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Über Paula Modersohn-Beckers "Stillleben mit Goldfischglas" , anlässlich der Ausstellung im Buccerius Kunst Forum: Paula Modersohn-Becker, Der Weg in die Moderne, Hamburg 2017.
Lyrisches Aquarium
Sommerflüchtlinge am bayerischen See
Blonder Hypochonder
Betrachtungen eines Goldfischs
Weintrinken am Plattensee
Im Wasser können wir uns verlieren - vor Aquarien, am See, am Meer. Oder: Vom Wasser haben wir's gelernt, auch wenn es manchmal nur unser Bild zurückspiegelt. Dennoch: Kein Sturm im Wasserglas!
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Auf Paula Modersohn-Beckers Bild
Stillleben mit Goldfischglas 2017
Gehängt in ruhigem Raum des Kunst-Forums
auf weißgrauem Grund drei schlichte Gefäße, Aquarium
mit Stiel und drei roten Goldfischen
im Vordergrund, das Standglas höher als der rotbraune irdene
Krug mit der kleinen Blüte, eine Schale dazwischen, zu klein
fast für Früchte in Gelb und Orange, den gerundeten Rand überragend.
Ohnehin herrschend sind Rundes, Ringförmiges, Bauchiges – und
es wiederholt sich im Hintergrund der Stellfläche gebrochenes Weiß
ein Tisch gerückt an die Wand, mit Tuch bedeckt, das
zwischen Krug und Schale eine Falte wirft, hinführend
zu den dunklen Strichen einer Skizze an der Wand, Ausschnitt
eines weiblichen Aktes - und schwaches Licht von links fällt
in das Wechselspiel der Farben, wirft kleine Schatten, ihm entgegen
stehen die bewegten Fische - und Zwei und Eins gleich Drei
als wäre wie bei alten Griechen das Zahlverhältnis je Abbild der Welt
doch sind hier keine Himmelskörper, in Intervallen tönend, nur
einen kleinen Kosmos lenkt die Formel - die Farben, Formen, Blicke.
Von drei Gefäßen zwei sich gleichen, der Krug, die Schale in der Farbe
und – sich überkreuzend – in ihrer runden Form auch Glas und Krug
doch widerspricht die schwere Töpferware doppelt dem
lichtdurchspülten Glas. Und Zwei zu Eins bei Fischen wie bei Früchten
eine Zitrone neben den Orangenschalen am Standglasfuß wie in der kleinen Schale.
Dreifach die Sicht ins Goldfischglas, auf Fische, Wasser, durch es hindurch
auf Hintergrund. Kein Sturm im Wasserglas, aber Bewegung in einer
stillgestellten Welt. Stumme Fische sehen wir seitlich mit dichten roten
Farbflächen sich überschneidend – und 2:1 – einer kleiner rundlicher vorweg
schon an der Glaswand, sie berührend zur Wende bereit
sein Sein ist ihm unendlich .. ungefasst und ohne Blick .. auf seinen Zustand.
Und es wird laut, vom nahen Rathausmarkt einbricht eine Schülergruppe, entert
die Ausstellung, schwärmt aus, bis zum Signal der Lehrerin, Sich-Sammeln,
Kunstkurs Oberstufe, Smartphones aus, was spricht das Bild? Kein Bild
für ein Zoo-Fachgeschäft, das gäbe Ärger mit Tierschutzbund und WWF, zu klein
das Glas, es hat schon Stil, und nichts zu essen gibt es, alt sind Apfelsinen
und Zitronen, die Goldfische nur Deko, keine Matjes, munter sind die Schüler
beteiligt an dem Bild, die Fische stehen für Wasser, der Schmetterling für Luft,
wo siehst du einen Schmetterling, ach ja, zu viel ein Fühler und auch noch
grün, dann Blüte. Und keine Äpfel und Birnen? Die Früchte drücken
Sehnsucht nach Süden aus, es nebelt regnet in Worpswede so viel
wie in Hamburg. Und alle lauschen dem vorgelesenen Rilke-Gedicht, der achten
Elegie: das Offne, das .. im Tiergesicht so tief ist. Frei von Tod. .. Ihn sehen wir allein.
Kurz sei die Rede von Worpswede, referiert die Lehrerin, in seinem Buch hat Rilke
Paula nicht erwähnt und es entstand das Stillleben mit Goldfischglas nicht in
Worpswede, nein in Paris. Daran mitgemalt hat ein junger spanischer Maler, schmunzelt die
Lehrerin, aber das weiß keiner. Jetzt wissen wir es aber, sagt eine Schülerin.
Anlässlich der Ausstellung im Buccerius Kunst Forum: Paula Modersohn-Becker, Der Weg in die Moderne, Hamburg 2017. Das Stillleben ist im Netz vielfach verfügbar.
Lyrisches Aquarium
Und Kindern sollte man Aquarien schenken
die sanft beleuchtet sind mit fahlem Licht
sie werden langsam sich versenken
und tauchen ein in neues Gleichgewicht
in einen anderen Ort, in eine neue Welt
mit großen Augen werden sie dann schweben
und es verlieren sich Konturen beigesellt
den schönen Fischen träumerisch sie leben
wenn ihre Lippen leicht das Glas berühren
sind ganz bei sich sie und in eins
stirbt ohne Laut einmal ein Fisch werden sie spüren
dass dennoch Grenzen sind die Endlichkeit des Seins
Printversion in: Wir Wölfe. Eine poetische Hommage an unsere Tierwelt. Hrsg. Franziska Röchter, Chili-Verlag 2016