilder

Das Tal der Trauer

Sinnende Stunde

LEGENDEN

Rahel rechtet mit Gott

Die Augen des ewigen Bruders

Der begrabene Leuchter

Die Legende der dritten Taube

REISEBERICHTE

Europa

Rußland

DIE UNSICHTBARE SAMMLUNG – NOVELLEN

Die unsichtbare Sammlung

Buchmendel

Unvermutete Bekanntschaft mit einem Handwerk

BESPRECHUNGEN

Das Buch als Eingang zur Welt

Rückkehr zum Märchen

Goethes Leben im Gedicht

Verse eines Gottsuchers

Das Tagebuch eines halbwüchsigen Mädchens

Witikos Auferstehung

Der richtige Goethe

Anmerkungen zu Balzac

Balzacs Codices vom eleganten Leben

Zu Goethes Gedichten

Gundolfs ›Kleist‹

Das Buch als Weltbild

ABSCHIEDSBRIEF STEFAN ZWEIGS – DECLARACÃO

INDEX

DAS WEITERE VERLAGSPROGRAMM

Vorwort zur fünften Auflage

Neu hinzugekommen sind folgende 6 Erzählungen:

Angst

Untergang eines Herzens

Verwirrung der Gefühle

Vierundzwanzig Stunden aus dem Leben einer Frau

Leporella

Die gleich-ungleichen Schwestern

Ich danke meinen Lesern diesbezüglich für die Hinweise.

Als Ein-Mann-Verleger investiere ich in die Qualität meiner Veröffentlichungen und nicht in Werbung. Wenn Sie mich unterstützen möchten, schaffen Sie es am besten durch eine positive Bewertung. Und wenn es mal etwas zu kritisieren gibt, dann schreiben Sie mir doch bitte direkt, so erhalten Sie am schnellsten eine Reaktion.

Jürgen Schulze, 17.05.2016

 

Vorwort zur vierten Auflage

Liebe Leser,

auf Anregung einer Leserin habe ich mich dazu entschlossen, diese Sammlung mit einem alphabetischen Index zu versehen.

Gruß

Ihr Jürgen Schulze, Verleger, Oktober 2015

Vorwort zur dritten Auflage

Als ein netter Leser mich auf einen Fehler in der zweiten Auflage hinwies, fand ich es an der Zeit für eine neue, dritte Auflage, ergänzt um das bis dahin bei mir angefallene und „neu“ entdeckte Material:

Briefe an Zeitgenossen

Rausch der Verwandlung

Aufsätze über „Personen der Geschichte“

Vergessene Träume

Von besonderem Interesse sind meiner Meinung nach die Briefe an (zumeist) schreibende Zeitgenossen. Die erfolgreichste digitale Werksammlung zu Stefan Zweig wird so ein Stück weiter komplettiert.

Jürgen Schulze, Januar 2015

Stefan Zweig – Leben und Werk

Im Gymnasium desinteressiert sein Pensum abarbeitend, entdeckt Stefan Zweig mit der Leidenschaft des Heranwachsenden die Künste für sich. Was mit Lesen, Theater-, Galerie- und Konzertbesuchen beginnt, mündet in profunde Kennerschaft und erste eigene Gedichte. Schon im Alter von 19 Jahren ist er Künstler mit jeder Faser seines Seins – unfertig noch, aber ein Künstler.

Geliebt und geächtet

»… daß immer hinter jeder Fensterscheibe Schicksal wartet …«

Amok, Die Mondscheingasse

Am 28. November 1881 geboren, wächst Stefan als jüngerer von zwei Söhnen des begüterten Textilunternehmers Moritz Zweig in Wien auf. Die Familie der Mutter ist international, bei Familientreffen wird Italienisch, Französisch, Deutsch oder Englisch gesprochen. Die jüdische Herkunft spielt dabei keine Rolle, niemand im familiären Umfeld praktiziert die Religion. Erst der gereifte Autor wird sich darüber Gedanken machen, denn auffällig viele der Intellektuellen und Künstler Wiens stammen aus großbürgerlichem, jüdischem Hause.

Nach der Matura schreibt sich Zweig an der Universität ein, um bis 1904 Philosophie zu studieren. Das Studium ist nicht einmal Nebensache, es ist Formalität: Der Sohn soll einen Doktortitel in die Familie bringen, egal in welchem Fach. Hauptsächlich befasst er sich weiterhin mit Kultur, schreibt selbst und veröffentlicht Gedichte in Zeitschriften, bevor 1901 »Silberne Saiten« erscheint, sein erster Gedichtband.

Noch während der Studienjahre lernt er Theodor Herzl kennen, den Feuilletonchef der Neuen Freien Presse, der ihn in die Autorenriege des einflussreichen Blattes aufnimmt. Gleichwohl gesteht sich Zweig seine literarische Unreife ein. Die Erkenntnis, noch im Werden zu sein, verbindet sich während häufiger Reisen mit der Idee, anderen Künstlern zu dienen, indem er ihre Werke übersetzt. In seinen frühen Jahren überträgt er unter anderem Baudelaire, Verlaine und Émile Verhaeren in die deutsche Sprache. Es ist eine beglückende Zeit für ihn, in der er mit Künstlern und Intellektuellen Bekanntschaften oder lebenslange Freundschaften schließt.

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs ist für den seine persönliche Freiheit und das internationale Miteinander schätzenden Mann eine Zäsur, denn alles Individuelle wird unweigerlich politisiert. Nie hat Zweig in der Presse irgendeine politische Gegnerschaft bekundet. Die hysterische Begeisterung der Massen aber, die auch vor seinen Kollegen nicht haltmacht, erträgt er nicht unwidersprochen. Das nationalistische Fieber zwingt ihn zu entblößendem Spott gegenüber »umgefallenen« Intellektuellen sowie öffentlich zu einem eindeutigen Plädoyer für die Vernunft.

Als Zweig, der bis 1917 in einem Militärarchiv arbeitete und nach Entlassung aus dem Kriegsdienst in die neutrale Schweiz übersiedelte, ins besiegte Österreich zurückkehrt, schockiert ihn das Nachkriegselend. Er lässt sich in Salzburg nieder, vertrieben zwar aus dem beseligenden Zustand der Vorkriegsjahre, doch auf der Höhe seines Schaffens. In seinem Schlösschen, wo er ab 1920 mit seiner Frau und deren zwei Töchtern aus erster Ehe lebt, entstehen Novellen, Dramen und Erzählungen. Sein Haus ist gastfreundlich und international. Fast scheint es, als könnten die glücklichen Jahre wiederkehren, als wären vergangener Krieg und der Vertrag von Versailles nichts Drückendes. 1928 endlich, die Freunde waren dort und sind entweder begeistert oder angewidert, besucht der längst etablierte Schriftsteller die Sowjetunion, um mit zwiespältigen Gefühlen zurückzukehren. Seine Zuneigung gilt den Menschen und der Literatur, vor allem Meister Dostojewski und Brieffreund Gorki, der dafür sorgt, dass Zweigs Bücher auf Russisch erscheinen.

Das Glück währt bis 1933. Eben arbeitet der Autor mit Richard Strauss an der Oper »Die schweigsame Frau«, als bereits Bücher verbrannt werden und Hitler die Juden aus dem öffentlichen Leben verbannt. Kippenbergs Insel-Verlag, der bisher Zweigs Werke in deutscher Sprache veröffentlichte, darf die Schriften des Juden nicht mehr publizieren. Als 1934 sein Haus durchsucht wird, nimmt der Literat Abschied von Salzburg und Wien. Drei Reisen kann er von London aus nach Österreich unternehmen, bevor ihm zunächst die Heimat versperrt und schließlich der Pass abgenommen wird. Ein Trost ist ihm, dass zunächst ein Verlag in Wien und später ein schwedischer Verlag seine Arbeiten in deutscher Sprache herausgeben. In Deutschland und Österreich verboten, bleibt der Schriftsteller einer der weltweit meistgelesenen seiner Zeit.

Unmittelbar vor Beginn des Zweiten Weltkriegs heiratet Zweig erneut, nach Kriegsausbruch nimmt er die britische Staatsbürgerschaft an. Doch wird er mit England nicht vertraut, wieder treibt es ihn fort. Seine Reisen führen ihn dorthin, wo vielleicht Hoffnung liegt: nach Nordamerika zuerst, dann südlich bis nach Brasilien. Im Exil verfasst er die »Schachnovelle«, die Monografie »Brasilien« und »Die Welt von Gestern«. Bis ins brasilianische Petrópolis dringen die Nachrichten von der Vernichtung Europas. Als Exilant und als Kulturschaffender, der sein geistiges Fundament zerstört sieht, ist Stefan Zweig nun zwiefach entwurzelt. Der überall geliebte, in seiner Heimat aber geächtete Schriftsteller und seine Frau nehmen sich im Februar 1942 das Leben.

Was bleibt

»Mein literarisches Werk ist in der Sprache, in der ich es geschrieben, zu Asche gebrannt worden, in eben demselben Lande, wo meine Bücher Millionen Leser sich zu Freunden gemacht.« (»Die Welt von Gestern«)

Offensiver als Stefan Zweig, manche vorausschauender, beziehen zeitgenössische Literaten gerne politisch Stellung. Dass der Österreicher vermeidet, sich in der Presse zum aktuellen Geschehen zu äußern, trägt ihm das Unverständnis anderer Intellektueller ein. Sein Oeuvre freilich spiegelt sowohl konsequenten Pazifismus als auch bedingungslose Empfindsamkeit, deren Intensität seinerzeit vermutlich nur Lion Feuchtwanger teilt.

Selten rückt die Persönlichkeit des Literaten in den Vordergrund, selbst als er seine Lebenserinnerungen zu Papier bringt. Vielmehr ist »Die Welt von Gestern« ein großartiges Zeitzeugnis: der Privatmann ganz zurückgenommen, das Geschehen als Formendes bestimmend. Seine zur heutigen Schullektüre gehörende »Schachnovelle« ist eine sensibilisierende und somit im besten Sinne bildende Schrift. Die Memoiren sind noch wirksamer: Als packender Erzähler, der sein Publikum nicht freigibt, ehe es sämtliche Zumutungen durchlitten hat, schildert Zweig aus dem Gedächtnis die Begebenheiten seines Lebens. Er ist jugendlicher Kulturenthusiast, Übersetzer bewunderter Schriftsteller, reifer Autor, Pazifist und paneuropäischer Idealist, der am Ende sich doch nicht retten kann in ein gedachtes Weltbürgertum. Dass Erkenntniswille und Bewunderung nie erlahmen, dass wir die Trostlosigkeit des Verfassers erahnen müssen – letztlich, dass wir uns diesem Menschen und seinen Freunden nähern dürfen, zeitigt große Freude und tiefe Trauer.

Stefan Zweig ist ein ebenso wortgewaltiger wie eleganter Erzähler, der seine Texte radikal kürzt, um jede Langatmigkeit zu vermeiden. Insbesondere die späten, weniger ins Wort verliebten Werke sind spannend wie Krimis. Sogar in »Ungeduld des Herzens«, seinem einzigen vollendeten Roman, bannt der Autor sein Publikum mittels eines virtuosen Spannungsbogens. Man liest diese Bücher wie ein Ertrinkender: Kaum, dass man einen Moment Atem schöpft, drängen sie wieder hinab.

Originalausgaben

Chronologisch

(* markiert Veröffentlichung in diese Sammlung, Quelle dieser Übersicht: Wikipedia)

Silberne Saiten. Gedichte. 1901*

Die Philosophie des Hippolyte Taine. Dissertation, 1904

Die Liebe der Erika Ewald. Novellen. Buchschmuck v. Hugo Steiner-Prag, Fleischel & Co., Berlin 1904*

Die frühen Kränze. Gedichte. Insel, Leipzig 1906*

Tersites. Ein Trauerspiel. In drei Aufzügen, Leipzig 1907

Emile Verhaeren. Leipzig 1910

Erstes Erlebnis. Vier Geschichten aus Kinderland: Geschichte in der Dämmerung. Die Gouvernante. Brennendes Geheimnis. Sommernovellette, Insel, Leipzig 1911*

Das Haus am Meer. Ein Schauspiel in zwei Teilen. (In drei Aufzügen) Leipzig 1912

Der verwandelte Komödiant. Ein Spiel aus dem deutschen Rokoko. Leipzig 1913

Jeremias. Eine dramatische Dichtung in neun Bildern. Leipzig 1917*

Erinnerungen an Emile Verhaeren, Privatdruck 1917

Das Herz Europas. Ein Besuch im Genfer Roten Kreuz. Umschlagzeichnung von Frans Masereel, Rascher, Zürich 1918

Legende eines Lebens. Ein Kammerspiel in drei Aufzügen. Insel, Leipzig 1919

Fahrten. Landschaften und Städte. Tal, Leipzig und Wien 1919

Drei Meister: Balzac – Dickens – Dostojewski. (= Die Baumeister der Welt. Versuch einer Typologie des Geistes, Band 1), Insel, Leipzig 1920*

Marceline Desbordes-Valmore. Das Lebensbild einer Dichterin. Mit Übertragungen von Gisela Etzel-Kühn, Leipzig 1920*

Der Zwang. Eine Novelle, Insel, Leipzig 1920*

Romain Rolland. Der Mann und das Werk. Rütten & Loening, Frankfurt 1921*

Amok. Novellen einer Leidenschaft. Insel, Leipzig 1922*

Die Augen des ewigen Bruders. Eine Legende. Leipzig 1922*

Phantastische Nacht. Erzählung. Die Neue Rundschau. Jahrgang 33. Berlin 1922*

Frans Masereel (mit Arthur Holitscher), Axel Juncker, Berlin 1923

Die gesammelten Gedichte. Insel, Leipzig 1924

Die Monotonisierung der Welt. Essay. Berliner Börsen-Courier 1. Febr.1925

Angst. Novelle. Mit Nachwort von E. H. Rainalter, Reclam, Leipzig 1925*

Der Kampf mit dem Dämon. Hölderlin – Kleist – Nietzsche. (= Die Baumeister der Welt, Band 2), Insel, Leipzig 1925*

Ben Johnson’s »Volpone«. Eine lieblose Komödie in drei Akten. Frei bearbeitet von Stefan Zweig. Mit sechs Bildern nach Aubrey Beardsley, Kiepenheuer, Potsdam 1926

Der Flüchtling. Episode vom Genfer See. Bücherlotterie, Leipzig 1927

Abschied von Rilke. Eine Rede. Wunderlich, Tübingen 1927

Verwirrung der Gefühle. Drei Novellen. (Vierundzwanzig Stunden aus dem Leben einer Frau, Untergang eines Herzens, Verwirrung der Gefühle) Insel, Leipzig 1927*

Sternstunden der Menschheit. Fünf historische Miniaturen. Leipzig, 1927*

Drei Dichter ihres Lebens. Casanova – Stendhal – Tolstoi. (= Die Baumeister der Welt, Band 3), Insel, Leipzig 1928*

Rahel rechtet mit Gott. In: Insel-Almanach auf das Jahr 1929, S. 112–131, Insel, Leipzig 1928*

Joseph Fouché. Bildnis eines politischen Menschen. Insel, Leipzig 1929*

Das Lamm des Armen. Tragikomödie in drei Akten. (neun Bildern), Insel, Leipzig 1929

Vier Erzählungen. (Die unsichtbare Sammlung*. Episode am Genfer See. Leporella. Buchmendel*). Insel, Leipzig 1929 (Insel Bücherei Band 408, 1. Aufl.) 96 Seiten

Die Heilung durch den Geist. Mesmer – Mary Baker Eddy – Freud. Leipzig 1931*

Marie Antoinette. Bildnis eines mittleren Charakters. Leipzig 1932

Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam. Herbert Reichner, Wien 1934*

Die schweigsame Frau. Komische Oper in drei Aufzügen. Libretto, frei nach der Komödie Epicoene, or The Silent Woman von Ben Jonson. Musik von Richard Strauss. Fürstner, Berlin 1935. UA 24. Juni 1935 Dresden (Staatsoper)

Maria Stuart. Reichner, Wien 1935*

Gesammelte Erzählungen, 2 Bände (Band 1: Die Kette, Band 2: Kaleidoskop), Wien 1936

Castellio gegen Calvin oder. Ein Gewissen gegen die Gewalt, Wien 1936*

Der begrabene Leuchter. Novelle. Wien 1937*

Begegnungen mit Menschen, Büchern, Städten, Wien 1937

Magellan. Der Mann und seine Tat. Wien 1938*

Ungeduld des Herzens. Roman. Bermann-Fischer/Allert de Lange, Stockholm/Amsterdam 1939*

Brasilien. Ein Land der Zukunft. Bermann-Fischer, Stockholm 1941*

Schachnovelle. Buenos Aires 1942*

Zeit und Welt. Gesammelte Aufsätze und Vorträge 1904–1940. (u.A. Das Geheimnis des künstlerischen Schaffens 1938 London) Bermann-Fischer, Stockholm 1943

Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers. Stockholm 1942*

Amerigo. Die Geschichte eines historischen Irrtums. Stockholm 1944*

Legenden Stockholm 1945*

Balzac. Roman seines Lebens. Hrsg. Richard Friedenthal, Stockholm 1946

Fragment einer Novelle. Hrsg. Erich Fitzenbauer. Mit 4 Original-Lithographien von Hans Fronius, Wien 1961

Rausch der Verwandlung. Roman. Aus dem Nachlass hrsg. v. Knut Beck 1982*

Novellen und Erzählungen

Angst

Zuerst erschienen: Berlin: H. S. Hermann 1920

Als Frau Irene die Treppe von der Wohnung ihres Geliebten hinabstieg, packte sie mit einem Male wieder jene sinnlose Angst. Ein schwarzer Kreisel surrte plötzlich vor ihren Augen, die Knie froren zu entsetzlicher Starre, und hastig mußte sie sich am Geländer festhalten, um nicht jählings nach vorne zu fallen. Es war nicht das erstemal, daß sie den gefahrvollen Besuch wagte, dieser jähe Schauer ihr keineswegs fremd, immer unterlag sie trotz aller innerlichen Gegenwehr bei jeder Heimkehr solchen grundlosen Anfällen unsinniger und lächerlicher Angst. Der Weg zum Rendezvous war unbedenklich leichter. Da ließ sie den Wagen an der Straßenecke halten, lief hastig und ohne aufzuschauen die wenigen Schritte bis zum Haustor und dann die Stufen eilend empor, wußte sie doch, er warte schon innen auf sie hinter der rasch geöffneten Tür, und diese erste Angst, in der doch auch Ungeduld brannte, zerfloß heiß in einer grüßenden Umarmung. Aber dann, wenn sie heim wollte, stieg es fröstelnd auf, dies andere geheimnisvolle Grauen, nun wirr gemengt mit dem Schauer der Schuld und jenem törichten Wahn, jeder fremde Blick auf der Straße vermöchte ihr abzulesen, woher sie käme, und mit frechem Lächeln ihre Verwirrung erwidern. Noch die letzten Minuten in seiner Nähe waren schon vergiftet von der steigenden Unruhe dieses Vorgefühls; im Fortwollen zitterten ihre Hände vor nervöser Eile, zerstreut fing sie seine Worte auf und wehrte hastig den Nachzüglern seiner Leidenschaft; fort, nur fort wollte dann immer schon alles in ihr, aus seiner Wohnung, seinem Haus, aus dem Abenteuer in ihre ruhige bürgerliche Welt zurück. Kaum wagte sie in den Spiegel zu schauen, aus Furcht vor dem Mißtrauen im eigenen Blick, und doch war es nötig zu prüfen, ob nichts an ihrer Kleidung die Leidenschaft der Stunde durch Verwirrung verriete. Dann kamen noch jene letzten, vergeblich beruhigenden Worte, die sie vor Aufregung kaum hörte, und jene horchende Sekunde hinter der bergenden Tür, ob niemand die Treppe hinauf und hinab ginge. Draußen aber stand schon die Angst, ungeduldig sie anzufassen, und hemmte ihr so herrisch den Herzschlag, daß sie immer schon atemlos die wenigen Stufen niederstieg, bis sie die nervös zusammengeraffte Kraft versagen fühlte.

Eine Minute stand sie so mit geschlossenen Augen und atmete die dämmerige Kühle des Treppenhauses gierig ein. Da fiel von einem oberen Stockwerk eine Tür ins Schloß, erschreckt raffte sie sich zusammen und hastete, indes ihre Hände unwillkürlich den dichten Schleier noch fester zusammenrafften, die Stufen hinab. Jetzt drohte noch jener letzte furchtbarste Moment, das Grauen, aus fremdem Haustor auf die Straße zu treten und vielleicht in die vordringliche Frage eines vorübergehenden Bekannten hinein, woher sie käme, in die Verwirrung und Gefahr einer Lüge: sie senkte den Kopf wie ein Springer beim Anlauf und eilte mit jähem Entschluß gegen das halboffene Tor.

Da stieß sie hart mit einer Frauensperson zusammen, die offenbar eben eintreten wollte. »Pardon«, sagte sie verlegen und mühte sich, rasch an ihr vorbeizukommen. Aber die Person sperrte ihr breit die Tür und starrte sie zornig und zugleich mit unverstelltem Hohn an. »Daß ich Sie nur einmal erwische!«, schrie sie ganz unbekümmert mit einer derben Stimme. »Natürlich, eine anständige Frau, eine sogenannte! Das hat nicht genug an einem Mann und dem vielen Geld und an allem, das muß noch einem armen Mädel ihren Geliebten abspenstig machen …«

»Um Gottes willen … was haben Sie … Sie irren sich …«, stammelte Frau Irene und machte einen linkischen Versuch durchzuwischen, aber die Person pfropfte ihren massigen Körper breit in die Tür und keifte ihr grell entgegen: »Nein, ich irre mich nicht … ich kenne Sie … Sie kommen von Eduard, meinem Freund … Jetzt habe ich Sie endlich einmal erwischt, jetzt weiß ich, warum er so wenig Zeit für mich in der letzten Zeit hat … Wegen Ihnen also … Sie gemeine …!«

»Um Gottes willen«, unterbrach sie Frau Irene mit erlöschender Stimme, »schreien Sie doch nicht so«, und trat unwillkürlich in den Hausflur wieder zurück. Die Frau sah sie höhnisch an. Diese schlotternde Angst, diese sichtliche Hilflosigkeit schien ihr irgendwie wohlzutun, denn mit einem selbstbewußten und spöttisch zufriedenen Lächeln musterte sie jetzt ihr Opfer. Ihre Stimme wurde vor gemeinem Wohlbehagen ganz breit und beinahe behäbig.

»So sehen sie also aus, diese verheirateten Damen, die nobeln, vornehmen Damen, wenn sie einem die Männer stehlen gehen. Verschleiert, natürlich verschleiert, damit man nachher überall die anständige Frau spielen kann…«

»Was … was wollen Sie denn von mir?… Ich kenne Sie ja gar nicht … Ich muß fort …«

»Fort… ja natürlich … zum Herrn Gemahl … in die warme Stube, die vornehme Dame spielen und sich auskleiden lassen von den Dienstboten… Aber was unsereiner treibt, ob das krepiert vor Hunger, das schert ja so eine vornehme Dame nicht… So einer stehlen sie auch das letzte, diese anständigen Frauen…«

Irene gab sich einen Ruck und griff, einer vagen Eingebung gehorchend, in ihr Portemonnaie und faßte, was ihr gerade an Banknoten in die Hand kam. »Da … da haben Sie … aber lassen Sie mich jetzt… Ich komme nie mehr her … ich schwöre es Ihnen.«

Mit einem bösen Blick nahm die Person das Geld. »Luder«, murmelte sie dabei. Frau Irene zuckte unter dem Wort zusammen, aber sie sah, daß die andere ihr die Tür freigab und stürzte hinaus, dumpf und atemlos, wie ein Selbstmörder vom Turm. Sie spürte Gesichter als verzerrte Fratzen vorbeigleiten, wie sie vorwärts lief, und rang sich mühsam mit schon verdunkeltem Blick durch bis zu einem Automobil, das an der Ecke stand. Wie eine Masse warf sie ihren Körper in die Kissen, dann wurde alles in ihr starr und regunglos, und als der Chauffeur endlich verwundert den sonderbaren Fahrgast fragte, wohin der Weg ginge, starrte sie ihn einen Augenblick ganz leer an, bis ihr benommenes Gehirn seine Worte schließlich erfaßte. »Zum Südbahnhof«, stieß sie dann hastig heraus und, plötzlich vom Gedanken erfaßt, die Person könnte ihr folgen, »rasch, rasch, fahren Sie schnell!«

In der Fahrt erst spürte sie, wie sehr diese Begegnung sie ins Herz getroffen hatte. Sie tastete ihre Hände an, die erstarrt und kalt wie abgestorbene Dinge an ihrem Körper niederhingen, und begann mit einem Male so zu zittern, daß es sie schüttelte. In der Kehle klomm etwas Bitteres empor, sie spürte Brechreiz und zugleich eine sinnlose, dumpfe Wut, die wie ein Krampf das Innere ihrer Brust herauswühlen wollte. Am liebsten hätte sie geschrien oder mit den Fäusten getobt, sich freizumachen von dem Grauen dieser Erinnerung, die fest wie ein Angelhaken in ihrem Gehirn saß, dieses wüste Gesicht mit seinem höhnischen Lachen, dieser Dunst von Gemeinheit, der aufstieg vom schlechten Atem der Proletarierin, dieser wüste Mund, der voll Haß ihr hart bis ins Gesicht die niedrigen Worte gespien, und die gehobene rote Faust, mit der sie ihr gedroht hatte. Immer stärker wurde das Übelkeitsgefühl, immer höher klomm es in die Kehle, dazu schleuderte der rasch rollende Wagen hin und her, und eben wollte sie dem Chauffeur bedeuten, langsamer zu fahren, als ihr noch rechtzeitig einfiel, sie hätte vielleicht nicht mehr genug Geld bei sich, ihn zu bezahlen, da sie doch alle Banknoten an diese Erpresserin gegeben. Hastig gab sie das Signal zum Halten und stieg zu neuerlicher Verwunderung des Chauffeurs plötzlich aus. Glücklicherweise reichte der Rest ihres Geldes. Aber dann fand sie sich in einen fremden Bezirk verschlagen, in einem Geschiebe geschäftiger Menschen, die ihr physisch weh taten mit jedem Wort und jedem Blick. Dabei waren ihre Knie wie aufgeweicht von der Angst und trugen unwillig die Schritte vorwärts, aber sie mußte heim, und alle Energie zusammenraffend, stieß sie sich von Gasse zu Gasse fort mit einer übermenschlichen Anstrengung, als ob sie durch einen Morast watete oder knietiefen Schnee. Endlich kam sie zu ihrem Hause und stürzte mit einer nervösen Hast, die sie aber sofort wieder mäßigte, um nicht durch ihre Unruhe aufzufallen, die Treppe hinauf.

Jetzt erst, da ihr das Dienstmädchen den Mantel abnahm, sie nebenan ihren kleinen Knaben mit der jüngeren Schwester laut spielen hörte und der beruhigte Blick überall Eigenes faßte, Eigentum und Geborgenheit, gewann sie wieder einen äußeren Schein von der Gefaßtheit zurück, indes unterirdisch die Woge der Erregung noch schmerzhaft die gespannte Brust durchrollte. Sie nahm den Schleier ab, glättete mit dem starken Willen, arglos zu scheinen, ihr Gesicht und trat in das Speisezimmer, wo ihr Mann bei dem abendlich gedeckten Tisch die Zeitung las.

»Spät, spät, liebe Irene«, grüßte er mit sanftem Vorwurf, stand auf und küßte sie auf die Wange, was ihr unwillkürlich ein peinliches Gefühl der Scham erweckte. Sie setzten sich zu Tische, und gleichgültig, kaum von der Zeitung weg, fragte er: »Wo warst du so lange?«

»Ich war … bei … bei Amelie … sie mußte da noch etwas besorgen … und ich ging mit«, ergänzte sie und schon zornig über die eigene Unbedachtsamkeit, so schlecht gelogen zu haben. Sonst rüstete sie immer im voraus eine sorgfältig ausgeklügelte, allen Möglichkeiten der Überprüfung trotzende Lüge, heute aber hatte die Angst sie daran vergessen lassen und zu einer so ungeschickten Improvisation gezwungen. Wenn, fuhr es ihr durch den Sinn, ihr Mann, wie jüngst in dem Stück, das sie im Theater sahen, hintelefonierte und sich erkundigte …

»Was hast du denn? … Du scheinst mir so nervös … und warum nimmst du denn den Hut nicht ab?«, fragte ihr Mann. Sie schrak zusammen, als sie sich neuerdings in ihrer Verlegenheit ertappt fühlte, stand eilig auf, ging in ihr Zimmer, den Hut abzunehmen, und sah dabei im Spiegel ihr unruhiges Auge so lange an, bis der Blick ihr wieder sicher und fest schien. Dann kehrte sie in das Speisezimmer zurück.

Das Mädchen kam mit der Abendmahlzeit, und es wurde ein Abend wie alle anderen, vielleicht etwas mehr wortkarg und weniger gesellig als sonst, ein Abend mit einem armen, müden, oft hinstolpernden Gespräch. Ihre Gedanken wanderten den Weg unablässig zurück und schraken immer entsetzt empor, wenn sie zu jener Minute kamen, in die grauenhafte Nähe der Erpresserin: dann hob sie immer den Blick, um sich geborgen zu fühlen, griff Ding um Ding der beseelten Nähe, jedes durch Erinnerung und Bedeutung in die Zimmer gestellt, zärtlich an, und eine leichte Beruhigung kehrte in sie zurück. Und die Wanduhr, gemächlich mit ihrem stählernen Schritt das Schweigen durchschreitend, gab ihrem Herzen unmerklich wieder etwas von seinem gleichmäßigen, sorglos-sicheren Takt.

Am nächsten Morgen, als ihr Mann in seine Kanzlei, die Kinder spazierengegangen waren und sie endlich mit sich allein blieb, verlor im klaren Vormittagslicht jene schreckhafte Begegnung bei nachträglicher Überprüfung viel von ihrer Beängstigung. Frau Irene besann sich zunächst, daß ihr Schleier sehr dicht und es jener Person dadurch unmöglich gewesen war, die Züge ihres Gesichtes genau wahrzunehmen und wiedererkennen zu können. Ruhig erwog sie nun alle Maßnahmen der Vorbeugung. Auf keinen Fall würde sie ihren Geliebten nochmals in seiner Wohnung aufsuchen – und damit war wohl die eheste Möglichkeit eines solchen Überfalls beseitigt. Blieb also nur die Gefahr einer zufälligen Wiederbegegnung mit dieser Person, doch auch eine solche war unwahrscheinlich, denn nachgefolgt konnte sie ihr, die doch im Automobil geflüchtet war, nicht sein. Name und Wohnung waren ihr fremd und ein sonstiges zuverlässiges Erkennen nach dem undeutlichen Gesichtsbilde nicht zu befürchten. Aber auch für diesen äußersten Fall war Frau Irene gerüstet. Dann, nicht mehr im Schraubstock der Angst, würde sie einfach, so beschloß sie sofort, ruhige Haltung bewahren, alles ableugnen, kühl einen Irrtum behaupten und, da ein Beweis jenes Besuches anders als zur Stelle kaum zu erbringen war, diese Person eventuell der Erpressung bezichtigen. Nicht umsonst war Frau Irene die Gattin eines der bekanntesten Verteidiger der Residenz, sie wußte genug aus dessen Gesprächen mit Fachkollegen, daß Erpressungen nur sofort und durch größte Kaltblütigkeit gedrosselt werden könnten, weil jede Verzögerung, jeder Schein von Unruhe von seiten des Verfolgten die Überlegenheit seines Gegners nur steigert.

Die erste Gegenmaßregel war ein knapper Brief an ihren Geliebten, sie könne morgen zur vereinbarten Stunde nicht kommen, auch in den nächsten Tagen nicht. Beim Überlesen schien ihr das Billett, in dem sie zum erstenmal ihre Schrift verstellte, etwas frostig im Ton, und schon wollte sie die ungefälligen Worte durch intimere ersetzen, als die Erinnerung an die gestrige Begegnung plötzlich einen unterirdisch regen Groll, der unbewußt die Kälte der Zeilen verschuldet hatte, ihr erklärte. Ihr Stolz war gereizt durch jene peinliche Entdeckung, in der Gunst ihres Liebhabers eine so niedere und unwürdige Vorgängerin abgelöst zu haben, und mit gehässigerem Gefühl die Worte prüfend, freute sie sich nun rachsüchtig der kühlen Art, mit der sie ihr Kommen darin gewissermaßen in die Sphäre ihrer gütigen Laune erhob.

Sie hatte diesen jungen Menschen, einen Pianisten von Ruf, in einem freilich noch begrenzten Kreise, bei einer gelegentlichen Abendunterhaltung kennengelernt und war bald, ohne es recht zu wollen und beinahe ohne es zu begreifen, seine Geliebte geworden. Nichts in ihrem Blute hatte eigentlich nach dem seinen verlangt, nichts Sinnliches und kaum ein Geistiges sie seinem Körper verbunden: sie hatte sich ihm hingegeben, ohne seiner zu bedürfen oder ihn nur stark zu begehren, aus einer gewissen Trägheit des Widerstandes gegen seinen Willen und einer Art unruhigen Neugier. Nichts in ihr, weder ihr durch eheliches Glück voll befriedigtes Blut, noch das bei Frauen so häufige Gefühl, in ihren geistigen Interessen zu verkümmern, hatte ihr einen Liebhaber zum Bedürfnis gemacht, sie war vollkommen glücklich an der Seite eines begüterten, geistig ihr überlegenen Gatten, zweier Kinder, träge und zufrieden gebettet in ihrer behaglichen, breitbürgerlichen, windstillen Existenz. Aber es gibt eine Schlaffheit der Atmosphäre, die ebenso sinnlich macht als Schwüle oder Sturm, eine Wohltemperiertheit des Glückes, die aufreizender ist als Unglück, und für viele Frauen durch ihre Wunschlosigkeit ebenso verhängnisvoll als eine dauernde Unbefriedigung durch Hoffnungslosigkeit. Sattheit reizt nicht minder wie Hunger, und das Gefahrlose, Gesicherte ihres Lebens gab ihr Neugier nach dem Abenteuer. Nirgends war Widerstand in ihrer Existenz. Überall griff sie ins Weiche, überall war Vorsorglichkeit, Zärtlichkeit, laue Liebe und häusliche Achtung hingebreitet, und ohne zu ahnen, daß diese Gemäßigtheit der Existenz niemals von äußeren Dingen bemessen wird, sondern immer nur Widerspiel einer inneren Beziehungslosigkeit ist, fühlte sie sich irgendwie um das wirkliche Leben durch diese Behaglichkeit betrogen.

Ihre dämmernden Mädchenträume von der großen Liebe und der Ekstase des Gefühls, eingeschläfert von den freundlichen Beruhigungen der ersten Ehejahre und dem spielhaften Reiz junger Mütterlichkeit, begannen jetzt, da sie sich dem dreißigsten Jahre näherte, wieder zu erwachen, und wie jede Frau maß sie sich innerlich die Fähigkeit zu großer Leidenschaft bei, ohne aber dem Willen zum Erleben den Mut beizugesellen, der das Abenteuer mit seinem wahrhaften Preis, der Gefahr, bezahlt. Als ihr nun in diesen Augenblicken einer Zufriedenheit, die sie selbst nicht zu steigern vermochte, dieser junge Mensch mit starkem, unverhehltem Begehren sich ihr näherte und, von der Romantik der Kunst umwittert, in ihre bürgerliche Welt trat, wo sonst die Männer nur mit lauen Späßen und kleinen Koketterien die »schöne Frau« in ihr respektvoll feierten, ohne je ernstlich das Weib in ihr zu begehren, fühlte sie sich zum erstenmal seit ihren Mädchentagen wieder in ihrem Innersten gereizt. An seinem Wesen hatte sie vielleicht nichts verlockt als ein Schatten von Trauer, der über seinem etwas zu interessant arrangierten Gesicht lag und von dem sie nicht zu unterscheiden wußte, daß er eigentlich ebenso erlernt sei wie das Technische seiner Kunst und jene melancholisch verdüsterte Nachdenklichkeit, aus der er ein (längst vorausstudiertes) Impromptu erhob. In dieser Traurigkeit lag für sie, die sich von lauter satten und bürgerlichen Menschen umringt fühlte, eine Ahnung jener höheren Welt, die ihr farbig aus den Büchern entgegenblickte und romantisch in den Theaterstücken sich regte, und unwillkürlich beugte sie sich über den Rand ihrer täglichen Gefühle, um sie zu betrachten. Ein Kompliment, aus der Hingerissenheit der Sekunde, vielleicht etwas heißer als schicklich dargebracht, ließ ihn vom Klavier zu der Frau aufschauen, und schon dieser erste Blick griff nach ihr. Sie erschrak und fühlte gleichzeitig die Wollust aller Angst: ein Gespräch, in dem alles wie von unterirdischen Flammen durchleuchtet und erhitzt schien, beschäftigte und reizte ihre nun schon rege Neugier so sehr, daß sie einer neuerlichen Begegnung in einem öffentlichen Konzert nicht auswich. Sie sahen sich dann öfter, und bald nicht mehr durch Zufall. Der Ehrgeiz, daß sie, die ihrem musikalischen Urteil bisher wenig Wert zugemutet hatte und mit Recht ihrem künstlerischen Gefühl Bedeutung versagte, ihm, einem wirklichen Künstler, als Verstehende und Beratende viel bedeute, wie er ihr wiederholt versicherte, ließ sie wenige Wochen später voreilig seinem Vorschlage vertrauen, er wolle ihr und nur ihr allein sein neuestes Werk bei sich vorspielen – ein Versprechen, das in seiner Absicht vielleicht halb aufrichtig war, aber doch in Küssen und schließlich ihrer überraschten Hingabe unterging. Ihr erstes Gefühl war Erschrecken vor dieser unerwarteten Wendung ins Sinnliche, der geheimnisvolle Schauer, der diese Beziehung umwitterte, war jählings gebrochen, und das Schuldbewußtsein für diesen ungewollten Ehebruch wurde nur teilweise beruhigt durch die prickelnde Eitelkeit, zum erstenmal durch einen, wie sie glaubte, eigenen Entschluß die bürgerliche Welt, in der sie lebte, verneint zu haben. Den Schauer vor ihrer eigenen Schlechtigkeit, der sie in den ersten Tagen erschreckte, verwandelte ihre Eitelkeit so in gesteigerten Stolz. Aber auch diese geheimnisvollen Erregungen hatten ihre volle Spannung nur in den ersten Augenblicken. Ihr Instinkt wehrte sich unterirdisch gegen diesen Menschen und am meisten gegen das Neue in ihm, das Andersartige, das ihre Neugier eigentlich verlockt hatte. Die Extravaganz seiner Kleidung, das Zigeunerische seines Hausstandes, das Ungeregelte seiner finanziellen Existenz, die zwischen Verschwendung und Verlegenheit ewig pendelte, waren ihrem bourgeoisen Empfinden antipathisch; wie die meisten Frauen wollten sie den Künstler sehr romantisch von der Ferne und sehr gesittet im persönlichen Umgang, ein funkelndes Raubtier, aber hinter den Eisenstäben der Sitte. Die Leidenschaft, die sie an seinem Spiel berauschte, beunruhigte in seiner körperlichen Nähe, sie mochte eigentlich diese plötzlichen und herrischen Umarmungen nicht, deren eigenwillige Rücksichtslosigkeit sie unwillkürlich mit der nach Jahren noch scheuen und verehrungsvollen Glut ihres Mannes verglich. Aber nun sie einmal in die Untreue geraten war, kam sie wieder und wieder zu ihm, ohne beglückt, ohne enttäuscht zu sein, aus einem gewissen Gefühl der Verpflichtung und einer Trägheit der Gewöhnung. Sie war eine jener Frauen, die selbst unter den leichtsinnigen und sogar den Kokotten nicht selten sind, deren innere Bürgerlichkeit so stark ist, daß sie selbst in den Ehebruch eine Ordnung, in die Ausschweifung eine Art Häuslichkeit mitbringen und selbst das seltenste Gefühl mit geduldiger Maske in eine Alltäglichkeit zu verspinnen suchen. Nach wenigen Wochen schon paßte sie diesen jungen Menschen, ihren Geliebten, irgendwo säuberlich in ihr Leben ein, bestimmte ihm, so wie ihren Schwiegereltern, einen Tag in der Woche, aber sie gab mit dieser neuen Beziehung nichts von ihrer alten Ordnung auf, sondern legte nur gewissermaßen ihrem Leben etwas hinzu. Dieser Geliebte änderte bald gar nichts mehr am behaglichen Mechanismus ihrer Existenz, er wurde irgendein Zuwachs von temperiertem Glück, wie ein drittes Kind oder ein Automobil, und das Abenteuer schien ihr bald so banal wie der erlaubte Genuß.

Das erstemal nun, da sie das Abenteuer mit seinem wirklichen Preis, der Gefahr, bezahlen sollte, begann sie kleinlich auf seinen Wert zu berechnen. Vom Schicksal verwöhnt, verzärtelt von ihrer Familie, fast wunschlos gemacht durch günstige Vermögensverhältnisse, schien schon die erste Unbequemlichkeit ihrer Wehleidigkeit zu viel. Sie weigerte sich sofort, etwas von ihrer seelischen Sorglosigkeit herzugeben, und war eigentlich ohne Überlegung bereit, den Geliebten ihrer Gemächlichkeit zu opfern.

Die Antwort ihres Geliebten, ein aufgeschreckter, nervös hingestammelter Brief, noch am Nachmittag von einem Boten überbracht, ein Brief, der verstört flehte, klagte und anklagte, machte sie wieder unsicher in ihrem Entschluß, das Abenteuer zu enden, weil diese Gier ihrer Eitelkeit schmeichelte und sie durch seine ekstatische Verzweiflung entzückte. Ihr Geliebter bat sie in dringendsten Worten wenigstens um eine flüchtige Begegnung, damit er doch wenigstens seine Schuld aufklären könne, falls er sie durch irgend etwas unwissend verletzt haben sollte, und nun reizte sie das neue Spiel, weiter mit ihm zu schmollen und durch unmotiviertes Verweigern sich ihm noch kostbarer zu machen. Sie empfand sich jetzt inmitten einer Aufregung, und das tat ihr, wie allen innerlich kühlen Menschen, wohl, umbrandet zu sein von Leidenschaften und doch selbst nicht zu brennen. So bestellte sie ihn in eine Konditorei, von der sie sich plötzlich wieder erinnerte, dort als junges Mädchen ein Rendezvous mit einem Schauspieler gehabt zu haben, eines freilich, das ihr jetzt kindisch dünkte, in seiner Ehrerbietung und Sorglosigkeit. Seltsam, lächelte sie in sich hinein, daß die Romantik in ihrem Leben jetzt wieder aufzublühen begann, die in all den Jahren ihrer Ehe verkümmert war. Und beinahe war sie schon jener brüsken Begegnung mit der Weibsperson von gestern innerlich froh, bei der sie seit langem wieder ein wirkliches Gefühl so stark und stimulierend empfunden hatte, daß ihre sonst ganz leicht entspannten Nerven noch unterirdisch davon bebten.

Sie nahm diesmal ein dunkles, unauffälliges Kleid und einen anderen Hut, um bei der möglichen Begegnung die Erinnerung jener Person irrezumachen. Einen Schleier hatte sie schon bereit, um sich unkenntlicher zu machen, aber ein plötzlich aufsteigender Trotz ließ sie ihn beiseite legen. Sollte sie es denn nicht wagen dürfen, sie, eine geachtete, angesehene Frau, auf die Straße zu gehen, aus Angst vor irgendeiner Person, die sie gar nicht kannte? Und schon mengte sich der Furcht vor der Gefahr ein fremdartig lockender Reiz, eine kampfbereite, gefährlich prickelnde Lust, ähnlich der, mit den Fingern die kühle Schneide eines Dolches zu fühlen oder in die Mündung eines Revolvers zu schauen, in dessen schwarzer Hülse der Tod zusammengepreßt sitzt. In diesem Schauer des Abenteuers war etwas ihrem geborgenen Leben Ungewohntes, dem wieder nahe zu sein es sie spielhaft verlockte, eine Sensation, die ihre Nerven jetzt wundervoll spannte und elektrische Funken durch ihr Blut sprühte.

Ein flüchtiges Angstgefühl überflog sie nur in der ersten Sekunde, da sie die Straße betrat, ein nervöser Schauer von rieselnder Kälte, wie wenn man die Fußspitze prüfend ins Wasser taucht, ehe man sich der Welle voll hingibt. Aber eine Sekunde bloß flog diese Kühle durch sie hin, dann rauschte mit einemmal in ihr eine seltene Lebensfreude auf, die Lust, so leicht, stark und elastisch auszuschreiten, mit einem gespannten, gehobenen Schritt, den sie an sich selber nicht kannte. Fast leid war es ihr, daß die Konditorei so nahe lag, denn irgendein Wille trieb sie jetzt rhythmisch weiter fort in die geheimnisvoll magnetische Anziehung des Abenteuers. Aber die Stunde war knapp, die sie der Begegnung bestimmt hatte, und eine angenehme Sicherheit im Blut verhieß ihr, daß ihr Geliebter sie bereits erwartete. Er saß in einer Ecke, als sie eintrat, und sprang mit einer Erregung auf, die sie angenehm und peinlich zugleich berührte. Sie mußte ihn mahnen, die Stimme zu dämpfen, so heiß sprudelte er aus dem Tumult seiner inneren Erregtheit einen Wirbel von Fragen und Vorwürfen ihr entgegen. Ohne den wahrhaften Grund ihres Ausbleibens auch nur anzudeuten, spielte sie mit Andeutungen, die ihn durch ihre Unbestimmtheit noch mehr entzündeten. Für seine Wünsche blieb sie diesmal unnahbar und zögerte selbst mit Versprechungen, weil sie spürte, wie sehr dies geheimnisvoll plötzliche Entziehen und Versagen ihn aufreizte … Und als sie ihn nach einer halben Stunde heißen Gesprächs verließ, ohne ihm das mindeste an Zärtlichkeit gewährt oder auch nur verheißen zu haben, loderte sie innen von einem sehr seltsamen Gefühl, wie sie es nur als Mädchen gekannt hatte. Es war ihr, als glimme eine kleine, prickelnde Flamme tief unten und warte nur auf den Wind, der das Feuer aufpeitschte, daß es über ihrem Haupte zusammenschlage. Sie nahm jeden Blick, den ihr die Gasse zusprengte, hastig mit im Vorüberschreiten, und der unerwartete Erfolg vieler solcher männlicher Lockungen reizte ihre Neugier nach dem eigenen Gesicht so sehr, daß sie plötzlich vor dem Spiegel an der Auslage einer Blumenhandlung stehen blieb, um im Rahmen roter Rosen und tauglitzernder Veilchen ihre eigene Schönheit zu sehen. Funkelnd blickte sie sich an, leicht und jung, ein wollüstig halbgeöffneter Mund lächelte ihr von drüben Zufriedenheit zu, und beflügelt fühlte sie nun ihre Glieder im Weiterschreiten; ein Verlangen nach einer körperlichen Entkettung, nach Tanz oder Taumel löste den gewohnten gemächlichen Rhythmus aus ihren Schritten, und ungern hörte sie jetzt von der Michaelerkirche, an der sie vorbeieilte, die Stunde, die sie nach Hause rief, in ihre enge, ordentliche Welt. Seit ihren Mädchentagen hatte sie nie sich so leicht empfunden, nie so beseelt in allen Sinnen, nicht die ersten Tage der Ehe und nicht die Umarmungen ihres Geliebten hatten derart mit Funken ihren Leib gestachelt, und der Gedanke wurde ihr unerträglich, jetzt schon all diese seltene Leichtigkeit, diese süße Besessenheit des Blutes an geregelte Stunden zu verschwenden. Müde ging sie weiter. Vor dem Hause blieb sie noch einmal zögernd stehen, die feurige Luft, das Verwirrende dieser Stunde noch einmal mit geweiteter Brust in sich einzuatmen, sie tief bis ans Herz zu spüren, diese letzte verebbende Welle des Abenteuers.

Da rührte sie jemand an der Schulter. Sie wandte sich um. »Was … was wollen Sie denn schon wieder?«, stammelte sie tödlich erschreckt, als sie plötzlich das verhaßte Gesicht sah, und erschrak noch mehr, sich selbst diese verhängnisvollen Worte sagen zu hören. Sie hatte sich doch vorgenommen, diese Frau nicht mehr zu erkennen, wenn sie ihr jemals wieder begegnen sollte, alles abzuleugnen, Stirn an Stirn der Erpresserin entgegenzutreten … Jetzt war es zu spät.

»Ich warte schon eine halbe Stunde hier auf Sie, Frau Wagner.«

Irene zuckte zusammen, als sie ihren Namen hörte. Die Person wußte ihren Namen, ihre Wohnung. Jetzt war alles verloren, sie ihr rettungslos ausgeliefert. Sie hatte Worte zwischen ihren Lippen, die sorgsam vorbereiteten und berechnenden Worte, aber ihre Zunge war gelähmt und ohne Kraft, einen Laut hervorzubringen.

»Eine halbe Stunde warte ich schon, Frau Wagner.«

Drohend wie einen Vorwurf wiederholte die Person ihre Worte.

»Was wollen Sie … was wollen Sie denn von mir …«

»Sie wissen schon, Frau Wagner« – Irene zuckte bei dem Namen wieder zusammen –, »Sie wissen ganz genau, warum ich komme.«

»Ich habe ihn nie mehr gesehen … lassen Sie mich jetzt … nie mehr werde ich ihn sehen … nie …«

Die Person wartete gemächlich, bis Irene in ihrer Erregung nicht mehr weiter konnte. Dann sagte sie barsch wie zu einem Untergebenen:

»Lügen Sie nicht! Ich bin Ihnen ja nachgegangen bis an die Konditorei«, und fügte, als sie Irene zurückweichen sah, noch höhnisch hinzu: »Ich habe ja keine Beschäftigung. Aus dem Geschäft haben sie mich entlassen, wegen Arbeitsmangels, wie sie sagen, und wegen der schlechten Zeiten. Na, das nützt man halt aus, und da geht unsereins auch ein biß’l spaziern … ganz so wie die anständigen Frauen.«

Sie sagte das mit einer kalten Bosheit, die Irene ins Herz stach. Wehrlos fühlte sie sich gegen die nackte Brutalität dieser Gemeinheit, und immer wirbeliger faßte sie der Angstgedanke, die Person könnte jetzt wieder laut zu sprechen anfangen oder ihr Mann vorbeikommen, und dann wäre alles verloren. Rasch tastete sie in den Muff, riß ihre Silbertasche auf und holte alles Geld heraus, das ihr in die Finger kam. Mit Ekel stieß sie es ihr in die Hand, die sich schon langsam in sicherer Erwartung der Beute frech entgegenstreckte.

Aber diesmal sank die freche Hand, sobald sie das Geld spürte, nicht wie damals demütig in sich zusammen, sondern blieb starr in der Luft schweben und offen wie eine Kralle.

»Geben S’ mir doch auch die Silbertasche, damit ich das Geld nicht verlier’!«, sagte dazu der höhnisch aufgeworfene Mund mit einem leisen, kollernden Lachen.

Irene blickte ihr in das Auge, aber nur eine Sekunde. Dieser freche, gemeine Hohn war nicht zu ertragen. Wie einen brennenden Schmerz spürte sie Ekel ihren ganzen Körper durchdringen. Nur fort, fort, nur dies Gesicht nicht mehr sehen! Abgewandt, mit rascher Bewegung streckte sie ihr die kostbare Tasche hin, dann lief sie, von Grauen gejagt, die Treppe empor.

Ihr Mann war noch nicht zu Hause, so konnte sie sich hinwerfen auf das Sofa. Regungslos, wie von einem Hammer getroffen, blieb sie liegen, nur durch die Finger sprang ein wildes Zucken und rüttelte den Arm bis zu den Schultern hinauf, aber nichts in ihrem Körper vermochte sich zu wehren gegen diese aufstürmende Gewalt des entfesselten Grauens. Erst als sie die Stimme ihres Mannes von draußen hörte, raffte sie sich mit äußerster Anstrengung auf und schleppte sich in das andere Zimmer mit automatischen Bewegungen und entseelten Sinnen.

Nun saß das Grauen bei ihr im Haus und rührte sich nicht aus den Zimmern. In den vielen leeren Stunden, die immer wieder Welle auf Welle die Bilder jener entsetzlichen Begegnung in ihr Gedächtnis zurückspülten, wurde ihr das Hoffnungslose ihrer Situation vollkommen klar. Die Person wußte – unbegreiflich war ihr, wie das geschehen konnte – ihren Namen, ihre Wohnung und würde, da ihre ersten Versuche so vortrefflich gelungen waren, nun unzweifelhaft kein Mittel scheuen, ihre Mitwisserschaft zu dauernder Erpressung nutzbar zu machen. Jahre und Jahre lang würde sie wie ein Alp auf ihrem Leben lasten, nicht abzuschütteln, durch keine, auch die verzweifeltste Anstrengung, denn obzwar vermögend und die Gattin eines begüterten Mannes, war es Frau Irene doch nicht möglich, ohne ihren Gemahl zu verständigen, eine so bedeutende Summe aufzubringen, die sie ein für allemal von dieser Person befreite. Und außerdem – dies wußte sie aus zufälligen Erzählungen ihres Mannes und dessen Prozessen – waren doch Verträge und Versprechungen so abgefeimter und ehrloser Personen gänzlich unwertig. Einen Monat oder zwei vielleicht, so rechnete sie, war das Verhängnis noch fernzuhalten, dann mußte das künstliche Gebäude ihres häuslichen Glückes niederstürzen, und geringe Befriedigung bot die Gewißheit, daß sie die Erpresserin in ihren Sturz mitriß. Denn was waren sechs Monate Gefängnis für jene gewiß liederliche und wohl schon abgestrafte Person im Vergleich gegen die Existenz, die sie selber verlor und von der sie entsetzt fühlte, daß sie ihre einzig mögliche sei. Eine neue anzufangen, entehrt und bemakelt, schien ihr, die vom Leben sich bisher nur immer hatte beschenken lassen und keinen Teil ihres Schicksals selbst gezimmert, unfaßbar, und dann, ihre Kinder waren ja hier, ihr Mann, ihr Heim, all diese Dinge, von denen sie jetzt erst, da sie sie verlieren sollte, spürte, wie sehr sie Teil und Wesen ihres inneren Lebens waren. All das, woran sie früher nur mit dem bloßen Kleid gestreift war, empfand sie mit einem Mal entsetzlich notwendig, und der Gedanke schien ihr manchmal unfaßbar, ja traumhaft unwirklich, daß eine fremde Vagabundin, die irgendwo auf der Straße lauerte, die Macht haben sollte, diesen warmen Zusammenhalt mit einem einzigen Wort zu sprengen.

Unabwendbar war, das spürte sie jetzt mit entsetzlicher Gewißheit, das Verhängnis, unmöglich ein Entkommen. Aber was … was würde geschehen? Von Morgen bis Abend rüttelte sie an der Frage. Eines Tages würde ein Brief an ihren Mann kommen, sie sah ihn schon eintreten, blaß mit finsterem Blick, sie beim Arme fassen, sie fragen … Aber dann … was würde dann geschehen? Was würde er tun? Hier verloschen die Bilder plötzlich im Dunkel einer wirren und grausamen Angst. Sie wußte nicht weiter, und ihre Vermutungen stürzten schwindlig ins Bodenlose. Eines wurde aber ihr in diesem brütenden Sinnen grauenhaft bewußt, wie ungenau sie eigentlich ihren Mann kannte, wie wenig sie seine Entschließungen im voraus zu berechnen vermochte. Sie hatte ihn auf die Anregung ihrer Eltern hin, aber ohne Widerstand und mit einer angenehmen, durch die späteren Jahre nicht enttäuschten Sympathie geheiratet und nun acht Jahre behaglichen, stillpendelnden Glücks an seiner Seite gelebt, hatte Kinder von ihm, ein Heim und zahllose Stunden körperlicher Gemeinschaft, aber jetzt erst, da sie sich nach seinem möglichen Verhalten fragte, wurde ihr klar, wie fremd und unbekannt er ihr geblieben war. Sie entdeckte in den fieberhaften Rückblicken, mit denen sie die letzten Jahre gleich gespenstischen Scheinwerfern absuchte, daß sie nie nach seinem wirklichen Wesen geforscht hatte und nun nach Jahren nicht einmal wußte, ob er hart war oder nachgiebig, streng oder zärtlich. Mit einem verhängnisvoll späten, von dieser ernsten Lebensangst aufgerüttelten Schuldgefühl mußte sie sich bekennen, nur die flache, die gesellschaftliche Schicht seines Wesens gekannt zu haben und nie die innere, aus der in jener tragischen Stunde die Entscheidung geschürft werden mußte. Unwillkürlich begann sie nach kleinen Zügen und Andeutungen zu forschen, sich zu besinnen, wie er in ähnlichen Fragen gesprächsweise geurteilt habe, und zu ihrem peinlichen Erstaunen wurde ihr bewußt, daß er fast niemals über seine persönlichen Anschauungen zu ihr gesprochen hatte, freilich andererseits auch, daß sie nie sich an ihn mit ähnlich verinnerlichten Fragen gewendet habe. Nun erst begann sie sein ganzes Leben an vereinzelten Zügen zu messen, die seinen Charakter ihr aufdeuten konnten. An jede kleine Erinnerung pochte jetzt ihre Angst mit zaghaftem Hammer, Eingang zu finden in die geheimen Kammern seines Herzens.

Die kleinste Äußerung belauerte sie nun und fieberte schon seinem Kommen ungeduldig entgegen. Sein Gruß traf sie kaum ins Gesicht, aber doch in seinen Gesten – nun wie er ihr die Hand küßte oder das Haar mit den Fingern überschmeichelte – schien ihr eine Zärtlichkeit zu liegen, die, obzwar sie stürmische Gebärden keusch scheute, eine tiefe innere Neigung andeuten mochte. Er war immer gemessen, wenn er zu ihr sprach, niemals ungeduldig oder erregt, und in seinem ganzen Gehaben von einer gelassenen Freundlichkeit, doch einer, wie ihre Unruhe zu mutmaßen begann, die wenig verschieden war von der zu den Dienstboten und sichtlich geringer als die zu den Kindern, die bei ihm immer rege, bald heitere, bald leidenschaftliche Formen annahm. Er erkundigte sich auch heute wieder umständlich nach häuslichen Dingen, gleichsam um ihr Gelegenheit zu geben, ihre Interessen vor ihm auszubreiten, indes er die seinen verbarg, und zum erstenmal entdeckte sie jetzt, da sie ihn beobachtete, wie sehr er sie schonte, mit welcher Zurückhaltung er sich ihren täglichen Gesprächen – deren harmlose Banalität sie mit einem Male entsetzt erkannte – anzupassen bemühte. Von sich selbst gab er nichts her im Wort, und ihre nach Beruhigung lechzende Neugier blieb unbefriedigt.

So durchfragte sie, da das Wort ihn nicht verriet, sein Gesicht, nun er in seinem Fauteuil saß, ein Buch lesend und scharf beleuchtet von der elektrischen Flamme. Wie in ein fremdes Antlitz sah sie in das seine hinein und suchte den vertrauten und mit einem Male wieder fremden Zügen den Charakter zu entraten, den acht Jahre Beisammensein ihrer Gleichgültigkeit verborgen hatten. Die Stirne war hell und edel, wie von einer inneren starken, geistigen Anstrengung geformt, der Mund aber streng und ohne Nachgiebigkeit. Alles war straff in den sehr männlichen Zügen, Energie und Kraft: erstaunt, eine Schönheit darin zu finden, und mit einer gewissen Bewunderung betrachtete sie diesen verhaltenen Ernst, diese sichtliche Herbheit seines Wesens, die sie bisher immer in ihrer einfältigen Art nur als wenig unterhaltsam empfunden und gern gegen eine gesellschaftliche Gesprächigkeit vertauscht hätte. Die Augen aber, in denen doch das wirkliche Geheimnis verschlossen sein mußte, waren auf das Buch gesenkt und so ihrer Betrachtung entzogen. So konnte sie immer nur fragend auf das Profil starren, als bedeute diese geschwungene Linie ein einziges Wort, das Gnade sagte oder Verdammnis, dies fremde Profil, dessen Härte sie erschreckte, aber in dessen Entschlossenheit ihr eine merkwürdige Schönheit zum erstenmal bewußt wurde. Mit einem Male spürte sie, daß sie ihn gerne ansah, mit Lust und mit Stolz. Irgend etwas zerrte ihr bei dem Wachwerden dieser Empfindung schmerzhaft in der Brust, ein dumpfes Gefühl, das Bedauern war für irgend etwas Versäumtes, eine beinahe sinnliche Spannung, die sie nie ähnlich stark von seinem körperlichen Wesen empfangen zu haben sich entsinnen konnte. Da sah er vom Buche auf. Eilig trat sie tiefer ins Dunkel zurück, um nicht mit der brennenden Frage ihrer Blicke seinen Verdacht zu entzünden.

Drei Tage hatte sie nun das Haus nicht verlassen. Und schon merkte sie mit Unbehagen, daß ihre mit einem Male so beharrliche Gegenwart den anderen bereits auffällig geworden war, denn im allgemeinen zählte es bei ihr zu den Seltenheiten, daß sie viele Stunden oder gar Tage in den eigenen Räumen verbrachte. Wenig häuslich veranlagt, durch materielle Unabhängigkeit von den kleinen Sorgen der Wirtschaft enthoben, gelangweilt von sich selbst, war die Wohnung ihr kaum mehr als ein flüchtiger Ruheplatz und die Straße, das Theater, die gesellschaftlichen Vereinigungen mit ihren bunten Begegnungen, dem ewigen Zustrom äußerer Veränderungen ihr liebster Aufenthalt, weil hier das Genießen keine innere Anstrengung erforderte und bei schlummerndem Gefühl die Sinne vielfache Reizung empfinden. Frau Irene gehörte mit ihrer ganzen Denkweise zu jener eleganten Gemeinschaft der Wiener Bourgeoisie, deren ganze Tagesordnung nach einer geheimen Vereinbarung darin zu bestehen scheint, daß alle Mitglieder dieses unsichtbaren Bundes einander zu gleichen Stunden mit den gleichen Interessen unablässig begegnen und dies ewig vergleichende Beobachten und Begegnen allmählich zum Sinn ihrer Existenz erheben. Auf sich selbst angewiesen und vereinsamt, verliert ein so an lässige Gemeinsamkeit gewöhntes Leben jeden Halt, die Sinne ohne ihr gewohntes Futter an höchst geringfügigen, aber doch unentbehrlichen Sensationen revoltieren und das Alleinsein artet rasch zu einer nervösen Selbstbefeindung aus. Unendlich fühlte sie die Zeit auf sich lasten, und die Stunden verloren ohne ihre gewohnte Bestimmung jeden Sinn. Wie zwischen Kerkerwänden, müßig und erregt, ging sie auf und nieder in ihren Zimmern; die Straße, die Welt, die ihr wirkliches Leben waren, waren ihr gesperrt, wie der Engel mit feurigem Schwerte stand dort die Erpresserin mit ihrer Drohung.

Die ersten, jene Veränderung zu bemerken, waren ihre Kinder, besonders der ältere Knabe, der seiner naiven Verwunderung, die Mama so viel zu Hause zu sehen, peinlich deutlichen Ausdruck gab, indes die Dienstboten nur tuschelten und mit der Gouvernante ihre Vermutungen austauschten. Vergeblich mühte sie sich, ihre auffällige Anwesenheit mit den verschiedensten zum Teile sehr glücklich ersonnenen Notwendigkeiten zu motivieren, aber gerade dies Künstliche ihrer Erklärungen offenbarte ihr, wie sehr unnütz sie in ihrem eigenen Wirkungskreise durch jahrelange Gleichgültigkeit geworden war. Überall, wo sie sich betätigen wollte, stieß sie auf den Widerstand fremder Interessen, die ihre plötzlichen Versuche als angemaßte Einmengung in Gewohnheitsrechte ablehnten. Überall war der Platz besetzt, sie selbst durch die Entwöhnung Fremdkörper im Organismus des eigenen Hauses. So wußte sie nichts mit sich und der Zeit anzufangen, selbst die Annäherung an die Kinder mißlang ihr, die in ihrem plötzlich regen Interesse eine neueingeführte Kontrolle argwöhnten, und sie spürte sich beschämt erröten, als sie bei einem jener Versuche der Überwachung der siebenjährige Junge frech fragte, warum sie denn eigentlich nicht mehr spazierenginge. Überall wo sie helfen wollte, störte sie eine Ordnung, und wo sie Anteil nahm, erweckte sie Verdacht. Dabei fehlte ihr noch die Geschicklichkeit, das Ständige ihrer Gegenwart weniger sichtbar zu machen durch eine kluge Zurückhaltung und ruhig in einem Zimmer zu bleiben, bei einem Buche, bei einer Arbeit; unablässig jagte sie die innere Angst, die sich wie jedes stärkere Gefühl bei ihr in Nervosität verwandelte, von einem Zimmer ins andere. Bei jedem Anruf des Telefons, jedem Klingeln an der Tür schrak sie zusammen und ertappte sich selbst immer wieder dabei, wie sie hinter den Gardinen auf die Straße lugte, hungrig nach Menschen oder wenigstens deren Anblick, sehnsüchtig nach Freiheit und doch voll Angst, plötzlich unter den vorbeigehenden Gesichtern das eine emporstarren zu sehen, das sie bis in die Träume verfolgte. Sie spürte, wie ihre ruhige Existenz sich plötzlich auflöste und zerrann, und aus dieser Kraftlosigkeit entwuchs ihr schon die Ahnung eines ganzen zertrümmerten Lebens. Diese drei Tage im Kerker der Zimmer schienen ihr länger als die acht Jahre ihrer Ehe.