8,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 8,99 €
Jane Austens erfolgreichster Roman Jane Austens bekanntester Roman - und eine der schönsten Liebesgeschichten der Weltliteratur. Mit Ironie und scharfer Beobachtungsgabe behandelt Jane Austen in ›Stolz und Vorurteil‹ ein heikles Sozialthema der damaligen Zeit: die von den Eltern arrangierte Ehe. Im Zentrum des Geschehens steht Elizabeth, die zweitälteste von fünf unverheirateten Töchtern der Familie Bennet. Ihre Mutter ist stets darauf bedacht, geeignete Heiratskandidaten für ihre Töchter heranzuziehen und beschäftigt sich mit fast nichts anderem. Um Aristokratenstolz und bürgerliche Vorurteile dreht sich ein wildes Heiratskarussell, das nach allerlei spannenden Verwicklungen letztendlich beim Happy End zum Stehen kommt.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 627
Jane Austen
Stolz und Vorurteil
Roman
Aus dem Englischen von Helga Schulz
Deutscher Taschenbuch Verlag
Vollständige Ausgabe
© 1997 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlags zulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
eBook ISBN 978-3-423-40136-4 (epub)
ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-19103-6
Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Bücher finden Sie auf unserer Website
www.dtv.de/ebooks
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Kapitel 61
Jane Austen: Stolz und Vorurteil
Daten zu Leben und Werk
Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, daß ein alleinstehender Mann, der ein beträchtliches Vermögen besitzt, einer Frau bedarf.
Wie wenig die Gefühle und Ansichten eines solchen Mannes bei seinem ersten Erscheinen in einer Gegend auch bekannt sein mögen, diese Wahrheit sitzt so fest in den Köpfen der Familien in der Nachbarschaft, daß er sogleich als das rechtmäßige Eigentum der einen oder anderen ihrer Töchter betrachtet wird.
»Mein lieber Bennet«, sagte dessen Gattin eines Tages zu ihm, »hast du schon gehört, daß Netherfield Park endlich verpachtet worden ist?«
Mr.Bennet erwiderte, das habe er nicht.
»Aber so ist es«, entgegnete sie, »Mrs.Long war nämlich gerade hier und hat mir alles erzählt.«
Mr.Bennet sagte nichts dazu.
»Willst du denn gar nicht wissen, wer es gepachtet hat?« rief seine Frau ungeduldig.
»Du möchtest es mir doch erzählen, und ich habe nichts dagegen, es zu hören.«
Das war Aufforderung genug.
»Also, mein Lieber, Mrs.Long sagt, daß Netherfield von einem sehr vermögenden jungen Mann aus dem Norden Englands gepachtet worden ist; und daß er am Montag in einer vierspännigen Kalesche hierherkam, um sich den Besitz anzusehen; und er war so begeistert davon, daß er sofort mit Mr.Morris übereinkam, es noch vor Michaeli in Besitz zu nehmen, und einige seiner Diener sollen schon Ende nächster Woche dort sein.«
»Wie ist denn sein Name?«
»Bingley.«
»Ist er verheiratet oder ledig?«
»Oh, natürlich ledig, mein Lieber! Ein alleinstehender Mann mit einem großen Vermögen – vier- oder fünftausend im Jahr. Was für eine wunderbare Sache für unsere Mädchen!«
»Wieso das, was haben sie damit zu tun?«
»Mein lieber Bennet«, entgegnete seine Gattin, »wie kannst du nur so schwer von Begriff sein! Du solltest wissen, daß ich daran denke, er könnte eine von ihnen heiraten.«
»Will er sich deshalb hier niederlassen?«
»Deshalb! Unsinn, wie kannst du so etwas sagen! Aber es ist doch sehr wahrscheinlich, daß er sich in eine von ihnen verliebt! Und darum mußt du ihm deine Aufwartung machen, sobald er hier ist.«
»Dafür sehe ich keine Veranlassung. Du kannst ja mit den Mädchen hingehen, oder du läßt sie allein gehen, was vielleicht noch besser wäre, denn da du ebenso hübsch bist wie sie alle, magst du Mr.Bingley vielleicht von allen am besten gefallen.«
»Du schmeichelst mir, mein Lieber. Gewiß hatte auch ich mein Teil Schönheit, aber ich gebe nicht vor, jetzt noch etwas Besonderes zu sein. Wenn eine Frau fünf erwachsene Töchter hat, sollte sie aufhören, an ihre eigene Schönheit zu denken.«
»In solchen Fällen hat eine Frau oft keine Schönheit mehr, an die sie denken könnte.«
»Aber mein Lieber, du mußt Mr.Bingley unbedingt besuchen, wenn er hierherkommt.«
»Das kann ich beim besten Willen nicht versprechen.«
»Aber denk doch an deine Töchter. Bedenke nur, was für eine Partie eine von ihnen machen würde. Sir William und Lady Lucas sind entschlossen hinzugehen, nur aus diesem Grund; du weißt, im allgemeinen besuchen sie keine Neuankömmlinge. Wirklich, du mußt hingehen, wir können ihm doch unmöglich selber unsere Aufwartung machen, wenn du es nicht tust.«
»Du nimmst das bestimmt allzu genau. Ich wage zu behaupten, daß Mr.Bingley sehr erfreut sein wird, euch zu sehen; und ich werde ihm durch euch ein paar Zeilen zukommen lassen, um ihn meiner aufrichtigen Zustimmung zu versichern, eines der Mädchen, welches er auch wählen möge, zu heiraten; doch möchte ich ein gutes Wort für meine kleine Lizzy einlegen.«
»Ich ersuche dich, das nicht zu tun. Lizzy ist kein bißchen besser als die anderen; ganz gewiß ist sie nicht halb so hübsch wie Jane und auch nicht halb so fröhlich wie Lydia. Aber du gibst ihr ja immer den Vorzug.«
»Keine von ihnen hat viel Empfehlenswertes«, erwiderte er, »sie sind alle genauso töricht und unwissend wie andere Mädchen, aber Lizzy besitzt etwas mehr Intelligenz als ihre Schwestern.«
»Mr.Bennet, wie kannst du so schlecht über deine eigenen Kinder reden? Es macht dir Vergnügen, mich zu quälen. Du hast kein Erbarmen mit meinen schwachen Nerven.«
»Du irrst dich, meine Liebe. Ich habe großen Respekt vor deinen Nerven. Sie sind meine alten Freunde. Ich habe dich voller Hochachtung seit mindestens zwanzig Jahren von ihnen reden hören.«
»Ach, du weißt ja nicht, was ich leide!«
»Aber ich hoffe, du wirst darüber hinwegkommen und noch viele junge Männer mit viertausend Pfund im Jahr in unsere Gegend kommen sehen.«
»Das wird uns gar nichts nützen, selbst wenn zwanzig davon hierherkämen, weil du ihnen ja keinen Besuch abstatten wirst.«
»Wenn es zwanzig sind, meine Liebe, dann kannst du dich darauf verlassen, daß ich allen meine Aufwartung machen werde.«
Mr.Bennet bestand aus einer so seltsamen Mischung aus gelegentlicher Heftigkeit, Schlagfertigkeit, sarkastischem Humor, Zurückhaltung und Kaprice, daß die Erfahrungen von dreiundzwanzig Ehejahren für seine Gattin nicht ausgereicht hatten, sein Wesen zu begreifen. Das ihre war weniger schwer zu ergründen. Sie war eine Frau von geringer Einsicht, wenig Kenntnissen und launenhafter Gemütsart. Wenn sie unzufrieden war, bildete sie sich ein, sie sei nervös. Ihre Lebensaufgabe war es, die Töchter zu verheiraten – ihre Freude, Besuche zu machen und Neuigkeiten zu erfahren.
Mr.Bennet gehörte zu den ersten, die Mr.Bingley ihre Aufwartung machten. Er hatte es die ganze Zeit beabsichtigt, obgleich er seiner Gattin bis zum letzten Augenblick versicherte, daß er nicht gehen würde; und bis zum Abend des Tages, an dem er den Besuch gemacht hatte, wußte sie auch nichts davon. Es wurde dann auf folgende Weise enthüllt. Als Mr.Bennet sah, daß seine zweite Tochter damit beschäftigt war, ihren Hut mit einem Besatz zu versehen, sagte er plötzlich zu ihr: »Ich hoffe, er wird Mr.Bingley gefallen, Lizzy.«
»Es ist uns nicht möglich zu wissen, was Mr.Bingley gefällt«, sagte ihre Mutter ärgerlich, »da wir ihn ja nicht besuchen werden.«
»Aber du vergißt, Mama«, sagte Elizabeth, »daß wir ihn bei den Gesellschaften treffen werden und daß Mrs.Long versprochen hat, ihn vorzustellen.«
»Ich glaube nicht, daß Mrs.Long so etwas tun wird. Sie hat doch selbst zwei Nichten. Außerdem ist sie egoistisch und scheinheilig, ich halte nicht viel von ihr.«
»Ich auch nicht«, sagte Mr.Bennet, »und ich bin froh zu hören, daß du nicht auf ihre Dienste angewiesen bist.«
Mrs.Bennet geruhte nicht zu antworten; aber unfähig, an sich zu halten, fing sie an, eine ihrer Töchter auszuschimpfen.
»Um Himmels willen, Kitty, huste nicht unentwegt! Nimm doch ein wenig Rücksicht auf meine Nerven. Du wirst sie mir noch zerreißen.«
»Kitty besitzt aber auch keinen Takt mit ihrem Husten«, sagte ihr Vater, »sie hustet immer zur unrechten Zeit.«
»Ich huste schließlich nicht zu meinem Vergnügen«, entgegnete Kitty gereizt.
»Wann soll denn euer nächster Ball sein, Lizzy?«
»Morgen in vierzehn Tagen.«
»Jawohl, so ist es«, rief ihre Mutter, »und Mrs.Long kommt erst am Tag davor zurück, es wird ihr also unmöglich sein, ihn einzuführen, denn sie kennt ihn ja selbst noch nicht.«
»Dann wirst du, meine Liebe, deiner Freundin gegenüber im Vorteil sein und ihr Mr.Bingley vorstellen können.«
»Unmöglich, Mr.Bennet, unmöglich, wo ich selbst nicht mit ihm bekannt bin; wie kannst du mich nur so zum besten halten!«
»Deine Umsicht ehrt dich. Eine vierzehntägige Bekanntschaft ist gewiß sehr kurz. Nach zwei Wochen kann man nicht wissen, was für ein Mensch er wirklich ist. Aber wenn wir nicht den Mut dazu haben, wird es jemand anders tun; und schließlich müssen Mrs.Long und ihre Nichten ihre Chance bekommen. Deshalb werde ich – da Mrs.Long es als einen Freundschaftsdienst ansehen wird und du diese Aufgabe ablehnst – die Sache selbst übernehmen.«
Die Mädchen starrten ihren Vater an. Mrs.Bennet sagte nur: »Unsinn, was für ein Unsinn!«
»Was hat dieser energische Protest zu bedeuten«, rief er. »Betrachtest du die Sitte des Vorstellens und das Gewicht, das darauf gelegt wird, als Unsinn? Da kann ich dir aber gar nicht zustimmen. Was sagst du dazu, Mary? Denn ich weiß, du bist eine junge Dame, die tiefe Betrachtungen anstellt, und du liest dicke Bücher und fertigst dir Auszüge daraus an.«
Mary wollte etwas sehr Verständiges sagen, wußte aber nicht, wie.
»Während Mary ihre Gedanken ordnet«, fuhr Mr.Bennet fort, »laßt uns zu Mr.Bingley zurückkehren.«
»Ich habe Mr.Bingley satt«, rief seine Gattin.
»Das zu hören bedaure ich, aber warum hast du mir das nicht früher gesagt? Hätte ich es heute morgen gewußt, hätte ich ihm heute bestimmt nicht meine Aufwartung gemacht. Das ist sehr unglücklich, aber da ich es tatsächlich getan habe, können wir der Bekanntschaft nun nicht mehr entgehen.«
Die Verblüffung der Damen war genau das, was er sich gewünscht hatte, dabei übertraf Mrs.Bennets womöglich noch die ihrer Töchter; doch als der erste freudige Tumult vorüber war, erklärte sie, daß sie so etwas die ganze Zeit über vermutet habe.
»Wie gut das von dir war, mein lieber Mr.Bennet! Aber ich wußte, ich würde dich schließlich überzeugen. Ich war mir sicher, daß du deine Mädchen zu sehr liebst, um eine solche Bekanntschaft geringzuschätzen. Ach, wie bin ich froh! Und was für ein hübscher Scherz das war, daß du heute morgen hingegangen bist und bis jetzt kein Wort davon gesagt hast.«
»Na, Kitty, nun kannst du husten, soviel du Lust hast«, sagte Mr.Bennet; damit ging er, der Begeisterungsausbrüche seiner Frau überdrüssig, aus dem Zimmer.
»Was für einen großartigen Vater ihr Mädchen habt«, sagte sie, als die Tür wieder geschlossen war. »Ich weiß nicht, wie ihr ihm – oder übrigens auch mir – jemals seine Güte vergelten könnt. In unserem Alter ist es nicht so angenehm, jeden Tag neue Bekanntschaften zu machen, das kann ich euch sagen, aber um euretwillen würden wir alles tun. Lydia, mein Schatz, obgleich du die jüngste bist, glaube ich bestimmt, daß Mr.Bingley beim nächsten Ball mit dir tanzen wird.«
»Oh!« sagte Lydia beherzt, »davor ist mir nicht bange, ich bin zwar die jüngste, dafür aber die größte.«
Der Rest des Abends wurde mit Mutmaßungen darüber verbracht, wie bald Mr.Bingley wohl Mr.Bennets Besuch erwidern würde, und mit dem Beschluß, wann man ihn zum Dinner einladen würde.
Jedoch was Mrs.Bennet mit Unterstützung ihrer fünf Töchter über diesen Gegenstand auch herausbekommen konnte – es reichte nicht aus, um ihrem Gatten eine wirklich befriedigende Beschreibung Mr.Bingleys zu entlocken. Sie fielen auf die verschiedenste Weise über ihn her – mit unverblümten Fragen, mit raffinierten Spekulationen und unbestimmten Vermutungen, doch er entzog sich der Geschicklichkeit von ihnen allen; so waren sie schließlich genötigt, den Informationen aus zweiter Hand von ihrer Nachbarin, Lady Lucas, Glauben zu schenken. Ihr Bericht fiel äußerst günstig aus. Sir William war von ihm begeistert gewesen. Er war noch ziemlich jung, erstaunlich gutaussehend, außerordentlich sympathisch, und als Krönung des ganzen beabsichtigte er, bei der nächsten Gesellschaft mit vielen Freunden dabeizusein. Nichts konnte erfreulicher sein! Gern zu tanzen war ein sicherer Schritt auf dem Wege, sich zu verlieben, und man setzte sehr lebhafte Hoffnungen auf Mr.Bingleys Herz.
»Wenn ich nur eine meiner Töchter glücklich in Netherfield verheiratet sehen kann«, sagte Mrs.Bennet zu ihrem Gatten, »und alle anderen gleichermaßen gut versorgt, dann bleibt mir nichts mehr zu wünschen.«
Nach ein paar Tagen erwiderte Mr.Bingley den Besuch Mr.Bennets, und die beiden saßen etwa zehn Minuten zusammen in der Bibliothek. Mr.Bingley hatte gehofft, daß es ihm vergönnt sein würde, einen Blick auf die jungen Damen zu werfen, von deren Schönheit er viel gehört hatte, doch er bekam nur den Vater zu sehen. Die Damen hatten etwas mehr Glück, denn es bot sich ihnen die Gelegenheit, von einem oberen Fenster festzustellen, daß er einen blauen Mantel trug und auf einem Rappen gekommen war.
Eine Einladung zum Dinner wurde bald darauf abgesandt; und Mrs.Bennet hatte bereits einen Plan für die Speisenfolge aufgestellt, der ihrer Haushaltung Ehre machen sollte, als eine Antwort eintraf, die es erforderlich machte, alles zu verschieben. Mr.Bingley sei genötigt, am nächsten Tag in die Stadt zu fahren, und würde deshalb auf die Ehre verzichten müssen, ihrer Einladung Folge zu leisten, usw. usw. Mrs.Bennet war ziemlich aus der Fassung gebracht. Sie konnte sich nicht vorstellen, was Mr.Bingley so bald nach seiner Ankunft in Hertfordshire in der Stadt zu tun haben könnte; sie fürchtete schließlich, daß er vielleicht ständig von einem Ort zum anderen jagte und sich niemals in Netherfield richtig niederlassen würde, wie er es sollte. Lady Lucas linderte ihre Besorgnis ein wenig, indem sie den Gedanken aufbrachte, er sei nur deshalb in London, um recht viele Leute für den Ball herbeizuholen; und bald folgte auch das Gerücht, daß Mr.Bingley zwölf Damen und sieben Herren zu der Gesellschaft mitbringen würde. Eine solche Anzahl Damen betrübte die Mädchen, sie waren jedoch erleichtert, als sie am Tag vor dem Ball hörten, daß er statt zwölf Damen nur sechs aus London mitgebracht habe – seine fünf Schwestern und eine Cousine. Und als die Gruppe den Festsaal betrat, waren es schließlich zusammen nur fünf – Mr.Bingley, seine zwei Schwestern, der Gatte der älteren und ein weiterer junger Mann.
Mr.Bingley sah gut aus und besaß die Umgangsformen eines Gentleman; er hatte ein sympathisches Gesicht und ein ungezwungenes, natürliches Wesen. Die Schwestern waren elegante Frauen mit einem Auftreten von unzweifelhafter Lebensart. Seinem Schwager, Mr.Hurst, sah man lediglich den Gentleman an; doch sein Freund, Mr.Darcy, zog – durch seine elegante, hohe Gestalt, seine schönen Gesichtszüge, seine vornehme Haltung und durch das Gerücht, das innerhalb von fünf Minuten überall die Runde machte, daß er zehntausend Pfund im Jahr habe – bald die Aufmerksamkeit des ganzen Saales auf sich. Die Herren bezeichneten ihn als einen stattlichen Mann, die Damen erklärten, er sähe viel besser aus als Mr.Bingley, und den halben Abend lang betrachtete man ihn voller Bewunderung – bis sein Benehmen einen Abscheu hervorrief, der das Blatt seiner Beliebtheit wendete, denn man entdeckte, daß er hochmütig war, sich der Gesellschaft überlegen glaubte und an nichts Gefallen fand; und sein ganzer großer Besitz in Derbyshire konnte ihn nicht davor bewahren, ein äußerst abstoßendes, übellauniges Gesicht zu haben und es nicht wert zu sein, mit seinem Freund verglichen zu werden.
Mr.Bingley hatte sich bald mit allen wichtigen Leuten im Saal bekanntgemacht; er war lebhaft und freimütig, ließ keinen Tanz aus, war ärgerlich, daß der Ball so früh zu Ende war, und sprach davon, daß er auf Netherfield bald selbst einen geben werde. Solche liebenswürdigen Eigenschaften mußten für sich sprechen. Was für ein Gegensatz zwischen ihm und seinem Freund! Mr.Darcy tanzte nur einmal mit Mrs.Hurst und einmal mit Miss Bingley, lehnte es ab, irgendeiner anderen Dame vorgestellt zu werden, und verbrachte den Rest des Abends damit, im Saal umherzuwandern und gelegentlich mit einem seiner eigenen Freunde zu sprechen. Von seinem Charakter hatte man nun eine feste Meinung. Er war der hochmütigste, unangenehmste Mann der Welt, und jedermann hoffte, daß er niemals wieder erscheinen würde. Zu denen, die am leidenschaftlichsten gegen ihn eingenommen waren, gehörte Mrs.Bennet, deren Abneigung gegen sein allgemeines Betragen sich zu einem ganz besonderen Groll verschärfte, weil er eine ihrer Töchter beleidigt hatte.
Elizabeth Bennet war durch den Mangel an Herren genötigt, während zweier Tänze sitzenzubleiben; während dieser Zeit hatte Mr.Darcy einmal ganz in ihrer Nähe gestanden, so daß sie seine Unterhaltung mit Mr.Bingley mitanhören konnte, der für ein paar Minuten dem Tanz fernblieb, um seinen Freund zum Mitmachen zu bewegen.
»Komm, Darcy«, sagte er, »ich will, daß du tanzt. Ich sehe dich nicht gern hier so stumpfsinnig allein herumstehen. Du solltest wirklich lieber tanzen.«
»Das werde ich nicht! Du weißt, wie ich das verabscheue, wenn ich mit meiner Partnerin nicht gut bekannt bin. Bei einer Gesellschaft wie dieser wäre das unerträglich. Deine Schwestern sind bereits vergeben, und es ist keine andere Frau im Saal, mit der zu tanzen nicht eine Strafe für mich wäre.«
»So anspruchsvoll wäre ich nicht«, rief Bingley, »nicht für ein Königreich! Auf Ehre, mir sind noch nie so viele liebenswürdige Mädchen in meinem Leben begegnet wie an diesem Abend, und einige von denen, die du hier siehst, sind sogar ungewöhnlich hübsch.«
»Du tanzt mit dem einzigen schönen Mädchen im Saal«, sagte Mr.Darcy mit einem Blick auf die älteste Miss Bennet.
»Oh, sie ist das herrlichste Geschöpf, das ich je erblickt habe! Aber da sitzt eine ihrer Schwestern direkt hinter dir – sie ist sehr hübsch, und ich darf wohl sagen, auch sehr liebenswürdig. Laß mich meine Partnerin bitten, euch bekanntzumachen.«
»Welche meinst du?« Er drehte sich um, sah Elizabeth einen Moment an, wandte sich aber ab, als er bemerkte, daß er ihre Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatte, und sagte kühl: »Sie ist passabel, aber nicht schön genug, um mich in Versuchung zu bringen; ich bin nicht in der Stimmung, Damen Bedeutung zuzumessen, die von anderen Männern nicht beachtet werden. Du solltest lieber zu deiner Partnerin zurückkehren und dich ihrer Gunst erfreuen, du verschwendest nur deine Zeit mit mir.«
Mr.Bingley folgte seinem Rat. Mr.Darcy entfernte sich, und Elizabeth blieb mit nicht sehr freundlichen Gefühlen für ihn zurück. Sie erzählte die Geschichte jedoch sehr temperamentvoll ihren Freundinnen, denn sie hatte ein lebhaftes, spielerisches Naturell, das sie an allem Absurden Vergnügen finden ließ.
Der Abend war insgesamt für die Familie sehr erfreulich verlaufen. Mrs.Bennet hatte gesehen, daß ihre älteste Tochter von den Netherfield-Leuten viel bewundert wurde. Mr.Bingley hatte zweimal mit ihr getanzt, und auch von seinen Schwestern war sie ausgezeichnet worden. Jane war ebenso beglückt darüber wie ihre Mutter, wenngleich auf eine stillere Art. Elizabeth freute sich für Jane. Mary hatte gehört, wie sie Miss Bingley gegenüber als das gebildetste Mädchen der ganzen Nachbarschaft erwähnt wurde; und Catherine und Lydia waren so glücklich gewesen, niemals ohne Tanzpartner zu sein, und das war alles, wonach sie bisher bei einem Ball zu trachten gelernt hatten. So kehrten sie in guter Stimmung nach Longbourn zurück, dem Dorf, in dem sie lebten und dessen bedeutendste Einwohner sie waren. Mr.Bennet war noch auf, als sie ankamen. Wenn er las, achtete er nicht auf die Zeit, und diesmal spielte ein gut Teil Neugier mit, etwas über das Ereignis des Abends zu erfahren, das so glänzende Erwartungen geweckt hatte. Er hatte eigentlich gehofft, daß all die Absichten seiner Frau auf den Fremden enttäuscht würden, aber er erkannte bald, daß er etwas ganz anderes zu hören bekam.
»Oh, mein lieber Bennet«, rief sie, als sie das Zimmer betraten, »wir hatten einen herrlichen Abend, es war ein ganz vortrefflicher Ball. Ich wünschte, du wärst dort gewesen. Jane wurde so bewundert, es hätte nicht besser sein können. Alle haben gesagt, wie gut sie aussieht, und Mr.Bingley fand sie sehr schön und hat zweimal mit ihr getanzt – denk dir nur, mein Lieber, er hat tatsächlich zweimal mit ihr getanzt; und sie war das einzige Mädchen im Saal, das er zweimal aufgefordert hat. Zuallererst hat er Miss Lucas aufgefordert. Ich war so ärgerlich, als er mit ihr zum Tanz antrat; aber er hat sie überhaupt nicht bewundert – wahrhaftig, niemand kann das, nicht wahr –; aber er schien ganz begeistert von Jane, als er sie beim Tanz sah. Und er erkundigte sich, wer sie sei, und wurde ihr vorgestellt, und dann bat er sie um die nächsten Tänze. Die dritten tanzte er mit Miss King und die vierten mit Maria Lucas und die fünften wieder mit Jane und die beiden sechsten mit Lizzy, und den Boulanger...«
»Wenn er nur irgendwelches Mitgefühl mit mir gehabt hätte«, rief ihr Gatte ungeduldig, »dann hätte er nicht halb soviel getanzt! Um Himmels willen, erzähl mir nichts mehr über seine Partnerinnen. Hätte er sich doch nur gleich beim ersten Tanz einen Knöchel verstaucht!«
»Oh, mein Lieber«, fuhr Mrs.Bennet fort, »ich bin ganz entzückt von ihm. Er sieht so ungemein gut aus! Und seine Schwestern sind reizende Frauen. Ich habe noch nie in meinem Leben etwas so Elegantes gesehen wie ihre Kleider. Ich möchte behaupten, daß die Spitze auf Mrs.Hursts Kleid...«
Hier wurde sie erneut unterbrochen. Mr.Bennet protestierte gegen jegliche Beschreibung von Putz. Sie war deshalb genötigt, sich auf einen anderen Aspekt der Sache zu verlegen, und so berichtete sie mit viel Bitterkeit und einiger Übertreibung von der empörenden Unverschämtheit Mr.Darcys.
»Aber ich kann dir versichern«, fügte sie hinzu, »daß Lizzy nicht viel verliert, wenn sie seinem Geschmack nicht genügt, denn er ist ein ganz schrecklicher, unangenehmer Mensch, der es nicht wert ist, daß man ihm zu Gefallen ist. So überheblich und eingebildet ist er, daß es ganz unerträglich war. Er wanderte nur hin und her und kam sich mächtig erhaben vor! Sieht nicht einmal gut genug aus, um mit ihm zu tanzen! Ich wünschte, du wärst dabeigewesen, mein Lieber, um ihm einen deiner Dämpfer zu verpassen. Ich verabscheue den Mann.«
Als Jane und Elizabeth allein waren, offenbarte die erstere, die sich zuvor mit ihrem Lob für Mr.Bingley zurückgehalten hatte, ihrer Schwester, wie sehr sie ihn bewunderte.
»Er ist geradeso, wie ein junger Mann sein sollte«, sagte sie, »verständig, freundlich und voller Leben; und ich habe niemals zuvor so treffliche Umgangsformen gesehen – so viel Ungezwungenheit bei solch perfektem Benehmen!«
»Und gut sieht er auch aus«, erwiderte Elizabeth, »was man von einem jungen Mann ebenfalls erwarten sollte, wenn irgend möglich. Seine Person ist somit vollkommen.«
»Ich fühlte mich sehr geschmeichelt, als er mich zum zweiten Mal zum Tanz aufforderte. Ein solches Kompliment hatte ich niemals erwartet.«
»Nein? Aber ich hatte es für dich erwartet. Das ist der große Unterschied zwischen uns beiden. Dich überraschen Komplimente immer, und mich niemals. Was konnte natürlicher sein, als daß er dich nochmals aufforderte? Er mußte ja sehen, daß du fünfmal so hübsch bist wie jedes andere Mädchen im Saal. Deshalb gebührt ihm kein Dank für seine Galanterie. Nun ja, er ist gewiß sehr liebenswürdig, ich erlaube dir, ihn zu mögen. Du hast so manchen dümmeren Menschen gemocht.«
»Liebe Lizzy!«
»Oh, du neigst nämlich viel zu sehr dazu, die Leute ganz allgemein zu mögen. Du siehst niemals Fehler in einem Menschen. In deinen Augen ist alle Welt gut und liebenswürdig. Ich habe dich noch nie in meinem Leben von jemandem Schlechtes reden hören.«
»Ich möchte nicht vorschnell über einen Menschen urteilen, aber ich sage immer, was ich denke.«
»Das weiß ich, und das ist es, was mich verwundert. Bei deinem gesunden Menschenverstand so völlig blind zu sein für die Torheiten und das absurde Benehmen anderer! Aufrichtigkeit zu heucheln ist nur allzu verbreitet, dem begegnet man überall. Aber aufrichtig zu sein ohne Prahlerei oder Absicht – im Charakter eines jeden nur das Gute zu sehen, es noch besser zu machen und das Schlechte zu verschweigen – das ist deine Sache allein. Und so magst du also die Schwestern dieses Mannes ebenfalls, nicht wahr? Ihr Benehmen gleicht aber nicht dem seinen.«
»Gewiß nicht, nicht zu Anfang. Aber wenn man mit ihnen spricht, sind es sehr einnehmende Damen. Miss Bingley soll bei ihrem Bruder leben und ihm den Haushalt führen, und ich müßte mich sehr irren, wenn wir mit ihr nicht eine ganz reizende Nachbarin bekämen.«
Elizabeth hörte schweigend zu, war aber nicht überzeugt; das Verhalten der Schwestern auf dem Ball war nicht dazu angetan gewesen, allgemein zu gefallen; und von schärferer Beobachtungsgabe und weniger leicht zu beeinflussen als ihre Schwester, dazu mit einem Urteilsvermögen ausgestattet, das nicht von Aufmerksamkeiten ihr gegenüber beeinträchtigt war, neigte sie kaum dazu, viel von ihnen zu halten. Es waren in der Tat sehr elegante Damen, und es mangelte ihnen nicht an guter Laune, wenn sie zufrieden waren, und auch nicht an der Fähigkeit, liebenswürdig zu sein, wenn es ihnen beliebte, doch waren sie hochmütig und selbstgefällig. Sie sahen recht gut aus, hatten in einer der ersten privaten höheren Schulen der Stadt ihre Bildung erworben, besaßen ein Vermögen von zwanzigtausend Pfund, pflegten mehr auszugeben, als sie sollten, und mit Leuten von Rang zu verkehren; sie fühlten sich deshalb in jeder Hinsicht berechtigt, eine hohe Meinung von sich zu haben und eine geringe von anderen. Sie stammten von einer angesehenen Familie im Norden Englands – ein Umstand, der sich ihrer Erinnerung tiefer eingeprägt hatte als die Tatsache, daß das Vermögen ihres Bruders und ihr eigenes durch Handel erworben war.
Mr.Bingley hatte von seinem Vater ein Vermögen in Höhe von fast einhunderttausend Pfund geerbt; dieser hatte die Absicht gehabt, ein Landgut dafür zu kaufen, war aber darüber hinweggestorben. Mr.Bingley beabsichtigte ebenfalls zu kaufen, und von Zeit zu Zeit suchte er auch nach einer geeigneten Grafschaft dafür, aber da er nun über ein angemessenes Haus verfügte und die Freiheiten eines Landgutes genoß, schien es all denen, die sein unbekümmertes Wesen am besten kannten, zweifelhaft, ob er nicht den Rest seines Lebens in Netherfield verbringen und den Kauf der nächsten Generation überlassen würde.
Seinen Schwestern lag sehr daran, daß er ein eigenes Besitztum erwarb. Doch obgleich er sich jetzt nur als Pächter niedergelassen hatte, war Miss Bingley keineswegs abgeneigt, seiner Tafel vorzustehen; und Mrs.Hurst, die einen Mann von mehr Lebensart als Vermögen geheiratet hatte, war nicht weniger geneigt, sein Haus auch als ihr Heim zu betrachten, wenn es ihr beliebte. Mr.Bingley war noch keine zwei Jahre volljährig gewesen, als er durch eine zufällige Empfehlung verlockt wurde, sich Netherfield House anzusehen. Und er sah es sich an, von außen und von innen, eine halbe Stunde lang, war erfreut über die Lage und die wesentlichen Räume, war zufrieden mit dem, was der Eigentümer zum Lob des Hauses sagte, und griff sofort zu.
Ihn und Darcy verband eine sehr beständige Freundschaft, trotz des großen Gegensatzes ihrer Charaktere. Darcy war Bingley wegen seines unbekümmerten, freimütigen und nachgiebigen Wesens zugetan, obgleich dessen Veranlagung keinen größeren Gegensatz zu der seinen bilden konnte, mit der er doch keineswegs unzufrieden zu sein schien. Darcys Freundschaft bewirkte, daß Bingley volles Vertrauen in ihn setzte und er die höchste Meinung von dessen Urteilsvermögen hatte. An Verstandeskraft war Darcy ihm überlegen. Bingley mangelte es keineswegs an Verstand, aber Darcy war intelligent. Doch gleichzeitig war er hochmütig, reserviert und sehr anspruchsvoll, und sein Benehmen war trotz seiner Wohlerzogenheit nicht gerade anziehend. In dieser Hinsicht war Bingley seinem Freund gegenüber sehr im Vorteil. Er konnte gewiß sein, daß er, wo immer er hinkam, wohlgelitten war, Darcy dagegen erregte ständig Anstoß.
Die Art und Weise, in der sie über die Gesellschaft in Meryton sprachen, war durchaus charakteristisch. Bingley war niemals zuvor in seinem Leben angenehmeren Leuten und hübscheren Mädchen begegnet; alle waren äußerst freundlich und aufmerksam zu ihm gewesen, es hatte keine Förmlichkeiten, keine Steifheit gegeben, er hatte sich bald mit allen im Saal vertraut gefühlt; und was Miss Bennet anging, so konnte er sich keinen Engel vorstellen, der schöner war. Darcy dagegen hatte eine Ansammlung von Leuten gesehen, in der es wenig Schönheit und keine Lebensart gab; an keinem von ihnen hatte er das geringste Interesse verspürt und von niemandem Aufmerksamkeit oder Vergnügen erfahren. Er erkannte an, daß Miss Bennet hübsch sei, doch lächle sie zuviel.
Mrs.Hurst und ihre Schwester gaben dies zu – doch trotzdem bewunderten und mochten sie Miss Bennet und erklärten, daß sie ein reizendes Mädchen sei und sie nichts dagegen einzuwenden hätten, sie näher kennenzulernen. Miss Bennet war somit als ein reizendes Mädchen anerkannt, und ihr Bruder fühlte sich durch solches Lob dazu berechtigt, von ihr zu denken, was ihm beliebte.
Nur eine kurze Wegstrecke von Longbourn entfernt wohnte eine Familie, mit der die Bennets besonders befreundet waren. Sir William Lucas hatte früher in Meryton einen Handel betrieben, bei dem er ein ziemliches Vermögen erworben hatte, und war durch eine Ansprache an den König während seiner Amtszeit als Bürgermeister in den Ritterstand erhoben worden. Diese Auszeichnung hatte ihn vielleicht allzu stark beeindruckt. Sie hatte ihn mit Abscheu vor seinem Handel und seinem Wohnsitz in einem kleinen Marktflecken erfüllt. So hatte er beides aufgegeben und war mit seiner Familie in ein Haus gezogen, das etwa eine Meile von Meryton entfernt lag und seit der Zeit den Namen Lucas Lodge trug; dort konnte er mit Vergnügen über seine eigene Bedeutung nachdenken und sich, unbehindert durch ein Gewerbe, einzig und allein damit beschäftigen, zu aller Welt zuvorkommend zu sein. Denn obgleich ihn sein Rang mit Stolz erfüllte, machte er ihn nicht hochmütig; im Gegenteil, er war für jedermann ganz Aufmerksamkeit. Von Natur aus friedfertig, freundlich und gefällig, hatte ihn seine Vorstellung bei Hofe in St. James geradezu liebenswürdig gemacht.
Lady Lucas war eine sehr gute Frau und nicht zu klug, um eine geschätzte Nachbarin für Mrs.Bennet zu sein. – Sie hatten mehrere Kinder. Die älteste von ihnen, eine verständige, intelligente junge Frau von etwa siebenundzwanzig Jahren, war Elizabeths vertraute Freundin.
Daß die Miss Lucas’ und die Miss Bennets zusammenkamen, um einen Ball durchzusprechen, war eine absolute Notwendigkeit; und am Morgen nach der Gesellschaft kamen die ersteren nach Longbourn, um ihre Erlebnisse mit den Bennets auszutauschen.
»Sie haben einen guten Anfang gehabt gestern abend, Charlotte«, sagte Mrs.Bennet mit höflicher Selbstbeherrschung zu Miss Lucas. »Sie waren Mr.Bingleys erste Wahl.«
»Ja – aber ihm schien seine zweite besser zu gefallen.«
»Oh– Sie meinen wohl Jane, weil er zweimal mit ihr tanzte. Es schien tatsächlich, als gefiele sie ihm – wirklich, ich glaube es schon. Ich hörte etwas darüber, aber ich weiß kaum noch, was es war – etwas über Mr.Robinson.«
»Sie meinen vielleicht, was ich zwischen Mr.Bingley und Mr.Robinson mitangehört habe; habe ich Ihnen nichts davon erzählt? Daß Mr.Robinson ihn fragte, wie ihm unsere Gesellschaften in Meryton denn gefielen und ob er nicht meine, daß es sehr viele hübsche Damen im Saal gebe, und wer für ihn die hübscheste sei? Und wie er augenblicklich auf die letzte Frage antwortete – Oh, die älteste Miss Bennet ohne jeden Zweifel, darüber kann es nur eine Meinung geben.«
»Auf mein Wort! – Na, das war tatsächlich eine sehr entschiedene Äußerung – das scheint ja, als ob..., aber, wissen Sie, das mag alles zu nichts weiter führen.«
»Was ich mitangehört habe, war besser, als was du gehört hattest, Eliza«, sagte Charlotte. »Mr.Darcy zuzuhören macht nicht so viel Freude, wie es bei seinem Freund der Fall ist, nicht wahr? – Arme Eliza! – Nur gerade passabel zu sein.«
»Sie sollten es Lizzy lieber nicht einreden, durch seine unfreundliche Behandlung verärgert zu sein. Er ist ja ein so unangenehmer Mensch, daß es schon ein ziemliches Unglück wäre, ihm zu gefallen. Mrs.Long erzählte mir gestern abend, daß er eine halbe Stunde lang dicht neben ihr gesessen hat, ohne auch nur einmal den Mund aufzutun.«
»Bist du da ganz sicher, Mama? – Beruht das nicht auf einem kleinen Irrtum?« fragte Jane. »Ich habe ganz bestimmt gesehen, wie Mr.Darcy mit ihr sprach.«
»Ja, weil sie ihn schließlich fragte, wie ihm Netherfield gefiele, und er nicht umhin konnte, ihr eine Antwort zu geben; aber sie sagte, er schien sehr ärgerlich darüber zu sein, daß er angesprochen wurde.«
»Mr.Bingley erzählte mir«, sagte Jane, »daß er niemals viel spricht, außer mit seinen vetrauten Freunden. Mit ihnen ist er außerordentlich liebenswürdig.«
»Davon glaube ich kein Wort, meine Liebe. Wenn er so liebenswürdig wäre, hätte er doch mit Mrs.Long gesprochen. Aber ich kann mir schon denken, wie das war; jeder sagt, er würde vom Stolz verzehrt, und ich glaube wohl, ihm war irgendwie zu Ohren gekommen, daß Mrs.Long keine Equipage hält und mit einer Mietkutsche zum Ball gekommen war.«
»Ich würde nichts dabei finden, daß er nicht mit Mrs.Long gesprochen hat«, sagte Miss Lucas, »aber ich wünschte, er hätte mit Eliza getanzt.«
»Ein andermal würde ich an deiner Stelle auch nicht mit ihm tanzen, Lizzy«, sagte ihre Mutter.
»Ich denke, Mama, ich kann dir ohne weiteres versprechen, daß ich nie mit ihm tanzen werde.«
»Sein Stolz«, sagte Miss Lucas, »beleidigt mich nicht so sehr, wie es Stolz sonst oft tut, denn es gibt eine Entschuldigung dafür. Es ist doch nicht verwunderlich, daß ein so glänzender junger Mann mit Familie, Vermögen – und in jeder Hinsicht begünstigt – eine hohe Meinung von sich hat. Er hat – wenn ich das so sagen darf – ein Recht darauf, stolz zu sein.«
»Das ist ganz richtig«, erwiderte Elizabeth, »und ich könnte ihm leicht seinen Stolz verzeihen, wenn er den meinen nicht verletzt hätte.«
»Stolz«, bemerkte Mary, die sich etwas auf die Gültigkeit ihrer Überlegungen einbildete, »ist, glaube ich, eine sehr verbreitete Schwäche. Nach allem, was ich jemals gelesen habe, bin ich überzeugt, daß er tatsächlich sehr verbreitet ist, daß die menschliche Natur besonders dazu neigt und daß es sehr wenige unter uns gibt, die nicht aufgrund der einen oder andern Eigenschaft, ob sie nun wirklich oder eingebildet ist, ein Gefühl der Selbstgefälligkeit nähren. Eitelkeit und Stolz sind verschiedene Dinge, obgleich die Worte oftmals als bedeutungsgleich verwendet werden. Ein Mensch kann stolz sein, ohne eitel zu sein. Stolz bezieht sich mehr auf unsere Meinung von uns selbst, Eitelkeit auf das, was andere von uns denken sollen.«
»Wenn ich so reich wäre wie Mr.Darcy«, rief einer der Lucas-Jungen, der mit seinen Schwestern mitgekommen war, »wäre mir egal, wie stolz ich bin. Ich würde mir eine Meute Fuchshunde halten und jeden Tag eine Flasche Wein trinken.«
»Dann würdest du eine Menge mehr trinken, als du solltest«, erklärte Mrs.Bennet, »und wenn ich dich damit sehen sollte, würde ich dir die Flasche augenblicklich wegnehmen.«
Der Junge protestierte, daß sie das nicht tun dürfe; sie blieb dabei zu erklären, daß sie es doch tun würde, und erst mit dem Aufbruch der Gäste endete der Streit.
Die Damen von Longbourn statteten denen in Netherfield bald einen Besuch ab. Dieser wurde in geziemender Form erwidert. Miss Bennets angenehme Art gewann das Wohlwollen Mrs.Hursts und Miss Bingleys, und obgleich sie die Mutter unerträglich fanden und die jüngeren Schwestern nicht wert, daß man mit ihnen sprach, wurde den beiden älteren gegenüber der Wunsch geäußert, sie näher kennenzulernen. Jane nahm diese Aufmerksamkeit mit dem größten Vergnügen an, aber Elizabeth sah in der Art und Weise, wie die Damen jedermann behandelten – ihre Schwester kaum ausgenommen – eine Herablassung, und sie konnte sie nicht leiden; dennoch hatte deren Freundlichkeit Jane gegenüber als solche ihren Wert darin, daß sie sich aller Wahrscheinlichkeit nach aus der Bewunderung ihres Bruders für sie ergab. Es war ganz allgemein offenkundig, daß er sie, wann immer sie sich begegneten, tatsächlich bewunderte; und für Elizabeth war es gleichermaßen offenkundig, daß sich Jane ganz der Neigung, die sie ihm von Anfang an entgegengebracht hatte, überließ und auf dem besten Wege war, sich zu verlieben; doch sie dachte mit Vergnügen daran, wie unwahrscheinlich es war, daß dies von anderen entdeckt würde, da Jane mit starken Gefühlen ein sehr ruhiges und gleichmäßig heiteres Gemüt verband, das sie vor dem Verdacht Zudringlicher schützte. Elizabeth erwähnte das gegenüber ihrer Freundin Miss Lucas.
»Es ist vielleicht angenehm«, entgegnete Charlotte, »in einem solchen Fall die Öffentlichkeit täuschen zu können, aber manchmal ist es auch ein Nachteil, so sehr zurückhaltend zu sein. Wenn eine Frau ihre Zuneigung mit der gleichen Geschicklichkeit auch vor deren Gegenstand verbirgt, versäumt sie vielleicht die Gelegenheit, ihn zu fesseln; und dann wird es nur ein schwacher Trost sein zu glauben, daß die Leute davon ebensowenig ahnen. In fast jeder Zuneigung gibt es soviel Dankbarkeit oder auch Eitelkeit, daß es nicht ungefährlich ist, auch nur eine dem Selbstlauf zu überlassen. Wir können uns jeder Neigung zu Anfang ganz ungezwungen hingeben – eine leichte Vorliebe ist ganz natürlich; aber es gibt sehr wenige von uns, die genügend Mut haben, sich ohne Ermunterung wirklich zu verlieben. In neun von zehn Fällen ist es für eine Frau besser, mehr Zuneigung zu zeigen, als sie empfindet. Bingley hat deine Schwester zweifellos gern, aber er wird vielleicht niemals mehr tun, als sie gern haben, wenn sie ihm nicht weiterhilft.«
»Aber sie hilft ihm weiter, soweit es ihre Natur zuläßt. Wenn ich ihre Zuneigung zu ihm erkennen kann, müßte er ja in der Tat ein Dummkopf sein, wenn er sie nicht ebenfalls wahrnehmen würde.«
»Du mußt bedenken, Eliza, daß er Janes Veranlagung nicht so gut kennt wie du.«
»Aber wenn eine Frau für einen Mann eingenommen ist und sich nicht bemüht, es zu verbergen, muß er es doch herausfinden.«
»Vielleicht ist es so, wenn er sie oft genug sieht. Aber obgleich Bingley und Jane einigermaßen häufig zusammenkommen, ist es niemals länger als für ein paar Stunden, und da sie einander immer nur in einer großen, zusammengewürfelten Gesellschaft sehen, können sie unmöglich die ganze Zeit miteinander sprechen. Jane sollte deshalb keine halbe Stunde, in der sie über seine Aufmerksamkeit verfügen kann, ungenutzt lassen. Wenn sie sich seiner sicher ist, kann sie sich in Muße verlieben, soviel sie möchte.«
»Dein Plan ist recht gut«, erwiderte Elizabeth, »wenn es um nichts anderes geht als den Wunsch, sich gut zu verheiraten; und wenn ich entschlossen wäre, einen reichen Mann zu bekommen, oder überhaupt irgendeinen, glaube ich wohl, daß ich es so machen würde. Aber das ist nicht Janes Einstellung, sie handelt nicht nach einem Vorsatz. Noch kann sie sich nicht einmal über die Stärke ihrer eigenen Zuneigung sicher sein, oder über deren Berechtigung. Sie kennt ihn doch erst zwei Wochen. In Meryton hat sie vier Tänze mit ihm getanzt, an einem Vormittag hat sie ihn in seinem Haus besucht und hat seitdem viermal in Gesellschaft mit ihm diniert. Das reicht wirklich noch nicht aus, um seinen Charakter kennenzulernen.«
»Nicht, wie du es darstellst. Hätte sie lediglich mit ihm diniert, so mag sie vielleicht herausgefunden haben, ob er einen gesunden Appetit hat; aber du mußt bedenken, daß sie außerdem vier Abende zusammen verbracht haben – und vier Abende können eine Menge bewirken.«
»Ja, diese vier Abende haben es ihnen ermöglicht, in Erfahrung zu bringen, daß sie beide Vingt-et-un lieber spielen als Kommerz; aber ich kann mir nicht vorstellen, daß dabei von anderen wichtigen Eigentümlichkeiten viel zutage kam.«
»Nun ja«, sagte Charlotte, »ich wünsche Jane von ganzem Herzen Erfolg; und wenn sie ihm schon morgen angetraut würde, so glaube ich, daß sie eine ebenso gute Chance hätte, glücklich zu werden, als würde sie seinen Charakter ein Jahr lang erforschen. Glück in der Ehe ist allein eine Sache des Zufalls. Wenn die Parteien ihre Veranlagungen vorher auch noch so gut voneinander kennen oder sich auch noch so ähnlich sind, fördert es doch ihr Glück nicht im mindesten. Es werden sich mit der Zeit stets noch genügend Unterschiede zeigen, um ihnen ihren Teil Verdruß zu bescheren; und es ist besser, so wenig wie möglich von den Fehlern eines Menschen zu wissen, mit dem man sein Leben verbringen muß.«
»Du machst mich lachen, Charlotte, aber vernünftig ist das nicht. Und du weißt, daß es nicht vernünftig ist und daß du selbst niemals so handeln würdest.«
Während Elizabeth davon in Anspruch genommen war, Mr.Bingleys Aufmerksamkeiten gegenüber ihrer Schwester zu beobachten, ahnte sie nicht im geringsten, daß sie in den Augen seines Freundes selbst ein Gegenstand von einigem Interesse wurde. Mr.Darcy hatte ihr anfangs kaum zugestanden, hübsch zu sein; er hatte sie bei dem Ball ohne jede Bewunderung angesehen, und als sie das nächste Mal zusammentrafen, betrachtete er sie nur, um sie zu kritisieren. Aber gerade hatte er sich und seinen Freunden klargemacht, daß beinahe kein erfreulicher Zug in ihrem Gesicht zu finden sei, da stellte er auch schon fest, daß der schöne Ausdruck ihrer dunklen Augen ihr Antlitz ungewöhnlich intelligent erscheinen ließ. Dieser Entdeckung folgten einige andere, die gleichermaßen ärgerlich waren. Obgleich er mit kritischem Auge mehr als einen Defekt in der Symmetrie ihrer Figur sah, mußte er anerkennen, daß ihre Gestalt leicht und gefällig war; und wenn er auch behauptete, daß ihre Umgangsformen nicht die der vornehmen Welt waren, so wurde er doch gefangengenommen von ihrem spielerischen Mutwillen. Dessen war sie sich jedoch keineswegs bewußt; für sie war er nur der Mann, der sich nirgends beliebt machte und der sie nicht für schön genug befunden hatte, um mit ihr zu tanzen.
Er wünschte schließlich, mehr über sie zu erfahren, und um sich mit ihr selbst unterhalten zu können, nahm er als einen Schritt dazu an ihrer Unterhaltung mit anderen teil. Das ließ sie aufmerksam werden. Es geschah bei Sir William Lucas, wo eine große Gesellschaft versammelt war.
»Was bezweckt Mr.Darcy wohl damit«, sagte sie zu Charlotte, »wenn er bei meiner Unterhaltung mit Colonel Forster zuhört?«
»Das ist eine Frage, die Mr.Darcy nur selbst beantworten kann.«
»Wenn er das aber noch einmal tut, werde ich ihm ganz bestimmt zu verstehen geben, daß ich weiß, was er im Sinn hat. Er hat einen derart spöttischen Blick, und wenn ich jetzt nicht bald selbst unverschämt werde, wird es nicht lange dauern, und ich habe Angst vor ihm.«
Als er sich ihnen bald darauf näherte, doch offenbar ohne die Absicht, etwas zu sagen, beschwor Miss Lucas ihre Freundin, so etwas nicht zu ihm zu sagen, was Elizabeth augenblicklich provozierte, es doch zu tun. Sie wandte sich zu ihm um und sagte: »Glauben Sie nicht, Mr.Darcy, daß ich mich eben ganz ungewöhnlich gut ausgedrückt habe, als ich Colonel Forster bedrängte, uns in Meryton einen Ball zu geben?«
»Sie taten es mit großem Nachdruck – aber das ist ein Thema, das Damen stets energisch macht.«
»Sie sind streng mit uns.«
»Jetzt ist sie bald an der Reihe, bedrängt zu werden«, sagte Miss Lucas. »Ich werde das Instrument öffnen, Eliza, du weißt, was dann kommt.«
»Du bist eine sehr seltsame Freundin – immer willst du, daß ich vor aller Welt singen und spielen soll! Wäre meine Eitelkeit auf die Musik gerichtet, würdest du unschätzbar für mich sein, aber wie die Sache liegt, möchte ich mich wirklich lieber nicht vor diesen Leuten hier ans Klavier setzen, die gewohnt sein müssen, die allerbesten Künstler zu hören.« Da Miss Lucas jedoch darauf beharrte, fügte sie hinzu: »Also gut, wenn es sein muß!« Und mit einem ernsten Blick auf Mr.Darcy: »Es gibt ein schönes altes Sprichwort, das jedem hier natürlich bekannt ist: ›Keep your breath to cool your porridge‹1–, und ich werde meine Lunge also schonen, um meinen Gesang anschwellen zu lassen.«
Ihr Vortrag war gefällig, wenngleich keinesfalls großartig. Nach ein paar Liedern, und ehe sie noch auf die dringenden Bitten mehrerer Gäste antworten konnte, daß sie doch noch einmal singen möge, folgte ihr ihre Schwester Mary eifrig ans Klavier; denn da sie die einzig Reizlose in der Familie war und sich deshalb hart um Kenntnisse und Fertigkeiten bemühte, brannte sie stets darauf, sich zu produzieren.
Mary hatte weder Begabung noch Geschmack; und obgleich die Eitelkeit sie zu großem Fleiß anstachelte, hatte sie ihr zudem ein so pedantisches und selbstgefälliges Gebaren eingebracht, daß es selbst vorzüglicheren Leistungen als den ihren Abbruch getan hätte. Elizabeth, in ihrer natürlichen, ungezwungenen Art, hatte man mit weit mehr Vergnügen zugehört, obgleich sie nicht halb so gut spielte; und Mary war am Ende eines langen Vortrages schließlich froh, Lob und Anerkennung durch schottische und irische Lieder zu erringen; um diese hatten sie ihre jüngeren Schwestern gebeten, die sich mit einigen anderen Mitgliedern der Lucas-Familie und ein paar Offizieren eifrig dem Tanz an einem Ende des Saales anschlossen.
Mr.Darcy stand in ihrer Nähe, in schweigender Empörung über eine solche Art, den Abend zu verbringen, die jegliche Unterhaltung ausschloß, und er war zu sehr in seine eigenen Gedanken vertieft, um zu bemerken, daß sich Sir William Lucas neben ihm befand, bis dieser ihn ansprach.
»Was für ein reizendes Vergnügen das ist für junge Leute, Mr.Darcy! Es gibt schließlich nichts, das dem Tanzen gleichkommt. Ich betrachte es als eine der wunderbarsten Errungenschaften einer gebildeten Gesellschaft.«
»Gewiß, Sir, und es hat auch den Vorteil, in den weniger gebildeten Gesellschaften der Welt beliebt zu sein. Jeder Wilde kann tanzen.«
Sir William lächelte nur. »Ihr Freund tanzt wunderbar«, fuhr er nach einer Pause fort, als er sah, wie sich Bingley der Gruppe anschloß, »und ich zweifle nicht, daß Sie selbst in dieser Kunst ein Meister sind, Mr.Darcy.«
»Sie haben mich vermutlich in Meryton tanzen sehen, Sir.«
»Ja, in der Tat, der Anblick hat mir großes Vergnügen bereitet. Tanzen Sie oft in St. James?«
»Niemals, Sir.«
»Glauben Sie nicht, daß dies eine angemessene Reverenz wäre für diesen Ort?«
»Das ist eine Reverenz, die ich niemals irgendeinem Ort erweise, wenn ich es vermeiden kann.«
»Sie haben ein Haus in der Stadt, nehme ich an?«
Darcy verbeugte sich bejahend.
»Ich hatte selbst einmal den Gedanken, mich in der Stadt niederzulassen – ich liebe nämlich eine erlesene Gesellschaft, aber ich war nicht recht sicher, ob Lady Lucas die Londoner Luft vertragen würde.«
Er hielt inne in der Hoffnung, eine Antwort zu bekommen, doch Darcy war nicht geneigt, eine zu geben; und als Elizabeth in diesem Augenblick in ihre Richtung ging, kam ihm plötzlich die Idee, etwas sehr Galantes zu tun, und er rief ihr zu: »Meine liebe Miss Eliza, warum tanzen Sie nicht? – Mr.Darcy, Sie müssen mir gestatten, Ihnen diese junge Dame als eine sehr reizvolle Partnerin vorzustellen. Sie können sich doch gewiß nicht weigern zu tanzen, wenn Sie so viel Schönheit vor sich sehen.« Und er nahm ihre Hand und hätte sie Mr.Darcy gereicht – der, wenngleich höchst überrascht, nicht abgeneigt war, sie zu nehmen–, als Elizabeth augenblicklich zurückwich und in einiger Verwirrung zu Sir William sagte: »Aber, mein Herr, ich habe nicht die geringste Absicht zu tanzen. – Ich bitte Sie inständig, nicht anzunehmen, ich wäre hier entlanggekommen, um einen Partner zu finden.«
Mr.Darcy ersuchte sie mit ernstem Anstand um die Ehre, ihm die Hand zum Tanz zu reichen, doch vergeblich. Elizabeth blieb fest; und auch Sir William konnte ihren Entschluß durch seine Überredungsversuche nicht erschüttern.
»Sie tanzen so unübertrefflich, Miss Eliza, daß es grausam wäre, mir das Glück zu verweigern, Ihnen zuzusehen; und obgleich der Herr dieses Vergnügen im allgemeinen nicht liebt, kann er doch gewiß nichts dagegen haben, uns eine halbe Stunde lang damit zu erfreuen.«
»Mr.Darcy ist die Höflichkeit selbst«, sagte Elizabeth lächelnd.
»Das ist er in der Tat – doch wenn man die Veranlassung bedenkt, meine liebe Miss Eliza, können wir uns nicht wundern über seine Gefälligkeit; denn wer würde gegen eine solche Partnerin etwas einzuwenden haben?«
Elizabeth sah sie schalkhaft an und ging fort. Ihr Widerstand hatte ihr bei dem jungen Herrn nicht geschadet, und er dachte mit einigem Wohlgefallen an sie, als Miss Bingley ihn ansprach.
»Ich kann den Gegenstand Ihrer Nachdenklichkeit erraten.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Sie überlegen, wie unerträglich es wäre, viele Abende auf diese Weise zu verbringen – in einer solchen Gesellschaft; und ich bin ganz Ihrer Meinung. Ich war noch nie so verärgert! Diese Fadheit und doch dieser Lärm, diese Nichtigkeit und doch dieser Eigendünkel all der Leute! – Ich würde etwas darum geben, Ihre kritischen Bemerkungen über sie zu hören!«
»Ich versichere Ihnen, Ihre Vermutung ist völlig falsch. Meine Gedanken waren mit etwas Angenehmerem beschäftigt. Ich habe darüber nachgedacht, welches Vergnügen ein Paar schöne Augen im Antlitz einer hübschen Frau bereiten kann.«
Miss Bingley sah ihn augenblicklich starr an und bat darum, ihr zu sagen, welche Dame denn das Verdienst habe, solche Überlegungen zu inspirieren. Mr.Darcy entgegnete völlig unerschrocken: »Miss Elizabeth Bennet.«
»Miss Elizabeth Bennet!« wiederholte Miss Bingley. »Ich bin völlig überrascht. Wie lange steht sie denn schon so in Ihrer Gunst? – Und bitte, wann soll ich Ihnen Glück wünschen?«
»Das ist genau die Frage, die ich von Ihnen erwartet habe. Die Phantasie einer Frau ist sehr flink; sie springt in einem Augenblick von der Bewunderung zur Liebe und von der Liebe zur Ehe. Ich wußte, Sie würden mir Glück wünschen.«
»Nein, wenn es Ihnen ernst ist, werde ich die Sache vielmehr als absolut feststehend betrachten. Sie werden wirklich eine reizende Schwiegermutter haben, und natürlich wird sie immer bei Ihnen in Pemberley sein.«
Er hörte ihr mit vollkommener Gleichgültigkeit zu, während es ihr beliebte, sich selbst auf diese Weise zu unterhalten; und da seine Gelassenheit sie überzeugte, daß von daher keinerlei Gefahr bestand, ließ sie ihren geistreichen Bemerkungen freien Lauf.
Mr.Bennets Vermögen bestand fast ausschließlich aus einem Landbesitz, der zweitausend Pfund im Jahr einbrachte, der aber, zum Unglück seiner Töchter, mangels männlicher Erben einst einem entfernten Verwandten zufließen würde; und das Vermögen ihrer Mutter konnte, wenngleich es für ihre eigene Stellung im Leben vollauf genügte, die Unzulänglichkeit des seinen nur schlecht ausgleichen. Ihr Vater war Anwalt in Meryton gewesen und hatte ihr viertausend Pfund hinterlassen.
Sie hatte eine Schwester, verheiratet mit einem Mr.Philips, der bei ihrem Vater juristischer Angestellter gewesen und dessen Nachfolger in der Kanzlei geworden war; und ein Bruder von ihr hatte sich in London in einem angesehenen Geschäftszweig niedergelassen.
Das Dorf Longbourn war nur eine Meile von Meryton entfernt und deshalb äußerst bequem zu erreichen für die jungen Damen, die es gewöhnlich drei- oder viermal in der Woche dorthin trieb, um ihrer Tante und, gleich auf dem Wege, einem Hutgeschäft ihren Pflichtbesuch zu machen. Die beiden Jüngsten der Familie, Catherine und Lydia, kamen dem besonders häufig nach; ihr Geist war unausgefüllter als der ihrer Schwestern, und wenn sich nichts Besseres bot, war ein Gang nach Meryton notwendig, um sich in den Vormittagsstunden die Zeit zu vertreiben und für den Abend Gesprächsstoff zu haben; und wie wenig Neuigkeiten es auf dem Lande im allgemeinen auch geben mochte, gelang es ihnen doch, von ihrer Tante immer wieder etwas zu erfahren. Seit kurzer Zeit waren sie allerdings durch die Ankunft eines Bürgerwehrregiments in der Nachbarschaft sowohl mit Neuigkeiten als auch mit glücklicher Aufregung wohlversorgt. Das Regiment sollte den ganzen Winter über bleiben, und das Hauptquartier befand sich in Meryton.
Ihre Besuche bei Mrs.Philips lieferten ihnen nun die interessantesten Informationen. Jeder Tag brachte ihnen weitere Kenntnisse über Namen und Verbindungen der Offiziere. Ihre Unterkünfte blieben nicht lange geheim, und schließlich lernten sie auch die Offiziere selbst kennen. Mr.Philips besuchte sie alle, und damit tat sich für seine Nichten eine Quelle bisher ungekannter Glückseligkeit auf. Sie konnten über nichts anderes mehr reden als über die Offiziere; und Mr.Bingleys großes Vermögen, dessen Erwähnung ihre Mutter so belebte, war in ihren Augen ohne Bedeutung gegenüber der Uniform eines Fähnrichs.
Nachdem Mr.Bennet eines Morgens ihren Ergüssen über dieses Thema zugehört hatte, bemerkte er kühl: »Wie ich aus all euren Reden entnehmen kann, müßt ihr zwei der törichtsten Mädchen der ganzen Gegend sein. Ich habe das schon eine Zeitlang vermutet, aber nun bin ich davon überzeugt.«
Catherine war verwirrt und entgegnete nichts; doch Lydia fuhr mit völliger Unbekümmertheit fort, von ihrer Bewunderung für Captain Carter zu sprechen, und daß sie hoffe, ihn im Laufe des Tages noch zu sehen, da er am nächsten Morgen nach London fuhr.
»Ich bin erstaunt, mein Lieber«, sagte Mrs.Bennet, »daß du so leicht bereit bist, deine eigenen Kinder für töricht zu halten. Wenn ich abschätzig über irgend jemandes Kinder denken wollte, so wären es gewiß nicht meine eigenen.«
»Wenn meine Kinder töricht sind, kann ich nur hoffen, daß mir das stets bewußt ist.«
»Ja, aber wie die Sache liegt, sind sie alle sehr klug.«
»Das ist der einzige Punkt, schmeichle ich mir, in dem wir nicht einer Meinung sind. Ich hatte gehofft, daß unsere Ansichten in jeder Einzelheit übereinstimmen würden, aber ich muß hier insofern von den deinen abweichen, als ich meine, daß unsere beiden jüngsten Töchter ungewöhnlich töricht sind.«
»Mein lieber Mr.Bennet, du darfst doch nicht erwarten, daß solche Mädchen schon den Verstand ihres Vaters und ihrer Mutter haben. Wenn sie in unser Alter kommen, werden sie, wie ich wohl behaupten darf, nicht häufiger an Offiziere denken als wir. Ich erinnere mich an die Zeit, als ich selbst sehr viel Gefallen an einem roten Rock fand – und das tue ich im Grunde meines Herzens sogar jetzt noch; und wenn ein schneidiger junger Colonel mit fünf- oder sechstausend im Jahr eine meiner Töchter wollte, würde ich nicht nein sagen; ich fand, Colonel Forster sah neulich bei Sir William sehr vorteilhaft in seiner Uniform aus.«
»Mama«, rief Lydia, »die Tante sagt, Colonel Forster und Captain Carter gehen nicht mehr so oft zu Miss Watson wie anfangs; sie sieht sie jetzt sehr oft in Clarkes Bibliothek.«
Mrs.Bennet kam nicht dazu, darauf zu antworten, da der Lakai mit einem Billett für Miss Bennet eintrat; es kam von Netherfield, und der Diener wartete auf eine Antwort. Mrs.Bennets Augen blitzten vor Vergnügen, und während ihre Tochter las, rief sie ungeduldig: »Nun, Jane, von wem ist es? Worum geht es? Was schreibt er? Also Jane, beeil dich und sag es uns, mach rasch, mein Schatz.«
»Es ist von Miss Bingley«, sagte Jane und las es vor.
»Meine liebe Freundin!
Wenn Sie nicht Erbarmen haben und heute mit Louisa und mir dinieren wollen, werden wir Gefahr laufen, einander für den Rest unseres Lebens zu hassen, denn ein Tête-à-tête zweier Frauen, das einen ganzen Tag währt, kann niemals ohne Streit enden. Kommen Sie nach Erhalt dieses Billetts, sobald Sie können. Mein Bruder und die anderen Herren speisen heute mit den Offizieren. Herzlichst,
Ihre Caroline Bingley«
»Mit den Offizieren!« rief Lydia. »Ich möchte wissen, warum die Tante mir das nicht erzählt hat.«
»Er speist außer Haus«, sagte Mrs.Bennet, »das ist aber sehr unglücklich.«
»Kann ich die Kutsche haben?« fragte Jane.
»Nein, meine Liebe, du reitest besser hinüber, es scheint, daß es regnen wird, und dann mußt du über Nacht bleiben.«
»Das wäre ein guter Plan«, sagte Elizabeth, »wenn du sicher sein könntest, daß sie Jane nicht anbieten, sie nach Hause zu bringen.«
»Ach, die Herren werden nach Meryton Mr.Bingleys Equipage genommen haben, und die Hursts haben keine eigenen Pferde.«
»Ich würde viel lieber den Wagen nehmen.«
»Aber, meine Liebe, dein Vater kann die Pferde bestimmt nicht entbehren. Sie werden auf dem Gut gebraucht, nicht wahr, Mr.Bennet, so ist es doch?«
»Sie werden viel öfter auf dem Gut gebraucht, als sie mir zur Verfügung stehen.«
»Aber wenn sie dir heute zur Verfügung stehen«, sagte Elizabeth, »dann wäre doch Mamas Absicht erreicht.«
Sie rang ihrem Vater schließlich das Zugeständnis ab, daß die Pferde nicht abkömmlich seien. Jane war deshalb genötigt, nach Netherfield zu reiten, und ihre Mutter begleitete sie mit vielen munteren Prophezeiungen für schlechtes Wetter zur Tür. Ihre Hoffnungen wurden erfüllt; Jane war noch nicht lange fort, als es heftig zu regnen begann. Ihre Schwestern waren ihretwegen beunruhigt, aber die Mutter freute sich. Es regnete ununterbrochen den ganzen Abend, Jane konnte mit Sicherheit nicht zurückkommen.
»Das war wirklich eine glückliche Idee von mir!« sagte Mrs.Bennet mehr als einmal, als wäre es allein ihr Verdienst, daß es tatsächlich regnete. Doch bis zum nächsten Morgen war sie sich des ganzen Segens, den ihr Einfall gebracht hatte, gar nicht bewußt. Das Frühstück war kaum vorbei, als ein Diener von Netherfield das folgende Billett für Elizabeth brachte.
»Meine liebste Lizzy!
Mir geht es heute morgen gar nicht gut, was vermutlich daher kommt, daß ich gestern völlig durchnäßt wurde. Meine gütigen Freunde wollen nichts von meiner Rückkehr nach Hause hören, ehe es mir nicht besser geht. Sie bestehen auch darauf, daß Mr.Jones nach mir sieht. Erschrecke deshalb nicht, wenn Du hören solltest, daß er bei mir gewesen ist, außer einer Halsentzündung und Kopfschmerzen fehlt mir eigentlich nichts.
Deine, usw.«
»Nun, meine Liebe«, sagte Mr.Bennet, nachdem Elizabeth das Billett vorgelesen hatte, »wenn deine Tochter ernstlich krank ist und wenn sie sterben sollte, wäre es doch ein Trost zu wissen, daß dies alles geschah, um Mr.Bingley einzufangen – und auf deine Anweisung.«
»Oh, ich habe keineswegs Angst, daß sie sterben könnte. Man stirbt nicht gleich wegen einer unbedeutenden kleinen Erkältung. Sie wird gut betreut werden. Solange sie dort bleibt, ist alles bestens. Ich würde sie besuchen, wenn ich die Kutsche haben könnte.«
Elizabeth war, da sie sich wirklich Sorgen machte, entschlossen, zu ihr zu gehen, obgleich die Kutsche nicht verfügbar war; und da sie nicht reiten konnte, war zu Fuß gehen die einzige Alternative. Sie teilte den anderen ihren Beschluß mit.
»Wie kannst du nur so töricht sein«, rief ihre Mutter, »und an so etwas denken, bei diesem ganzen Schmutz! Du kannst dich gar nicht sehen lassen, wenn du dort ankommst.«
»Ich werde mich sehr wohl sehen lassen können, um Jane zu besuchen – und das ist alles, was ich will.«
»Ist das ein Wink für mich, Lizzy, nach den Pferden zu schicken?« fragte der Vater.
»Aber nein, ich möchte mich nicht davor drücken, zu Fuß zu gehen. Es ist überhaupt keine Entfernung, wenn man einen wirklichen Grund für den Gang hat – nur drei Meilen. Ich werde zum Dinner zurück sein.«
»Ich bewundere deinen menschenfreundlichen Tatendrang«, bemerkte Mary, »aber jede Gefühlsregung sollte von Vernunft geleitet sein; und meiner Meinung nach sollten besondere Mühen im richtigen Verhältnis zu dem stehen, was erforderlich ist.«
»Wir werden bis Meryton mit dir gehen«, sagten Catherine und Lydia. Elizabeth war mit ihrer Begleitung einverstanden, und die drei jungen Damen machten sich zusammen auf den Weg.
»Wenn wir uns beeilen«, sagte Lydia unterwegs, »sehen wir vielleicht noch Captain Carter, bevor er fortgeht.«
In Meryton trennten sie sich; die beiden jüngsten Schwestern begaben sich zu der Wohnung einer der Offiziersgattinnen, und Elizabeth ging allein weiter, überquerte raschen Schrittes ein Feld nach dem anderen, kletterte über Zauntritte, sprang mit ungeduldiger Behendigkeit über alle Tümpel und befand sich schließlich mit müden Beinen, schmutzigen Strümpfen und einem Gesicht, das von der Bewegung in der frischen Luft glühte, vor dem Haus.
Sie wurde in das Frühstückszimmer geführt, wo alle außer Jane versammelt waren und ihr Erscheinen nur großes Erstaunen hervorrief. – Daß sie so früh am Tage bei solchem Schmutzwetter und ganz allein drei Meilen zu Fuß gegangen sein sollte, war für Mrs.Hurst und Miss Bingley beinahe unglaublich; und Elizabeth war überzeugt, daß man sie dafür verachtete. Sie wurde jedoch sehr höflich von ihnen empfangen; aber im Verhalten ihres Bruders lag etwas Besseres als nur Höflichkeit, nämlich gute Laune und Freundlichkeit. Mr.Darcy sagte sehr wenig und Mr.Hurst gar nichts. Der erstere schwankte zwischen Bewunderung des Glanzes, den der Marsch in der frischen Luft ihrem Teint verliehen hatte, und dem Zweifel darüber, ob der Anlaß es rechtfertigte, daß sie ganz allein von so weit her gekommen war. Der letztere dachte nur an sein Frühstück.
Auf ihre Erkundigungen nach ihrer Schwester bekam sie keine günstige Antwort. Miss Bennet hatte schlecht geschlafen, und obgleich sie aufgestanden war, fieberte sie ziemlich, und es ging ihr nicht gut genug, um das Zimmer verlassen zu können. Elizabeth war froh, daß man sie sogleich zu ihr führte; und Jane – die sich nur aus Furcht, Sorge und Ungelegenheiten zu bereiten, in ihrem Brief einer Äußerung enthalten hatte, wie sehr es sie nach einem solchen Besuch verlangte – war hocherfreut, als Elizabeth eintrat. Sie war jedoch nicht imstande, viel zu sprechen, und als Miss Bingley die beiden allein gelassen hatte, konnte sie kaum mehr als ihre Dankbarkeit über die außerordentliche Freundlichkeit zum Ausdruck bringen, mit der sie behandelt wurde. Elizabeth umsorgte sie schweigend.
Als das Frühstück vorüber war, gesellten sich die Schwestern zu ihnen, und Elizabeth mochte die beiden schließlich selbst, als sie sah, wieviel Zuneigung und Besorgtheit sie Jane entgegenbrachten. Der Apotheker kam, und nachdem er seine Patientin untersucht hatte, erklärte er, wie anzunehmen war, daß sie sich eine starke Erkältung zugezogen habe und man zusehen müsse, daß sie sich davon wieder erhole; und er riet ihr, sich wieder