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Die Abfassung dieses Lehrgedichtes wird Vyasa zugeschrieben, und da von diesem auch gesagt wird, dass er den Menschen die Veden gegeben habe, so ist vorläufig eine Diskussion über die verschiedenen Daten ohne Nutzen und mag besser für eine andere Gelegenheit aufgeschoben werden. Die Bhagavad Gita ist ein Teil der Mahabharata, dem großen Epos Indiens. Die Mahabharata hat ihren Namen von ihrem Inhalt, der allgemeinen Geschichte des Hauses Bharata; Maha bedeutet groß. Ihre speziellere Aufgabe besteht jedoch in einem Bericht von den Kämpfen zwischen den Kurus und Pandus, zwei starken Zweigen aus dieser Familie. Der in der Bhagavad-Gita enthaltene Teil ist der erhabene philosophische und metaphysische Dialog zwischen Krishna und Arjuna vor dem Beginn einer Schlacht zwischen beiden um die Herrschaft kämpfenden Stämmen.
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Titelseite
Vorwort
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
Studien über die Bhagavad-Gita
William Quan Judge
* * *
Verlag Heliakon
Umschlaggestaltung: Verlag Heliakon
Titelbild: Pixabay (ChaosMann)
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Die nachstehenden Abhandlungen sind aus der von William Q. Judge gegründeten und von ihm herausgegebenen Zeitschrift „The Path“ (der Pfad) genommen, wo sie in den Jahren 1887 – 88 in einer Reihe von fortlaufenden Artikeln mit der Überschrift „Bhagavad Gita“ erschienen. Die in diesen Studien vorkommenden Zitate aus der Bhagavad Gita selbst sind, was Satzgestaltung betrifft, nicht die gleichen, wie sie W. Q. Judge in seiner eigenen englischen Ausgabe der Bhagavad Gita formulierte.
Als W. Q. Judge diese Erläuterungen niederschrieb, war er noch nicht selbst an die Übersetzung der Bhagavad Gita herangetreten, sondern benützte die vorhandenen Ausgaben, wodurch es kommt, dass die spätere Veröffentlichung seiner Übersetzung, (welche übrigens sich ideell mit der Ausgabe des Brahminen und Sanskritgelehrten Mohini M. Chatterji deckt, wenn sie auch eine ergebenere Sprache führt) eine geringe Verschiedenheit in den Zitaten zeigt. Doch dürfte dieses den ernsten Forscher und Jünger der Wahrheit wohl kaum hindern, den hohen Wert der gegebenen Erläuterungen richtig zu schätzen.
Möchten die deutschen Freunde der wahren Theosophischen Bewegung hiermit ein neues Verknüpfungsmittel mit den erprobten Lehrern und Führern der Menschheit zum eigenen Wohl und zum besten unserer Nation in die Hand bekommen.
Der Übersetzer
Wenn man den Titel dieses heiligen Hindugedichtes umschreiben wollte, dann würde er lauten:
Das heilige Lied von Gott, der zu Anfang des Kali-Yuga oder des dunklen Zeitalters auf die Erde kam, um die Menschen zu unterrichten und ihnen zu helfen.
Gita heißt Lied, und Bhagavad ist ein Name von Krishna. Krishna ist ein Avatar1. Entsprechend den Anschauungen der Brahmanen leben wir jetzt im Kali-Yuga2, das mit dem Tode Krishnas3 begann.
Von Krishna wird gesagt, dass er kam, um den Menschen jene moralischen und philosophischen Ideen zu geben, welche für die Zeit dieses Yugas zu wissen notwendig seien; wenn diese zu Ende, und nach einer kurzen Periode der Finsternis wird ein besseres Zeitalter beginnen.
Die Abfassung dieses Lehrgedichtes wird Vyasa zugeschrieben, und da von diesem auch gesagt wird, dass er den Menschen die Veden gegeben habe, so ist vorläufig eine Diskussion über die verschiedenen Daten ohne Nutzen und mag besser für eine andere Gelegenheit aufgeschoben werden.
Die Bhagavad Gita ist ein Teil der Mahabharata, dem großen Epos Indiens. Die Mahabharata hat ihren Namen von ihrem Inhalt, der allgemeinen Geschichte des Hauses Bharata; Maha bedeutet groß. Ihre speziellere Aufgabe besteht jedoch in einem Bericht von den Kämpfen zwischen den Kurus und Pandus, zwei starken Zweigen aus dieser Familie. Der in der Bhagavad-Gita enthaltene Teil ist der erhabene philosophische und metaphysische Dialog zwischen Krishna und Arjuna vor dem Beginn einer Schlacht zwischen beiden um die Herrschaft kämpfenden Stämmen.
Das Schlachtfeld ist auf eine Ebene verlegt, „Kurukschetra“ genannt, welche auf einem Landstreifen nahe Delhi, zwischen Indus, Ganges und dem Himalayagebirge liegt. Manche europäischen Übersetzer und Erklärer dieses Heldengedichtes, welche keine Kenntnis von dem psychologischen System der Hindus haben, ein System, das aber tatsächlich jedem Worte dieses Lehrgedichtes zu Grunde liegt, haben diese Ebene und die Schlacht rein buchstäblich genommen; einige sind dann soweit gegangen, dass sie die Handelsprodukte dieses Landes während des mutmaßlichen Zeitpunktes aufführen, sodass die Leser dadurch auf die Motive für diesen Kampf schließen sollten. Gewiss hat letzterer stattgefunden, denn der Mensch imitiert fortwährend die höheren spirituellen Regionen; aber ein großer Weiser kann ebenso menschliche Ereignisse dazu benützen, um auf allegorischer Grundlage ein edles philosophisches System zu errichten. In einer Beziehung gibt uns die Geschichte nur die kleinen oder großen Vorfälle aus der Evolution der Menschheit; aber in anderer Hinsicht kann uns eine große historische Epoche die Gemälde von der Evolutionsstufe der ganzen Menschheit oder von irgendeiner korrespondierenden Fakultät der individuellen Seele geben. So sehen wir auch, wie sich westliche Gemüter hie und da darüber wundern, dass eine solche erhabene metaphysische Diskussion durch die Kämpfe von Barbaren entstellt werden sollte. Aber hier zeigt sich der materialisierende Einfluss der westlichen Kultur, wodurch man kaum fähig ist, diesem Teil des Epos eine höhere Bedeutung zuzuschreiben, obwohl man zugesteht, dass man seinen Sinn noch nicht völlig erforscht hat.
Ehe die Upanischaden richtig wiedergegeben werden können, muss erst das System der indischen Psychologie verstanden sein. Aber selbst wenn dessen Existenz zugegeben wird, dann findet die englisch4 sprechende Welt immer noch eine große Schwierigkeit in dem Mangel an Worten, welche für die im Sanskrit so häufig gefundenen Ideen treffend gebraucht werden können. So müssen wir uns gedulden, bis eine neue Klasse von Worten entstanden ist, um diese, der westlichen Kultur noch fremden Ideen auszudrücken.
Die Lage der Ebene, auf welcher die Schlacht sich abspielte, ist wichtig, und ebenso auch die Angabe der Ströme und Berge, von denen sie umgrenzt wird. Ebenso notwendig ist ein Verständnis für die Namen der kämpfenden Fürsten. Ja sogar die Stelle in der Mahabharata, in welcher sich das Lehrgedicht eingefügt findet, hat ihre tiefe Bedeutung, und wir dürfen über nichts in Unwissenheit bleiben, was mit den Vorgängen zusammenhängt, Wenn wir glauben, dass Vyasa oder Krishna die heilige Ebene von Kurukschetra und den großen Kampf nur als dekoratives Beiwerk für sein Zwiegespräch benützte, was wir aber ebenso leicht weglassen können, dann geht das ganze Gewicht des Dialogs verloren.
Wenngleich die Bhagavad Gita ein kleines Buch ist, so wurden doch unter den Hindus mehr Erklärungen darüber geschrieben, als die Christen zur Offenbarung St. Johannis besitzen.
Ich beabsichtige nicht, mich mit diesen Kommentaren zu befassen, einerseits weil ich kein Sanskritgelehrter bin, andrerseits weil kein großer Gewinn daraus entspringen würde. Manche von ihnen sind phantastisch, andere wieder unsachlich, und jene, welche wirklich von Wert sind, können von jedem eifrig Forschenden selbst studiert werden. Was ich mir hier vorgenommen habe und allen bieten möchte, welche diese Zeilen lesen, ist ein Studium der Bhagavad Gita durch das Leben jener spirituellen Lampe, sei sie nun klein oder groß, welche die höchste Seele nähren und in uns wachsen lassen wird, falls wir ihrer Eröffnung folgen und eifrig nach ihr forschen wollen. Solcher Gestalt wenigstens ist das von Krishna in der Bhagavad Gita gegebene Versprechen.
1 Eine direkte Verkörperung Gottes auf Erden. (Anm. d. Übers.)
2 Wegen Kali-Yuga siehe „Meer der Theosophie“ von W. Q. Judge. Dieses dauert 432000 Jahre, zerfällt aber in Zyklen von je 5000 Jahren, wovon jedes Mal die ersten 2500 Jahre ins Licht emporsteigen und die nächsten 2500 sich allmählich wieder in dunklere Zustände hinaufbewegen, so dass die Totalwirkung trotz der anscheinenden Verfinsterung der zweiten Hälfte dennoch einen höheren Gesamtzustand der Evolution hervorruft. (Anm. d. Übers.)
3 Im Jahre 3102 vor Christus. (Anm. d. Übers.)
4 Natürlich auch für die anderen Sprachen mit Ausnahme des Sanskrit.
In meinen einleitenden Worten erklärte ich bereits, dass ich mich mit den Kommentaren zur Bhagavad Gita nicht befassen würde, da ich kein Sanskritgelehrter sei. Die meisten dieser Kommentare betrachten dieses Zwiegespräch von sehr verschiedenen Standpunkten. Viele Hindugelehrte sind über die von Shankaracharya gegebenen Erklärungen nicht hinausgegangen und nahezu alle haben sich geweigert mehr zu tun, als die Erklärung der im ersten Kapitel erscheinenden Namen der verschiedenen Personen zu geben.
Es existiert aber die höchste Autorität für das Lesen dieses Buches zwischen den Zeilen. Selbst die Vedas sagen, dass das, was wir von ihnen sehen, nur die enthüllte Veda sei, dass man aber darnach ringen sollte, über diese enthüllte Veda empor zu kommen. Dadurch wird ohne jeden Zweifel angedeutet, dass die nicht enthüllte Veda in dem verborgen oder enthalten sein muss, welches vor unseren äußeren Augen erscheint. Stünde uns aber dieses Privilegium nicht zu, so wären wir tatsächlich auf die alleinige Erlangung des wahren Wissens durch die im sterblichen Erdenkörper möglichen Erfahrungen angewiesen und würden dadurch einerseits den groben Fehlern der Materialisten verfallen, welche behaupten, dass das Gemüt nur die Wirkung der in Tätigkeit versetzten Gehirnmoleküle ist; auf der anderen Seite würden wir uns dann aber wieder den kanonischen Gesetzen unterwerfen müssen, wonach das Gewissen nur dann ein sicherer Führer ist, wenn es durch die exoterischen äußeren Gesetze der Kirchen oder der Brahminenkaste reguliert wird. Aber wir wissen sehr wohl, dass in dem materiellen, augenfälligen — oder enthüllten — Menschen der wirkliche Mensch steht, welcher nicht enthüllt ist.
Dieses wertvolle Vorrecht, nach dem inneren Sinn ausschauen zu dürfen, ohne dass dabei dem Text nicht zukommende Bedeutungen untergelegt zu werden brauchen, ist allen aufrichtigen Schülern und Forschern in den „heidnischen“ und christlichen heiligen Schriften vorbehalten. Und in unserem vorliegenden Lehrgespräch erklärt Krishna, dass er die Lampe der spirituellen Weisheit nähren wird, so dass die wirkliche Bedeutung seiner Worte zu Tage tritt. Ebenso vertreten auch die Upanischaden die Existenz einer Fakultät und deren richtigen Gebrauch, wodurch man die wirkliche oder verhüllte Bedeutung der heiligen Bücher klar zu sehen vermag. In Wirklichkeit gibt es eine Schule von Okkultisten, welche — nach unserer Ansicht mit gutem Grund — der Anschauung sind, dass diese Kraft durch ergebene Personen so entfaltet werden kann, dass selbst das Vorlesen aus einem heiligen Buch in gänzlich unbekannter Sprache sofort mit dem wahren Sinn und der allgemeinen Tendenz der sprachlich fremden Sätze augenblicklich bekannt macht.1 Was die Bibel2 betrifft, so sagen alle christlichen Erklärer, dass man nur dem Geist und nicht dem Buchstaben folgen dürfe. Dieser Geist ist jene verhüllte Veda, nach welcher man zwischen den Zeilen forschen muss.
Auch darf sich der westliche Forscher in diesem Buch in seinem Suchen nach dem wahren Sinn desselben nicht durch die Haltung der Brahminen abhalten lassen, welche sagen, dass nur den Brahminen die wirkliche Bedeutung gegeben werden Könnte, und dass, weil Krishna sie nicht gegeben, man sie jetzt auch den Sudras und anderen Menschen von niederer Kaste nicht mitteilen dürfe. Würde diese Anschauung die Oberhand haben, so wären alle westlichen Theosophen vom Gebrauch dieses wichtigen Buches ausgeschlossen, da alle Nicht-Hindus notwendig der Sudrakaste angehören. Krishna selbst machte solchen Ausschluss nicht; letzterer ging nur von dem Priestertum aus. Krishna selbst war ein Schafhirte und gehörte der Brahminenkaste nicht an; er sagt, dass jeder, welcher seinen Worten Gehör schenkt, große Hülfen erlangen wird.
Die einzige von Krishna gemachte Einschränkung lautet, dass diese Lehren nicht Jenen gelehrt werden dürfen, welche nicht hören wollen; genau dieselbe Anweisung, welche Jesus von Nazareth gab mit den Worten: „Gebet das Heilige nicht den Hunden hin und werfet eure Perlen nicht den Schweinen vor, damit sie nicht mit ihren Füssen sie zertreten, sich umwenden und euch zerreißen. (Matth. VII 6.)
Da aber unsere Gemüter häufig auf Grund von Suggestionen und Winken arbeiten und folglich in Ermangelung der nötigen Winke über die wichtigsten Punkte letztere gänzlich außer Acht lassen möchten, so müssen wir uns stets vor Augen halten, dass ein psychologisches System der Arier existiert, welches die Grundlage für all diese Lehren bildet, die aber von den meisten unserer Orientalisten als Torheiten betrachtet werden, da sie das Interesse eines modernen Kulturmenschen angeblich nicht verdienen. Aber selbst unsere spärliche Bekanntschaft mit der arischen Psychologie braucht uns von unserer Aufgabe nicht zurückschrecken zu lassen. Denn in dem Augenblick, wo wir ihre Anwesenheit in diesem Lehrbuch wahrnehmen, ist auch unser inneres Selbst schon bereit, dem äußeren Menschen beim Erfassen derselben behilflich zu sein, und in dem edlen Beschäftigen mit diesen erhabenen philosophischen und moralischen Wahrheiten — unserer ewigen Anstrengung, sie als einen Bestandteil unserer eigenen Natur zu erkennen — vermögen wir in Geduld auf eine volle Erkenntnis über die Anatomie und die Funktionen des inneren Menschen zu warten.