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Von 1930 bis 1931, als der Roman "Tender Is the Night" (Zärtlich ist die Nacht) noch unvollendet war, schrieb Fitzgerald fünf Josephine Perry-Geschichten, die sich um ein junges Mädchen, Basils weibliches Gegenstück, drehten. Obwohl Fitzgerald die Absicht hatte, die vierzehn Geschichten um Basil Lee und Josephine Perry in einem einzigen Werk zusammenzufassen, gelang ihm dies zu Lebzeiten nicht. Die Geschichten handeln von der Rebellion der Teenager und drehen sich um die Perrys, eine wohlhabende Familie in Chicago. Josephine ist eine schwierige Teenager-Figur, die als eigenwilliges Mädchen dargestellt wird. Einige Kritiker haben die Theorie aufgestellt, dass sie auf Ginevra King basiert, der berühmten Debütantin aus Chicago, die Fitzgeralds "erste Liebe" war. Josephine Perry wird als "Chicago Girl" beschrieben, deren Familie eine wichtige Rolle in der Gesellschaft spielt. Dies ermöglicht es ihr, Entscheidungen zu treffen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Als sie zum Beispiel von einer Schule verwiesen wird, wird sie aufgrund des Einflusses ihres Vaters wieder aufgenommen. Im Gegensatz zu anderen rebellischen Teenagern, wie Holden Caulfield, weiß Josephine, dass sich ihre schulischen Probleme von selbst lösen werden. "First Blood" (Erstes Blut) ist die erste der fünfteiligen Geschichten. Diese Geschichte wurde veröffentlicht, als Zeldas psychische Gesundheit sich merklich verschlechterte. Daher begann Fitzgerald, die Einnahmen aus den Kurzgeschichten zur Bezahlung von Arztrechnungen zu verwenden. Die erste Geschichte wurde im selben Monat veröffentlicht, in dem Zelda Fitzgerald ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Der Titel könnte sich auf das Reißen des Jungfernhäutchens eines Mädchens beziehen. Das "Jazz Age" neigt sich seinem Ende entgegen: Für ein paar Jahre waren Scott und seine Frau Zelda Fitzgerald die Ikonen dieser Zeit, in der der amerikanische Traum nicht von emsigen Arbeitern, sondern von leichtsinnigen Träumern bestimmt wurde – bis zum "Schwarzen Freitag", der 25. Oktober 1929. Die nun hier versammelten Erzählungen erscheinen als Zeugnis für den Einbruch des Niedergangs im Leben des Autors und zugleich des amerikanischen Traums. Fitzgerald selbst machte keinen Hehl daraus, dass nach den wilden, atemlosen Höhenflügen seiner Erfolge in den zwanziger Jahren eine Zeit der Bruchlandungen folgte. Andererseits waren die Stories für Hochglanzmagazine sein Geschäftsmodell, mit denen er sehr gut verdienen konnte.
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Seitenzahl: 369
F. Scott Fitzgerald
Stürmische Überfahrt
10 Erzählungen (1929-1930)
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Titelgestaltung: ebuchedition words&music unter Verwendung eines Steamship Travel Posters der Canadian Pacific. Coverschrift gesetzt aus der Dusty Rose NF
STÜRMISCHE ÜBERFAHRT
MAJESTÄT
IN IHREM ALTER
DIE SCHWIMMER
ZWEI FEHLER
ERSTES BLUT
EIN SCHÖNER RUHIGER ORT
DIE HOCHZEITSGESELLSCHAFT
JOSEPHINE: EINE FRAU MIT VERGANGENHEIT
EINE REISE INS AUSLAND
Bisher sind in dieser Reihe folgende E-Bücher erschienen:
Impressum neobooks
F. Scott Fitzgerald
STÜRMISCHE ÜBERFAHRT
10 Erzählungen
(1929-1930)
Impressum
F. Scott Fitzgerald: Stürmische Überfahrt, 10 Erzählungen (1929-1930)
Neu übersetzt aus dem Amerikanischen von Peter Eckhart Reichel nach den Veröffentlichungen der rechtefreien Originaltexte des Project Gutenberg of Australia.
© 2024 hoerbuchedition words & music
Alle Rechte vorbehalten.
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ebuchedition words & music
Inhaber: Peter Eckhart Reichel
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D-14163 Berlin
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Kennwort: F. Scott Fitzgerald: Stürmische Überfahrt
Von 1930 bis 1931, als der Roman „Tender Is the Night“ (Zärtlich ist die Nacht) noch unvollendet war, schrieb Fitzgerald fünf Josephine Perry-Geschichten, die sich um ein junges Mädchen, Basils weibliches Gegenstück, drehten. Obwohl Fitzgerald die Absicht hatte, die vierzehn Geschichten um Basil Lee und Josephine Perry in einem einzigen Werk zusammenzufassen, gelang ihm dies zu Lebzeiten nicht.
Die Geschichten handeln von der Rebellion der Teenager und drehen sich um die Perrys, eine wohlhabende Familie in Chicago. Josephine ist eine schwierige Teenager-Figur, die als eigenwilliges Mädchen dargestellt wird. Einige Kritiker haben die Theorie aufgestellt, dass sie auf Ginevra King basiert, der berühmten Debütantin aus Chicago, die Fitzgeralds „erste Liebe“ war. Josephine Perry wird als „Chicago Girl“ beschrieben, deren Familie eine wichtige Rolle in der Gesellschaft spielt. Dies ermöglicht es ihr, Entscheidungen zu treffen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Als sie zum Beispiel von einer Schule verwiesen wird, wird sie aufgrund des Einflusses ihres Vaters wieder aufgenommen. Im Gegensatz zu anderen rebellischen Teenagern, wie Holden Caulfield, weiß Josephine, dass sich ihre schulischen Probleme von selbst lösen werden.
„First Blood“ (Erstes Blut) ist die erste der fünfteiligen Geschichten. Diese Geschichte wurde veröffentlicht, als Zeldas psychische Gesundheit sich merklich verschlechterte. Daher begann Fitzgerald, die Einnahmen aus den Kurzgeschichten zur Bezahlung von Arztrechnungen zu verwenden. Die erste Geschichte wurde im selben Monat veröffentlicht, in dem Zelda Fitzgerald ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Der Titel könnte sich auf das Reißen des Jungfernhäutchens eines Mädchens beziehen.
Das „Jazz Age“ neigt sich seinem Ende entgegen: Für ein paar Jahre waren Scott und seine Frau Zelda Fitzgerald die Ikonen dieser Zeit, in der der amerikanische Traum nicht von emsigen Arbeitern, sondern von leichtsinnigen Träumern bestimmt wurde – bis zum „Schwarzen Freitag“, der 25. Oktober 1929. Die nun hier versammelten Erzählungen erscheinen als Zeugnis für den Einbruch des Niedergangs im Leben des Autors und zugleich des amerikanischen Traums. Fitzgerald selbst machte keinen Hehl daraus, dass nach den wilden, atemlosen Höhenflügen seiner Erfolge in den zwanziger Jahren eine Zeit der Bruchlandungen folgte. Andererseits waren die Stories für Hochglanzmagazine sein Geschäftsmodell, mit denen er sehr gut verdienen konnte.
Einige der ausgesuchten Geschichten entstanden vor und nach dem Börsencrash von 1929, der auch für Fitzgerald und sein Schaffen eine Zäsur darstellte. Danach gelangen ihm aber trotz aller gesundheitlichen und finanziellen Probleme immer wieder kleine Prosa-Meisterwerke, die uns heute noch faszinieren und berühren.
„The Bridal Party“ (Die Hochzeitsgesellschaft) ist eine Kurzgeschichte, die am 9. August 1930 im Saturday Evening Post erschien. Die Geschichte basiert auf der Hochzeit von Ludlow Fowlers Bruder Powell Fowler im Mai 1930 in Paris. Es ist Fitzgeralds erste Geschichte, die sich mit dem Börsencrash beschäftigt, und feiert das Ende der Zeit, als wohlhabende Amerikaner Paris kolonisierten.
„One Trip Abroad“ (Eine Reise ins Ausland) Diese Geschichte erschien erstmals in der Saturday Evening Post am 11. Oktober 1930. Einige Inhalte der Geschichte wurden später von Fitzgerald in seinem Roman „Zärtlich ist die Nacht“ von 1934 wiederverwendet. Die Kurzgeschichte handelt von zwei Personen, Nelson und Nicole Kelly, zwei wohlhabenden amerikanischen Auswanderern, die durch Europa reisen. Im Gegensatz zu einem Großteil der Literatur der 1920er Jahre, in der der Aufenthalt in Europa abenteuerlich und kosmopolitisch geschildert wird, erleben die beiden den moralischen und physischen Verfall ihrer Ehe und ihrer Körper, symbolisiert durch die Doppelgänger, denen sie immer wieder im Verlauf und besonders am Ende der Kurzgeschichte begegnen.
„Am 11. Mai 1930 darf Zelda Fitzgerald die Nervenklinik Malmaison verlassen, weil sie den Ärzten glaubhaft machen kann, dass ihre Ballettlehrerin sie so sehr vermisst und nicht ohne sie leben kann. Sie fährt tatsächlich direkt zu ihr, redet aber so wirres Zeug und umarmt sie vor allen anderen Tänzerinnen, dass Madame Egorova sie umgehend nach Hause schickt. Völlig aufgelöst, versucht sie das erste Mal, sich umzubringen. Scott Fitzgerald sucht panisch nach einer Lösung für seine Frau, die vollkommen von Sinnen ist. Er findet sie in der französischen Schweiz, in der Klinik Les Rives de Prangins in Nyon bei Genf, einer Nobelklinik, deren Buchsbäume so geschnitten sind wie die im Park von Versailles. Als Zelda ihr Zimmer bezieht, stellt sie auf den Nachttisch kein Foto ihres Gatten oder ihrer Tochter, sondern eines ihrer Tanzlehrerin. Der behandelnde Arzt Oscar Forel diagnostiziert sehr schnell: Schizophrenie. Fitzgerald darf seine Frau am Anfang nur alle vierzehn Tage sehen, deshalb zieht er durch die Luxushotels von Glion, Vevey, Caux, Lausanne und Genf. Sie schreibt ihm vom Krankenbett: «Unsere Divergenzen sind, das wirst du einsehen, zu groß. Es hat nicht den geringsten Zweck mit uns. Du kannst also unverzüglich tun, was man eben tut, um die Scheidung einzureichen.» Da ist es noch Frühling. Dann wird es Sommer, und die Schwalben fliegen tief, und es wird Herbst, und die Platanen werfen ihre gelben Blätter ab, und es wird Winter, und der Wind kommt von den Bergen her. Scott Fitzgerald reicht keine Scheidung ein, sondern schickt seiner Gattin aus dem Hotel alle zwei Tage einen Rosenstrauß.“ (Florian Illies: Liebe in Zeiten des Hasses / NZZ v. 23.10.2021)
Hier, am Genfer See, in einem unheilvollen Zustand und körperlich am Ende wegen der Unmengen Alkohols, die er zu sich nimmt, hier also schreibt Scott Fitzgerald im Sommer und Herbst 1930 einige seiner besten Erzählungen: „ Eine Reise ins Ausland“, „Stürmische Überfahrt“ und „Die Hochzeitsgesellschaft“. Genau hier findet er diesen einmaligen Stil seiner eigenen dreißiger Jahre. Zelda schreibt ihrem Mann aus der Klinik: „Ich habe große Angst, dass du entsetzt sein wirst, wenn du kommst und merkst, dass nichts mehr übrig geblieben ist außer Unordnung und Leere.“ Da weiß sie noch nicht, dass Fitzgerald eben diese Unordnung und diese Leere bereits schon in Weltliteratur verwandelt.
THE ROUGH CROSSING
I
Wenn man auf den langen, überdachten Piers steht, kommt man in ein geisterhaftes Land, das nicht mehr Hier und noch nicht Dort ist. Besonders nachts. Es ist vielmehr ein dunstiges gelbes Gewölbe voller schreiender, widerhallender Stimmen. Da wären das Rumpeln von Lastwagen und das Klappern von Koffern, das schrille Rattern eines Krans und der erste salzige Geruch des Meeres. Man eilt hindurch, obwohl man noch Zeit hat. Deine Vergangenheit, der ganze Kontinent, all das liegt nun hinter dir; die Zukunft ist der leuchtende Schlund an der Seite der Schiffswand; diese dunkle, turbulente Gasse ist verwirrend für die Gegenwart.
Die Gangway hinauf, und die Sicht auf die Welt verengt sich, wird immer enger. Man ist Bürger eines Staatenbundes, der kleiner als Andorra ist. Man ist sich nicht mehr so sicher über irgendetwas. Seltsam unbewegt die Männer am Schalter des Zahlmeisters, zellenartig die Kabine, hochmütig die Blicke der Reisenden und ihrer Freunde, feierlich der Offizier, der auf dem menschenleeren Promenadendeck steht und an etwas Eigenes denkt, während er auf die Menge unter ihm starrt. Ein letzter seltsamer Gedanke, dass man eigentlich nicht hätte hierher kommen müssen, dann die lauten, klagenden Pfiffe der Dampfsignale, und das Ding - gewiss nicht das Schiff, sondern eher eine menschliche Idee, eine Geisteshaltung – schiebt sich in die große dunkle Nacht hinaus.
Adrian Smith, einer der Prominenten an Bord - keine sehr große Berühmtheit, aber wichtig genug, um von einem Fotografen, der seinen Namen, von wem auch immer, erfahren hatte, aber nicht ganz sicher war, welchen ‚Bekanntheitsgrad‘ sein Motiv hatte, um in Blitzlichtgewitter getaucht zu werden -, Adrian Smith und seine blonde Frau Eva gingen auf das Promenadendeck, schlenderten an dem melancholischen Schiffsoffizier vorbei und fanden einen ruhiger gelegenen Aussichtspunkt, wo sie ihre Ellenbogen auf das Geländer stützten.
„Wir fahren schon!“, rief er schließlich aus, und beide lachten entzückt. „Wir sind entkommen. Jetzt können sie uns nicht mehr kriegen.“
„Wer?“
Er winkte vage mit der Hand in Richtung der städtischen Tiara.
„All diese Leute da draußen. Sie kommen jetzt mit ihren Häschertrupps und ihren Haftbefehlen und einer Liste von begangenen Verbrechen, die sie uns unterschieben wollen, und klingeln an unserer Tür in der Park Avenue und fragen nach den Adrian Smiths, aber was für ein Jubel! Die Adrian Smiths sind mit ihren Kindern und ihrem Kindermädchen auf dem Weg nach Frankreich.“
„Du lässt mich glauben, dass wir wirklich Verbrechen begangen haben.“
„Sie können dir nichts anhaben“, sagte er stirnrunzelnd. „Das ist eines der Dinge, weswegen sie hinter mir her sind - sie wissen, dass ich kein Anrecht auf eine Person wie dich habe, und sie sind deshalb so wütend. Das ist ein Grund, warum ich froh bin, hier wegzukommen.“
„Liebling“, sagte Eva.
Sie war sechsundzwanzig - fünf Jahre jünger als er. Sie war für jeden, der sie kannte, etwas Wertvolles.
„Ich mag dieses Schiff lieber als die Majestic oder die Aquitania“, bemerkte sie, untreu gegenüber den Schiffen, auf denen sie ihre Flitterwochen verbracht hatten.
„Es ist viel kleiner.“
„Aber es ist sehr elegant und hat all diese kleinen Geschäfte entlang der Korridore. Und ich glaube, die Kabinen sind auch komfortabler.“
„Die Leute sind sehr förmlich - ist dir das aufgefallen? - als ob sie denken, dass jeder andere ein Kartenspieler ist. Und in etwa vier Tagen wird die Hälfte von ihnen die andere Hälfte bereits mit Vornamen ansprechen.“
Plötzlich kamen vier Passagiere an ihnen vorbei - ein Quartett junger Mädchen, die nebeneinander eine Runde über das Deck drehten. Ihre acht Augen richteten sich kurz auf Adrian und Eva und dann automatisch wieder zurück, abgesehen von einem Augenpaar, das einen Moment länger mit einem kleinen Schreck verweilte. Sie gehörten einem der Mädchen in der Mitte, dass in der Tat die einzige Passagierin der vier war. Sie war nicht älter als achtzehn, eine kleine dunkle Schönheit mit dem feinen Kristallglanz, der bei Brünetten anstelle des strahlenden Glanzes einer Blondine hervortritt.
„Wer ist das denn?“, fragte sich Adrian. „Ich habe sie schon einmal gesehen.“
„Sie ist hübsch“, sagte Eva.
„Ja.“ Er fragte sich weiter, und Eva ließ sich einen Moment lang von ihm ablenken; dann lächelte sie ihn an und zog ihn zurück in ihre Privatsphäre.
„Erzähl mir mehr“, sagte sie.
„Worüber?“
„Über uns - was für eine schöne Zeit wir haben werden, und wie wir noch viel glücklicher sein werden und immer sehr eng verbunden.“
„Wie könnten wir uns noch näher sein?“ Er zog sie am Arm zu sich.
„Aber ich meine, dass wir uns nie wieder über dumme Dinge streiten werden. Weißt du, als du mir letzte Woche mein Geburtstagsgeschenk gegeben hast, habe ich mir vorgenommen“- ihre Finger streichelten die feinen Perlen an ihrem Hals, - „dass ich versuchen würde, nie wieder etwas Gemeines zu dir zu sagen.“
„Du hast noch nie etwas Gemeines zu mir gesagt, mein Schatz.“
Doch selbst als er sie an seine Seite drückte, wusste sie, dass der Moment der völligen Isolation fast schon vorüber war, bevor er überhaupt begonnen hatte. Seine Antennen waren bereits ausgefahren und tasteten diese neue Welt ab.
„Die meisten Menschen sehen ziemlich schrecklich aus“, sagte er, „klein, dunkelhäutig und hässlich. Früher sahen die Amerikaner nicht so aus.“
„Sie sehen so trostlos aus“, stimmte sie zu. Lass uns niemanden kennenlernen, sondern einfach zusammenbleiben.
Jetzt ertönte ein Gong, und die Stewards riefen über die Decks: „Besucher bitte von Bord“, und die Stimmen erhoben sich zu einem schrillen Chor. Eine Zeit lang waren die Landungsbrücken überfüllt, dann wurden sie leerer, und die drängelnde Menge hinter der Absperrung winkte und rief unverständliche Worte, allgemein grinsten sie sich an, warfen sich gegenseitig gute Wünsche zu. Als die Stauer mit der Arbeit an den Seilen begannen, kam noch ein flachgesichtiger, etwas verwirrter junger Mann in großer Eile an und wurde von einem Gepäckträger und einem Taxifahrer auf die Landungsbrücke begleitet. Nachdem das Schiff ihn so teilnahmslos geschluckt hatte, als wäre er ein Missionar für Beirut, begann ein leises, unheilvolles Vibrieren. Der Pier mit seinen Gesichtern begann sich zu verschieben, und einen Moment lang war das Schiff nur ein Stück, das zufällig von ihm abgetrennt war; dann wurden die Gesichter immer kleiner, die Rufe verstummten, und bald war er nur noch einer von vielen gelben Flecken entlang der Uferpromenade. Jetzt strömte alles aus dem Hafen schnell auf das Meer zu.
Auf einem nördlichen Breitengrad bildete sich ein Hurrikan, der sich von Süd nach Südost bewegte und von einem starken Westwind begleitet wurde. Auf seinem Kurs war er dazu bestimmt, die Peter I. Eudin aus Amsterdam mit einer sechsundsechzigköpfigen Besatzung zu überfluten, einen Ausleger des größten Schiffes der Welt zu zerbrechen und den Ehefrauen von mehreren hundert Seeleuten Kummer und Not zu bringen. Dieser Ozeandampfer, der New York am Sonntagabend verließ, würde am Dienstag in das Sturmgebiet eindringen und am späten Mittwochabend in den Orkan eintauchen.
II
Am Dienstagnachmittag statteten Adrian und Eva dem Raucherraum einen ersten Besuch ab. Das entsprach zwar nicht ihren Absichten - sie hatten nach ihrer Abreise aus Amerika „nie wieder einen Cocktail sehen wollen“ -, aber diese Absicht hatten sie durch die stakkatoartige Einsamkeit auf dem Schiff schnell vergessen, und alle ihre Aktivitäten konzentrierten sich auf die Bar. Also gingen sie nur für eine Minute hinein.
Drinnen war voll. Diejenigen, die seit dem Mittagessen da waren, und diejenigen, die bis zum Abendessen bleiben würden, ganz zu schweigen von einigen wenigen treuen Seelen, die seit heute Morgen um neun Uhr schon da waren. Es war eine wohlhabende Versammlung, die ihre Freizeit mit Bridge, Solitaire, Krimis, Alkohol, Diskussionen und Liebe verbrachte. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte man es mit dem Club- oder Kasinoleben in jedem Land aufnehmen können, aber über all dem lag eine unterdrückte nervöse Energie, eine kaum verhohlene Ungeduld, die sich auf Alt und Jung gleichermaßen auswirkte. Die Kreuzfahrt hatte begonnen, und sie hatten den Anfang genossen, aber die Show war nicht abwechslungsreich genug, um sie sechs Tage lang zu genießen, und sie wollten bereits schon jetzt, dass sie bald schon vorbei wäre.
An einem Tisch in ihrer Nähe sah Adrian das hübsche Mädchen, das ihn in der ersten Nacht auf dem Deck angestarrt hatte. Wieder war er fasziniert von ihrer Schönheit; es lag kein Schleier auf dem strahlenden Glanz, der durch das rauchige Durcheinander im Raum schimmerte. Er und Eva hatten anhand der Passagierliste den Rückschluss gezogen, dass es sich bei ihr wahrscheinlich um „Miss Elizabeth D'Amido und Dienstmädchen“ handelte, und er hatte gehört, wie man sie Betsy nannte, als er an einem Deck-Tennisspiel zufällig vorbeiging. Unter den jungen Leuten, die sie begleiteten, befand sich auch der flachnasige Jüngling, der in der Nacht ihrer Abfahrt noch eilig „an Bord geschüttet“ worden war; gestern war er mürrisch über das Deck gelaufen, aber er schien sich gerade zu erholen. Miss D'Amido flüsterte ihm etwas zu, und er sah mit neugierigen Augen zu den Smiths hinüber. Für Adrian war es noch ungewohnt, eine Berühmtheit zu sein, und er wendete sich selbstbewusst ab.
„Es gibt eine leichte Rollbewegung. Spürst du es auch?“ fragte Eva.
„Vielleicht sollten wir uns lieber eine Flasche Champagner gönnen.“
Während er die Bestellung aufgab, fand am anderen Tisch ein kurzes Gespräch statt; in diesem Moment erhob sich ein junger Mann und kam zu ihnen herüber.
„Ist das nicht Mr. Adrian Smith?“
„Ja.“
„Wir haben uns gefragt, ob wir Sie nicht für das Tischtennisturnier vormerken dürften. Wir werden ein Deck-Tennis-Turnier veranstalten.“
„Warum?“ Adrian zögerte.
„Mein Name ist Stacomb“, platzte der junge Mann heraus. „Wir alle kennen Ihre Stücke oder was auch immer das ist, und wir haben uns gefragt, ob Sie nicht Lust hätten, mit an unseren Tisch zu kommen.“
Etwas überwältigt lachte Adrian. Mr. Stacomb, geschickt, schlagfertig, nachlässig, gelassen, wartete, offensichtlich im Glauben, dass er seinem Gegenüber ein anmutiges Kompliment gemacht hätte.
Adrian, der auch das verstand, antwortete: „Danke, aber vielleicht kommen Sie besser hierher.“
„Wir haben einen größeren Tisch.“
„Aber wir sind älter und gesetzter.“
Der junge Mann lachte freundlich, als wolle er sagen: „Alles klar.“
„Tragen Sie mich ein“, sagte Adrian. „Wie viel schulde ich Ihnen?“
„Einen Dollar. Nennen Sie mich doch einfach Stac.“
„Warum?“, fragte Adrian überrascht.
„Es ist kürzer.“
Als er gegangen war, lächelten sie breit.
„Himmel“, keuchte Eva, „ich glaube, sie kommen rüber.“
Sie kamen. Mit großem Getöse wurden die Gläser geleert, die Kellner gerufen und die Stühle gerückt, und drei Jungen und zwei Mädchen setzten sich an den Tisch der Smiths. Wenn es eine gewisse Scheu gab, dann nur bei den Gastgebern, denn die Neuankömmlinge scharten sich eifrig um sie und beäugten Adrian mit Respekt - zu viel Respekt - als wollten sie sagen: „Das war wahrscheinlich ein Fehler und wird nicht besonders amüsant ablaufen, aber vielleicht haben wir etwas davon, das uns eventuell im späteren Leben helfen wird, in der Schule etwa.“
Im nächsten Moment wechselte Miss D'Amido mit einem der jungen Männer den Platz und setzte sich strahlend an Adrians Seite, ihn mit offensichtlicher Bewunderung betrachtend.
„Ich habe mich sofort in Sie verliebt, als ich Sie gesehen habe“, sagte sie hörbar und ohne den geringsten Selbstzweifel, „also nehme ich alle Schuld auf mich, wenn ich mich jetzt einmische. Ich habe Ihr Stück viermal gesehen.“
Adrian rief einen Kellner herbei, der ihre Bestellungen aufnahm.
„Sehen Sie“, fuhr Miss D'Amido fort, „wir geraten bald in ein Unwetter, und Sie könnten den Rest der Reise flachliegen, also konnte ich kein Risiko eingehen.“
Adrian erkannte, dass ihre Worte weder einen Unterton noch eine Anspielung enthielten und auch nicht notwendig waren. Die Worte selbst genügten, und die Ehrerbietung, mit der sie die jungen Männer vernachlässigte und ihm ihre Höflichkeit entgegenbrachte, war irgendwie sehr rührend. Ein kleines Glühen überkam ihn; er hatte gerade mehr als nur eine angenehme Zeit.
Eva war weniger amüsiert, aber der flachnasige junge Mann, der Butterworth hieß, kannte Leute, die sie auch kannte, und das schien die Angelegenheit weniger zufällig und zwangläufig zu machen. Sie mochte es nicht, neue Leute kennenzulernen, es sei denn, sie hätten „etwas beizutragen“, und sie war oft gelangweilt von den großen Mengen dieser Menschen aller Arten, von allen Typen und Zustände und Klassen, die durch Adrians Leben zogen. Sie selbst „hatte alles“ - das heißt, sie war selbst mit Talenten und reichlich Charme ausgestattet -, und das bloße Auftauchen bisher unbekannter Menschen schien ihr kein ausreichender Grund zu sein, ihnen ewig alles entgegenzubringen.
Als sie eine halbe Stunde später aufstand, um nach den Kindern zu sehen, war sie froh, dass die Episode endlich vorbei war. An Deck war es kälter, es war feucht, fast schon wie Regen, und es war eine spürbare Bewegung zu spüren. Als sie die Tür ihrer Kabine öffnete, fand sie zu ihrer Überraschung den Kabinensteward bewegungslos auf ihrem Bett sitzend, den Kopf auf das aufgerichtete Kissen gesenkt. Er sah sie teilnahmslos an, als sie hereinkam, unternahm aber keine Anstalten, aufzustehen.
„Wenn Sie Ihr Nickerchen beendet haben, können Sie mir einen neuen Kopfkissenbezug holen“, sagte sie energisch.
Doch der Mann rührte sich nicht. Da bemerkte sie, dass sein Gesicht grünlich war.
„Sie können hier nicht seekrank werden“, verkündete sie entschieden. „Legen Sie sich in Ihrem eigenen Quartier hin.“
„Es ist meine Seite“, sagte er mit schwacher Stimme. Er versuchte aufzustehen, gab einen kleinen röchelnden Schmerzlaut von sich und sank wieder zurück. Eva klingelte nach der Stewardess.
Ein ständiges Stampfen, Werfen, Rollen hatte begonnen, und sie hatte kein Mitleid mit dem Steward, sondern wollte ihn nur so schnell wie möglich loswerden. Es war ungeheuerlich, dass ausgerechnet ein Mitglied der Besatzung seekrank werden konnte. Als die Stewardess hereinkam, versuchte Eva dies zu erklären, aber jetzt schwirrte ihr selbst der Kopf, und sie warf sich auf das Bett und bedeckte ihre Augen.
„Es ist seine Schuld“, stöhnte sie, als der Mann aus dem Zimmer geführt wurde. „Mir ging es gut, und es hat mich erst krank gemacht, ihn anzusehen. Ich wünschte, er würde sterben.“
Nach ein paar Minuten kam Adrian herein.
„Oh, aber ich bin krank!“, rief sie.
„Ach, du armer Schatz.“ Er beugte sich vor und nahm sie in die Arme. „Warum hast du mir nichts gesagt?“
„Oben ging es mir ja noch gut, aber da war ein Steward... Oh, ich bin zu krank, um zu sprechen.“
„Du solltest lieber im Bett zu Abend essen.“
„Abendessen! Ach, du meine Güte!“
Er wartete fürsorglich, aber sie wollte seine Stimme hören, damit sie das klagende Geräusch der Schiffskonstruktion übertönte.
„Wo warst du?“
„Ich habe geholfen, Leute für das Turnier anzumelden.“
„Werden sie es überhaupt durchführen, bei diesem Wellengang? Denn wenn ja, verliere ich einfach für dich.“
Er antwortete nicht; als sie die Augen öffnete, sie sah, dass er die Stirn runzelte.
„Ich wusste nicht, dass du im Doppel spielst“, sagte er.
„Nun, das ist doch der einzige Spaß dabei.“
„Ich habe dem D'Amido-Mädchen gesagt, dass ich mit ihr spielen würde.“
„Oh.“
„Ich habe nicht nachgedacht. Du weißt, dass ich viel lieber mit dir spielen würde.“
„Warum hast du es dann nicht getan?“, fragte sie kühl.
„Es ist mir einfach nicht eingefallen.“
Sie erinnerte sich, dass sie in ihren Flitterwochen einmal im Finale gestanden und einen Preis gewonnen hatten. Jahre waren seither vergangen. Aber Adrian runzelte nie die Stirn auf diese bedauernde Weise, es sei denn, er fühlte sich ein wenig schuldig. Er stolperte herum, holte seine Abendgarderobe aus dem Koffer, und sie schloss wieder die Augen.
Als ein heftiger Ruck sie wieder aufschrecken ließ, war er angezogen und band sich die Krawatte um. Er sah gesund und frisch aus, und seine Augen strahlten.
„Nun, wie sieht es aus?“, erkundigte er sich. „Schaffst du es oder nicht?“
„Nein.“
„Kann ich noch etwas für dich tun, bevor ich gehe?“
„Wohin gehst du?“
„Ich treffe diese Kids in der Bar. Kann ich noch etwas für dich tun?“
„Nein.“
„Darling, ich hasse es, dich so zu verlassen.“
„Sei nicht albern. Ich will nur noch schlafen.“
Dieses besorgte Stirnrunzeln - natürlich wusste sie, dass er verrückt danach war, aus der engen Kabine zu entkommen. Sie war froh, als sich die Tür schloss. Das Wichtigste war, zu schlafen, nur zu schlafen.
Hoch, runter, auf die Seite. He da, nicht so weit! Zieh sie dort um die Ecke herum! Jetzt rollt sie, rechts-links-kreischend! Ruck! Schwung! Schraubenschlüssel! Sturzflug!
Einige Stunden später war Eva sich schwach bewusst, dass Adrian sich über sie beugte. Sie wollte, dass er seine Arme um sie legte und sie aus dieser schwindelerregenden Lethargie herauszog, aber als sie wieder vollständig wach wurde, war die Kabine leer. Er hatte hineingeschaut und war wieder gegangen. Als sie das nächste Mal erwachte, war die Kabine dunkel und er lag neben ihr im Bett.
Der Morgen war frisch und kühl, und die See war gerade so ruhig, dass Eva glaubte, sie könne aufstehen. Sie frühstückten in der Kabine, und mit Adrians Hilfe schaffte sie sogar eine unbefriedigende Behelfstoilette. Dann gingen sie auf das Bootsdeck. Das Tennisturnier hatte bereits begonnen und lieferte Action für ein Dutzend Amateurfilmkameras, aber die meisten Passagiere waren eher wie leblose Bündel in ihren Liegestühlen neben nicht angerührten Frühstückstabletts anwesend.
Adrian und Miss D'Amido spielten ihr erstes Match. Sie war gewandt und anmutig; auffällig gut. Hinter ihrer elfenbeinfarbenen Haut verbarg sich noch mehr Wärme als am Tag zuvor. Der schlendernde Erste Offizier blieb stehen und unterhielt sich mit ihr; ein halbes Dutzend Männer, die sie vor drei Tagen noch nicht kannten, nannten sie Betsy. Sie war bereits das hübsche Mädchen der Reise, der Anziehungspunkt der hungrigen Augen der Schiffsbesatzung.
Aber nach einer Weile beobachtete Eva lieber die Möwen in den Funkmasten und das langsame Gleiten des rollenden Himmels. Die meisten Passagiere sahen albern aus mit ihren Filmkameras, die sie sich in aller Eile besorgt hatten und nun nicht wussten, wofür sie sie benutzen sollten, aber die Matrosen, die die Aufhänger der Rettungsboote strichen, verhielten sich ruhig und wirkten abgekämpft, und wünschten sich wahrscheinlich genauso wie sie, dass die Reise bald vorbei wäre.
Butterworth setzte sich auf das Deck neben ihren Liegestuhl.
„Sie operieren heute Morgen einen der Stewards. Muss schrecklich sein bei dieser See.“
„Operieren? Weshalb?“, fragte sie teilnahmslos.
„Blinddarmentzündung. Sie müssen jetzt operieren, weil wir in schlechteres Wetter kommen. Deshalb gibt es heute Abend die Schiffsparty.“
„Oh, der arme Mann!“, rief sie und erkannte, dass es ihr Steward sein musste.
Adrian zeigte sich jetzt sehr höflich und rücksichtsvoll, indem er sich im Spiel absichtlich zurückhielt.
„Tut mir leid. Hast du dich verletzt? . . . Nein, es war meine Schuld. . . Du ziehst besser sofort deine Jacke über, Partner, sonst erkältest du dich noch.“
Das Spiel war zu Ende und sie hatten gewonnen. Gerötet und selbstbewusst kam er zu Evas Liegestuhl.
„Wie fühlst du dich?“
„Schrecklich.“
„Die Gewinner spendieren einen Drink an der Bar“, sagte er entschuldigend.
„Ich komme auch mit“, sagte Eva, aber ein sofortiges Schwindelgefühl ließ sie in ihrem Stuhl zurücksinken.
„Du bleibst besser hier. Ich schicke dir etwas hoch.“
Sie spürte, dass sein öffentliches Auftreten ihr gegenüber sich etwas verhärtet hatte.
„Du kommst doch zurück?“
„Oh ja, sofort.“
Sie war allein auf dem Bootsdeck, abgesehen von einem einsamen Schiffsoffizier, der schräg unter der Brücke umherging. Als der Cocktail kam, zwang sie sich, ihn zu trinken, und fühlte sich besser. Sie versuchte, ihre Gedanken mit angenehmen Dingen abzulenken, und erinnerte sich an die heiteren Gespräche, die sie und Adrian vor der Abfahrt geführt hatten: Da war die kleine Villa in der Bretagne, die Kinder, die Französisch lernten - das war alles, woran sie jetzt denken konnte - die kleine Villa in der Bretagne, die Kinder, die Französisch lernten - und so wiederholte sie die Worte immer wieder, bis sie so bedeutungslos wurden wie der weite weiße Himmel. Sie fühlte sich plötzlich motivationslos, zufällig, und sie wünschte sich, dass Adrian so schnell wie möglich zurückkäme, um sie zu beruhigen und ihr zu helfen. Es geschah in der Hoffnung, dass es irgendwo ein Geheimnis für ein anmutiges Leben gab, irgendeine echte Entschädigung für das verlorene, sorglose Vertrauen von einundzwanzig Jahren, das sie ein Jahr in Frankreich verbringen wollten.
Der Tag verging düster, mit wenigen Menschen um sie herum und einem nassen Himmel, der auf sie herabfiel. Plötzlich war es fünf Uhr, und sie saßen alle wieder in der Bar, und Mr. Butterworth erzählte ihr von seiner Vergangenheit. Sie trank eine Menge Champagner, aber sie fühlte sich dabei schwach und seekrank, als ob die Krankheit ihre Seele wäre, die versuchte, sich durch die dicke Verkrustung des abnormalen Lebens hin durchzukämpfen.
„Sie sind meine Vorstellung von einer griechischen Göttin, physisch“, sagte Butterworth.
Es war angenehm, Mr. Butterworths Vorstellung von einer griechischen Göttin zu entsprechen, aber wo war Adrian? Er und Miss D'Amido waren auf ein Vorderdeck gegangen, um die Gischt zu spüren. Eva hörte sich selbst zu, als sie versprach, ihre Farben herauszuholen und für die Party heute Abend den Eiffelturm auf Butterworths Hemd zu malen.
Als Adrian und Betsy D'Amido, von der Gischt durchnässt, die Tür nur mühsam gegen den peitschenden Fahrtwind öffnen konnten und in die nun windgeschützte Sicherheit des Promenadendecks kamen, blieben sie stehen und wandten sich einander zu.
„Nun?“, sagte sie. Aber er stand nur mit dem Rücken zur Reling und schaute sie ängstlich an. Er wagte es nicht zu sprechen. Auch sie schwieg, denn sie wollte, dass er der Erste wäre der etwas sagt, und so geschah einen Moment lang nichts. Dann machte sie einen Schritt auf ihn zu, und er nahm sie in die Arme und küsste sie auf die Stirn.
„Du tust mir einfach nur leid, das ist alles.“ Sie begann ein wenig zu weinen. „Du bist einfach nur nett.“
„Es tut mir furchtbar leid.“ Seine Stimme war angespannt und zitterte.
„Dann küss mich.“
Das Deck war leer. Schnell beugte er sich über sie.
„Nein, küss mich wirklich.“
Er konnte sich nicht erinnern, wann sich etwas so jung und frisch angefühlt hatte wie ihre Lippen. Der Regen lag wie Tränen, die für ihn vergossen wurden, auf den sanft glänzenden Porzellanwangen. Sie war ganz neu und makellos, und ihre Augen waren wild.
„Ich liebe dich“, flüsterte sie. „Ich kann gar nicht anders, als dich zu lieben, nicht wahr? Als ich dich zum ersten Mal sah - oh, nicht auf dem Schiff, sondern vor über einem Jahr – da hatte mich Grace Heally zu einer Probe mitgenommen, und plötzlich sprangst du in der zweiten Reihe auf und fingst an, ihnen zu sagen, was sie tun sollten. Ich habe dir einen Brief geschrieben und ihn anschließend wieder zerrissen.“
„Wir müssen gehen.“
Sie weinte, als sie auf dem Deck entlanggingen. Noch einmal hielt sie ihm unvorsichtigerweise ihr Gesicht vor ihrer Kabinentür entgegen. Sein Blut jagte in wilden Stößen durch ihn durch, als er zur Bar ging.
Er war dankbar, dass Eva ihn kaum zu bemerken schien und auch nicht wusste, dass er weg war. Nach einem Moment heuchelte er Interesse an dem, was sie gerade tat.
„Was ist das?“
„Sie malt den Eiffelturm auf meine Hemdbrust für heute Abend“, erklärte Butterworth.
„Aha.“
Eva legte den Pinsel weg und wischte sich die Hände ab.
„Wie findest du das?“
„A chef-d“oeuvre.“
Ihr Blick schweifte über die Gruppe der jungen Leute, die sie beobachtete, und verweilte schließlich bei Adrian.
„Du bist nass. Geh und zieh dich um.“
„Du kommst mit.“
„Ich möchte noch einen Champagner-Cocktail.“
„Du hattest genug. Es ist Zeit, sich für die Party umzuziehen.“
Widerwillig schloss sie ihren Farbenkasten und ging ihm voraus.
„Stacomb hat einen Tisch für neun Personen“, bemerkte er, als sie den Korridor entlanggingen.
„Die jüngere Generation“, sagte sie mit unnötiger Bitterkeit. „Oh, die jüngere Generation. Und du vergeudest gerade die beste Zeit deines Lebens - mit einem Kind.“
Sie hatten eine lange Diskussion in der Kabine, unangenehm für sie und ausweichend für ihn, die erst damit endete, als das Schiff plötzlich einen gigantischen Ruck machte und Eva, die den Champagner nicht mehr so gut vertragen hatte, sich schlagartig wieder krank fühlte. Es blieb nichts anderes übrig, als in der Kabine einen Cocktail zu trinken, und danach beschlossen sie, zur Party zu gehen - sie glaubte ihm jetzt, oder es war ihr egal.
Adrian war zuerst fertig - er trug nie schicke Kleider.
„Ich gehe schon mal hoch. Beeile dich.“
„Warte auf mich, bitte, es schaukelt so.“
Er setzte sich auf ein Bett, um seine Ungeduld zu verbergen.
„Es macht dir doch nichts aus zu warten, oder? Ich will da oben nicht ganz allein herumlaufen.“
Sie steckte in einem orientalischen Kostüm, das sie beim Friseur ausgeliehen hatte.
„Schiffe machen die Leute verrückt“, sagte sie. „Ich finde sie furchtbar.“
„Ja“, murmelte er abwesend.
„Wenn es sehr schlimm wird, stelle ich mir vor, ich säße in der Spitze eines Baumes und würde hin und her schaukeln. Aber irgendwann fange ich an, mir alles vorzumachen, und schließlich muss ich so tun, als wäre ich normal, obwohl ich weiß, dass ich es nicht bin.“
„Wenn du so denkst, wirst du verrückt.“
„Sieh mal, Adrian.“ Sie hielt die Perlenkette hoch, bevor sie sie sich anlegte. „Sind sie nicht wunderschön?“
In Adrians Ungeduld schien sie sich wie eine Figur in einem Slowmotion-Film durch die Kabine zu bewegen. Nach einem Moment fragte er:
„Brauchst du noch lange? Es ist stickig hier drin.“
„Geh du nur!“, fuhr sie auf.
„Ich will nicht ...“
„Geh schon, bitte! Du machst mich nur nervös, wenn du mich hetzt.“
Mit einem Anflug von Widerwillen verließ er sie. Nach kurzem Zögern eilte er eine Treppe hinab auf ein unteres Deck und klopfte an eine Tür.
„Betsy.“
„Nur noch eine Minute.“
Sie trat hinaus auf den Korridor, bekleidet mit einer roten Matrosenjacke und einer Hose, die sie sich von dem Lift-Boy ausgeliehen hatte.
„Haben Fahrstuhlführer Flöhe?“, fragte sie. „Ich habe vorsichtshalber alles in der Welt darunter angezogen.“
„Ich musste dich sehen“, sagte er schnell.
„Vorsichtig“, flüsterte sie. „Mrs. Worden, die mich beaufsichtigen soll, hat auf der anderen Seite des Flurs ihre Kabine. Sie ist krank.“
„Ich bin auch krank vor Sehnsucht nach dir.“
Sie küssten sich plötzlich, schmiegten sich dicht aneinander in dem engen Korridor, der mit der Bewegung des Schiffes hin und her schwankte.
„Geh nicht weg“, murmelte sie.
„Ich muss aber. Ich habe ...“
Ihre Jugend schien in ihn hineinzufließen und versetzte ihn in eine zarte romantische Ekstase, die über das normale Maß von Leidenschaft hinausging. Er konnte sie nicht mehr loslassen; er hatte etwas wiederentdeckt, das er mit seiner eigenen Jugend für immer verloren geglaubt hatte. Als er den Gang entlangging, wusste er, dass er aufgehört hatte zu denken, nicht mehr zu denken wagte.
Er begegnete Eva, die gerade auf dem Weg zur Bar war.
„Wo warst du?“, fragte sie mit einem angestrengten Lächeln.
„Ich war unterwegs, um nach dem Tisch zu sehen.“
Sie war reizend; ihre kühle Vornehmheit überwältigte das banale Kostüm und erfüllte ihn mit einem Wiederaufflammen von Zustimmung und Stolz. Sie setzten sich an einen Tisch.
Der Sturm steigerte sich von Stunde zu Stunde, und das bloße Durchqueren eines Ganges war zu einer schwierigen Angelegenheit geworden. In jeder Kabine waren die Koffer an den Waschtischen festgezurrt, und nervöse Damen, die sich krank und unglücklich in ihren Betten wälzten, ließen die Katastrophe der Vestris noch einmal Revue passieren. In der Raucherlounge war ein stämmiger Herr nach hinten geschleudert worden und hatte eine starkblutende Kopfverletzung erlitten, und nun wurden die leichteren Stühle und Tische gestapelt und an den Wänden festgeschnallt.
Die Gruppe der Passagiere, die sich verkleidet hatten und gemeinsam speisten, war auf etwa sechzehn Personen angeschwollen. Die einzige verbleibende Voraussetzung für die Mitgliedschaft war die Fähigkeit, die Raucherlounge zu erreichen. Darunter befanden sich ein Anwalt aus Groton-Harvard und ein grammatisch unkorrekt sprechender Broker, dem sie den Spitznamen „Gyp the Blood“ gegeben hatten, aber die Standesunterschiede waren hier plötzlich verschwunden; für den Moment waren sie alle tapfere Samurai, ausgewählt aus mehreren Hundert, weil sie dem Sturm bis jetzt triumphierend widerstanden hatten.
Das festliche Galadinner, das sardonisch mit Laternen und Luftschlangen behängt war, wurde durch großangelegte gemeinsame Rutschpartien quer durch den Raum, überstürzte Rückzüge und verschütteten Wein unterbrochen, während das Schiff brüllte und sich darüber beklagte, dass es unter der Pracht eines Palastes eben doch nur ein Schiff war. Oben versuchten wenig später ein Dutzend Paare zu tanzen, schlichen und galoppierten in einem verrückten Fandango auf und ab und wurden von einem ihnen fremden Willen fantastisch hin- und her gestoßen. Angesichts des Zustands der gequälten Hunderte hatte das Ganze etwas Anstößiges, wie ein Fest in einem Trauerhaus, und bald schon gab es eine Abwanderung der stetig schwindenden Überlebenden in Richtung Bar.
Im Laufe des Abends verstärkte sich Evas Gefühl der Unwirklichkeit. Adrian war verschwunden - vermutlich mit Miss D'Amido - und ihr durch Krankheit und Champagner verzerrter Verstand begann, sich auf diesen Umstand zu konzentrieren; Ärger wandelte sich langsam zu dunklem und grüblerischen Zorn, Trauer zu Verzweiflung. Sie hatte nie versucht, Adrian zu binden, hatte es nie nötig gehabt - denn sie waren ernsthafte Menschen, mit allen möglichen gegenseitigen Interessen, und sie waren zufrieden miteinander -, aber dies war wie ein Vertrauensbruch, dies war grausam. Wie konnte er nur denken, dass sie es nicht wüsste?
Einige Stunden später beugte er sich über ihren Stuhl in der Bar, wo sie einer Frau einen leidenschaftlichen Vortrag über Babys hielt, und sagte:
„Eva, wir sollten jetzt besser schlafen gehen.“
Ihre Lippen kräuselten sich. „Damit du mich dort zurücklassen und dann zu deiner Achtzehnjährigen zurückgehen kannst ...“
„Sei still.“
„Ich gehe nicht ins Bett.“
„Na gut. Gute Nacht.“
Es verging einige Zeit und die Leute am Tisch wechselten. Die Stewards wollten den Raum schließen, und bei dem Gedanken an Adrian - ihren Adrian -, der irgendwo zärtliche Dinge einer jüngeren Frau zuflüsterte, begann Eva zu weinen.
„Aber er ist doch schon zu Bett gegangen“, versicherten ihr die letzten Bediensteten. „Wir haben ihn gehen sehen.“
Sie schüttelte den Kopf. Sie wusste es besser. Adrian war verloren. Der lange siebenjährige Traum war geplatzt. Wahrscheinlich wurde sie für etwas bestraft, das sie getan hatte; als ihr dieser Gedanke kam. Jetzt begannen die angespannten Metallverstrebungen über ihr zu murmeln, dass sie es endlich erraten hatte. Das war für den Egoismus gegenüber ihrer Mutter, die nicht wollte, dass sie Adrian heiratete; für all die Sünden und Versäumnisse ihres Lebens. Sie stand auf und sagte, sie müsse rausgehen und etwas frische Luft schnappen.
Das Deck war dunkel und durchnässt von Wind und Regen. Das Schiff raste durch Täler, auf der Flucht vor schwarzen Wasserbergen, die ihm entgegen brausten. Als Eva in die Nacht hinausblickte, sah sie, dass es keine Chance für sie gab, es sei denn, sie könne Buße tun und den Sturm besänftigen. Es war Adrians Liebe, die von ihr verlangt wurde. Bewusst löste sie ihre Perlenkette, hob sie an die Lippen - denn sie wusste, dass mit ihr der frischeste und schönste Teil ihres Lebens verschwand - und warf sie in den Sturm hinaus.
III
Als Adrian erwachte, war es bereits Mittag, aber er wusste, dass ihn ein schwereres Geräusch als das Signalhorn aus seinem tiefen Schlaf geweckt hatte. Dann wurde ihm klar, dass sich der Koffer aus seiner Fixierung gelöst hatte und zwischen dem Kleiderschrank und Evas Bett hin und her geworfen wurde. Mit einem Aufschrei sprang er auf, aber Eva war unversehrt - noch immer in ihrem Kostüm und tief schlafend. Als der Steward ihm half, den Koffer zu sichern, öffnete Eva ein Auge.
„Wie geht es dir?“, fragte er, als er sich auf die Bettkante setzte.
Sie schloss das Auge und öffnete es wieder.
„Wir sind jetzt in einem Hurrikan“, sagte er. „Der Steward sagt, es ist der schlimmste, den er seit zwanzig Jahren erlebt hat.“
„Mein Kopf“, murmelte sie. „Stütze meinen Kopf.“
„Wie?“
„Vorne. Meine Augen springen mir fast vor Schmerzen aus dem Kopf. Ich glaube, ich sterbe.“
„So ein Quatsch. Möchtest du, dass ich den Arzt rufe?“
Sie gab einen seltsamen kleinen Schnappatmer von sich, der ihn erschreckte; er läutete und schickte den Steward nach dem Arzt.
Der junge Schiffsarzt wirkte blass und müde und er trug einen Dreitagebart. Er verbeugte sich kurz, als er hereinkam, und wandte sich an Adrian, ohne viel Aufhebens zu machen:
„Was ist passiert?“
„Meiner Frau geht es nicht gut.“
„Nun, was wollen Sie - ein Beruhigungsmittel?“
Ein wenig verärgert über seine oberflächliche Diagnose, sagte Adrian: „Sie sollten sie besser untersuchen und selbst herausfinden, was sie braucht.“
„Sie benötigt ein Bromid“, sagte der Arzt. „Ich habe angeordnet, dass sie auf diesem Schiff nichts mehr trinken darf.“
„Warum nicht?“, fragte Adrian erstaunt.
„Wissen Sie nicht, was letzte Nacht passiert ist?“
„Aber nein, ich habe geschlafen.“
„Mrs. Smith irrte eine Stunde lang auf dem Schiff herum und wusste nicht, was sie tat. Ein Matrose wurde geschickt, um ihr zu folgen, und dann versuchte die medizinische Stewardess, sie ins Bett zu bringen, und Ihre Frau hat sie unablässig beleidigt.“
„Ach, du meine Güte!“, rief Eva schwach.
„Die Krankenschwester und ich waren beide die ganze Nacht bei Steward Carton, der heute Morgen gestorben ist.“ Er nahm seinen Arztkoffer an sich. „Ich schicke ein Bromid für Mrs. Smith in ihre Kabine. Auf Wiedersehen.“
Ein paar Minuten lang herrschte Schweigen. Dann legte Adrian schnell seinen Arm um sie.
„Macht nichts“, sagte er. „Wir werden das schon regeln.“
„Jetzt erinnere ich mich.“ Ihre Stimme war wie ein ehrfürchtiges Flüstern. „Meine Perlen. Ich habe sie über Bord geworfen.“
„Über Bord geworfen!“
„Dann begann ich, dich zu suchen.“
„Aber ich war hier im Bett.“
„Ich habe es nicht geglaubt. Ich dachte, du wärst bei diesem Mädchen.“
„Sie ist während des Abendessens zusammengebrochen. Ich habe hier unten ein Nickerchen gemacht.“
Stirnrunzelnd läutete er und bat den Steward um das Mittagessen und eine Flasche Bier.
„Tut mir leid, aber wir können kein Bier in Ihrer Kabine servieren, Sir.“
Als er hinausging, schimpfte Adrian: „Das ist ein Skandal. Du warst einfach verrückt nach dem Sturm, und sie können nicht so selbstherrlich sein. Ich werde mit dem Kapitän sprechen.“
„Ist das nicht furchtbar?“, murmelte Eva. „Der arme Mann ist gestorben.“
Sie drehte sich um und schluchzte in ihr Kissen. Es klopfte an der Tür.
„Darf ich reinkommen?“
Der umtriebige Mr. Butterworth, erstaunlich gesund und in tadelloser Verfassung, kam in die verrückt schwankende Kabine.
„Nun, wie geht es der Mystikerin?“, fragte er Eva. „Erinnern Sie sich, wie Sie gestern Abend in der Bar zu den Elementen gebetet haben?“
„Ich will mich an nichts von letzter Nacht erinnern.“
Er erzählten ihnen von der Stewardess, und mit der Erzählung hellte sich die Situation auf; sie lachten alle zusammen.
„Ich werde euch jetzt ein Bier für euer Mittagessen besorgen“, sagte Butterworth. „Ihr solltet auf das Deck gehen.“
„Gehen Sie noch nicht“, sagte Eva. „Sie sehen so fröhlich und nett aus.“
„Nur für zehn Minuten.“
Als er gegangen war, läutete Adrian und wollte zwei Bäder bestellen.
„Die Sache ist folgendermaßen. Wir sollten unsere besten Kleider anziehen und dreimal stolz um das ganze Deck laufen“, sagte er.
„Ja.“ Nach einem Moment fügte sie abwesend hinzu: „Ich mag diesen jungen Mann. Er war gestern Abend, als du verschwunden warst, sehr nett zu mir.“
Der Badesteward erschien mit der Information, dass das Baden heute zu gefährlich sei. Sie befänden sich inmitten des wildesten Orkans auf dem Nordatlantik seit zehn Jahren; heute Morgen gab es zwei gebrochene Arme bei Versuchen, zu baden. Eine ältere Dame war eine Treppe hinuntergestürzt und hätte nur wenige Chancen um zu Überleben. Außerdem hätten sie heute Morgen die SOS-Signale von mehreren Schiffen empfangen.
„Werden wir ihnen zu Hilfe eilen?“
„Sie sind alle hinter uns, Sir, also müssen wir sie der Mauretania überlassen. Wenn wir versuchen würden, in dieser See zu wenden, würde es unsere eigenen Bullaugen zertrümmern.“
Diese Anhäufung von Unglücksfällen minderte ihre eigenen Probleme. Nachdem sie eine Art Mittagessen gegessen und das von Butterworth bereitgestellte Bier getrunken hatten, zogen sie sich an und gingen an Deck.
Trotz der Tatsache, dass es nur möglich war, Schritt für Schritt voranzukommen, indem man sich am Seil oder an der Reling festhielt, waren mehr Menschen an Deck als am Vortag. Die Angst hatte sie aus ihren Kajüten getrieben, wo die Koffer wie Baumstämme polterten und die Wellen gegen die Bullaugen schlugen, und sie erwarteten jederzeit den Ruf zu den Rettungsbooten. Tatsächlich gab es einen Signalhornton, als Adrian und Eva auf dem Querdeck über der zweiten Klasse standen, gefolgt von einer Versammlung der Stewards und Stewardessen auf dem Deck darunter. Aber das Schiff war in Ordnung: Es hatte eines seiner Besatzungsmitglieder überlebt - Steward James Carton wurde auf See bestattet.
Es war sehr britisch und traurig. Da standen die Reihen steifer, disziplinierter Männer und Frauen im strömenden Regen, und da war eine Gestalt, die von der Flagge des Empire bedeckt war. Der Zahlmeister hielt die Zeremonie ab, ein Kirchenlied wurde gesungen, dann glitt der Leichnam hinaus in den Orkan. Als Eva wegen dieses bescheidenen Endes in ungebremstes Weinen ausbrach, riss in ihr ein letzter Faden. Jetzt war es ihr wirklich egal. Sie reagierte begeistert, als Butterworth vorschlug, Champagner in ihre Kabine zu schmuggeln. Ihre Stimmung beunruhigte Adrian; sie war es nicht gewohnt, so viel zu trinken, und er fragte sich, was er tun sollte. Als er ihr vorschlug, stattdessen zu schlafen, lachte sie nur, und das Bromid, das der Arzt geschickt hatte, stand unberührt auf dem Waschtisch. Während er vorgab, den Nichtigkeiten mehrerer Mr. Stacombs zuzuhören, beobachtete er sie; zu seiner Überraschung und zu seinem Unbehagen schien sie mit Butterworth intim und sogar sentimental zu sein, und er fragte sich, ob dies eine Art Rache für seine Aufmerksamkeit gegenüber Betsy D'Amido war.
Die Kabine war voller Tabakrauch, die Stimmen waren ununterbrochen zu hören, die Untätigkeit, das Warten auf das Ende des Sturms, ging ihm auf die Nerven. Sie waren nur vier Tage auf See gewesen, es fühlte sich aber wie ein ganzes Jahr an.
Die beiden Mr. Stacombs verließen schließlich die Kabine, aber Butterworth blieb. Eva drängte ihn, noch eine Flasche Champagner zu holen.
„Wir haben genug getrunken“, widersprach Adrian. „Wir sollten ins Bett gehen.“