Systemisches KONSENSIEREN - Georg Paulus - E-Book

Systemisches KONSENSIEREN E-Book

Georg Paulus

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Beschreibung

Auf den Geist, auf das Bewusstsein kommt es an, mit dem wir gemeinsam entscheiden und handeln. Doch Geist lässt sich nicht verordnen. Deshalb ist es sehr wertvoll, ein Instrument an der Hand zu haben, das allein schon durch seine systembedingten Wirkkräfte den Geist und das Bewusstsein in zweckdienliche Bahnen lenkt. Dieses Instrument heißt “Systemisches KONSENSIEREN”. Es hat einen außergewöhnlichen Einfluss, unter dem sich die Beteiligten wie von selbst dem größtmöglichen Konsens nähern. Dabei finden Machtspiele und Gruppenegoismen in frustrierende Erfolglosigkeit. Die Gruppe findet Lösungen, die wirksam und gleichzeitig für alle tragbar sind. Dabei gibt es keine klassischen “Verlierer”, die sonst gegen die Anderen Widerstand aufbauen würden. Was kann man sich Besseres wünschen, als gemeinsam die besten Lösungen zu finden, die letztendlich von allen bereitwillig angenommen werden?

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Systemisches

KONSENSIEREN

 

 

 

Der Schlüssel zum gemeinsamen Erfolg

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

6. überarbeitete Auflage, Juli 2022

 

 

 

Copyright © 2009 by:

A-BiS GmbH - DANKE-Verlag

Zeheterstr. 11

83607 Holzkirchen

Tel. (0 80 24) 4 77 44 57

www.DANKE-Verlag.de

 

Lektorat: Christine Sönning

 

Covergestaltung: Claudia Weber und Christian Großen

 

Druck: Bahnmayer GmbH, www.bahnmayer.de

 

Alle Rechte der Verbreitung und Übersetzung sind vorbehalten! Dies gilt auch für Funk, Fernsehen, fotomechanische und elektronische Wiedergabe, Internet und Tonträger jeder Art. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlages oder der Autoren gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

 

www.DANKE-Verlag.de, Josef Maiwald

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dieses Buchexemplar

 

widmen wir Ihnen,

 

liebe Leserin, lieber Leser.

 

 

 

 

 

Vorwort

 

Gesellschaftliche Entwicklungen werden maßgeblich von menschlichen Entscheidungen mitbestimmt. Die Methoden, die wir für die Entscheidungsfindung einsetzen, formen nicht nur das zukünftige Geschehen und damit unser Schicksal, sondern prägen auch unser Denken und Verhalten.

 

Große Gesellschaftsziele oder gar Utopien für eine ferne Zukunft nützen uns nichts, wenn es uns in der Gegenwart nicht gelingt, die besten Methoden einzusetzen, um folgerichtige Entscheidungen zu treffen. Unser Fokus sollte nicht in einer Zukunftsplanung liegen, die wir kampfbetont durchboxen wollen, sondern wir sollten uns auf die Gegenwart besinnen, um mit allen verfügbaren kreativen Kräften Voraussetzungen für eine erfolgreiche Entwicklung zu schaffen.

 

Auf den Geist, auf das Bewusstsein kommt es an, mit dem wir gemeinsam entscheiden und handeln. Doch Geist lässt sich nicht verordnen. Deshalb ist es sehr wertvoll, ein Instrument an der Hand zu haben, dass allein schon durch seine systembedingten Wirkkräfte den Geist und das Bewusstsein in zweckdienliche Bahnen lenkt. Dieses Instrument heißt „Systemisches Konsensieren“. Es hat einen außergewöhnlichen Einfluss, unter dem sich die Beteiligten wie von selbst dem größtmöglichen Konsens nähern. Dabei führen Machtspiele und Gruppenegoismen in frustrierende Erfolglosigkeit. Die Gruppe findet Lösungen, die wirksam und gleichzeitig für alle tragbar sind. Dabei gibt es keine klassischen „Verlierer“, die sonst gegen die Anderen Widerstand aufbauen würden.

 

Was kann man sich Besseres wünschen, als gemeinsam die besten Lösungen zu finden, die von allen bereitwillig angenommen werden?

Unser Buch soll dazu einen Beitrag leisten.

 

Siegfried Schrotta, Georg Paulus, Erich Visotschnig,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wir können die Probleme dieser Welt

nicht mit den Denkmustern lösen,

die zu ihnen geführt haben.

 

(Albert Einstein)

 

 

 

 

 

 

1 Paradigmenwechsel

 

Auf Empfehlung von Christine Sönning besuche ich (Georg Paulus) 2007 in München einen Vortrag zum Thema: „Konflikte ohne Machtkämpfe lösen“ von Dipl. Ing. Siegfried Schrotta und Dr. Erich Visotschnig.

 

Noch während des Vortrages komme ich zu der Überzeugung, dass die beiden Referenten den Schlüssel für einen, die ganze Gesellschaft betreffenden Paradigmenwechsel in der Hand haben.

 

Der Schlüssel heißt „Systemisches Konsensieren“.

Die Methode des Systemischen Konsensierens wird meiner Meinung nach, die Probleme unserer Zeit friedlicher lösen als es bisher möglich war:

 

Bis jetzt wird sehr viel durch Macht oder Mehrheiten erzwungen, mit der Folge, dass oftmals neue Konflikte entfacht werden. Denn auch jede demokratische Abstimmung hinterlässt in der Regel Sieger (Mehrheit) und Verlierer (Minderheit). Deswegen wird stets versucht, Mehrheiten zu bilden, um Interessen durchzusetzen oder zu wahren. Die Minderheit, sprich die Verlierer einer Abstimmung oder Wahl, bilden jedoch einen mehr oder weniger großen Widerstandsblock. Jeder ist schließlich lieber Sieger als Verlierer. Eine bessere Methode stand jedoch bis vor kurzem nicht zur Verfügung.

 

Systemisches Konsensieren darf nicht als ein Angriff auf die Demokratie missverstanden werden. Im Gegenteil! Es ist ihre größte Chance seit ihrer Konstituierung. Das Wort „Systemisch“ bedarf daher schon vorweg einer etwas genaueren Erklärung als im Vorwort: Es deutet an, dass diese Entscheidungsmethode systembedingt bei allen Beteiligten ein konstruktives Verhalten hervorruft, ohne von deren gutem Willen oder sonstigen Eigenschaften abhängig zu sein. Systemisches Konsensieren führt selbsttätig zur größtmöglichen Näherung an den Konsens. Es hat eine starke konfliktlösende Wirkung.

 

Wir wissen, dass dies am Anfang sehr utopisch klingt. Wenn es uns jedoch gelungen ist, Sie ein wenig neugierig zu machen, dann werden Sie überrascht sein, welchen genialen Schlüssel Sie mit dem Systemischen Konsensieren an die Hand bekommen.

 

Nachdem Sie nun erfahren haben, was das Wort „Systemisch“ in diesem Kontext bedeutet, werden wir im Folgenden nur noch von „Konsensieren“ sprechen.

 

Durch Konsensieren ist es also ab sofort möglich, die gemeinsamen Entscheidungen nicht mehr mit Hilfe von Autorität oder der Macht der Stimmenmehrheit, sondern gemeinschaftlich und ohne die klassischen Nebenwirkungen von Siegern und Verlierern zu treffen. Mit Konsensieren wird das traditionelle Sieger-Verlierer-Prinzip durchbrochen! Der Hauptvorteil liegt jedoch darin, dass dabei kaum neue Konflikte entstehen.

 

Bereits nach den ersten fünfzehn Minuten des Vortrags wird mir klar, welche Dimension und Dynamik in diesem System steckt. Ich habe jedoch den Eindruck, dass man das Ganze vereinfachen müsste, damit es sich möglichst schnell zum Wohle der Gesellschaft weiterverbreiten kann. Aus diesem Grunde biete ich am Ende des Vortrages den beiden Referenten spontan eine Zusammenarbeit an. Später entwickelt sich daraus die Idee, gemeinsam ein leicht verständliches Buch mit dem Titel „Systemisches Konsensieren“ zu schreiben.

 

Durch konstruktiven gegenseitigen Informationsaustausch und deutsch-österreichische Zusammenarbeit wurde das Konsensieren bis heute so vereinfacht, dass es jetzt seinen Siegeszug antreten kann.

 

Gemeinsam verraten wir drei Autoren Ihnen jetzt mehr.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Teil I

 

„Konsensieren für Einsteiger“

 

 

 

 

 

2 Konflikte schnell gelöst

 

Schön, dass Sie weiterlesen. Wir nehmen an, Sie wollen jetzt wissen, wie dieses sagenhafte Instrumentarium „Konsensieren“ funktioniert. Um Ihre Neugierde zu erfüllen, bringen wir zunächst ein einfaches Konfliktbeispiel:

 

Angenommen, Sie sind Verwalter eines Hauses mit vier Eigentumswohnungen. Bei einer Eigentümerversammlung wird vereinbart, dass ihr Haus einen neuen Farbanstrich bekommen soll. Leider kann man sich auf keine Farbe einigen. Jeder Eigentümer ist mit den Farbvorschlägen der anderen nicht einverstanden und findet nur seinen Vorschlag wirklich gut. Ein typischer Konfliktfall.

 

Bitte überlegen Sie, wie Sie dieses Problem möglichst schnell lösen würden. Kennen Sie eine vernünftige Vorgangsweise, die sofort für alle Beteiligten zu einem zufriedenstellenden Ergebnis kommt, ohne dass es langwierige Diskussionen und Streitereien gibt?

 

Welche Lösung haben Sie parat?

 

Wir beschreiben Ihnen jetzt einen ähnlichen Fall aus der Wirtschaft, der noch etwas problematischer ist und mit Konsensieren erfolgreich gelöst wurde.

 

In einem Werbebüro entstand zwischen vier erfahrenen Werbefachleuten ein ernsthafter Konflikt, weil sie sich nicht einigen konnten, welche Farbe eines neuen Auto-Modells für eine groß angelegte Werbekampagne verwendet werden sollte. Jeder von ihnen hatte sich vor dem Management schon deklariert, welche Farbe seiner Meinung nach am werbewirksamsten wäre. Daher versuchte jeder seine Meinung zu untermauern und alle anderen davon zu überzeugen – während er selbst hart bleiben musste. Eine demokratische Abstimmung ergab, dass jeder die von ihm selbst vorgeschlagene Farbe favorisierte. Um endlich eine Entscheidung herbeizuführen, war man sich zunächst einig, dass eine zusätzliche Person benötigt würde, welche die Pattstellung durchbrechen sollte.

 

Zuerst versuchte man den Auftraggeber entscheiden zu lassen. Dieser meinte jedoch, das Werbebüro müsste als Kreativwerkstatt die notwenige Kompetenz haben, um diese wichtige Entscheidung selbst zu treffen. Daher versuchte man einen fünften Kollegen zu finden. Jetzt fing das Problem erst richtig an. Jeder Vorschlag, welche Person zur Ent-scheidungsfindung zugezogen werden sollte, wurde jeweils von den anderen dreien abgelehnt. Vermutlich fürchtete jeder, der Betreffende würde für den stimmen, der ihn vorge-schlagen hat. Außerdem wurde klar, dass man dann nicht mehr abstimmen müsse, da ja ohnehin der Hinzugezogene die Farbe bestimmen würde. Da könne man doch gleich irgendjemand um die Farbe fragen. Diese Vorstellung kratzte an der Berufsehre der Werbefachleute. Sie waren verwirrt und verärgert, weil keiner nachgeben wollte. Die Situation schien ausweglos. Die weitere Besprechung wurde vertagt.

 

Zu diesem Zeitpunkt kamen wir ins Spiel. Einer der vier Werbefachleute fragte an, ob wir einen solchen Konflikt lösen könnten, und wie viel Zeit man dafür brauchen würde. Nach seiner kurzen Schilderung der Situation war klar, dass er das Problem nach telefonischer Beratung, auch ohne unsere Anwesenheit, unter Mitwirkung seiner Sekretärin lösen kann.

 

Als die geplante Besprechung anfing, stand bereits ein vorbereitetes Flipchart im Besprechungsraum, auf welchem die zur Entscheidung anstehenden vier Farben, Dunkelblau, Silbergrau, Rot und Schwarz untereinander notiert waren. Zusätzlich hatte die Sekretärin vier Zettel vorbereitet, auf denen ebenfalls die vier Farben geschrieben standen.

 

 

Unser Kunde, nebenbei bemerkt der Verfechter der Autofarbe Schwarz, erzählte seinen Kollegen von der neuen Methode, die er ausprobieren wolle. Einen Versuch wäre es allemal wert, es würde sicher nicht länger als 15 Minuten dauern.

 

Die Sekretärin verteilte die vier Zettel mit den untereinander aufgeführten Farben. Sie bat die Teilnehmer ohne jede Diskussion auf dem Zettel zu jeder Farbe sogenannte Widerstandswerte in Form von 0 bis 10 Widerstandsstimmen (W-Stimmen) einzutragen.

0 W-Stimmen bedeuten:

Ich habe keinerlei Widerstand gegen diese Farbe.

 

10 W-Stimmen bedeuten:

Diese Farbe ist für mich unannehmbar.

 

Jeder Teilnehmer sollte eine Rangordnung vornehmen, in dem er die Widerstände, die er gegen einzelne Farben spürt, innerhalb dieser Skala von 0 bis 10 ausdrückt. Dazu sollte er überlegen, welche Farbe ihm nach der eigenen Wunschfarbe am zweitliebsten, drittliebsten und viertliebsten wäre, bzw. welche er ganz ablehnen würde.

 

Jeder hatte 5 Minuten Zeit, seine Bewertungen auf seinem Zettel einzutragen.

Es dauerte keine Minute, schon konnte die Sekretärin die Zettel einsammeln und die Bewertungen auf das Flipchart übertragen.

Das Ergebnis sah wie folgt aus:

 

 

Es war ganz deutlich, dass Dunkelblau mit nur neun Widerstandsstimmen (WIST) bei allen gemeinsam den geringsten Widerstand hervorrief. Die Beteiligten kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus! Wie einfach und schnell es doch gelungen war, die Entscheidung konfliktfrei herbeizuführen. Jeder hatte bei seiner Meinung bleiben können und trotzdem hatte man eine Lösung des Problems gefunden, mit der alle leben konnten. Da überdies bei der Bewertung keine Diskussion nötig gewesen war, hatte niemand den Eindruck für etwas gekämpft oder sich verteidigt zu haben, also gab es keinen „Verlierer“ und niemand hatte sein Gesicht verloren. Sie alle hatten durch ihre Bewertung zu diesem Ergebnis beigetragen. Somit gab es auch kein Konfliktpotential mehr. Alle waren sich einig: Wir sind kooperativ und gemeinsam zu diesem Ergebnis gekommen. Dunkelblau ist die Farbe, der wir gemeinsam den geringsten Widerstand entgegensetzen. Bei den Beteiligten entstand nun auch der Wunsch, sich mit dem Konsensieren näher zu beschäftigen.

 

Auch wir werden uns mit dieser Methode in den nächsten Kapiteln ausführlicher befassen. Mit diesem Beispiel wollten wir Ihnen fürs erste die Bewertungsmethode zeigen. Selbstverständlich steckt in diesem System noch viel mehr, wie wir bald sehen werden. Vor allem dann, wenn die Lösungssuche in die Überlegungen mit einbezogen wird.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3 Die vier häufigsten Fragen

 

Aus Erfahrung wissen wir, dass Sie sich jetzt wahrscheinlich folgende Fragen stellen:

 

War das alles?

Was soll daran so besonders sein?

Etwas Ähnliches kenne ich doch von anderen Entscheidungsmethoden usw.

Was soll denn da neu sein?

 

Diese Fragen stellen Sie zurecht. Deswegen verraten wir Ihnen nun den alles entscheidenden Unterschied. In weiteren Kapiteln erfahren Sie dann, welche neuen Möglichkeiten sich daraus ergeben.

 

Bei ähnlichen Abstimmungs- oder Entscheidungsmethoden werden immer Pro-Stimmen oder Pluspunkte vergeben. Das heißt, man entscheidet sich gegebenenfalls nach der Anzahl des höchsten Punktwertes, nach den meisten Stimmen usw. Dabei wird nie der Widerstand berücksichtigt, der jedoch häufig zu Konflikten führt.

 

Konsensieren funktioniert genau andersherum.

 

Bedingt dadurch, dass statt Pro-Stimmen Widerstands-Stimmen ermittelt werden, weiß man beim Ergebnis sofort, wie hoch der gesamte Widerstand aller beteiligten Personen in Summe ist. Was kann es Vernünftigeres geben, als den besten Vorschlag mit dem geringsten Gesamtwiderstand zu ermitteln?

Unsere Erfahrung zeigt uns immer wieder: Sie werden die Wirkungsweise des Konsensierens am besten verstehen, wenn Sie es zwei- bis dreimal in der Praxis erprobt haben.

 

Da Sie ja gerade dieses Buch lesen, werden Sie vermutlich nicht sofort die Möglichkeit haben, es auszuprobieren. Deshalb beantworten wir Ihnen vorab drei Fragen, welche die meisten Menschen an dieser Stelle bewegt.

 

 

Frage 1:

 

Warum keine Pro-Stimmen?

Gruppenentscheidungen vom Widerstand abhängig zu machen, klingt sehr negativ. Man sollte doch positiv denken und für eine Entscheidung die Zustimmung durch Pluspunkte oder Pro-Stimmen heranziehen.

 

Antwort:

 

Pro-Stimmen sind auf das Erfüllen von Wünschen ausgerichtet. Sie bringen die bekannten unerfreulichen Erscheinungen des demokratischen Mehrheitsprinzips hervor, wie Gruppenegoismus, Machtorientierung, Stimmenfang, Rücksichtslosigkeit usw... Sie führen dadurch weg von der Suche nach rücksichtsvollen Lösungen und dem optimalen Interessenausgleich. Wenn die Teilnehmer am Entscheidungsprozess ihre Widerstandswerte nennen, ist dies die formalisierte Antwort auf die Frage: „Spricht etwas dagegen, dass wir die Lösung umsetzen? Wenn ja, wie gravierend sind die Bedenken?“

 

Deshalb ist die Bewertung mittels Widerstands-Stimmen das Kernstück des „Systemischen Konsensierens“.

 

Es steht jedoch jedem frei, Entscheidungen mit Pro-Stimmen zu erproben (das ist dann jedoch die seit langem bekannte Punktewertung und hat mit Konsensieren, also der Näherung an den Konsens, nichts zu tun).

 

Unsere Überlegungen zeigen, und die Erfahrungen mit dem Konsensieren bestätigen es, dass die Suche nach Lösungen, die bei allen Beteiligten wenig bis keinen Widerstand hervorrufen, eine starke konfliktlösende Wirkung erzielt.

 

 

Frage 2:

 

Ist Konsensieren gleichbedeutend mit dem „Weg des geringsten Widerstandes“?

 

Antwort:

 

Nein! Wenn eine Gruppe eine Aufgabe lösen soll, ein Problem auf sich zukommen sieht oder einen Interessenkonflikt austragen muss, werden sowohl anspruchsvolle und nachhaltige Vorschläge entwickelt als auch bequemere. Dabei handelt es sich immer um eigenständige ganze Lösungen und nicht um Kompromisse. Ihre Qualität hängt ganz von der Zusammensetzung, Kreativität und Motivation der Gruppe ab.

 

Jene, die das Problem aus der Welt schaffen wollen, werden sich gegen halbherzige Vorschläge wehren, wenn diese das Problem nicht wirklich anpacken. Es entsteht also Widerstand von zwei Seiten: Die einen lehnen anspruchsvolle Vorschläge ab, und die anderen wehren sich gegen halbherzige Lösungen. Welcher der Vorschläge sich durchsetzt, hängt wiederum von der Zusammensetzung der Gruppe ab. Während aber beim Mehrheitsentscheid für die Annahme eines Vorschlags eine Mehrheit von Befürwortern nötig ist, genügt beim Konsensieren eine Mehrheit, von Personen, die keinen Einwand haben bzw. nicht dagegen sind.

 

Daher ist es eindeutig: Konsensieren begünstigt nicht den Weg des geringsten Widerstandes und führt auch nicht zum kleinsten gemeinsamen Nenner oder einem faulen Kompromiss. Konsensieren ermittelt einen umfassenden Lösungsvorschlag, der dem Konsens am nächsten kommt (also die Interessen soweit es geht, ausgleicht) und daher das geringste Konfliktpotential hervorruft. Es führt daher zum größten gemeinsamen Nenner.

 

 

Frage 3:

 

Geht durch das Konsensieren nicht sehr viel Zeit verloren?

Antwort:

 

Eindeutig nein! Es geht keine Zeit verloren, sondern im Gegenteil: man gewinnt Zeit. Denken Sie doch mal an unser erstes Konsensierungsbeispiel mit den Farben. Wie viel Zeit für Diskussionen, Streitgespräche usw. konnte dadurch eingespart werden! Noch dazu mit dem Vorteil, dass keine weiteren Konflikte entstanden sind, da es keine Verlierer gab.

 

Die Zeit für die Bewertung kann bei mittelgroßen Gruppen noch verkürzt werden, indem durch eine bestimmte Art des Handhebens, ähnlich wie bei der klassischen Abstimmung entschieden wird. Im Kapitel „Vereinfachtes Konsensieren“ beschreiben wir diese Methode. Sie sollte allerdings erst dann eingesetzt werden, wenn man bereits mit dem Konsensieren vertraut ist.

 

 

Frage 4:

 

Kann man mit Konsensieren auch schwierige und komplexe Aufgaben lösen?

 

Antwort:

 

JA. Mehr dazu in Kapitel 5: „Ein ernster Interessenkonflikt im Berufsalltag“ und in Teil II „Konsensieren für Fortgeschrittene“, ab Kapitel 12. (Gruppendynamischer Prozess)

 

 

4 Vertiefendes Beispiel

 

Nachdem Sie jetzt die Grundmethode des Konsensierens kennen gelernt haben und die wichtigsten Fragen vorerst beantwortet sind, steigen wir mit dem folgenden Beispiel etwas tiefer ein.

 

Vielleicht haben Sie eine ähnliche Situation schon mal erlebt: Aufgrund einer erfolgreichen Abteilungsversammlung einer kleineren Firma kamen die Mitarbeiter überein, sich alle 14 Tage nach Dienstschluss um 18:00 Uhr zu treffen. Jeder sollte Vorschläge machen, an welchem Abend man sich regelmäßig treffen soll. Sie ahnen schon, was jetzt kommt.

 

Der erste Vorschlag eines Teilnehmers war Mittwoch.

Da geht’s bei mir ganz schlecht, meinte sein Nachbar.

Ich bin lieber für Donnerstag, meinte jemand anderer.

Der nächste Teilnehmer meinte, Montag wäre für ihn ideal.

„Dienstag wäre mir am liebsten“, meinte eine Teilnehmerin.

Sogar der Freitag wurde noch von jemand vorgeschlagen.

Lediglich Samstag und Sonntag kamen niemandem in den Sinn.

 

Es prallten verschiedene Terminwünsche aufeinander und die wohlgemeinte Absicht, sich künftig alle vierzehn Tage einmal zu treffen, war stark gefährdet. Viel und lange wurde hin und her diskutiert. Jeder versuchte auf seine Weise, seinen idealen Tag durchzusetzen. Ein klassischer, wenn auch harmloser Konfliktfall.

 

Nachdem die Zeit schon etwas fortgeschritten war, kam es, wie es kommen musste: Stimmen wir doch einfach ab, meinte der Abteilungsleiter, sonst sitzen wir morgen noch da. Nachdem bereits mehrere Teilnehmer nach Hause gehen wollten, und man keine andere Möglichkeit sah, eine rasche Entscheidung herbeizuführen, einigte man sich sehr schnell darauf, dass jeder an dem Wochentag die Hand heben soll, an dem er Zeit für eine Abteilungsbesprechung aufbringen kann bzw. will.

Wer ist für Montag:      Zwei Hände gingen hoch.

Wer für Dienstag:       Zwei Hände gingen hoch.

Wer für Mittwoch:      Drei Hände gingen hoch.

(Eine davon war vom Abteilungsleiter)

Wer für Donnerstag:      Zwei Hände gingen hoch.

Wer für Freitag:       Eine Hand ging hoch.

---ENDE DER LESEPROBE---