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Wenn aus Spiel Ernst wird ...
Obwohl Molly eigentlich eine Mitbewohnerin sucht, knickt sie ein, als der charmante Declan Tate an ihre Tür klopft - seinen leckeren Cupcakes kann sie einfach nicht widerstehen. Doch der junge Marketingexperte entpuppt sich als Glücksgriff: faszinierend, unkompliziert, humorvoll, und Molly versteht sich auf Anhieb super mit ihm. Aber mehr als Freundschaft ist auf keinen Fall drin, sind sie beide doch an jemand anderem interessiert. Und so schmieden sie einen genialen Plan, um ihren jeweiligen Schwarm eifersüchtig zu machen: Sie geben vor, ein Paar zu sein, und siehe da, es funktioniert! Bis sie merken, dass ihr Herzklopfen nicht länger nur gespielt ist ...
"Eine süße und romantische Slow-Burn-Romance, die einen schwärmen lässt." SHAMELESS BOOK CLUB
Der neue Bestseller des Erfolgsduos Vi Keeland und Penelope Ward
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Seitenzahl: 431
Titel
Zu diesem Buch
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
Epilog
Danksagung
Die Autorinnen
Die Romane von Vi Keeland und Penelope Ward bei LYX
Impressum
Vi Keeland / Penelope Ward
Sweet Player
Roman
Ins Deutsche übertragen von Antje Görnig
Molly ist verzweifelt: Sie braucht unbedingt eine neue Mitbewohnerin (ja, es soll eine Frau sein!), doch auf ihre Anzeige melden sich nur die merkwürdigsten Bewerberinnen. Als der charmante Declan Tate an ihre Tür klopft, sieht die Krankenschwester den perfekten Mann vor sich – der als Roommate (männlich!) natürlich nicht infrage kommt. Aber als Cupcakes vor ihrer Wohnung auftauchen – superlecker und frisch gebacken von Declan – , knickt Molly ein und lässt ihn einziehen. Der Marketingexperte entpuppt sich als Glücksgriff: unkompliziert, faszinierend, humorvoll, und Molly versteht sich auf Anhieb sehr gut mit ihm. Doch mehr als Freundschaft ist auf keinen Fall drin, weil sie beide an jemand anderem interessiert sind. Es dauert nicht lange, bis sie auf die geniale Idee kommen, sich als Paar auszugeben, um ihren jeweiligen Schwarm eifersüchtig zu machen. Doch bald müssen sie sich eingestehen, dass ihre Gefühle nicht mehr nur gespielt sind …
»Was machst du beruflich?«
Die Frau trommelte mit den Fingern auf ihre Oberschenkel. »Ich bin Musikerin.«
Ich warf einen Blick auf ihre Bewerbung. »Lyric Chords« lautete ihr Name.
Ich biss mir auf die Zunge und bemühte mich, unvoreingenommen zu bleiben. Ich suchte eine Mitbewohnerin, und sie war die zwölfte Frau, mit der ich sprach. Nur weil sie eine Handvoll Sicherheitsnadeln in der Augenbraue hatte und eine Art Hundehalsband trug, musste ich sie nicht sofort aussortieren.
»Oh, schön. Bist du Sängerin?«
Lyric schüttelte den Kopf. »Drummerin. Wie groß ist das Zimmer eigentlich? Ich muss zwei komplette Schlagzeuge darin unterbringen.«
»Äh … ich denke, es ist vier Meter fünfzig mal vier Meter fünfzig groß. Aber du übst doch nicht zu Hause, oder? Ich habe in meiner Anzeige geschrieben, dass ich eine ruhige Mitbewohnerin suche, weil ich nachts arbeite.«
»Doch, schon. Aber keine Sorge, ich spiele in meinem Zimmer.«
Damit war mein Gespräch mit Nummer zwölf beendet, denn mein Zimmer und das meiner zukünftigen Mitbewohnerin lagen nebeneinander. Ich seufzte und rang mir ein Lächeln ab. »Danke, dass du gekommen bist. Ich werde noch ein paar andere Leute sehen, bevor ich mich entscheide. Ich melde mich bei dir.«
»Super.« Die Frau stand auf. »Ach, eins noch. In der Anzeige stand, du hättest gern zwei Monatsmieten im Voraus, aber ich bin gerade ein bisschen knapp bei Kasse. Wäre auch eine okay?«
Ich lächelte. »Klar, kein Problem.« Weil du nicht hier wohnen wirst.
Nach dem Termin mit der Schlagzeugerin sprach ich mit zwei weiteren Kandidatinnen. Eine wollte zusammen mit ihrem Freund einziehen, obwohl ich in meiner Anzeige geschrieben hatte, dass ich nur eine Person suchte. Und die andere kam zwanzig Minuten zu spät, roch nach Alkohol und lallte … um halb vier am Nachmittag.
Warum um alles in der Welt war es so schwer, in einer Stadt mit fast drei Millionen Menschen eine Mitbewohnerin zu finden? Für das letzte Gespräch des Tages hoffte ich auf ein Wunder, weil ich sonst gezwungen war, in eine neue Anzeige zu investieren und noch mal von vorn anzufangen. Und dafür hatte ich weder Zeit noch Geld. Die Miete war in zwei Wochen fällig, und wenn ich sie wieder allein aufbringen musste, blieb mir nichts anderes übrig, als einen Monat lang Katzenfutter zu essen.
Als meine letzte Verabredung pünktlich anklopfte, atmete ich tief durch, schaute an die Decke und bat den Himmel um Hilfe.
Ich öffnete die Tür und blinzelte überrascht.
Äh, ich glaube, du hast das falsche Gebet erhört, Gott.
Ein Mann stand im Flur – aber nicht irgendeiner, sondern ein absolut hinreißender Mann mit einer perfekten geraden Nase, schönen Wangenknochen, einem markanten Kinn, vollen Lippen, gebräunter Haut und den hübschesten schokoladenbraunen, mandelförmigen Augen, die ich je gesehen hatte.
»Kann ich helfen?«
Er schenkte mir ein Wahnsinnslächeln, mit dem er wahrscheinlich schon Dutzende Frauen rumgekriegt hatte.
»Hallo! Ich bin um halb fünf mit Molly Corrigan verabredet.«
»Wirklich?« Ich hatte die letzte Bewerbung in der Hand und schaute auf den Namen. »Ich glaube nicht. Der Name lautet D. Tate.«
Er streckte die Hand aus. »Das bin ich. Declan Tate.«
»Aber … du bist keine Frau.«
Er lächelte wieder. »Korrekt. Sehr gut beobachtet. Ich bin keine Frau. Aber meine letzte Mitbewohnerin meinte, ich könnte gut eine sein, weil ich Nachtcreme benutze und am Ende von Marley&Ich geheult habe. Und ehrlich gesagt hatte ich auch am Ende von ToyStory feuchte Augen, deshalb bin ich womöglich ein Weichei. Aber vielleicht könntest du das auch eher als meine positiven weiblichen Eigenschaften betrachten.«
Ich war völlig durcheinander. »Äh … es tut mir leid. Dir ist offenbar entgangen, dass ich in meiner Anzeige geschrieben habe, dass ich eine Mitbewohnerin suche.«
»Nein, ist mir nicht entgangen. Und wenn du mir fünf Minuten gibst, werde ich dich davon überzeugen, dass ich ein besserer Mitbewohner bin als jede Frau.«
Ich schmunzelte. »Damit ich dich recht verstehe: Du hast deinen Vornamen in deiner Nachricht absichtlich nicht ausgeschrieben … Wie war der noch gleich?«
»Declan.«
»Meinetwegen, Declan. Du hast dich also auf eine Anzeige beworben, in der eine Mitbewohnerin gesucht wird, und die Inserentin vorsätzlich getäuscht, indem du deinen Vornamen weggelassen hast. Und deine Strategie ist nun, mich in weniger als fünf Minuten davon zu überzeugen, dass ich nicht weiß, was ich will? Habe ich recht?«
Er ließ seinen jungenhaften Charme erneut spielen. »Absolut.«
Ich überlegte, wie ich mit der Situation umgehen sollte. Einerseits vergeudete ich mit ihm nur meine Zeit, wie ich es schon den ganzen Tag lang getan hatte, aber andererseits hatte er meine Neugier geweckt. Etwas an seinem Grinsen sagte mir, dass das hier amüsant werden könnte. Scheiß drauf, dachte ich. Ich hatte ohnehin nichts Besseres zu tun.
Ich trat zur Seite und winkte ihn herein. »Ich werde den Timer meines Handys stellen, und bevor du anfängst, hole ich mir ein Glas Wein. Wenn ich mich unterhalten lasse, trinke ich gern einen Schluck.«
Declan grinste und schlenderte in meine Wohnung.
Ich zeigte auf die Couch. »Setz dich. Ich bin gleich wieder da.«
Als ich in die Küche ging, rief er mir nach: »Hey, Mollz?«
Ich drehte mich um. »Ja?«
»Würdest du mir auch ein Glas Wein mitbringen?«
»Natürlich«, sagte ich schmunzelnd. »Warum nicht, Decs.«
Ich schenkte zwei Gläser Pinot Grigio ein und ging wieder ins Wohnzimmer.
»Bitte sehr. Ich hoffe, du magst Weißwein.«
»Siehst du? Wir passen perfekt zueinander. Ich mag weißen lieber als roten.«
Ich führte mein Glas an den Mund. »Ja, perfekt. Wie füreinander geschaffen. Am Ende sind wir noch Seelenverwandte.«
Declan ließ abermals seine blendend weißen Zähne aufblitzen. Er hatte wirklich ein umwerfendes Lächeln und sehr schöne Zähne. Schade, dass er auch einen Penis hatte. Ich trank mein Glas halb aus und stellte es auf dem Tisch ab. Dann stellte ich den Timer meines Telefons auf fünf Minuten.
Ich zeigte ihm das Display. »Bereit?«
»Ich bin immer bereit.«
Ich drückte auf Start, legte das Handy zwischen uns und faltete die Hände. »Dann los!«
»Okay. Also … was ist deine Lieblingsfarbe?«
»Meine Lieblingsfarbe?«
Declan zeigte auf den Timer. »Die Zeit läuft, Molly. Bitte wiederhol meine Fragen nicht!«
Ich lachte. »Gut, meine Lieblingsfarbe ist rosa.«
Declan griff in die Hosentasche und zog einen Schlüsselbund heraus. An dem Ring befanden sich zwischen den Schlüsseln rosafarbene Perlen mit weißen Buchstaben, die seinen Namen ergaben. »Meine auch!«
Ich zog eine Augenbraue hoch. »Hast du den selbst gemacht?«
»Nein, meine Nichte Arianna hat ihn für mich gebastelt.«
»Dann könnte es auch Ariannas Lieblingsfarbe sein, oder?«
»Da ist etwas dran. Machen wir weiter. In der Anzeige stand, du arbeitest nachts.«
»Genau, ich arbeite im Krankenhaus. Ich bin Nachtschwester auf der Entbindungsstation.«
»Dann schläfst du tagsüber?«
»Ich habe um sieben Uhr Dienstschluss und versuche, mich schlafen zu legen, sobald ich nach Hause komme.«
Er tippte sich auf die Brust. »Ich wiederum arbeite tagsüber. Ich gehe gegen sechs ins Fitnessstudio und komme in der Regel erst nach neunzehn Uhr nach Hause. Du hättest also deine Ruhe.«
Ich nickte. »Okay. In dieser Hinsicht wärst du tatsächlich ein guter Mitbewohner. Aber die meisten Leute arbeiten tagsüber, das ist eigentlich nichts Besonderes.«
»Kochst du?«, fragte er.
»Zählen Käsemakkaroni?«
»Ich bin in einem italienischen Mehrgenerationenhaushalt aufgewachsen. Meine Nonna hat mir beigebracht, wie man Soßen selber macht.«
»Du würdest für mich kochen?«
»Wenn ich dadurch das Zimmer bekomme, ja.«
»Das ist zwar verlockend, aber gleich um die Ecke gibt es ein italienisches Restaurant mit ausgezeichnetem Essen. Witzigerweise heißt es Nonna’s, und da bereitet eine echte italienische Großmutter die meisten Gerichte zu und kein Möchtegernkoch.«
Declan blies theatralisch die Wangen auf und schaute auf mein Handy. »Drei Minuten und achtunddreißig Sekunden. Du machst es mir wirklich nicht leicht. Wie wäre es, wenn du mir sagst, warum du keinen Mann in der Wohnung haben willst, dann kann ich direkt darauf eingehen. Ist es wegen der Sache mit der Klobrille? Dazu kann ich nur sagen, dass ich vier ältere Schwestern habe und gut erzogen bin. Mit acht Jahren habe ich einmal den Fehler gemacht, die Brille oben zu lassen, und meine Schwester hat sich auf den Rand gesetzt, den ich versehentlich bekleckert hatte. Sie hat mich am Schlafittchen gepackt und meinen Kopf vor dem Abziehen in die Schüssel getaucht. Es war das letzte Mal, dass ich die Brille nicht wieder runtergeklappt habe.« Er hielt drei Finger hoch. »Großes Pfadfinderehrenwort. Das wird garantiert kein Problem sein.«
Ich lächelte. »Es geht nicht um die Klobrille.«
»Okay? Und was ist dann der Grund?«
Ich hatte nicht groß darüber nachgedacht, warum ich eine Mitbewohnerin haben wollte. Es erschien mir einfach normal, die Wohnung mit einer Frau zu teilen. »Nun … es gibt keinen bestimmten Grund. Ich würde mich nur mit einer Frau wohler fühlen. Zum Beispiel schlafe ich in T-Shirt und Slip. Und wenn ich morgens in die Küche gehe, um Kaffee zu machen, ziehe ich mir nicht extra etwas an. Es würde mir merkwürdig vorkommen, so vor einem Mann herumzulaufen.«
»Warum?«
»Warum es mir merkwürdig vorkommen würde, nur halb angezogen vor einem Mann herumzulaufen, und bei einer Frau nicht?«
»Ja.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ist einfach so. Wahrscheinlich, weil die Frauen, mit denen ich bisher zusammengewohnt habe, nicht auf Frauen standen. Es hatte nichts Sexuelles.«
»Ah, da liegt der Hund begraben. Du befürchtest, zwischen uns könnten sexuelle Spannungen entstehen? Liegt es an meinem guten Aussehen?«
»Was? Nein! Und es ist ziemlich arrogant von dir zu glauben, ich würde dich für attraktiv halten und hätte Angst, mich nicht beherrschen zu können.«
»Ich bin nur dafür, die Dinge beim Namen zu nennen, Molly. Du hast mir nur fünf Minuten gegeben, und ich versuche, deine wahren Gründe herauszufinden.«
»Ich glaube, ich möchte nicht das Gefühl haben, mich bedecken zu müssen, wenn ich mein Zimmer verlasse. Wenn ich mir die Haare trockne, laufe ich zum Beispiel im Handtuch oder in Unterwäsche rum – solche Sachen.«
»Hättest du auch das Gefühl, dich bedecken zu müssen, wenn ich schwul wäre?«
Diese Frage gab mir zu denken. Ich war mir nicht sicher. »Bist du es denn?«
»Nein, verdammt. Ich will doch bloß dein Problem verstehen. Geht es darum, dass ich ein Mann bin, oder darum, dass ich deinen Hintern bewundern könnte, wenn er zufällig zu sehen ist? Mir scheint Letzteres der Fall zu sein. Aber da kann ich dich beruhigen: Ich werde es nicht tun.«
Ich war komischerweise beleidigt. »Was stimmt nicht mit meinem Hintern?«
Er grinste. »Woher soll ich das wissen? Ich habe nicht geguckt. Und weißt du, warum?«
»Warum?«
»Weil ich in eine andere verliebt bin.«
Es war komplett verrückt, aber ich verspürte einen Anflug von Eifersucht. »Oh. Und warum ziehst du nicht mit ihr zusammen?«
»Weil sie meine Gefühle nicht erwidert … noch nicht. Wenn deine einzige Sorge in Bezug auf einen Mann als Mitbewohner die ist, dass er dich abchecken könnte, hast du von mir nichts zu befürchten. Ich bin monogam. Wenn du willst, gebe ich dir die Nummern von einigen meiner Verflossenen, damit du dich selbst davon überzeugen kannst. Ich gehe nicht fremd.«
Hmmm. »Ich weiß nicht …«
Declan warf einen Blick auf den Timer. Noch einunddreißig Sekunden. »Die Zeit läuft ab, wir müssen uns beeilen. Soll ich dir einfach die Fakten nennen, die für dich interessant sind?«
»Gute Idee.«
»Ich bin achtundzwanzig Jahre alt. Ich habe ein sechsstelliges Jahresgehalt. Mein Bonitätsscore ist achthundertzehn, und ich habe Empfehlungsschreiben von mehreren Vermietern. Ich bin ordentlich und sauber. Ich bin nicht viel zu Hause, aber wenn, dann bin ich ziemlich leise. Und ich kann verdammt gut mit einem Hammer umgehen.« Er sah sich um und zeigte auf ein Loch, das ich in die Wand gemacht hatte, als ich einmal die Schranktür zu schwungvoll aufgerissen hatte. »Ich kann das zuspachteln und einen Türstopper montieren, damit es nicht noch mal passiert.« Er zeigte in Richtung Küche. »Und die Wandschränke sind ziemlich hoch. Ich bin eins neunzig groß. Du müsstest nie wieder auf einen Stuhl steigen, um etwas aus dem oberen Regal zu nehmen. Und …«
Der Timer piepte.
»Darf ich noch etwas hinzufügen?«
»Aber sicher doch.«
»Ich würde dir meine Passwörter für Hulu und Netflix verraten.«
Ich lachte. »Das sind ziemlich überzeugende Argumente.«
»Dann bekomme ich das Zimmer?«, fragte er lächelnd.
Ich seufzte. »Mir gefällt zwar deine Hartnäckigkeit, aber daraus wird leider nichts. Obwohl ich heute mit vierzehn anderen Leuten gesprochen habe und sagen muss, dass du wahrscheinlich für jemand anderen ein fantastischer Mitbewohner wärst.«
Declan runzelte die Stirn, nickte aber. »Es war einen Versuch wert. Das hier ist ein großartiges Haus, und ich arbeite gleich in der Nähe. Es ist schwer, eine Wohnung zu finden, bei der man sich nicht länger als sechs Monate verpflichten muss.«
»Dann läuft mein Vertrag aus, und ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich ihn verlängere.«
»Siehst du? Ein weiterer Grund, warum ich perfekt wäre. Ich bin nur noch ein halbes Jahr in der Stadt.«
»Es tut mir wirklich leid. Ein klarer Fall von ›Es liegt an mir und nicht an dir‹.«
Er nahm sein Glas und trank es aus, bevor er aufstand und mir die Hand schüttelte. »Danke für deine Zeit. Und für den Pinot.«
»Hat mich gefreut, dich kennenzulernen, Declan.«
Als ich ihn hinausbegleitet hatte, schloss ich die Tür und lehnte mich mit dem Rücken dagegen. Schade. Er schien wirklich ein netter Kerl zu sein und war mit Abstand der beste Kandidat von allen.
Ich wollte mir gerade noch ein Glas Wein genehmigen, als es an der Tür klopfte. Ich schaute durch den Spion und sah Declan.
»Ich habe etwas Wichtiges vergessen«, sagte er.
»Oh? Was denn?«
Er zückte seine Brieftasche und nahm ein Foto von einer Nonne heraus. »Das ist meine Schwester Catherine, und sie hat kein Halloween-Kostüm an. Sie ist eine echte Nonne. Wie schlecht kann jemand sein, dessen Schwester eine Nonne ist?«
Ich lachte. »Ist sie die Schwester, die dich mit der Nase voran in die Toilettenschüssel getaucht hat?«
Er grinste. »Genau die.«
»Also, ich weiß nicht, ob die Entscheidung deiner Schwester, ihr Leben der Kirche zu widmen, zwangsläufig bedeutet, dass du ein guter Mensch bist. Aber auch wenn ich dir glauben würde, würde sich nichts an meiner Entscheidung ändern.«
Declan ließ die Schultern hängen. »Ich musste es versuchen. Sie sagt mir immer, dass ich nicht allein deshalb in den Himmel komme, weil sie Nonne ist. Aber ich dachte, für irgendetwas muss es doch gut sein.«
»Auf Wiedersehen, Declan!«
»Bis dann, Mollz.«
»Wie läuft’s? Hast du schon eine Mitbewohnerin gefunden?« Emma schenkte sich einen Becher Kaffee ein und setzte sich an den kleinen Tisch in unserem Pausenraum.
Ich stöhnte. »Warum ist es heutzutage so schwer, einen normalen Menschen zu finden? Ich habe mit mehr als einem Dutzend Leuten gesprochen, und es war nicht eine einzige geeignete Kandidatin dabei.«
»Hast du inzwischen eine Anzeige auf dem digitalen Infoboard für die Mitarbeiter gepostet, wie ich vorgeschlagen habe?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich will keine Kollegin. Wenn es nicht funktioniert, könnte es schwierig auf der Arbeit werden.«
»Vielleicht bewirbt sich ja Dr. Dandy.« Sie wackelte mit den Augenbrauen. »Wie ich hörte, schläft er zurzeit bei Dr. Cohen auf der Couch, bis er etwas findet.«
Ich wurde hellhörig. »Echt? Will und seine Wie-hieß-sie-noch-gleich haben sich getrennt?«
»Ja. Lisa von der Röntgenabteilung hat mir gesagt, dass Dr. Cohen ihr gesagt hat, dass er bei ihm wohnt. Allem Anschein nach ist es zwischen ihm und dieser Möchtegernschauspielerin vorbei.«
»Wow.«
Emma lächelte. »Ja, genau. Und ich warne dich, meine Liebe … Ich gewähre ihm eine Schonfrist, damit er das Ende seiner einjährigen Beziehung betrauern kann, aber dann werde ich dir im Nacken sitzen, damit du dem Mann endlich signalisierst, dass du an ihm interessiert bist. Er wird nicht lange auf dem Markt sein, und letztes Mal, als er Single war, hast du die Gelegenheit verpasst. Das kann ja nicht ewig so weitergehen.«
Sie hatte natürlich recht. Doch obwohl ich mich freute, weil Will wieder auf dem Markt war, wurde mir speiübel bei dem Gedanken, ihm meine Gefühle zu gestehen. Will Daniels – oder Dr. Dandy, wie Emma ihn wegen seines Nachnamens und seiner verblüffenden Ähnlichkeit mit dem Model David Gandy nannte – und ich waren seit vier Jahren gute Freunde. Wir hatten am selben Tag im Krankenhaus angefangen und zusammen an der Einweisung teilgenommen. Damals hatte ich einen Freund gehabt, und er war mit einer Medizinstudentin liiert gewesen, und obwohl ich ihn von Anfang an sehr attraktiv gefunden hatte, waren erst vor zwei Jahren Gefühle bei mir aufgekeimt. Doch seitdem war er die meiste Zeit vergeben gewesen. Emma hatte recht, der Mann blieb anscheinend nie lange Single.
»Freitagabend kommt er zur Happy Hour ins McBride’s«, sagte ich. »Ein paar Kollegen von der Intensivstation haben sich auch angekündigt. Ich bin gespannt, ob er etwas von der Trennung erzählt.«
»Weiß er, dass du ein Zimmer zu vergeben hast?«
»Ich glaube nicht.«
»Nun, er braucht einen Platz zum Schlafen, und du brauchst einen Mitbewohner.« Emma zuckte mit den Schultern. »Timing ist alles! Vielleicht ist es Schicksal, und er zieht ein und erfüllt gleich zwei deiner Bedürfnisse.«
»Jetzt geht echt deine Fantasie mit dir durch! Am besten checken wir erst mal, ob es mit ihm und dieser Dingsbums wirklich vorbei ist. Sie haben sich schon öfter getrennt, und er ist jedes Mal zu ihr zurückgekehrt.«
»Okay, aber ich habe ein gutes Gefühl, was euch zwei angeht.«
»Mir wäre lieber, du hättest ein gutes Gefühl, was meine Suche nach einer Mitbewohnerin angeht. Ich habe gerade für eine zweite verdammte Anzeige bezahlt.«
Emma schüttelte den Kopf. »Kaum zu glauben, dass du nicht eine vernünftige Kandidatin gefunden hast.«
Mit dem Gedanken an mein letztes Gespräch sagte ich: »Da war jemand, der perfekt gepasst hätte – gut verdienend, ordentlich, kochbegabt, frühmorgens aus der Wohnung und abends erst spät wieder zurück.«
»Und warum hast du sie nicht genommen?«
»Weil sie ein Er war.«
Bewerberin Nummer fünfzehn war die Krönung.
Sie war Profi-Jodlerin und gab gleich kund, dass sie oft für Wettbewerbe üben müsse. Sie wollte wissen, ob das Zimmer hallte.
Warum fand ich keine ruhige Person? So etwas wollte ich mir auf keinen Fall anhören müssen. Daher brachte ich sie in dem Wissen zur Tür, dass ich sie nicht wiedersehen würde – so nett sie auch war.
Als wir uns voneinander verabschiedet hatten, entdeckte ich im Flur eine Frischhaltebox auf dem Boden. Es klebte ein Umschlag darauf.
Ich nahm sie mit hinein und öffnete den Umschlag.
Auf dem darin liegenden Zettel stand:
Wie ich gesehen habe, ist das Zimmer weiterhin zu vermieten. Tut mir leid, dass du noch kein Glück hattest. Genieß doch in der Zwischenzeit diese Cupcakes, die ich selbst gebacken habe. Vielleicht helfen sie ja gegen den Stress. Wenn ich sonst noch etwas für dich tun kann – dir die Sorge mit dem Zimmer abnehmen beispielsweise –, du hast meine Nummer.
Declan
(Um ehrlich zu sein: Ich habe immer noch einen Penis.)
Lachend öffnete ich den grünen Deckel, und zum Vorschein kamen acht große Cupcakes mit weißem Topping. Darauf standen Wörter, die zusammen einen Satz ergaben.
Greif. Zu. Und. Bedank. Dich. Später. Bei. Mir.
Frustriert nahm ich mir einen Cupcake und biss kräftig hinein. Ich aß immer nur die Toppings und ließ die untere Hälfte liegen. Der gebackene Teil interessierte mich nicht.
Wie ich zugeben musste, war der Cupcake sehr lecker. Die lockere Creme war schön fluffig und nicht zu süß.
Dachte der Kerl wahrhaftig, er könnte mein Herz – oder das freie Zimmer in meiner Wohnung – mit Cupcakes erobern?
Ich lachte in mich hinein und nahm mir den nächsten. Zuerst leckte ich an dem Topping, dann verschlang ich es komplett. Unglaublich köstlich! Wären die Törtchen nicht in einer Frischhaltedose und von der Form her etwas unregelmäßig gewesen, hätte ich ihn verdächtigt, sie in der Konditorei gekauft zu haben.
Ich hatte eindeutig den Verstand verloren, wenn ich in Betracht zog, dem Mann eine Chance zu geben, nur weil seine Cupcakes so gut schmeckten.
Innerhalb von zehn Minuten hatte ich die Toppings von sechs Törtchen verdrückt und sah mir die Wörter an, die auf den verbliebenen zwei standen.
Greif. Zu.
War das ein Zeichen, dass ich ihm eine Chance geben sollte?
Und war ich so verzweifelt, dass ich mir von süßen Backwaren Rat erhoffte?
Die Antwort lautete: Ja.
Ich atmete tief durch und gestand mir ein, was mein Bauch bereits wusste: Die Suche war vorbei. Declan Tate hatte mangels Alternative gewonnen. Ich brauchte das Geld. Er war von allen, mit denen ich gesprochen hatte, am wenigsten verrückt. Und ich hatte ihn im Grunde dafür bestraft, dass er einen Penis hatte. Darüber hatte ich in den vergangenen Tagen viel nachgedacht und seltsamerweise auch über ihn: sein Charme, seine Fähigkeit, mich zum Lachen zu bringen … Es gab wirklich schlimmere Eigenschaften.
Aber bevor ich ihm den Zuschlag gab, musste ich mit ihm reden und einige Grundregeln aufstellen.
Ich griff zum Telefon und wählte seine Nummer.
Er wusste offensichtlich gleich, dass ich es war.
»Hey, Mollz! Wie geht …«
»Okay. Du kannst das Zimmer haben«, platzte ich heraus.
»Ernsthaft?«
»Die Cupcakes waren unheimlich gut. Du hast mich überzeugt, wie es wohl deine Absicht war.«
»Cupcakes? Plural? Hast du mehr als einen gegessen?«
»Kein Kommentar.«
Er lachte. »Das muss ich mir merken. Der Weg ins Herz meiner neuen Mitbewohnerin führt durch ihren Magen.«
Mitbewohnerin.
Ich seufzte.
Was mache ich hier eigentlich?
Er spürte offenbar meinen Frust. »Nimm es nicht so schwer, Mollz. Es wird bestimmt lustig, und wie gesagt, du bekommst mich kaum zu sehen. Bei unseren Zeitplänen werden wir uns prima aus dem Weg gehen.«
»Wann möchtest du einziehen?«
»Wann passt es dir? Ich könnte heute Nachmittag bei meinem Kumpel ausziehen und um fünf da sein. Er will sowieso seine Privatsphäre zurückhaben. Irgendwie hat er ein Problem damit, in meiner Anwesenheit seine Freundin zu vögeln. Ist das zu fassen?« Er lachte. »Wie auch immer … Musst du heute Abend arbeiten?«
Heute Abend? Es erschien mir zu früh, aber eigentlich konnte ich es auch gleich hinter mich bringen.
»Nein, heute nicht. Nach drei Nachtschichten in Folge habe ich die nächsten Tage frei.«
»Perfekt! Dann packe ich meine Sachen und komme!«
Ich nahm den vorletzten Cupcake und biss hinein. »Großartig«, sagte ich mit vollem Mund.
Wenige Stunden später klopfte es. Als ich aufmachte, stand Declan vor der Tür, mit seinem schönsten Zahnpastalächeln.
»Hallöchen! Da bin ich!«
Ich trat zur Seite und ließ ihn herein. »Hey!«
Als er an mir vorbeiging, umwehte mich sein Duft. Herrlich. Ich hatte beileibe nichts dagegen, dass der Geruch seines Eau de Cologne ebenfalls bei mir einzog. Die Atmosphäre meiner Wohnung würde sich durch eine gehörige Portion männliche Energie schlagartig verändern.
Er ließ seine Tasche auf den Boden fallen und sah sich um, bevor er seinen Koffer hereinrollte und in die Ecke stellte. Dann kam er mit ausgefahrenem Zeigefinger auf mich zu. Ich zuckte erschrocken zusammen, als er mir über die Unterlippe strich, und bekam eine Gänsehaut.
»Da war noch ein wenig Creme.«
Ich wischte mir den Mund ab. »Oh.«
Kurz vor seiner Ankunft hatte ich das Topping des letzten Cupcakes vertilgt. Nur die acht Teigstumpen waren noch übrig.
Er sah mir prüfend ins Gesicht. »Alles okay?«
»Ja«, sagte ich und wurde rot.
Vielleicht hatte ich zu viel Zucker im System, aber mit einem Mal war ich schrecklich nervös.
»Jetzt dreh bloß nicht durch, weil ich hier bin.« Er schmunzelte. »Du hast wohl noch nie mit einem Mann zusammengewohnt?«
»Das stimmt. Meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich sechzehn war, und nachdem mein Vater weg war, waren meine Mutter, meine Schwester Lauren und ich allein.«
»Ich verspreche, ich beiße nicht.«
Ich schluckte. Es verunsicherte mich, dass er dermaßen attraktiv war. Fast zu attraktiv. Mit so einem Mann könnte ich niemals zusammen sein. Er war vermutlich sehr von sich überzeugt, auch wenn er es nicht zeigte, denn er wusste selbstverständlich, wie gut er aussah.
»Wir müssen ein paar Grundregeln vereinbaren, okay?«
Er straffte die Schultern und nickte zackig. »Schieß los.«
»Es ist eigentlich selbstverständlich, aber meins ist meins und deins ist deins. Meine persönlichen Sachen wie Toilettenartikel oder Essen teile ich nicht.«
»Verstanden. Aber das gilt dann auch umgekehrt. Wenn ich zum Beispiel etwas Leckeres koche und du mitisst, schuldest du mir eine Gegenleistung.«
Ich runzelte die Stirn. »Eine Gegenleistung? Was meinst du damit?«
Er riss die Augen auf. »Nicht das, was gerade deiner schmutzigen Fantasie entspringt. Wir haben ja schon darüber geredet, dass ich in eine andere verschossen bin. Ich habe gemeint, wenn du mein Essen isst, bekomme ich etwas Gleichwertiges von dir zurück. Wer nehmen kann, muss auch geben können und so weiter.«
Ich kniff die Augen zusammen. »Wie kommst du auf die Idee, dass ich bei dir mitessen werde?«
»Vielleicht ja auch nicht. Aber die Cupcakes hast du anscheinend gemocht, also …«
Da hatte er recht. Die Cupcakes waren jedoch ein Geschenk gewesen. Ich konnte mich ruhig mit seiner Bedingung einverstanden erklären und mir selbst schwören, dass ich sein Essen niemals anrühren würde. Pfff! Ich brauchte sein Essen nicht.
»Okay.« Ich zuckte mit den Schultern. »Es gilt auch umgekehrt.«
Er lehnte sich gegen meine kleine Kücheninsel. »Welche Regeln gibt es sonst noch?«
»Du kannst machen, was du willst, wenn ich nicht hier bin, aber bring keine Leute in die Wohnung, wenn ich schlafe. Das sollte recht einfach sein, weil du drei Abende pro Woche hast, an denen ich nicht da bin.«
»Gut. Abgehakt. Weiter im Text.«
»Ich habe es gern ordentlich. Wenn du etwas siehst, das auf eine bestimmte Weise sortiert oder arrangiert ist, dann lass es, wie es ist.«
»Zum Beispiel die Schokolinsen in den Gläsern da hinten? Die rosafarbenen dürfen nicht mit den mintfarbenen vermischt werden, solche Sachen?«
»Ich mag sie nur in bestimmten Farben, deshalb bestelle ich sie online. Aber ja … bitte bring nichts durcheinander, das irgendwie geordnet aussieht.«
»Okay.« Er schmunzelte. »Du bist speziell, weißt du das?«
»Jeder hat seine Marotten. Zu meinen gehört, dass ich meine Süßigkeiten nach Farben sortiere und immer Ordnung halte. Also verklag mich, aber was mir gefällt, gefällt mir eben.«
»Auf welche Männer steht eine Frau, die ihre rosa M&Ms getrennt in ein Glas sortiert? Auf Männer, die rosa Lacoste-Shirts und Slipper tragen?«
»Nein, ich stehe auf Männer mit Verstand, die …«
»Die langweilig und überheblich sind?«
»Nein!«, erwiderte ich abwehrend.
»Das war ein Witz, Molly. Ich wollte dich nur aufziehen.«
Ich atmete langsam aus. »Ich weiß.«
»Bist du Single?«, fragte er.
»Ja … Aber hoffentlich nicht mehr lange.«
»Wirklich? Hast du was am Laufen? Wer ist der Glückliche?«
Oh Gott, warum habe ich das überhaupt gesagt? Jetzt muss ich es erklären.
Aber warum eigentlich nicht? Wenn ich meine Schwäche für Dr. Daniels eingestand, wusste Declan, dass mich seine Reize kaltließen.
»Es gibt einen Arzt im Krankenhaus, den ich schon seit einiger Zeit mag, und er ist gerade wieder Single geworden. Ich treffe mich morgen Abend mit ihm und ein paar anderen Leuten zur Happy Hour. Ich hoffe, es wird etwas draus.«
Er lächelte. »Das klingt gut. Ergreif die Initiative!«
Ich räusperte mich verlegen. »Und wie sieht es bei dir aus? Was ist mit der Frau, von der du mir erzählt hast?«
»Ich kenne sie auch von der Arbeit. Wir sind bei derselben Werbefirma beschäftigt, und wir kommen beide aus Kalifornien, wo die Firma ihren Sitz hat. Wir sind wegen einer Kampagne für einen wichtigen Kunden, an der wir gemeinsam arbeiten, in Chicago. Deshalb bin ich nur sechs Monate in der Stadt.«
»Weiß sie, dass du sie magst?«
»Das ist das Problem. Sie ist mit so einem Idioten zusammen, der nicht wollte, dass sie nach Chicago geht. Es geht ewig auf und ab bei ihnen. Ich hoffe also, dass die Beziehung eines Tages komplett den Bach runtergeht und ich meine Chance bekomme. Aber solange sie offiziell einen Freund hat, unternehme ich nichts. Ich bin ja kein Arschloch. Im Moment liege ich auf der Lauer und warte.«
»Okay, aber sie weiß doch, dass du sie magst?«
»Ich bin mir nicht sicher. Ich gehe davon aus, dass sie etwas ahnt. Wir sind Freunde … vorerst. Aber ich will mehr. Nicht nur, weil sie toll aussieht, sie ist auch sehr intelligent und liebenswert. Das ganze Paket. Und ich glaube, wir passen gut zusammen.«
Wieder versetzte mir die Eifersucht einen unangenehmen Stich. Vermutlich steckte eher der Wunsch dahinter, dass jemand auf diese Weise für mich empfand. Declans Attraktivität hatte auf keinen Fall etwas damit zu tun. Er sah gut aus und alles, aber er war nicht mein Typ.
»Wie heißt sie?«
»Julia.«
»Hübscher Name.«
»Und der flotte Herr Doktor?«
»Will«, entgegnete ich mit einem verlegenen Lächeln.
»Welche Fachrichtung?«
»Gynäkologie und Geburtshilfe.«
»Ach, natürlich. Du hast ja gesagt, du arbeitest auf der Entbindungsstation. Na, du hast zumindest das Glück, dass die Babys, um die du dich kümmern musst, niedlich sind – im Gegensatz zu meinen Kunden.« Er tat so, als wollte er nach den Schokolinsen greifen, zog die Hand jedoch mit einem schelmischen Lächeln wieder zurück. »Weitere Regeln, Molly?«
»Nun, dass du nicht nackt hier herumläufst, sollte eine Selbstverständlichkeit sein.«
Er wackelte mit den Augenbrauen. »Hast du Angst, dass es dich anmacht?«
»Nein.« Ich schaute zu Boden. »Es gehört sich einfach nicht.«
»Das gilt dann auch für dich. Fairerweise.« Er senkte die Stimme. »Unter uns gesagt werde ich mich aber nicht beschweren, wenn du es tust.«
Ich verdrehte die Augen. »Ich dachte, für dich gibt es nur die Eine?«
»Ich bin verknallt, Mollz, nicht tot.« Er grinste. »Sollte es mal passieren, werde ich wahrscheinlich einen Blick riskiere. Aber ich sage keinen Ton und werde auch nicht unangenehm.«
Mit glühenden Wangen lenkte ich vom Thema ab. »Ist deine Schwester wirklich Nonne?«
Er schmunzelte. »Ja.«
»Das ist … ungewöhnlich.«
»Warum? Weil ihr Bruder alles andere als heilig ist?« Er warf mir ein verschmitztes Grinsen zu.
»Auch deswegen. Außerdem kommt es heute nicht mehr so oft vor, dass eine Frau Nonne wird.«
»Catherine war immer anders als meine anderen Schwestern. Sie hat stets nach höheren Zielen gestrebt. Aber es war ein ziemlicher Schock, als sie es uns gesagt hat.«
»Sind deine Eltern religiös?«
»Sie sind katholisch und besuchen jeden Sonntag den Gottesdienst, aber sie sind nicht übertrieben fromm oder so. Meine Mutter hat geweint, als Catherine angekündigt hat, dass sie ins Kloster geht. Sie hatte sich eine andere Zukunft für sie vorgestellt. Aber weißt du, letzten Endes tut jeder das, was er möchte. Und sie ist glücklich.«
»Das freut mich.«
»Ist schon komisch, dass Menschen, die zusammen aufwachsen, so unterschiedlich sein können. Catherine lebt im Kloster, betet und tut Gutes, und ich hänge abends meistens im Internet oder schaue Netflix. Wir haben dieselben Eltern. Wie ist das möglich?«
»Du scheinst sehr erfolgreich zu sein. Sie sind bestimmt stolz auf dich.«
»Sie hätten zwar gern, dass ich irgendwann mal eine Familie gründe, aber es stimmt schon, verstoßen haben sie mich noch nicht.« Er wechselte das Thema. »Hast du eigentlich eine Strategie für morgen Abend?«
»Was? Wovon redest du?«
»Von deinem flotten Doktor. Wie willst du vorgehen?«
Warum habe ich ihm bloß von Will erzählt? »Muss ich denn einen konkreten Plan haben?«
»Du willst ihm doch zeigen, dass du ihn magst, oder?«
»Ja, aber ich will nicht aufdringlich erscheinen. Er kommt gerade aus einer Beziehung. Andererseits bleiben Männer wie er nicht lange allein.«
»Okay, dann musst du die Unerreichbare spielen.«
»Was bedeutet das?«
»Umgekehrte Psychologie ist das Geheimnis im Umgang mit Männern. Wenn wir denken, dass wir etwas nicht haben können, wollen wir es umso mehr. In dieser Hinsicht sind wir wie Kleinkinder.«
»Bist du deshalb so in Julia verschossen – weil sie vergeben ist?«
Er kratzte sich am Kinn. »Das schürt womöglich auf der unbewussten Ebene das Feuer, aber der Hauptgrund, warum ich sie mag, ist ein ganz anderer.«
»Was schlägst du also vor?« Mein Ton war ablehnend, doch ein Teil von mir wollte wirklich hören, was er zu sagen hatte. Ich bekam schließlich nicht oft die Gelegenheit, etwas über die männliche Sicht auf solche Dinge zu erfahren.
»Zeig ihm nicht, dass du ihn magst. Zeig ihm, warum er dich mögen sollte.«
Ich horchte auf. »Und wie mache ich das bitte?«
»Du musst richtig heiß aussehen, was kein Problem für dich sein wird. Rede mit allen anderen, aber nicht mit ihm – zeig ihm, was ihm entgeht. Und wenn er dann zu dir kommt, sprich mit ihm, aber widme deine Aufmerksamkeit nach einer Weile jemand anderem. Dann hat er die Witterung aufgenommen und will mehr. Wir lieben die Jagd.«
»Riskiere ich damit nicht, dass er denkt, ich würde ihn nicht mögen?«
»Vertrau mir. Wenn er dich will, wird er irgendwann den ersten Schritt machen. Je weniger du dich für ihn zu interessieren scheinst, desto härter wird sein Schwanz.«
»Oh, danke für die anschauliche Erklärung.«
»Gern geschehen. Ich bin ziemlich direkt, wie du feststellen wirst, und rede nicht lange um den heißen Brei herum.« Er ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. »Sind wir fertig mit den WG-Regeln?«
»Ja, ich denke schon – bis mir einfällt, dass ich etwas vergessen habe.«
»Gut.« Er ging zu seiner Tasche und nahm zwei Flaschen Gatorade heraus. »Kann ich die in den Kühlschrank stellen?«
»Natürlich.«
Als er den Kühlschrank öffnete, sah er seine Frischhaltebox und öffnete sie.
»Wow. Die Cupcakes haben dir wohl geschmeckt?«
»Ich habe mich ein wenig hinreißen lassen. Sie waren wirklich lecker.«
»Ist das auch eine Marotte von dir, dass du Cupcakes köpfst?«
»Das Topping esse ich am liebsten.«
»Und den Rest isst du nicht mehr?«
»Wieso sollte ich?«
»Siehst du? Ich wusste doch, wir passen gut zusammen. Ich hasse die Creme. Ich lasse das Topping immer weg. Erst unsere gemeinsame Vorliebe für Weißwein und jetzt das – ich würde sagen, das wird richtig gut.« Er grinste. »Dann magst du von Muffins auch den oberen Teil lieber?«
»Ja.«
»Bingo! Ich steh auf den unteren Teil.« Er verdrehte die Augen. »Äh, das hat sich jetzt irgendwie falsch angehört, aber du weißt, was ich meine.«
»Du bist verrückt.« Ich schüttelte lächelnd den Kopf. »Aber nochmals danke für die Cupcakes. Das war sehr aufmerksam.«
»Nun, du weißt natürlich, dass ich einen Hintergedanken hatte.«
»Und deine Mühe hat sich ausgezahlt.«
Er schaute in Richtung Flur. »Was dagegen, wenn ich auspacke?«
»Nein, mach nur.«
»Prima. Willst du vorgehen?«
Declan folgte mir mit seinem Rollkoffer in sein neues Zimmer.
Ich zog mich in meins zurück, um ihm ein wenig Privatsphäre zu geben, konnte mich aber mit nichts anderem beschäftigen als der Tatsache, dass er da war.
Ich hörte, wie er die Musik aus seinem Handy mitsummte, während er auspackte, und musste unwillkürlich lächeln. Mir hatte davor gegraut, mir die Wohnung mit einer neuen, mir fremden Person zu teilen. Es hatte mich schlaflose Nächte gekostet. Aber nun hatte ich zum ersten Mal seit langer Zeit das Gefühl, wieder gut schlafen zu können.
Ich zuckte zusammen, als er den Kopf durch die Tür steckte. »Ist es okay, wenn ich meine Zahnbürste neben deine hänge?«
»Habe ich dir den Eindruck vermittelt, es könnte nicht okay sein?«
»Meins ist meins, hast du gesagt. Mir war nicht klar, ob das auch für den Zahnbürstenhalter gilt.«
»Tut mir leid, wenn ich am Anfang etwas unwirsch rübergekommen bin. Ich muss mich einfach an die neue Situation gewöhnen. Das ist alles. Aber mir ist auch jetzt schon viel wohler dabei, dich hier zu haben.«
»Gut.« Er setzte sich unvermittelt ans Fußende meines Betts, ließ sich auf den Rücken fallen und schaute an die Decke. Der Anblick seines langen Körpers auf meinem Bett war … besonders.
Er nahm die Hände hinter den Kopf und wandte sich mir zu. »Du hast gesagt, dass du morgen freihast, oder?«
»Ja.«
»Hast du Eier und Brot und so etwas da?«
»Ja. Wahrscheinlich kurz vor dem Verfallsdatum.«
»Cool. Ich mache uns morgen Frühstück – als kleine Einzugsfeier. Ohne Bedingungen. Du bist mir nichts schuldig dafür.« Er zwinkerte mir zu. »Dieses Mal nicht.«
»Ich werde mich gewiss nicht darüber beschweren, dass mir jemand Frühstück macht. Garantiert nicht.«
»Aber ich warne dich, ich höre Musik beim Kochen und wackle dazu mit dem Hintern. Manchmal singe ich auch und benutze den Pfannenwender als Mikrofon. Ist ein bisschen Küchenkaraoke okay für dich?«
»Wenn ich wach bin und du dabei bekleidet bist, habe ich kein Problem damit.«
Er sprang von meinem Bett, machte eine Drehung wie Michael Jackson und ging pfeifend den Flur hinunter.
Das werden ziemlich lange sechs Monate.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, roch es nach gebratenem Frühstücksspeck.
Nachdem ich mir das Gesicht gewaschen und die Zähne geputzt hatte, folgte ich meiner Nase in die Küche. Declan stand am Herd und sang Wagon Wheel von Darius Rucker. Er hatte In-Ear-Kopfhörer drin und bemerkte mich nicht gleich. So konnte ich seiner Stimme lauschen, die … ziemlich furchtbar war. Ich musste unwillkürlich grinsen. Ein Mann mit seinem Aussehen, der mit so viel Charisma gesegnet war, musste auch Schwachstellen haben. Außerdem gefiel mir, wie wenig es ihn zu kümmern schien, dass er keinen Ton traf.
Ich ging schnurstracks auf die Kaffeekanne zu und holte eine Tasse aus dem Schrank. Declan nahm einen Ohrstöpsel heraus und lächelte mir zu.
»Guten Morgen, Mitbewohnerin. Ich hoffe, ich habe dich nicht mit meinem Gesang geweckt?«
Ich war normalerweise kein Morgenmensch, hauptsächlich weil ich nachts arbeitete und es mir an meinen freien Tagen schwerfiel, vor zwei Uhr morgens in den Schlaf zu finden. Heute jedoch war ich putzmunter. »Nein, du hast mich nicht geweckt.« Ich schenkte mir einen heißen Kaffee ein und nippte daran. »Das war das komische Geräusch? Du hast gesungen? Und ich dachte, jemand erwürgt eine Katze.«
Declan kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. »Willst du damit sagen, dass ich nicht singen kann?«
»Ich bin bestimmt nicht die Erste, die es dir sagt.«
Er lächelte, als hätte ich ihm ein Kompliment gemacht, und wies mit dem Kinn auf meine Tasse. »Du trinkst deinen Kaffee schwarz, wie ich sehe. Ich auch. Ich habe ja gesagt, dass wir gut miteinander auskommen werden.«
Ich schmunzelte und trat näher an den Herd heran. Declan hatte drei Flammen an, einschließlich der einen, die schon bei meinem Einzug nicht funktioniert hatte. »Wie hast du die Flamme vorne links anbekommen?«
»Die Düse war verstopft. Ich habe sie herausgenommen und die Löcher mit einem Zahnstocher von dem getrockneten Fett befreit.«
»Oh. Wow. Danke!«
»Gern geschehen. Und jetzt kannst du dich gerne an den Tisch setzen. Das Frühstück ist fast fertig.«
Kurz darauf stellte Declan mir einen Teller mit einem perfekten Omelett mit Speck und ein Glas Orangensaft hin.
»Das sieht ja toll aus! Bei meinen Arbeitszeiten frühstücke ich nur selten. Wenn ich nach der Schicht morgens Hunger habe, nehme ich mir meistens einen Joghurt oder so etwas, weil ich mit vollem Magen nicht schlafen kann. Aber eigentlich ist das Frühstück meine Lieblingsmahlzeit. Ich würde es so gut wie jedem tollen Abendessen vorziehen. Das fehlt mir am meisten, was einen normalen Tagesablauf angeht.«
Declan setzte sich hin und schnitt ein Stück von seinem Omelett ab. »Aber du musst doch nicht auf ein Frühstück verzichten. Mach es dir einfach abends, bevor du arbeiten gehst.«
Ich zog die Nase kraus. »Das könnte ich nicht.«
»Wieso nicht?«
»Ich weiß nicht …, weil man eben morgens frühstückt.«
»Wer sagt das?«
»Äh … jeder?«
»Frühstücksgerichte magst du also am liebsten, aber du verzichtest darauf, weil man sie traditionell morgens isst und du zu dieser Zeit in der Regel schläfst?«
»Wenn du es so sagst, klingt es albern. Aber es ergibt Sinn.«
Er zog eine Augenbraue hoch. »Für wen?«
Ich lachte. »Für mich.«
»Tz!«, machte Declan. »Molly, Molly, Molly. Es muss nicht alles zu einer bestimmten Zeit oder an einem bestimmten Ort stattfinden. Gut, dass ich hier bin. Du brauchst meine Hilfe.«
»Ach ja? Wobei brauche ich denn Hilfe?«
»Du musst ein bisschen lockerer werden.«
Bis jetzt hatten wir herumgeflachst, doch seine Bemerkung traf einen wunden Punkt. Mein letzter Freund hatte mich mehr als einmal als verklemmt bezeichnet. Deshalb fühlte ich mich sofort angegriffen.
»Ich glaube nicht, dass du mich gut genug kennst, um das beurteilen zu können. Ich bin keineswegs verklemmt, nur dass du es weißt.«
Declan legte den Kopf schräg. »Nicht?«
»Nein.«
»Schon gut, Molly, wenn du es sagst …«
Jetzt wollte er mich beschwichtigen. »Sag nicht ›Schon gut, Molly‹. Es klingt, als wäre ich irgendwie unflexibel. Aber das bin ich nicht. Ich habe nicht gesagt, dass ich abends grundsätzlich nicht frühstücken würde, wenn ich Gelegenheit dazu hätte. Die Gelegenheit hat sich nur noch nicht ergeben. Das ist alles.«
»Okay. Tut mir leid, wenn ich dich verärgert habe.«
Nun hatte ich die Stimmung verdorben. Was als lustiger Morgen angefangen hatte, wurde zu einem Frühstück in Stille. Als wir mit dem Essen fertig waren, kam ich mir ziemlich blöd vor.
»Das war wirklich köstlich. Entschuldige bitte, dass ich dich angeblafft habe.«
Declan lächelte etwas gezwungen. »Schon gut.«
»Nein, ist es nicht. Du hast dir solche Mühe gegeben, und ich bin dir an die Kehle gesprungen. Es wird nicht wieder vorkommen.«
Er grinste. »Oh doch. Ich neige dazu, Dinge zu sagen, die ich wahrscheinlich besser für mich behalten sollte. Deshalb wird es garantiert wieder vorkommen.«
Ich kicherte. »Okay, aber vielleicht kannst du daran arbeiten, und ich werde daran arbeiten, dich nicht bei jeder Kleinigkeit anzuschnauzen.«
»Klingt gut, Mollz. Hast du eigentlich Pläne für deinen freien Tag heute?«
Ich nahm meinen Teller und begann den Tisch abzuräumen. »Nein, ich habe nichts Besonderes vor. Ich wollte einkaufen gehen und muss zur Reinigung. Und später treffe ich mich mit Kollegen zur Happy Hour. Davon habe ich dir schon erzählt.«
»Ach ja. Heute Abend siehst du den Buschdoktor.«
»Meinst du Will? Rede nicht so abfällig über ihn. Er ist ein ausgezeichneter Mediziner.«
»Schon klar. Aber er ist Frauenarzt, oder?«
»Ja, aber … Oh, Buschdoktor.« Ich kicherte. »Witzig.«
Declan und ich schafften gemeinsam Ordnung in der Küche. Ich räumte die Spülmaschine ein, während er alles wegstellte, was er zum Kochen gebraucht hatte, den Tisch abwischte und den Herd reinigte. Als wir fertig waren, wusch ich mir die Hände und musste hinterher mein nasses T-Shirt abtupfen. Der blöde Kran an der Spüle leckte und spritzte wie verrückt, wenn man ihn zu weit aufdrehte. Zwar hatte ich ihn mit Isolierband geflickt, aber es hatte sich wieder gelöst. Ich warf das Handtuch zur Seite, und als ich aufsah, stellte ich fest, dass Declan mich anstarrte. Mir ging schnell auf, warum. Mein Schlafshirt war weiß, und die obere Hälfte davon war durch die Nässe nun komplett durchsichtig. Doch damit nicht genug: Natürlich trug ich keinen BH, und meine Nippel hatten sich wegen der plötzlichen Kälte auf der Haut aufgerichtet. Sie bohrten sich praktisch durch den transparenten Stoff.
Ich verschränkte die Arme, um meine Brüste zu bedecken. »Der … äh … Wasserhahn spritzt.«
Declan hob den Blick und sah mir in die Augen. Dann schluckte er, räusperte sich und schaute weg. »Ich kümmere mich heute darum.«
»Ach, das macht nichts. Er spritzt schon länger. Ich rufe einfach noch mal den Hausmeister an. Du musst das nicht reparieren.«
»Doch, das muss ich«, brummte er. »Das muss ich unbedingt.«
Als ich später zur Happy Hour aufbrach, war ich irgendwie enttäuscht, dass Declan nicht zu Hause war. Ich hatte mich mehr herausgeputzt als sonst und hätte seine Unverblümtheit gut brauchen können, um herauszufinden, ob ich aussah, als hätte ich mich zu sehr bemüht. Ich meine, ich hatte mir Mühe gegeben, aber ich wollte nicht, dass man es mir ansah.
Weil ich mich viermal umgezogen hatte, war ich spät dran, und die meisten waren schon im McBride’s, als ich eintraf. Es fiel auf, dass Dingsbums nicht dabei war, weil sie Will normalerweise zur Happy Hour begleitet und permanent an seinem Arm gehangen hatte. Ich war außergewöhnlich nervös, als ich an die Theke ging, und blieb neben Daisy stehen, einer neuen Arzthelferin. Wir waren uns schon öfter auf Station begegnet, aber heute war sie zum ersten Mal bei unserem vierzehntägigen Treffen dabei.
»Hey«, sagte ich, »freut mich, dass du gekommen bist.«
»Hey, Molly.« Sie musterte mich kurz. »Dieses Grün steht dir ausgezeichnet! Ohne Kittel und Pferdeschwanz siehst du total anders aus.«
Jetzt war ich froh, dass ich mich kurz vor knapp doch noch einmal umgezogen und für ein etwas außergewöhnlicheres Outfit entschieden hatte. Ich fand meine smaragdgrüne Seidenbluse zwar wegen des Kontrasts zu meinen dunklen Haaren und meiner hellen Haut ein wenig zu dramatisch, aber um trotzdem lässig zu erscheinen, hatte ich dazu eine dunkle Jeans und schlichte Schuhe mit Keilabsatz angezogen.
»Danke dir! Du siehst auch sehr hübsch aus«, entgegnete ich lächelnd.
Der Barkeeper kam zu uns herüber und legte mir eine Serviette hin. »Hey, Molly! Wie geht’s? Was kann ich dir bringen?«
»Hey, Patrick. Ich hätte gern einen Vanillewodka mit Ginger Ale.«
Er nickte. »Sollst du haben. Kommt sofort.«
»Mmm …«, machte Daisy. »Ist das dieser Longdrink, der wie Vanillelimo schmeckt?«
»Genau. Möchtest du auch einen?«
Sie warf einen Blick auf ihre fast leere Bierflasche. »Klar, warum nicht?«
»Kannst du uns zwei davon bringen?«, bat ich Patrick. »Und ihrer geht auf mich.«
»Du willst einen Deckel anfangen?«
»Ja, bitte.«
Als Patrick wegging, sagte Daisy: »Vielen Dank, das war doch nicht nötig.«
Ich lächelte. »Gern geschehen. Dann erzähl mal, wie gefällt es dir so im Chicago General? Wie lange bist du jetzt da? Bestimmt schon einen Monat, oder?«
Sie nickte. »Sogar fünf Wochen. Es gefällt mir wirklich gut. Nicht dass ich viele Vergleichsmöglichkeiten hätte. Es ist mein erster Job nach der Ausbildung. Einige der Ärzte können ziemlich einschüchternd sein.«
»Dr. Benton zum Beispiel?«
Daisy verzog das Gesicht. »Vor allem Dr. Benton. Gott, dieser Mann macht mich total nervös. Wenn er den Raum betritt, erstarre ich regelrecht.«
»Ich werde dir ein kleines Geheimnis über ihn verraten, das dir vielleicht hilft.«
»Oh ja!«
Ich beugte mich zu ihr. »Du musst einfach viel lächeln. Das macht ihn fertig.«
Sie grinste. »Im Ernst?«
»Ja. Wenn er dich etwas fragt, antworte einfach mit einem riesigen Lächeln. Das entwaffnet ihn irgendwie. Meine Theorie ist, dass er alle anschnauzt, damit niemand lächeln kann, weil Lächeln wie Kryptonit für ihn ist.«
»Wow. Okay, ich werde es ausprobieren. Das ist wirklich gut zu wissen. Hast du noch mehr Tipps für mich?«
»Kennst du Dr. Arlington schon?«
»Ja, der ist auch oft ziemlich grantig.«
»Wenn du es zulässt, wird er versuchen, seine Praktikanten an dich loszuwerden, um sich stundenlang zu verdrücken.«
Daisy sah mich groß an. »Das hat er tatsächlich neulich gemacht. Ich soll sie einarbeiten, hat er gesagt. Ich hatte keine Ahnung, was ich mit vier Praktikanten anstellen sollte. Sie sind schon länger im General als ich. Es wäre besser gewesen, wenn sie mich eingearbeitet hätten.«
»Da hast du es. Wenn er sie dir das nächste Mal aufdrücken will, sagst du: Eigentlich wartet Edith im Schwesternzimmer auf mich.«
»Auch wenn es gar nicht stimmt?«
Ich nickte. »Ja. Er hat nämlich Angst vor Edith.«
»Ernsthaft? Aber sie ist doch so klein und nett.«
Ich hob den Zeigefinger. »Bis man sie verärgert. Dann ist sie ziemlich furchterregend. Schon bei der Vorstellung, auf Edith zu treffen, tritt Dr. Arlington die Flucht an. Sie hat ihn einmal zur Schecke gemacht, weil er ihr seine Praktikanten aufgehalst hatte, und jetzt schreckt er bei der bloßen Erwähnung ihres Namens zurück.«
Sie lachte. Wahrscheinlich dachte sie, ich hätte übertrieben, aber das war nicht der Fall. Unsere Belegschaft war wirklich eine Ansammlung ganz spezieller Charaktere.
Patrick kam herüber und brachte uns unsere Drinks. Während wir daran nippten, sahen wir uns in der Gruppe um. Heute waren erfreulich viele gekommen.
Daisy nickte mit dem Kinn in Richtung von Will, der zusammen mit einem Anästhesisten am anderen Ende der Theke saß. »Und was ist mit Dr. Daniels? Was gibt es über ihn zu berichten?«
»Will ist einer von den Guten. Er ist freundlich zu allen. Mit ihm wirst du keine Probleme haben.«
Sie biss sich auf die Unterlippe. »Ich meinte, was macht er so? Ist er … Single?«
Oh. Mist. »Äh … ich weiß nicht genau. Er ist in so einer On-off-Beziehung. Hast du … Interesse?«
Daisy nippte mit einem verschmitzten Lächeln an ihrem Drink. »Er sieht wirklich gut aus.«
In der Tat. Ich zuckte mit den Schultern. Und natürlich kam er exakt in diesem Moment zu uns herüber.
Er gab mir einen Kuss auf die Wange. »Hey, Molly. Ich habe dich gar nicht reinkommen sehen.«
»Ich bin noch nicht lange hier«, sagte ich.
Daisy straffte die Schultern.
Er nickte und wandte sich ihr zu. »Du bist Daisy, nicht wahr?«
Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Genau. Schön, Sie zu sehen, Dr. Daniels.«
»Bitte nenn mich Will.«
»Gerne, Will. Neulich habe ich zufällig gesehen, wie du auf dem Parkplatz in dein Auto gestiegen bist. Du hast einen Aufkleber von der Northwestern University. Hast du da studiert?«
»Ja.«
»Ich auch.« Sie reckte die Faust in die Luft. »Wildcats go!«
»Wirklich? Ich bin ein großer Fan. Ich habe immer noch eine Saisonkarte.«
Daisy zog einen Schmollmund. »Jetzt bin ich neidisch. Ich konnte mir die Karte dieses Jahr nicht leisten. Ich war vier Jahre lang Cheerleader, und mir fehlen die Spieltage.«
Würg.
Will nahm einen Schluck aus seiner Bierflasche. »Dann musst du mich irgendwann mal zu einem Spiel begleiten.«
Ihre Mundwinkel gingen nach oben. »Mit Vergnügen!«
Noch mal würg.
Der hübschen Neuen war es innerhalb von dreißig Sekunden gelungen, sich eine Einladung zu einem Ausflug mit Will zu verschaffen – direkt vor meiner Nase. Ich war wirklich grottenschlecht im Flirten.
Die beiden vertieften sich in ein Gespräch über den neuen Quarterback für die gerade beginnende Footballsaison, und mir blieb nichts anderes übrig, als zu versuchen, an den richtigen Stellen zu lachen, obwohl ich mich fühlte, als würde mir das Herz herausgerissen. Normalerweise ließ ich mein Handy in der Tasche, wenn ich in Gesellschaft war, aber als es plötzlich vibrierte, beschloss ich, eine Ausnahme zu machen.
Ich war überrascht, als ich Declans Namen auf dem Display sah.
Declan: Wie läuft es? Spielst du die Unerreichbare?
Ich stieß einen Seufzer aus und schrieb zurück.
Molly: »Leicht zu haben« ist anscheinend eher Wills Stil. Eine Kollegin hat gerade vor meinen Augen ein Date mit ihm klargemacht.
Die Punkte sprangen eine Weile im Kreis, dann blieben sie stehen, bevor sie von Neuem zu hüpfen begannen. Einen Augenblick später klingelte das Telefon in meiner Hand. Declan.
Ich zog mich aus dem Gespräch zurück, an dem ich gar nicht mehr beteiligt war, und entfernte mich ein paar Schritte von der Theke.
»Hey.«
»Ich dachte, du hast eventuell Redebedarf. Was ist passiert?«
Ich schüttelte den Kopf. »Eine neue Kollegin hat mir eben erzählt, dass sie Will toll findet, und als er uns Hallo gesagt hat, hat sie sich innerhalb von dreißig Sekunden von ihm zu einem Footballspiel einladen lassen.«
»Okay. Unterhalten sie sich noch?«