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»Fakten, Fakten, Fakten!«, lautet der Leitsatz seriöser Journalisten. Manch ein Kollege aus der Journaille sieht das jedoch entspannter. So auch ein im Norden der Nation gestrandeter Kolumnist aus Stuttgart, der über den spektakulären Tod eines Hamburger Politikers berichtet. Eine Mordsstory, wie er (heraus)findet … »Da er trotz seiner chronischen Rhinitis einen genialen Riecher für gesellschaftlich relevante Ereignisse und deren Behandlung in der Presse hatte, kannte er sich nach zwei Wochen aus. Er durchschaute, wofür andere ein Leben brauchten: dass in Hamburg nämlich nichts los war. Überhaupt nichts. Die Hansestadt strotzte vor satter Langeweile, und Winterhalter war das recht.« Vergessen sind Bob Woodward und Carl Bernstein von der Washington Post, hier kommt Udo Winterhalter! Anfangs noch verschnupft über die Verbannung als Nordlicht-Korrespondent einer schwäbischen Postille, sticht der unterforderte Pollenmagnet im Zuge seiner fantasiegetriebenen Recherchen in ein politisch geladenes Wespennest: Während der Revolutionsfeier der Freisinnigen Partei Deutschlands (FDP ... nein, FPD, oder PDF? Egal, die Liberalen halt) wird die Parteispitze mittels Mord gekappt. Udo hält den Hauptverdächtigen, einen Migranten mit zwielichtiger Vergangenheit, für unschuldig und beginnt, in dem Fall zu recherchieren – mit vollem Körpereinsatz, denn die Wahrheit fällt schließlich nicht einfach so vom Himmel! Das tut indes ein rechtsliberaler Visionär während einer Ballonfahrt. »Selbstmord«, titeln die fixen Kollegen. Udo aber ist mal wieder anderer Meinung. Längst wittert er eine politische Verschwörung höchsten Ausmaßes, die Watergate wie eine Provinzposse dastehen lässt. Ob es die Wahrheit am Ende auf die Titelseite schafft, ist fraglich. Eins aber ist sicher: Was in der Zeitung steht, stimmt. Stimmt’s? »Sturzflug« ist der zehnte Band der Kurzkrimi-Reihe hey! shorties – ein Fall für sich!
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Seitenzahl: 64
Uta-Maria Heim
Copyright der eBook-Ausgabe © 2013 bei Hey Publishing GmbH, München
Originalausgabe © 1998 by Hamburger Abendblatt in der Reihe Schwarze Hefte erschienen, herausgegeben von Volker Albers
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Coverabbildung: FinePic®, München
Autorenfoto: © Robert Hak, Hak / Agentur für Kommunikation und Design, Rottweil
ISBN: 978-3-942822-99-2
Sturzflug ist der zehnte Band der Krimireihe hey! shorties. Jede Folge ist in sich abgeschlossen. Eine Auflistung der bereits erschienenen Titel befindet sich am Ende dieses eBooks.
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Sturzflug
»Fakten, Fakten, Fakten!«, lautet der Leitsatz seriöser Journalisten. Manch ein Kollege aus der Journaille sieht das jedoch entspannter. So auch ein im Norden der Nation gestrandeter Kolumnist aus Stuttgart, der über den spektakulären Tod eines Hamburger Politikers berichtet. Eine Mordsstory, wie er (heraus)findet …
»Da er trotz seiner chronischen Rhinitis einen genialen Riecher für gesellschaftlich relevante Ereignisse und deren Behandlung in der Presse hatte, kannte er sich nach zwei Wochen aus. Er durchschaute, wofür andere ein Leben brauchten: dass in Hamburg nämlich nichts los war. Überhaupt nichts. Die Hansestadt strotzte vor satter Langeweile, und Winterhalter war das recht.«
Vergessen sind Bob Woodward und Carl Bernstein von der Washington Post, hier kommt Udo Winterhalter! Anfangs noch verschnupft über die Verbannung als Nordlicht-Korrespondent einer schwäbischen Postille, sticht der unterforderte Pollenmagnet im Zuge seiner fantasiegetriebenen Recherchen in ein politisch geladenes Wespennest: Während der Revolutionsfeier der Freisinnigen Partei Deutschlands (FDP ... nein, FPD, oder PDF? Egal, die Liberalen halt) wird die Parteispitze mittels Mord gekappt. Udo hält den Hauptverdächtigen, einen Migranten mit zwielichtiger Vergangenheit, für unschuldig und beginnt, in dem Fall zu recherchieren – mit vollem Körpereinsatz, denn die Wahrheit fällt schließlich nicht einfach so vom Himmel!
Das tut indes ein rechtsliberaler Visionär während einer Ballonfahrt. »Selbstmord«, titeln die fixen Kollegen. Udo aber ist mal wieder anderer Meinung. Längst wittert er eine politische Verschwörung höchsten Ausmaßes, die Watergate wie eine Provinzposse dastehen lässt.
Ob es die Wahrheit am Ende auf die Titelseite schafft, ist fraglich. Eins aber ist sicher: Was in der Zeitung steht, stimmt. Stimmt’s?
»Sturzflug« ist der zehnte Band der Kurzkrimi-Reihe hey! shorties – ein Fall für sich!
Weiß sind in Deutschland
Der Städte Gestalten
Weißer Zorn der Eintracht
Niedergehalten
O schlaget nur das Böse
Und preßt sein Blut heraus
Das Volk allein erlöse
Uns in ein Weißes Haus
Frieda Schäfferlin, 1848
Plumps! fiel er zu Boden. Mit dem Unterarm wischte sie sich den Schweiß von der Stirn. Er rührte sich nicht. Sie packte ihn an den Fesseln und schleifte ihn so rasant übers Parkett, dass er sich in die Kurve legte wie ein Rennrodler. In der Diele richtete sie sich auf, blies eine Strähne aus dem Gesicht und sammelte seine Kleidungsstücke zusammen. An einem Regalbrett hatten sich seine indigoblauen Jazzpants verfangen, die marineblauen Leinensocken knüllten sich im Gerippe der handsignierten Noguchi-Hängeleuchte. Die royalblaue Bundfaltenhose lag gefaltet über dem Korbstuhl, an der Lehne hingen Sakko und Weste. Jetzt fehlte bloß noch das weiße Panamahemd. Sie fand es auf dem Laken und zog es ihm zuerst an.
Er war kaum größer und etwas schmaler als sie. Seine Muskeln wirkten trainiert. Auf dem Schulterblatt trug er eine Tätowierung: ein Einhorn mit zwei Schweifen. Sein Rücken war bis hinauf in den Nacken behaart. Er mündete in eine Stoppelglatze, deren Haare, wie der Bart, exakt sieben Millimeter maßen. Die Brusthaare waren mindestens dreimal so lang, die Schamhaare fünfmal. Er lag reglos da, und ihr fiel auf, dass er seine Zehennägel nicht geschnitten hatte.
Der Hamburger Hauptbahnhof hat vier große Eingänge. Und damit auch vier große Ausgänge, an einem stand Udo Winterhalter und stierte in die Nacht. Es roch nicht wie in Stuttgart nach Shit, es roch nach Crack, was Udo, der unter allergischem Asthma litt, einschüchterte. Er entzog sich der Schwade durch den Sturm auf den gegenüberliegenden Ausgang.
Dort roch es nach Benzin, und es standen Daimler-Taxen bereit, die heimatliche Gefühle in ihm weckten. Der Fahrer des vordersten stieg aus, ein sehniger Schwarzer, der die zwei Reisetaschen lässig in den Kofferraum wuchtete. Udo schwang sich auf den Rücksitz, wobei er mit dem Schädel gegen den Karosserierahmen stieß. Er nestelte am unteren Reißverschluss seines Longlife-Rucksacks, der ihn laut Qualitätsgarantie überleben sollte. Der Reißverschluss klemmte.
Der Schwarze ließ den Motor an. Sein Unterkiefer malmte.
»Augenblick«, sagte Udo und riss. Alles fiel heraus und verstreute sich im Fond des Wagens. Endlich, der Zettel.
»Wohlers Allee 1«, verkündete Udo erleichtert.
»Da wären Sie aber besser in Altona raus«, erwiderte der Fahrer kauend, während er lässig den Blinker setzte.
Udo klappte seine knapp zwei Meter zusammen und sammelte alles wieder ein. Ein Nagelklipser. Ein irrtümlich eingesteckter Stadtplan von Berlin. Zwei Packungen Zellstoff. Mehrere zerknüllte Taschentücher. Ein Bronchospasmolytikum. Aspirin-Brausetabletten mit Vitaminzusatz. Brillenetui, Zahnseide, Notizblock. Eine als Geschenk verpackte Taschenbuchausgabe von Frieda Schäfferlins nachgelassener Lyrik, »Weißer Zorn der Eintracht«, herausgegeben von Udo F. Winterhalter. Zwei schwefelgelbe Kugelschreiber mit dem Slogan »Stuttgarter Tagblatt – Das Blatt zur Welt«, das verwackelte Farbfoto eines nachdenklichen Kleinkinds, ein ICE-Fahrschein zweiter Klasse, eine Platzreservierung. Ein Portemonnaie aus schwarzem Rindsleder, darin eine Telefonkarte, eine Postbank-Karte, ein Pass Orange der Stuttgarter Verkehrsbetriebe, eine AOK-Versichertenkarte. Hundertdreiundachtzig Mark zweiundfünfzig in bar, ein paar eselsohrige Visitenkarten »Stuttgarter Tagblatt – Udo Winterhalter/Feuilleton«, ein Personalausweis, ausgestellt am 10. 11. 89 vom Amt für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt Stuttgart auf den Namen Winterhalter, Udo Ferdinand, geboren am 24. 09. 56, Staatsangehörigkeit deutsch.
»Das Problem ist«, stellte Peter Gillner-Gotthilf fest, »dass wir zwar klare Perspektiven haben, aber nicht wissen, wie wir sie an den Mann bringen.«
»Das stimmt«, sagte Paul Junge und bestellte noch eine Runde Sauren. »Für Politik interessiert sich heutzutage kein Mensch mehr. Um Schlagzeilen zu machen, müssen Skandale her. Nur so bringt man wenigstens hintenherum die richtigen Inhalte an den Mann.«
»Und an die Frau«, fügte verspätet Ida Hering hinzu. »Frauen reagieren noch stärker auf Privatkram. Schaut euch Schröders Ehechaos an. Der hat von Hillus Rausschmiss nur profitiert.«
»Wir sollen also darauf hoffen, dass die Journaille uns in die Tonne tritt?«
Junge rieb sich die Augen. Es war reichlich verraucht in Omas Apotheke. Die Bedienung stellte die Stühle hoch.
»Der Senat muss endlich aufwachen.« Ida Hering kippte den Sauren hinunter. »Damit die den Hintern hochkriegen, brauchen sie Zunder von der Bürgerschaft. Da könnten wir einen Katalysator gut ab. Unsere Pressehengste sind bloß viel zu eingeschliffen. Von denen kommt nichts mehr.«
Gillner-Gotthilf lachte bitter. »Wenn ich fremdginge, dann wäre das noch nicht mal 'ne Meldung im Lokalen.«
»Musst du deine Latte halt höher ansetzen, Schätzchen«, erwiderte Junge und kicherte.
So trübsinnig endete der Tischtennisabend von Rot-Grün St. Pauli. Die drei Schlusslichter zahlten und traten hinaus in die sternenklare Maiennacht.
Kastanien- und Fliederduft schlugen Udo entgegen. Er nieste. Vor ihm Wohlers Allee 1, ein unbeleuchteter Klinkerbau, der sich unter die bizarre Silhouette einer Kirche duckte. Lisa Borst, eine frühere Kollegin, machte nicht auf. Sie hatte angeboten, Winterhalter vorübergehend bei sich aufzunehmen. Er klingelte Sturm. Wahrscheinlich trieb sie sich herum. Er beschloss zu warten, nahm seine Sachen und schleppte sie zur nächsten Parkbank. Die stand auf einem Friedhof. Grabtafeln lugten wie polierte Meteoriten in den sternenklaren Nachthimmel.
Die Parkbank war besetzt. Ein dünner, kleiner Mann lag darauf, der nach Parfüm stank und keine Schuhe anhatte. Das machte Udo stutzig. Der Mann war kein Penner. Er trug einen knallblauen Anzug und einen Ohrstecker aus Lapislazuli. Kein Typ, der auf Friedhöfen nächtigt. Klar, dass er tot war. Udo, der kürzlich bei der Stuttgarter Feuerwehr, Akademie für Rettungsdienst und Gefahrenabwehr, ein Seminar zum Thema Notfallsituationen und Erste Hilfe absolviert hatte, beschloss, den Toten anzusprechen.
»Welchen Tag haben wir heute?«
»Mittwoch, den 6. Mai 1998, zirka zwei Uhr morgens«, murmelte der Tote.