Stress? Du entscheidest, wie du lebst - Eva Brandt - E-Book

Stress? Du entscheidest, wie du lebst E-Book

Eva Brandt

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Beschreibung

Mit 100 % Abperleffekt Durch die ständige Erreichbarkeit, Mobilität und Flexibilität vermischen sich Privatleben und Beruf immer mehr. Gefährlicher Dauerstress ist die Folge. Doch wie gelingt es, Höchstleistung zu bringen und dennoch die eigene Gesundheit nicht zu gefährden? Die Autorinnen haben dafür eine praxiserprobte Methode zur Stressreduzierung von Führungskräften entwickelt: die Lotus-Strategie, mit der Stress abperlt wie das Wasser an einer Lotusblüte. Die sieben Lotusblätter stehen für die Module Akzeptanz, Veränderung, Werte, Zeit, Sinne, Netzwerk und Lösung und ergeben in Summe einen Trainingsplan für mehr Stresskompetenz. Die Methode basiert auf neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen und zeigt, wie man als Manager ein gesundes und trotzdem erfolgreiches Leben führt.

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Eva Brandt, Miriam Fritsch-Kümpel

STRESS?DU ENTSCHEIDEST,WIE DU LEBST

Das Trainingsbuch nach der Lotus-Strategie

Campus Verlag

Frankfurt/New York

Über das Buch

Durch die ständige Erreichbarkeit, Mobilität und Flexibilität vermischen sich Privatleben und Beruf immer mehr. Gefährlicher Dauerstress ist die Folge. Doch wie gelingt es, Höchstleistung zu bringen und dennoch die eigene Gesundheit nicht zu gefährden? Die Autorinnen haben dafür eine praxiserprobte Methode zur Stressreduzierung von Führungskräften entwickelt: die Lotus-Strategie, mit der Stress abperlt wie das Wasser an einer Lotusblüte. Die sieben Lotusblätter stehen für die Module Akzeptanz, Veränderung, Werte, Zeit, Sinne, Netzwerk und Lösung und ergeben in Summe einen Trainingsplan für mehr Stresskompetenz. Die Methode basiert auf neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen und zeigt, wie man als Manager ein gesundes und trotzdem erfolgreiches Leben führt.

Vita

Dr. Eva Brandt arbeitet seit über 20 Jahren als selbstständiger zertifizierter Business-Coach.

Miriam Fritsch-Kümpel ist Psychologin und coacht Manager, Fach- und Führungskräfte.

Beide sind Gründerinnen des Stresskompetenzzentrums »Lotus-Strategie®« in Wiesbaden.

Gewidmet unseren Coachees und Seminarteilnehmer

INHALT

VORWORT

Management ist Spitzensport

EINLEITUNG

Viel erreicht – und Energie verloren

Zahl und Wahrheit

Ach, hätte ich doch … die Reißleine gezogen

Die Lotus-Strategie, ein Trainingsbuch

Kapitel 1Der Bär ist weg

Fantasiespiel jenseits der Wissenschaft

Das Erbe des Homo sapiens

Raffinierte Muster finden

Stressgetrieben durch den Alltag

Kapitel 2Welcher Stresstyp sind Sie?

Zwischen Sachlichkeit und Emotion

Als Aristoteles irrte

Stress mit Folgen

Der Preis der Kaskaden

Der Stresstypentest

Der Stresstypentest – der Fragebogen

Auswertung

Der Stresstypentest – das Ergebnis

Ergebnis Stresstypentest

Kapitel 3Die Lotus-Strategie

Der 360-Grad-Blick auf den Stress

Das Leiden der Manager

Bruch der Gefühle

Die Macht des Unterbewussten

Kapitel 4Blütenblatt 1 Akzeptanz — WENN DIE SEELE LEIDET

Zeichen des Wandels

Solange die Erde sich dreht

Sine glossa – ohne Veränderung

Akzeptanzregel 1: Innehalten und aushalten

Akzeptanzregel 2: Loslassen und weiterdenken

Stressanalyse

Kapitel 5Blütenblatt 2 Veränderung — SICHERHEIT WAR GESTERN

Guten Morgen, Schmerz

Der Dreiklang der Veränderung

Veränderungsregel 1: Analyse als Panoramabild

Veränderungsregel 2: Im Licht der Zufriedenheit

Veränderungsregel 3: Stürzen, aufstehen, weitergehen

Zwei Arten von Zielen

Kapitel 6Blütenblatt 3 Werte — DAS INNERE KIND SOLL LÄCHELN

So ist es, so bleibt es?

Bei sich selbst ankommen

Wider die Hilflosigkeit

Die Mitte zwischen den Extremen

Kapitel 7Blütenblatt 4 Alpha — WENN DIE ZEIT AUSDEM TAKT GERÄT

Immer bereit

Das Gehirn besänftigen

Drei Takte der Persönlichkeit

Zeit und Wellen

Das Spiel zwischen Alpha und Beta

Kapitel 8Blütenblatt 5 Sinne — GESUNDHEIT BRAUCHT REGELN

Entschluss zur Entschleunigung

Stressoren, die Feinde des Glücks

Muster 1 – Prophylaxe

Muster 2 – Unterforderung

Muster 3 – Herzinfarktgefahr

Muster 4 – Burnout-Tendenz

Höher, schneller, weiter

Sieben Regeln für Ihre Gesundheit

Mit allen Sinnen genießen

Kapitel 9Blütenblatt 6 Netzwerk — ZIEMLICH BESTE FREUNDE

Oxytocin für das Selbstbewusstsein

Mindestens zwei für die Zufriedenheit

Ein Notizbuch voller Namen

Kommunizieren in digitalen Zeiten

Die Gepflogenheiten der anderen

Die Ebenen der Kommunikation sind universell

Der wunde Punkt in der Persönlichkeit

Kapitel 10Blütenblatt 7 Lösung — EIN GUTES GEFÜHL

Wenn dem Stress die Leere folgt

Was wirklich wichtig ist

Nicht jammern – lösen!

Kapitel 11Achtsamkeit üben

Kapitel SchlussworteDer Abperleffekt

DANKSAGUNG

LITERATUR

VORWORT

Management ist Spitzensport

Erfolg! Fast jeder möchte in seinem Leben den größtmöglichen Erfolg erreichen, sowohl privat als auch beruflich. Dabei wird allzu oft vergessen: Erfolg entsteht durch produktiven Fleiß, Leidenschaft und Einsatz. Selten ist es einfach nur Glück. Dem körperlichen und mentalen Stress die Stirn zu bieten und auch in einer scheinbar aussichtslosen Situation eine kreative Lösung zu entwickeln, darum geht es letztendlich im Sport und auch bei beruflichen Karrieren.

In meiner langjährigen Tätigkeit als sportmedizinischer Berater und Begleiter, unter anderem von Weltklasseathleten, werde ich immer wieder gefragt, wie es Sportler schaffen, zum richtigen Zeitpunkt die bestmögliche Leistung abzurufen. Denn solange wie möglich Topleistungen erbringen und Erfolge erzielen, ohne gesundheitlich abzustürzen, das wünschen sich auch viele meiner Patienten.

Der Sportler dient Managern oft als Vorbild. Was ist das große Geheimnis der Olympiasieger? Wie werden sie zu den Besten ihrer Disziplin? Nun, der Sportler muss von Beginn an – nicht nur als Hochleistungssportler – Anspruch und Wirklichkeit abgleichen. Er muss sich an einer Werteskala orientieren, die ihm tägliches Training ermöglicht, ohne dabei den privaten Ausgleich zu vernachlässigen oder seinen Körper zu schinden. Gelingt ihm dies nicht, so besteht die Gefahr, in ein Übertraining abzurutschen. Im normalen Leben nennen wir dies Burnout. Um diesen Zustand zu vermeiden, vermitteln Trainer und Mediziner dem Athleten sehr früh das Modell der Superkompensation: Auf ein hartes Training, das geprägt ist von Müdigkeit bis hin zur Erschöpfung, folgt die wichtige Phase der Erholung – und zwar genau zu dem Zeitpunkt, der zur erhöhten Leistungsfähigkeit führt. Dieser Rhythmus aus Reizen und Loslassen, aus Kraft und Entspannung, aus Training und Pause ermöglicht erst die Leistungssteigerung. Werden die Trainingsreize zu dicht hintereinander gesetzt oder ist der Trainingsumfang zu groß und damit die Phase der Erholung zu kurz, kann keine Leistungssteigerung herbeigeführt werden. Das Ergebnis lautet vielmehr: Übertraining, Burnout, Depression, Leistungsabfall und Erfolglosigkeit.

Für mich ist jeder Patient ein Athlet und das Modell der Superkompensation ist für jeden im Berufsalltag ein Erfolgsmodell. Für viele Manager besteht der Alltag aus Arbeitsverdichtung, aus Überstunden und einer Vermischung von Privat- und Berufsleben. zu dem versuchen viele meiner Patienten, die immer weiter schrumpfende Freizeit mit einem Übermaß an Aktivitäten zu füllen. Freizeitstress entsteht und führt in der Summe zur Erschöpfung. Die Lösung, um dieser unsäglichen Spirale zu entrinnen, formulierte ein erfolgreicher deutscher Sportler: »Seitdem ich langsamer laufe, komme ich schneller ans Ziel.« Ich wünsche mir, dass diese Erkenntnis auch Einzug im Management findet. Dr. Eva Brandt und Miriam Fritsch-Kümpel stellen diesen Satz in den Mittelpunkt der Lotus-Strategie. Denn als Stressforscherinnen wissen beide, dass erst die Regeneration die Leistung voranbringt.

Ihr Buch trägt den Charakter eines Trainingsbuchs, wie es auch jeder Sportler in seiner Sporttasche trägt. Weiterentwicklung, Bewertung des eigenen Handelns und Förderung der mentalen Stärke, das sind die Schwerpunkte.

Ich sehe einen sehr großen Bedarf für diesen Ansatz, da ich aus Sport und Medizin weiß, wie wichtig es ist, Leitfäden zur Orientierung zu besitzen und sie auch zu leben. Haben Sie den Mut zur Pause! Dann wird sich eine neue Kultur, eine Erfolgskultur in jeder Hinsicht, einstellen.

Dieses Buch macht den Lesern Mut, Leistung als ein gutes, ein gesundes Gefühl zu begreifen.

Dr. med. Klaus Gerlach

Mediziner und Diplom-Sportlehrer, Leistungsdiagnostiker

EINLEITUNG

Viel erreicht – und Energie verloren

Was ist Stress? Ein Modewort? Eine Ausrede? Eine Entschuldigung? Man hat Verständnis, wenn Sie es aussprechen und dabei hilflos mit den Schultern zucken. Unwillkürlich verfällt Ihr Gegenüber in Bedauern oder Verwunderung: »Halten Sie durch!«, mag er sagen, »es werden wieder bessere Zeiten kommen.« Das aber ist ein Trugschluss und dieser Ratschlag kann Ihr Scheitern sein.

Zählen Sie einmal nach, wie oft Sie das Wort Stress aussprechen, weil Sie Ihre Aufgaben nicht erledigten, den Terminplan nicht erfüllten oder ein Versprechen nicht einlösten. Wie oft beruhigen Sie mit diesem Wort Ihr Gewissen, wenn Familie und Freunde mal wieder zu kurz gekommen sind? Und wie oft stellen Sie mit diesem Wort eine Selbstdiagnose, wenn der Nacken verspannt ist oder das Herz für eine Sequenz von wenigen Sekunden aus dem Takt gerät? »Stress!«, sagen Sie sich, »ist normal in komplexen Unternehmenswelten, das muss man aushalten, denn dafür wird man bezahlt und geschätzt«. Und Sie rennen weiter. Sie wollen in Bewegung bleiben. Agilität und Flexibilität sind en vogue, alles andere würde Ihrer Karriere schaden. Allerdings vergessen zunehmend mehr Manager, dass Stress kein Modewort ist, sondern ein Raubbau an Körper und Geist. Er bleibt nie an der Oberfläche, er wirkt tief, dringt in jede Zelle ein, verändert dort die biochemischen Vorgänge. Er stört die Hormon- und Nervensysteme, frisst Energiereserven auf. Wenn Sie es nicht verhindern, dann legt er sich wie ein Netz um die Gedanken, das Fühlen und das Handeln.

Dieses Schicksal teilen sich weltweit Schafzüchter mit Investmentbankern, Hausfrauen mit Konzernmanagern. Selbst Schulkinder aller Nationen sind nicht gefeit vor den Auswirkungen eines langanhaltenden, ungesunden Stresses. Das macht ihn zu einem universellen Thema.

Zahl und Wahrheit

Längst ist das Thema auch in der Politik und in wissenschaftlichen Institutionen angekommen. Wir sind dankbar, dass ein jährliches Reporting samt Zahlenwerk durch die Medien wandert, aber mal Hand aufs Herz: Treten Sie auch nur einen Schritt kürzer, wenn Sie Fakten hören wie: Aufgrund stressbedingter Leiden verschob sich die Frührentnergrenze auf 48,7 Jahren (1) oder aufgrund von stressbedingten psychischen Erkrankungen stiegen die Arbeitsunfähigkeitstage bundesweit auf 79 Millionen an? (2) Wir vermuten, nein. Sie lesen die Zahlen, vergessen sie – und machen weiter wie bisher. Zahlen zeichnen keine Bilder im Kopf, sie wecken keine Gefühle. Zwar sind Sie informiert, dass wahrscheinlich jeder dritte Manager einem Burnout entgegenrast, aber doch bleiben es Prognosen und damit eine emotionslose Angelegenheit. Was aber geschieht, wenn es Sie trifft? Nicht den Konkurrenten, nicht den Kollegen, sondern Sie persönlich? Dann wird diese Prognose für Sie zur hundertprozentigen Wahrheit. Dann ist es unerheblich, welche Tendenz Studien belegen, dann spielt die Verlaufskurve gemessen an wissenschaftlichen Koordinaten keine Rolle mehr.

Wir haben in unseren Beratungen und Kriseninterventionen erfahren: Männer wie Frauen bereuen nach einem stressbedingten Zusammenbruch zutiefst, dass sie die frühen Signale zur Seite geschoben haben mit einem »Weiter so. Mir wird schon nichts passieren«. Gehetzt, gefordert, verausgabungsbereit haben sie über lange Strecken zu viel Druck ertragen. Bis zur Erschöpfung. Wir haben schon sehr häufig in Augen gesehen, die keine Zuversicht mehr spiegelten. Unabhängig von Zahlenwerken können wir sagen: Die Symptome von Stress zwingen auch Sie in die Knie. Ob entscheidungsfreudige Macher, detailverliebte Analytiker oder gesellige Netzwerker: Jeder Persönlichkeitstyp verliert mit zunehmendem Stress seine Stärken und empfindet dort, wo er einst aufblühte, nur noch Leere.

Stress hat viele Facetten und doch läuft er immer nach einem gleichen Muster ab: Aus dem kurzfristigen Anstieg des Noradrenalin und des Adrenalin wird eine dauerhafte Cortisolflut. Anfangs versucht Ihr Gehirn, diese Wellen mit einem Sonderschub Serotonin aufzuhalten, Ihre Stimmung wieder auszugleichen. Ein innerer Kampf der Botenstoffe tobt, um Ihr Seelenleben zu retten. Die Muskeln spannen sich. Fluchtbereit. Die Organe werden verstärkt durchblutet. Leistungsbereit, punktgenau wird Energie eingesetzt, Druck erzeugt, Spannung erreicht. Was immer an Ressourcen vorhanden ist, bündelt sich zu einem Drall nach vorne. Für eine kurze Zeit kann dieser Drall Sie beflügeln, dann verschieben Sie Ihre Leistungsgrenzen und Sie erleben ein Glücksgefühl. Sobald aber diese Momente keine Perlen im Alltag mehr sind, sondern wie eine Kette den Morgen mit der Nacht verbinden, wird Stress zu einer Gefahr. Was folgt, ist oft der Zusammenbruch, und was bleibt, ist immer die Reue mit den Worten:

Ach, hätte ich doch … die Reißleine gezogen

Diesen Satz hören wir, wenn Menschen am Boden sind. Wenn nichts mehr geht, weil der Lebenssinn verlorengegangen ist, weil die Nerven zittern, weil sie nicht mehr fähig sind, auch nur eine Buchseite zu lesen. Zu diesem Zeitpunkt wissen weder Mediziner noch Psychologen oder Stresscoaches, ob es jemals gelingen wird, diesen Menschen wieder in seine einstige Leistungsfähigkeit zurückzubringen. Oft wird er niemals wieder der sein, der er vorher war. Er wird nie wieder für seine Aufgaben brennen können, nie wieder diese Leichtigkeit in sich spüren.

In einer digital-beschleunigten Welt scheinen Menschen im Rausch der Informationen ihren eigenen Rhythmus zu vergessen. Sie versuchen, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu einem einzigen Substrat zu verrühren, indem sie heute nachholen, was sie gestern versäumten, und das Morgen bereits gedanklich hinter sich lassen. Nur: Der menschliche Organismus ist für diesen täglichen Sprint ohne Pause nicht gemacht. Seine Funktionalität und seine Emotionalität können sich nur entfalten, wenn es einen Wechsel aus Anspannung und Loslassen gibt. So wie der Herzschlag aus Systole und Diastole, aus Zusammenziehen und Erschlaffen, besteht, so wie die Lunge sich mit Luft füllt und leert, weil Inspiration und Exspiration im Einklang stehen, so brauchen auch Sie die Ruhe zwischendurch.

Aber wie, mögen Sie sich nun fragen, kann das gelingen? Sie ahnen es bereits: durch Selbstfürsorge. Denn Sie dürfen gewiss sein, dass Ihnen im Business niemand auf die Schulter klopft und sagt: »Gut gemacht. Sie haben sich einen Urlaub gegönnt, immer die Pausen eingehalten und zudem die Deadline für das Projekt verschoben.« Niemand wird sich Gedanken darüber machen, ob Ihr Brennen für die Aufgaben nicht mit der Zeit zu einem Ausbrennen wird. Und selbst wenn: Ratschläge helfen Ihnen nicht! Zu sagen »Treten Sie sofort kürzer!« wäre etwa so, als würden wir Ihnen bei der Erstellung Ihrer Bilanz zurufen »Seien Sie sofort kreativ!« Sie würden unruhig werden. Noch mehr Stress wäre die Folge.

Deshalb besteht unsere Lotus-Strategie aus einem ganzheitlichen Ansatz. Wir betrachten Ihr Temperament und Ihre Stärken ebenso wie Ihr Zeitgefühl. Die daraus resultierenden Merkmale bilden wir in sieben Modulen ab: Wo ein Mangel ist, da bieten wir Ihnen Impulse für ein selbstbestimmtes Training, das die physische, psychische, seelische Widerstandskraft steigert. Sie erhalten darüber hinaus wissenschaftlich fundierte Methoden an die Hand, die wir seit fast zwanzig Jahren verfeinern. Getreu unserer Überzeugung, dass Stresskompetenz erstens eine Sache der Persönlichkeit und zweitens der Selbsterkenntnis ist, verstehen wir uns als wertschätzende, empathische Begleiter.

Die Lotus-Strategie, ein Trainingsbuch

Wir empfehlen Ihnen, die ersten beiden Kapitel als Einstimmung zu lesen, um festzustellen, welcher Stresstyp Sie sind. Dazu bieten wir Ihnen einen auf der Grundlage verschiedener Persönlichkeitsmodelle basierenden Test an. Das Ergebnis zeigt Ihnen, welche Situationen bei Ihnen Stress auslösen und welche Probleme Sie dadurch möglicherweise dauerhaft haben werden. Nehmen Sie sich Zeit, dieses Ergebnis zu reflektieren. Malen Sie nichts schön und denken Sie nicht, alles sei halb so schlimm, es würden bald bessere Zeiten kommen und manche Probleme könnten sich gar von selbst lösen. Das Leben lehrt nämlich anderes. Aber dazu später mehr.

In den Kapiteln vier bis zehn entfalten wir mit Ihnen die sieben Lotusblätter, die sinnbildlich für die Lebensbereiche stehen, die Glück, Erfolg und Zufriedenheit versprechen, wenn sie sich stimmig anfühlen. Wir werden Ihnen veranschaulichen, was geschieht, wenn Sie über Ihre Sehnsüchte hinwegtrampeln, wenn Sie fremde Ansichten übernehmen und Ihren Eigensinn vernachlässigen.

Das Erkennen von antrainierten Fehlern und Haltungen kann schmerzvoll sein und ein Verändern ebenso. Das wollen wir Ihnen nicht verschweigen. Uns ist im weiten Stressspektrum jede Form von Schmerz bekannt – leider, sind wir versucht zu sagen. Denn Sie dürfen sicher sein, es wäre uns lieber gewesen, dass unser Buch nie geschrieben worden wäre, einzig weil Stress im Alltag getilgt und sich in eine Formel von Glück gewandelt hätte. Aber bleiben wir zunächst beim Stress, Ihrem persönlichen Antagonisten.

Mit diesem Buch halten Sie ein Trainingsbuch in der Hand. Sie können mit diesem Buch aktiv arbeiten, sozusagen Ihr persönliches Workout durchführen. Dazu bieten wir Ihnen am Ende eines jeden Kapitels Übungen oder Fragen zur Reflexion an. Jedes Kapitel schließt aus diesem Grund mit einer Notizseite, auf der Sie Ihre wichtigsten Erkenntnisse notieren und nächsten Schritte planen können. Mit diesem Angebot wollen wir Ihre Vorstellung wecken, was sich in Ihrem Alltag ändert, wenn Sie wohlwollend für sich selbst sorgen. Dann wächst in Ihnen die Gewissheit, sich in sich selbst geborgen zu fühlen. Es wäre schön, würden Sie Ihre Fantasie groß werden lassen von einem Leben ohne Stress, von einem Alltag aus Farbe, Helligkeit und dem guten Gefühl, nichts zu versäumen. Zur Entspannung bieten wir Ihnen einige Audioübungen mit einem Zugangscode zum Download an.

Den Rahmen setzen wir mit der Lotus-Strategie, die Performance gestalten Sie selbst.

Wir freuen uns auf Sie! Starten wir!

Ihre

Eva Brandt und Miriam Fritsch-Kümpel

Literatur

(1)Deutsche Rentenversicherung Bund: Rentenversicherung in Zeitreihen 2012 und 2013

(2)BMAS/BAuA: Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2013

Anmerkung: Wir schätzen die Leistung von Männern und Frauen gleichermaßen, verzichten jedoch aus Gründen der Lesbarkeit auf Dopplungen. Rückschlüsse auf reale Personen oder Unternehmen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Mit der Begriffsnennung »Manager« möchten wir Fach- und Führungskräfte sowie Projektleiter und Unternehmer ansprechen.

Download: Die Audiodateien finden Sie als Download auf der Homepage des Campus Verlags unter: Campus.de/stress?

Ihr Zugangscode hierfür lautet: bf_St#0318x

Diese Icons helfen Ihnen bei der Orientierung

Analyse

Audio

Übung

Mit diesem Buch halten Sie ein Trainingsbuch in der Hand

Sie können damit aktiv arbeiten und Ihr persönliches Workout durchführen. Mit dem nachfolgenden Trainingsplan liefern wir Ihnen ein Angebot für Ihre selbstbestimmte Stressregulierung, die Performance gestalten Sie selbst. Viel Erfolg dabei!

Kapitel 1Der Bär ist weg

Es gibt keine Wirklichkeit,außer die wir uns persönlich machen.

Paul Watzlawick

Stellen Sie sich vor, Sie blicken durch eine teleskopische Kamera. Die Blende ist weit aufgezogen, richtet sich nach oben, mitten hinein in das Universum. Sie sehen Abermillionen von Lichtern. Hin und wieder glitzert eines davon besonders auf, um dann wieder zu erlöschen. »Ein längst gestorbener Stern«, sagen Sie sich und suchen weiter in dieser schwarzen Ewigkeit nach einem Halt für die Augen, um die Orientierung nicht zu verlieren oder um die Dimension der Galaxie zu erfassen. Mit diesem Blick auf Raum, Licht und Zeit scheint Ihr eigenes Sein zu schrumpfen. Ehrfurcht macht sich breit vor der Sonne, die mit ihrer Anziehungskraft seit 4,5 Milliarden Jahren die Erde in ihrem Bann hält. Acht Lichtminuten entfernt hat sie ihren Platz in diesem Sternensystem, und Sie denken sich, dass das Leben seit Menschengedenken überhaupt nur möglich ist durch die Kraft dieses trägen, ständig implodierenden Sterns. Und während Ihre Augen sich an die Weite gewöhnt haben, zoomen Sie das Bild heran. Über Ihnen krümmt sich die Milchstraße, auf der Sie 100 Milliarden von Sternen vermuten. Ein Gewusel aus Staub, ein Flirren aus Nanosekunden bündelt sich zu kühlweißen Strahlen, die sich in der Endlosigkeit verlieren. Sie staunen. Sie sind fasziniert – und merken zu spät, dass diese Endlosigkeit auf Sie herabsaust, Sie mitreißt, Sie in ein Zeitloch zieht, in einen Sog aus 120 000 Jahren, dorthin, wo der moderne Mensch seinen Anfang nahm. Sie fallen.

Sie empfinden Stress in Reinform! Sie wollen flüchten, sich totstellen, aber keine Reaktion kann den Sturz im Zeitloch stoppen. Verzweifelt versuchen Sie sich zu erinnern, was der Antistresscoach Ihnen in gefährlichen Situationen geraten hat, wenn das Adrenalin in Ihnen wallt und Ihr Herz sich überschlägt. Ah, es war ein Satz, der Ihnen Gelassenheit geben sollte: »Ich entscheide, was gut für mich ist. Ich bin der Entscheider in meinem Leben.« Aber Ihr Stammhirn ignoriert Ihr Murmeln, läutet die höchste Alarmstufe ein, so dass es in den Ohren pfeift. Dieser Satz, so ahnen Sie, ist ein Satz aus dem Lehrbuch der Zukunft. Sie aber rasen in die Vergangenheit und dort herrschen andere Regeln, um dem Stress zu begegnen.

Fantasiespiel jenseits der Wissenschaft

Unsanft plumpsen Sie auf einen Untergrund aus hartem, scharfkantigem Gras, weder die Form noch Größe der Halme haben Sie je gesehen. Um Sie herum wuchert Grün in hundert Schattierungen, vor Ihnen fließt träge ein Fluss und weiter hinten schimmern die Oberflächen kleiner Seen. Vor Ihrem geistigen Auge flammt das Wort Afrika auf und in der Unterzeile steht geschrieben: Tal von Awash, 120 000 v. Chr. Sie kennen diese Gegend, waren erst vor kurzem im Urlaub hier. Da rasten Sie mit einem Jeep durch die Sandwüste und über Felsengestein. Karg und heiß fanden Sie es. Und nun soll sich Awash wie ein Paradies vor Ihnen ausbreiten? Eine solche Naturpracht haben Sie selbst auf Ihrer Dschungelreise durch Costa Rica nicht gesehen. Fremd ist die Vegetation und kreischend sind die Geräusche in der Luft.

Sie reiben sich die Blessur am rechten Oberschenkel und halten sich mit der anderen Hand die Augen zu, denn die Sonne Äthiopiens scheint grell auf Sie hinunter. Nach der ersten Verwirrung klopfen Sie den Sternenstaub vom teuren Anzug, lösen die Krawatte. Schatten, wo ist Schatten? Der Antistresssatz »Der Entscheider bin ich!« klopft in Ihren Schläfen, vielleicht wirkt er doch in der Vergangenheit …

»Es wird sich schon alles aufklären«, sagen Sie sich. Ganz klar, Ihre Nerven drehen gerade durch. Kein Wunder, Sie haben in den vergangenen Wochen schlichtweg zu viel gearbeitet. Das alles werden Halluzinationen sein, ein Selbstschutz des Gehirns, um endlich mal abzuschalten, ein Zwingen der Fantasie. Deshalb wundern Sie sich nicht über die Riesenkadaver auf dem Weg, auch die seltsamen Töne in der Ferne wollen Sie nicht decodieren. Sie sind erschöpft, wollen ein Glas Wein und Ruhe, wollen einfach nur nachdenken, was aktuell in den Projekten schiefläuft und warum der Konflikt mit Ihrem Chef schwillt. Das denken Sie, während Sie einer Höhle entgegenwanken und durch eine Öffnung sehen. Sie halten die Luft an, während Ihr analytischer, präfrontaler Kortex versucht, der Situation, die sich vor Ihnen abspielt, eine Logik zu geben.

Vor Ihnen sitzen Männer und Frauen um ein Feuer herum. Ihre Haare sind schwarz und lang, fallen bis zur Hüfte. Ungewohnte Laute schallen durch die Höhle. Man fasst sich an, flirtet, redet miteinander. Die Frauen sind über und über mit weißen Punkten betupft und die Männer mit Ketten geschmückt. In ihren Händen halten sie Steine, die sie rhythmisch aufeinanderschlagen. Und plötzlich springt ein Mann auf, er ist fast so groß wie Sie. Er blitzt Ihnen mit seinen schwarzen Augen entgegen und für einen Moment zieht er die dichten Brauen gefährlich zusammen. Dann riecht er an Ihnen, streicht über Ihren Oberarm. Und plötzlich schlägt er sich gegen die Brust und ruft: »Tuffo Luno.«

Ihr erster Impuls ist fortzulaufen, aber Sie können nicht, der Oberschenkel schmerzt. Wohin sollen Sie auch flüchten? Also schließen Sie die Augen, stellen sich tot in der Hoffnung, es möge Ihnen nichts geschehen, und warten, bis der Adrenalinstoß vorüberzieht. Dann wagen Sie zu blinzeln, und zu Ihrem Erstaunen sieht der haarige Mann freundlich aus, reicht Ihnen seine Kette mit aufgereihten Schneckenhäusern. Die anderen klatschen in die Hände, kommen auf Sie zu, berühren Sie an Kinn und Stirn. Noch zucken Sie zurück, aber Angst empfinden Sie nicht mehr, trotz der Steinwaffen auf dem Boden, trotz der unverständlichen Wortfetzen, die an Ihnen vorbeirauschen. Stumm stehen Sie da und versuchen einzuordnen, was Sie sehen. Doch plötzlich ändert sich diese Szene. Schritte. Schreie. Ein Jugendlicher mit weit aufgerissenen Augen stürzt wild mit den Armen fuchtelnd an Ihnen vorbei. Die Männer und Frauen spannen ihre Muskeln an und flüchten hinaus ins Freie. Nie zuvor haben Sie Menschen schneller laufen gesehen. Sie bleiben vor der Höhle zurück. Alleine – mit einem Bär. Der fletscht seine Zähne, jeder einzelne ist groß wie ein Messer. Der Bär hebt seine Pranke, die ist schwer wie eine Axt. Zwar sind auch Ihre Augen weit aufgerissen, zwar spannt auch Ihr Muskelgürtel am Bauch und Ihr Herz trommelt, nur laufen können Sie nicht. Ihr Gehirn brüllt »Gefahr!«, aber Ihre Nerven setzen den Impuls nicht in Bewegung um. Sie zittern und japsen, schließen die Augen, als die Pranke auf Sie niedersaust, und wie ein letztes Stoßgebot sagen Sie: »Der Entscheider über mein Leben bin ich« – und dann wird es dunkel und kalt. Das Zeitloch öffnet sich erneut, saugt Sie hinein, und als Sie zu sich kommen, da fletscht Ihr Chef die Zähne. Die sind zwar nicht so groß wie Messer, aber die gelbliche Farbe erinnert Sie an den Bär, dem Sie gerade entkommen sind. Die Hände des Chefs schlagen im Takt seiner Worte auf den Tisch: »Ich brauche die Zahlen bis zur Bilanzpressekonferenz. Und die ist morgen!« Sie denken an Tuffo Luno und wollen flüchten, aber das würde Ihr Chef Ihnen übelnehmen.

Das Erbe des Homo sapiens

Der frühe Homo sapiens war ein treuer, auf Partnerschaft ausgerichteter Mensch, der Kunst und Handwerk entwickelte sowie Schmuck und Mode schätzte. Sein Alltag ist kein Geheimnis mehr, sondern konnte weitgehend durch Gendaten aus Knochen oder durch Sedimente in Gesteinen entschlüsselt werden. Wir haben heute ein Bild vom Leben dieser biogenetischen Vorfahren und dürfen sogar annehmen: Ihr Gehirn war von Volumen und Gewicht unserem heutigen ähnlich. Aber Intelligenz wächst mit der Vielfalt, und wer weiß, wo wir heute wären, hätten diese Menschen nicht den Mut und die Neugierde verspürt, über Kontinente hinwegzuwandern, sich den Gefahren zu stellen, den Stress auszuhalten und ihm täglich in Todessituationen die Stirn zu bieten. Und hier liegt der Knackpunkt: Der Homo sapiens trainierte sein Stammhirn täglich. Das Entkommen aus einer todesbedrohlichen Situation wurde zu seiner Stärke. Er kannte die Kniffe für Flucht oder Täuschungsmanöver. Das hatte er quasi mit der Muttermilch eingesogen, das war das Muster in seinem Gehirn. So wagen wir zu sagen: Der frühe Homo sapiens war uns im Umgang mit Stress voraus. Diesen Aspekt lassen die Anthropologen außer Acht, wenn sie feststellen: »Der Mensch unterscheidet sich von seinen nächsten Verwandten unter den Primaten morphologisch gesehen hauptsächlich durch drei bereits fossil dokumentierte biologische Merkmale: ein stark vergrößertes Gehirn, den aufrechten Gang sowie einen umgestalteten Kauapparat.« (1)

Diese Merkmale differenzierten sich mit dem Aufbruch dieser Menschen aus Afrika weiter aus. Das wissen wir heute. Letztendlich formte sich in dieser Zeit auch die Sprache in ihrer Phonetik, Artikulation und Audition. Wir wissen jedoch nicht, wie ihre Gefühlswelt war, dürfen nur annehmen, dass in Phasen des Stresses Tuffo Luno und seine Kumpanen kaum eine Hilflosigkeit spürten. Sie gaben sich dem Wechsel aus Gefahr und Ruhe in einer natürlichen Weise hin. Der Rhythmus seines Arbeitstages bestand in den Eckdaten aus Vorsicht, Gefahr, Blitzentscheidung und Ruhe. Damit konnte sein Körper umgehen, das Adrenalin, das ihm den Schub gab, um dem Bär zu entkommen, durfte bei gelungener Flucht wieder aus dem Blut weichen. Diese Phasen von Spannung und Entspannung waren eingespielt und hielten den Homo sapiens bei Laune. Denn von der richtigen Reaktion unter Stress hing sein Leben ab und von der Ruhe danach die Kraft für die nächsten Attacken. Diese Gabe vererbte er weiter, gab sie Generationen mit auf den Weg. Kurzum: Das Stammhirn stand im Trainingsmittelpunkt. Heute ist das anders. Heute fehlt der Bär.

Raffinierte Muster finden

Unsere Welt ist komplex geworden. Keine Zeitzonen, keine Ruhezonen, alles verschmilzt zu einer digital getriebenen Wirklichkeit mit 24/7-Einsatz. Wer schläft, verpasst Chancen. Was uns heute gefährdet, sind der Druck durch den Chef, die Ellenbogenmentalität der Kollegen, die Stapel unerledigter Aufgaben auf den Schreibtischen, die fehlende Balance zwischen Beruf und Privatem, der Drang nach stets aktuellen Informationen. Viele Menschen bagatellisieren ihre Situation, um dynamisch zu erscheinen und um keinen Karriereknick zu riskieren. Dafür sind sie bereit, die Selbstfürsorge zur Seite zu schieben mit den Worten: »Später kümmere ich mich um mein Wohlbefinden, jetzt ruft die Pflicht.« Die innere Stimme, die zur Erholung mahnt, die Hunger und Durst ankündigt, die wird leise gedreht, denn sie stört den Eifer. Der Bär, der seine Pranke hebt, um zu töten, ist längst zur Metapher mutiert. Sie steht für die tausend Ansprüche an jedem Tag. Und diese Details summieren sich zum großen Klumpen Stress in Ihnen. Leider verrät uns die jährlich steigende Erschöpfungswelle in den Führungsetagen deutscher Unternehmen, dass besonders Manager keine Werkzeuge haben, um diesen Klumpen zu schmelzen. Dabei würde das Gehirn des digital versierten, emotional trainierten und zukunftsdenkenden Menschen durchaus fähig sein, der Schwere eine Leichtigkeit zu geben und dem Leben mehr Ruhe.

Im Laufe der Evolution haben sich nämlich milliardenfach Verzweigungen im Gehirn gebildet. Diese sind als Dendriten mit den veränderten Lebens- und Leistungsbedingungen gewachsen, sie warten nur darauf, sich zu Synapsen zusammenzufügen. Denn das Gehirn verfügt über eine beeindruckende Plastizität. Es baut sich um, baut sich auf – und leider auch ab, wenn wir neue Muster nicht nutzen und sie in den täglichen Ablaufplan integrieren. Umgekehrt gilt: Wenn Sie Ihr Gehirn überfordern – durch die Aufnahme zu vieler Reize, durch ein andauerndes Agieren unter Druck – schrumpft das Gehirn. Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass der Hippocampus, der älteste Teil des limbischen Systems, wunderbar dehnbar ist – wenn er zwischendurch ruhen darf. Ansonsten nimmt sein Volumen ab und ein Mangel an Merk- und Konzentrationsfähigkeit ist die Folge. Stress verändert das menschliche Gehirn – und damit die Persönlichkeit.

Tipp

Wer ständig dem Feuerbeschuss der Hormone ausgesetzt ist, der begibt sich geistig, körperlich und seelisch in Gefahr.

Der Neurobiologe Gerald Hüther schreibt dazu: »In Sekundenbruchteilen werden alle gespeicherten Informationen abgesucht, gleichzeitig wird über Nervenfortsätze, die in alle Regionen des Körpers ziehen, ebenfalls Alarm geschlagen. Jedes Organ versteht dieses Signal sofort. Die Nebennieren entleeren ihre Vorräte an Adrenalin, dem bekanntesten Stresshormon, in das vorbeifließende Blut. Das Herz beginnt wie wild zu schlagen, die Blutgefäße werden eng gestellt, die Muskulatur zum Sprung vorbereitet, Energiereserven der Leber mobilisiert, die Pupillen weit aufgemacht und – so man welche hat – richten sich sogar die Haare auf, wie bei einem Hund, dem sich bei Erregung das Fell sträubt.« (2)

In dieser Weise handeln Sie täglich. Sie flüchten vor vielen Bären, denen Sie eine immense Kraft über sich zusprechen. Sie schrauben sich zig Male am Tag spiralförmig nach oben und zwar so lange, bis Sie atemlos und orientierungslos sind. Bis zum Zusammenbruch. Deshalb wollen wir Ihnen ans Herz legen: Auch der Umgang mit Stress unterliegt den Gesetzen der Evolution.

Früher gab es nur die Flucht. Heute ist diese in den seltensten Fällen das Mittel der Wahl.

Früher gab es nach einem gelungenen Sprint den Applaus der Angehörigen. Heute hören Sie aus Ihrer Umgebung die Aufforderung, noch schneller und weiter zu laufen.

Früher war das Zwischenhirn mit Synapsen engmaschig durchwebt, weil hier der Impuls zur Lebensrettung saß. Heute haben Sie raffinierte Reaktionsmuster, die auf Stress reagieren. Sie haben einen unfassbar größeren Überblick über Raum, Zeit und über die Zusammenhänge dieser Welt.

Und was machen Sie? Sie sehen hinter jedem Problem den Bären und just in diesem Moment verschieben sich die Perspektiven. Der Sinn für mannigfaltige Lösungen schwindet, wenn Sie ständig mit dem Schrecken leben. Die schönen Gaben des logischen Denkens, der sprachlichen Argumentation, der Analyse der Situation und der humorvollen Emotion sind nicht mehr möglich, weil Sie im Stress den Tunnelblick auf die Gefahr halten. Bei Wiederholung werden die raffinierten Lösungen gelöscht. Wie gesagt: Ihr Training macht das Gehirn. Dort bleibt nur bestehen, was Sie abrufen und nutzen. Alles andere wird als überflüssige Verknüpfung identifiziert. Und am Ende spüren Sie Stress in Reinform – getrieben von einer Überdosis Adrenalin. Wir vermuten, Tuffo Luno, dem Sie nach dem Fall durch das imaginäre Zeitloch in der Höhle nahe dem Fluss Awash begegneten, würde mit dem Kopf schütteln. Vielleicht würde er einen Laut ausstoßen, dazu die Steine zusammenschlagen, weil er sich wundert, wie moderne Menschen hetzen, ohne dass der Angriff eines wilden Tieres droht.

Dieser alte Kumpel ging klüger mit dem Adrenalinschub um. Er ließ ihn aufwallen, Schäume schlagen und wieder abflachen. Er atmete ihn aus und gewann seinen inneren Frieden in nur wenigen Minuten zurück. Er war fähig, sich zu regenerieren, indem er Glückshormone aktivierte. Sein neuronales Zusammenspiel war noch im Takt. Wir werden ihm im achten Kapitel noch einmal begegnen und uns genau ansehen, warum er Ihnen in Sachen Stress überlegen war, obwohl er nicht um die Wirkung der Sympathikus-Nebennierenmark-Achse wusste. Eine Stimulation dieser Achse nämlich führt zur Ausschüttung von Noradrenalin und Adrenalin. Stress!