Steh endlich auf! - Martin Fieber - E-Book

Steh endlich auf! E-Book

Martin Fieber

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Beschreibung

Dieser lehrreiche Erfahrungsbericht beschreibt die Abgründe einer spirituellen Abhängigkeit bis ins kleinste Detail: von den anfänglichen euphorischen Gefühlen, über die Hölle der seelischen Schmerzen, bis zurück in die Freiheit des normalen Lebens. Er wird ergänzt von einem Leitfaden, welcher den Weg zu finden hilft durch den Jahrmarkt der heutigen Esoterik und den Dschungel der dazugehörigen Seminarangebote. Spannend, ehrlich und wahrhaftig geschrieben. Dieses Aufklärungswerk könnte Leben retten.

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Martin Fieber

Steh endlich auf !

Bergkristall Verlag GmbH, 32108 Bad Salzuflen

Krumme Weide 30

Tel. 05222 – 923 451

Fax 05222 – 923 452

e-mail: [email protected]

www.bergkristall-verlag.de

Copyright © 2003 Bergkristall Verlag GmbH

Foto der Spiralengalaxie NGC 1232: European Southern Observatory®

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Einleitung

Er ist so freudenvoll, dass ihm der Stöpsel aus der Seele fliegt.

(Wilhelm Busch)

„Fieberchen!“, hallt es durch den langen Gang der Firma.

„Fieberchen! Wo sind Sie?“

Unverkennbar, der Gerufene war ich. Vor ungefähr acht Jahren. Fieberchen, der Gefangene vom vierten Stock in Zelle 411. Der Rufer war einer meiner Chefs, den, wie immer, die Ungeduld trieb.

Das war 1996. In diesem Buch möchte ich Ihnen zeigen, wie aus dem unterwürfigen und hyperängstlichen „Fieberchen“ der wahre Martin Fieber wurde. Oder besser, das was ich bis jetzt von dem wahren Martin Fieber weiß.

Jahrzehnte lang habe ich nichts unternommen, wenn meine Seele getreten wurde. Ich war einfach liegengeblieben. Doch dies ist vorbei. Nun folgt die Geschichte meines Aufstehens. Endlich kann ich mich wieder im Spiegel des unendlichen Universums anschauen und erkenne das friedvolle Lächeln der Sterne.

Ich danke Ihnen aus meinem ganzen Herzen, wenn Sie dieses Buch mit Ihrem ganzen Herzen lesen und mit mir meine tiefsten Erlebnisse und Empfindungen teilen.

Eine kleine Geschichte vorab

Schau der Angst in die Augen und sie wird zwinkern. (aus Russland)

Es ist geschafft. Ich liege auf Amrum in einem schnuckeligen Strandkorb und erhole mich von den Strapazen der letzten Monate. Viel Arbeit und Stress prägten diese Zeit. Jetzt liege ich ruhig da und lasse mit dem Nordseewind meine ganzen Gedanken frei. Die Gedanken, die sich immer wieder um meine Existenzängste drehen. Drei Tage gelingt mir dies, am vierten Tag allerdings liege ich abends flach. Mit Schwindel und dickem Hals. Am nächsten Tag kommen noch Gliederschmerzen hinzu, bis ich schließlich an einem traumhaften, sonnigen Tag bewegungsunfähig und frierend unter riesigen Qualen im Garten liege.

‚Ach, wie schön haben es die Möwen, die sich frei am Himmel treiben lassen können, ohne auch nur einmal mit ihren Flügeln schlagen zu müssen!’ Ja, die Möwen haben es gut, denke ich noch, als es plötzlich laut wird am Himmel. Von überall her kommen Möwen angeflogen, formieren sich und kreisen über mir. Hunderte, Tausende fliegen hektisch und mit wichtigtuendem Geschnatter herum. Tatsächlich ist das Zentrum, um das die Möwen kreisen, genau über meiner Liege. Auf einmal sind die Möwen meine Gedanken und meine Gedanken sind die nordischen Aasfresser. Ohne System und in großem Chaos schwirren sie herum. Ohne Ziel. Ohne Sinn. Lautes Geschrei, hässliches Lachen und viel Geschiss prägen die nächste halbe Stunde, bis sie endlich wieder verschwunden sind. Mein fiebriger Wahn löst sich und ich habe, zwar noch unter Schmerzen, einen kristallklaren Geist, der versteht, wie meine Gedanken Ängste hervorbringen, wie diese Gedanken auch andere Menschen beeinflussen und vor allem, wie diese Ängste mich total bewegungsunfähig machten. Wie müssen diese Ängste mich die ganzen Jahre gefesselt haben!

Ich erinnere mich, wie ich viele Jahre lang schwermütig war und ein hoffnungsloses Gemüt hatte. Eine dunkle, düstere Wolke sank auf mich herab, bis ich nichts mehr sah und zu großen Teilen in einer hilflosen Antriebsschwäche versank. Diese Wolke aus puren Ängsten war sehr dick und stark. Ich fand nicht aus ihr heraus. Sie war ein Gemisch aus Hoffnungslosigkeit, Traurigkeit, Existenzängsten, Weltschmerz, Lebensmüdigkeit mit vielen Zutaten wie Selbstmitleid und Zurückgezogenheit. Diese Depression war wie ein Labyrinth ohne Ein- und Ausgang. Ich war einfach darin gefangen. Egal welchen Weg ich ging oder auf welchen Gedanken ich kam, ich war gefangen und blieb liegen. Schließlich verkroch ich mich im Bett und wollte nur noch schlafen.

Hier auf meiner Liege in diesem wunderschönen Garten auf Amrum liege ich nun, immer noch bewegungsunfähig, eingemummelt in eine Decke, die mittlerweile schon Ätzspuren aufweist von diesem elenden Möwenschiss. Die Klarheit in mir tut aber wieder gut, nachdem ich die letzten zwei Tage wie in einem Wahn verbracht habe. Meine Ängste werden mir klar, die Ängste vor dem Leben, die Ängste, irgendwann mittellos unter einer Brücke zu liegen und zu erfrieren. Und zu verhungern.

Vor allem wurde mir aber dies klar, wie sehr meine Ängste mich am Leben hinderten. Wie sie mich mit ihrem Gewicht niederdrückten, mit ihren Krallen mir Wunden zufügten und vorgaben, mir die Wunden zu lecken, aber statt dessen auch noch gefühllos Essig hineinschütteten, bis ich total erschöpft und verzweifelt von selbst am Boden liegen blieb. Versuchte ich mich zu erheben, fehlte nicht mehr viel, um mich wieder ganz und gar auf den Boden zu werfen. Irgendwann blieb ich einfach liegen.

Aber auf Amrum sprach meine Seele zu meinem Geist: „Steh endlich auf. Lass dich nicht immer von Ungerechtigkeit und Egoismus anderer Menschen gängeln, drängen, verletzen, foltern, demütigen, vergewaltigen. Auch nicht von deinen Ängsten. Steh endlich auf, erhebe dich. Schau den Ängsten in die Augen und bleib stehen. Bleib einfach nur stehen. Lass dich vom Sturm des Lebens bewegen, aber lass dich nicht mehr brechen. Denn der Weg führt aus dem Licht in die Dunkelheit und wieder in das Licht. Und die Zeit der Dunkelheit ist jetzt vorbei. Erkenne das Leben in dir selbst und folge dem Licht. Steh endlich auf!“

Ja, das war es. Ich muss für mich endlich Partei ergreifen. Ich muss das „Fieberchen“ in den Fieber verwandeln. Ich muss für mich einstehen und endlich wieder aufstehen. Ja, das ist es, das magische Wort: aufstehen!

Der biographische erste Teil

Am Anfang war die Angst

Des Menschen Seele gleicht dem Wasser. Vom Himmel kommt es, zum Himmel steigt es, und wieder nieder zur Erde muss es, ewig wechselnd. (Johann Wolfgang von Goethe)

Es war einmal irgendwo im unendlichen Universum am Rande eines Spiralarmes irgendeiner Galaxie. Dort zwischen Billionen von Sternen und Planeten schimmerte es wunderschön blau. Zoom. Planet Erde. Europa. Deutschland. Hessen. Darmstadt. Städtisches Krankenhaus. 15. März 1969. 19.05 Uhr. Martin Fieber war geboren.

Meine Mutter muss froh gewesen sein, nachdem ich endlich das Licht dieser Welt erblickt hatte. Tagelang lag sie in irgendeinem anonymen Kellerraum, vergessen und fast verloren, und wartete auf die Erlösung ihres großen Schmerzes. Aber ich wollte und wollte nicht kommen. Eine ganze Woche war ich überfällig. Ich hatte wohl Angst. Ich hatte Angst vor meinem Schicksal, vor dem, was mich in dieser Welt alles erwartete. Ich weiß aus meinem innersten Wesen heraus, dass ich schon ungefähr fünfzehn Jahre früher hätte inkarnieren sollen. Die Angst hielt mich davon ab. An diesem Samstagabend aber war es schließlich soweit. Meine Seele musste doch in ihren 52 Zentimeter großen Körper hinein, sie musste fast verzweifeln. Panik. Ich glaube, ich wollte irgendwie nicht geboren werden.

Warum bin ich hier?

Ich wollte Milch und bekam die Flasche,

ich wollte Eltern und bekam Spielzeug,

ich wollte reden und bekam ein Buch,

ich wollte lernen und bekam Zeugnisse,

ich wollte denken und bekam Wissen,

ich wollte einen Überblick und bekam Einblick,

ich wollte frei sein und bekam Disziplin,

ich wollte Liebe und bekam Moral,

ich wollte einen Beruf und bekam einen Job,

ich wollte Glück und bekam Geld,

ich wollte Freiheit und bekam ein Auto,

ich wollte einen Sinn und bekam eine Karriere,

ich wollte Hoffnung und bekam Angst,

ich wollte ändern und erhielt Mitleid,

ich wollte leben ...

(Gedicht eines Abiturienten)

Bis zu meinem 25. Lebensjahr führte ich ein ‚normales’ irdisches Leben. Ich bekam eine Schultüte, war leidenschaftlich Kapitän in meiner Fußballmannschaft, spielte leidenschaftslos Klavier, sammelte Altpapier in meiner Nachbarschaft, hatte meistens einen Dreierschnitt in der Schule, diente nach dem Abitur in einem kalten, verregneten Dorf in Oberhessen meinem Geburtsland, trat aus der Kirche aus, machte eine Industriekaufmannslehre in meiner Geburtsstadt. Und hätte ich nicht vor ungefähr sechs Jahren gekündigt, würde ich dort auf meine Pensionierung warten. Meine Seele wäre längst verödet auf der Strecke geblieben. Aber zum Glück fügte es das göttliche Geschick, dass meine Öde im Leben in Form von Reiki mein Leben verschönerte.

Aber bevor ich von meinem neuen Leben erzähle, möchte ich kurz ein Ereignis aus meiner Kindheit schildern, das mich prägte und wahrscheinlich so passieren musste, damit ich die Erfahrungen lernen kann, die ich mir vor meiner Geburt ausgesucht hatte.

Dieses Erlebnis hatte ich ganz aus meinem Bewusstsein verdrängt. Damals war ich drei Jahre alt. Ein Junge aus meiner Nachbarschaft kam auf mich zu und stieß mich ohne Grund vor die Brust. Ich fiel auf den Hinterkopf und fing von diesem Moment an zu stottern. Nur ganz wenige Worte bekam ich danach ohne Stottern heraus. Dies hatte zur Folge, dass ich mich in meiner Zurückgezogenheit noch mehr in mich zurückzog. Mein vermeintlicher Minderwert sprengte alle Grenzen und ich wurde feige, ich wurde unterwürfig. Somit hatte ich noch mehr Angst, obwohl ich schon mit diesen Gefühlen auf der Erde angekommen war. Ich hatte noch mehr Angst vor Menschen. Die Angst hatte nun vollends mein Leben fest im Griff. Angst, grundlos von anderen Menschen umgestoßen und verletzt zu werden. Das Stottern verschwand zwei Jahrzehnte später. Die Angst aber blieb. Und meine Seele blieb damals auf dem Boden liegen. Sie hatte Angst, wieder aufzustehen.

Am Tor des neuen Lebens

Die schönste und tiefste Rührung, die wir empfinden können, ist das Erfahren des Mystischen. Sie ist der Säer aller wahren Wissenschaft. Wem diese Rührung fremd ist, wer sich nicht länger wundern, nicht länger in verwirrter Ehrfurcht dastehen kann, ist so gut wie tot. (Albert Einstein)

Mit 25 fing mein eigentliches Leben an. Mein Tor in die neue Welt war Reiki. Eine Methode des Handauflegens. An diesem Wochenende, an dem ich Reiki erlernte, hatte ich zum ersten Mal kurz Kontakt zu diesem wunderschönen Etwas in mir. Ein Licht durchflutete mich und mir wurde bewusst: Gott existiert. Ich bin hier auf der Erde, weil ich es so wollte.

An Gott hatte ich immer geglaubt. Aber mehr aus dem Kopf als aus dem Herzen. Ich hatte auch mehr schlecht als recht den Konfirmandenunterricht über mich ergehen lassen, aber ein richtiger Glaube kam nie zum Vorschein. Auch in der Schule im Religionsunterricht war nichts Übersinnliches, Mystisches zu finden, was mich im Innersten meiner Seele anrührte. Dafür ging in meinem Heimatort das Gerücht um, dass mein zuständiger Pfarrer seine Frau betrog. Meine Kirche, so kam es mir immer vor, war eine umgebaute Turnhalle. Kalt, steril, muffig. Ebenso war ich immer traurig darüber gewesen, dass unsere Kirche keinen Kirchturm und keine bunten Fenster hatte. Die Glocken befanden sich in einem fünfzig Meter entfernten Gestell, das den Trägern der Wuppertaler Schwebebahn glich. Und die Fenster hatten die Größe von Möbelhaus-Schaufenstern. Farben gab es in der Kirche nicht. Nirgends war ein Heiliger Geist zu entdecken, so sehr ich mich auch anstrengte. Wie sollte man unter solchen Voraussetzungen nur auf die Idee kommen, Gott zu suchen?

Jetzt weiß ich es. Im Menschen selbst, aber mein Seelsorger hatte es mir nie gesagt. Er sorgte sich um alles andere, aber nicht um meine Seele. Niemals im Konfirmanden-Unterricht hatte ich das Gefühl, dass wir etwas Heiliges berührt hätten, etwas Schönes, das die Seele erleuchtet hätte. Niemals hatte ich die Freude, etwas über die Botschaft von Jesus Christus zu erfahren, es wurde nur gebüffelt.

Alles Lebendige war in diesen Jahren meiner Jugend gestorben. Nein fast alles, denn zum Glück gab es die „Bravo“, die mich auf andere Bereiche meines Lebens vorbereitete.

Trotzdem suchte ich nach einem Sinn in meinem Leben. Aber meine Seele fand nichts. Bis eben zu diesem Reiki-Wochenende. Meine Reiki-Lehrerin brachte mir mit ihrer lustigen Art neben Reiki vor allem die Existenz einer Geistigen Welt näher. Die Existenz von Gott. Und sie erzählte andauernd von Wiedergeburt und Karma. Und dass wir eine unsterbliche Seele haben und wir niemals sterben. Damit wurde an diesem Wochenende innerhalb einiger weniger Stunden eine riesige Angst in mir zerstört.

Immer, wenn ich früher auf der Toilette saß (warum mir diese Gefühle immer nur auf der Toilette kamen, ist mir auch schleierhaft, auch wenn ich mir jetzt ein bisschen blöd vorkomme, dies so zu schreiben, aber die Gefühle waren nun mal da), hatte ich das Gefühl, dass ich nur dieses eine Leben habe, diese 70 Jahre, in denen ich gerade hier lebe. Das Universum existierte schon immer und wird auch noch weiter existieren. Aber ich werde in einem riesigen schwarzen Loch unter mir verschwinden. Dieses Loch wird mich einsaugen und innerhalb weniger Sekunden in ein Nichts umwandeln. Ich wäre für immer aus diesem Universum verschwunden. Für immer und ewig? Nein. Jetzt wurde ein Funken in mir entzündet, den ich aber noch nie bemerkt hatte. Ich war am Leben. Und werde immer leben.

Leben. Bisher glaubte ich, jetzt sind wir hier und danach ist alles zu Ende. Mir wurde immer klarer, wie sehr es ein geistiges Leben gibt, nicht nur ein geistiges Weiterleben, sondern auch ein Leben vor diesem hier. Jetzt erst wußte ich, dass es eine geistige Welt gibt, die uns beschützt und dafür sorgt, dass wir unsere Aufgaben, die wir uns für dieses Leben vorgenommen haben, auch erhalten. Jetzt erst verstand ich, dass jeder Mensch einen Schutzengel hat, der uns bei Gefahrensituationen so inspiriert, dass wir gar nicht erst in diese Situation geraten oder dass wir wieder heil daraus hervorgehen. Jeder kann bestimmt viele dieser Momente seines Lebens aufzählen, wie sich Dinge ereignet haben, die an ein kleines „Wunder“ grenzen. Ohne zu wissen, wer dahinter steckt. Eine innere Welt tat sich mir auf. Eine ganz dunkle Erinnerung in Form von ganz schwachen Bildern kam an die Oberfläche meines Bewusstseins, wie es in der Welt da „oben“, die eigentlich direkt neben uns existiert, so ist. Sehr farbenfroh, sehr ruhig, jeder Wunsch erfüllbar. Viel Zeit. Das eigene Gewissen teilt unserem Geist die guten wie auch die nicht so guten Taten in unserem Leben mit. Wir können im geistigen Reich auf einmal unsere eigenen Gedanken sehen, wir können uns ein Bild machen, dass jeder Gedanke, den wir denken, auch wahrhaft existiert und seinen Empfänger findet. Ob es ein guter oder auch ein hässlicher Gedanke ist. Alles dies war mit total neu – und doch so bekannt.

Jetzt hatte ich das Gefühl, dass sich meine Seele endlich ausbreiten konnte. Ich kaufte mir viele Bücher und immer mehr Welten taten sich mir auf. Ich wollte wissen, wissen, wissen. Ich saugte alles auf, was mir zusagte. Nach einigen Monaten war ich der Meinung, alles zu wissen, worauf es im Leben ankommt. Denkste! Es war in meinem Kopf , aber nicht in meinem Herzen. Und der Weg vom Kopf ins Herz ist der gefährlichste Weg auf der ganzen Welt. Die gefährlichste Reise, die wir jemals in unserem Leben antreten können.

Meine Reise beginnt

Diejenigen, die niemals ihre eigenen Abgründe und die Dunkelheit ihres eigenen Herzens erlebt haben, werden niemals das Licht suchen.

(Verfasser unbekannt)

Nach dem Reiki-Seminar und der ganzen Literatur, die ich meterweise verschlang, kam der Zeitpunkt, an dem ich in Kontakt zu einem sehr guten parapsychologischen Forschungskreis kam, bei dem es halbjährlich die Möglichkeit für Gäste gibt, allgemeine und persönliche Fragen von der Geistigen Welt durch einen Mittler oder ein Medium beantwortet zu bekommen. Zu solch einem Treffen war ich eingeladen. Und dort traf ich sie zum ersten Mal. Bärbel. Ihr Äußeres könnte man mit aufgetakelt beschreiben. Dickes Make-up auf ihrem schneeweißen Gesicht und kitschige Gewänder verdeckten ihre Echtheit. Das einzige, das damals noch lebte, waren ihre Augen. Und die waren fast verloren. Leider sollten ihr durch ihre faszinierende Ausstrahlung noch viele blauäugige Menschen ausgeliefert sein.

Das Geistwesen, das sich in diesem Forschungskreis über das Medium meldete, schlug vor, dass Bärbel und ich uns regelmäßig treffen sollten, um uns besser kennen zu lernen, da wir uns gemeinsam in diesem Leben etwas vorgenommen hätten. Der eine Teil in mir, der mit Bärbel irgendwie nichts zu tun haben wollte, brach zusammen. Der andere Teil sagte, jetzt wird dein Leben nicht mehr so sein, wie es bis vor einer Stunde noch war. Endlich hast du den Lebenslehrer gefunden, den du immer suchtest. Hätte ich auf mein Gefühl gehört, dass ich nichts mit dieser Frau zu tun haben möchte, wäre mir einiges erspart geblieben. Aber mein Leben sollte so verlaufen, wie ich es brauchte.

Wie ich jetzt weiß, zum Glück. Denn diese Frau war der beste Prüfstein für mein Leben. Ich konnte lernen, mich aus der Feigheit zu befreien. „Lerne aufzustehen, Martin“, sang der Englein Chor. Doch Martin hörte damals noch nichts.

Bärbel war genau das Gegenteil von mir. Sie hatte zuviel von dem Mut, den ich nicht hatte. Sie war hochmütig, ich unterwürfig. Sie war von sich eingenommen, dominant und nicht fähig, eine andere Meinung neben der ihren zu akzeptieren. Ich gab meiner Meinung und meinen Gefühlen keinen Wert. Zündstoff pur. Sie die beherrschende, kalte Powerfrau. Ich der kleine dumme Grünschnabel. Sie war ein Vampir und saugte mich total aus. Und ich konnte mich nicht wehren. Ich hatte es nie gelernt und wusste gar nicht, dass ich mich wehren darf. Schlechte Karten also.

Hhmmm, ... Bärbel und ich sollten uns also kennen lernen. Ich fuhr jedes zweite Wochenende zu ihr und ging bei ihr in eine Art Geistheiler-Schule. Etwas über das Wirken der geistigen Kräfte zu lernen und gewisse hellseherische Fähigkeiten zu entwickeln war genau das, was ich immer gesucht hatte. Da ich mit meinem Leben nicht zurecht kam, war eine Hellseherin und Fragenbeantworterin für mich nun wohl an der Zeit. Sie machte viele Übungen mit mir, bei denen mir auffiel, dass ich anfänglich auch einiges lernte. Und das überzeugte mich. Ich war glücklich.

Ihr Wissen überzeugte mich. Sie hatte auf alles eine Antwort. Das beeindruckte mich. Ich begann sie als Halbgöttin zu verehren. Stellte ich eine Frage, von denen ich Tausende hatte, wusste sie immer eine Antwort. Nie war sie überfragt. Nie im Zweifel. Immer schmückte sie eine Erklärung mit einer kleinen Geschichte aus. Ich hatte eine vollkommene Lehrerin.

Gedanklicher Fanatismus

Wir sehen die Welt nicht so, wie sie ist, sondern wie wir sind. (Anais Nin)