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Kasie West

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Beschreibung

»PS: Ich mag dich« lässt grüßen! Diese sommerlich leichte und herrlich romantische Liebesgeschichte von Erfolgsautorin Kasie West ist einfach zum Dahinschmelzen. Avery liebt es, sich in Musik zu verlieren. Aber nach einem Streit mit ihrer besten Freundin können selbst ihre Playlists sie nicht ablenken. Und es hilft auch nicht, dass ihre Eltern sie und ihre hyperaktive Schwester für zwei Monate »Spaß« in ein abgelegenes Familien-Resort schleppen. Avery will den Sommer schon abschreiben, da trifft sie Brooks, den Gitarristen der Camp-Band – sehr attraktiv und absolut tabu. Trotzdem landen sie ständig zusammen am Lagerfeuer. Oder bei den Bandproben. Bald wird klar, dass sie sich gegenseitig neue Wege zeigen können – mit ein wenig Mut und ganz viel Herz. Eine fabelhafte romantische Komödie mit tollen Songs und einer Prise »Dirty Dancing«! »Trifft genau die richtigen Töne.« Kirkus Reviews

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Kasie West

Sunkissed

Aus dem Englischen von Ann Lecker

Eine wunderbar romantische Liebesgeschichte mit tollen Songs und einer Prise »Dirty Dancing«!

Avery liebt es, sich in Musik zu verlieren. Aber nach einem Streit mit ihrer besten Freundin können selbst ihre Playlists sie nicht ablenken. Und es hilft auch nicht, dass ihre Eltern sie und ihre hyperaktive Schwester für zwei Monate »Spaß« in ein abgelegenes Familien-Resort schleppen. Avery will den Sommer schon abschreiben, da trifft sie Brooks, den Gitarristen der Camp-Band – sehr attraktiv und absolut tabu. Trotzdem landen sie ständig zusammen am Lagerfeuer. Oder bei den Bandproben. Bald wird klar, dass sie sich gegenseitig neue Wege zeigen können – mit ein wenig Mut und ganz viel Herz.

»PS: Ich mag dich« lässt grüßen! Diese sommerlich leichte romantische Komödie von Erfolgsautorin Kasie West ist einfach zum Dahinschmelzen.

Wohin soll es gehen?

Buch lesen

Viten

Für meine große Schwester Heather Garza.Ich habe immer zu dir aufgesehen (obwohl du die Kleinste in der Familie bist). Hab dich lieb!

Kapitel 1

ICH ATMETE TIEF EIN, lehnte mit geschlossenen Augen den Kopf gegen das Wagenfenster und ließ mich von der sonnendurchfluteten Glasscheibe wärmen. Das würde ein perfekter Sommer werden. Wenn ich es oft genug wiederholte, würde es auch in Erfüllung gehen. Nach allem, was in dieser Woche passiert war, hatte ich das dringend nötig. Den Sommer vor meinem letzten Schuljahr sollte ich ganz für mich beanspruchen, hatte Dad vor Monaten gesagt. Und genau das würde ich jetzt tun.

Vorne im Auto hatten meine Eltern das Radio auf kaum hörbar gedreht, aber ich konnte gerade noch einen Taylor-Swift-Song ausmachen. Der Akku meiner AirPods hatte vor zehn Minuten den Geist aufgegeben, was den Rest meiner sorgfältig zusammengestellten Roadtrip-Playlist – Mit dir auf dem Rücksitz gefangen – unbrauchbar machte. Als ich langsam eindöste, schrillte neben mir die Stimme meiner Schwester lauter als notwendig.

»Hey, Leute! Schöne Sommerferien! Wir sind jetzt seit vier Stunden im Auto unterwegs und können es kaum erwarten, endlich anzukommen. Sagt Hallo zu meiner älteren Schwester Avery!«

Lauren hatte die Ellbogen auf die Kissen zwischen uns gestützt und richtete ihre Handykamera auf mich. Dahinter flehte sie mich stumm an: Gib mir was, irgendwas, alles außer deinem üblichen langweiligen Gesicht. Da ich nun einmal mit einem langweiligen Gesicht zur Welt gekommen war, machte ich ein Peace-Zeichen, was sie offenbar zufriedenstellte, denn sie wechselte wieder auf Selfie-Modus. »Dieses Jahr haben die Eltern Ferien mitten im Wald gebucht. Kommt ihr mit?« Sie hielt die Kamera aus dem Wagenfenster, und die hohen Kiefern sausten verschwommen vorbei.

Das Vier-Sterne-Familiencamp, in dem wir den Sommer verbringen würden, hätte ich nicht unbedingt als mitten im Wald beschrieben, aber Übertreibung ist der Schlüssel zu jedem guten Social-Media-Video. Ich schüttelte das Ladecase meiner Airpods, als würden sie sich dann schneller aufladen. Ich brauchte dringend lärmunterdrückende, den Kopf frei machende Musik.

»Habt ihr eure Badeanzüge eingepackt?«, fragte Mom, obwohl wir vier Stunden von zu Hause entfernt nichts mehr daran ändern konnten, falls nicht.

Lauren nahm das Handy herunter. »Mom, ich habe gerade gefilmt.«

»Oh, entschuldige«, flüsterte Mom.

»Na, jetzt nicht mehr.«

»Ich habe gehört, dass es im Camp eine riesige Wasserrutsche gibt«, teilte Dad uns mit, als gäbe es für eine Siebzehn- und Fünfzehnjährige keine aufregendere Neuigkeit. »Supergroß für Superkids.« Er lachte über seinen eigenen Witz, und ich lachte unwillkürlich mit.

Lauren sah mich an, als wollte sie sagen Ernsthaft?, und fragte: »Echtes Wasser gibts aber auch, ja?«

»Echtes Wasser?«, fragte Mom.

»Einen See oder so was?«

»Ja, es gibt dort einen See und einen Swimmingpool«, antwortete Dad, während er eine Kurve zu schnell nahm und ich gegen die Tür gedrückt wurde.

»Ich verstehe immer noch nicht, warum wir nicht einfach in das Camp fahren konnten, in dem wir vor ein paar Jahren waren«, beschwerte sich Lauren. »Das war nicht so weit weg, und die Straßen waren nicht so kurvenreich.«

»Weil wir dieses Jahr ein episches Abenteuer erleben wollen«, erklärte Dad. »Nächsten Sommer ist Avery so mit ihren Vorbereitungen fürs College beschäftigt, dass sie einen Familienurlaub boykottieren wird.«

»Stimmt genau«, sagte ich und lächelte, als Mom sich nach hinten drehte, um sich zu vergewissern, dass sie das nicht als Beleidigung auffassen sollte. Als sie mein Gesicht sah, gab sie mir einen Klaps aufs Knie.

Meine Eltern hatten beide den Sommer über frei. Mom war Dozentin an der UCLA, der Universität von Kalifornien, und Dad unterrichtete Sechstklässler und trainierte die Middleschool-Basketballmannschaften. Und solange ich zurückdenken konnte, zogen wir fast jeden Sommer auf »Abenteuer« aus. Manchmal war es eine Hütte am See oder ein Campingplatz in Strandnähe. Und meistens war es tatsächlich ein Abenteuer. Manchmal sogar ein richtig gutes.

Auf dem Sitz neben mir vibrierte mein Handy gegen meinen Oberschenkel, und ich spannte mich sofort an. Ich wollte nicht sehen, wer es war. Ich wollte nicht noch mehr Ausreden lesen. Ich wollte mit meinem perfekten Sommer loslegen. Es vibrierte noch einmal. Ich holte tief Luft und warf einen Blick auf den Bildschirm. Wie erwartet war es meine beste Freundin Shay.

Es tut mir leid. Ich halte den Sommer nicht durch, wenn ich weiß, dass du wütend auf mich bist. Es war ein Versehen.

Wie, bitte schön, küsste man aus Versehen den Ex-Freund der besten Freundin? Trent und ich waren erst seit ein paar Wochen kein Paar mehr! Und ich hatte gedacht, dass wir vielleicht wieder zusammenkommen könnten. Jetzt fragte ich mich, ob Shay der wahre Grund war, warum wir überhaupt erst Schluss gemacht hatten. Offensichtlich mochten sie sich. Ich kam mir bescheuert vor, weil ich davon ausgegangen war, Trent und ich hätten nur eine schlechte Phase und würden uns wieder zusammenraufen.

Eine weitere Nachricht leuchtete auf.

Es war ein Riesenfehler. Wir haben beide nur darüber geredet, wie sehr wir dich vermissen werden, wenn du den ganzen Sommer weg bist! Bitte verzeih mir.

Ich legte das Handy mit dem Bildschirm nach unten auf den Sitz, als würden die Nachrichten verschwinden, wenn ich sie nicht sehen konnte.

»Hallo, Leute!«, sagte Lauren wieder in die Kamera. »Zeit für unseren Sommerausflug in die tiefen Wälder. Bäume und Seen und aufregende Abenteuer. Ich hoffe, ihr seid alle mit dabei. Sag hi, Avery.«

Die Handykamera war wieder auf mich gerichtet. Von den Nachrichten stiegen mir Tränen in die Augen. Ich biss die Zähne zusammen und blinzelte sie weg. Schließlich wandte ich mich Lauren zu und blies die Backen auf wie ein Kugelfisch, ein Meereswesen, dessen Abwehrmechanismus ich zu schätzen wusste.

Sie nahm ihr Handy herunter und zog die Augenbrauen hoch. »Kann ich das posten?«

Ehrlich gesagt war es mir egal, was ihre fünfzig Follower von mir hielten. Na ja, eigentlich stimmte das nicht … und dafür hasste ich mich. Aber sie warf mir wieder einen flehentlichen Blick zu.

Ich seufzte. »Wenns sein muss.«

»Danke!« Sie sah auf ihr Handy und ließ den Clip laufen.

Ich wandte mich wieder den Nachrichten zu, die sich immer noch nicht in Luft aufgelöst hatten.

Shay war meine beste Freundin, seit sie mich im Sommer vor der dritten Klasse durch einen Zaun offiziell dazu erklärt hatte. Sie war damals in das Haus hinter uns eingezogen, und wir hatten uns kennengelernt, als ihr Ball über den Zaun geflogen und mir an den Kopf geprallt war. Ich hatte ihr den Ball zurückgegeben, und danach quatschten wir wochenlang jeden Tag durch einen Spalt, bis wir irgendwann dann richtig miteinander abhingen. Und genau so hatte es sich angefühlt, als sie mir erzählte, was mit Trent passiert war: wie ein Ball, der mir gegen den Kopf knallt – unerwartet und peinlich –, nur ohne Happy End.

Dad ging ein weiteres Mal zu schnell in die Kurve.

»Äks«, beschwerte sich Lauren und hielt sich den Bauch. »Mir wird schlecht.«

Ich rutschte näher an mein Fenster heran. Das Letzte, was ich brauchte, war ein Schoß voll Kotze.

Mom schlug Dad auf den Arm. »Fahr langsamer.« Dann drehte sie sich nach hinten um. »Brauchst du eine Plastiktüte?«

»Hast du keine Reisetablette genommen?«, fragte ich.

»Doch, Avery, hab ich. Aber die hat offensichtlich nicht geholfen.«

»Hab doch nur gefragt«, gab ich zurück.

»Du hast nicht nur gefragt. Du wolltest damit sagen, dass ich was falsch gemacht habe.«

Da meine Schwester und ich nicht gerade beste Freundinnen waren, hatte ich ihr nichts von meiner grottigen Woche oder den unbeantworteten Nachrichten auf meinem Handy erzählt. Niemand wusste davon. »Sorry. So war das nicht gemeint.«

Ich erhaschte Dads Blick im Rückspiegel, und er sagte lautlos: »Feuer und Eis.«

Seit ein paar Jahren nannte Dad meine Schwester und mich Feuer und Eis. Auf fast jede erdenkliche Art und Weise waren wir das genaue Gegenteil voneinander. Lauren machte aus allem ein Drama und musste immer übertreiben. Ich war gelassen und schwamm mit dem Strom. Lauren war ein echter Blickfang. Sie war groß und stark und hatte hellblondes Haar und große blaue Augen. Sie wirkte immer glücklich, auch wenn sie schlechte Laune hatte. Ich hingegen gehörte zu den Menschen, die in der Menge untergingen. Ich hatte glattes braunes Haar und einen normalen Körperbau. Auch wenn mein Lächeln hübsch war, zog es keine Blicke auf sich. Mir gefielen meine Augen. Sie waren haselnussbraun, und ich konnte eine Menge mit ihnen ausdrücken. Obwohl wir so gegensätzlich waren, mochte ich den Spitznamen gar nicht (wer möchte schon mit Eis verglichen werden?), aber ich liebte meinen Dad und wusste, dass er es für niedlich und witzig hielt. Deshalb tat ich, was jeder gelassene Mensch tun würde – ich ignorierte es.

»Halt an! Halt an!«, kreischte Lauren und schnallte sich los.

Mom kramte um ihre Füße herum, und Dad schwenkte nach rechts und kam auf dem Seitenstreifen zum Stehen. Mom hielt eine Plastiktüte in die Luft, während meine Schwester die Tür aufwarf, hinaussprang und sich laut und heftig würgend auf die Straße übergab. Alles, was sie tat, wurde zum Drama, sogar kotzen. Sie stöhnte, stützte die Hände auf die Knie und wartete auf die nächste Runde.

Mom drehte sich zu Dad. »Warum hast du es eigentlich so eilig?«

»Ich fahre doch bloß.«

»Du weißt, dass ihr schlecht wird, wenn du so in die Kurven gehst.«

Ich sah auf mein Handy und überlegte immer noch, was ich antworten sollte.

Das ist doch toll!, tippte ich. Jetzt können wir unsere Erfahrungen austauschen und ihm extra Labello kaufen. Ich löschte die Nachricht sofort wieder. Das war nicht der richtige Moment für einen dämlichen Witz. Ist schon in Ordnung, tippte ich jetzt. Wir kriegen das hin.

Mein Finger schwebte über der SENDEN-Taste. In Ordnung fühlte ich mich ganz und gar nicht. Ich fühlte mich hintergangen, wütend, verwirrt und allein. Mir kam es so vor, als hätte ich in derselben Woche meine beste Freundin und meinen Freund verloren. Ich wollte sie eine Zeit lang mit Gleichgültigkeit strafen. Aber ich konnte es nicht ertragen, so zu empfinden. Ich wollte sie nicht verlieren. Je früher ich ihr verzieh, umso früher konnten wir die ganze Sache hinter uns lassen.

Die gedämpfte Stimme meiner Schwester riss mich aus meinen Gedanken. Sie lehnte sich von außen gegen das Fenster und zeichnete ein weiteres Video auf. Ich konnte nicht hören, was sie sagte, doch es hatte vermutlich etwas mit Kotzen zu tun. Ich kapierte ihre Videos einfach nicht.

Ich kniff die Augen zusammen und drückte SENDEN.

»Alles in Ordnung?«, fragte Mom. »Dir ist nicht auch schlecht, oder? Du bist ein wenig blass.«

»Was?«

Mom musterte mein Gesicht.

»Nein, alles in Ordnung.« War das heute mein Lieblingsausdruck?

Die Seitentür flog auf, und Laurens Handy erschien als Erstes. »Kein Empfang«, erklärte sie, während sie ins Auto stieg.

»Hm«, erwiderte Mom und reichte Lauren eine Flasche Wasser. »Na ja, wir fahren gerade durch Bergwälder.«

»Im Camp gibts aber Empfang, oder?«, fragte meine Schwester, zog die Tür zu und schnallte sich an.

»Ein Sommer ohne Handyempfang wäre nicht das Ende der Welt«, meinte Dad.

»Was?« Lauren schnappte nach Luft. »Was meinst du damit? Was soll das heißen?« Jede Frage wurde zunehmend lauter.

»Das stand auf der Homepage, die ich euch vor Monaten geschickt habe«, sagte Mom. »Kein WLAN. Eine Gelegenheit, sich von der Welt abzukoppeln.«

»Glaubst du etwa, dass wir das gelesen haben?«, gab Lauren zurück.

Mom zuckte mit den Schultern. »Vielleicht macht ihr’s ja beim nächsten Mal.«

Als mir schließlich klar wurde, was die Worte meiner Schwester bedeuteten, zog sich mir die Brust zusammen, und ich sah auf mein Handy. Tatsächlich befand sich neben meiner Nachricht ein rotes Dreieck. Sie war nicht gesendet worden. Vielleicht hätte ich mich darüber freuen sollen, dass wegen des mangelnden Handyempfangs mein flüchtiger Wunsch in Erfüllung ging, Shay mit Gleichgültigkeit zu strafen, doch stattdessen fühlte ich mich noch schlechter.

»Ich muss meinen Kanal pflegen!«, jammerte Lauren. »Meine Follower zählen auf mich! Ich habe ihnen einen Sommer voller Updates versprochen! Das ist total unfair. Ihr müsst uns solche Sachen vorher sagen.«

»Vielleicht ist es so für euch beide das Beste.« Mom tauschte einen Blick mit Dad.

Ich steckte meine halb aufgeladenen AirPods in die Ohren und spielte meine einzige heruntergeladene Playlist – Auch Emos brauchen Liebe. Der Großteil meines Songkatalogs war online gespeichert. So viel zum Thema perfekter Sommer.

Kapitel 2

AUCH WENN SICH DAS BEAR MEADOW CAMP ja offenbar noch im letzten Jahrhundert befand, war es ein wunderschöner Ort. Eine von Kiefern eingerahmte, riesige mehrstöckige Lodge tauchte wie ein einladendes Leuchtfeuer vor uns in der Dunkelheit auf. Und dahinter prangten wie Konfetti verstreute Sterne weiß am Himmel. An einen Sommer mit diesem Ausblick könnte ich mich gewöhnen.

Dad fuhr auf einen Parkplatz vor der Lodge. »Da sind wir. Nehmt eure Sachen, checken wir ein.«

Meine Schwester war zur Abwechslung einmal sprachlos, als sie durch das Wagenfenster das Gebäude vor uns betrachtete. Es hielt nicht lange an. »So ein Ort muss doch WLAN haben … oder?«, fragte sie mich im Flüsterton.

»Oder zumindest einen Kasten für Verbesserungsvorschläge«, erwiderte ich.

»Was?«

Ich tat so, als würde ich auf einen kleinen Zettel schreiben. »Bitte richten Sie WLAN ein. Danke.«

Sie prustete und stieg aus dem Wagen.

Ich drückte meine Tür auf, stieg auch aus und schloss mich meinen Eltern an. In der Luft lag der scharfe, würzige Geruch von Kiefernnadeln, und es war so knackig kühl, dass ich mich fragte, ob ich einen Kapuzenpulli aus meinem Koffer kramen sollte.

»Es ist kalt hier«, sagte Lauren von der anderen Seite des Autos. »Wird es den ganzen Sommer so kalt sein?«

»Erst nachdem die Sonne untergegangen ist«, meinte Dad. »Ist das nicht aufregend, Mädels?« Er legte mir den Arm um die Schultern und drückte mich.

»Denkt mal an das Potenzial!«, brummte Lauren mit tiefer Stimme und zitierte, was Dad am Anfang jedes Sommerurlaubs verkündete. Manchmal fragte ich mich, ob Dad sich mehr über die Möglichkeiten einer Reise begeisterte als darüber, wie sie dann tatsächlich lief.

»Genau«, erwiderte er. »Unser letzter gemeinsamer Sommer, bevor sich alles ändert.«

»Besorgst du dir eine neue Familie?«, witzelte ich, bevor er zu ernst wurde. Ich hatte noch ein ganzes Highschooljahr vor mir, ehe ich aufs College wechselte. Und wenn alles nach Plan lief, würde ich auf die UCLA gehen und vermutlich zu Hause wohnen. Wie sehr würden sich die Dinge seiner Meinung nach verändern? Ich hatte das Gefühl, dass sich nichts verändern würde, und war mir nicht sicher, ob ich bei diesem Gedanken erleichtert oder enttäuscht sein sollte.

»Vielleicht kann ich euch alle hier gegen jüngere Modelle austauschen.« Er machte den Kofferraum auf.

Mom warf ihm einen Blick zu, während sie ihr Kissen an sich drückte.

»Dich habe ich nicht gemeint«, sagte er. »Ich meinte die Kinder, weil sie erwachsen werden und uns verlassen.«

»Ja, ja, sehr schön herausgeredet«, gab Mom zurück.

Wir luden unsere Sachen aus dem Wagen und stapften den Pfad zur Lodge hinauf. Mein Rucksack war prall gefüllt mit Hausaufgaben für meine Leistungskurse im Herbst, und mein Koffer platzte aus allen Nähten, weil ein zweimonatiger Urlaub eine Menge Kleidung erforderte. Dad hielt die große, hölzerne Eingangstür auf und wir marschierten hinein.

Die Lobby war genauso wunderschön wie die Außenfassade. Aus der Mitte des runden Raums ragte eine große Eiche, und ihre Äste streckten sich zum Oberlicht darüber. Auch alles andere war aus Holz – die Böden, die Schreibtische, sogar die Decke, fast so, als wären wir ins Innere eines Baums getreten.

Von einem Flur auf der anderen Seite der Lobby drang Musik herüber.

Lauren ließ sich auf die Bank plumpsen, die den Baum umgab, während Dad zum Empfangsschalter ging, hinter dem ein Mädchen saß, das nicht viel älter aussah als ich. Ein großes D schmückte ihr grünes Poloshirt. War das ihr Name oder ihre Initiale?

»Hallo! Willkommen in Bear Meadow«, begrüßte sie uns überfreundlich. »Ihr Nachname, bitte.«

Ich nahm meinen schweren Rucksack von der Schulter, stellte ihn neben Laura auf den Boden und ließ auch meinen Koffer bei ihr.

»Young«, antwortete Dad.

»Willkommen, Familie Young.« D tippte etwas in ihren Computer und faltete dann vor meinen Eltern eine dreiseitige Broschüre auseinander. »Wir sind hier in der Lodge. Hier finden alle Veranstaltungen statt. Freitags ist Filmabend.« Sie zeigte auf den Flur, aus dem die Musik kam. »Mittwochs ist Bingo-Abend.«

»Ich glaube, Bingo könnte mir gefallen«, sagte Dad.

D schenkte ihm ein breites Lächeln. »Wir bieten auch Tanzstunden und Bastelworkshops an. Im Grunde findet in diesem Gebäude jeden Tag irgendetwas statt.«

»Das ist toll!«, erwiderte Mom und wackelte mit den Augenbrauen in unsere Richtung. Lauren verdrehte die Augen.

»Auf dem Grasplatz hinter der Lodge gibt es Rasenspiele – Badminton, Volleyball und so was. Tennisplätze und einen Pool haben wir auch.«

»Wir haben gehört, dass es hier eine riesige Wasserrutsche gibt«, sagte ich, und Dad schenkte mir ein anerkennendes Lächeln.

»Aber sicher. Die größte in ganz Kalifornien!«, antwortete D begeistert. Sie zeigte noch einmal auf die Karte. »Die Cafeteria befindet sich in der Mitte des Camps. Dort werden die Mahlzeiten serviert.«

»Alle Mahlzeiten?«, fragte Lauren.

D warf einen Blick auf den Computer. »In eurem Pauschalangebot sind zwei Mahlzeiten am Tag inbegriffen. Und in unserem kleinen Laden gibt es Milch und Frühstücksflocken für die dritte Mahlzeit.«

Während D meinen Eltern die Straße zeigte, die zu unserer Hütte führte, öffneten sich die Türen der Lodge und eine fünfköpfige Familie kam hereinmarschiert. Zwei der Kinder rannten sofort um den Baum herum, auf dessen Bank Lauren und ich gerade saßen, und kreischten etwas von einer Bigfoot-Jagd. Die Frau ging geradewegs zur Kaffeestation und goss sich einen Becher voll.

»Jungs, hört auf zu rennen!«, rief der Mann streng und stellte sich dann hinter meine Eltern in die Schlange.

Lauren öffnete die vordere Tasche ihres Rucksacks und kramte darin herum. »Filmabende, Bastelworkshops, Wasserrutsche?«, wiederholte sie so leise, dass nur ich sie hören konnte. »Ist das ein Camp für Kleinkinder?« Dabei starrte sie demonstrativ auf die Kinder, die immer noch nicht aufgehört hatten, zu rennen. »Ich habe das starke Gefühl, dass es hier keine Jungs in unserem Alter gibt.«

Dieser Gedanke enttäuschte mich kein bisschen. Vor genau drei Tagen hatte ich allen Typen abgeschworen. Das Beziehungsdrama, in dem ich gerade steckte, hatte in meinem Mund einen schlechten Beigeschmack zurückgelassen. Jetzt, da ich keinen Kontakt mit der Außenwelt hatte, machte ich mir Sorgen, dass ich ihn den ganzen Sommer lang nicht loswerden würde.

Mit einem erleichterten Seufzer befreite Lauren ein langes Kabel aus ihrer Tasche. »Oh, gut. Ich dachte, ich hätte es vergessen.«

»Wie schön, dass du deine überteuerte Taschenlampe weiter aufladen kannst.«

»Ich habe die Hoffnung auf WLAN noch nicht aufgegeben. Und auch wenn es keins gibt, kann ich immer noch Sachen filmen und am Ende des Sommers eine Videozusammenfassung schneiden. Ich werde mir schon was einfallen lassen«, sagte sie, als wollte sie sich selbst beruhigen.

Ich fragte mich, ob mir irgendetwas einfallen würde, wie ich mit Shay sprechen und diesen bitteren Beigeschmack und den Druck auf meiner Brust loswerden konnte.

Ich wurde wieder auf die Musik aus dem Flur aufmerksam und machte mich auf die Suche nach ihrer Quelle. Ich hatte nur wenige Schritte getan, als einer der herumrennenden Jungs und die Frau mit ihrem vollen Kaffeebecher zusammenstießen und der Becher daraufhin durch die Lobby flog. Ich sah zu, wie er sich in gefühlter Zeitlupe durch die Luft bewegte. Dabei ergoss sich sein Inhalt in hohem Bogen zwischen der Frau und mir und durchnässte mein weißes T-Shirt komplett. Dann landete der Becher auf dem Boden, machte drei Hüpfer, schlitterte ein Stück über das dunkle Holz und blieb schließlich vor meinen grauen Chucks liegen. Zuerst spürte ich die Hitze der Flüssigkeit nicht, doch dann breitete sich auf meinem Bauch ein brennendes Gefühl aus. Ich atmete scharf ein und zog mir das T-Shirt von der Haut weg.

»Ach, du meine Güte!«, rief D hinter mir.

»Jungs!«, sagte der Mann noch einmal.

Die Frau, jetzt mit leeren Händen, sah erst mich und dann den Becher neben meinem Fuß an, als wäre das Ganze irgendwie meine Schuld. »Entschuldigung«, hörte ich mich sagen.

Mom hatte von irgendwoher eine Rolle Küchenpapier herbeigezaubert und fing an, den Boden aufzuwischen. Dad half Lauren, unser Gepäck von der sich ausdehnenden Pfütze wegzubewegen. Es war mir ein Rätsel, wie auch nur ein Tropfen Kaffee auf dem Boden gelandet sein konnte, wo es sich doch so anfühlte, als hätte mein T-Shirt eine ganze Kanne aufgesaugt. »Alles klar, Avery?«, fragte Dad.

Mittlerweile stand D neben mir. »Die Toilette ist hier lang. Ich zeigs dir.« Und ohne ein Wort folgte ich ihr. Wir gingen durch die Lobby in Richtung des Flurs, aus dem ich die Musik gehört hatte. Sie war jetzt lauter – lief ein Film? Radio? –, doch als wir an den Türen vorbeikamen, hinter denen sie offensichtlich spielte, konnte ich nicht hineinsehen. D führte mich bis ans Ende des Flurs.

Sobald wir uns in der Sicherheit der Toilette befanden, zog ich mein T-Shirt aus, warf es auf die Waschtheke und untersuchte meine Haut. Sie war rot, aber nicht verbrannt. D schnappte sich ein Papierhandtuch von einem Stapel auf der Theke, hielt es unter kaltes Wasser und reichte es mir. Ich drückte das nasse Papier auf meinen Bauch.

»Soll ich die Krankenschwester holen?«, fragte sie.

»Was? Nein.« Ich kam mir schon bescheuert genug vor. »Es geht auch so.«

»Bist du sicher?«

»Ich dusche sehr heiß. Anscheinend habe ich meine Haut schon auf dieses spezielle Szenario vorbereitet.«

Sie lachte nicht, sondern griff nach meinem T-Shirt. »Ich lasse es waschen und zu eurer Hütte bringen.« Dann ging sie rückwärts aus der Toilette, und die Tür schwang zu.

Ich holte tief Luft und schälte das Papierhandtuch langsam von meinem Bauch, um ihn mir noch einmal anzusehen. Er war schon nicht mehr so rot. Ich warf das Handtuch in einen Müll-eimer mit Goldrand und drehte mich zur Tür.

Mir hätte wohl schon vor diesem Moment klar sein müssen, dass ich jetzt hier in meinem BH festsaß, während eine Angestellte, die einen guten Eindruck machen wollte (oder vielmehr keine Klage riskieren), mein T-Shirt in Besitz genommen hatte. Ich stöhnte leise und drehte mich einmal im Kreis. Die Toilette war nett – die Klokabinen waren einzelne Räume mit Volltüren, die Waschtheke war aus glänzendem Granit und die Armaturen aus poliertem Messing. An den Wänden hingen sogar Kunstdrucke. Aber ihr fehlte die eine Sache, die ich brauchte – ein herumliegender Stapel zusätzlicher T-Shirts.

Gerade als ich versuchte, mir zu überlegen, wie ich eins aus Papierhandtüchern basteln könnte, ging wieder die Tür auf und D erschien.

Ich atmete erleichtert auf. »Könntest du meine Mutter …«

Noch bevor ich den Satz zu Ende gesprochen hatte, hielt sie mir ein blaues T-Shirt hin. »Bitte schön.«

»Oder du könntest mir einfach genau das bringen, was ich haben will.«

Sie lächelte. »Brauchst du sonst noch irgendwas?«

»Kaffee?«

Sie stutzte.

»Das war ein Witz.«

»Oh …« Sie gab das schlimmste Höflichkeitslachen aller Zeiten von sich und ging.

Ich faltete das T-Shirt auseinander und hielt es hoch. Auf der Rückseite prangte das Bear-Meadow-Camp-Logo – ein freundlicher Bär vor drei Kiefern – und vorne stand das Wort PERSONAL.

»Gott sei gedankt für Angestellte, die nicht verklagt werden wollen«, murmelte ich und zog mir das T-Shirt über den Kopf.

Ich lehnte mich kurz an die Waschtheke und sah in den Spiegel. Mein braunes Haar hing mir schlaff um die Schultern und meine haselnussbraunen Augen blickten müde. War es zu spät, um nach Hause zurückzukehren?

Ich atmete scharf aus. Ich wusste, dass nach Hause zurückzukehren nicht zur Wahl stand, aber ein Bett war eine gute zweite Option, die es allerdings nur außerhalb dieser Toilette gab. Ich fuhr mir mit den Fingern durchs Haar, wischte mir ein wenig Wimperntusche unter den Augen weg und verließ die Toilette.

Als ich diesmal an den Türen vorbeiging, aus denen ich vorhin Musik gehört hatte, blieb ich stehen und spähte hinein.

Es war ein kleines Theater mit Sitzrängen, die zur Bühne ausgerichtet waren. Im Moment war der Zuschauerraum dunkel und leer. Doch die Bühne war erleuchtet und zwischen einigen Instrumenten standen drei Jungs und unterhielten sich. Ich fragte mich, für welche Veranstaltungen sie hier eine Live-Band benötigten. Bingo-Abend?

»Hast du dich verirrt?«, fragte eine Stimme. Ich zuckte zusammen.

Zu meiner Rechten, hinter der letzten Reihe roter Samtsitze, war noch ein Typ, der neben einem Gitarrenkasten kauerte und den Deckel zumachte. Er hatte langes, welliges Haar und strahlend blaue Augen, die direkt durch mich hindurchzustarren schienen.

Fast wäre ich einen Schritt zurückgewichen. »Du hast mich erschreckt.«

Er richtete sich auf, und obwohl er nur durchschnittlich groß war, hatte seine Haltung oder sein selbstbewusster Blick oder die vielsagende Neigung seines Kopfes etwas an sich, das den Raum beherrschte. »Bist du neu hier?« Seine Frage klang nicht unhöflich, aber freundlich war sie auch nicht.

»Ja, ich bin gerade angekommen.« Das Scheppern von aufei-nandertreffenden Becken hallte durch das Theater, und als ich hi-nüberblickte, sah ich, wie der Schlagzeuger, ein großer Polynesier, aufstand.

»Sorry!«, rief er uns zu, schlug einen Trommelwirbel auf seiner Snare und lachte.

»Seid ihr … Ist das … eine Band?«, fragte ich den Typen neben mir. Er hob die Augenbrauen.

»Ich meine, klar, das ist ja offensichtlich, aber wofür?«

In sein Gesicht trat jetzt doch ein angedeutetes Lächeln, das seine Augen zum Leuchten brachte und ihn nahbarer erscheinen ließ. Wenn schon ein angedeutetes Lächeln das alles bewirken konnte, fragte ich mich unwillkürlich, wozu sein richtiges Lächeln fähig war.

»Hauptsächlich für, du weißt schon … die Musik«, antwortete er.

Ich verdrehte die Augen, lächelte aber auch. »Für die Musik? Wie unoriginell. Ich würde es für die Groupies tun … oder für die Drogen.«

»Mir ist schon seit Jahren klar, dass es mir an Prinzipien fehlt«, schoss er zurück.

Mein Lächeln wurde breiter. Ich konnte nicht anders. Er war heute Abend der Erste, der meine dämlichen Witze zu kapieren schien. »Und wo kann man sich diese Musik anhören?«

»Wir spielen beim Abendessen.«

»Live-Musik zum Abendessen? Wie extravagant.«

»Nur das Beste für unsere verwöhnten Gäste.«

Ich blinzelte, unsicher, ob er sticheln wollte. Nein, wir machten nur Witze. Es war ein Witz. »Na ja, wenn Musik noch kein Menschenrecht ist, sollte es eins werden.«

»Ganz deiner Meinung!« Er hob seinen Gitarrenkasten hoch.

»Brooks! Kommst du?«, rief ein anderes Bandmitglied herüber. Die drei steuerten auf einen schwarzen Vorhang hinten auf der Bühne zu.

Brooks hob die Hand in ihre Richtung, den Blick weiter auf mich gerichtet. »Ja!« Er nahm die Hand wieder herunter. »Und du bist?«, fragte er, womit er anzudeuten schien, dass sein herausgerufener Name als Vorstellung zählte.

Das fand ich auch. »Avery.«

»Avery. Nach dem Abendessen haben wir meistens eine Bandprobe. Komm nächstes Mal ein wenig früher und sag mir, was du von uns hältst.« Und dann breitete sich auf seinem Gesicht das richtige Lächeln aus, auf das ich gewartet hatte. Und ich hatte recht, es war zauberhaft.

Ich nickte leicht.

Er ging ein paar Schritte an mir vorbei den Gang entlang und drehte sich dann noch mal um. »Führt dich Janelle herum?«

»Ähm … nein.« Ich zeigte mit dem Daumen über meine Schulter. »D.«

»Na, dann, willkommen in Bear Meadow, wo dein Gehaltsscheck klein und deine Geduld noch geringer sein wird.«

»Was?« war meine erste verwirrte Antwort. Und dann, fast ebenso schnell, erinnerte ich mich an das T-Shirt, das ich trug. Das Personal-T-Shirt. Er glaubte, dass ich hier arbeitete.

Ich öffnete den Mund, um es richtigzustellen, sagte aber stattdessen: »Danke.« Warum hatte ich das gesagt? Mir fielen sofort zwei Gründe dafür ein. Erstens gab ich anderen Leuten nur ungern das Gefühl, sie hätten etwas Dummes von sich gegeben, und zweitens hatte er immer noch dieses zauberhafte Lächeln im Gesicht.

Er joggte halb zur Bühne und schloss sich den anderen Jungs an. Ich zupfte am Saum meines T-Shirts. Bescheuertes T-Shirt.

»Da bist du«, stieß Lauren hinter mir hervor. »Alle warten auf dich. Was treibst du eigentlich?« Sie sah an mir vorbei zu dem mittlerweile völlig leeren Theater.

»Nichts. Ich komme.«

In der Lobby standen die Kaffee-Mom und ihre Familie am Empfangsschalter und lauschten, wie D ihnen die Camp-Einrichtungen erklärte. Meine Eltern warteten mit unserem Gepäck am Eingang.

»Alles in Ordnung?«, fragte Dad, als ich zu ihnen stieß.

»Alles klar«, antwortete ich.

»Du solltest rübergehen und die Lady verkloppen«, meinte Lauren und sah mit finsterem Blick zum Empfangsschalter.

Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin dem Kind wahrscheinlich in den Weg gelaufen.« Etwas anderes konnte ich mir nicht vorstellen – das Kind musste versucht haben, mir auszuweichen. Warum hätte sich die Frau sonst so benommen, als wäre es meine Schuld? »Aber vielleicht mache ich den Kasten für Verbesserungsvorschläge ausfindig.« Ich tat so, als würde ich auf einen Zettel schreiben. »Mehr WLAN, weniger heiße Flüssigkeiten.«

Lauren gab einen ungeduldigen Stoßseufzer von sich.

Dad zwinkerte mir zu. »Feuer und Eis.«

»Okay«, sagte ich. Lass es einfach nicht an dich ran, Avery. Lass es einfach nicht an dich ran.

Mom hielt mehrere Schlüsselkarten hoch. »Kommt, schauen wir uns unser Zuhause für die nächsten paar Monate an.«

Kapitel 3

»ICH WÜNSCHE DIR EINEN WUNDERSCHÖNEN Tag!«, sagte das Mädchen, während sie mir mit einer Zange ein Vollkornbrötchen auf den Teller legte. Es war Zeit fürs Abendessen, und wir waren in der großen Cafeteria – einem Raum, der starke Ähnlichkeit mit einer Schulkantine hatte und in dem man sich bei einem Buffet bediente. Im Gegensatz zur riesigen Lodge und unserer Familienhütte, die neu zu sein schienen, war die Cafeteria vermutlich ein Überbleibsel aus der Vergangenheit des Camps: Deckenplatten, Leuchtstoffröhren, Türrahmen aus Eiche. Aber sie hatten ganze Arbeit geleistet, diese Details mit schönen Tischen, Stühlen und riesigen Gemälden vom See und den umgebenden Wäldern zu verbergen.

Nachdem wir uns am Abend zuvor in unserer Hütte eingerichtet hatten, waren wir heute den ganzen Tag lang durchs Camp spaziert. Während wir alles anschauten – den kleinen Laden, die Sportplätze, den See, die Lodge –, wies Dad uns auf die vielen Aktivitäten hin, die wir über den Sommer ausprobieren konnten. Und obwohl wir letztlich nur zusammen eine Partie Badminton gespielt hatten, wollte ich den Rest des Abends einfach bloß in der Hütte bleiben und ein bisschen lesen.

»Sagst du das noch mal für mein Video?«, fragte Lauren, die ihr Handy hochhielt, als wäre das eigentlich keine Bitte, sondern eine Anweisung.

»Wie bitte?«, fragte das Mädchen. Auf ihrem Namensschild stand TIA.

»Das mit dem ›wunderschönen Tag‹. Während du ein Brötchen auf meinen Teller legst.« Sie hob ihren Teller hoch, damit er im Bild war.

»Lauren, nicht jeder will in deinem Film als Statist auftreten.« Ich hatte Verständnis für Tias hilflose Miene.

Lauren winkte mich weg. »Das ist kein Film. Ich habe einen Kanal. Das sind nur Einblicke in mein Leben. Das wird Teil einer Videomontage am Ende des Sommers. Wäre das okay?«

»Klar doch!«, sagte Tia, die auf einmal ein strahlendes Lächeln aufsetzte.

Sie hatte meine Hilfe wohl nicht gebraucht. Dieses Video würde sowieso kaum jemand sehen. Wer war schon an Einblicken in unser langweiliges Leben interessiert? Ich ging zur nächsten Essensstation, füllte einen Teller mit Salat und Tomaten und ertränkte das Ganze in Ranch-Dressing. In der Cafeteria saßen mehrere Familien, jede an ihrem eigenen runden Tisch. Meine Eltern hatten schon angefangen, jetzt winkten sie mir zu.

Ich setzte mich Mom gegenüber auf den Stuhl. Mein Handy drückte mir in die Hüfte, darum nahm ich es aus der Hosentasche und legte es neben meinen Teller.

»Da ist meine Musik drauf«, erklärte ich, als Mom es mit einem verwunderten Blick betrachtete. »Natürlich nicht für jetzt.« Ich hörte gern Musik beim Herumlaufen. Ein Soundtrack für mein Leben.

»Die brauchst du sowieso nicht. Während des Abendessens gibt es Live-Musik.« Sie reckte den Hals.

Ich hatte das Gefühl, mir würde das Herz stehen bleiben. Wie hatte ich das bloß vergessen können? Brooks und seine Band spielten während des Abendessens. Ich rutschte auf meinem Stuhl tiefer nach unten, während mir meine gestrige Lüge durch den Kopf ging.

Gerade als mir auffiel, dass gar keine Musik zu hören war, drehte sich Mom wieder um und sagte: »Die Band macht wohl gerade Pause. Als Dad und ich reingekommen sind, hat sie noch gespielt.«

In der Ecke der Cafeteria befand sich eine behelfsmäßige Bühne mit den zurückgelassenen Instrumenten. Mom versperrte mir größtenteils die Sicht darauf.

»Sie haben vorhin eine zehnminütige Pause angekündigt«, sagte Dad.

Zehn Minuten. Ich konnte in weniger als zehn Minuten essen. Denn Brooks aus dem Weg zu gehen, erschien mir wie die vernünftige, erwachsene Art, das von mir geschaffene Problem zu lösen. Ich seufzte. So wie Shay aus dem Weg zu gehen es gewesen war? Nein, ich würde die Sache richtigstellen, aber nicht jetzt, mitten in der Cafeteria. Vor allem, weil meine Erklärung sich in etwa so anhören würde: Na ja, du hast gelächelt, da war es mir nicht möglich, richtigzustellen, dass ich nicht hier arbeite. Das verstehst du doch sicher.

»Ich habe meiner Geburtstagswunschliste noch was hinzugefügt«, teilte Lauren uns mit, als sie ihren Teller auf den Tisch und sich selbst auf den Platz neben mir plumpsen ließ. »Einen tragbaren Smartphone-Stabilisator. Das wird mir bei meinen Videos helfen.«

»Du hast erst in fünf Monaten Geburtstag«, erwiderte Dad.

»Ich weiß. Ich gebe euch nur genügend Vorlaufzeit.«

Ich wusste, dass meine Eltern, vor allem Dad, ihr Hobby für genau das hielten, ein Hobby, sonst nichts. Doch meistens ließen sie es unkommentiert und versuchten eher, die Aufmerksamkeit meiner Schwester auf andere Dinge umzulenken.

Mom zeigte auf ein laminiertes Programm, das auf dem Tisch lag. »Falls es eine von euch interessiert, heute Abend findet im unteren Veranstaltungsraum ein Motivationsvortrag statt«, sagte sie – ein perfektes Umlenkungs-Beispiel.

»Wozu soll er uns denn motivieren?«, fragte ich.

Lauren streckte die Arme weit aus. »Zu einem produktiven Leben ohne Internet.«

»Socken stricken und Bananenbrot backen?«, fragte ich mit einem Grinsen.

Mom verdrehte die Augen. »Ist das dein Ernst? Glaubst du wirklich, dass vor dem Internet das Leben so ausgesehen hat?«

»Wahrscheinlich habt ihr auch noch Sternkarten erstellt und Gedichte geschrieben«, erwiderte ich.

Dad hob seine Gabel. »Ich habe im College sogar ein Semester Astronomie studiert.« Er drehte das Programm zu sich. »Es würde mich nicht wundern, wenn sie hier auch Sternenbeobachtung anbieten … Aha!« Mit leuchtenden Augen stieß er seine Gabel in die Mitte der Seite. »Alle eure Wünsche gehen in Erfüllung.«

Ich lächelte, während ich zwischen Dads Gabel und seinem trotteligen Gesichtsausdruck hin- und hersah. Der Abendhimmel gestern war wirklich ein fantastischer Anblick gewesen. Mehr als nur die gängigen Sternbilder zu kennen, fände ich tatsächlich spannend.

Ich schaufelte mir ein paar Gabeln Salat in den Mund und stand auf.

»Bist du schon fertig?«, fragte Dad.

Ich schluckte. »Ja, die Badmintonpartie vorhin hat mich echt geschlaucht.« Ich nahm mein Handy vom Tisch.

Lauren kommentierte die lahme Ausrede mit einem Schnauben. Dann hallte die Rückkopplung eines Mikrofons durch den Saal, und ich ließ mich ganz schnell wieder auf meinen Platz fallen. Das waren keine zehn Minuten gewesen. Nicht einmal fünf.

»Du musst nicht bleiben«, sagte Dad, als hätte ich meine Meinung wegen seiner Frage geändert.

»Ist schon okay, ich warte, bis ihr auch so weit seid.«

Lauren warf mir einen misstrauischen Blick zu, aß aber wortlos weiter.

Brooks’ Stimme war über das Mikrofon zu hören. »Wir sind wieder zurück, und nur zur Erinnerung, wir nehmen Wünsche entgegen. Die Songliste finden Sie auf der Rückseite des Programms, das auf Ihren Tischen liegt.« War er der Leadsänger?

»Hallo«, stieß Lauren hervor, den Blick fest auf die Bühne gerichtet, die sie im Vergleich zu mir offensichtlich gut sehen konnte. Ich rutschte ein wenig tiefer und griff im selben Moment wie Lauren nach dem Programm. Ich ließ sie als Erste reinsehen.

»Hallo, was?«, fragte Mom.

Lauren überflog die Songliste und reichte sie mir dann. »Hallo, niedliche Band inmitten der Wälder. Ich bin dabei. Avery, check sie ab. Komm, lass uns rübergehen und uns was wünschen.«

Ich betrachtete die Liste, die hauptsächlich aus Oldies bestand – die Beach Boys, Elvis, die Beatles und mehr. Keiner dieser Songs hatte auch nur annähernd etwas mit dem Punkrock-Vibe zu tun, den ich gestern Abend im Vorbeigehen gehört hatte. Ich spähte um Mom herum und beobachtete, wie jemand, der nicht Brooks war, mit einem Billy-Joel-Song loslegte. Er hatte eine nette Stimme – sanft mit genau der richtigen Prise Heiserkeit.

Dad, der sich die Band jetzt auch genauer ansah, meinte: »Die sind viel zu alt, um euch mit ihnen anzufreunden.«

»Woher weißt du, wie alt sie sind?«, fragte Lauren.

Ich war mir nicht sicher, wie alt die anderen waren, aber Brooks hatte nicht so alt gewirkt. Ich schätzte, er war mein Jahrgang. Doch da Lauren erst fünfzehn war, konnte ich verstehen, warum Dad Grenzen setzte.

»Außerdem«, warf Mom ein, »arbeiten sie hier. Das ist schließlich kein Dating-Camp. Aber es gibt bestimmt viele Gäste, mit denen was laufen könnte über den Sommer.«

Lauren spuckte beinahe ihren großen Schluck Wasser aus.

Ich schüttelte den Kopf und flüsterte: »Mom, das klingt ja, als wären wir auf Sex aus.«

Jetzt war Mom an der Reihe, schockiert zu sein. »Das habe ich nicht gemeint!«

»Was hast du nicht gemeint?«, wollte Dad wissen.

Lauren lachte und blickte dann sehnsüchtig auf ihr Handy. »Ich wünschte, ich hätte diese ganze Unterhaltung aufgezeichnet.«

»Sind da irgendwelche guten Songs drauf?«, fragte Dad und zeigte auf die Liste, die ich in der Hand hielt.

Ich reichte sie ihm und bereute es sofort, als Mom mit ihrem Stuhl an Dad heranrutschte und die Sicht auf mich freigab. Ich saß reglos da, weil ich wusste, dass ich sonst auf mich aufmerksam machen würde. Keines der Bandmitglieder sah in meine Richtung. Der Sänger, ein drahtiger weißer Typ mit schlaffem braunem Haar hielt beim Singen den Mikrofonständer mit beiden Händen. Sonst bewegte er sich kaum. Der muskulöse Polynesier hinter dem Schlagzeug wirkte so, als wäre er lieber ganz wo-anders. Der wasserstoffblonde Bassist sah immer wieder zur Wand, an der ich eine Uhr entdeckte, als ich seinem Blick folgte. Und Brooks’ starke Präsenz, die mich am Abend zuvor so beeindruckt hatte, war nur halb so stark. Er wirkte, als wollte er am liebsten im Hintergrund verschwinden, während er mit null Energie über die Saiten seiner Gitarre schrummte.

Das überraschte mich, doch dann fiel mir auf, wie laut es hier im Speisesaal war, bei all den Gesprächen, dem klappernden Geschirr und dem Gelächter, und dass niemand sonderlich auf die Band achtete. Das war natürlich kein leichtes Publikum. Als würde er meinen Blick spüren, sah Brooks direkt zu mir her.

Mist.

Ich schenkte ihm ein kleines Lächeln und winkte ihm unauffällig zu. Als er den Tisch und meine Familie bemerkte, legte er die Stirn in Falten. Vielleicht erkannte er mich nicht. Oder er versuchte, mich in die Geschichte einzubauen, die er anfangs für wahr gehalten hatte. Er erwiderte mein Lächeln nicht, sondern wandte einfach den Blick ab.

In der nächsten halben Stunde, während meine Eltern und Lauren eine Unterhaltung führten, an der ich mich bestenfalls halbherzig beteiligte, versuchte ich, seinen Blick zu erhaschen. Ich wollte lautlos »Sorry« sagen oder so was. Doch er sah nicht wieder in meine Richtung.

War er sauer? Aber warum? Wir kannten uns nicht. Es war nur ein albernes Missverständnis. Ich würde es richtigstellen. Am Vorabend hatte er mich einfach überrumpelt. Mehr würde ich nicht sagen müssen, und dann wäre alles wieder gut.

Als meine Eltern mit dem Essen fertig waren und sie und Lauren aufstanden, um zu gehen, sagte ich deshalb: »Ich werfe noch einen Blick auf die Dessert-Theke.«

»Okay, dann bis gleich in der Hütte«, erwiderte Dad.

Lauren zeigte im Weggehen auf die Bühne und sagte etwas zu Mom. Die schüttelte nur den Kopf.

Ich hörte mir noch drei langsame, energielose Songs an, bevor Brooks sich zum Mikro neigte und sagte: »Das wars für heute. Danke, Sie waren ein tolles Publikum. Bis morgen.«

Ich klatschte, aber als niemand mit einstimmte, legte ich die Hände wieder auf den Tisch. Dann beobachtete ich, wie Brooks und der Rest der Band ihre Instrumente einpackten und durch eine Tür auf der Seite der Bühne verschwanden. Ich stand auf, warf einen schnellen Blick über die Schulter und ging ihnen nach. Auf der Rückseite des Gebäudes, wo sie das Schlagzeug und die Gitarren auf einen flachen Anhänger luden, der an einem Golfmobil befestigt war, holte ich sie ein. Ich blieb an der Hintertür stehen.

»Wir sollten am Bühnenrand eine Dose für Trinkgelder aufstellen«, schlug der Schlagzeuger vor. »Und so unsere Einnahmen verbessern. Ist das nicht die beste Idee, die ihr je gehört habt?« Er hielt ihnen eine unsichtbare Dose hin. »Ja, wir nehmen Hunderter, Leute. Oder Fünfziger. Die gehen auch.« Darüber lachte er laut.

Der Bass-Spieler schlug sich auf den Nacken, eine Bewegung, die mich auf die Käfer aufmerksam machte, die in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne tanzten.

Brooks schüttelte den Kopf. »Sie klatschen uns nicht mal Beifall, Kai. Da glaubst du wirklich, dass sie Geld lockermachen?«

»Komm schon, hab ein bisschen Fantasie.«

Brooks nahm einen Trommelstock aus Kais Brusttasche und tat so, als würde er ihm damit in den Magen stechen.

»Uuh!« Kai fasste sich an den Bauch und stolperte nach vorne. »Ian, Levi, rettet mich.« Er streckte die Hand nach beiden Jungs aus, die von dieser Darbietung ebenso unbeeindruckt waren wie von ihrer eigenen vorhin auf der Bühne.

»Wie viele Schlagzeugteile sind noch drin?«, fragte Brooks.

»Nur noch eins der Becken und die Snare«, erwiderte Kai, der sich von seiner falschen Verletzung erholt hatte. »Oh, und das Pedal.«

Brooks wandte sich wieder zur Tür und blieb abrupt stehen, als er mich sah. Nach dieser ersten Reaktion marschierte er erneut los. »Du lungerst wohl gerne in Eingängen herum?«, fragte er, als er an mir vorbei nach drinnen ging. Die entspannte Stimmung, mit der unser gestriges Treffen geendet hatte, war völlig verflogen.

Ich ging ihm nach. »Nein, ich meine, es tut mir leid.«

Die Cafeteria leerte sich, Angestellte wischten Oberflächen ab und räumten Essen weg. Brooks sprang auf die Bühne und packte die Ständer der beiden Schlagzeugteile, dann betrachtete er das Pedal, das noch am Boden lag. Ganz offensichtlich überlegte er, wie er das auch noch mitkriegte. Ich trat auf die Bühne und hob es auf.

»Was tut dir leid?«, fragte er und steuerte wieder auf den Ausgang zu.

»Es tut mir leid, dass du geglaubt hast, ich würde hier arbeiten und …«

»Geglaubt?«, wiederholte er. »Du hattest ein Personal-T-Shirt an, und als ich ›Willkommen in Bear Meadow‹ gesagt habe, hast du dich bedankt.«

Ich stöhnte. »Ich weiß.«

»Na ja, ich hoffe, du hast gewonnen«, sagte er.

Wir traten wieder nach draußen, und ich blieb auf dem Kiesweg stehen, gleich neben den anderen Bandmitgliedern und dem Golfmobil. »Gewonnen?«

Er drehte sich zu mir. »Die Wette, die du mit deiner Freundin laufen hattest. Einen Angestellten veräppeln oder nach Dienstschluss in die Lodge schleichen und ein dämliches T-Shirt für irgendeinen nächtlichen Streich klauen, was auch immer. Ich kenne Leute wie dich und bin damit durch.«

»Leute wie mich?«

Er stand da wie eine merkwürdige Verkörperung der Justitia, mit einer Trommel in jeder Hand statt der Waage und dem Schwert. »Ja«, bekräftigte er, weil er in diesem Fall anscheinend keine Beweise mehr brauchte. »Leute wie du – verwöhnte, reiche Snobs.«

Ich schnappte nach Luft und umfasste das Pedal fester. Ich wollte es ihm an den Kopf werfen. Wollte etwas ebenso Gemeines erwidern. Aber wie so oft, wenn ich mit einer unangenehmen Situation konfrontiert war, hatte ich die totale Mattscheibe. Er brauchte keine Antwort; er marschierte zum Anhänger.

Es dauerte einen Moment, bis mir bewusst wurde, dass der Leadsänger mit dem schlaffen braunen Haar und den freundlichen Augen vor mir stand und nach dem Pedal griff. Er hatte offensichtlich alles gehört, und ich tat ihm leid. Ich hielt ihm das Pedal hin, und er nahm es stumm entgegen; dann fuhren sie zusammen weg. Die Becken auf dem Anhänger schepperten bei jeder Bodenwelle.

Da endlich gab ich einen wütenden Seufzer von mir. Was fiel ihm eigentlich ein? Ein kleines Missverständnis, und auf einmal war ich ein Snob? Alle Dinge, die ich hätte sagen sollen, als Brooks vor mir gestanden hatte, kamen mir jetzt schlagartig in den Sinn. »Nutzloses Hirn«, murmelte ich.

Dann lief ich los.