Stefan Zweig - Stefan Zweig - E-Book

Stefan Zweig E-Book

Zweig Stefan

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Beschreibung

NEU: Mit alphabetischem Index Über 13500 Seiten Mit einem einführenden Aufsatz zu Leben und Werk. Zweig, zu seinen Lebzeiten einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftsteller weltweit, wird schon früh in viele Sprachen übersetzt. Sein Werk als umfangreich zu beschreiben, grenzte an Untertreibung. Zweig ist ein Multitalent: Lyriker, Erzähler, Dramatiker und Kulturhistoriker. Stefan Zweig ist ein ebenso wortgewaltiger wie eleganter Erzähler. Vor allem seine Prosa und Biografien ("Joseph Fouché", "Marie Antoinette") finden bis heute ein Publikum. Das Gesamtwerk zeichnet sich durch viele Novellen ("Schachnovelle", "Der Amokläufer") und historisch basierten Erzählungen aus (Tolstoi, Dostojewski, Napoléon, Marie Antoinette, Freud). Alle wichtigen Werke Zweigs finden sich in dieser Sammlung 'Wissen Sie, daß ich dadurch meine Pension verliere?' 'Ich werde sie Ihnen entschädigen.' 'Sie sind sehr deutlich ... Aber ich will noch mehr Deutlichkeit. Welche Summe haben Sie als Honorar in Aussicht genommen?' 'Zwölftausend Gulden, zahlbar auf Scheck in Amsterdam.' Ich ... zitterte ... ich zitterte vor Zorn und ... ja auch vor Bewunderung. Alles hatte sie berechnet, die Summe und die Art der Zahlung, durch die ich zur Abreise genötigt war, sie hatte mich eingeschätzt und gekauft, ohne mich zu kennen, hatte über mich verfügt im Vorgefühl ihres Willens. Am liebsten hätte ich ihr ins Gesicht geschlagen ... [Ausschnitt aus "Der Amokläufer"] Auszug aus dem ausführlichen Inhaltsverzeichnis: - Stefan Zweig - Leben und Werk - Ungeduld des Herzens - Brennendes Geheimnis - Der Amokläufer - Maria Stuart - Sternstunden der Menschheit - Jeremias - Eine dramatische Dichtung in neun Bildern - Drei Dichter ihres Lebens: Casanova - Stendhal - Tolstoi - Schachnovelle - Drei Meister: Balzac - Dickens - Dostojewski - Brasilien - Ein Land der Zukunft - Der Kampf mit dem Dämon: Hölderlin - Kleist - Nietzsche - Erstes Erlebnis - Vier Geschichten aus Kinderland - Marie Antoinette u.v.m. Null Papier Verlag

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Stefan Zweig

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Stefan Zweig

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected]: Jürgen Schulze 8. Auflage, ISBN 978-3-954182-92-3

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Inhaltsverzeichnis

Vor­wort zur fünf­ten Auf­la­ge

Vor­wort zur vier­ten Auf­la­ge

Vor­wort zur drit­ten Auf­la­ge

Ste­fan Zweig -- Le­ben und Werk

No­vel­len und Er­zäh­lun­gen

Angst

Un­ter­gang ei­nes Her­zens

Ver­wir­rung der Ge­füh­le

Vier­und­zwan­zig Stun­den aus dem Le­ben ei­ner Frau

Le­po­rel­la

Die gleich-un­glei­chen Schwes­tern

Ver­ges­se­ne Träu­me

Rausch der Ver­wand­lung

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

IX.

X.

Kur­ze Tex­te über his­to­ri­sche Per­sön­lich­kei­ten

Ed­mond Ja­loux

Le­gen­de und Wahr­heit der Bea­tri­ce Cen­ci

Nietz­sche

Jaurès

Ja­kob Was­ser­mann

Irr­fahrt und Ende Pie­re Don­champs’

Max Herr­mann-Nei­ße zum Ge­dächt­nis

Ra­bin­dra­nath Ta­go­res »Sad­hâ­na«

Erin­ne­rung an Theo­dor Herzl

Erin­ne­run­gen an Emi­le Verhae­ren

Ab­schied von John Drink­wa­ter

Léon Ba­zal­get­te

Mon­taig­ne

Paul Ver­lai­nes Le­ben

Tol­stoi als re­li­gi­öser und so­zia­ler Den­ker

Laf­ca­dio Hearn

Jo­seph Roth

Bu­so­ni

Ro­main Rol­land

Au­gus­te Ro­din

Jens Pe­ter Ja­cob­sens

Ro­main Rol­land. Ge­heim­nis der Pro­duk­ti­on

Walt­her Ra­thenau

Lord By­ron

Frans Ma­se­reel

An­ton Kip­pen­berg

The­resa Feo­do­row­na Ries

Bru­no Wal­ter: Kunst der Hin­ga­be

Brie­fe an Frans Ma­se­reel

Ar­thur Schnitz­ler zum 60. Ge­burts­tag

Ab­schied von Alex­an­der Mois­si

Ar­tu­ro Tos­ca­ni­ni

Un­ver­geß­li­ches Er­leb­nis. Ein Tag bei Al­bert Schweit­zer

Pour Ra­muz!

Dank an Ro­main Rol­land

Ril­ke

Kon­stan­tin Meu­nier

Ab­schied von Ril­ke

Cha­teau­bri­and

Pe­ter Ro­seg­ger

Der Di­ri­gent

Gu­stav Mah­lers Wie­der­kehr

Mar­cel Prousts tra­gi­scher Le­bens­lauf

E.T.A. Hoff­mann

Wor­te am Sar­ge Sig­mund Freuds

Otto Wei­nin­ger

Brie­fe an Zeit­ge­nos­sen

An Richard Deh­mel

An Her­mann Hes­se

An Hugo von Hof­manns­thal

An Ro­main Rol­land

An Emil Lud­wig

An Ma­xim Gor­ki

An Ar­thur Schnitz­ler

An Max Herr­mann-Nei­ße

An Ru­dolf G. Bin­ding

An Hans Ca­ros­sa

An Klaus Mann

An Jo­seph Roth

An René Schi­cke­le

An Richard Beer-Hof­mann

An Tho­mas Mann

Frü­he Ly­rik

Das Mäd­chen

Im Feld

Ster­nen­glau­be

Im Abend­pur­pur

Du!

In tiefer Nacht

Vorah­nung

Das frem­de Lä­cheln

Ge­wäh­rung

Ein Drän­gen …

Aus­klang

Volks­mo­tiv

Die Zärt­lich­kei­ten

Lied

Hand in Hand

Abend­klän­ge

Ver­flo­ge­ne Sehn­sucht

Die Hän­de

Jun­ge Glut

Ah­nung

Schnee­win­ter

Nach Hau­se

Aus schwe­ren Näch­ten …

Ers­te Schat­ten

Mei­ne Lie­be

Ein paar Ver­se …

Blau­er Blick

Nun weiß ich …

Sehn­sucht

Er­fül­lung

Lin­der schwebt der Stun­den Rei­gen

Die Nacht der Gna­den

Blü­hen

Wie die Schwal­be …

Der Ver­füh­rer

Ter­zi­nen an ein Mäd­chen

Neue Fül­le

Je­re­mi­as -- Eine dra­ma­ti­sche Dich­tung in neun Bil­dern

Die Ge­stal­ten des Ge­dichts

Die Bil­der des Ge­dichts

I. Die Er­we­ckung des Pro­fe­ten

II. Die War­nung

III. Das Gerücht

IV. Die Wa­chen auf dem Wal­le

V. Die Prü­fung des Pro­fe­ten

VI. Stim­men um Mit­ter­nacht

VII. Die letz­te Not

VIII. Die Um­kehr

IX. Der ewi­ge Weg

Die Lie­be der Eri­ka Ewald -- No­vel­len

Die Lie­be der Eri­ka Ewald

Der Stern über dem Wal­de

Die Wan­de­rung

Die Wun­der des Le­bens

Drei Dich­ter ih­res Le­bens

Ca­sa­no­va

Stendhal

Tol­stoi

Schach­no­vel­le

Drei Meis­ter: Balzac -- Di­ckens -- Do­sto­jew­ski

Vor­wort

Balzac

Di­ckens

Do­sto­jew­ski

Bra­si­li­en

Ein­lei­tung

Ge­schich­te

Wirt­schaft

Blick auf die bra­si­lia­ni­sche Kul­tur

Rio de Ja­nei­ro

Ein­fahrt

Das alte Rio

Spa­zie­ren durch die Stadt

Die klei­nen Stra­ßen

Kunst der Kon­tras­te

Ein paar Din­ge, die mor­gen viel­leicht schon ent­schwun­den sind

Gär­ten, Ber­ge und In­seln

Som­mer in Rio

Blick auf São Pau­lo

Be­such beim Kaf­fee

Be­such hei den ver­sun­ke­nen Gold­städ­ten

Flug über den Nor­den

Da­ten zur Ge­schich­te Bra­si­li­ens

Der Kampf mit dem Dä­mon: Höl­der­lin -- Kleist -- Nietz­sche

Vor­wort

Höl­der­lin

Hein­rich von Kleist

Fried­rich Nietz­sche

Ers­tes Er­leb­nis -- Vier Ge­schich­ten aus Kin­der­land

Ge­schich­te in der Däm­me­rung

Die Gou­ver­nan­te

Bren­nen­des Ge­heim­nis

Som­mer­no­vel­le­te

Ma­rie An­to­i­net­te

Ein­lei­tung

Ein Kind wird ver­hei­ra­tet

Ge­heim­nis des Al­ko­vens

De­büt in Ver­sail­les

Der Kampf um ein Wort

Die Erobe­rung von Pa­ris

Le Roi est mort, vive le Roi!

Bild­nis ei­nes Kö­nigs­paa­res

Kö­ni­gin des Ro­ko­ko

Tria­non

Die neue Ge­sell­schaft

Der Bru­der be­sucht sei­ne Schwes­ter

Mut­ter­schaft

Die Kö­ni­gin wird un­be­liebt

Der Blitz­schlag ins Ro­ko­ko­thea­ter

Die Hals­ban­daf­fä­re

Pro­zess und Ur­teil

Das Volk er­wacht, die Kö­ni­gin er­wacht

Der Som­mer der Ent­schei­dung

Die Freun­de flie­hen

Der Freund er­scheint

War er es, war er es nicht?

Die letz­te Nacht in Ver­sail­les

Der Lei­chen­wa­gen der Mon­ar­chie

Selbst­be­sin­nung

Mi­ra­beau

Die Flucht wird vor­be­rei­tet

Die Flucht nach Va­ren­nes

Die Nacht in Va­ren­nes

Rück­fahrt

Ei­ner be­trügt den An­dern

Der Freund er­scheint zum letz­ten Mal

Die Flucht in den Krieg

Die letz­ten Schreie

Der zehn­te Au­gust

Der Tem­ple

Ma­rie An­to­i­net­te al­lein

Die letz­te Ein­sam­keit

Die Con­cier­ge­rie

Der letz­te Ver­such

Die große In­fa­mie

Der Pro­zess be­ginnt

Die Ver­hand­lung

Die letz­te Fahrt

Die To­ten­kla­ge

Zeit­ta­fel

Nach­be­mer­kung

Die Hei­lung durch den Geist: Mes­mer -- Mary Ba­ker-Eddy -- Freud

Ein­lei­tung

Franz An­ton Mes­mer

Mary Ba­ker-Eddy

Sig­mund Freud

Die Welt von Ges­tern -- Erin­ne­run­gen ei­nes Eu­ro­pä­ers

Vor­wort

Die Welt der Si­cher­heit

Die Schu­le im vo­ri­gen Jahr­hun­dert

Eros Ma­tu­ti­nus

Uni­ver­si­tas vi­tae

Pa­ris, die Stadt der ewi­gen Ju­gend

Um­we­ge auf dem Wege zu mir selbst

Über Eu­ro­pa hin­aus

Glanz und Schat­ten über Eu­ro­pa

Die ers­ten Stun­den des Krie­ges von 1914

Der Kampf um die geis­ti­ge Brü­der­schaft

Im Her­zen Eu­ro­pas

Heim­kehr nach Ös­ter­reich

Wie­der in der Welt

Son­nen­un­ter­gang

In­ci­pit Hit­ler

Die Ago­nie des Frie­dens

Jo­seph Fouché -- Bild­nis ei­nes po­li­ti­schen Men­schen

Ers­tes Ka­pi­tel -- Auf­stieg

Zwei­tes Ka­pi­tel -- Der »Mi­trail­leur de Lyon«

Drit­tes Ka­pi­tel -- Der Kampf mit Ro­be­spi­er­re

Vier­tes Ka­pi­tel -- Mi­nis­ter des Di­rek­to­ri­ums und des Kon­su­lats

Fünf­tes Ka­pi­tel -- Mi­nis­ter des Kai­sers

Sechs­tes Ka­pi­tel -- Der Kampf ge­gen den Kai­ser

Sie­ben­tes Ka­pi­tel -- Un­frei­wil­li­ges In­ter­mez­zo

Ach­tes Ka­pi­tel -- Der End­kampf mit Na­po­le­on

Neun­tes Ka­pi­tel -- Sturz und Ver­gäng­nis

Amok -- No­vel­len ei­ner Lei­den­schaft

Der Amok­läu­fer

Die Frau und die Land­schaft

Phan­tas­ti­sche Nacht

Brief ei­ner Un­be­kann­ten

Die Mond­schein­gas­se

Tri­umph und Tra­gik des Eras­mus von Rot­ter­dam

Sen­dung und Le­bens­sinn

Blick in die Zeit

Dunkle Ju­gend

Bild­nis

Meis­ter­jah­re

Grö­ße und Gren­zen des Hu­ma­nis­mus

Der große Geg­ner

Der Kampf um die Un­ab­hän­gig­keit

Die große Aus­ein­an­der­set­zung

Das Ende

Das Ver­mächt­nis des Eras­mus

Ma­ria Stuart

Ein­lei­tung

Dra­ma­tis per­so­nae

Ers­tes Ka­pi­tel -- Kö­ni­gin in der Wie­ge

Zwei­tes Ka­pi­tel -- Ju­gend in Frank­reich

Drit­tes Ka­pi­tel -- Kö­ni­gin, Wit­we und den­noch Kö­ni­gin

Vier­tes Ka­pi­tel -- Heim­kehr nach Schott­land

Fünf­tes Ka­pi­tel -- Der Stein kommt ins Rol­len

Sechs­tes Ka­pi­tel -- Gro­ßer po­li­ti­scher Hei­rats­markt

Sie­ben­tes Ka­pi­tel -- Die zwei­te Hei­rat

Ach­tes Ka­pi­tel -- Die Schick­sals­nacht von Ho­ly­rood

Neun­tes Ka­pi­tel -- Die ver­ra­te­nen Ver­rä­ter

Zehn­tes Ka­pi­tel -- Furcht­ba­re Ver­stri­ckung

Elf­tes Ka­pi­tel -- Tra­gö­die ei­ner Lei­den­schaft

Zwölf­tes Ka­pi­tel -- Der Weg zum Mord

Drei­zehn­tes Ka­pi­tel -- Quos deus per­de­re vul­t…

Vier­zehn­tes Ka­pi­tel -- Der Weg ohne Aus­weg

Fünf­zehn­tes Ka­pi­tel -- Die Ab­set­zung

Sech­zehn­tes Ka­pi­tel -- Ab­schied von der Frei­heit

Sieb­zehn­tes Ka­pi­tel -- Ein Netz wird ge­wo­ben

Acht­zehn­tes Ka­pi­tel -- Das Netz zieht sich zu­sam­men

Neun­zehn­tes Ka­pi­tel -- Die Jah­re im Schat­ten

Zwan­zigs­tes Ka­pi­tel -- Die letz­te Run­de

Ein­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel -- Es wird Schluß ge­macht

Zwei­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel -- Eli­sa­beth ge­gen Eli­sa­beth

Drei­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel -- »In mei­nem Ende ist mein An­be­ginn«

Nach­spiel

St­ern­stun­den der Mensch­heit

Vor­wort

Flucht in die Uns­terb­lich­keit

Die Erobe­rung von By­zanz

Ge­org Fried­rich Hän­dels Au­fer­ste­hung

Das Ge­nie ei­ner Nacht

Die Welt­mi­nu­te von Wa­ter­loo

Die Ma­ri­en­ba­der Ele­gie

Die Ent­de­ckung El­do­ra­dos

He­ro­i­scher Au­gen­blick

Das Ers­te Wort über den Ozean

Die Flucht zu Gott

Der Kampf um den Süd­pol

Der ver­sie­gel­te Zug

Ma­gel­lan

Ein­lei­tung

Na­vi­ga­re ne­ces­se est

Ma­gel­lan in In­di­en

Ma­gel­lan macht sich frei

Eine Idee ver­wirk­licht sich

Ein Wil­le ge­gen tau­send Wi­der­stän­de

Die Aus­fahrt

Die ver­geb­li­che Su­che

Die Meu­te­rei

Der große Au­gen­blick

Ma­gel­lan ent­deckt sich sein Kö­nig­reich

Tod vor dem letz­ten Tri­umph

Die Heim­fahrt ohne Füh­rer

Die To­ten be­hal­ten un­recht

An­hang

Ame­ri­go -- Die Ge­schich­te ei­nes his­to­ri­schen Irr­tums

Ame­ri­go

Die his­to­ri­sche Si­tua­ti­on

Für zwei­und­drei­ßig Sei­ten Uns­terb­lich­keit

Eine Welt er­hält ih­ren Na­men

Der große Streit be­ginnt

Die Do­ku­men­te men­gen sich ein

Wer war Ve­spuc­ci?

Cas­tel­lio ge­gen Cal­vin

Ein­lei­tung

Die Machter­grei­fung Cal­vins

Die »dis­ci­pli­ne«

Cas­tel­lio tritt auf

Der Fall Ser­vet

Der Mord an Ser­vet

Das Ma­ni­fest der To­le­ranz

Ein Ge­wis­sen er­hebt sich ge­gen die Ge­walt

Die Ge­walt er­le­digt das Ge­wis­sen

Die Pole be­rüh­ren ein­an­der

Un­ge­duld des Her­zens

Ka­pi­tel 1

Ka­pi­tel 2

Ka­pi­tel 3

Ka­pi­tel 4

Ka­pi­tel 5

Ka­pi­tel 6

Ka­pi­tel 7

Ka­pi­tel 8

Ka­pi­tel 9

Ka­pi­tel 10

Ka­pi­tel 11

Ka­pi­tel 12

Ka­pi­tel 13

Ka­pi­tel 14

Ka­pi­tel 15

Ka­pi­tel 16

Ka­pi­tel 17

Ka­pi­tel 18

Ka­pi­tel 19

Ka­pi­tel 20

Ka­pi­tel 21

Ka­pi­tel 22

Ka­pi­tel 23

Ka­pi­tel 24

Ka­pi­tel 25

Ka­pi­tel 26

Ka­pi­tel 27

Ka­pi­tel 28

Ka­pi­tel 29

Ka­pi­tel 30

Ka­pi­tel 31

Ka­pi­tel 32

Mar­ce­li­ne Des­bor­des-Val­mo­re -- Das Le­bens­bild ei­ner Dich­te­rin

Ers­ter Teil. Bild­nis ih­res Schick­sals

Zwei­ter Teil. Ge­dich­te

Drit­ter Teil. Au­to­bio­gra­phi­sche Frag­men­te

Vier­ter Teil. Brie­fe

Fünf­ter Teil. Ur­tei­le der Mit- und Nach­welt

Ro­main Rol­land -- Der Mann und das Werk

Kunst­werk ei­nes Le­bens

Dra­ma­ti­sches Be­gin­nen

Die he­ro­i­schen Bio­gra­phien

Die un­voll­en­de­ten Bio­gra­phien

In­ter­mez­zo scher­zo­so (»Meis­ter Breugnon«)

Das Ge­wis­sen Eu­ro­pas

Nach­le­se

Die frü­hen Krän­ze -- Ge­dich­te

Die frü­hen Krän­ze

Die Lie­der des Abends

Abend­trau­er

Sehn­süch­ti­ge Me­lo­die

Träu­me

Lied des Ein­sie­dels

Über­glänz­te Nacht

Herbst

Der dunkle Fal­ter

Sin­ken­der Him­mel

Grau­es Land

Fahr­ten

Son­nen­auf­gang in Ve­ne­dig

Stil­le In­sel (Bre­ta­gne)

Näch­te am Co­mer­see

Brüg­ge

Stadt am See (Kon­stanz)

Die ge­neig­ten Krü­ge

Die Nacht der Gna­den. Ein Rei­gen So­net­te

Bil­der

Das Tal der Trau­er

Sin­nen­de Stun­de

Le­gen­den

Ra­hel rech­tet mit Gott

Die Au­gen des ewi­gen Bru­ders

Der be­gra­be­ne Leuch­ter

Die Le­gen­de der drit­ten Tau­be

Rei­se­be­rich­te

Eu­ro­pa

Ruß­land

Die un­sicht­ba­re Samm­lung -- No­vel­len

Die un­sicht­ba­re Samm­lung

Buch­men­del

Un­ver­mu­te­te Be­kannt­schaft mit ei­nem Hand­werk

Be­spre­chun­gen

Das Buch als Ein­gang zur Welt

Rück­kehr zum Mär­chen

Goe­thes Le­ben im Ge­dicht

Ver­se ei­nes Gott­su­chers

Das Ta­ge­buch ei­nes halb­wüch­si­gen Mäd­chens

Wi­ti­kos Au­fer­ste­hung

Der rich­ti­ge Goe­the

An­mer­kun­gen zu Balzac

Balzacs Co­di­ces vom ele­gan­ten Le­ben

Zu Goe­thes Ge­dich­ten

Gun­dolfs ›Kleist‹

Das Buch als Welt­bild

Ab­schieds­brief Ste­fan Zweigs -- De­cla­racão

In­dex

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie sich für ein E-Book aus mei­nem Ver­lag ent­schie­den ha­ben.

Soll­ten Sie Hil­fe be­nö­ti­gen oder eine Fra­ge ha­ben, schrei­ben Sie mir.

Ihr Jür­gen Schul­ze

Ge­sam­mel­te Wer­ke bei Null Pa­pier

Ed­gar Al­lan Poe - Ge­sam­mel­te Wer­ke

Franz Kaf­ka - Ge­sam­mel­te Wer­ke

Ste­fan Zweig - Ge­sam­mel­te Wer­ke

E. T. A. Hoff­mann - Ge­sam­mel­te Wer­ke

Ge­org Büch­ner - Ge­sam­mel­te Wer­ke

Jo­seph Roth - Ge­sam­mel­te Wer­ke

Mark Twain - Ge­sam­mel­te Wer­ke

Kurt Tuchols­ky - Ge­sam­mel­te Wer­ke

Ru­dyard Kip­ling - Ge­sam­mel­te Wer­ke

Ril­ke - Ge­sam­mel­te Wer­ke

und wei­te­re …

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Vorwort zur fünften Auflage

Neu hin­zu­ge­kom­men sind fol­gen­de 6 Er­zäh­lun­gen:

Angst

Un­ter­gang ei­nes Her­zens

Ver­wir­rung der Ge­füh­le

Vier­und­zwan­zig Stun­den aus dem Le­ben ei­ner Frau

Le­po­rel­la

Die gleich-un­glei­chen Schwes­tern

Ich dan­ke mei­nen Le­sern dies­be­züg­lich für die Hin­wei­se.

Als Ein-Mann-Ver­le­ger in­ves­tie­re ich in die Qua­li­tät mei­ner Ver­öf­fent­li­chun­gen und nicht in Wer­bung. Wenn Sie mich un­ter­stüt­zen möch­ten, schaf­fen Sie es am bes­ten durch eine po­si­ti­ve Be­wer­tung. Und wenn es mal et­was zu kri­ti­sie­ren gibt, dann schrei­ben Sie mir doch bit­te di­rekt, so er­hal­ten Sie am schnells­ten eine Re­ak­ti­on.

Jür­gen Schul­ze, 17.05.2016

*

Vorwort zur vierten Auflage

Lie­be Le­ser,

auf An­re­gung ei­ner Le­se­rin habe ich mich dazu ent­schlos­sen, die­se Samm­lung mit ei­nem al­pha­be­ti­schen In­dex zu ver­se­hen.

Gruß

Ihr Jür­gen Schul­ze, Ver­le­ger, Ok­to­ber 2015

Vorwort zur dritten Auflage

Als ein net­ter Le­ser mich auf einen Feh­ler in der zwei­ten Auf­la­ge hin­wies, fand ich es an der Zeit für eine neue, drit­te Auf­la­ge, er­gänzt um das bis da­hin bei mir an­ge­fal­le­ne und »neu« ent­deck­te Ma­te­ri­al:

Brie­fe an Zeit­ge­nos­sen

Rausch der Ver­wand­lung

Auf­sät­ze über »Per­so­nen der Ge­schich­te«

Ver­ges­se­ne Träu­me

Von be­son­de­rem In­ter­es­se sind mei­ner Mei­nung nach die Brie­fe an (zu­meist) schrei­ben­de Zeit­ge­nos­sen. Die er­folg­reichs­te di­gi­ta­le Werk­samm­lung zu Ste­fan Zweig wird so ein Stück wei­ter kom­plet­tiert.

Jür­gen Schul­ze, Ja­nu­ar 2015

Stefan Zweig -- Leben und Werk

Im Gym­na­si­um des­in­ter­es­siert sein Pen­sum ab­ar­bei­tend, ent­deckt Ste­fan Zweig mit der Lei­den­schaft des Heran­wach­sen­den die Küns­te für sich. Was mit Le­sen, Thea­ter-, Ga­le­rie- und Kon­zert­be­su­chen be­ginnt, mün­det in pro­fun­de Ken­ner­schaft und ers­te ei­ge­ne Ge­dich­te. Schon im Al­ter von 19 Jah­ren ist er Künst­ler mit je­der Fa­ser sei­nes Seins -- un­fer­tig noch, aber ein Künst­ler.

Ge­liebt und ge­äch­tet

»… daß im­mer hin­ter je­der Fens­ter­schei­be Schick­sal war­tet …«

Amok, Die Mond­schein­gas­se

Am 28. No­vem­ber 1881 ge­bo­ren, wächst Ste­fan als jün­ge­rer von zwei Söh­nen des be­gü­ter­ten Tex­til­un­ter­neh­mers Mo­ritz Zweig in Wien auf. Die Fa­mi­lie der Mut­ter ist in­ter­na­tio­nal, bei Fa­mi­li­en­tref­fen wird Ita­lie­nisch, Fran­zö­sisch, Deutsch oder Eng­lisch ge­spro­chen. Die jü­di­sche Her­kunft spielt da­bei kei­ne Rol­le, nie­mand im fa­mi­li­ären Um­feld prak­ti­ziert die Re­li­gi­on. Erst der ge­reif­te Au­tor wird sich dar­über Ge­dan­ken ma­chen, denn auf­fäl­lig vie­le der In­tel­lek­tu­el­len und Künst­ler Wiens stam­men aus groß­bür­ger­li­chem, jü­di­schem Hau­se.

Nach der Ma­tu­ra schreibt sich Zweig an der Uni­ver­si­tät ein, um bis 1904 Phi­lo­so­phie zu stu­die­ren. Das Stu­di­um ist nicht ein­mal Ne­ben­sa­che, es ist For­ma­li­tät: Der Sohn soll einen Dok­tor­ti­tel in die Fa­mi­lie brin­gen, egal in wel­chem Fach. Haupt­säch­lich be­fasst er sich wei­ter­hin mit Kul­tur, schreibt selbst und ver­öf­fent­licht Ge­dich­te in Zeit­schrif­ten, be­vor 1901 »Sil­ber­ne Sai­ten« er­scheint, sein ers­ter Ge­dicht­band.

Noch wäh­rend der Stu­dien­jah­re lernt er Theo­dor Herzl ken­nen, den Feuil­le­ton­chef der Neu­en Frei­en Pres­se, der ihn in die Au­to­ren­rie­ge des ein­fluss­rei­chen Blat­tes auf­nimmt. Gleich­wohl ge­steht sich Zweig sei­ne li­te­ra­ri­sche Un­rei­fe ein. Die Er­kennt­nis, noch im Wer­den zu sein, ver­bin­det sich wäh­rend häu­fi­ger Rei­sen mit der Idee, an­de­ren Künst­lern zu die­nen, in­dem er ihre Wer­ke über­setzt. In sei­nen frü­hen Jah­ren über­trägt er un­ter an­de­rem Bau­de­laire, Ver­lai­ne und Émi­le Verhae­ren in die deut­sche Spra­che. Es ist eine be­glücken­de Zeit für ihn, in der er mit Künst­lern und In­tel­lek­tu­el­len Be­kannt­schaf­ten oder le­bens­lan­ge Freund­schaf­ten schließt.

Der Aus­bruch des Ers­ten Welt­kriegs ist für den sei­ne per­sön­li­che Frei­heit und das in­ter­na­tio­na­le Mi­tein­an­der schät­zen­den Mann eine Zä­sur, denn al­les In­di­vi­du­el­le wird un­wei­ger­lich po­li­ti­siert. Nie hat Zweig in der Pres­se ir­gend­ei­ne po­li­ti­sche Geg­ner­schaft be­kun­det. Die hys­te­ri­sche Be­geis­te­rung der Mas­sen aber, die auch vor sei­nen Kol­le­gen nicht halt­macht, er­trägt er nicht un­wi­der­spro­chen. Das na­tio­na­lis­ti­sche Fie­ber zwingt ihn zu ent­blö­ßen­dem Spott ge­gen­über »um­ge­fal­le­nen« In­tel­lek­tu­el­len so­wie öf­fent­lich zu ei­nem ein­deu­ti­gen Plä­doy­er für die Ver­nunft.

Als Zweig, der bis 1917 in ei­nem Mi­li­tärar­chiv ar­bei­te­te und nach Ent­las­sung aus dem Kriegs­dienst in die neu­tra­le Schweiz über­sie­del­te, ins be­sieg­te Ös­ter­reich zu­rück­kehrt, scho­ckiert ihn das Nach­kriegs­e­lend. Er lässt sich in Salz­burg nie­der, ver­trie­ben zwar aus dem be­se­li­gen­den Zu­stand der Vor­kriegs­jah­re, doch auf der Höhe sei­nes Schaf­fens. In sei­nem Sch­löss­chen, wo er ab 1920 mit sei­ner Frau und de­ren zwei Töch­tern aus ers­ter Ehe lebt, ent­ste­hen No­vel­len, Dra­men und Er­zäh­lun­gen. Sein Haus ist gast­freund­lich und in­ter­na­tio­nal. Fast scheint es, als könn­ten die glück­li­chen Jah­re wie­der­keh­ren, als wä­ren ver­gan­ge­ner Krieg und der Ver­trag von Ver­sail­les nichts Drücken­des. 1928 end­lich, die Freun­de wa­ren dort und sind ent­we­der be­geis­tert oder an­ge­wi­dert, be­sucht der längst eta­blier­te Schrift­stel­ler die So­wje­tu­ni­on, um mit zwie­späl­ti­gen Ge­füh­len zu­rück­zu­keh­ren. Sei­ne Zu­nei­gung gilt den Men­schen und der Li­te­ra­tur, vor al­lem Meis­ter Do­sto­jew­ski und Brief­freund Gor­ki, der da­für sorgt, dass Zweigs Bü­cher auf Rus­sisch er­schei­nen.

Das Glück währt bis 1933. Eben ar­bei­tet der Au­tor mit Richard Strauss an der Oper »Die schweig­sa­me Frau«, als be­reits Bü­cher ver­brannt wer­den und Hit­ler die Ju­den aus dem öf­fent­li­chen Le­ben ver­bannt. Kip­pen­bergs In­sel-Ver­lag, der bis­her Zweigs Wer­ke in deut­scher Spra­che ver­öf­fent­lich­te, darf die Schrif­ten des Ju­den nicht mehr pu­bli­zie­ren. Als 1934 sein Haus durch­sucht wird, nimmt der Li­te­rat Ab­schied von Salz­burg und Wien. Drei Rei­sen kann er von Lon­don aus nach Ös­ter­reich un­ter­neh­men, be­vor ihm zu­nächst die Hei­mat ver­sperrt und schließ­lich der Pass ab­ge­nom­men wird. Ein Trost ist ihm, dass zu­nächst ein Ver­lag in Wien und spä­ter ein schwe­di­scher Ver­lag sei­ne Ar­bei­ten in deut­scher Spra­che her­aus­ge­ben. In Deutsch­land und Ös­ter­reich ver­bo­ten, bleibt der Schrift­stel­ler ei­ner der welt­weit meist­ge­le­se­nen sei­ner Zeit.

Un­mit­tel­bar vor Be­ginn des Zwei­ten Welt­kriegs hei­ra­tet Zweig er­neut, nach Kriegs­aus­bruch nimmt er die bri­ti­sche Staats­bür­ger­schaft an. Doch wird er mit Eng­land nicht ver­traut, wie­der treibt es ihn fort. Sei­ne Rei­sen füh­ren ihn dort­hin, wo viel­leicht Hoff­nung liegt: nach Nord­ame­ri­ka zu­erst, dann süd­lich bis nach Bra­si­li­en. Im Exil ver­fasst er die »Schach­no­vel­le«, die Mo­no­gra­fie »Bra­si­li­en« und »Die Welt von Ges­tern«. Bis ins bra­si­lia­ni­sche Pe­tró­po­lis drin­gen die Nach­rich­ten von der Ver­nich­tung Eu­ro­pas. Als Exilant und als Kul­tur­schaf­fen­der, der sein geis­ti­ges Fun­da­ment zer­stört sieht, ist Ste­fan Zweig nun zwie­fach ent­wur­zelt. Der über­all ge­lieb­te, in sei­ner Hei­mat aber ge­äch­te­te Schrift­stel­ler und sei­ne Frau neh­men sich im Fe­bru­ar 1942 das Le­ben.

Was bleibt

»Mein li­te­ra­ri­sches Werk ist in der Spra­che, in der ich es ge­schrie­ben, zu Asche ge­brannt wor­den, in eben dem­sel­ben Lan­de, wo mei­ne Bü­cher Mil­lio­nen Le­ser sich zu Freun­den ge­macht.« (»Die Welt von Ges­tern«)

Of­fen­si­ver als Ste­fan Zweig, man­che vor­aus­schau­en­der, be­zie­hen zeit­ge­nös­si­sche Li­te­ra­ten ger­ne po­li­tisch Stel­lung. Dass der Ös­ter­rei­cher ver­mei­det, sich in der Pres­se zum ak­tu­el­len Ge­sche­hen zu äu­ßern, trägt ihm das Un­ver­ständ­nis an­de­rer In­tel­lek­tu­el­ler ein. Sein Oeu­vre frei­lich spie­gelt so­wohl kon­se­quen­ten Pa­zi­fis­mus als auch be­din­gungs­lo­se Emp­find­sam­keit, de­ren In­ten­si­tät sei­ner­zeit ver­mut­lich nur Lion Feucht­wan­ger teilt.

Sel­ten rückt die Per­sön­lich­keit des Li­te­ra­ten in den Vor­der­grund, selbst als er sei­ne Le­bens­er­in­ne­run­gen zu Pa­pier bringt. Viel­mehr ist »Die Welt von Ges­tern« ein groß­ar­ti­ges Zeit­zeug­nis: der Pri­vat­mann ganz zu­rück­ge­nom­men, das Ge­sche­hen als For­men­des be­stim­mend. Sei­ne zur heu­ti­gen Schul­lek­tü­re ge­hö­ren­de »Schach­no­vel­le« ist eine sen­si­bi­li­sie­ren­de und so­mit im bes­ten Sin­ne bil­den­de Schrift. Die Me­moi­ren sind noch wirk­sa­mer: Als pa­cken­der Er­zäh­ler, der sein Pub­li­kum nicht frei­gibt, ehe es sämt­li­che Zu­mu­tun­gen durch­lit­ten hat, schil­dert Zweig aus dem Ge­dächt­nis die Be­ge­ben­hei­ten sei­nes Le­bens. Er ist ju­gend­li­cher Kul­tur­en­thu­si­ast, Über­set­zer be­wun­der­ter Schrift­stel­ler, rei­fer Au­tor, Pa­zi­fist und pa­n­eu­ro­päi­scher Idea­list, der am Ende sich doch nicht ret­ten kann in ein ge­dach­tes Welt­bür­ger­tum. Dass Er­kennt­nis­wil­le und Be­wun­de­rung nie er­lah­men, dass wir die Trost­lo­sig­keit des Ver­fas­sers erah­nen müs­sen -- letzt­lich, dass wir uns die­sem Men­schen und sei­nen Freun­den nä­hern dür­fen, zei­tigt große Freu­de und tie­fe Trau­er.

Ste­fan Zweig ist ein eben­so wort­ge­wal­ti­ger wie ele­gan­ter Er­zäh­ler, der sei­ne Tex­te ra­di­kal kürzt, um jede Lang­at­mig­keit zu ver­mei­den. Ins­be­son­de­re die spä­ten, we­ni­ger ins Wort ver­lieb­ten Wer­ke sind span­nend wie Kri­mis. So­gar in »Un­ge­duld des Her­zens«, sei­nem ein­zi­gen vollen­de­ten Ro­man, bannt der Au­tor sein Pub­li­kum mit­tels ei­nes vir­tuo­sen Span­nungs­bo­gens. Man liest die­se Bü­cher wie ein Er­trin­ken­der: Kaum, dass man einen Mo­ment Atem schöpft, drän­gen sie wie­der hin­ab.

O­ri­gi­nal­aus­ga­ben

Chro­no­lo­gisch

(* mar­kiert Ver­öf­fent­li­chung in die­se Samm­lung, Quel­le die­ser Über­sicht: Wi­ki­pe­dia)

Sil­ber­ne Sai­ten. Ge­dich­te. 1901*

Die Phi­lo­so­phie des Hip­po­ly­te Tai­ne. Dis­ser­ta­ti­on, 1904

Die Lie­be der Eri­ka Ewald. No­vel­len. Buch­schmuck v. Hugo Stei­ner-Prag, Flei­schel & Co., Ber­lin 1904*

Die frü­hen Krän­ze. Ge­dich­te. In­sel, Leip­zig 1906*

Ter­si­tes. Ein Trau­er­spiel. In drei Auf­zü­gen, Leip­zig 1907

Emi­le Verhae­ren. Leip­zig 1910

Ers­tes Er­leb­nis. Vier Ge­schich­ten aus Kin­der­land: Ge­schich­te in der Däm­me­rung. Die Gou­ver­nan­te. Bren­nen­des Ge­heim­nis. Som­mer­no­vel­let­te, In­sel, Leip­zig 1911*

Das Haus am Meer. Ein Schau­spiel in zwei Tei­len. (In drei Auf­zü­gen) Leip­zig 1912

Der ver­wan­del­te Ko­mö­di­ant. Ein Spiel aus dem deut­schen Ro­ko­ko. Leip­zig 1913

Je­re­mi­as. Eine dra­ma­ti­sche Dich­tung in neun Bil­dern. Leip­zig 1917*

Erin­ne­run­gen an Emi­le Verhae­ren, Pri­vat­druck 1917

Das Herz Eu­ro­pas. Ein Be­such im Gen­fer Ro­ten Kreuz. Um­schlag­zeich­nung von Frans Ma­se­reel, Ra­scher, Zü­rich 1918

Le­gen­de ei­nes Le­bens. Ein Kam­mer­spiel in drei Auf­zü­gen. In­sel, Leip­zig 1919

Fahr­ten. Land­schaf­ten und Städ­te. Tal, Leip­zig und Wien 1919

Drei Meis­ter: Balzac -- Di­ckens -- Do­sto­jew­ski. (= Die Bau­meis­ter der Welt. Ver­such ei­ner Ty­po­lo­gie des Geis­tes, Band 1), In­sel, Leip­zig 1920*

Mar­ce­li­ne Des­bor­des-Val­mo­re. Das Le­bens­bild ei­ner Dich­te­rin. Mit Über­tra­gun­gen von Gi­se­la Et­zel-Kühn, Leip­zig 1920*

Der Zwang. Eine No­vel­le, In­sel, Leip­zig 1920*

Ro­main Rol­land. Der Mann und das Werk. Rüt­ten & Loe­ning, Frank­furt 1921*

Amok. No­vel­len ei­ner Lei­den­schaft. In­sel, Leip­zig 1922*

Die Au­gen des ewi­gen Bru­ders. Eine Le­gen­de. Leip­zig 1922*

Phan­tas­ti­sche Nacht. Er­zäh­lung. Die Neue Rund­schau. Jahr­gang 33. Ber­lin 1922*

Frans Ma­se­reel (mit Ar­thur Ho­lit­scher), Axel Jun­cker, Ber­lin 1923

Die ge­sam­mel­ten Ge­dich­te. In­sel, Leip­zig 1924

Die Mo­no­to­ni­sie­rung der Welt. Essay. Ber­li­ner Bör­sen-Cou­ri­er 1. Febr.1925

Angst. No­vel­le. Mit Nach­wort von E. H. Rainal­ter, Re­clam, Leip­zig 1925*

Der Kampf mit dem Dä­mon. Höl­der­lin -- Kleist -- Nietz­sche. (= Die Bau­meis­ter der Welt, Band 2), In­sel, Leip­zig 1925*

Ben John­son’s »Vol­po­ne«. Eine lieb­lo­se Ko­mö­die in drei Ak­ten. Frei be­ar­bei­tet von Ste­fan Zweig. Mit sechs Bil­dern nach Au­brey Beards­ley, Kie­pen­heu­er, Pots­dam 1926

Der Flücht­ling. Epi­so­de vom Gen­fer See. Bü­cher­lot­te­rie, Leip­zig 1927

Ab­schied von Ril­ke. Eine Rede. Wun­der­lich, Tü­bin­gen 1927

Ver­wir­rung der Ge­füh­le. Drei No­vel­len. (Vier­und­zwan­zig Stun­den aus dem Le­ben ei­ner Frau, Un­ter­gang ei­nes Her­zens, Ver­wir­rung der Ge­füh­le) In­sel, Leip­zig 1927*

St­ern­stun­den der Mensch­heit. Fünf his­to­ri­sche Mi­nia­tu­ren. Leip­zig, 1927*

Drei Dich­ter ih­res Le­bens. Ca­sa­no­va -- Stendhal -- Tol­stoi. (= Die Bau­meis­ter der Welt, Band 3), In­sel, Leip­zig 1928*

Ra­hel rech­tet mit Gott. In: In­sel-Al­ma­nach auf das Jahr 1929, S. 112--131, In­sel, Leip­zig 1928*

Jo­seph Fouché. Bild­nis ei­nes po­li­ti­schen Men­schen. In­sel, Leip­zig 1929*

Das Lamm des Ar­men. Tra­gi­ko­mö­die in drei Ak­ten. (neun Bil­dern), In­sel, Leip­zig 1929

Vier Er­zäh­lun­gen. (Die un­sicht­ba­re Samm­lung*. Epi­so­de am Gen­fer See. Le­po­rel­la. Buch­men­del*). In­sel, Leip­zig 1929 (In­sel Bü­che­rei Band 408, 1. Aufl.) 96 Sei­ten

Die Hei­lung durch den Geist. Mes­mer -- Mary Ba­ker Eddy -- Freud. Leip­zig 1931*

Ma­rie An­to­i­net­te. Bild­nis ei­nes mitt­le­ren Cha­rak­ters. Leip­zig 1932

Tri­umph und Tra­gik des Eras­mus von Rot­ter­dam. Her­bert Reich­ner, Wien 1934*

Die schweig­sa­me Frau. Ko­mi­sche Oper in drei Auf­zü­gen. Li­bret­to, frei nach der Ko­mö­die Epi­coe­ne, or The Si­lent Wo­man von Ben Jon­son. Mu­sik von Richard Strauss. Für­st­ner, Ber­lin 1935. UA 24. Juni 1935 Dres­den (Staats­o­per)

Ma­ria Stuart. Reich­ner, Wien 1935*

Ge­sam­mel­te Er­zäh­lun­gen, 2 Bän­de (Band 1: Die Ket­te, Band 2: Ka­lei­do­skop), Wien 1936

Cas­tel­lio ge­gen Cal­vin oder. Ein Ge­wis­sen ge­gen die Ge­walt, Wien 1936*

Der be­gra­be­ne Leuch­ter. No­vel­le. Wien 1937*

Be­geg­nun­gen mit Men­schen, Bü­chern, Städ­ten, Wien 1937

Ma­gel­lan. Der Mann und sei­ne Tat. Wien 1938*

Un­ge­duld des Her­zens. Ro­man. Ber­mann-Fi­scher/Al­lert de Lan­ge, Stock­holm/Ams­ter­dam 1939*

Bra­si­li­en. Ein Land der Zu­kunft. Ber­mann-Fi­scher, Stock­holm 1941*

Schach­no­vel­le. Bue­nos Ai­res 1942*

Zeit und Welt. Ge­sam­mel­te Auf­sät­ze und Vor­trä­ge 1904--1940. (u.A. Das Ge­heim­nis des künst­le­ri­schen Schaf­fens 1938 Lon­don) Ber­mann-Fi­scher, Stock­holm 1943

Die Welt von Ges­tern. Erin­ne­run­gen ei­nes Eu­ro­pä­ers. Stock­holm 1942*

Ame­ri­go. Die Ge­schich­te ei­nes his­to­ri­schen Irr­tums. Stock­holm 1944*

Le­gen­den Stock­holm 1945*

Balzac. Ro­man sei­nes Le­bens. Hrsg. Richard Frie­den­thal, Stock­holm 1946

Frag­ment ei­ner No­vel­le. Hrsg. Erich Fit­zen­bau­er. Mit 4 Ori­gi­nal-Li­tho­gra­phien von Hans Fro­ni­us, Wien 1961

Rausch der Ver­wand­lung. Ro­man. Aus dem Nach­lass hrsg. v. Knut Beck 1982*

Novellen und Erzählungen

Angst

Zu­erst er­schie­nen: Ber­lin: H. S. Her­mann 1920

Als Frau Ire­ne die Trep­pe von der Woh­nung ih­res Ge­lieb­ten hin­ab­stieg, pack­te sie mit ei­nem Male wie­der jene sinn­lo­se Angst. Ein schwar­zer Krei­sel surr­te plötz­lich vor ih­ren Au­gen, die Knie fro­ren zu ent­setz­li­cher Star­re, und has­tig muß­te sie sich am Ge­län­der fest­hal­ten, um nicht jäh­lings nach vor­ne zu fal­len. Es war nicht das ers­te­mal, daß sie den ge­fahr­vol­len Be­such wag­te, die­ser jähe Schau­er ihr kei­nes­wegs fremd, im­mer un­ter­lag sie trotz al­ler in­ner­li­chen Ge­gen­wehr bei je­der Heim­kehr sol­chen grund­lo­sen An­fäl­len un­sin­ni­ger und lä­cher­li­cher Angst. Der Weg zum Ren­dez­vous war un­be­denk­lich leich­ter. Da ließ sie den Wa­gen an der Stra­ßen­e­cke hal­ten, lief has­tig und ohne auf­zu­schau­en die we­ni­gen Schrit­te bis zum Hau­stor und dann die Stu­fen ei­lend em­por, wuß­te sie doch, er war­te schon in­nen auf sie hin­ter der rasch ge­öff­ne­ten Tür, und die­se ers­te Angst, in der doch auch Un­ge­duld brann­te, zer­floß heiß in ei­ner grü­ßen­den Umar­mung. Aber dann, wenn sie heim woll­te, stieg es frös­telnd auf, dies an­de­re ge­heim­nis­vol­le Grau­en, nun wirr ge­mengt mit dem Schau­er der Schuld und je­nem tö­rich­ten Wahn, je­der frem­de Blick auf der Stra­ße ver­möch­te ihr ab­zu­le­sen, wo­her sie käme, und mit fre­chem Lä­cheln ihre Ver­wir­rung er­wi­dern. Noch die letz­ten Mi­nu­ten in sei­ner Nähe wa­ren schon ver­gif­tet von der stei­gen­den Un­ru­he die­ses Vor­ge­fühls; im Fort­wol­len zit­ter­ten ihre Hän­de vor ner­vö­ser Eile, zer­streut fing sie sei­ne Wor­te auf und wehr­te has­tig den Nach­züg­lern sei­ner Lei­den­schaft; fort, nur fort woll­te dann im­mer schon al­les in ihr, aus sei­ner Woh­nung, sei­nem Haus, aus dem Aben­teu­er in ihre ru­hi­ge bür­ger­li­che Welt zu­rück. Kaum wag­te sie in den Spie­gel zu schau­en, aus Furcht vor dem Miß­trau­en im ei­ge­nen Blick, und doch war es nö­tig zu prü­fen, ob nichts an ih­rer Klei­dung die Lei­den­schaft der Stun­de durch Ver­wir­rung ver­rie­te. Dann ka­men noch jene letz­ten, ver­geb­lich be­ru­hi­gen­den Wor­te, die sie vor Auf­re­gung kaum hör­te, und jene hor­chen­de Se­kun­de hin­ter der ber­gen­den Tür, ob nie­mand die Trep­pe hin­auf und hin­ab gin­ge. Drau­ßen aber stand schon die Angst, un­ge­dul­dig sie an­zu­fas­sen, und hemm­te ihr so her­risch den Herz­schlag, daß sie im­mer schon atem­los die we­ni­gen Stu­fen nie­der­stieg, bis sie die ner­vös zu­sam­men­ge­raff­te Kraft ver­sa­gen fühl­te.

Eine Mi­nu­te stand sie so mit ge­schlos­se­nen Au­gen und at­me­te die däm­me­ri­ge Küh­le des Trep­pen­hau­ses gie­rig ein. Da fiel von ei­nem obe­ren Stock­werk eine Tür ins Schloß, er­schreckt raff­te sie sich zu­sam­men und has­te­te, in­des ihre Hän­de un­will­kür­lich den dich­ten Schlei­er noch fes­ter zu­sam­men­raff­ten, die Stu­fen hin­ab. Jetzt droh­te noch je­ner letz­te furcht­bars­te Mo­ment, das Grau­en, aus frem­dem Hau­stor auf die Stra­ße zu tre­ten und viel­leicht in die vor­dring­li­che Fra­ge ei­nes vor­über­ge­hen­den Be­kann­ten hin­ein, wo­her sie käme, in die Ver­wir­rung und Ge­fahr ei­ner Lüge: sie senk­te den Kopf wie ein Sprin­ger beim An­lauf und eil­te mit jä­hem Ent­schluß ge­gen das halb­of­fe­ne Tor.

Da stieß sie hart mit ei­ner Frau­ens­per­son zu­sam­men, die of­fen­bar eben ein­tre­ten woll­te. »Par­don«, sag­te sie ver­le­gen und müh­te sich, rasch an ihr vor­bei­zu­kom­men. Aber die Per­son sperr­te ihr breit die Tür und starr­te sie zor­nig und zu­gleich mit un­ver­stell­tem Hohn an. »Daß ich Sie nur ein­mal er­wi­sche!«, schrie sie ganz un­be­küm­mert mit ei­ner der­ben Stim­me. »Na­tür­lich, eine an­stän­di­ge Frau, eine so­ge­nann­te! Das hat nicht ge­nug an ei­nem Mann und dem vie­len Geld und an al­lem, das muß noch ei­nem ar­men Mä­del ih­ren Ge­lieb­ten ab­spens­tig ma­chen …«

»Um Got­tes wil­len … was ha­ben Sie … Sie ir­ren sich …«, stam­mel­te Frau Ire­ne und mach­te einen lin­ki­schen Ver­such durch­zu­wi­schen, aber die Per­son pfropf­te ih­ren mas­si­gen Kör­per breit in die Tür und keif­te ihr grell ent­ge­gen: »Nein, ich irre mich nicht … ich ken­ne Sie … Sie kom­men von Eduard, mei­nem Freund … Jetzt habe ich Sie end­lich ein­mal er­wi­scht, jetzt weiß ich, warum er so we­nig Zeit für mich in der letz­ten Zeit hat … We­gen Ih­nen also … Sie ge­mei­ne …!«

»Um Got­tes wil­len«, un­ter­brach sie Frau Ire­ne mit er­lö­schen­der Stim­me, »schrei­en Sie doch nicht so«, und trat un­will­kür­lich in den Haus­flur wie­der zu­rück. Die Frau sah sie höh­nisch an. Die­se schlot­tern­de Angst, die­se sicht­li­che Hilf­lo­sig­keit schi­en ihr ir­gend­wie wohl­zu­tun, denn mit ei­nem selbst­be­wuß­ten und spöt­tisch zu­frie­de­nen Lä­cheln mus­ter­te sie jetzt ihr Op­fer. Ihre Stim­me wur­de vor ge­mei­nem Wohl­be­ha­gen ganz breit und bei­na­he be­hä­big.

»So se­hen sie also aus, die­se ver­hei­ra­te­ten Da­men, die no­beln, vor­neh­men Da­men, wenn sie ei­nem die Män­ner steh­len ge­hen. Ver­schlei­ert, na­tür­lich ver­schlei­ert, da­mit man nach­her über­all die an­stän­di­ge Frau spie­len kann…«

»Was … was wol­len Sie denn von mir?… Ich ken­ne Sie ja gar nicht … Ich muß fort …«

»For­t… ja na­tür­lich … zum Herrn Ge­mahl … in die war­me Stu­be, die vor­neh­me Dame spie­len und sich aus­klei­den las­sen von den Dienst­bo­ten… Aber was un­serei­ner treibt, ob das kre­piert vor Hun­ger, das schert ja so eine vor­neh­me Dame nicht… So ei­ner steh­len sie auch das letz­te, die­se an­stän­di­gen Frau­en…«

Ire­ne gab sich einen Ruck und griff, ei­ner va­gen Ein­ge­bung ge­hor­chend, in ihr Por­te­mon­naie und faß­te, was ihr ge­ra­de an Bank­no­ten in die Hand kam. »Da … da ha­ben Sie … aber las­sen Sie mich jetz­t… Ich kom­me nie mehr her … ich schwö­re es Ih­nen.«

Mit ei­nem bö­sen Blick nahm die Per­son das Geld. »Lu­der«, mur­mel­te sie da­bei. Frau Ire­ne zuck­te un­ter dem Wort zu­sam­men, aber sie sah, daß die an­de­re ihr die Tür frei­gab und stürz­te hin­aus, dumpf und atem­los, wie ein Selbst­mör­der vom Turm. Sie spür­te Ge­sich­ter als ver­zerr­te Frat­zen vor­beiglei­ten, wie sie vor­wärts lief, und rang sich müh­sam mit schon ver­dun­kel­tem Blick durch bis zu ei­nem Au­to­mo­bil, das an der Ecke stand. Wie eine Mas­se warf sie ih­ren Kör­per in die Kis­sen, dann wur­de al­les in ihr starr und re­gung­los, und als der Chauf­feur end­lich ver­wun­dert den son­der­ba­ren Fahr­gast frag­te, wo­hin der Weg gin­ge, starr­te sie ihn einen Au­gen­blick ganz leer an, bis ihr be­nom­me­nes Ge­hirn sei­ne Wor­te schließ­lich er­faß­te. »Zum Süd­bahn­hof«, stieß sie dann has­tig her­aus und, plötz­lich vom Ge­dan­ken er­faßt, die Per­son könn­te ihr fol­gen, »rasch, rasch, fah­ren Sie schnell!«

In der Fahrt erst spür­te sie, wie sehr die­se Be­geg­nung sie ins Herz ge­trof­fen hat­te. Sie tas­te­te ihre Hän­de an, die er­starrt und kalt wie ab­ge­stor­be­ne Din­ge an ih­rem Kör­per nie­der­hin­gen, und be­gann mit ei­nem Male so zu zit­tern, daß es sie schüt­tel­te. In der Keh­le klomm et­was Bit­te­res em­por, sie spür­te Brech­reiz und zu­gleich eine sinn­lo­se, dump­fe Wut, die wie ein Krampf das In­ne­re ih­rer Brust her­aus­wüh­len woll­te. Am liebs­ten hät­te sie ge­schri­en oder mit den Fäus­ten ge­tobt, sich frei­zu­ma­chen von dem Grau­en die­ser Erin­ne­rung, die fest wie ein An­gel­ha­ken in ih­rem Ge­hirn saß, die­ses wüs­te Ge­sicht mit sei­nem höh­ni­schen La­chen, die­ser Dunst von Ge­mein­heit, der auf­stieg vom schlech­ten Atem der Pro­le­ta­ri­e­rin, die­ser wüs­te Mund, der voll Haß ihr hart bis ins Ge­sicht die nied­ri­gen Wor­te ge­spien, und die ge­ho­be­ne rote Faust, mit der sie ihr ge­droht hat­te. Im­mer stär­ker wur­de das Übel­keits­ge­fühl, im­mer hö­her klomm es in die Keh­le, dazu schleu­der­te der rasch rol­len­de Wa­gen hin und her, und eben woll­te sie dem Chauf­feur be­deu­ten, lang­sa­mer zu fah­ren, als ihr noch recht­zei­tig ein­fiel, sie hät­te viel­leicht nicht mehr ge­nug Geld bei sich, ihn zu be­zah­len, da sie doch alle Bank­no­ten an die­se Er­pres­se­rin ge­ge­ben. Has­tig gab sie das Si­gnal zum Hal­ten und stieg zu neu­er­li­cher Ver­wun­de­rung des Chauf­feurs plötz­lich aus. Glück­li­cher­wei­se reich­te der Rest ih­res Gel­des. Aber dann fand sie sich in einen frem­den Be­zirk ver­schla­gen, in ei­nem Ge­schie­be ge­schäf­ti­ger Men­schen, die ihr phy­sisch weh ta­ten mit je­dem Wort und je­dem Blick. Da­bei wa­ren ihre Knie wie auf­ge­weicht von der Angst und tru­gen un­wil­lig die Schrit­te vor­wärts, aber sie muß­te heim, und alle Ener­gie zu­sam­men­raf­fend, stieß sie sich von Gas­se zu Gas­se fort mit ei­ner über­mensch­li­chen An­stren­gung, als ob sie durch einen Mo­rast wa­te­te oder knie­tie­fen Schnee. End­lich kam sie zu ih­rem Hau­se und stürz­te mit ei­ner ner­vö­sen Hast, die sie aber so­fort wie­der mä­ßig­te, um nicht durch ihre Un­ru­he auf­zu­fal­len, die Trep­pe hin­auf.

Jetzt erst, da ihr das Dienst­mäd­chen den Man­tel ab­nahm, sie ne­ben­an ih­ren klei­nen Kna­ben mit der jün­ge­ren Schwes­ter laut spie­len hör­te und der be­ru­hig­te Blick über­all Ei­ge­nes faß­te, Ei­gen­tum und Ge­bor­gen­heit, ge­wann sie wie­der einen äu­ße­ren Schein von der Ge­faßt­heit zu­rück, in­des un­ter­ir­disch die Woge der Er­re­gung noch schmerz­haft die ge­spann­te Brust durch­roll­te. Sie nahm den Schlei­er ab, glät­te­te mit dem star­ken Wil­len, arg­los zu schei­nen, ihr Ge­sicht und trat in das Spei­se­zim­mer, wo ihr Mann bei dem abend­lich ge­deck­ten Tisch die Zei­tung las.

»Spät, spät, lie­be Ire­ne«, grüß­te er mit sanf­tem Vor­wurf, stand auf und küß­te sie auf die Wan­ge, was ihr un­will­kür­lich ein pein­li­ches Ge­fühl der Scham er­weck­te. Sie setz­ten sich zu Ti­sche, und gleich­gül­tig, kaum von der Zei­tung weg, frag­te er: »Wo warst du so lan­ge?«

»Ich war … bei … bei Ame­lie … sie muß­te da noch et­was be­sor­gen … und ich ging mit«, er­gänz­te sie und schon zor­nig über die ei­ge­ne Un­be­dacht­sam­keit, so schlecht ge­lo­gen zu ha­ben. Sonst rüs­te­te sie im­mer im vor­aus eine sorg­fäl­tig aus­ge­klü­gel­te, al­len Mög­lich­kei­ten der Über­prü­fung trot­zen­de Lüge, heu­te aber hat­te die Angst sie dar­an ver­ges­sen las­sen und zu ei­ner so un­ge­schick­ten Im­pro­vi­sa­ti­on ge­zwun­gen. Wenn, fuhr es ihr durch den Sinn, ihr Mann, wie jüngst in dem Stück, das sie im Thea­ter sa­hen, hin­te­le­fo­nier­te und sich er­kun­dig­te …

»Was hast du denn? … Du scheinst mir so ner­vös … und warum nimmst du denn den Hut nicht ab?«, frag­te ihr Mann. Sie schrak zu­sam­men, als sie sich neu­er­dings in ih­rer Ver­le­gen­heit er­tappt fühl­te, stand ei­lig auf, ging in ihr Zim­mer, den Hut ab­zu­neh­men, und sah da­bei im Spie­gel ihr un­ru­hi­ges Auge so lan­ge an, bis der Blick ihr wie­der si­cher und fest schi­en. Dann kehr­te sie in das Spei­se­zim­mer zu­rück.

Das Mäd­chen kam mit der Abend­mahl­zeit, und es wur­de ein Abend wie alle an­de­ren, viel­leicht et­was mehr wort­karg und we­ni­ger ge­sel­lig als sonst, ein Abend mit ei­nem ar­men, mü­den, oft hin­stol­pern­den Ge­spräch. Ihre Ge­dan­ken wan­der­ten den Weg un­abläs­sig zu­rück und schra­ken im­mer ent­setzt em­por, wenn sie zu je­ner Mi­nu­te ka­men, in die grau­en­haf­te Nähe der Er­pres­se­rin: dann hob sie im­mer den Blick, um sich ge­bor­gen zu füh­len, griff Ding um Ding der be­seel­ten Nähe, je­des durch Erin­ne­rung und Be­deu­tung in die Zim­mer ge­stellt, zärt­lich an, und eine leich­te Be­ru­hi­gung kehr­te in sie zu­rück. Und die Wand­uhr, ge­mäch­lich mit ih­rem stäh­ler­nen Schritt das Schwei­gen durch­schrei­tend, gab ih­rem Her­zen un­merk­lich wie­der et­was von sei­nem gleich­mä­ßi­gen, sorg­los-si­che­ren Takt.

Am nächs­ten Mor­gen, als ihr Mann in sei­ne Kanz­lei, die Kin­der spa­zie­ren­ge­gan­gen wa­ren und sie end­lich mit sich al­lein blieb, ver­lor im kla­ren Vor­mit­tags­licht jene schreck­haf­te Be­geg­nung bei nach­träg­li­cher Über­prü­fung viel von ih­rer Be­ängs­ti­gung. Frau Ire­ne be­sann sich zu­nächst, daß ihr Schlei­er sehr dicht und es je­ner Per­son da­durch un­mög­lich ge­we­sen war, die Züge ih­res Ge­sich­tes ge­nau wahr­zu­neh­men und wie­der­er­ken­nen zu kön­nen. Ru­hig er­wog sie nun alle Maß­nah­men der Vor­beu­gung. Auf kei­nen Fall wür­de sie ih­ren Ge­lieb­ten noch­mals in sei­ner Woh­nung auf­su­chen -- und da­mit war wohl die ehe­s­te Mög­lich­keit ei­nes sol­chen Über­falls be­sei­tigt. Blieb also nur die Ge­fahr ei­ner zu­fäl­li­gen Wie­der­be­geg­nung mit die­ser Per­son, doch auch eine sol­che war un­wahr­schein­lich, denn nach­ge­folgt konn­te sie ihr, die doch im Au­to­mo­bil ge­flüch­tet war, nicht sein. Name und Woh­nung wa­ren ihr fremd und ein sons­ti­ges zu­ver­läs­si­ges Er­ken­nen nach dem un­deut­li­chen Ge­sichts­bil­de nicht zu be­fürch­ten. Aber auch für die­sen äu­ßers­ten Fall war Frau Ire­ne ge­rüs­tet. Dann, nicht mehr im Schraub­stock der Angst, wür­de sie ein­fach, so be­schloß sie so­fort, ru­hi­ge Hal­tung be­wah­ren, al­les ab­leug­nen, kühl einen Irr­tum be­haup­ten und, da ein Be­weis je­nes Be­su­ches an­ders als zur Stel­le kaum zu er­brin­gen war, die­se Per­son even­tu­ell der Er­pres­sung be­zich­ti­gen. Nicht um­sonst war Frau Ire­ne die Gat­tin ei­nes der be­kann­tes­ten Ver­tei­di­ger der Re­si­denz, sie wuß­te ge­nug aus des­sen Ge­sprä­chen mit Fach­kol­le­gen, daß Er­pres­sun­gen nur so­fort und durch größ­te Kalt­blü­tig­keit ge­dros­selt wer­den könn­ten, weil jede Ver­zö­ge­rung, je­der Schein von Un­ru­he von sei­ten des Ver­folg­ten die Über­le­gen­heit sei­nes Geg­ners nur stei­gert.

Die ers­te Ge­gen­maß­re­gel war ein knap­per Brief an ih­ren Ge­lieb­ten, sie kön­ne mor­gen zur ver­ein­bar­ten Stun­de nicht kom­men, auch in den nächs­ten Ta­gen nicht. Beim Über­le­sen schi­en ihr das Bil­lett, in dem sie zum ers­ten­mal ihre Schrift ver­stell­te, et­was fros­tig im Ton, und schon woll­te sie die un­ge­fäl­li­gen Wor­te durch in­ti­me­re er­set­zen, als die Erin­ne­rung an die gest­ri­ge Be­geg­nung plötz­lich einen un­ter­ir­disch re­gen Groll, der un­be­wußt die Käl­te der Zei­len ver­schul­det hat­te, ihr er­klär­te. Ihr Stolz war ge­reizt durch jene pein­li­che Ent­de­ckung, in der Gunst ih­res Lieb­ha­bers eine so nie­de­re und un­wür­di­ge Vor­gän­ge­rin ab­ge­löst zu ha­ben, und mit ge­häs­si­ge­rem Ge­fühl die Wor­te prü­fend, freu­te sie sich nun rach­süch­tig der küh­len Art, mit der sie ihr Kom­men dar­in ge­wis­ser­ma­ßen in die Sphä­re ih­rer gü­ti­gen Lau­ne er­hob.

Sie hat­te die­sen jun­gen Men­schen, einen Pia­nis­ten von Ruf, in ei­nem frei­lich noch be­grenz­ten Krei­se, bei ei­ner ge­le­gent­li­chen Abend­un­ter­hal­tung ken­nen­ge­lernt und war bald, ohne es recht zu wol­len und bei­na­he ohne es zu be­grei­fen, sei­ne Ge­lieb­te ge­wor­den. Nichts in ih­rem Blu­te hat­te ei­gent­lich nach dem sei­nen ver­langt, nichts Sinn­li­ches und kaum ein Geis­ti­ges sie sei­nem Kör­per ver­bun­den: sie hat­te sich ihm hin­ge­ge­ben, ohne sei­ner zu be­dür­fen oder ihn nur stark zu be­geh­ren, aus ei­ner ge­wis­sen Träg­heit des Wi­der­stan­des ge­gen sei­nen Wil­len und ei­ner Art un­ru­hi­gen Neu­gier. Nichts in ihr, we­der ihr durch ehe­li­ches Glück voll be­frie­dig­tes Blut, noch das bei Frau­en so häu­fi­ge Ge­fühl, in ih­ren geis­ti­gen In­ter­es­sen zu ver­küm­mern, hat­te ihr einen Lieb­ha­ber zum Be­dürf­nis ge­macht, sie war voll­kom­men glück­lich an der Sei­te ei­nes be­gü­ter­ten, geis­tig ihr über­le­ge­nen Gat­ten, zwei­er Kin­der, trä­ge und zu­frie­den ge­bet­tet in ih­rer be­hag­li­chen, breit­bür­ger­li­chen, wind­stil­len Exis­tenz. Aber es gibt eine Schlaff­heit der At­mo­sphä­re, die eben­so sinn­lich macht als Schwü­le oder Sturm, eine Wohl­tem­pe­riert­heit des Glückes, die auf­rei­zen­der ist als Un­glück, und für vie­le Frau­en durch ihre Wun­sch­lo­sig­keit eben­so ver­häng­nis­voll als eine dau­ern­de Un­be­frie­di­gung durch Hoff­nungs­lo­sig­keit. Satt­heit reizt nicht min­der wie Hun­ger, und das Ge­fahr­lo­se, Ge­si­cher­te ih­res Le­bens gab ihr Neu­gier nach dem Aben­teu­er. Nir­gends war Wi­der­stand in ih­rer Exis­tenz. Über­all griff sie ins Wei­che, über­all war Vor­sorg­lich­keit, Zärt­lich­keit, laue Lie­be und häus­li­che Ach­tung hin­ge­brei­tet, und ohne zu ah­nen, daß die­se Ge­mä­ßigt­heit der Exis­tenz nie­mals von äu­ße­ren Din­gen be­mes­sen wird, son­dern im­mer nur Wi­der­spiel ei­ner in­ne­ren Be­zie­hungs­lo­sig­keit ist, fühl­te sie sich ir­gend­wie um das wirk­li­che Le­ben durch die­se Be­hag­lich­keit be­tro­gen.

Ihre däm­mern­den Mäd­chen­träu­me von der großen Lie­be und der Ek­sta­se des Ge­fühls, ein­ge­schlä­fert von den freund­li­chen Be­ru­hi­gun­gen der ers­ten Ehe­jah­re und dem spiel­haf­ten Reiz jun­ger Müt­ter­lich­keit, be­gan­nen jetzt, da sie sich dem drei­ßigs­ten Jah­re nä­her­te, wie­der zu er­wa­chen, und wie jede Frau maß sie sich in­ner­lich die Fä­hig­keit zu großer Lei­den­schaft bei, ohne aber dem Wil­len zum Er­le­ben den Mut bei­zu­ge­sel­len, der das Aben­teu­er mit sei­nem wahr­haf­ten Preis, der Ge­fahr, be­zahlt. Als ihr nun in die­sen Au­gen­bli­cken ei­ner Zufrie­den­heit, die sie selbst nicht zu stei­gern ver­moch­te, die­ser jun­ge Mensch mit star­kem, un­ver­hehl­tem Be­geh­ren sich ihr nä­her­te und, von der Ro­man­tik der Kunst um­wit­tert, in ihre bür­ger­li­che Welt trat, wo sonst die Män­ner nur mit lau­en Spä­ßen und klei­nen Ko­ket­te­ri­en die »schö­ne Frau« in ihr re­spekt­voll fei­er­ten, ohne je ernst­lich das Weib in ihr zu be­geh­ren, fühl­te sie sich zum ers­ten­mal seit ih­ren Mäd­chen­ta­gen wie­der in ih­rem In­ners­ten ge­reizt. An sei­nem We­sen hat­te sie viel­leicht nichts ver­lockt als ein Schat­ten von Trau­er, der über sei­nem et­was zu in­ter­essant ar­ran­gier­ten Ge­sicht lag und von dem sie nicht zu un­ter­schei­den wuß­te, daß er ei­gent­lich eben­so er­lernt sei wie das Tech­ni­sche sei­ner Kunst und jene me­lan­cho­lisch ver­düs­ter­te Nach­denk­lich­keit, aus der er ein (längst vor­aus­stu­dier­tes) Im­promp­tu er­hob. In die­ser Trau­rig­keit lag für sie, die sich von lau­ter sat­ten und bür­ger­li­chen Men­schen um­ringt fühl­te, eine Ah­nung je­ner hö­he­ren Welt, die ihr far­big aus den Bü­chern ent­ge­gen­blick­te und ro­man­tisch in den Thea­ter­stücken sich reg­te, und un­will­kür­lich beug­te sie sich über den Rand ih­rer täg­li­chen Ge­füh­le, um sie zu be­trach­ten. Ein Kom­pli­ment, aus der Hin­ge­ris­sen­heit der Se­kun­de, viel­leicht et­was hei­ßer als schick­lich dar­ge­bracht, ließ ihn vom Kla­vier zu der Frau auf­schau­en, und schon die­ser ers­te Blick griff nach ihr. Sie er­schrak und fühl­te gleich­zei­tig die Wol­lust al­ler Angst: ein Ge­spräch, in dem al­les wie von un­ter­ir­di­schen Flam­men durch­leuch­tet und er­hitzt schi­en, be­schäf­tig­te und reiz­te ihre nun schon rege Neu­gier so sehr, daß sie ei­ner neu­er­li­chen Be­geg­nung in ei­nem öf­fent­li­chen Kon­zert nicht aus­wich. Sie sa­hen sich dann öf­ter, und bald nicht mehr durch Zu­fall. Der Ehr­geiz, daß sie, die ih­rem mu­si­ka­li­schen Ur­teil bis­her we­nig Wert zu­ge­mu­tet hat­te und mit Recht ih­rem künst­le­ri­schen Ge­fühl Be­deu­tung ver­sag­te, ihm, ei­nem wirk­li­chen Künst­ler, als Ver­ste­hen­de und Be­ra­ten­de viel be­deu­te, wie er ihr wie­der­holt ver­si­cher­te, ließ sie we­ni­ge Wo­chen spä­ter vor­ei­lig sei­nem Vor­schla­ge ver­trau­en, er wol­le ihr und nur ihr al­lein sein neues­tes Werk bei sich vor­spie­len -- ein Ver­spre­chen, das in sei­ner Ab­sicht viel­leicht halb auf­rich­tig war, aber doch in Küs­sen und schließ­lich ih­rer über­rasch­ten Hin­ga­be un­ter­ging. Ihr ers­tes Ge­fühl war Er­schre­cken vor die­ser un­er­war­te­ten Wen­dung ins Sinn­li­che, der ge­heim­nis­vol­le Schau­er, der die­se Be­zie­hung um­wit­ter­te, war jäh­lings ge­bro­chen, und das Schuld­be­wußt­sein für die­sen un­ge­woll­ten Ehe­bruch wur­de nur teil­wei­se be­ru­higt durch die pri­ckeln­de Ei­tel­keit, zum ers­ten­mal durch einen, wie sie glaub­te, ei­ge­nen Ent­schluß die bür­ger­li­che Welt, in der sie leb­te, ver­neint zu ha­ben. Den Schau­er vor ih­rer ei­ge­nen Schlech­tig­keit, der sie in den ers­ten Ta­gen er­schreck­te, ver­wan­del­te ihre Ei­tel­keit so in ge­stei­ger­ten Stolz. Aber auch die­se ge­heim­nis­vol­len Er­re­gun­gen hat­ten ihre vol­le Span­nung nur in den ers­ten Au­gen­bli­cken. Ihr In­stinkt wehr­te sich un­ter­ir­disch ge­gen die­sen Men­schen und am meis­ten ge­gen das Neue in ihm, das An­ders­ar­ti­ge, das ihre Neu­gier ei­gent­lich ver­lockt hat­te. Die Ex­tra­va­ganz sei­ner Klei­dung, das Zi­geu­ne­ri­sche sei­nes Haus­stan­des, das Un­ge­re­gel­te sei­ner fi­nan­zi­el­len Exis­tenz, die zwi­schen Ver­schwen­dung und Ver­le­gen­heit ewig pen­del­te, wa­ren ih­rem bour­geoi­sen Emp­fin­den an­ti­pa­thisch; wie die meis­ten Frau­en woll­ten sie den Künst­ler sehr ro­man­tisch von der Fer­ne und sehr ge­sit­tet im per­sön­li­chen Um­gang, ein fun­keln­des Raub­tier, aber hin­ter den Ei­sen­stä­ben der Sit­te. Die Lei­den­schaft, die sie an sei­nem Spiel be­rausch­te, be­un­ru­hig­te in sei­ner kör­per­li­chen Nähe, sie moch­te ei­gent­lich die­se plötz­li­chen und her­ri­schen Umar­mun­gen nicht, de­ren ei­gen­wil­li­ge Rück­sichts­lo­sig­keit sie un­will­kür­lich mit der nach Jah­ren noch scheu­en und ver­eh­rungs­vol­len Glut ih­res Man­nes ver­glich. Aber nun sie ein­mal in die Un­treue ge­ra­ten war, kam sie wie­der und wie­der zu ihm, ohne be­glückt, ohne ent­täuscht zu sein, aus ei­nem ge­wis­sen Ge­fühl der Ver­pflich­tung und ei­ner Träg­heit der Ge­wöh­nung. Sie war eine je­ner Frau­en, die selbst un­ter den leicht­sin­ni­gen und so­gar den Ko­kot­ten nicht sel­ten sind, de­ren in­ne­re Bür­ger­lich­keit so stark ist, daß sie selbst in den Ehe­bruch eine Ord­nung, in die Aus­schwei­fung eine Art Häus­lich­keit mit­brin­gen und selbst das sel­tens­te Ge­fühl mit ge­dul­di­ger Mas­ke in eine All­täg­lich­keit zu ver­spin­nen su­chen. Nach we­ni­gen Wo­chen schon paß­te sie die­sen jun­gen Men­schen, ih­ren Ge­lieb­ten, ir­gend­wo säu­ber­lich in ihr Le­ben ein, be­stimm­te ihm, so wie ih­ren Schwie­ger­el­tern, einen Tag in der Wo­che, aber sie gab mit die­ser neu­en Be­zie­hung nichts von ih­rer al­ten Ord­nung auf, son­dern leg­te nur ge­wis­ser­ma­ßen ih­rem Le­ben et­was hin­zu. Die­ser Ge­lieb­te än­der­te bald gar nichts mehr am be­hag­li­chen Mecha­nis­mus ih­rer Exis­tenz, er wur­de ir­gend­ein Zu­wachs von tem­pe­rier­tem Glück, wie ein drit­tes Kind oder ein Au­to­mo­bil, und das Aben­teu­er schi­en ihr bald so ba­nal wie der er­laub­te Ge­nuß.

Das ers­te­mal nun, da sie das Aben­teu­er mit sei­nem wirk­li­chen Preis, der Ge­fahr, be­zah­len soll­te, be­gann sie klein­lich auf sei­nen Wert zu be­rech­nen. Vom Schick­sal ver­wöhnt, ver­zär­telt von ih­rer Fa­mi­lie, fast wunsch­los ge­macht durch güns­ti­ge Ver­mö­gens­ver­hält­nis­se, schi­en schon die ers­te Un­be­quem­lich­keit ih­rer Weh­lei­dig­keit zu viel. Sie wei­ger­te sich so­fort, et­was von ih­rer see­li­schen Sorg­lo­sig­keit her­zu­ge­ben, und war ei­gent­lich ohne Über­le­gung be­reit, den Ge­lieb­ten ih­rer Ge­mäch­lich­keit zu op­fern.

Die Ant­wort ih­res Ge­lieb­ten, ein auf­ge­schreck­ter, ner­vös hin­ge­stam­mel­ter Brief, noch am Nach­mit­tag von ei­nem Bo­ten über­bracht, ein Brief, der ver­stört fleh­te, klag­te und an­klag­te, mach­te sie wie­der un­si­cher in ih­rem Ent­schluß, das Aben­teu­er zu en­den, weil die­se Gier ih­rer Ei­tel­keit schmei­chel­te und sie durch sei­ne ek­sta­ti­sche Verzweif­lung ent­zück­te. Ihr Ge­lieb­ter bat sie in drin­gends­ten Wor­ten we­nigs­tens um eine flüch­ti­ge Be­geg­nung, da­mit er doch we­nigs­tens sei­ne Schuld auf­klä­ren kön­ne, falls er sie durch ir­gend et­was un­wis­send ver­letzt ha­ben soll­te, und nun reiz­te sie das neue Spiel, wei­ter mit ihm zu schmol­len und durch un­mo­ti­vier­tes Ver­wei­gern sich ihm noch kost­ba­rer zu ma­chen. Sie emp­fand sich jetzt in­mit­ten ei­ner Auf­re­gung, und das tat ihr, wie al­len in­ner­lich küh­len Men­schen, wohl, um­bran­det zu sein von Lei­den­schaf­ten und doch selbst nicht zu bren­nen. So be­stell­te sie ihn in eine Kon­di­to­rei, von der sie sich plötz­lich wie­der er­in­ner­te, dort als jun­ges Mäd­chen ein Ren­dez­vous mit ei­nem Schau­spie­ler ge­habt zu ha­ben, ei­nes frei­lich, das ihr jetzt kin­disch dünk­te, in sei­ner Ehr­er­bie­tung und Sorg­lo­sig­keit. Selt­sam, lä­chel­te sie in sich hin­ein, daß die Ro­man­tik in ih­rem Le­ben jetzt wie­der auf­zu­blü­hen be­gann, die in all den Jah­ren ih­rer Ehe ver­küm­mert war. Und bei­na­he war sie schon je­ner brüs­ken Be­geg­nung mit der Weibs­per­son von ges­tern in­ner­lich froh, bei der sie seit lan­gem wie­der ein wirk­li­ches Ge­fühl so stark und sti­mu­lie­rend emp­fun­den hat­te, daß ihre sonst ganz leicht ent­spann­ten Ner­ven noch un­ter­ir­disch da­von beb­ten.

Sie nahm dies­mal ein dunkles, un­auf­fäl­li­ges Kleid und einen an­de­ren Hut, um bei der mög­li­chen Be­geg­nung die Erin­ne­rung je­ner Per­son ir­re­zu­ma­chen. Ei­nen Schlei­er hat­te sie schon be­reit, um sich un­kennt­li­cher zu ma­chen, aber ein plötz­lich auf­stei­gen­der Trotz ließ sie ihn bei­sei­te le­gen. Soll­te sie es denn nicht wa­gen dür­fen, sie, eine ge­ach­te­te, an­ge­se­he­ne Frau, auf die Stra­ße zu ge­hen, aus Angst vor ir­gend­ei­ner Per­son, die sie gar nicht kann­te? Und schon meng­te sich der Furcht vor der Ge­fahr ein fremd­ar­tig lo­cken­der Reiz, eine kampf­be­rei­te, ge­fähr­lich pri­ckeln­de Lust, ähn­lich der, mit den Fin­gern die küh­le Schnei­de ei­nes Dol­ches zu füh­len oder in die Mün­dung ei­nes Re­vol­vers zu schau­en, in des­sen schwar­zer Hül­se der Tod zu­sam­men­ge­preßt sitzt. In die­sem Schau­er des Aben­teu­ers war et­was ih­rem ge­bor­ge­nen Le­ben Un­ge­wohn­tes, dem wie­der nahe zu sein es sie spiel­haft ver­lock­te, eine Sen­sa­ti­on, die ihre Ner­ven jetzt wun­der­voll spann­te und elek­tri­sche Fun­ken durch ihr Blut sprüh­te.

Ein flüch­ti­ges Angst­ge­fühl über­flog sie nur in der ers­ten Se­kun­de, da sie die Stra­ße be­trat, ein ner­vö­ser Schau­er von rie­seln­der Käl­te, wie wenn man die Fuß­spit­ze prü­fend ins Was­ser taucht, ehe man sich der Wel­le voll hin­gibt. Aber eine Se­kun­de bloß flog die­se Küh­le durch sie hin, dann rausch­te mit ei­nem­mal in ihr eine sel­te­ne Le­bens­freu­de auf, die Lust, so leicht, stark und elas­tisch aus­zu­schrei­ten, mit ei­nem ge­spann­ten, ge­ho­be­nen Schritt, den sie an sich sel­ber nicht kann­te. Fast leid war es ihr, daß die Kon­di­to­rei so nahe lag, denn ir­gend­ein Wil­le trieb sie jetzt rhyth­misch wei­ter fort in die ge­heim­nis­voll ma­gne­ti­sche An­zie­hung des Aben­teu­ers. Aber die Stun­de war knapp, die sie der Be­geg­nung be­stimmt hat­te, und eine an­ge­neh­me Si­cher­heit im Blut ver­hieß ihr, daß ihr Ge­lieb­ter sie be­reits er­war­te­te. Er saß in ei­ner Ecke, als sie ein­trat, und sprang mit ei­ner Er­re­gung auf, die sie an­ge­nehm und pein­lich zu­gleich be­rühr­te. Sie muß­te ihn mah­nen, die Stim­me zu dämp­fen, so heiß spru­del­te er aus dem Tu­mult sei­ner in­ne­ren Er­regt­heit einen Wir­bel von Fra­gen und Vor­wür­fen ihr ent­ge­gen. Ohne den wahr­haf­ten Grund ih­res Aus­blei­bens auch nur an­zu­deu­ten, spiel­te sie mit An­deu­tun­gen, die ihn durch ihre Un­be­stimmt­heit noch mehr ent­zün­de­ten. Für sei­ne Wün­sche blieb sie dies­mal un­nah­bar und zö­ger­te selbst mit Ver­spre­chun­gen, weil sie spür­te, wie sehr dies ge­heim­nis­voll plötz­li­che Ent­zie­hen und Ver­sa­gen ihn auf­reiz­te … Und als sie ihn nach ei­ner hal­b­en Stun­de hei­ßen Ge­sprächs ver­ließ, ohne ihm das min­des­te an Zärt­lich­keit ge­währt oder auch nur ver­hei­ßen zu ha­ben, lo­der­te sie in­nen von ei­nem sehr selt­sa­men Ge­fühl, wie sie es nur als Mäd­chen ge­kannt hat­te. Es war ihr, als glim­me eine klei­ne, pri­ckeln­de Flam­me tief un­ten und war­te nur auf den Wind, der das Feu­er auf­peitsch­te, daß es über ih­rem Haup­te zu­sam­menschla­ge. Sie nahm je­den Blick, den ihr die Gas­se zu­spreng­te, has­tig mit im Vor­über­schrei­ten, und der un­er­war­te­te Er­folg vie­ler sol­cher männ­li­cher Lo­ckun­gen reiz­te ihre Neu­gier nach dem ei­ge­nen Ge­sicht so sehr, daß sie plötz­lich vor dem Spie­gel an der Aus­la­ge ei­ner Blu­men­hand­lung ste­hen blieb, um im Rah­men ro­ter Ro­sen und taug­lit­zern­der Veil­chen ihre ei­ge­ne Schön­heit zu se­hen. Fun­kelnd blick­te sie sich an, leicht und jung, ein wol­lüs­tig halb­ge­öff­ne­ter Mund lä­chel­te ihr von drü­ben Zufrie­den­heit zu, und be­flü­gelt fühl­te sie nun ihre Glie­der im Weiter­schrei­ten; ein Ver­lan­gen nach ei­ner kör­per­li­chen Ent­ket­tung, nach Tanz oder Tau­mel lös­te den ge­wohn­ten ge­mäch­li­chen Rhyth­mus aus ih­ren Schrit­ten, und un­gern hör­te sie jetzt von der Mi­chae­ler­kir­che, an der sie vor­bei­eil­te, die Stun­de, die sie nach Hau­se rief, in ihre enge, or­dent­li­che Welt. Seit ih­ren Mäd­chen­ta­gen hat­te sie nie sich so leicht emp­fun­den, nie so be­seelt in al­len Sin­nen, nicht die ers­ten Tage der Ehe und nicht die Umar­mun­gen ih­res Ge­lieb­ten hat­ten der­art mit Fun­ken ih­ren Leib ge­sta­chelt, und der Ge­dan­ke wur­de ihr un­er­träg­lich, jetzt schon all die­se sel­te­ne Leich­tig­keit, die­se süße Be­ses­sen­heit des Blu­tes an ge­re­gel­te Stun­den zu ver­schwen­den. Müde ging sie wei­ter. Vor dem Hau­se blieb sie noch ein­mal zö­gernd ste­hen, die feu­ri­ge Luft, das Ver­wir­ren­de die­ser Stun­de noch ein­mal mit ge­wei­te­ter Brust in sich ein­zuat­men, sie tief bis ans Herz zu spü­ren, die­se letz­te ver­eb­ben­de Wel­le des Aben­teu­ers.

Da rühr­te sie je­mand an der Schul­ter. Sie wand­te sich um. »Was … was wol­len Sie denn schon wie­der?«, stam­mel­te sie töd­lich er­schreckt, als sie plötz­lich das ver­haß­te Ge­sicht sah, und er­schrak noch mehr, sich selbst die­se ver­häng­nis­vol­len Wor­te sa­gen zu hö­ren. Sie hat­te sich doch vor­ge­nom­men, die­se Frau nicht mehr zu er­ken­nen, wenn sie ihr je­mals wie­der be­geg­nen soll­te, al­les ab­zu­leug­nen, Stirn an Stirn der Er­pres­se­rin ent­ge­gen­zu­tre­ten … Jetzt war es zu spät.

»Ich war­te schon eine hal­be Stun­de hier auf Sie, Frau Wa­gner.«

Ire­ne zuck­te zu­sam­men, als sie ih­ren Na­men hör­te. Die Per­son wuß­te ih­ren Na­men, ihre Woh­nung. Jetzt war al­les ver­lo­ren, sie ihr ret­tungs­los aus­ge­lie­fert. Sie hat­te Wor­te zwi­schen ih­ren Lip­pen, die sorg­sam vor­be­rei­te­ten und be­rech­nen­den Wor­te, aber ihre Zun­ge war ge­lähmt und ohne Kraft, einen Laut her­vor­zu­brin­gen.

»Eine hal­be Stun­de war­te ich schon, Frau Wa­gner.«

Dro­hend wie einen Vor­wurf wie­der­hol­te die Per­son ihre Wor­te.

»Was wol­len Sie … was wol­len Sie denn von mir …«

»Sie wis­sen schon, Frau Wa­gner« -- Ire­ne zuck­te bei dem Na­men wie­der zu­sam­men --, »Sie wis­sen ganz ge­nau, warum ich kom­me.«

»Ich habe ihn nie mehr ge­se­hen … las­sen Sie mich jetzt … nie mehr wer­de ich ihn se­hen … nie …«

Die Per­son war­te­te ge­mäch­lich, bis Ire­ne in ih­rer Er­re­gung nicht mehr wei­ter konn­te. Dann sag­te sie barsch wie zu ei­nem Un­ter­ge­be­nen:

»Lü­gen Sie nicht! Ich bin Ih­nen ja nach­ge­gan­gen bis an die Kon­di­to­rei«, und füg­te, als sie Ire­ne zu­rück­wei­chen sah, noch höh­nisch hin­zu: »Ich habe ja kei­ne Be­schäf­ti­gung. Aus dem Ge­schäft ha­ben sie mich ent­las­sen, we­gen Ar­beits­man­gels, wie sie sa­gen, und we­gen der schlech­ten Zei­ten. Na, das nützt man halt aus, und da geht un­ser­eins auch ein biß’l spa­zi­ern … ganz so wie die an­stän­di­gen Frau­en.«

Sie sag­te das mit ei­ner kal­ten Bos­heit, die Ire­ne ins Herz stach. Wehr­los fühl­te sie sich ge­gen die nack­te Bru­ta­li­tät die­ser Ge­mein­heit, und im­mer wir­be­li­ger faß­te sie der Angst­ge­dan­ke, die Per­son könn­te jetzt wie­der laut zu spre­chen an­fan­gen oder ihr Mann vor­bei­kom­men, und dann wäre al­les ver­lo­ren. Rasch tas­te­te sie in den Muff, riß ihre Sil­ber­ta­sche auf und hol­te al­les Geld her­aus, das ihr in die Fin­ger kam. Mit Ekel stieß sie es ihr in die Hand, die sich schon lang­sam in si­che­rer Er­war­tung der Beu­te frech ent­ge­gen­streck­te.

Aber dies­mal sank die fre­che Hand, so­bald sie das Geld spür­te, nicht wie da­mals de­mü­tig in sich zu­sam­men, son­dern blieb starr in der Luft schwe­ben und of­fen wie eine Kral­le.

»Ge­ben S’ mir doch auch die Sil­ber­ta­sche, da­mit ich das Geld nicht ver­lier’!«, sag­te dazu der höh­nisch auf­ge­wor­fe­ne Mund mit ei­nem lei­sen, kol­lern­den La­chen.

Ire­ne blick­te ihr in das Auge, aber nur eine Se­kun­de. Die­ser fre­che, ge­mei­ne Hohn war nicht zu er­tra­gen. Wie einen bren­nen­den Schmerz spür­te sie Ekel ih­ren gan­zen Kör­per durch­drin­gen. Nur fort, fort, nur dies Ge­sicht nicht mehr se­hen! Ab­ge­wandt, mit ra­scher Be­we­gung streck­te sie ihr die kost­ba­re Ta­sche hin, dann lief sie, von Grau­en ge­jagt, die Trep­pe em­por.

Ihr Mann war noch nicht zu Hau­se, so konn­te sie sich hin­wer­fen auf das Sofa. Re­gungs­los, wie von ei­nem Ham­mer ge­trof­fen, blieb sie lie­gen, nur durch die Fin­ger sprang ein wil­des Zu­cken und rüt­tel­te den Arm bis zu den Schul­tern hin­auf, aber nichts in ih­rem Kör­per ver­moch­te sich zu weh­ren ge­gen die­se auf­stür­men­de Ge­walt des ent­fes­sel­ten Grau­ens. Erst als sie die Stim­me ih­res Man­nes von drau­ßen hör­te, raff­te sie sich mit äu­ßers­ter An­stren­gung auf und schlepp­te sich in das an­de­re Zim­mer mit au­to­ma­ti­schen Be­we­gun­gen und ent­seel­ten Sin­nen.

Nun saß das Grau­en bei ihr im Haus und rühr­te sich nicht aus den Zim­mern. In den vie­len lee­ren Stun­den, die im­mer wie­der Wel­le auf Wel­le die Bil­der je­ner ent­setz­li­chen Be­geg­nung in ihr Ge­dächt­nis zu­rück­spül­ten, wur­de ihr das Hoff­nungs­lo­se ih­rer Si­tua­ti­on voll­kom­men klar. Die Per­son wuß­te -- un­be­greif­lich war ihr, wie das ge­sche­hen konn­te -- ih­ren Na­men, ihre Woh­nung und wür­de, da ihre ers­ten Ver­su­che so vor­treff­lich ge­lun­gen wa­ren, nun un­zwei­fel­haft kein Mit­tel scheu­en, ihre Mit­wis­ser­schaft zu dau­ern­der Er­pres­sung nutz­bar zu ma­chen. Jah­re und Jah­re lang wür­de sie wie ein Alp auf ih­rem Le­ben las­ten, nicht ab­zu­schüt­teln, durch kei­ne, auch die ver­zwei­felts­te An­stren­gung, denn ob­zwar ver­mö­gend und die Gat­tin ei­nes be­gü­ter­ten Man­nes, war es Frau Ire­ne doch nicht mög­lich, ohne ih­ren Ge­mahl zu ver­stän­di­gen, eine so be­deu­ten­de Sum­me auf­zu­brin­gen, die sie ein für al­le­mal von die­ser Per­son be­frei­te. Und au­ßer­dem -- dies wuß­te sie aus zu­fäl­li­gen Er­zäh­lun­gen ih­res Man­nes und des­sen Pro­zes­sen -- wa­ren doch Ver­trä­ge und Ver­spre­chun­gen so ab­ge­feim­ter und ehr­lo­ser Per­so­nen gänz­lich un­wer­tig. Ei­nen Mo­nat oder zwei viel­leicht, so rech­ne­te sie, war das Ver­häng­nis noch fern­zu­hal­ten, dann muß­te das künst­li­che Ge­bäu­de ih­res häus­li­chen Glückes nie­der­stür­zen, und ge­rin­ge Be­frie­di­gung bot die Ge­wiß­heit, daß sie die Er­pres­se­rin in ih­ren Sturz mit­riß. Denn was wa­ren sechs Mo­na­te Ge­fäng­nis für jene ge­wiß lie­der­li­che und wohl schon ab­ge­straf­te Per­son im Ver­gleich ge­gen die Exis­tenz, die sie sel­ber ver­lor und von der sie ent­setzt fühl­te, daß sie ihre ein­zig mög­li­che sei. Eine neue an­zu­fan­gen, ent­ehrt und be­ma­kelt, schi­en ihr, die vom Le­ben sich bis­her nur im­mer hat­te be­schen­ken las­sen und kei­nen Teil ih­res Schick­sals selbst ge­zim­mert, un­faß­bar, und dann, ihre Kin­der wa­ren ja hier, ihr Mann, ihr Heim, all die­se Din­ge, von de­nen sie jetzt erst, da sie sie ver­lie­ren soll­te, spür­te, wie sehr sie Teil und We­sen ih­res in­ne­ren Le­bens wa­ren. All das, wor­an sie frü­her nur mit dem blo­ßen Kleid ge­streift war, emp­fand sie mit ei­nem Mal ent­setz­lich not­wen­dig, und der Ge­dan­ke schi­en ihr manch­mal un­faß­bar, ja traum­haft un­wirk­lich, daß eine frem­de Va­ga­bun­din, die ir­gend­wo auf der Stra­ße lau­er­te, die Macht ha­ben soll­te, die­sen war­men Zu­sam­men­halt mit ei­nem ein­zi­gen Wort zu spren­gen.

Un­ab­wend­bar war, das spür­te sie jetzt mit ent­setz­li­cher Ge­wiß­heit, das Ver­häng­nis, un­mög­lich ein Ent­kom­men. Aber was … was wür­de ge­sche­hen? Von Mor­gen bis Abend rüt­tel­te sie an der Fra­ge. Ei­nes Ta­ges wür­de ein Brief an ih­ren Mann kom­men, sie sah ihn schon ein­tre­ten, blaß mit fins­te­rem Blick, sie beim Arme fas­sen, sie fra­gen … Aber dann … was wür­de dann ge­sche­hen? Was wür­de er tun? Hier ver­lo­schen die Bil­der plötz­lich im Dun­kel ei­ner wir­ren und grau­sa­men Angst. Sie wuß­te nicht wei­ter, und ihre Ver­mu­tun­gen stürz­ten schwind­lig ins Bo­den­lo­se. Ei­nes wur­de aber ihr in die­sem brü­ten­den Sin­nen grau­en­haft be­wußt, wie un­ge­nau sie ei­gent­lich ih­ren Mann kann­te, wie we­nig sie sei­ne Ent­schlie­ßun­gen im vor­aus zu be­rech­nen ver­moch­te. Sie hat­te ihn auf die An­re­gung ih­rer El­tern hin, aber ohne Wi­der­stand und mit ei­ner an­ge­neh­men, durch die spä­te­ren Jah­re nicht ent­täusch­ten Sym­pa­thie ge­hei­ra­tet und nun acht Jah­re be­hag­li­chen, still­pen­deln­den Glücks an sei­ner Sei­te ge­lebt, hat­te Kin­der von ihm, ein Heim und zahl­lo­se Stun­den kör­per­li­cher Ge­mein­schaft, aber jetzt erst, da sie sich nach sei­nem mög­li­chen Ver­hal­ten frag­te, wur­de ihr klar, wie fremd und un­be­kannt er ihr ge­blie­ben war. Sie ent­deck­te in den fie­ber­haf­ten Rück­bli­cken, mit de­nen sie die letz­ten Jah­re gleich ge­spens­ti­schen Schein­wer­fern ab­such­te, daß sie nie nach sei­nem wirk­li­chen We­sen ge­forscht hat­te und nun nach Jah­ren nicht ein­mal wuß­te, ob er hart war oder nach­gie­big, streng oder zärt­lich. Mit ei­nem ver­häng­nis­voll spä­ten, von die­ser erns­ten Le­bens­angst auf­ge­rüt­tel­ten Schuld­ge­fühl muß­te sie sich be­ken­nen, nur die fla­che, die ge­sell­schaft­li­che Schicht sei­nes We­sens ge­kannt zu ha­ben und nie die in­ne­re, aus der in je­ner tra­gi­schen Stun­de die Ent­schei­dung ge­schürft wer­den muß­te. Un­will­kür­lich be­gann sie nach klei­nen Zü­gen und An­deu­tun­gen zu for­schen, sich zu be­sin­nen, wie er in ähn­li­chen Fra­gen ge­sprächs­wei­se ge­ur­teilt habe, und zu ih­rem pein­li­chen Er­stau­nen wur­de ihr be­wußt, daß er fast nie­mals über sei­ne per­sön­li­chen An­schau­un­gen zu ihr ge­spro­chen hat­te, frei­lich an­de­rer­seits auch, daß sie nie sich an ihn mit ähn­lich ver­in­ner­lich­ten Fra­gen ge­wen­det habe. Nun erst be­gann sie sein gan­zes Le­ben an ver­ein­zel­ten Zü­gen zu mes­sen, die sei­nen Cha­rak­ter ihr auf­deu­ten konn­ten. An jede klei­ne Erin­ne­rung poch­te jetzt ihre Angst mit zag­haf­tem Ham­mer, Ein­gang zu fin­den in die ge­hei­men Kam­mern sei­nes Her­zens.

Die kleins­te Äu­ße­rung be­lau­er­te sie nun und fie­ber­te schon sei­nem Kom­men un­ge­dul­dig ent­ge­gen. Sein Gruß traf sie kaum ins Ge­sicht, aber doch in sei­nen Ges­ten -- nun wie er ihr die Hand küß­te oder das Haar mit den Fin­gern über­schmei­chel­te -- schi­en ihr eine Zärt­lich­keit zu lie­gen, die, ob­zwar sie stür­mi­sche Ge­bär­den keusch scheu­te, eine tie­fe in­ne­re Nei­gung an­deu­ten moch­te. Er war im­mer ge­mes­sen, wenn er zu ihr sprach, nie­mals un­ge­dul­dig oder er­regt, und in sei­nem gan­zen Ge­ha­ben von ei­ner ge­las­se­nen Freund­lich­keit, doch ei­ner, wie ihre Un­ru­he zu mut­ma­ßen be­gann, die we­nig ver­schie­den war von der zu den Dienst­bo­ten und sicht­lich ge­rin­ger als die zu den Kin­dern, die bei ihm im­mer rege, bald hei­te­re, bald lei­den­schaft­li­che For­men an­nahm. Er er­kun­dig­te sich auch heu­te wie­der um­ständ­lich nach häus­li­chen Din­gen, gleich­sam um ihr Ge­le­gen­heit zu ge­ben, ihre In­ter­es­sen vor ihm aus­zu­brei­ten, in­des er die sei­nen ver­barg, und zum ers­ten­mal ent­deck­te sie jetzt, da sie ihn be­ob­ach­te­te, wie sehr er sie schon­te, mit wel­cher Zu­rück­hal­tung er sich ih­ren täg­li­chen Ge­sprä­chen -- de­ren harm­lo­se Bana­li­tät sie mit ei­nem Male ent­setzt er­kann­te -- an­zu­pas­sen be­müh­te. Von sich selbst gab er nichts her im Wort, und ihre nach Be­ru­hi­gung lech­zen­de Neu­gier blieb un­be­frie­digt.

So durch­frag­te sie, da das Wort ihn nicht ver­riet, sein Ge­sicht, nun er in sei­nem Fau­teuil saß, ein Buch le­send und scharf be­leuch­tet von der elek­tri­schen Flam­me. Wie in ein frem­des Ant­litz sah sie in das sei­ne hin­ein und such­te den ver­trau­ten und mit ei­nem Male wie­der frem­den Zü­gen den Cha­rak­ter zu ent­ra­ten, den acht Jah­re Bei­sam­men­sein ih­rer Gleich­gül­tig­keit ver­bor­gen hat­ten. Die Stir­ne war hell und edel, wie von ei­ner in­ne­ren star­ken, geis­ti­gen An­stren­gung ge­formt, der Mund aber streng und ohne Nach­gie­big­keit. Al­les war straff in den sehr männ­li­chen Zü­gen, Ener­gie und Kraft: er­staunt, eine Schön­heit dar­in zu fin­den, und mit ei­ner ge­wis­sen Be­wun­de­rung be­trach­te­te sie die­sen ver­hal­te­nen Ernst, die­se sicht­li­che Herb­heit sei­nes We­sens, die sie bis­her im­mer in ih­rer ein­fäl­ti­gen Art nur als we­nig un­ter­halt­sam emp­fun­den und gern ge­gen eine ge­sell­schaft­li­che Ge­sprä­chig­keit ver­tauscht hät­te. Die Au­gen aber, in de­nen doch das wirk­li­che Ge­heim­nis ver­schlos­sen sein muß­te, wa­ren auf das Buch ge­senkt und so ih­rer Be­trach­tung ent­zo­gen. So konn­te sie im­mer nur fra­gend auf das Pro­fil star­ren, als be­deu­te die­se ge­schwun­ge­ne Li­nie ein ein­zi­ges Wort, das Gna­de sag­te oder Ver­damm­nis, dies frem­de Pro­fil, des­sen Här­te sie er­schreck­te, aber in des­sen Ent­schlos­sen­heit ihr eine merk­wür­di­ge Schön­heit zum ers­ten­mal be­wußt wur­de. Mit ei­nem Male spür­te sie, daß sie ihn ger­ne an­sah, mit Lust und mit Stolz. Ir­gend et­was zerr­te ihr bei dem Wach­wer­den die­ser Emp­fin­dung schmerz­haft in der Brust, ein dump­fes Ge­fühl, das Be­dau­ern war für ir­gend et­was Ver­säum­tes, eine bei­na­he sinn­li­che Span­nung, die sie nie ähn­lich stark von sei­nem kör­per­li­chen We­sen emp­fan­gen zu ha­ben sich ent­sin­nen konn­te. Da sah er vom Bu­che auf. Ei­lig trat sie tiefer ins Dun­kel zu­rück, um nicht mit der bren­nen­den Fra­ge ih­rer Bli­cke sei­nen Ver­dacht zu ent­zün­den.

Drei Tage hat­te sie nun das Haus nicht ver­las­sen. Und schon merk­te sie mit Un­be­ha­gen, daß ihre mit ei­nem Male so be­harr­li­che Ge­gen­wart den an­de­ren be­reits auf­fäl­lig ge­wor­den war, denn im all­ge­mei­nen zähl­te es bei ihr zu den Sel­ten­hei­ten, daß sie vie­le Stun­den oder gar Tage in den ei­ge­nen Räu­men ver­brach­te. We­nig häus­lich ver­an­lagt, durch ma­te­ri­el­le Un­ab­hän­gig­keit von den klei­nen Sor­gen der Wirt­schaft ent­ho­ben, ge­lang­weilt von sich selbst, war die Woh­nung ihr kaum mehr als ein flüch­ti­ger Ru­he­platz und die Stra­ße, das Thea­ter, die ge­sell­schaft­li­chen Ve­rei­ni­gun­gen mit ih­ren bun­ten Be­geg­nun­gen, dem ewi­gen Zustrom äu­ße­rer Ver­än­de­run­gen ihr liebs­ter Auf­ent­halt, weil hier das Ge­nie­ßen kei­ne in­ne­re An­stren­gung er­for­der­te und bei schlum­mern­dem Ge­fühl die Sin­ne viel­fa­che Rei­zung emp­fin­den. Frau Ire­ne ge­hör­te mit ih­rer gan­zen Denk­wei­se zu je­ner ele­gan­ten Ge­mein­schaft der Wie­ner Bour­geoi­sie, de­ren gan­ze Ta­ges­ord­nung nach ei­ner ge­hei­men Ver­ein­ba­rung dar­in zu be­ste­hen scheint, daß alle Mit­glie­der die­ses un­sicht­ba­ren Bun­des ein­an­der zu glei­chen Stun­den mit den glei­chen In­ter­es­sen un­abläs­sig be­geg­nen und dies ewig ver­glei­chen­de Beo­b­ach­ten und Be­geg­nen all­mäh­lich zum Sinn ih­rer Exis­tenz er­he­ben. Auf sich selbst an­ge­wie­sen und ver­ein­samt, ver­liert ein so an läs­si­ge Ge­mein­sam­keit ge­wöhn­tes Le­ben je­den Halt, die Sin­ne ohne ihr ge­wohn­tes Fut­ter an höchst ge­ring­fü­gi­gen, aber doch un­ent­behr­li­chen Sen­sa­tio­nen re­vol­tie­ren und das Al­lein­sein ar­tet rasch zu ei­ner ner­vö­sen Selbst­be­fein­dung aus. Unend­lich fühl­te sie die Zeit auf sich las­ten, und die Stun­den ver­lo­ren ohne ihre ge­wohn­te Be­stim­mung je­den Sinn. Wie zwi­schen Ker­ker­wän­den, mü­ßig und er­regt, ging sie auf und nie­der in ih­ren Zim­mern; die Stra­ße, die Welt, die ihr wirk­li­ches Le­ben wa­ren, wa­ren ihr ge­sperrt, wie der En­gel mit feu­ri­gem Schwer­te stand dort die Er­pres­se­rin mit ih­rer Dro­hung.