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In dieser Tanzstunde werden wir einen intensiven und gleichzeitig freundlichen Blick in unser Inneres werfen. Wir können uns das wie eine Einladung zu einem Familientreffen vorstellen, zu dem sowohl jene Verwandte eingeladen sind, die wir schon lange nicht gesehen haben, als auch jene, von deren Existenz wir bisher nichts wussten. Und sogar jene, die wir am liebsten gar nicht dabei hätten. Sie alle gehören zu uns, zu unserer inneren Familie. Welchen Grund solltest du haben, diese Einladung überhaupt auszusprechen? Ist es nicht viel einfacher, dich nur mit denen abzugeben, die du magst und die dir wohl gesonnen sind? Erscheint es nicht meistens viel sinnvoller, sich nur auf die positiven Seiten des Lebens zu konzentrieren? Bis zu einem gewissen Grad ja. Es hat Sinn, die eigenen Energien darauf auszurichten, was wir möchten. Es hat Sinn, uns mit Fröhlichkeit und Leichtigkeit zu beschäftigen, wenn wir mehr davon in unser Leben ziehen wollen. Wenn wir große Ziele erreichen und unsere Visionen realisieren wollen, brauchen wir alle positiven Energien und Anteile die wir im Innen oder Außen aktivieren können. Dennoch gibt es nicht nur angenehme Teile in uns. Jeder Mensch ist auch manchmal wütend, traurig oder verzweifelt. Diese Gefühle gehen nicht weg, nur weil wir sie nicht haben wollen. Sie sind ebenso Teil unseres Seins und wollen Beachtung finden. Je weniger wir sie annehmen, desto stärker werden sie sich zu Wort melden. Und je mehr wir versuchen, sie zu verdrängen, desto mehr werden sie uns daran hindern, unsere Visionen und Träume zu verwirklichen. Ein guter Grund, um einen genaueren Blick auch auf diese Anteile unseres Wesens zu werfen. Tanz mit Licht und Schatten liefert Anregungen und Tipps, um in Harmonie mit all unseren Anteilen zu kommen. Geführte Reisen ins Innere vertiefen die Lernschritte und eröffnen neue Wege.
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Seitenzahl: 184
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Einladung zum Tanz
In dieser Tanzstunde werden wir einen intensiven und gleichzeitig freundlichen Blick in unser Inneres werfen. Stellen wir uns einen Tanzsaal unseres Selbst vor, in dem wir als Gastgeber den Takt der Musik angeben, zu der unsere Anteile von Licht und Schatten tanzen.
1.Innenleben
Unsere Persönlichkeit besteht aus vielen unterschiedlichen Anteilen - manche sind konstruktiv und positiv, manche eher negativ und belastend. Die Choreografie ihres Einsatzes folgt nicht immer unseren bewussten Vorstellungen.
2.Gastfreundschaft
Gefühle, Erinnerungen und Verhaltensweisen werden dann zum Schatten, wenn sie ins Unbewusste abgedrängt werden. Mit bewusster Gastfreundschaft können wir einen guten Umgang mit all unseren Anteilen finden.
3.Bestandsaufnahme
Gefühle sind Botschafter, die eine Nachricht überbringen wollen. Wird die wertvolle Nachricht angenommen, kann sich das Gefühl transformieren. Wird die Nachricht allerdings verdrängt, kommt der Botschafter durch die Hintertür des Schattens. 4.Verwechslung
In emotional aufgeladenen Situationen verwechseln wir uns mit unseren Gefühlen. Aus einer erweiterten Perspektive erkennen wir, dass wir viel mehr sind, als das momentane Gefühl und können bewusst gut für uns sorgen.
5.Abstieg
Freiwillig absteigen und die Schatten einladen klingt schwieriger als es ist. Wenn wir den Tanz bewusst gestalten, wird die Reise in die untere Welt zum spannenden Abenteuer und die Integration aller unserer Anteile ganz leicht.
6.Geschenke
Unsere Schattenanteile halten ein paar besondere Geschenke für uns bereit, wenn wir sie einladen. Integrieren wir die dahinter liegende Botschaft, kann sie konstruktiv und hilfreich in unser Leben wirken.
7.Verstecken oder verdrängen
Es gibt eine Menge Strategien, um dem Schatten lieber doch noch ein wenig auszuweichen. Durchaus kreativ, doch meist nicht langfristig hilfreich. Mit liebevollem Abstand können wir über unsere momentanen Begrenzungen hinausgehen.8.Besucher aus der Vergangenheit
Erinnerungen, Belastungen und Schmerzen, die nicht verarbeitet werden konnten, bleiben wie in einer verschlossenen Kapsel in uns gespeichert. Überreaktionen im Alltag weisen uns auf die Heilungsmöglichkeiten für diese vergangenen Gefühle hin.
9.Spieglein, Spieglein an der Wand
Was wir am stärksten ablehnen hat wohl am meisten mit uns selbst zu tun. Auch wenn nicht jede Spiegelung ein Hinweis auf den Schatten ist, lohnt es sich hinter den Spiegel zu blicken und Projektionen in Harmonie aufzulösen.
10.Freundschaft schließen
Herzlich willkommen bei unserem gemeinsamen Tanz mit lichten und dunklen Anteilen unseres Selbst!
In dieser Tanzstunde werden wir einen intensiven und gleichzeitig freundlichen Blick in unser Inneres werfen. Wir können uns das wie eine Einladung zu einem Familientreffen vorstellen, zu dem sowohl jene Verwandte eingeladen sind, die wir schon lange nicht gesehen haben, als auch jene, von deren Existenz wir bisher nichts wussten. Und sogar jene, die wir am liebsten gar nicht dabei hätten. Sie alle gehören zu uns, zu unserer inneren Familie.
Welchen Grund solltest du haben, diese Einladung überhaupt auszusprechen? Ist es nicht viel einfacher, dich nur mit denen abzugeben, die du magst und die dir wohl gesonnen sind? Erscheint es nicht meistens viel sinnvoller, sich nur auf die positiven Seiten des Lebens zu konzentrieren?
Bis zu einem gewissen Grad ja. Es hat Sinn, die eigenen Energien darauf auszurichten, was wir möchten. Es hat Sinn, uns mit Fröhlichkeit und Leichtigkeit zu beschäftigen, wenn wir mehr davon in unser Leben ziehen wollen. Wenn wir große Ziele erreichen und unsere Visionen realisieren wollen, brauchen wir alle positiven Energien und Anteile die wir im Innen oder Außen aktivieren können.
Dennoch gibt es nicht nur angenehme Teile in uns. Jeder Mensch ist auch manchmal wütend, traurig oder verzweifelt. Diese Gefühle gehen nicht weg, nur weil wir sie nicht haben wollen. Sie sind ebenso Teil unseres Seins und wollen Beachtung finden. Je weniger wir sie annehmen, desto stärker werden sie sich zu Wort melden. Und je mehr wir versuchen, sie zu verdrängen, desto mehr werden sie uns daran hindern, unsere Visionen und Träume zu verwirklichen. Ein guter Grund, um einen genaueren Blick auch auf diese Anteile unseres Wesens zu werfen.
„Können wir nicht etwas tun, damit meine unangenehmen Gefühle und die schlechten Eigenschaften einfach weggehen?“
Dies ist eine Frage, die ich in meiner Coaching-Praxis immer wieder gestellt bekomme. Auf dem Weg zu mehr Glück und Erfüllung hindern uns ja nur mehr unsere Ängste, die unnötigen Wutausbrüche, die Zweifel, das mangelnde Selbstbewusstsein und vielleicht noch ein paar weitere Unannehmlichkeiten, die unser Leben belasten. Einfach weg damit – und dann ist alles gut. Am besten für immer.
Leider – oder zum Glück – funktioniert das nicht so einfach.
Leider, weil es eine schöne Vorstellung wäre, ein paar innere Knöpfe zu drücken und damit alle Probleme und Herausforderungen für immer gelöst zu haben.
Zum Glück, weil wir in der Auseinandersetzung mit uns selbst, mit unseren inneren Anteilen und äußeren Herausforderungen immer wieder lernen und wachsen können. Dafür gilt es allerdings einen liebevollen Blick gerade auf jene Seiten von uns selbst zu richten, die wir lieber nicht hätten und mit denen es unangenehm werden könnte. Wenn wir diesen mit freundlicher Aufmerksamkeit begegnen, können wir uns aber auch weiterentwickeln.
Wir beschäftigen uns gerne mit den lichten Anteilen unseres Lebens: der Freude, der Leichtigkeit, dem Erfolg oder der Lebenslust. Wenn wir uns darauf konzentrieren, bewusst und optimistisch durchs Leben zu gehen, können wir auch viel erreichen. Je fröhlicher wir innerlich sind, desto fröhlicher werden wir unsere Erfahrungen meistern. Je mehr wir auf die Leichtigkeit fokussieren, desto leichter wird das Leben insgesamt.
Doch dann gibt es Tage, Wochen oder sogar Monate, in denen alles schwierig zu sein scheint. In diesen Zeiten melden sich andere Anteile zu Wort, die es eben auch gibt. Gefühle, die wir lieber wegschieben möchten, Erinnerungen, die uns belasten, oder eine Sicht auf die Welt, die so gar nichts positiv finden kann.
Eine Möglichkeit in solchen Situationen besteht darin, so schnell wie es geht wieder zum Positiven zurückzukehren. Sich einfach nicht mit den inneren und äußeren Belastungen zu beschäftigen. Dies funktioniert meistens sogar eine Weile ganz gut. Bis die Belastungen und unangenehmen Gefühle wieder auftauchen. Oftmals sogar in einer stärkeren und irgendwann in einer nicht mehr zu übersehenden Form. Höchste Zeit, um hinschauen und etwas damit zu tun.
Ein Leben voll Freude und Glück bedeutet keineswegs, dass es „schlechte“ Tage oder unangenehme Gefühle nicht mehr gibt. Es bedeutet vielmehr, auf eine leichte und liebevolle Weise auch mit all dem umzugehen, was uns herausfordert.
Solche Herausforderungen existieren in uns selbst: unsere Verhaltensmuster und Gefühle, die schlimmen Erfahrungen der Vergangenheit oder der mangelnde Glaube an unsere Fähigkeiten. Es können natürlich auch die Menschen in unserem Umfeld sein, der Arbeitsplatz, die Bewältigung des Alltags und manchmal auch Schicksalsschläge wie der Verlust eines Menschen oder eine schwere Krankheit. Dieses äußere Leben können wir nur teilweise selbst gestalten. Das Leben fragt uns nicht, was wir erleben möchten – das Leben ist einfach. Mit all seinen Seiten.
Wie wir mit dem Leben umgehen, hat allerdings mit uns selbst zu tun. Mit unseren Reaktionen und Verhaltensmustern, mit unseren Einstellungen. Gerade dann, wenn das Leben etwas herausfordernder wird, werden wir auch mit unseren tiefsten Mustern und Prägungen konfrontiert. Diese melden sich in Form von Gefühlen, Gedanken und Körperempfindungen zu Wort. Sie wollen wahrgenommen und bearbeitet werden. Sie geben uns die Chance, uns besser kennenzulernen und unser ganzes Potenzial noch intensiver auszuschöpfen.
In unseren unterschiedlichen Lebenssituationen sind zahlreiche innere Anteile und Gefühle in uns aktiv. Manche dieser Anteile sind uns bekannt und vertraut – sie sind im Licht. Wir können mit ihnen umgehen, wir können sie einsetzen und daran wachsen. Beispielsweise sind es Anteile wie die Lebensfreude, das Gefühl von Sicherheit oder auch die Erinnerung an Erfolge, die uns weiter motivieren.
Andere Anteile sind uns weniger vertraut und vor allem weniger angenehm: sie sind im Schatten. Diese Anteile würden wir lieber nicht haben. Dadurch, dass wir die Auseinandersetzung mit ihnen scheuen, drängen wir diese Anteile in den unbewussten Teil unserer Psyche. C.G. Jung hat den Begriff des Schattens in der westlichen Psychologie eingeführt, zahlreiche philosophische, mythologische und psychologische Quellen aus vielen Jahrhunderten und unterschiedlichsten Kulturen beschäftigen sich ebenfalls schon lange mit diesem Phänomen.
Wir vermeiden die Beschäftigung mit dem sogenannten Schatten, da dieser für unser Selbst bedrohlich erscheint. Unbewusst wehren wir ihn ab, denn wir haben Angst, die Kontrolle zu verlieren, und Angst davor, dass er von uns Besitz ergreift, wenn wir ihn zulassen. Widmen wir dem Schatten jedoch die gebührende Aufmerksamkeit, so verliert er seine Macht und kann zu einem wertvollen Anteil gewandelt werden. Wobei sogar die Auseinandersetzung mit dem Schatten in Leichtigkeit geschehen kann. Denn es ist nicht der Schatten selbst, der es uns schwer macht, sondern unsere Art, mit ihm umzugehen.
Ich möchte dir mit diesem Text einen leichteren Zugang zur Integration all deiner Anteile aufzeigen. Der Philosoph Matthias Varga von Kibéd hat zu diesem Thema das Bild von einem Tanzsaal voller Tänzer geprägt. Wenn wir uns in der Gesamtheit unserer Persönlichkeit als Tanzsaal begreifen, in dem verschiedene Tänzer auftreten, können wir immer wieder neu entscheiden, welchen Tanz wir aufführen. Welche Musik wir spielen, welche Traditionen wir fortführen und welche Schritte wir als nächstes setzen.
Stellen wir uns also den Tanzsaal unseres Selbst vor, in dem wir als Gastgeber den Takt der Musik angeben, zu der unsere Anteile von Licht und Schatten tanzen. Ein Tanz, der unser Sein zu einer ganzheitlichen Harmonie führt und uns immer mehr Freude und Erfüllung beschert.
Im Verlauf des Tanzes werden wir uns auch in die Tiefe der Schattenwelt begeben, um dort jenen inneren Anteilen zu begegnen, denen wir im Alltag am liebsten ausweichen. Lass dich überraschen, welche Geschenke hier verborgen sind. Denn jede Tiefe hat auch einen Schatz für uns vergraben. Und wer weiß, tanzend kann vielleicht sogar auch die Schattenwelt Freude bereiten.
Natürlich wollen wir auch mit den lichten und angenehmen Anteilen unseres Selbst tanzen – mit unserer Kraft, der Fröhlichkeit und dem Vertrauen. Ein freundlicher und positiver Umgang mit uns selbst, der unsere guten Seiten noch verstärkt.
Erst wenn lichte und dunkle Teile in unserem Bewusstsein miteinander vereint sind und miteinander tanzen können, sind wir ganz. Erst in der Harmonie von Licht und Schatten ist wahrhafte Leichtigkeit möglich. Selbstverständlich wird uns das Leben immer noch Herausforderungen bescheren, aber es wird immer mehr gelingen, auf eine konstruktive Art und Weise damit umzugehen. Wir können wachsen und weitertanzen.
Ich freue mich auf den Tanz, mit seinen abwechslungsreichen Melodien und Harmonien!
Möchtest du die Einladung annehmen?
„Man wird nicht erleuchtet, indem man Lichtfiguren visualisiert, sondern indem man die Dunkelheit bewusst macht.“C. G. Jung
In unserem alltäglichen Leben gehen wir davon aus, eine stabile Persönlichkeit zu haben, die immer gleich bleibt. Wenn wir genauer hinsehen, bemerken wir allerdings, dass unsere einzigartige Persönlichkeit aus vielen unterschiedlichen Anteilen besteht. Wir sind ein Konglomerat aus Gedanken, Gefühlen, Bedürfnissen, Verhaltensweisen, Mustern, Körperwahrnehmungen, Erfahrungen, Erinnerungen, Zielen, Blockaden, intuitiven Eingebungen usw.
Je nach Situation und Anforderung übernehmen verschiedene Anteile die Führung in uns: so führt zum Beispiel der gewissenhafte Anteil eine perfekte Buchhaltung, während der Anteil namens Trotzverhalten gerade dann besondere Energien mobilisieren kann, wenn eine Situation schwierig erscheint. Der innere liebende Elternteil kümmert sich hingebungsvoll um das Bedürfnis eines Kindes und der ehrgeizige Anteil bereitet die Rede für die Konferenz vor. Darüber hinaus sind noch viele weitere Anteile in uns vorhanden: der über eine Kränkung wütende Anteil oder jener, der sich am liebsten eine Decke über den Kopf ziehen würde und noch viele mehr, die wir vielleicht gerade gar nicht wahrnehmen.
Welche inneren Anteile sind im Moment aktiv in dir?
Welche findest du angenehm und konstruktiv?
Welche sind weniger angenehm?
Wir alle haben unzählige Anteile, die in verschiedenen Situationen wirksam werden. Dies funktioniert unbemerkt und wunderbar, solange die jeweiligen Anteile sich bei passender Gelegenheit zu Wort melden. Doch nicht immer folgt die Choreografie unseren bewussten Vorstellungen. Dazu kommt, dass nicht alle Anteile gleichermaßen von uns anerkannt und geliebt werden. Manche Anteile hätten wir am liebsten gar nicht, daher versuchen wir, sie vielleicht sogar zu verstecken. Genau hier beginnt eine Wahrnehmung, eine Erfahrung oder ein Gefühl zum Schatten zu werden.
Wir können uns unser Inneres als Eisberg vorstellen: Oben an der Spitze finden sich alle „offiziellen“ Gedanken und Gefühle, all jene Anteile, die wir gerne zeigen, wie z. B. die Freude oder die Liebenswürdigkeit. Darunter, teilweise gleich unter der Wasseroberfläche, sind jene Gefühle und Gedanken, die wir nicht so gerne haben oder noch weniger gerne anderen gegenüber preisgeben wollen. Bei bestimmten Gelegenheiten dürfen sie sich noch zeigen. Wir erlauben uns manchmal ein wenig wütend oder traurig zu sein, jedoch immer noch im kontrollierbaren Rahmen.
In der Basis des Eisbergs sammeln sich schließlich die Schattenanteile: nicht verarbeitete Erinnerungen an frühere Erlebnisse und unangenehme Zustände, verdrängte Gefühle und jene Eigenschaften, die wir als schlecht erachten. Hier finden wir, was wir jemals an Schwerem oder Belastendem erfahren und erlebt haben, und insbesondere alles, was wir nicht zur Gänze geheilt und integriert haben. Nichts geht jemals verloren. Wenn sich eine passende Gelegenheit in Form eines äußeren Ereignisses, einer Begegnung oder eines inneren Erlebens ergibt, können lange vergessene oder verdrängte Teile blitzartig wieder aus der Tiefe auftauchen.
Es ist, als ob diese Anteile nur auf ihren Einsatz gewartet hätten. Ein kleiner Auslöser genügt und sie sind, um beim Bild vom Eisberg zu bleiben, plötzlich an der Wasseroberfläche wahrzunehmen. Wir werden uns meistens zwar noch bemühen, diese inneren Anteile zu verbergen. Dennoch werden sich einmal aufgetauchte Teile nicht so leicht wieder nach unten drängen lassen. Sie wollen beachtet werden. Und zwar sofort.
Manche Anteile, die für lange Zeit im Schatten überdauert haben, besitzen die Eigenschaft, sich genau dann zum Besuch anzumelden, wenn wir sie gerade gar nicht brauchen können, wenn wir ohnehin gestresst, gefordert oder angespannt sind. Die geschwächte Situation scheint eine Einladung an unsere sogenannten Schattenanteile zu sein, vergleichbar einer Verkühlung, die uns zur selben Zeit zusetzt, wenn unser Immunsystem ohnehin durch länger andauernden Belastung geschwächt ist. Gerade das hat uns noch gefehlt...
Selbst wenn wir unsere schwierigen und wenig geliebten Anteile in den guten Zeiten unseres Lebens vergessen, verdrängen oder abschieben, so bleiben diese Aspekte dennoch immer vorhanden. Sie nehmen ein Eigenleben an, das wir irgendwann nicht mehr steuern können. Wenn wir unkontrollierte Gefühlsausbrüche erleben, andere uns über die Maßen aufregen oder verletzen oder wenn wir uns als ohnmächtig erfahren, handelt es sich um verdrängte Anteile, die sich auf diese Weise Aufmerksamkeit verschaffen wollen. Es scheint, als ob eine innere oder äußere Macht Besitz von uns ergriffen hätte.
Debbie Ford, eine amerikanische Autorin, die über moderne Schattenarbeit geschrieben hat, beschreibt in ihrem Buch „Die dunkle Seite der Lichtjäger“, wie die Gefühle, die wir unterdrückt haben, darauf drängen, anerkannt und integriert zu werden. Sie seien allerdings nur dann schädlich, wenn sie weiter verdrängt werden. Dadurch drohen sie immer in völlig unangemessenen Situationen hervorzubrechen. Die am stärksten unterdrückten Teile von uns selbst würden gerade in jenen Bereichen unseres Leben auftauchen, die für uns am wichtigsten sind, und uns dort behindern, wo wir am meisten erreichen möchten. So können wir sie irgendwann nicht mehr übersehen.
Gibt es Situationen, in denen du die Kontrolle verlierst?
Gibt es Situationen, in denen du dein eigenes Verhalten im Nachhinein nicht mehr erklären kannst?
Um auf sich aufmerksam zu machen, wählen sich unsere Schattenanteile also genau jene Lebensbereiche, in denen wir besonders verletzlich, bedürftig oder ehrgeizig sind. Kurzfristig funktioniert die Verdrängung auch. So können wir das wichtige Gespräch gerade noch zu Ende führen, ohne dass die Wut uns überwältigt. Und die Eifersucht lässt sich irgendwie noch im Zaum halten, solange wir nicht allein sind. Irgendwie schwindeln wir uns über unsere Unsicherheit. Oder wir lachen trotz unserer Traurigkeit über einen schlechten Witz. Dennoch wirken diese übergangenen Anteile in uns weiter.
Verständlich, dass wir uns wohl alle lieber auf die positiven Anteile konzentrieren und diese stärken möchten. Doch wenn wir uns langfristig den sogenannten negativen Anteilen nicht zuwenden, werden sie unsere Bemühungen unterminieren und den Weg zum fröhlichen und leichten Leben immer wieder aufhalten.
Wir werden unbewusst und mit absoluter Treffsicherheit im Inneren und Äußeren immer wieder das anziehen, was wir ablehnen, verdrängen, nicht leben oder noch nicht geheilt haben. Denn das Leben strebt nach Harmonie und Ganzheit, es wird uns immer wieder auf das aufmerksam machen, was wir für diesen Zustand noch benötigen.
Die bewusste Begegnung mit den inneren Anteilen, mit dem Schatten und dem Licht ist eine wunderbare Möglichkeit, um unsere Ganzheit zu fördern. Was wir bewusst tun, kann Heilung bringen. Zugegeben: Es kostet ein wenig Aufwand und Energie, auf jene Anteile hinzuschauen, die wir lieber nicht hätten. Doch gerade dort liegen unsere größten und wertvollsten Schätze verborgen.
Bei mir meldet sich beim Schreiben dieses Textes immer wieder ein Anteil zu Wort, der viel lieber auf dem Sofa sitzen und etwas ganz anderes tun würde. Eigentlich bereitet mir das Schreiben wirklich Freude... doch wäre es nicht viel besser, jetzt ein wenig auszuruhen? Wahrscheinlich gibt es da auch Anteile und Gefühle, die mir ein wenig Angst machen. Zu verständlich, dass ich mich da lieber ablenken möchte.
Der Schatten
Nach dem berühmten Schweizer Psychologen C. G. Jung setzt sich der Schatten im Inneren eines jeden Menschen aus jenen Teilen unseres Selbst zusammen, die der bewusste Geist für inakzeptabel hält. Er beinhaltet die verdrängten Anteile unseres Ich, die verleugneten, mit unserer Persönlichkeit scheinbar unvereinbaren Aspekte. Das können Scham oder Wut sein. Dazu gehören aber auch Vorurteile, unverarbeitete Kränkungen, belastende Erinnerungen und vor allem auch die schlechten und abwertenden Überzeugungen, die wir von uns selbst haben.
Schattenanteile mögen zwar aus dem Alltagsbewusstsein verdrängt sein, ganz vergessen können wir sie jedoch nicht, da sie bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit auf sich aufmerksam machen. Sei es in (Tag-)Träumen, in denen wir unserem Chef die Meinung sagen oder das Haus unserer Eltern in Flammen stecken. Oder sei es durch einen Menschen, der sich in unseren Augen völlig unmöglich verhält und alle nur denkbaren negativen Gefühle in uns auslöst. Sie können sich auch durch die unerklärliche Angst vor der Präsentation in der Firma oder durch den unbewussten Boykott unserer eigenen Lebensträume zeigen. Unser Unvermögen und unser Zweifel sind ebenso Teil des Schattens wie all jene Gefühle, die wir am liebsten nicht hätten. Sie alle sind in der Basis unseres Eisbergs gespeichert. Im Schatten unter der Wasseroberfläche.
Es gibt keinen Menschen ohne Schatten. Ganz im Gegenteil: Wer den Schatten leugnet, hat wohl nur einen noch größeren Verdrängungsmechanismus aktiviert. Die positive Nachricht für uns ist allerdings, dass der Schatten ein immerwährendes Entwicklungspotenzial bietet. Ohne Schatten gäbe es auch kein Licht. Der Schatten kann zur unendlichen Kraft werden, wenn wir uns ihm stellen und ihn transformieren.
Die Beschäftigung mit dem Schatten muss nicht unbedingt mühsam sein, sie kann sogar ganz leicht geschehen, in Form eines von uns selbst choreografierten Tanzes, zu dem wir einladen. Wenn wir uns aktiv damit auseinandersetzen, ist dieser Prozess auf jeden Fall kostbar und bereichernd. Zudem hält er viele heilsame Möglichkeiten für uns offen und kann nachhaltig Freude bereiten.
Die große Angst vor dem Schatten kann nur so lange wirken und unser Leben blockieren, bis wir bewusst hinschauen. Ab dem Zeitpunkt, ab dem wir uns mit dem Schatten beschäftigen, verliert er seine dämonische Kraft und wird zum hilfreichen Unterstützer unserer Entwicklung. Ein gewandelter Schatten ist eine unendliche Kraftquelle für unser Leben. Du wirst sehen: der Schatten hat auch so manche interessante Botschaften für uns. Ein Leben ohne Schatten wäre nicht nur unerträglich hell, sondern auch langweilig.
Zugegeben, es braucht ein wenig Mut, um sich dem Schatten zu stellen, doch ich gehe davon aus, dass du darüber verfügst und bereit bist, dir diese enorme Stärke, die im Schatten steckt, zu erschließen. Sonst hättest du gar nicht erst begonnen, diesen Text zu lesen.
Bist du bereit weiterzugehen?
Dann möchte ich wieder kurz von mir selbst erzählen: Immer wieder arbeite ich daran, mir meine Schatten bewusst zu machen. Ich habe es mir nicht gerne eingestanden, doch auch in mir gibt es Gedanken, die ich lieber vor mir selbst verbergen würde. Wenn ich diesen Gedanken eine Weile zugehöre und versuche dabei freundlich mit mir selber zu sein, kann ich diese Teile von mir selbst immer besser akzeptieren. Dies hat zur Folge, dass meine emotionalen Ausbrüche und Situationen, in denen ich mich überfordert, allein gelassen oder betrogen fühlte, ganz von selbst weniger wurden. Denn der Schattenanteil wurde wahrgenommen. Integriert stellt er keine so große Bedrohung mehr dar. Wenn er sich wieder einmal zu Wort meldet, dann weiß ich ja, um wen es sich handelt. Auch wenn meine Schatten in verschiedensten Ausprägungen immer noch zu Besuch kommen, so verkürzt sich zumindest die Zeitdauer, in der ich ihnen hilflos ausgeliefert bin.
Die Auseinandersetzung mit dem Schatten und die Integration aller unserer Anteile ist ein Angebot zur Verkürzung der Besuchszeiten der unangenehmen und destruktiven Gefühle. Lass uns genauer hinschauen, denn hinter jedem Schatten ist viel zu entdecken.
Welcher Schatten macht gerade besondere auf sich aufmerksam?
Wie könntest du dich diesem Schatten liebevoll zuwenden?
Das Licht
Natürlich gibt es auch die positiven und hellen Anteile – das Licht in unserem Inneren. Dieses erreichen wir aber erst dann wahrhaft und langfristig, wenn wir den Schatten durchschritten haben. Jeder Versuch, die Schattenarbeit zu überspringen, muss scheitern, ebenso wie positives Denken alleine nicht heilen kann, da dadurch die Aufmerksamkeit nur auf eine Seite gelenkt wird und die ausgeblendete Seite umso stärker ins Bewusstsein drängen muss.
Das bedeutet natürlich nicht, dass wir uns nicht mit unseren positiven, freundlichen und angenehmen Eigenschaften und Anteilen beschäftigen. Ganz im Gegenteil: Je mehr wir auf das Gute achten, desto mehr werden wir es verstärken. Je mehr wir über das Gute in uns lernen, desto besser können wir die Spitze des Eisberges leuchten lassen.
Mit welchen lichten Anteilen und Eigenschaften möchtest du dich beschäftigen?
Was kannst du konkret dafür tun?
Erst durch das Spiel von Licht und Schatten, durch den Tanz mit allen unseren Anteilen können wir das gesamte uns innewohnende Potenzial nutzen; es stehen uns weitaus mehr Möglichkeiten zur Verfügung, um unser Leben zu gestalten, was es spannend und bereichernd macht. Lass uns aufbrechen zu einem Tanz, der zahlreiche Geschenke bereithält.
Aufmerksamkeit
Beobachte dich in den nächsten Tagen selbst:
Welche Schattenanteile melden sich gleich auf die Einladung zu Wort?
Wann reagierst du unpassend, überwältigt, unangenehm? Welcher Schatten könnte dahinter stehen?
Wenn du die Einladung an deine Schattenanteile bewusst aussprichst, werden sie sich bei dir melden. Aber keine Sorge: je aktiver du auf sie zugehst, desto weniger werden sie dich erschrecken. Und vermutlich sind es ja ohnehin alte Bekannte, die in dir auftauchen. Diesmal allerdings bekommen sie alleine durch deine Einladung schon einen Impuls sich zu wandeln.
Vergiss auch nicht die lichten Anteile:
Welche Licht-Anteile lädst du bewusst ein?
Wie zeigen sie sich?
„Wenn die Achtsamkeit etwas Schönes berührt, offenbart sie dessen Schönheit. Wenn sie etwas Schmerzvolles berührt, wandelt sie es um und heilt es.“Thich Nhat Hanh
Gefühle, Erinnerungen, Verhaltensweisen werden dann zum Schatten, wenn sie ins Unbewusste abgedrängt werden. Dort überdauern sie lange Zeit und melden sich –oftmals bei scheinbar völlig unpassender Gelegenheit – unangenehm oder sogar destruktiv zu Wort. Wir meinen, in solchen herausfordernden Momenten unseres Lebens nicht mehr Frau bzw. Herr der Lage zu sein. „Es“ beherrscht“ uns und lässt uns völlig irrational reagieren, als ob eine fremde Macht Besitz von uns ergriffen hätte. Eine Macht namens Schatten.
Dennoch sind wir dem Schatten nicht völlig ausgeliefert. Wenn wir uns bewusst dem Schatten, also unseren inneren Anteilen, nähern, werden wir auch konstruktive Wege finden, auch jene Aspekte von uns zu integrieren, die wir verdrängt oder abgelehnt haben. Im klaren Bewusstsein handelt es sich zumeist um hilfsbedürftige oder vernachlässigte Aspekte unseres Selbst, die durchaus zu positiver Zusammenarbeit bereit sind.