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Sakura ist ein Mischblut, ein Hybrid aus Dämon und Vampir. Noch während sie um den Verlust einer geliebten Person trauert, trifft sie auf den reinblütigen Vampir Ryu. Aber schnell wird ihr klar, dass er ihr ähnlicher ist, als sie zunächst ahnt. Dank ihm lernt sie sich selbst besser kennen und findet gleichzeitig verstörende Details über ihre wahre Abstammung heraus...
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Seitenzahl: 520
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»Dämonen leben nicht nur in der Unterwelt, sondern auch in unseren Herzen. Doch so hoffe ich, eines Tages jemanden zu finden, der meine Finsternis durchbrechen möge.«
Ein missverstandener Engel
Im Japanischen wird zuerst der Nachname, und dann der Vorname genannt. Personen, die man nicht gut kennt, werden immer mit dem Nachnamen angesprochen.
-chan
Verniedlichungsform (entspricht dem deutschen -chen) Anwendung bei kleinen Kindern, jungen Mädchen und weiblichen Freunden oder Familienmitgliedern
Anhang an den Vornamen, selten auch an den Nachnamen
-kun
Anwendung bei männlichen Jugendlichen, in Unternehmen werden auch weibliche Angestellte damit angesprochen
Anhang an den Vornamen, bei Schülern meistens an den Nachnamen
-san
Geschlechterneutrale Anrede (entspricht dem deutschen Herr/Frau)
Wird verwendet, wenn Personen sich nicht gut kennen oder beruflich zusammenarbeiten
Anhang an den Nachnamen, bei vertrauteren Personen auch an den Vornamen
-sensei
Anrede für Lehrer, Ärzte und sonstige Autoritätspersonen
Anhang an den Nachnamen, kann aber auch alleine stehen
-sama
Sehr höfliche Anrede (vergleichbar mit geehrte/r)
Wird für sehr hoch stehende Persönlichkeiten benutzt, aber auch für Gottheiten bzw. vergötterte Personen
Anhang an den Nachnamen, bei vertrauteren Personen auch an den Vornamen
Aniki
Höfliche Anrede für den älteren Bruder
Aneki
Höfliche Anrede für die ältere Schwester
Nii-san
Anrede für den jüngeren als auch älteren Bruder
Zu Deutsch: Bruder
Nee-san
Anrede für die jüngere als auch ältere Schwester
Zu Deutsch: Schwester
PROLOG
EINS
ZWEI
DREI
VIER
FÜNF
SECHS
SIEBEN
ACHT
NEUN
ZEHN
ELF
ZWÖLF
DREIZEHN
VIERZEHN
FÜNFZEHN
SECHSZEHN
SIEBZEHN
ACHTZEHN
NEUNZEHN
ZWANZIG
EINUNDZWANZIG
ZWEIUNDZWANZIG
DREIUNDZWANZIG
VIERUNDZWANZIG
FÜNFUNDZWANZIG
SECHSUNDZWANZIG
SIEBENUNDZWANZIG
ACHTUNDZWANZIG
NEUNUNDZWANZIG
DREIßIG
EINUNDDREIßIG
ZWEIUNDDREIßIG
DREIUNDDREIßIG
VIERUNDDREIßIG
FÜNFUNDDREIßIG
SECHSUNDDREIßIG
EPILOG
Obwohl die Sonne schon vor wenigen Minuten untergegangen war, schlug Sakura sich durch das dichte Geäst und schüttelte die Kälte ab, die ihr an den Beinen entlangkroch. Der Juni galt schon fast als Hochsommer in Japan, dennoch ging die Sonne früh unter und tauchte die Welt in Finsternis.
Für viele mochte die einkehrende Dunkelheit ein Zeichen sein, sich in die sicheren Mauern ihres Zuhauses zurückzuziehen, nicht so aber für Sakura. Sie liebte die Nacht, die dunkle Atmosphäre und vor allem den Mond. Den wundervollen weißen Mond, der ihrer Rasse das Leben auf der Welt erst ermöglichte. Nur das schwache Licht erhellte ihr den Weg durch das Unterholz. So fand sie ohne große Mühe den Weg zu ihrem Lieblingsplatz. Normalerweise mochte sie keine Wälder, im Herzen war sie schon immer ein Stadtkind gewesen, das die vielen bunten Lichter und die Händler mit ihren vollgeladenen Karren gerne beobachtete. Aber dieser Wald war anders. Er grenzte an ihr Elternhaus und so hatte sie ihre gesamte Kindheit hier verbracht. Niemals wäre ihr in den Sinn gekommen, dass ihr zwischen den alten Bäumen eine Gefahr auflauern könnte.
Aber, so wurde ihr ständig ins Gewissen gerufen, nur weil sie ein Wesen der Nacht war, bedeutete das nicht, dass es nicht auch andere Wesen wie sie gäbe. Sie lebten zwar nahe der kleinen Küstenstadt Watari, besaßen ein solides Haus mit dunklen Mauern und einem hohen Zaun, der ihr Territorium kennzeichnete, doch das hieße nicht, dass sie einen Anspruch auf die gesamte Stadt hätten. Sakura vergaß das gerne, denn sie verbrachte viel Zeit außerhalb der hohen, schützenden Mauern und erkundete die Welt.
Bis zu jenem Tag.
Der Weg durch den Wald war ihr nicht anders vorgekommen als an jedem anderen Tag auch. Die Sikahirsche hatten sich bereits zur Nachtruhe gebettet, die Wildkaninchen mit den viel zu großen Ohren verkrochen sich in ihre Bauten und die Eulen spähten nach potenzieller Beute. Alles wie immer, bis auf dieses beklemmende Gefühl in Sakuras Brust, als sie die kleine Lichtung mit dem flachen Felsen erreichte, auf dem sie sich so gerne hinlegte und die Sterne beobachtete.
Eine unheilvolle Dunkelheit kroch über den trockenen Erdboden, die Sakura die Haare zu Berge stehen ließ. Noch nie hatte sie so etwas gespürt. Noch nie war sie mit so einer düsteren Aura konfrontiert gewesen. Vor Schreck sprang sie auf den Stein, in der Hoffnung, die Schatten würden sie dort nicht erreichen. Zunächst, so schien es, war sie auch gar nicht das Ziel. Die dunkle Materie versammelte sich nicht weit von ihr und wurde immer größer, immer mächtiger, bis ein schwarzes Loch entstand, das alles und jeden mit sich reißen wollte.
Seit dieser Nacht war sie nie wieder in diesen Wald gegangen und seit dieser Nacht ließen sie die Schatten nicht mehr gehen.
Ungern verließ Sakura in dieser Nacht das Haus. Sie zog den Gürtel ihres dunklen Mantels noch ein bisschen enger, damit auch ja niemand diese dämliche, schwarze Schuluniform an ihr sah, die, wie sie fand, für das Ende des neunzehnten Jahrhunderts viel zu figurbetont geschnitten war. Sie war schon fast erwachsen mit ihren achtzehn Jahren, und trotzdem bestand ihre Mutter darauf, dass sie für das letzte Schuljahr noch die Schule wechselte. Ihr flauschiger, gestreifter Schal verdeckte zwar ihr halbes Gesicht, konnte aber nicht ihren Unmut verstecken, den sie in alle Richtungen hin ausstrahlte.
Der Schnee knirschte unter ihren Winterstiefeln, als sie über den Hofplatz ging, wo ihre hauseigene Kutsche schon bereitstand. Die Pferde wirkten nicht gerade begeistert, in der Kälte herumstehen zu müssen, und scharrten mit den Hufen. Kenzo, ihr Chauffeur, begrüßte sie mit einem leichten Lächeln und hielt ihr die Tür zur Kabine auf. Er wollte freundlich wirken, doch sein Lächeln war nicht das eines attraktiven Mannes, sondern eher das eines psychopathischen Serienmörders, der sich gerne an Kindern vergriff.
»Guten Abend, junges Fräulein. Habt Ihr gut geschlafen?«
Sakura beachtete ihn gar nicht weiter, sondern kletterte sofort in die Kabine und ließ sich auf die Sitzbank fallen. Obwohl Kenzo eine Wolldecke über die Bank gelegt hatte, war sie trotzdem mehr als nur unbequem. Aber sie traute sich nicht, ein schlechtes Wort über die Kutsche zu verlieren, denn sie war der ganze Stolz ihres Vaters. Und seit sie einen heftigen Streit mit ihm verloren hatte, behielt sie ihre Meinung lieber für sich.
Als die Kutsche losfuhr und sie die Stadt hinter sich ließen, wurde Sakura immer verzweifelter. Warum, zum Teufel, hatten ihre Eltern sie nur in dieser Landschule angemeldet? Seit ihrer Kindheit hatten sie auf den Privatunterricht bestanden und nun sollte sie plötzlich auf eine richtige Schule gehen? Und anstatt eine zu wählen, die zumindest in der Nähe lag, musste sie in die nächstgelegene Großstadt Osaki, die Metropole der Präfektur Miyagi.
Obwohl sie große Städte mochte, war Osaki nun nicht gerade der Ort, für den ihr Herz schlug. Denn es war nicht nur das Zentrum der Präfektur, sondern auch die Hochburg der Vampire, die sich schon vor Jahrhunderten hier niedergelassen hatten. Und mit Vampiren, da war Sakura sich sicher, wollte sie nun wirklich nichts zu tun haben.
Das Schulgebäude lag außerhalb der Stadt und versteckte sich zwischen zwei Sportplätzen, die von hohen Tannen umgeben waren. Der Vorhof war voll mit Kutschen, die die Kinder und Jugendlichen zum Unterricht brachten und später auch wieder abholen würden. Noch nie zuvor hatte Sakura so viele Kinder auf einem Haufen gesehen. Sie kreischten und rannten blind durch die Gegend, und spielten komische Spiele, die sie nicht verstand. Das mussten die Dorfkinder sein, die keine Erziehung genossen hatten.
Ein Seufzen unterdrückend stieg Sakura aus, ignorierte Kenzo, der ihr eine schöne Nacht wünschte – wie soll diese Nacht denn bitte schön werden? –, und ging auf den Haupteingang zu. Auf dem Treppenabsatz saßen bereits ein paar Kinder und warteten scheinbar auf ihre Freunde. Als sie Sakura erblickten, sprangen sie vor Schreck auf und machten den Weg für sie frei.
»Komm zur Seite!«, zischte ein Mädchen und zog ein anderes panisch an den Rand.
»Sieh dir ihre Haare an!«, flüsterte jemand anderes und deutete mit dem Finger auf sie.
Sakura spürte Wut in sich hochsteigen, zügelte sich aber. Dieses niedere Volk war es nicht wert, von ihr angeschrien zu werden. Es waren Vampire, adliger Abstammung höchstwahrscheinlich, aber eben doch nur Gören und doch nur Vampire, mit denen sie absolut nichts zu tun haben wollte.
Zugegeben, ihre Haare waren merkwürdig, außergewöhnlich, da sie die gleiche Farbe besaßen wie der mystische, violette Abendhimmel. Das war einer der Gründe, warum sie nie in die Stadt fuhr, ohne ihre Haare unter einer Mütze oder Kapuze zu verstecken. Aber heute hatte ihre Mutter darauf bestanden, sie zu zwei Zöpfen zusammenzubinden, weil sie damit ja so süß aussah. Und um einer weiteren unnötigen Diskussion aus dem Weg zu gehen, hatte sie eingewilligt. Manchmal glaubte Sakura, ihre Mutter behandle sie absichtlich wie ein Kind, damit ihr kleines Mädchen bloß nicht erwachsen wurde.
Menschen hielten ihre Haarfarbe für einen Gendefekt, die Vampire jedoch schoben es auf ihre dämonische Abstammung und fürchteten sich eher vor ihr, als sie zu bemitleiden. Das war ihr sowieso lieber, denn so konnte sie, so wie jetzt, überflüssige Gespräche vermeiden und diese schreckliche Nacht einfach hinter sich bringen.
In der Eingangshalle war nicht viel los, es war mitten im Schuljahr und jeder wusste, wo sich die Klassenzimmer befanden. Nur Sakura war neu und so folgte sie den Schildern, auf denen »Sekretariat« stand. Einen halben Irrgarten musste sie bewältigen, bis sie endlich vor dem ersehnten Büro stand. Warum musste Schule nur so anstrengend sein?
»Entschuldigen Sie«, sagte jemand, als sie gerade an die Tür klopfen wollte. Sofort wandte Sakura den Kopf. Sie hatte niemanden kommen hören. Daran merkte sie, wie sehr dieser Ort an ihren Nerven zehrte. »Sie müssen Himura-san sein.«
Ein Mann mittleren Alters stand vor ihr, offensichtlich ein junger Vampir, denn er zuckte unter ihrem kalten Blick zusammen und versuchte krampfhaft, nicht auf ihre Haare zu starren.
»Das bin ich«, antwortete sie ohne jegliche Emotion in der Stimme. Das schien ihn nur noch mehr zu verunsichern.
»Freut mich, Sie kennenzulernen.« Eindeutig eine Lüge, auf die sie aber nicht weiter eingehen wollte. »Ich wurde gebeten, Ihnen Ihr Klassenzimmer zu zeigen. Für die versprochene Führung habe ich nachher leider keine Zeit.« Von einer Führung hörte sie zum ersten Mal. »Ich werde einen Ihrer Mitschüler bitten, Ihnen die Räumlichkeiten zu zeigen. Wenn Sie mir jetzt bitte folgen würden.«
Sie folgte ihm in den zweiten Stock, am Ende des Ganges befand sich ihr Klassenraum. Der Mann wirkte ein bisschen nervös, so dass er die Schiebetür viel zu schwungvoll aufschob.
»Passen Sie doch auf!«, rief eine Frauenstimme.
»Entschuldige, Yuuka-san«, murmelte er verlegen.
Während die Lehrer sich unterhielten, lugte Sakura vorsichtig in das Zimmer. Etwa zwanzig Augenpaare starrten sie neugierig an und sofort wäre sie am liebsten im Boden versunken. Sie hatte noch nie gerne im Mittelpunkt gestanden. Es irritierte sie jedoch ein bisschen, dass es sich scheinbar um eine gemischte Klasse handelte. Normalerweise wurden Jungen- und Mädchenschulen strikt getrennt oder sie wurden zumindest in getrennten Klassen unterrichtet, aber hier galt diese Regel wohl nicht. Lag wahrscheinlich daran, dass ihre Mitschüler größtenteils aus Vampiren und zum kleinen Teil auch aus Werwölfen bestanden. Super. Besser hätte sie es sich gar nicht vorstellen können.
Auf den ersten Blick sahen sie zwar alle relativ menschlich aus, aber der Geruch trog sie nie. Außerdem strahlten die Blutsauger eine unangenehme Kälte aus, die sie schon als Kind nicht hatte ausstehen können.
»Ich bin Miyazaki Yuuka, freut mich sehr, deine Bekanntschaft zu machen«, redete ihre Lehrerin plötzlich auf sie ein. Sakura war gar nicht aufgefallen, dass sie nun im Klassenraum stand. Sie war eindeutig zu abgelenkt!
»Ich heiße Himura Sakura«, stellte sie sich vor und wagte eine leichte Verbeugung, weil es die Gepflogenheiten so verlangten. Durch den Vampirgeruch wurde ihr jetzt schon schlecht, ein Kloß sammelte sich in ihrer Kehle, den sie aber unauffällig, wie sie hoffte, wieder herunterschluckte.
»Natürlich«, entgegnete ihre Lehrerin. »Es kommt recht häufig vor, dass jemand mitten im Schuljahr zu uns wechselt, also nimm dir alle Zeit, die du brauchst.« Sakura deutete nur ein knappes Nicken an. »Du kannst deinen Mantel hinter dir an die Garderobe hängen. Ist noch etwas?« Die Frage war an den Mann gerichtet, der immer noch in der Tür stand.
Die Gunst der Stunde nutzend, dass die Aufmerksamkeit nicht mehr auf ihr lag, drehte Sakura sich um und ging in die Ecke, in der die Schüler ihre Jacken aufhängen konnten. Dort hingen gar nicht so viele, wie sie erwartet hatte, schließlich war es Mitte Dezember. Aber Vampire froren ja bekanntlich nicht, da sie kalte Wesen waren, und Werwölfe waren sowieso komische Geschöpfe, mit denen sie nie viele Berührungspunkte gehabt hatte. Bis heute.
»Ich bräuchte noch jemanden, der Himura-san nachher in der Schule herumführt«, hörte sie den Mann sagen, während sie sich gerade von ihrem Schal befreite. Nun fühlte sie sich schutzlos ausgeliefert.
»Sensei, ich mach das!«, meldete sich sofort ein Mädchen aus der letzten Reihe.
Bitte nicht, flehte Sakura innerlich. So viel Motiviertheit ertrug ihre kranke Seele nicht.
»Vielen Dank, Raven«, summte Miyazaki-sensei und scheuchte ihren Kollegen aus dem Zimmer. Anscheinend ging es ihr auf die Nerven, wenn jemand ihren Unterricht störte.
Nachdem Sakura ihren Mantel aufgehängt hatte, wagte sie es, einen Blick auf das Mädchen zu riskieren, mit dem sie wohl nachher die Pause verbringen würde. Doch so weit sollte sie gar nicht kommen, denn zwei stechend grüne Augen, die sie an ihre eigenen erinnerten, fingen ihren Blick sofort auf und hielten ihn fest. Dämonenaugen, schoss es ihr durch den Kopf. Aber das konnte nicht sein. Außer ihr gab es hier keine Dämonen, das hätte sie sonst längst gespürt. Obwohl… so sicher konnte sie sich da eigentlich nicht sein, denn sie war ja kaum mehr als ein Schatten ihrer selbst. Außerdem saß er – der Junge mit hellblonden, verspielten Locken und den magischen Augen – zwischen Vampiren. Und kein Dämon saß freiwillig so nah bei diesen Blutsaugern.
Ihre Lehrerin wies ihr einen Platz vor den Werwölfen zu. Zum Glück, so konnte sie sich nämlich diesem stechenden Blick entziehen, der sie durch den ganzen Raum verfolgte. Aber was konnte dieser Junge schon von ihr wollen? Wahrscheinlich war er nur an ihr interessiert, weil sie eine Yokai war, eine Dämonin, die den japanischen Mythen entsprang, oder es lag an ihren Haaren. Ganz sicher lag es an ihren Haaren.
Mehr oder weniger sanft ließ sie sich auf den harten Holzstuhl sinken und hoffte, diese grauenvolle Nacht würde schnell vorbeigehen. Die erste Stunde hatten sie japanische Geschichte, doch das interessierte Sakura nicht. Weder der glorreiche Aufstieg von Oda Nobunaga noch der Fall der alten Hauptstadt war von Interesse für sie. Die Lehrerin rief sie nicht auf und auch sonst niemand sprach sie an, nur dieses leise, aber penetrante Getuschel regte sie zusehends auf. Es hatte angefangen, als sie ihren Nachnamen genannt hatte.
Es wunderte sie nicht, dass die Kinder der Adligen ihren Namen kannten, schließlich verkehrte ihr Vater, obwohl er ein Yokai war, schon sehr lange mit dieser abscheulichen Rasse. Das war sicher eine Arbeit, auf die er nicht stolz war. Doch Sakura hatte er immer aus seinen Geschäften herausgehalten, nur ein paar Mal hatte sie mit Vampiren interagiert und das auch nur, um ihre Techniken im Nahkampf zu verbessern.
Als die Stunde vorbei war, verließ Miyazaki-sensei zügig das Klassenzimmer. Auch die anderen stürmten nach draußen, nur eine ihrer Mitschülerinnen blieb zurück und gesellte sich zu ihr.
»Hallo, ich heiße Raven. Wenn du möchtest, zeige ich dir jetzt die Schule«, bot das Mädchen mit einem leichten Akzent an. Dem Namen und dem Aussehen nach zu urteilen, war sie Europäerin, vielleicht Britin? Das war nicht ungewöhnlich unter Vampiren, da sie Generationen überlebten und so häufig ihren Standort wechselten.
»Von mir aus«, sagte Sakura nur, packte ihre Sachen zusammen und stand auf.
»Du kannst deine Sachen ruhig hierlassen, wir kommen ja gleich –«
»Ich lasse meine Sachen nicht hier liegen«, unterbrach Sakura sie barsch. Raven wirkte ein bisschen verletzt, ging aber nicht weiter darauf ein. Sakura hing sich wortlos ihre Tasche über die Schulter und folgte ihr.
Sie zeigte Sakura zunächst die Umkleiden und die Aufenthaltsräume für die Schüler dieser Einrichtung. An der luxuriösen Ausstattung merkte sie, dass diese Schule eindeutig von den Adligen finanziert wurde, vielleicht sogar von den Reinblütern, die allesamt sehr viel Geld besaßen. Da Vampire eine sehr langlebige Spezies waren, häuften sie dementsprechend viel Vermögen an. Trotzdem wunderte Sakura sich, warum sie ihre Kinder nicht einfach zuhause unterrichteten.
So, wie sie auch lieber beim Privatunterricht geblieben wäre.
Während sie Ravens Geschwafel über sich ergehen ließ, beäugte sie das stilvolle Ambiente kritisch. Die Wände und Decken waren mit dunklem Holz verkleidet, auf dem Fußboden lagen dunkle Teppiche, die jeden Schritt verschluckten und so für eine ruhige Atmosphäre sorgten. An den Wänden hingen Kerzen in schwarzen, geschnörkelten Haltern, die die Gänge in ein angenehmes Licht betteten.
Raven erzählte ihr viel, doch Sakura konnte sich nicht auf ihre Worte konzentrieren. Sie versuchte krampfhaft, die anderen Schüler zu ignorieren, die sie neugierig anstarrten und über sie zu reden schienen. Doch das war nicht das Ausschlaggebende, was sie so nervös machte. Sie hatte Angst, dass sie hier auftauchen könnten. Diejenigen, die ihr alles genommen hatten.
Sie war sich selbst nicht ganz sicher, wer sie überhaupt waren. Sie tauchten in schwachen Momenten auf, wenn sie schlief oder mit ihren Gedanken abgelenkt war. Dann krochen sie aus ihren Löchern, huschten über den Boden und kicherten bösartig. Es waren Schatten, anders konnte Sakura es nicht beschreiben. Sie hatten weder eine feste Form, noch konnten sie richtig sprechen, es waren einfach nur dunkle Wesen, die ihren Verstand übernehmen wollten.
*
Nachdem es zur nächsten Stunde geklingelt und Raven eingesehen hatte, dass es keinen Sinn machte, mit ihr zu sprechen, ließ sie Sakura endlich alleine. Den Rest des Tages verbrachte sie allein und es war ihr recht so. Als Miyazaki-sensei den Unterricht für beendet erklärte, verließen alle hastig das Schulgebäude. Auch Sakura wollte nur schnell raus hier und so kam es, dass sie auf ihren Weg hinaus in den Flur von einem Mitschüler angerempelt wurde.
Sie unterdrückte einen Fluch und drängelte sich an ihm vorbei, ohne auf eine Entschuldigung zu warten – falls denn überhaupt eine gekommen wäre. Eilig stieg sie die Treppenstufen hinab, doch kaum war sie unten angekommen, stellte sich ihr jemand in den Weg. Als sie den Kopf hob, erstarrte sie. Dieser Junge … Sie war sich absolut sicher, dass er erst nach ihr das Klassenzimmer verlassen hatte! Wie konnte er denn jetzt wie selbstverständlich vor ihr stehen?
Grüne Augen mit schlitzförmigen Pupillen musterten sie, als sie zu ihm aufschaute. Er war etwa einen Kopf größer als sie, was aber keine Kunst war in Anbetracht ihrer kleinen, zierlichen Statur. In seinem Blick konnte sie keinerlei Emotionen erkennen. Eine Fähigkeit, die vor allem alte Vampire beherrschten, hatte sie sich sagen lassen, aber dieser hier hatte diese Disziplin bereits gemeistert. Es war ihr kaum möglich, sich von diesen Augen loszureißen, erst als sie erneut angerempelt wurde – was war nur falsch mit diesen elendigen Blutsaugern! –, wurde sie aus seinem Bann entlassen. Wütend schaute sie dem Vampir hinterher, der sie aber anscheinend gar nicht bemerkt hatte.
Die Lippen des Jungen verzogen sich zu einem Grinsen, welches irgendwo zwischen Gehässigkeit und Belustigung lag.
»Was ist?«, zischte sie und war selbst überrascht von ihrer Wut, die sie sonst nie in der Öffentlichkeit an die Oberfläche ließ.
Das Grinsen auf seinem Gesicht wurde breiter und spiegelte seine ganze Arroganz wider. Dämliche Blutsauger. »Ich wollte dir nur das hier zurückgeben.« Er zückte ihr geheiligtes Notizbuch, das sie niemals – unter gar keinen Umständen – aus den Augen ließ. Es musste ihr aus der Tasche gefallen sein, als sie vorhin angerempelt worden war.
Schnell nahm sie es entgegen, steckte es zurück in ihre Tasche und überprüfte den Verschluss doppelt, damit er nicht wieder aufging.
»Ich habe nicht hineingeschaut, falls du dir deswegen –«
»Danke«, unterbrach sie ihn und zwang sich, ihm nicht ins Gesicht zu sehen. Sie durfte sich nicht schon wieder in diesen Augen verlieren, sonst würde er sie sicher nie wieder loslassen. Vampiren durfte man nicht trauen. Niemals!
Mit hochrotem Kopf, so fürchtete sie, stürmte Sakura an ihm vorbei, hinaus in die verschneite Winternacht. Mit Männern hatte sie nie ein Problem gehabt, aber dieser ... ging ihr irgendwie unter die Haut. Auf eine sehr unangenehme Art und Weise.
Als sie ihre Kutsche erreichte, schien Kenzo sichtlich überrascht zu sein von ihrer gehetzten Erscheinung, sagte aber nichts dazu. Die Fahrt verlief schweigend. Erst als sie vom Hauptweg abbogen, durchbrach Sakura die Stille.
»Wohin fahren wir?«, fragte sie leise, doch eigentlich kannte sie die Antwort schon.
»Hat Eure werte Mutter es Euch nicht erzählt? Sie hat für Euch einen Termin bei Saeki-san vereinbart.«
Saeki-san war eine Hexe, die eine gut laufende Arztpraxis führte, in der nicht nur Menschen, sondern auch andere Rassen behandelt wurden. Ihre Spezialität lag allerdings eher im geistigen Sinne, das bedeutete, sie war die Psychiaterin für die Wesen, die eigentlich erst die Albträume auslösten. Sakuras Mutter war der festen Überzeugung, ein paar dämliche Therapiestunden würden alles wieder gutmachen. Aufgrund ihres Traumas sei es notwendig, sich in Behandlung zu begeben. So ein Blödsinn! Als ob irgendetwas dadurch besser werden würde!
Als wäre diese Nacht nicht schon schlimm genug gewesen, musste sie nun auch noch eine Stunde in diesem kleinen, stickigen Raum verbringen und unnötige Fragen und Ratschläge über sich ergehen lassen. Bis jetzt hatte sie noch kein Wort mit dieser Frau geredet, die alle nur »Saeki-san« nannten. Besaß diese Frau überhaupt einen Nachnamen? Und warum wurde sie nicht mit Sensei angesprochen? Schließlich war sie doch Ärztin. Vielleicht wollte sie so schneller das Vertrauen ihrer Patienten erlangen. Doch bei Sakura funktionierte das nicht!
*
»Schön, dass du es heute einrichten konntest«, begrüßte sie Sakura, die sich aber nur gelangweilt auf die Couch fallen ließ, nachdem sie in der Praxis angekommen war. Ihre Krawatte zog schwer an ihrer Kehle. Warum hatte sie sich nicht einmal umziehen dürfen? Sie hasste diese Uniform.
»Wie ist es dir heute ergangen an deinem ersten Schultag?«
Sakura schwieg.
»Ich habe gehört, du bist mit einigen Vampiren in einer Klasse. Kommst du gut mit ihnen zurecht?«
Wieder schwieg sie.
»Weißt du, es ist nicht immer leicht, in ein neues Umfeld geworfen zu werden.« Und es ging wieder los. »Aber du solltest die Gelegenheit nutzen und ein paar Bekanntschaften schließen.«
Bekanntschaften? Wozu sollte das jetzt noch gut sein? Sie brauchte niemanden, denn es gab niemanden mehr, der sie wirklich verstand. Und mit Vampiren wollte sie sowieso nichts zu tun haben.
Unerwartet klopfte es an der Tür.
Noch nie hatte jemand eine ihrer Sitzungen gestört. Saeki achtete akribisch darauf, die Termine exakt abzupassen, damit sie sich nicht überschnitten. Nicht einmal ihre Angestellten trauten sich, sie zu unterbrechen.
Die Ärztin stand auf und öffnete die Tür einen Spalt weit. Sakura konnte nicht sehen, wer hinter der Schwelle stand, nur Saekis verwundertes Gesicht verriet ihr, dass der Besucher nicht angekündigt war.
»Ich bin gerade mitten in einer Sitzung, könntest du bitte noch einen Augenblick vorne Platz nehmen?«, fragte sie mit bebender Stimme.
»Oh, verzeihen Sie«, hörte sie die entschuldigende Antwort, die jedoch etwas Spöttisches an sich hatte. Sie kannte diese Stimme.
Gespannt hielt Sakura den Atem an, als Saeki einen Schritt zur Seite trat und sie ihn nun endlich sehen konnte. Vom Wind verwehte hellblonde Locken kamen zum Vorschein, die sein feines Gesicht umrahmten und in alle Richtungen abstanden. Er trug einen dunkelblauen Mantel, der halb offen stand, und sie so erkennen konnte, dass auch er seine Schuluniform noch trug. Nur sah er darin sehr viel besser aus, als sie es jemals tun könnte.
Erst nachdem sie ihn gemustert hatte, schienen seine Augen sie wieder in seinen Bann zu ziehen, als hätte er nur darauf gewartet, dass sie ihm endlich Beachtung schenkte. Sie brauchte ein paar Sekunden, um zu realisieren, in welcher Situation sie sich gerade befand. Der Junge – der Vampir mit den grünen Dämonenaugen war hier und fixierte sie, als sei sie seine Beute. War er ihr gefolgt? Hatte er absichtlich ihr Notizbuch genommen, um ihre Witterung aufzunehmen?
Panik ergriff sie und die Schatten nutzten den Moment, um aus ihren Löchern zu kriechen. Panisch stand sie auf, als ihr die Brust eng wurde. Ihre Sicht wurde undeutlich, Schweiß perlte von ihrer Stirn und ihr Herz hämmerte gegen ihren Brustkorb. Rasch wägte sie ihre Fluchtmöglichkeiten ab. Die Tür war versperrt, also blieb ihr nur das Fenster. Einen Sprung aus dem ersten Stock würde sie locker schaffen. Sie wollte losrennen, blind vor Angst, doch jemand packte sie von hinten und nahm sie in den Schwitzkasten. Mit Händen und Füßen wehrte sie sich, doch Saeki war stärker. Warum war sie so stark? Sie war doch nur eine dumme Hexe!
»Geh raus, Ryu-kun!«, rief sie über Sakuras Schreie hinweg.
»Lass mich los!«, kreischte Sakura voller Verzweiflung, doch die Ärztin lockerte ihren Griff nicht. Sakura wollte noch etwas sagen, aber ihre Stimme versagte. Eigentlich versagte alles an ihr.
Sie spürte ein Brennen in ihrem Nacken, als die Hexe ihr eine Spritze unter die Haut stieß. Ihre Sicht verschwamm, ihre Glieder wurden schlapp. Ein Gefühl der Schwerelosigkeit stellte sich ein, ein Gefühl, das sie nur allzu gut kannte.
»Nein …«, stieß sie mit letzter Kraft hervor, dann gaben ihre Knie nach und sie wurde von zwei Armen aufgefangen. »Sie werden mich holen …«
»Schsch. Alles ist gut. Schlaf jetzt.«
Die wohlige Dunkelheit holte sie zu sich, in der es nichts gab. Nichts, außer Schwärze. Sie gab sich diesem Ort hin, denn das waren die kurzen, seligen Momente, in denen die Schatten sie nicht erreichen konnten. Aber als sie blinzelte, war sie plötzlich nicht mehr alleine. Eine Präsenz, die sie bis jetzt nur am Rande wahrgenommen hatte, umwarb nun ihr ganzes Sein. Sie war kalt, furchteinflößend, mörderisch, dennoch hatte sie keine Angst. Keine Furcht, er könnte ihr etwas antun.
Als sie erneut blinzelte, war die Aura fort, dafür starrten sie nun zwei wunderschöne grüne Augen an, die direkt in ihre Seele zu blicken schienen.
Ryu, dachte sie. Der Name gefällt mir.
Kurz vor Sonnenaufgang erreichten sie das Anwesen der Himuras. Obwohl Sakura die Hälfte der Fahrt verschlafen hatte, war sie unglaublich müde. Dennoch verschwand sie so schnell hinter den sicheren Mauern ihres Hauses, dass Kenzo gar keine Chance hatte, ihr die Tür aufzuhalten. Der Tag war zu viel für sie gewesen. Sie wollte nur noch ins Bett, sich unter der kuschelig weichen Decke verstecken und nie wieder aufstehen.
Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, seit sie sich ins Bett geflüchtet hatte. Nur das Ticken der Uhr im Flur verriet ihr, dass die Zeit überhaupt noch lief. Wie viele Stunden hatte sie seit jenem Tag schon so verbracht? Viel zu viele. Doch die Erinnerung – die Tagträume – waren alles, was ihr geblieben war.
Plötzlich berührte sie eine Hand an der Schulter, sie hatte aber keine Fußschritte gehört. Sakura zuckte zusammen und kauerte sich noch mehr unter ihre Decke. »Liebling«, flüsterte eine sanfte Frauenstimme. »Ich wusste nicht, ob du schläfst, deswegen wollte ich leise sein.«
Sakura verharrte weiter unter der Decke. Die Ich-Schlafe-Tief-Und-Fest-Karte hatte sie offensichtlich schon verspielt, also ignorierte sie ihre Mutter einfach. Es war schließlich ihre Idee gewesen, sie zur Schule zu schicken. Es war ihre Schuld, dass die Schatten sie wiedergefunden hatten. Hätte sie das Haus nur niemals verlassen!
»Du weißt, dass ich immer nur das Beste für dich wollte«, setzte ihre Mutter neu an. »Für euch beide«, ergänzte sie. »Wenn ich etwas tun kann, dann –«
»Lass es, Mutter«, murmelte Sakura, immer noch unter der Decke begraben. Ihre Mutter schwieg eine Weile, versuchte wohl, die Situation zu analysieren, schlussendlich stand sie aber doch auf.
»Ich möchte trotzdem, dass du weiter zur Schule gehst. Es ist ja nur einmal in der Woche. Die Abwechslung wird dir guttun.« Der Unterricht war für die hohen Klassen nur einmal in der Woche angesetzt, weil unter den Adeligen viel wert auf Eigenstudium gelegt wurde. Allerdings hatte Sakura überhaupt keine Motivation zum Lernen, da doch alles sinnlos geworden war.
Mit diesen Worten wollte ihre Mutter das Zimmer verlassen, doch Sakura entschied sich nun doch, dagegen anzureden. Mit einem Ruck setzte sie sich auf, so dass die Decke fast vom Bett flog.
»Dadurch wird auch nicht alles wieder gut!«, rief sie verzweifelt. Warum wollte ihre Mutter das bloß nicht einsehen? »Du verstehst überhaupt nichts!«
Sofort war ihre Mutter wieder an ihrer Seite. Sie hatte sich auf die Bettkante gesetzt und wollte ihre Tochter in den Arm nehmen, doch Sakura wehrte sich dagegen.
»Fass mich nicht an!«, schrie sie ihre Mutter an. Ihr Blick wurde schwammig und sie merkte, wie eine Träne ihre Wange herunterlief. »Niemand … darf mich anfassen«, schluchzte sie mehr zu sich selbst. Jede Berührung löste zu viele Erinnerungen in ihr aus.
Gerade als ihre Mutter etwas erwidern wollte, klopfte es an der Tür. Gleich darauf öffnete sie sich auch schon. Es war ihr Dienstmädchen, der man offensichtlich noch ein paar Manieren beibringen musste.
»Kiyomi-sama, entschuldigt die Störung. Aber Euer Mann wünscht, Euch dringlichst zu sprechen«, fing sie unaufgefordert an, zu sprechen.
Mit einem leisen Seufzen stand ihre Mutter auf und wies dem unhöflichen Dienstmädchen an, zu gehen. Kurz bevor sie den Raum verließ, blickte sie noch einmal zurück auf ihre Tochter. Doch Sakura erwiderte ihren Blick nicht. Sie saß zusammengesackt auf dem Bett und starrte ins Leere. Ohne ein weiteres Wort verließ ihre Mutter das Zimmer.
Sakura konnte hören, wie sie im Flur mit dem Mädchen sprach. »Ruf noch einmal die Ärztin her. Wahrscheinlich müssen wir ihre Medikamentendosis noch weiter erhöhen«, hörte sie ihre Mutter flüstern. Trotzdem konnte Sakura sie klar und deutlich verstehen.
Wieder neue Medikamente. Sie hatte aufgehört, zu zählen, wie viele Kräuter sie bisher schon nehmen musste. Sie benebelten ihre Sinne, machten sie müde und träge. Doch den Schmerz und die Angst konnten sie ihr nicht nehmen. Aber was konnte man von Hexen schon erwarten? Sie wollten nur ihre überteuerten Kräutermixturen loswerden, die eigentlich für Menschen gedacht waren.
Sakuras Rasse war noch weitgehend unerforscht geblieben, deswegen hatten die Hexen wohl noch keine richtigen Medikamente entwickeln können. Sakura wunderte sich, warum ihre Eltern sich überhaupt auf sie einließen. Hexen waren nicht gerade dafür bekannt, den Geschöpfen der Finsternis friedlich gesonnen zu sein. Wahrscheinlich nutzten sie die Gelegenheit, um etwas über ihre Schwächen zu erfahren.
Sie verkroch sich wieder unter der Bettdecke. Obwohl es nicht ihr eigenes Bett war, schlief sie mittlerweile jeden Tag hier. Der Duft hing immer noch in der Decke, in den Kissen, im ganzen Zimmer. Sein Duft. Ob er jemals verfliegen würde? Sie hoffte nicht.
Sie hatte nie mit jemanden darüber gesprochen, was damals geschehen war. Inzwischen musste es schon fast ein halbes Jahr her sein. Seitdem war sie allein. Seitdem konnte sie nicht mehr klar denken. Die Bekannten und Freunde ihrer Familie erzählten sich, sie hätte den Verstand verloren. Anfangs hatte sie noch widersprochen und sie vom Gegenteil überzeugen wollen, nach einiger Zeit hatte sie es aber aufgegeben. Eingestehen wollte Sakura es sich zwar nicht, aber insgeheim wusste sie, dass sie recht hatten.
Seit jenem Tag hatte sie aufgehört, sich mit ihren Freunden zu treffen. Ob es überhaupt jemals richtige Freunde gewesen waren? Da war sie sich nicht mehr so sicher. Sie waren nicht einmal zu Besuch gekommen oder hatten sich nach ihrem Zustand erkundigt. Sie schien also nicht so wichtig für ihre Freunde zu sein.
Außerdem hatte sie aufgehört, Violine zu spielen. Sie hatte jeglichen Lebensmut verloren. Und als sie dachte, es könnte nicht mehr schlimmer werden, kamen die Schatten. Immer, wenn sie das Anwesen verließ, manchmal sogar schon, wenn sie nur das Zimmer verließ, kamen sie aus den Ecken gekrochen. Sie lauerten in der Dunkelheit und verspotten sie. Einmal machte sie den Fehler, ihrer Mutter davon zu erzählen. Danach hatte sie sie sofort zu sämtlichen Hexen der Stadt geschleppt. Sie sollten ihre Dämonen austreiben. Schon ironisch, da Sakura doch selbst einer war. Ein Dämon. Ihre dämonischen Kräfte waren jedoch sehr schwach ausgeprägt.
Wahrscheinlich lag es daran, dass ihre Familie auf der Erde lebte. Zusammen mit den Menschen, den Hexen und den Vampiren. Letztere waren eigentlich das größte Problem für ihre Rasse. Da sie sich ein Jagdgebiet teilten, kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen. Deswegen hielt sich Sakura allgemein von Vampiren fern. Bis heute zumindest. Anscheinend musste sie ja nun ihre Schulzeit mit diesen Blutsaugern verbringen.
*
Die Woche verging viel zu schnell. Sakura war es nicht mehr gewöhnt, regelmäßige Termine zu haben. Vor den meisten Pflichten hatte sie sich immer gedrückt, schon als Kind. Aber auf die Schule bestanden ihre Eltern. Sogar ihr Vater war dafür. Was eigentlich untypisch für ihn war, da er sich sonst nie in die Erziehungsmaßnahmen ihrer Mutter einmischte.
Von jetzt an hasste Sakura Freitage. Sie musste früh aufstehen und so tun, als gefiele ihr das auch noch, damit ihr Vater sie nicht wieder anschrie. Aber warum nur schickten die Adligen ihre Kinder auf so eine Schule? Schließlich waren die Eltern dieser Gören reich genug, um sie privat unterrichten zu lassen. Kein Grund also, sie auf eine Landschule zu schicken.
Todmüde stieg sie in die Kutsche, in den letzten Tagen hatte sie nicht eine Minute geschlafen, trotz neuer Medikamente. Doch die halfen noch weniger als die alten, sie bereiteten ihr nur Kopfschmerzen, aber das behielt sie lieber für sich. Sie wollte nicht riskieren, eine noch höhere Dosis verschrieben zu bekommen, denn dann würden sie sie sicher bald komplett in dieses Irrenhaus einweisen lassen.
In dieser Nacht nahm Sakura den Seiteneingang ins Schulgebäude. Sie hatte die Kapuze von ihrem Wintermantel so tief ins Gesicht gezogen, dass sie von niemanden erkannt werden konnte. Sie wollte nicht schon wieder neugierige Blicke wegen ihrer Haarfarbe auf sich ziehen. Ja, ihre Haare waren ungewöhnlich. Sie schimmerten in einem mystischen Violett wie die Blüten von Lavendel oder einer Mohnblume und reichten ihr bis zu den Knien, obwohl sie sie zu zwei Zöpfen zusammengebunden hatte. Auch heute hatte sich ihre Mutter nicht dazu überreden lassen, sie einfach offenzulassen.
Dieses Mal war Sakura nicht die Letzte, die den Klassenraum betrat. Einige ihrer Mitschüler standen noch in kleinen Gruppen zusammen. Unter den Werwölfen herrschte ein lautstarkes Gespräch über … Haarpflegeprodukte? Komische Wesen.
Sie fragte sich, warum hier überhaupt Wölfe zugelassen waren, wo diese Schule doch von Vampiren betrieben wurde. Sakuras Eltern arbeiteten mit den Blutsaugern eng zusammen, vermutlich wurde sie nur deswegen geduldet. Entweder waren die Werwölfe ebenfalls in Geschäfte mit den Vampiren verwickelt oder sie hatten genug Geld, um sich diese Ausbildung leisten zu können. Wahrscheinlich Letzteres, wo Werwölfe und Vampire eigentlich nicht sonderlich gut aufeinander zu sprechen waren. Die meisten Rassen waren sehr zerstritten.
Sakura setzte sich auf ihren Platz und hoffte, dass der Unterricht bald beginnen würde. Als Miyazaki-sensei den Raum betrat, bat sie die Schüler, sich hinzusetzen. Als Sakura aufblickte, sah sie, wer zeitgleich mit ihr den Raum betreten hatte.
Ryu.
Augenblicklich beschleunigte sich ihr Puls und sie hoffte inständig, dass er das nicht mitbekam. Vor ihm wollte sie keine Schwäche zeigen, schließlich war er ein Vampir.
Sakura merkte erst, dass sie ihn überdurchschnittlich lange anstarrte, als Ryu sie überlegen angrinste. Sie hasste diesen selbstgefälligen Ausdruck jetzt schon. Doch im Gegensatz zum letzten Mal wirkten seine Augen dieses Mal trauriger. Verletzlicher. Vielleicht sogar … schuldig? Nach einem kurzen Moment wandte er den Blick von ihr ab und setzte sich auf seinen Platz in der letzten Reihe neben dieses nervige Mädchen namens Raven. Warum hatte sie sich den Namen überhaupt gemerkt?
Die Unterrichtsstunde verlief schleppend. Sakura beteiligte sich auch heute nicht am Unterricht und hoffte nur, dass dieses Elend schnell vorbei war. Manchmal bildete sie sich ein, ein stechender Blick würde auf ihr ruhen, doch sie widerstand dem Drang, sich umzudrehen. Diesem Jungen wollte sie keine Gelegenheit geben, ihren Geist noch einmal zu schwächen. Er war schließlich schuld an ihrem letzten Zusammenbruch!
Als die Stunde fast vorbei war, wechselte Miyazakisensei abrupt das Thema. »Oh, wo ist denn nur die Zeit geblieben? Ich wollte euch doch noch eure Partner für das Projekt zuweisen.« Was für ein Projekt? Hatte sie Partner gesagt? Nein, nein, nein, ich werde ganz bestimmt nicht mit einer dieser Kreaturen zusammenarbeiten!
»Sakura-san.« Als sie ihren Namen hörte, zuckte sie zusammen. »Weil du erst letzte Woche zu uns gestoßen bist, darfst du dir deinen Partner aussuchen. Vielleicht hast du dich ja schon mit jemanden angefreundet?«, verkündete ihre Lehrerin fröhlich. Sollte Sakura das nun freuen?
»Ich … ehm …«, stotterte sie mit trockenem Hals. Freundschaft geschlossen? Mit wem denn? Da fiel ihr Raven ein. Vielleicht würde sie ja bei Schularbeiten weniger reden. Sie wandte sich zu ihr um, da sie schräg hinter ihr saß. Doch sie hatte vergessen, wer den Platz neben ihr einnahm. Augenblicklich verließ sie der Mut, Raven zu fragen. Diese grünen Augen schienen sie zu durchbohren. Es war also doch keine Einbildung gewesen.
Als Sakura nichts sagte, fing ihre Lehrerin an, weiter zu reden: »Hm, also wenn du dich nicht entscheiden kannst, wähle ich einen Partner für dich aus.«
»Ich werde mit ihr zusammenarbeiten, Miyazaki-sensei.« Sakura hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Dieser Junge! Was wollte er bloß von ihr? Jeder andere in diesem Raum wäre ihr lieber gewesen. Hätte sie doch nur den Mut gefasst und Raven gefragt! Nun war es zu spät, denn Miyazaki-sensei verkündete schon die Namen der anderen Gruppen, die zusammenarbeiten sollten.
»Ihr dürft euch euer Thema selbst aussuchen, nehmt aber bitte eine historisch bedeutende Person. Ihr habt bis Januar Zeit für eure Ausarbeitung. Ich wünsche euch ein frohes neues Jahr!« Mit diesen Worten verließ sie die aufgeregt durcheinanderredende Klasse. Nur Sakura saß stillschweigend und von Verzweiflung geplagt auf ihrem Platz.
Wie immer verließ ihre Klassenlehrerin schnell den Klassenraum, sobald sie die Stunde für beendet erklärt hatte. Sakura hätte es ihr am liebsten gleichgetan, doch als sie aufstehen wollte, stand schon Ryu vor ihr. Er kam offensichtlich auch aus einem anderen Land wie Raven oder hatte zumindest ausländische Vorfahren. Das war für adlige Vampirfamilien nicht ungewöhnlich, aber solche hellblonden Haare waren trotzdem sehr selten in Japan.
Sakura verharrte auf ihrem Stuhl und sah zu Boden, in der Hoffnung, er würde einfach wieder weggehen. Natürlich ging er nicht weg. Stattdessen nahm er sich den Stuhl von ihrer Sitznachbarin und setzte sich neben sie. Mit merkwürdig großem Abstand, wie sie fand. Als er nichts sagte, wurde sie langsam unruhig. Was wollte der Kerl nur? Aus den Augenwinkeln schielte sie, wie sie hoffte, unauffällig zu ihm herüber, doch er fing ihren Blick sofort auf. Dieses Mal schaffte sie es nicht, sich ihm zu entziehen.
»Was willst du von mir?«, fragte Sakura ihn heiser. Warum versagte ihre Stimme nur immer, wenn sie ihn sah?
»Ich wollte dich vor Ravens Terrorherrschaft bewahren. Bei solchen Sachen ist sie viel zu ehrgeizig. Außerdem wollte ich mich … entschuldigen.« Die letzten Worte brummelte er so in sich hinein, dass sie ihn kaum verstand.
»Wofür entschuldigst du dich?«, wunderte sie sich.
»Dafür, dass ich dir neulich solche Angst gemacht habe«, antwortete er nach kurzem Zögern.
»Du hast mir keine Angst gemacht«, entgegnete Sakura barsch. Als ob sie Angst vor Vampiren hätte! Genau das dachte er wahrscheinlich!
Von ihrem schnippischen Ton war er sichtlich überrascht. Schon im nächsten Moment umspielte jedoch wieder ein selbstgefälliges Grinsen seine Lippen. »Dann ist ja gut.« Ihr gefiel der Ton überhaupt nicht, mit dem er mit ihr sprach.
»Denk bloß nicht, ich würde auf deine Masche hereinfallen«, fauchte sie. Ihre Geduld war langsam am Ende. Ausgerechnet mit diesem Vampir sollte sie zusammenarbeiten!
Er ignorierte ihren letzten Kommentar und holte einen kleinen Notizblock hervor, auf den er eine Adresse schrieb.
»Hier können wir uns treffen und uns ein Thema überlegen, wenn es der Dame genehm ist«, bot er ihr an, während er ihr den Zettel reichte. Nur widerwillig nahm sie ihn von ihm an und achtete genau darauf, seine Finger nicht zu berühren. Es war nicht nur der Duft, der sie an Vampiren störte, die Eiseskälte, die sie ausstrahlten, war ihr auch höchst unangenehm.
Sie überflog die Notiz und konnte sein Gekritzel kaum entziffern, doch sie ahnte, dass es sich um die Stadtbibliothek handeln musste, die sich hier in der Nähe befand. Sakura steckte die Notiz in ihre Tasche und sah ihn dieses Mal direkt an, als sie grollte: »Wie wäre es, wenn du dich erstmal vorstellst, Vampir.« Das letzte Wort betonte sie mit der ganzen Abscheu, die sie aufbringen konnte. Daraufhin verschwand sein Grinsen.
Als der Lehrer für die nächste Unterrichtsstunde den Raum betrat, erhob er sich. »Ich heiße Shiki Ryu. Freut mich, deine Bekanntschaft zu machen, Himura-chan«, hauchte er in ihre Richtung, bevor er sich auf den Weg zu seinem Platz machte. Dieser arrogante Junge gehörte doch nicht etwa zu der Shiki-Familie? Wenn doch, hatte sie einen großen Fehler begangen, ihn so anzufahren.
*
Auf der Notiz, die ihr Ryu gegeben hatte, stand neben der Anschrift der Bibliothek auch ein Datum und eine Uhrzeit. Er wollte sich bereits am Sonntag mit ihr treffen. Sakura hatte also noch einen Tag Zeit, darüber nachzudenken, ob sie zu dem Treffen gehen würde oder nicht. Eigentlich hatte sie ja keine Wahl, wenn sie ihre Mutter nicht schon wieder verärgern wollte. Schon gar nicht wegen einer schlechten Note während ihrer ersten Schultage.
Sie hatte ihren Eltern erst am Samstagabend erzählt, dass sie am nächsten Tag eine Verabredung hatte. Beide waren sichtlich erstaunt darüber. Sakura versuchte, sich ihr ungutes Gefühl nicht anmerken zu lassen. Wenigstens fragten sie nicht nach, mit wem sie sich traf. Das behielt sie lieber für sich.
Kenzo fuhr sie in der darauffolgenden Nacht zum vereinbarten Treffpunkt. Er freute sich sichtlich, dass er die Kutsche nun öfter fahren durfte. Ihre Eltern blieben oft in der Stadt oder in den benachbarten Dörfern, um ihren täglichen Beschäftigungen nachzugehen. Deswegen war es etwas Besonderes für ihn, so weit vom Anwesen fort zu sein. Sakura hingegen fühlte sich unwohl. Umso weiter sie fuhren, umso schlechter wurde ihr. Obwohl sie heute noch gar nichts gegessen hatte, war ihr speiübel. Sie wusste, dass Kenzo in der Nähe bleiben würde. Er würde sie jeder Zeit nach Hause fahren. Zeitgleich war er auch ihr Beschützer und ausnahmsweise war sie damit einverstanden. Man wusste nie, was Vampire im Schilde führten.
Als Sakura den großen Eingangsbereich der Bibliothek betrat, fielen ihr sofort die in Glaskästen präsentierten Bücher auf. Sie sahen so alt aus, als könnten sie jeder Zeit zu Staub zerfallen. An den Wänden befanden sich meterhohe Regale, vollgestellt mit Büchern aller Epochen der letzten Jahrhunderte, und der charakteristische Geruch von Papier und Tinte hing in der Luft. Es war wirklich erstaunlich. Sie verstand sofort, warum er sich hier treffen wollte. Hier würden sie bestimmt ein Thema für ihre Ausarbeitung finden.
Die Bibliothek war viel zu groß, um hier nach jemandem zu suchen. Also fragte sie die Bibliothekarin, die gerade Bücher einsortierte, ob sie einen Jungen mit blonden Haaren gesehen hätte.
»Oh, ja, da-das habe ich in der Tat«, stotterte sie nervös. Sakuras Anblick schockierte sie, obwohl für menschliche Augen die typischen dämonischen Merkmale – die schlitzförmigen Pupillen und die spitzen Ohren – nicht zu sehen waren. Doch Sakuras Haarfarbe ließ sich leider nicht so leicht verbergen.
Die Menschenfrau deutete die Treppen empor und erklärte ihr, dass sich dort eine Abteilung mit Tischen und Stühlen befand, die zum Recherchieren und ungestörtem Lesen diente.
Sakura bedankte sich mit einem knappen Nicken und stieg die hölzerne Treppe empor. Sie war mit einem dunkelroten Teppich ausgelegt, so dass ihre Schritte kaum zu hören waren. Oben angekommen, entdeckte sie ihn sofort. Er saß in einer Sitzecke am Fenster. Hinter der Glasscheibe herrschte finsterste Nacht, nur eine einzelne Öllampe erhellte den Tisch und verlieh seinen Locken einen schönen orangenen Schimmer. Sie wirkten wieder wie vom Wind zerzaust, doch langsam glaubte sie, das war der normale Zustand seiner Frisur.
Ryu hatte sie noch nicht bemerkt, seine Aufmerksamkeit galt einem dünnen Buch, das er auf dem Tisch vor sich aufgeschlagen hatte. Erst als sie näherkam, sah er zu ihr auf.
»Guten Abend«, begrüßte er sie. »Setz dich doch.« Er deutete auf die freie Bank gegenüber von sich.
Sakura nickte nur und tat, wie ihr geheißen. Sie spürte eine unangenehme Spannung zwischen ihnen. Lag es daran, was sie letztens zu ihm gesagt hatte? Oder lag es daran, dass sie nun wusste, wer ihr gegenübersaß? Er war nicht nur ein einfacher Klassenkamerad, das war ihr nun klar.
»Ehm, also … Shiki-san, hast du dich schon für ein Thema entschieden?«, fragte sie ihn schließlich, als er sie nur stumm anstarrte.
»Kein Grund, so höflich zu sein«, entgegnete er kalt. Er war offensichtlich selbst überrascht von dem kalten Unterton in seiner Stimme, als er Sakuras erschrockenes Gesicht sah. »Du kannst mich Ryu nennen«, bot er ihr nun mit sanfterer Stimme an.
»Okay. Hast du dich schon für ein Thema entschieden, Ryu-san?«, wiederholte sie ihre Frage. Sie wollte es nur so schnell wie möglich hinter sich bringen.
»Ich wusste nicht, was dich interessiert, also habe ich einfach schonmal ein paar Sachen rausgesucht, die für mich in Frage kämen«, erzählte er ihr, während er die Bücher, die quer auf dem Tisch verteilt lagen, zusammenpackte. Da fiel ihr Blick auf einen Artikel über einen berühmten Musiker. Warum interessierte er sich für Musik? So sah er gar nicht aus.
»Magst du die Violine?«, wollte Sakura von ihm wissen.
Ryu antwortete nicht sofort. »Ich glaube, mögen ist nicht das richtige Wort«, antwortete er schließlich.
»Oh, ach so.« In ihrer Stimme klang leichte Enttäuschung mit.
»Nein, so meinte ich das nicht«, verteidigte er sich. »Ich spiele schon, seit ich klein bin. Deswegen … dachte ich, es könnte ein gutes Thema sein.«
Sakuras Augen weiteten sich. Dieser Junge – dieser Vampir – spielte tatsächlich Violine? So, wie er es erzählte, bedeutete ihm das wirklich viel. So wie ihr. Auch wenn sie zurzeit nicht imstande war, ihre Violine auch nur anzusehen.
»Dann schreiben wir darüber.«
»Wirklich? Ist das in Ordnung für dich?«, fragte er etwas zu überrascht.
»Klar, warum nicht?« Sie bemühte sich, möglichst gleichgültig zu klingen, schließlich wollte sie ihm nicht das Gefühl vermitteln, sie hätten etwas gemeinsam. Wahrscheinlich konnte er nicht einmal gut spielen. Zumindest hoffte sie das. Denn sie bewunderte jeden, der ein Instrument spielen konnte. Nichts konnte die Gefühle und Emotionen besser ausdrücken als ein gut gespieltes Instrument.
Während Ryu losgegangen war, um noch mehr Material für ihre Recherche zusammenzusuchen, blätterte Sakura in dem dünnen Buch, das Ryu auf dem Tisch liegen gelassen hatte. Leider handelte nur ein kurzer Abschnitt von dem Musiker, der im späten siebzehnten Jahrhundert durch seine Begabung an der Violine bekannt wurde. Sakura kannte sich nicht sonderlich gut in Geschichte aus, die Namen von berühmten Persönlichkeiten kannte sie schon gar nicht.
Selbst die Namen derer, die sie bewunderte, konnte Sakura sich nicht merken. Doch sie kannte jedes Stück dieser Musiker, viele konnte sie sogar selbst spielen. Als sie noch sehr jung war, wollte ihre Mutter unbedingt, dass sie die Violine lernte. Am Anfang war sie dagegen gewesen und hatte nicht verstanden, wie ihre Mutter plötzlich auf diese absurde Idee kam. Doch ihre Meinung änderte sich, als ihr gesagt wurde, wie schön sie spielen könne. Sakura erinnerte sich an den Tag, an dem er zu ihr sagte, dass sie die beste und schönste Violinistin der Welt werden würde. Er, die wichtigste Person in ihrem Leben.
Als sie an ihn denken musste, verfinsterten sich ihre Gedanken schlagartig. Ihr Herzschlag setzte aus, nur um dann mit doppelter Geschwindigkeit weiter zu schlagen. Es war Sakura unmöglich, ihre aufsteigende Panik zu unterdrücken. Ihre Brust schmerzte, ihre Finger hinterließen feuchte Abdrücke auf der Tischplatte. Schnell zog sie die Arme an den Körper und ballte die Hände zu Fäusten. Den Schmerz, als sich ihre langen, schwarzen Fingernägel in ihre Handballen bohrten, spürte sie nicht mehr, denn da hatten die Schatten sie schon in ihrer Gewalt.
Die Schatten gaben ihr die Schuld an dem, was damals im Wald geschehen war. Wäre sie nicht gewesen, wäre das alles niemals passiert!
Ihre Verzweiflung wurde übermächtig und drohte, sie zu verschlucken. Sakuras Sicht wurde schwarz, der Tisch, die Bücher, die helle Öllampe verschwanden und machten der Finsternis platz. Sakura wollte schreien, aber kein Laut verließ ihre Kehle. In der Schattenwelt gab es niemanden, der ihre Hilferufe erhört hätte.
Die Versuchung war da, sich der Finsternis hinzugeben, diesem Elend ein Ende zu bereiten. Es wäre ganz leicht gewesen, sich dieser finsteren Macht zu ergeben, aber dazu sollte es nicht kommen, denn plötzlich erschütterte sich ihre Welt.
Vor Schreck schlug Sakura die Augen auf und wurde sogleich von der Öllampe geblendet. Die Stille, die in der Bibliothek herrschte, dröhnte in ihren Ohren, nur ihr panisches Atmen war zu hören. Ryu stand lautlos neben ihr, eine Hand auf ihrer Schulter, und schaute sie verwundert an. Zum ersten Mal konnte sie in seinen Augen richtige Emotionen ablesen. Verwunderung, Skepsis und ... Mitleid.
Als er merkte, dass sie wieder bei Sinnen war, wich er von ihr zurück, die Intensität seines Blickes zügelte er jedoch nicht. Nur zu gerne hätte sie gewusst, was er gerade dachte, dann erinnerte sie sich aber wieder daran, dass er ein Vampir war und sie absolut nichts mit ihm zu tun haben wollte.
»Alles in Ordnung?«, fragte er sie, als sich ihre Atmung langsam beruhigte. Der Schweiß stand ihr immer noch von der Stirn. Sakura gab keine Antwort, sondern versuchte, aufzustehen. Doch ihre Knie waren so wackelig, dass sie sich am Tisch abstützen musste. »Bleib lieber sitzen.«
»Fass. Mich. Nicht. An!«, stieß sie hervor, als Ryu Anstalten machte, ihr zu helfen. Fast hätte sie ihn angeknurrt.
Verzweifelt versuchte sie, ihre Fassung zurückzuerlangen. Warum musste ihr das ausgerechnet jetzt passieren? Sie konnte doch hier keine Schwäche zeigen. Schon gar nicht vor einem Vampir! Sakura kniff kurz die Augen zusammen, um ihre Sinne neu zu sortieren, dann packte sie ihre Tasche und rannte los. Sie wollte nur noch weg. Es war ein Fehler gewesen, hierherzukommen. »Hey, warte!«, rief Ryu ihr nach. »Sakura!« Sie hätte sich am liebsten umgedreht und ihn angeschrien, was ihm denn einfiele, sie beim Vornamen zu nennen, aber ihr Fluchtinstinkt siegte.
Kenzo wartete unten im Eingangsbereich auf sie. Er bemerkte ihren Unmut und legte ihr wortlos ihren Mantel über die Schultern, während sie eilig das Gebäude verließen. Sie konnte Ryus Blick auf ihrem Rücken spüren, doch sie drehte sich nicht um, sondern verschwand wortlos in der pechschwarzen Winternacht.
Sakura, dachte Ryu und ließ sich auf sein weiches Himmelbett fallen, ein schöner Name, der perfekt zu ihren Haaren passt. Er fühlte sich immer noch nicht ganz heimisch in seinem renovierten Zimmer, doch sein schönes Bett hatte er zum Glück behalten dürfen. Die alten Holzwände waren abgerissen und durch neue, massive Steinwände ersetzt worden. Und wo früher hellgrüne Tatami-Matten gelegen hatten, zierten nun dunkle Dielen den Fußboden. Vor seinem Bett lag ein teurer Teppich aus Übersee und auch sein Schreibtisch und sein geheiligtes Sofa hatten weichen müssen und waren ersetzt worden.
Nur die dunklen Querbalken an der Decke erinnerten an den alten Charme des Zimmers, darauf hatte Ryu bestanden, denn er mochte sein altes Zimmer und wollte es nicht einfach so aufgeben. Es erinnerte ihn daran, wie oft er als Kind an eben diese Decke gestarrt hatte und sich gefragt hatte, ob er jemals jemandem begegnen würde, der sein Interesse erregte. Und ausgerechnet jetzt war dieser Tag gekommen.
Sakura. Er ließ sich ihren Namen auf der Zunge zergehen, wo er doch selbst nicht so ganz verstand, warum sie ihn so faszinierte. Er kannte sie kaum, sie hatten sich erst drei Mal gesehen und jedes Mal war sie vor ihm davongerannt, dennoch hatte sie etwas an sich, das ihn nicht mehr losließ.
Es wunderte ihn, dass sie nicht auf seine Flirtversuche eingegangen war, wo es sonst kaum eine Frau gab, die ihn nicht begehrte. Wen sollte das auch verwundern, schließlich war er der älteste Sohn eines einflussreichen Geschäftsmannes, der führend in der Kunst- und Theaterszene tätig war. Nicht zu vergessen, dass er nicht nur adelig war, sondern von reinem Blut. Nichts und niemand konnte ihm widerstehen, wenn er es drauf anlegte. Niemand, bis auf eine.
Es war lange her, dass er einen Tag so sehnlichst herbeigesehnt hatte wie gestern. Er wollte es nicht überstürzen, deswegen hatte er den Sonntag gewählt. Am liebsten hätte er sich noch am gleichen Tag mit ihr getroffen, aber das wäre wohl doch ein wenig zu aufdringlich gewesen. Warum dachte er nur so irrational? Er war sogar schon eine Stunde zu früh in der Bibliothek gewesen, weil die kleinste Hoffnung bestand, dass auch sie etwas früher kommen könnte. Wirklich irrational. Absolut irrational! Er würde diese Denkweise schnell wieder ablegen müssen, bevor er seine Kontrolle ganz verlor.
Und dabei war sie nicht mal eine Vampirin! Schon als sie die Klasse zum ersten Mal betreten hatte, hatte er sofort gespürt, dass sie einer anderen Rasse angehörte. Eine Dämonin. Eine Yokai, entsprungen aus der japanischen Mythologie. Und eine Gestaltwandlerin noch dazu, eine sehr seltene Art, gefürchtet unter ihresgleichen sowie die Reinblüter unter den Vampiren. Aber sie hatte gar nicht so bösartig gewirkt, wie es immer erzählt wurde. Eher schon fast ... verängstigt.
Während des Unterrichts hatte er den Blick einfach nicht von ihr abwenden können. Wegen ihrer Haarfarbe, hatte er sich einreden wollen, es hat nichts mit ihr als Person zu tun. Aber er wusste, er machte sich nur selbst etwas vor. Dieses Mädchen war anders, besonders, irgendwie. Er begriff es ja selbst nicht und ein Teil von ihm wollte es auch gar nicht begreifen, da er Angst hatte, er könnte bei ihr genauso die Beherrschung verlieren, wie er es schon einmal getan hatte.
Denn er war nicht nur ein Vampir, in seinen Adern floss ebenfalls das Blut eines Yokai. Dieses gemischte Blut war eine wahre Rarität und so wusste auch niemand, wie man mit ihm umgehen sollte. Offiziell galt er als reinblütiger Vampir, was er auch war, denn sein Dämonenblut schadete seiner Vampirseite und seinen Kräften keineswegs.
Die Familien, die den Shikis unterstellt waren, wussten von seiner Natur, dennoch mieden sie ihn meistens, sprachen nur mit ihm, wenn sie sich einen Nutzen daraus versprachen. Er schämte sich nicht für das, was er war, das hatte er schon früh verlernt. Mittlerweile genoss er sogar die verwirrten Blicke der anderen Vampire, die nichts von seiner dämonischen Abstammung wussten, denn seine Augen waren unverkennbar die eines Dämons. Auch Sakura hatte die Verwirrung im Gesicht gestanden, ein Moment, den er für immer in seinem Gehirn abspeichern würde.
Ihre Augen waren genauso giftig grün wie seine, er wusste nicht, ob das unter Yokai immer so war, schließlich hatte er noch keine anderen außerhalb seiner Familie getroffen. Doch jetzt kannte er eine und er würde sie auf jeden Fall besser kennenlernen.
Warum denkst du überhaupt so viel über sie nach?, schallte er sich selbst. Sie wird sich sowieso niemals für dich interessieren. Dessen war er sich bewusst, trotzdem wollte er mehr über sie erfahren. Anderseits wollte er nichts mehr mit der Dunkelheit zu tun haben. Schon zu oft war er ihr verfallen, schon zu nah war der Abgrund gewesen. Seine Emotionen brachten ihn dazu, deswegen hatte er schon vor Jahren angefangen, sie abzuschotten, einzusperren, ganz tief in seinem Verstand, wo niemand sie erreichen konnte. Doch die Fassade fing an zu bröckeln, und er wusste, sehr viel länger könnte er sie nicht mehr aufrechterhalten.
Ein Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken.
Sofort wurde die Tür geöffnet und ein Blondschopf steckte den Kopf ins Zimmer. »Du bist spät dran, Ryu«, tadelte ihn sein älterer Bruder. Mitternachtsblaue Augen schauten ihn mitleidig an, als er Ryus Gemütszustand erfasste.
»Bin gleich da«, murrte Ryu und warf eines seiner Kissen nach ihm, als er den Mund öffnete, um noch etwas zu sagen.
»Du hast ja wieder gute Laune«, summte er, als er die Tür hinter sich zuzog, bevor das Kissen ihn treffen konnte.
Ryu knurrte, stand auf und zog sich an. Ein weißes Hemd mit einer grünen Weste darüber zusammen mit einer dunkelbraunen Stoffhose, zum Schluss noch die kniehohen schwarzen Stiefel und der rebellische Sohn eines Adligen war fertig. Die Ohrringe, die seine spitzen Dämonenohren zierten, taten ihr übriges. Es war seine Leidenschaft, seinen Vater zur Weißglut zu treiben. Eine Disziplin, in der er in diesem Haus ungeschlagen war trotz seiner zwei älteren Geschwister.
Sein Bruder wartete in der Eingangshalle der Villa schon ungeduldig auf ihn, als Ryu die Verbindungstür aufschob.
»Da bist du ja endlich! Los, wir kommen noch zu spät!«, rief ihm Takeshi aufgeregt entgegen. Er hatte genau wie Ryu blondes Haar, nur war seines etwas dunkler und glattgekämmt. Obwohl er einen japanischen Namen trug, war er größer als Ryu und anders gebaut, wie ein Europäer. So wirklich viel Ähnlichkeit hatten die beiden nicht, sei es äußerlich oder charakterlich.
Strenggenommen waren sie auch gar keine Brüder, sondern Cousins. Aber sie waren zusammen aufgewachsen und standen sich so nahe, wie Brüder es eben taten.
»Ich bin ja schon da«, entgegnete Ryu leicht genervt.
»Wo ist deine Violine?«, fragte Takeshi ihn, als er schon auf die geschwungene Eingangstür zuging.
»In der Kutsche.« Ganz routinemäßig hatte er ein Dienstmädchen angewiesen, sie bereits zu verstauen. Er konnte ja nicht ahnen, dass er so von seinen Gedanken abgelenkt werden würde. Normalerweise vergaß er nie eine Probe im Nascela-Theater, das Theater, das seinem Vater gehörte und ihre Einnahmen sicherte. Obwohl Ryu sich sehr gut vorstellen konnte, dass sein Vater noch weitere Geldanlagen besaß, von denen nur er etwas wusste.
Das Theater lag in Osaki, in der gleichen Stadt, wo sich auch die Landschule befand. Sie würden ungefähr eine halbe Stunde dorthin brauchen, also mussten sie sich beeilen, denn die Generalprobe für ihre Winteraufführung begann in zwanzig Minuten. Draußen auf dem Hof stand schon ihre Kutsche bereit. Sein Bruder schimpfte immer noch mit ihm, als sie das Anwesen verließen.
»Es ist doch sonst nicht deine Art, die Zeit zu vergessen«, sagte er in einem vorwurfsvollen Ton. Ryu ging nicht darauf ein, sondern setzte sich in die Kutsche und beachtete ihn nicht weiter.
Der Schnee der letzten Tage war schon lange geschmolzen, deswegen konnten sie bedenkenlos die kurvigen Bergwege entlangfahren. Es war schon fast Mitternacht und der Sternenhimmel wurde nur von leichten Schleierwolken verdeckt. Das Wetter war viel zu mild für diese Jahreszeit, normalerweise waren die Schneemassen im Dezember so hoch, dass es kaum ein Durchkommen gab.
Zwischen den hohen Tannen bemerkte er ein paar Sikahirsche, die zu dieser späten Stunde noch auf Nahrungssuche waren. Ihr Fell war bereits dunkler geworden, ein Unterschied, der für menschliche Augen in der Dunkelheit nicht zu erkennen gewesen wäre. Die Tiere liefen aufgeschreckt davon, als die Kutsche an ihnen vorbeifuhr.
Vom Weiten waren bereits die ersten Häuser der Großstadt zu erkennen, um diese Uhrzeit brannte nur noch hinter wenigen Fenstern Licht. Die Straßen waren leer, als sie das Theater ansteuerten, das mitten im Stadtzentrum gebaut worden war. Im Galopp donnerten die Pferdehufe durch die Gassen, auf ihre menschlichen Mitbürger hatten die Vampire – vor allem die Adligen – noch nie viel Rücksicht genommen.
Als sie das Theater endlich erreichten, betraten sie es durch den Hintereingang, der nur für Personal bestimmt war. Die Brüder wurden schon sehnlichst von der Theaterleiterin erwartet. Da ihr Vater wenig Zeit hatte, um sich um das Theater zu kümmern, hatte er eine Frau eingestellt, sie sich um die Proben und das Organisatorische kümmern sollte. Sie nahm ihre Aufgaben sehr ernst, manchmal zu ernst, deswegen duldete sie keinerlei Verspätungen. Auch nicht von den Söhnen ihres Bosses. Sie schaute sie grimmig an und winkte sie nur genervt durch zur Bühne. Während Takeshi sofort zu seinen Schauspielkollegen hinüberging und in die Aufwärmübungen mit einstieg, ging Ryu an der Hauptbühne vorbei. Im Gegensatz zu seinem Bruder war er kein Schauspieler, Ryu spielte im hauseigenen Orchester des Theaters.
Das Nascela-Theater wies eine besondere Bauform auf. Das Orchester hatte seinen Platz nicht direkt vor der Bühne, sondern daneben. Links und rechts von der Hauptbühne gab es jeweils eine kleine Nebenbühne, auf denen das Orchester seinen Platz hatte. Der Sinn dahinter war, dass nicht nur die Schauspieler auf der Bühne Anerkennung und Aufmerksamkeit bekamen, sondern auch die Leute, die die Szenen durch passende und ergreifende Hintergrundmusik erst so spannend gestalteten. Das Konzept ging auf. Das Theater war immer gut besucht. Sie hatten nun eine längere Pause