Tanz unterm Sternenhimmel: Drei Romane in einem eBook - Sandra Henke - E-Book
SONDERANGEBOT

Tanz unterm Sternenhimmel: Drei Romane in einem eBook E-Book

Sandra Henke

0,0
9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Sehr romantisch – und schwungvoll erzählt: Der Sammelband »Tanz unterm Sternenhimmel« von Romance-Queen Sandra Henke jetzt als eBook bei dotbooks. Das größte Geheimnis der Liebe: Dass sie uns immer dann findet, wenn wir es am wenigsten erwarten … Lilly ist ein Riesenfan der Liebesroman-Bestsellerautorin Birdie Malone. Als sie herausfindet, dass sich hinter diesem Namen der geheimnisvolle Benjamin Moon verbirgt, setzt sie alles daran, ihn kennenzulernen … Carly hingegen wäre froh, wenn sie einem ganz bestimmten Mann nie begegnet wäre – denn der scheinbar eiskalte Unternehmer Nathan Winchester lässt nichts unversucht, um sich ihr kleines Grundstück am See unter den Nagel zu reißen. Zwischen den beiden fliegen die Funken … aber wie Carly entsetzt feststellen muss: nicht nur aus Ärger! Und Stella? Die sensible junge Frau hat jede Hoffnung verloren, eines Tages wieder glücklich sein zu können. Als sie dem Maler Simon begegnet, ist sie sicher, dass auch er ihr gebrochenes Herz nicht heilen kann … oder darf sie es wagen, von einem gemeinsamen Tanz unterm Sternenhimmel zu träumen? Jetzt als eBook kaufen und genießen: der Sammelband »Tanz unterm Sternenhimmel« von Bestseller-Autorin Sandra Henke mit den drei Herzkonfetti-Romanen »Wo mein Herz dich sucht«, »Wer mein Herz gefangen nimmt« und »Wenn mein Herz dich findet«. Wer liest, hat mehr vom Leben! dotbooks – der eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 922

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch:

Das größte Geheimnis der Liebe: Dass sie uns immer dann findet, wenn wir es am wenigsten erwarten … Lilly ist ein Riesenfan der Liebesroman-Bestsellerautorin Birdie Malone. Als sie herausfindet, dass sich hinter diesem Namen der geheimnisvolle Benjamin Moon verbirgt, setzt sie alles daran, ihn kennenzulernen … Carly hingegen wäre froh, wenn sie einem ganz bestimmten Mann nie begegnet wäre – denn der scheinbar eiskalte Unternehmer Nathan Winchester lässt nichts unversucht, um sich ihr kleines Grundstück am See unter den Nagel zu reißen. Zwischen den beiden fliegen die Funken … aber wie Carly entsetzt feststellen muss: nicht nur aus Ärger! Und Stella? Die sensible junge Frau hat jede Hoffnung verloren, eines Tages wieder glücklich sein zu können. Als sie dem Maler Simon begegnet, ist sie sicher, dass auch er ihr gebrochenes Herz nicht heilen kann … oder darf sie es wagen, von einem gemeinsamen Tanz unterm Sternenhimmel zu träumen?

Über die Autorin:

Sandra Henke, geboren 1973, gehört zu den Autorinnen, die sich nicht auf ein Genre beschränken, sondern ihre Leserinnen auf die unterschiedlichste Art begeistern – mit großen Liebesgeschichten, mit »Paranormal Romance« und erotischer Literatur. Unter dem Namen Laura Wulff veröffentlicht Sandra Henke außerdem erfolgreich Thriller. Sie lebt, glücklich verheiratet, in der Nähe von Köln. Mehr Informationen finden sich auf den Websites der Autorin (sandrahenke.de), auf Facebook (facebook.com/sandra.henke.autorin) und auf Instagram (instagram.com/sandra.henke.liebesromane).

Bei dotbooks veröffentlichte Sandra Henke die Hot-Romance-Romane »London Lovers – Die Kunst der Unterwerfung«, »Jenseits aller Tabus«, »Flammenzungen«, »Die Maske des Meisters«, »Opfer der Lust«, »Loge der Lust«, »Lotosblüte« und »Gebieter der Dunkelheit«

und neben den im vorliegenden Sammelband zusammengefassten Contemporary-Romance-Highlights »Wo mein Herz dich sucht«, »Wer mein Herz gefangen nimmt«, »Wenn mein Herz dich findet« auch den Kurzroman »Was mein Herz sich wirklich wünscht«

sowie den Sammelband »Fürstenkuss«, der die romantischen Romane »Verbotene Küsse«, »Prinzessin unter falschem Namen« und »Obwohl ich dich nicht lieben wollte« vereint.

Unter dem Namen Laura Wulff veröffentlichte Sandra Henke bei dotbooks die Thriller »Leiden sollst du«, »Nr.13« und »Opfere dich«.

Gemeinsam mit Kerstin Dirks verfasste Sandra Henke außerdem die erotische Trilogie über die Vampirloge Condannato, die ebenfalls bei dotbooks erschienen ist: »Die Condannato-Trilogie – Erster Band: Begierde des Blutes«, »Die Condannato-Trilogie – Zweiter Band: Zähmung des Blutes« und »Die Condannato-Trilogie – Dritter Band: Rebellion des Blutes«

***

Sammelband-Originalausgabe Juli 2020

Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2020 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Originalausgabe »Wo mein Herz dich sucht« 2019 dotbooks GmbH, München; die Autorin hat diesen Roman ursprünglich unter dem Titel »Verliebt in den Mond« im Selfpublishing veröffentlicht. Redaktion: Kerstin Thieme

Copyright © der Originalausgabe »Wer mein Herz gefangen nimmt« 2019 dotbooks GmbH, München; die Autorin hat diesen Roman ursprünglich unter dem Titel »Nacktbaden mit dem Teufel« im Selfpublishing veröffentlicht.

Copyright © der Originalausgabe »Wenn mein Herz dich findet« 2019 dotbooks GmbH, München; die Autorin hat diesen Roman ursprünglich unter dem Titel »Mein Herz ist ein Chamäleon« im Selfpublishing veröffentlicht.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von shutterstock/Lifestyle Travel Photo, Standret, Honza Krej, Lucky-photographer, yaalan, kichigin

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-96655-313-1

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Tanz unterm Sternenhimmel« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

***

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

www.instagram.com/dotbooks

blog.dotbooks.de/

Sandra Henke

Tanz unterm Sternenhimmel

Drei Romane in einem eBook

dotbooks.

Wo mein Herz dich sucht

Sie liebt bunte Klamotten, hat immer einen frechen Spruch auf den Lippen – und wenn doch einmal Gewitterwolken über ihr aufziehen, tröstet sich die junge Frau mit den Liebesromanen der Bestsellerautorin Birdie Malone. Kein Wunder, dass Lilly aus allen Wolken fällt, als sie erfährt, dass sich hinter diesem Pseudonym ein Mann verbirgt! Ist Benjamin Moon, der so hinreißend über Gefühle schreiben kann, vielleicht der Traumprinz, nach dem sie sich immer gesehnt hat? Lilly ist fest entschlossen, ihn kennenzulernen. Da gibt es nur ein Problem: Jack, den etwas mürrischen, dabei aber ausgesprochen attraktiven Gärtner von Benjamin Moon, der immer dann auftaucht, wenn Lilly es am allerwenigsten gebrauchen kann!

Kapitel 1Lilly

»Mein Name ist Lilly Beechem. Manche Menschen halten mich für einen Freak, aber ich bin harmlos, versprochen.«

Einen Monat vor dem Schwarzen Tag

Meine Familie nennt mich seit jeher ›Sonnenschein‹ und Bekannte bezeichnen mich als bunten – okay, ich geb’s zu, manchmal auch als schrägen – Vogel, aber ich finde mich normal.

Vielleicht kommt mein sonniges Gemüt daher, dass es Sommer war, als ich vor fünfundzwanzig Jahren das Licht der Welt erblickte. Zudem an einem Sonntagmorgen um acht Uhr sechsunddreißig, wie Momma mir jedes Jahr mit einem liebevollen Strahlen im Gesicht an meinem Geburtstag mitteilt, als wüsste ich das nicht bereits.

Für meinen Optimismus wurde sicherlich schon als Kind der Grundstein gelegt, denn ich bin behütet aufgewachsen. Daddy führt eine Mischung aus Schreibwarenladen und Buchhandlung, in der die Studenten der Colorado State University ihre Studienbücher und Unterrichtsmaterialien einkaufen, und meine Mutter arbeitet als Lehrerin an der Fort Collins Highschool. Unschwer zu erraten, woher meine Liebe zu Büchern stammt, nicht wahr?

Als wäre das noch nicht genug, erlebte ich ausgerechnet in Loveland eine Zeit voller Harmonie und Liebe, bevor meine rosarote Brille zerbrach.

Vielleicht hat es auch einfach nur mit meinen Sommersprossen, den erdbeerblonden Locken und den farbenfrohen Klamotten zu tun, dass ich schon immer herausstach. Wer weiß?

Noch immer bekomme ich Lachanfälle, aber nicht mehr wegen jeder Kleinigkeit. Noch immer tanze ich spontan in der U-Bahn-Station, wenn das Lied eines Straßenmusikers mich mitreißt, aber es ist seltener geworden. Mein Leben leuchtet nach wie vor in schillernden Farben, inzwischen haben sich jedoch Schatten eingenistet.

»Sie sollen weggehen!«, schreie ich die Wände an und wische unsichtbare Dämonen fort.

Sachte zieht mich Vanessa runter von ihrem Gästebett, auf dem ich herumspringe, um mir zu beweisen, dass noch der Kampfgeist und die Verrücktheit von Pippi Langstrumpf in mir stecken. »Das werden sie von selbst, wenn erst der Schwarze Tag vorbei ist.«

Sie meint den Jahrestag, der mein Leben mehr und mehr in Grau taucht, je näher er kommt. Wir nennen den 13. Mai so, weil ich ihn auf dem Kalender mit schwarzem Filzstift übermalt habe, sodass man das Datum nicht mehr sehen kann. Als würde er nicht existieren, als könnte man ihn einfach überspringen. Außerdem mag ich ihn nicht Jahrestag nennen, weil das nach Jubiläumsfeier oder Ehrenfest klingt, viel zu fröhlich. Doch diesen werde ich komplett unter der Bettdecke verbringen und erst wieder herauskommen, wenn er vorbei ist. Oder ich werde mich besinnungslos betrinken, damit ich ihn nicht mitbekomme. Oder beides.

Ich lasse mich auf mein Bett fallen, ziehe die Füße an und umarme meine Knie. »Das ist doch nicht normal. Das bin nicht mehr ich. Bisher hat mich noch nichts umgehauen, weder als das Dach in Loveland einstürzte, weil es die Schneemassen nicht mehr trug, und Patrick und ich für die Renovierung einen weiteren Kredit aufnehmen mussten, noch als Momma an Brustkrebs erkrankte.«

»Das ist etwas anderes. Diesmal ist es«, Vanessa, die Sanftmütige, nimmt neben mir Platz und umarmt mich, »endgültig.«

Momma ist wieder gesund und das Dach ist repariert, doch es wohnen Fremde in meinem ehemaligen Zuhause. Mein Herz krampft sich zusammen. Ich lehne mich gegen Vanessas Schulter. Sie ist die beste große Schwester, die man haben kann, aber nicht einmal sie findet die richtigen Worte, um mich aufzumuntern. »Das Leben ist doch nicht vorbei, nur ein Teil davon«, murmele ich trotzig.

»Deine ewige Heiterkeit scheint dich diesmal nicht weiterzubringen. Ich glaube, da gibt es etwas, das dir helfen könnte.«

»Ach, ja?« Hoffnungsvoll schaue ich sie an.

Sie streicht mir über die Haare, wie sie es früher schon getan hat, als man mich auf dem Schulhof schubste und ich mir böse die Hände und Knie aufschürfte, ebenso als mich zur Teenagerzeit der erste Liebeskummer quälte und auch als der 13. Mai zum Schwarzen Tag wurde. »Eventuell solltest du den Schmerz einfach mal zulassen.«

Ich fühle mich wie mein jüngeres Ich und genauso hilflos. Darum lächele ich. Das mache ich immer, wenn ich unsicher bin. Weil ich mich nicht unterkriegen lasse. Und weil man hinter einem Grinsen seine wahren Gefühle verbergen kann. Keiner fragt nach, wie es einem geht, denn alle denken, man sei glücklich. Weint man jedoch, wird man mit Ratschlägen, die man nicht hören will und die nichts bringen, bombardiert. Dadurch fühlte ich mich im vergangenen Sommer und Herbst derart von meiner Familie und meinen Freunden in Fort Collins bedrängt, dass ich im Winter schließlich zu meiner Schwester nach Los Angeles floh. »So schlimm, wie du denkst, ist es gar nicht mehr. Ich bin langsam über die Trennung hinweg.«

»Die Trennung?«

»Du weißt schon.«

»Lilly, mach dir bitte nichts vor.«

Okay, ich gebe zu, das tue ich manchmal, denn ich bin und bleibe eine Träumerin. Das macht das Leben leichter. Es ist meine Überlebensstrategie.

»Was willst du eigentlich, Schwesterherz? Ich verbarrikadiere mich nicht zu Hause, ich meine, in eurem Gästezimmer, hinter heruntergelassenen Jalousien, sondern ich lasse die Aprilsonne rein und war heute schon in der Isle of romance.« Die Stelle in der Buchhandlung, die sich auf romantische Lektüre spezialisiert hat, hat Vanessa mir besorgt. Ich stehe zwar nur hinter der Theke in der Café-Ecke und verkaufe Kaffee und Cupcakes, dabei würde ich viel lieber mit den Kunden meine Bücherliebe teilen, aber durch den Job halte ich mich wenigstens finanziell so eben über Wasser. Ich muss keine Miete zahlen und Vanessa, die gute Seele, hat mir verboten, zum Einkauf Geld beizusteuern.

»Aber an deinen freien Tagen sehen Carter und ich dich kaum.«

»Ich möchte nicht lästig sein«, gebe ich leise zu und ziehe die Kapuze meines flauschigen weißen Schlafoveralls mit den pinken Kätzchen über. Mir ist klar, dass fünf Uhr nachmittags zu früh ist, um sich bettfertig zu machen, aber draußen wird es durch die Regenwolken ohnehin schon dunkel.

»Du störst uns doch nicht!«

Dich vielleicht nicht. »Mir geht es gut, glaube mir.«

»Und was ist mit den Papiertaschentüchern?« Sie zeigt auf den Mülleimer neben dem Bett. Er quillt über vor Rotzfahnen.

»Der Film gestern war so rührselig.«

»Seit Wochen schaust du dir alle Liebesschmonzetten der vergangenen Jahrzehnte an.« Mit hochgezogener Augenbraue mustert sie die ausgeliehenen DVDs neben dem kleinen Fernseher in der Ecke. »Was sagt dir das?«

»Lass mal überlegen«, entgegne ich sarkastisch und tippe gegen mein Kinn. »Dass ich hoffnungslos romantisch bin?«

»Vergangene Nacht hast du die letzte Packung Eiscreme gegessen.«

Meine Wangen brennen. »Du hast doch gesagt, ich darf mir nehmen, was ich will.«

»Die Packung war noch voll.«

Verlegen presse ich die Lippen aufeinander. Ich lege die Hand auf meinen Bauch. Wenn ich nur an meine Fressattacke denke, wird mir wieder übel. Wenn ich traurig, wütend oder verletzt bin, esse ich eben unkontrolliert, darum habe ich ein bisschen zu viel auf den Hüften. Das hält mich aber nicht davon ab, Miniröcke, Kleider, Leggings und enge Oberteile zu tragen, wenn mir danach ist. Ich bin so, wie ich bin und kann super mit mir leben. Den Rest der Welt geht es nichts an, wie ich aussehe.

Schwesterlich reibt sie mir über den Rücken. »Du solltest mal rausgehen.«

»Das tue ich viermal die Woche.«

»Nicht zur Arbeit.« Vanessa verdreht die Augen. »In den drei Monaten, die du bei uns wohnst, hast du dir noch nicht einmal das Viertel angeschaut. Du willst nicht mit mir in einen Club gehen oder ... Herrgott noch mal, schalte doch endlich diese traurige Musik aus.«

»Das sind Liebesballaden«, protestiere ich. Zum Weinen schön. Aber ich stehe auf und tue ihr den Gefallen.

»Du solltest dich mit vielen Menschen umgeben.«

»Ich bin auch glücklich, wenn ich mich auf meinen Sessel kuschele und ein Buch lese, das weißt du doch.« Wie zur Bestätigung streichele ich die Rückenlehne liebevoll.

»Gerade jetzt solltest du nicht alleine sein.«

»Das bin ich doch gar nicht.« Ich gestikuliere heftig, was verrät, dass mich das Gespräch zunehmend aufregt. Eigentlich habe ich Menschen, die auf mich einreden, entkommen wollen. »Ich habe dich und Carter. Und auch Birdie Malone.«

»Carter und ich arbeiten den ganzen Tag«, untermalt von einem Seufzen schlägt sie die Beine übereinander, »und eine Schriftstellerin, von der du nur ihre Bücher kennst und nicht sie selbst, kann man wohl kaum als Freundin bezeichnen.«

»Warum eigentlich nicht? Sie ist immer für mich da, wenn ich sie brauche. Sie baut mich auf, schafft es, dass ich mich gut fühle und sie schenkt mir Hoffnung.« Dass ich eines Tages über das, was mich aus der Bahn geworfen hat, hinwegkommen werde. Und auf ein neues Glück.

»Ihre Romane schreibt sie für ein Millionenpublikum, nicht nur für dich. Malone weiß nicht einmal, dass du existierst«, sagt Vanessa mit der professionellen Kühle einer Geschäftsfrau. Sie arbeitet nämlich in der Vertragsabteilung der Literarischen Agentur Soulfood, von der die Autorin vertreten wird.

»Das ist mir egal, aber sie bedeutet mir trotzdem viel! Wenn es mir schlecht geht, brauche ich nur eine ihrer Geschichten zu lesen und es geht mir besser.« Und das kommt oft vor, denn ich schaffe es einfach nicht, diese Traurigkeit abzuschütteln, obwohl ich mich so sehr bemühe, optimistisch zu bleiben. Diesmal gerate ich an meine Grenzen.

Das alte Gästebett quietscht, als Vanessa sich erhebt. Sie geht zum Regal hinüber und streicht über die Bücher, die so zerlesen aussehen, dass ich sie mir zusätzlich als E-Books gekauft habe. »Du musst ihre Romane doch inzwischen auswendig kennen.«

Ich stelle mich ans Fenster und schaue hinaus auf den verwaisten Spielplatz. Wie ich die Kleinen aus meinem Kindergarten daheim in Fort Collins vermisse! Es war der beste Arbeitsplatz der Welt. Doch wie kann ich Kindern das Leben schmackhaft machen, wenn es für mich selbst bitter schmeckt? Die graue Wolkendecke hängt so tief, dass sie fast die Spielgeräte berührt. Nicht einmal im Golden State Kalifornien scheint immer die Sonne. »Birdie Malone ist die Einzige, die mich wenigstens für ein paar Stunden vergessen lässt, was geschehen ist.«

»Ach, Lilly.« Sie kommt zu mir, stellt sich hinter mich und zieht mir die Kapuze mit den Katzenohren vom Kopf.

Ihr mitleidiger Blick schmerzt. Sag jetzt nicht, dass es dir leidtut, flehe ich in Gedanken, bitte nicht, sonst heule ich auf der Stelle los.

»Du warst schon immer eine Träumerin, aber seitdem du eine Auszeit bei uns nimmst, mache ich mir ernsthaft Sorgen um dich. Du ziehst dich mehr und mehr zurück, nachts höre ich dich schluchzen und jetzt hast du sogar schon eine Art imaginärer Freundin.«

»Behandele mich nicht wie ein Kind! Du bist nur sechs Jahre älter als ich.« Aufgebracht blinzele ich sie über die Schulter hinweg an. Vanessa war schon mit elf Jahren eine kleine Erwachsene. Sie artikulierte jedes Wort, machte sich nicht schmutzig und saß auf Familienfeiern lieber an der Tafel der Großen, während die anderen Kinder und ich am Tisch für die Kleinen hockten und uns mit Kuchen bewarfen. »Birdie mag nur ein Ersatz sein, aber einer, der funktioniert.«

»Geht sie mit dir shoppen, zur Maniküre oder zum Frisör?« Vanessa wickelt eine meiner Locken um ihren Finger.

»Diese Art der Zerstreuung brauche ich nicht.« Mein Leben dreht sich nicht um Schönheit. Ich wünsche mir nicht, wie Kim Kardashian und ihr Barbie- und Ken-Clan zu sein, sondern finde Helena Bonham Carters verrückten Kleidungsstil cool. Helena und ich, wir tragen beide ein wildes Nest aus Locken auf dem Kopf, nur dass meine erdbeerblond und schulterlang sind. Mit einer Freundin möchte ich Pferde stehlen und nicht Erfahrungen mit Beauty-Docs austauschen können.

Zu keinem Zeitpunkt träumte ich davon, auf einem Schloss zu leben, sondern ich wollte mit den verlorenen Jungs durch Nimmerland fliegen und niemals erwachsen werden. Doch das Leben hat mir einen Schwinger voll auf die Zwölf verpasst! Ich wurde nicht ausgeknockt, denn dafür habe ich eine zu fröhliche Natur, aber ich liege immer noch auf dem Boden, auch wenn ich das nicht wahrhaben will. Meine Augen werden feucht.

»Leiht ihr euch gegenseitig Kleider, tauscht ihr Schminktipps aus oder redet sie mit dir über ...«, sie lässt die Locke los, die sich wie eine Sprungfeder zusammenzieht und wippt, »Männer?«

»Viel besser als das!«, schleudere ich ihr patzig entgegen, weil mein Leben nicht wie Sex and the city, sondern lieber lustig und schräg wie in The Big Bang Theory sein soll, und drehe mich zu ihr um. »Sie nimmt mich so, wie ich bin. Ihr ist es egal, ob ich eine Jogginghose trage, mein Pullover mit Schokolade bekleckert ist, ich noch Schlaf in den Augen habe oder ungekämmt bin. Sie stiehlt mir weder die Klamotten noch den Mann.« Ein Stich fährt mir ins Herz, doch ich lasse es mir nicht anmerken. Verletzt zische ich Vanessa an: »Eine ehrlichere Freundin kann ich mir kaum vorstellen.«

»Ehrlich? Birdie Malone?« Vanessa schnaubt.

Kapitel 2

Leidenschaftlich verteidige ich sie: »Sie schreibt über die Liebe wie keine andere Schriftstellerin.«

»Das bestreite ich auch nicht. Sie ...«, einen Moment lang macht es den Anschein, als würde sich Vanessa an dem Wort verschlucken, »wäre nicht bei uns unter Vertrag, wenn sie nicht gut wäre, denn Tony nimmt nur die besten Autoren in ihre Agentur auf.«

Tony Masters ist die Chefin von Vanessa, ihr gehört Soulfood. Ich habe sie einmal getroffen, als ich Vanessa an ihrem Arbeitsplatz besuchte. Das Lächeln von Frosty, dem Schneemann, ist wärmer. »Birdies Geschichten sind lebensecht. Sie muss schon viel durchgemacht haben, im Guten wie im Schlechten.«

»So viel älter als wir ist sie gar nicht«, lässt Vanessa beiläufig fallen und zupft an den pastellblauen Gardinen herum.

Über Birdie Malone ist leider kaum etwas bekannt. Sie gibt keine Lesungen, besucht keine Buchmessen und tritt auch sonst nicht öffentlich auf. Bei Interviews in Print- und Onlinemagazinen wird das Foto von ihr durch Schnappschüsse aus ihrem Garten und von ihrem Schreibtisch ersetzt. »So gekonnt, wie sie Beziehungen auslotet, muss sie schon älter sein.«

»Da fängt es doch schon an.« Vanessa verschränkt die Arme vor dem Oberkörper. Ihr blassrosa Pullover spannt sich über ihren kleinen Brüsten. »Ihre Autorenvita klingt absichtlich so, als könnte es sich um eine ältere Dame mit Erfahrung handeln.«

Birdie Malone ist ein Phantom, was mein Interesse an ihr nur noch steigert. Neugierig rücke ich näher an meine Schwester heran. »Aber das ist sie gar nicht?«

»Eher das Gegenteil«, sie errötet, »von allem.«

»Du machst sie absichtlich schlecht.«

»Ich lese ihre Romane doch auch sehr gerne. Aber du solltest sie nicht so anhimmeln, das hat sie nicht verdient.«

»Warum nicht, wenn du ebenfalls findest, dass sie gut schreibt?«

»Weil sie eine Mogelpackung ist.« Bevor ich nachhaken kann, reißt sie die Hände hoch, um mich zum Schweigen zu bringen. »Ich habe schon zu viel verraten. Ehrlich, Lilly. Wenn Tony das wüsste, würde sie mich hochkant rausschmeißen. In geschäftlichen Belangen ist sie rigoros.«

»Hast du Birdie schon mal persönlich kennengelernt?«

»Habe ich tatsächlich. Weil sie sich einmal völlig abgeschottet hatte und über keine Kanäle zu erreichen war, musste ich den ganzen verdammten Weg nach Thousand Oaks rausfahren.« Entsetzt weiten sich ihre Augen. »Oh, Mist!«

Mein ganzer Körper kribbelt, als hätte Peter Pan Feenstaub über mich ausgeschüttet. Plötzlich bröckelt die Schwere, die seit fast einem Jahr an mir haftet wie ein Panzer, ab und ich fühle mich leichter. Vielleicht könnte ich sogar fliegen wie Wendy, wenn ich es versuchen würde. »Sie wohnt nur fünfzig Kilometer weit weg?«

Vanessa packt meine Oberarme und schaut mich eindringlich an. »Du darfst niemandem davon erzählen, hörst du mich? Tony und Moon würden mich umbringen.«

»Wer ist Moon?«

»Hilfe! Ich reite mich immer tiefer rein.«

»Du wolltest mich vom Schwarzen Tag ablenken und das hast du geschafft«, bemühe ich mich, sie zu beruhigen, denn ich will unter allen Umständen, dass sie weiterredet.

Sanft nimmt sie mein Gesicht in ihre Hände. »Ist das so?«

»Um mich wirklich besser zu fühlen, müsste ich noch etwas mehr über Malone erfahren.«

»Netter Versuch, Lilly.« Sie lässt mich los und will mein Zimmer verlassen.

Blitzschnell überhole ich sie und stelle mich vor die Tür. »Nur ein paar winzig kleine Details.«

»Ich kann nicht.«

Vanessa ist einfach zu aufrichtig und loyal. Aber so leicht gebe ich nicht auf! Diesmal versuche ich es mit konkreten Fragen. »Ist Birdie nett?«

Zögerlich nickt sie.

»Ach, komm schon!« Ich halte ihr meine gefalteten Hände hin.

Noch immer zaudert sie.

Mit butterweicher Stimme flehe ich sie an: »Gib mir etwas zum Träumen, große Schwester.«

Ihr Blick wird weich. »Sie ... schreibt aus Leidenschaft.«

»Mich interessiert, wie sie persönlich ist.« Jemand, der mit so viel Feingefühl über Beziehungen schreibt, muss ebenso feinfühlig sein. Jeder ihrer Romane ist ein Plädoyer für die Liebe. Sie muss eine Romantikerin durch und durch sein. Etwas anderes kann ich mir einfach nicht vorstellen.

Endlich fließt mehr aus Vanessa heraus: »Sie ist bodenständig, obwohl sie regelmäßig auf der New York Times Bestsellerliste steht. Keine Ahnung, was sie mit ihren hohen Tantiemen macht, aber sie wohnt keineswegs in einer Villa, sondern in einem alten Viertel in einem zweistöckigen Holzhaus, das ganz in Weiß gestrichen ist, mit einem altmodischen Lattenzaun davor.«

»Klingt nach einem verträumten Ort.« Ich sehe Birdies Zuhause geradezu vor meinem inneren Auge. Es ist nur eine Fantasie, aber ich bin gut darin, mir Dinge vorzustellen und auszuschmücken.

»Es hat eine Veranda mit Schaukelstuhl und Hängematte, aber auf der Rückseite hat er sich einen hochmodernen Wintergarten anbauen lassen.«

Ich horche auf. »Er ...?«

»Sie, meine ich.« Vanessa läuft hochrot an, nicht nur ihre Wangen, sondern ihr ganzes Gesicht. Sogar auf ihrem Hals zeigen sich rosa Flecken.

Das passiert ihr nur, wenn sie sich ertappt fühlt, wie zum Beispiel damals an Weihnachten. Wir waren noch Kinder. Heimlich hatte sie nachts ihre Präsente, die schon unter dem Baum lagen, ausgepackt und sich danach bemüht, das Geschenkpapier fein säuberlich wieder zusammenzukleben. Bei der Bescherung merkten ihr Momma und Daddy an, dass sie sich nicht so aufrichtig freute wie üblicherweise. Bestimmt hatten sie auch mitbekommen, dass das Geschenkpapier schon vor dem Auspacken hier und da zerknittert aussah. Jedenfalls fragten unsere Eltern sie, ob sie sich schon vorher an den Gaben zu schaffen gemacht hatte, worauf sie rot wie eine Feuerwehrsirene anlief und eine Antwort überflüssig wurde.

Dasselbe passierte ihr viele Jahre später, als der junge Carter sich in den frühen Morgenstunden heimlich aus ihrem Teenagerzimmer wegstahl. Wir trafen uns zufällig im Korridor, weil ich mich erleichtern musste. Als ich Vanessa am nächsten Morgen darauf ansprach, wurde sie puterrot, worauf ich schloss, dass er nicht nur bei ihr übernachtet hatte, sondern die beiden kaum zum Schlafen gekommen waren.

»Du hast eindeutig er gesagt, ich hab’s deutlich gehört.« Ich mache einen Schritt auf sie zu.

Worauf sie nach hinten ausweicht. »Ich habe mich vertan.«

»Das passiert dir doch sonst nie, Mrs. Duden.«

»Das stimmt nicht.«

»Wie kann man sie und er verwechseln?«, frage ich und stemme die Fäuste in die Hüften.

»Du bringst mich ganz durcheinander. Ich will dir doch nur helfen.«

Sie versucht, das Gespräch wieder auf mich zu bringen, um von ihrem Patzer abzulenken. Noch ein Grund mehr weiterzubohren. »Eben hast du einen gewissen Moon erwähnt.«

Leise keucht Vanessa. Sie gestikuliert heftig, wie es untypisch für sie ist. »Der hat damit nichts zu tun, rein gar nichts, absolut nichts.«

Ganz bestimmt hat er das. »Tony und Moon würden sauer auf dich sein, wenn du verrätst, dass Birdie Malone in Thousand Oaks lebt, das hast du eben erzählt, jawohl. Ich weiß, dass niemand mit dem Namen Moon in der Agentur arbeitet. Also kann es sich dabei nur um einen Autor handeln. Oder eine Autorin.« Ich bin zu fassungslos, um meinen Verdacht konkret zu äußern.

»Du bist auf dem falschen Dampfer.«

»Du würdest mich doch niemals belügen, oder, Schwesterherz?«

»Verdammt, Lilly.« Bei jedem Vorwurf sticht sie mit dem Zeigefinger spielerisch in meine Rippen: »Du bist hinterhältig, gemein und ...«

»Ausgebufft?« Sachte schlage ich ihre Hand fort. »Da es sich dabei nicht um einen Mitarbeiter von Soulfood handelt, kann nur ein einziger Mensch etwas dagegen haben, dass du die Adresse von Birdie Malone ausplauderst.« Als ich tief Luft hole und sie wieder ausstoße, zittert mein Atem. »Birdie selbst.«

Vanessa lässt die Arme hängen. Offenbar gibt sie auf.

»Ein Mann steckt hinter dem Pseudonym?«, schreie ich die unglaubliche Neuigkeit heraus. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Autor unter weiblichem Pseudonym veröffentlicht. Aber doch nicht meine Birdie! Ein Kerl, echt jetzt?

Seufzend streicht sich Vanessa über die Stirn, als würde sie unsichtbare Schweißtropfen wegwischen. Sie schaut mich betreten an und nickt.

»Verteufelt noch mal!« Meine Beine sind wie Pudding, daher lehne ich mich gegen die Wand. Das Leben hat mich gerade mit einer faustdicken Überraschung aus meiner Betäubung gerissen. Respekt! Ich schalte das Licht im Zimmer an, denn es ist viel zu dunkel hier drin.

Vanessa faltet die Hände und hält sie mir hin. »Bitte, Lilly, du darfst niemandem davon erzählen. Man würde mich nicht nur postwendend feuern, sondern mich auch noch verklagen, weil ich ein Agenturgeheimnis verraten habe. Tony ist so. Das würde Carter und mich ruinieren.«

»Deine Chefin scheint keine nette Person zu sein.« Gelinde ausgedrückt.

»Sie hat Biss, sonst wäre sie nicht so weit gekommen. Aber da ist noch etwas. Der Ruf von Soulfood wäre zerstört. Wenn herauskäme, dass eine Angestellte das Topsecret-Pseudonym eines Schriftstellers offengelegt hat, würde kein Autor mehr von ihr vertreten werden wollen. Auch die Verlage würden sie meiden, weil sie als nicht vertrauenswürdiger Geschäftspartner gebrandmarkt wäre. Und das alles nur, weil ich meinen Mund nicht halten konnte.«

»Ich schweige wie ein Grab«, beruhige ich sie und nehme sie in die Arme. Gefühlvoll drücke ich sie an mich. Sie duftet nach einer Mischung aus blumigem Parfüm und Haarspray. »Unter einer Bedingung.«

»Lilly!« Empört schiebt sie mich von sich weg.

»Verrate mir wenigstens noch seinen Vornamen. Bitte. Nur das, mehr nicht. Dann lasse ich dich in Ruhe, versprochen.«

Erst rauft sich Vanessa die schulterlangen kaffeebraunen Haare, die sie von unserem Vater geerbt hat, die Glückliche, dann gibt sie nach: »Benjamin. Deine heißgeliebte Birdie Malone heißt in Wirklichkeit Benjamin Moon.«

Sein Name hallt noch die ganze Nacht in mir wider wie ein endloses Echo.

Kapitel 3

»Den Kopf über den Wolken, aber mit beiden Füßen auf dem Boden – das bin ich.«

Birdie Malone ist meine Heldin!

Sie war immer für mich da, selbst in meinen schwersten Zeiten. Das mag verrückt klingen, denn sie schreibt Liebesromane und ich lese sie, mehr ist da nicht zwischen uns. Trotzdem hat sie einen festen Platz in meinem Herzen, das haben nicht viele Menschen. Seit mein perfektes Leben wie eine Traumblase zerplatzte, habe ich mich verschlossen wie eine Auster, was ich Vanessa gegenüber niemals zugeben würde. Ich bin die Bunte und Lustige von uns beiden, diejenige, die alle Probleme weglacht, die nie die Hoffnung verliert wie Annie aus dem gleichnamigen Musical und gleichzeitig so verträumt und romantisch ist wie Anne of Green Gables.

Jetzt bin ich nur noch ein Trauerkloß. Ein blasses Abbild meines alten Ichs. Doch vor fast einem Jahr wurde Alice schlagartig erwachsen und erkannte, dass das Wunderland nicht existiert.

Ich weiß nicht, ob ich mich jemals wieder jemandem öffnen kann. Manchmal komme ich mir vor wie ein trauriger Clown: fröhlich bunt gekleidet zwar, aber mit hängenden Mundwinkeln.

Birdie jedoch macht mir Hoffnung, dass am Ende alles gut werden wird, schließlich wird es das am Schluss ihrer Romane auch immer. Sie lässt mich weiterhin daran glauben, dass auch in meinem Garten irgendwann wieder rote Rosen blühen werden. Wenigstens für einige Lesestunden bringt sie den Sonnenschein zurück in mein Leben.

Macht sie das nicht zur Zauberin? Jedenfalls wirkt ihre Magie der Worte bei mir. Egal, wie oft ich ihre Geschichten lese, ich spüre ein Kribbeln im ganzen Körper. Bei jeder Seite, die ich umblättere, schlägt mein Puls schneller. Ich halte die Luft an, wenn das Liebespaar droht, endgültig vom Schicksal auseinandergerissen zu werden, und atme erleichtert aus, wenn sie sich entgegen aller Hindernisse doch noch kriegen.

Birdie Malone ist die einzige Autorin, die mich jemals so in den Bann gezogen hat.

»Und jetzt soll sie ein Mann sein?«, frage ich den tellergroßen Plüschmarienkäfer, den meine Kindergartenkinder mir zum Abschied schenkten und der schon viele Tränen aufgesaugt hat.

Fassungslos schnaube ich. Ich kann es immer noch nicht fassen. Aber Vanessa würde mich niemals anlügen, das weiß ich. Sie hat mir gestern die Wahrheit gesagt, aber mir fällt es schwer, sie zu akzeptieren, genauso wie die Tatsache, dass mein Lebensweg anders aussehen wird, als ich noch vor einem Jahr geglaubt hatte. Die Dinge ändern sich, ich bin nicht gut darin, das zu akzeptieren. Und warum nicht? Weil ich nicht will, dass sie sich ändern. Ich mag Beständigkeit.

Vor dem Fenster geht die Sonne auf, aber ich bleibe liegen. Heute ist Mittwoch, da habe ich frei, und Vanessa erwartet nicht, dass ich mit ihr und Carter zusammen frühstücke. Daher drehe ich mich auf den Rücken, ziehe die Bettdecke hoch bis zum Kinn und schließe die Augen.

Birdie Malone.

Benjamin Moon.

B. M.

Vermutlich hat sich der Schriftsteller ein Minimum seiner Identität bewahrt, indem er seine Initialen behalten und das Pseudonym danach ausgerichtet hat. Wie gerne würde ich ihn nach den Gründen fragen! Schämt er sich dafür, dass er Liebesromane schreibt? Oder hat ihn die Agentur bzw. sein Verlag dazu überredet, sein Geschlecht hinter einem weiblichen Namen zu verbergen, da sie glauben, damit seine Geschichten über Herzensangelegenheiten besser verkaufen zu können?

Plötzlich richte ich mich auf. Ich rutsche bis zum Bettende hoch, lehne mich gegen die Wand und nehme den Reader vom Nachttisch. Aufgewühlt rufe ich das erstbeste Malone-E-Book auf. Während ich die mir bekannten ersten Seiten lese, stelle ich mir Moon an seinem Schreibtisch vor.

Jede Zeile ist so voller Gefühl. Es steckt unglaublich viel Liebe in jedem Kapitel. Wie alle seine Protagonistinnen, ist die Heldin ein zauberhaftes Geschöpf, so sanft wie kämpferisch. Der Held ist ein echter Kerl und hat trotzdem keine Scheu, Emotionen zu zeigen. Von Anfang bis Ende prickelt es stark zwischen den beiden. Die Anziehungskraft ist spürbar. Jeder von Birdies Romanen scheint mit Herzblut geschrieben worden zu sein. Ich himmele die Autorin an. Korrektur: den Autor.

»Benjamin Moon muss ein Volltreffer sein!«, sage ich zu mir selbst und lege das Gerät weg.

Draußen geht die Sonne auf. Über Nacht haben sich die Regenwolken glücklicherweise verzogen. Nun lädt ein strahlend blauer Himmel dazu ein, rauszugehen und den Tag zu genießen.

Gestern noch hätte mich selbst das schönste Wetter kaltgelassen, doch heute kribbelt es in meinen Füßen.

Thousand Oaks.

Nur fünfzig Kilometer entfernt.

Ein weißes Holzhaus mit Veranda, darauf ein Schaukelstuhl und eine Hängematte.

Hinten am Gebäude ein Wintergarten.

Und Fotos aus dem Garten kenne ich dank der bebilderten Interviews mit ihm auch.

Das müsste doch zu finden sein! Die Stadt nordwestlich von Los Angeles hat sogar weniger Einwohner als Fort Collins. Was immer noch viel ist, wenn man die Nadel im Heuhaufen sucht, aber es ist nicht unmöglich, das Domizil zu finden. Vielleicht ist Moon in seiner Heimat auch bekannt wie ein bunter Hund, wer weiß. Die Hoffnung stirbt zuletzt, lautet mein Credo.

Dieser Ort zieht mich magisch an. Je nach Verkehrslage könnte ich in dreißig Minuten bis anderthalb Stunden »Birdie Malone« gegenüberstehen. Ich würde den Mann treffen, der die Frauen so gut kennt, dass sich Millionen von Leserinnen mit seinen Figuren identifizieren. Der Mann, der meine Tränen getrocknet und mich tief berührt hat, der mir über die schwerste Zeit in meinen Leben hinweggeholfen hat. Jetzt, wo der Schwarze Tag naht, brauche ich seine Hilfe erneut.

Was hält mich davon ab? Ich habe nichts zu tun, außer meine Traurigkeit zu kultivieren und das kann bis morgen warten. Mein Auto parkt die Straße runter. Es ist neben meiner Kleidung das Wenige aus meinem alten Leben, das ich behalten habe.

Schnell springe ich aus den Federn. Mein schlechtes Gewissen meldet sich. Aber Vanessa muss ja nichts von meinem Ausflug erfahren. Sie hat mich lediglich schwören lassen, dass ich niemandem Moons Geheimnis verrate und das habe ich auch nicht vor. Ich tue keinem weh, sondern muntere mich selbst nur ein wenig auf. Genau das ist es doch, was sie wollte. Ich soll rausgehen und Spaß haben.

Außerdem werde ich ihn nicht auf Birdie Malone ansprechen. Ich möchte lediglich herausfinden, wie er aussieht. Vielleicht schaue ich ihm von Weitem zu. Wenn es sich ergibt und ich den Mut dazu aufbringe, werde ich ein paar belanglose Worte mit ihm wechseln, nur um den Klang seiner Stimme zu hören.

Einen schönen Wintergarten haben Sie da hinten.

Vielen Dank.

Ich träume schon lange von einem. Haben Sie einen Tipp, auf was man beim Anbau alles achten muss?

Sicher, kommen Sie rein und ich zeige Ihnen alles. Dann erkläre ich dabei, auf was Sie achten müssen.

Es prickelt in meinen Eingeweiden. Ich kenne den Mann gar nicht, aber ich bin so nervös wie vor einem Blind Date. Bestimmt ist er charmant, ein wahrer Gentleman, der jeder Frau, mit der er sich gerade unterhält, das Gefühl gibt, die Einzige auf der Welt für ihn zu sein.

Aufgeregt ziehe ich die Kleidungsstücke an, die ganz oben auf dem Klamottenberg in der hintersten Ecke liegen: eine hellblaue Leggings, über die weiße Wolken ziehen, und einen dünnen roséfarbenen Pullover mit dem Schriftzug »Hug me!«. Ich schlüpfe in meine geliebten gelben Schuhe, auf denen ein Eichhörnchen gerade an einer Nuss knabbert. Sie reichen bis über meine Knöchel, sodass die roten Socken darunter nur herausblitzen, wenn ich sitze und die Hosenbeine hochrutschen. Auf eine Jacke verzichte ich, denn die Wetter-App auf meinem Smartphone zeigt an, dass es heute zweiundzwanzig Grad werden sollen. Meinen lindgrünen Slouch Hut mit der pinken Häkelblüte an der Seite setze ich dennoch auf, um meine Locken zu bändigen. Ich bin ungeschickt darin, mir hübsche Frisuren zu zaubern und mich zu schminken, darum lasse ich es.

Mit klopfendem Herzen hebe ich meinen kleinen grasgrünen Leinenrucksack, der übersät mit Gänseblümchen ist, vom Boden auf. Damit mein Autoschlüssel darin nicht klimpert, drücke ich ihn an mich, während ich aus meinem Zimmer schlüpfe. Ohne ein Geräusch zu verursachen, schließe ich den Zugang zu meinem Reich wieder hinter mir. Ich wäre ein guter Einbrecher geworden.

Auf leisen Sohlen schleiche ich an der Küche vorbei. Es duftet nach Rührei und Bacon. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen.

Hinter der Tür höre ich Vanessa und Carter flüstern. Wie nett, dass sie Rücksicht auf mich, die normalerweise so früh am Morgen noch schläft, nehmen, denke ich gerade, als ich diesen Satz vernehme: »Sie muss endlich ausziehen, Vany!« Ein Becher wird laut auf die Tischplatte gestellt.

Abrupt bleibe ich stehen. Warum muss Carter ausgerechnet den Namen meiner Lieblingsschauspielerin Helena tragen? Ich will meine Schwester und ihren Ehemann nicht belauschen, aber meine Beine wollen einfach nicht weitergehen. Mein Körper spannt sich an. Ich konzentriere mich auf das Gespräch und höre es nun deutlicher. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass es hitziger wird und Vanessa und Carter immer lauter sprechen.

»Gib ihr Zeit, Schatz«, sagt sie in dem versöhnlichen Ton, den ich von ihr kenne.

»Wie viel denn noch? Sie wohnt schon drei Monate lang bei uns.«

»Sie ist meine Schwester.«

»Nur darum mache ich das mit.«

»Ich hatte ja keine Ahnung, dass dich ihre Anwesenheit derart stört.«

»Hätte das etwas geändert?«

Vanessa schweigt. Eine Zeit lang ist gar nichts aus dem Raum zu hören. Nur der Lärm der Großstadt dringt durch die Ritzen der Wohnung, ein ständiges Hintergrundrauschen, selbst bei geschlossenen Fenstern.

»Nun schau doch nicht so geknickt, Vany, das ertrage ich nicht.«

»Mal ehrlich, Carter. Als sie im Januar fragte, ob sie eine Weile bei uns wohnen dürfte, wollte ich von dir wissen, ob es okay für dich ist und du hast Ja gesagt.«

»Ich weiß doch, wie nahe ihr euch steht.«

»Dann hattest du von Anfang an ein Problem damit?«

»Nein, nein, das nicht. Aber irgendwann muss sie doch wieder auf eigenen Beinen stehen.«

»Das wird sie. Sobald der Schwarze Tag vorbei ist.«

»Warum nennst du es nicht beim Namen?«

»Weil es Lilly wehtut.«

»Manchmal redet ihr miteinander wie Kinder. So zieht sie sich ja auch an, als wäre sie fünf und nicht fünfundzwanzig.«

Ich balle die Hände zu Fäusten. Habe ich es doch geahnt! Er konnte mich noch nie leiden. Einmal hat er mich »Schlumpfine« genannt. Ich musste erst einmal googeln, was er damit meinte, denn die Serie Die Schlümpfe wurde ein Jahr vor meiner Geburt abgesetzt. Seither heißt er heimlich für mich »Gargamel«.

»Wenn du vorhast, kein gutes Haar an ihr zu lassen«, sagt Vanessa ungewohnt scharf, »werde ich diese Diskussion auf der Stelle beenden und in die Agentur fahren!«

»Entschuldige, Schatz, das war nicht so gemeint. Sie ist nur so anders als wir. Chaotisch, schrill und planlos.«

Das stimmt nicht, schreit es in mir, aber ich schlucke den Protest runter. Hinter der bunten Fassade steckt eine Erwachsene, ob du’s glaubst oder nicht. Außerdem möchte ich ja wieder auf die Beine kommen, mein eigenes Leben führen und beruflich neu durchstarten. Selbstverständlich liebe ich meine Arbeit als Kindergärtnerin und würde jederzeit wieder in einer Kita arbeiten, aber es gibt da einen heimlichen Berufswunsch, der immer stärker wird. Allerdings habe ich mich noch nicht getraut, irgendwem davon zu erzählen, denn er ist so verrückt wie ich und das kommt oft nicht gut an, wie mir Mr. ›Ich führe ein eigenes Unternehmen‹ gerade wieder deutlich macht. Seine Firma erarbeitet und betreut Marketingkampagnen von Stars und Starlets in allen möglichen Social Media Kanälen und füttert deren Profile. Die Fans denken, sie würden mit ihrem Lieblingsschauspieler oder -sänger kommunizieren, doch in Wahrheit stecken Carter und sein fünfköpfiges Team dahinter. Es geht doch nichts über ehrliche Arbeit.

»Na und?«, zischt Vanessa. Ihrem Ton nach zu urteilen, zückt sie gerade ihr imaginäres Schwert.

»Ich mag Lilly, ehrlich.«

»Das klingt aber gerade ganz anders.«

Carter seufzt laut und lang. »Entschuldige. Ich glaube, ich verliere einfach langsam die Nerven. Sie ist fast immer zu Hause, wir haben unsere vier Wände kaum noch für uns.«

»Aber sie stört uns doch nicht. Meistens bleibt sie eh im Gästezimmer.«

»Das wir anders nutzen könnten.«

Geschirr klappert. Ich stelle mir vor, dass Vanessa die Spülmaschine einräumt. »Zum Bügeln? Um Fitness zu machen? Als Abstellkammer?«

»Als wir vor zwei Jahren hier einzogen, hatten wir einen wunderschönen Plan für diesen Raum, erinnerst du dich nicht mehr?«

»Wovon sprichst du?«

»Du bist einunddreißig Jahre alt und ich gehe mit meinen sechsunddreißig schon auf die vierzig zu. Ich finde, es wird Zeit, unseren größten Wunsch endlich wahr werden zu lassen.«

»Oh!«, gibt Vanessa nur von sich. In meiner Fantasie löst sich das Schwert in ihrer Hand in Luft auf.

»Oder hast du es dir anders überlegt?«

»Auf keinen Fall!« Ich höre ihrer Stimme an, dass sie lächelt. Mit butterweichem Timbre sagt sie: »Immer, wenn ich Strampelanzüge im Kaufhaus sehe, muss ich sie anfassen.«

»In den vergangenen Jahren haben wir nur geschuftet und uns um die Probleme anderer gekümmert. Ich halte es nicht für egoistisch, wenn wir uns endlich mal auf uns selbst konzentrieren und daran arbeiten, dieses uns zu erweitern.«

Ein Stuhl wird zurückgeschoben. Ich sehe die beiden nicht, stelle mir aber vor, wie Carter zu Vanessa hinübergeht und ihr über den Bauch streichelt.

Oh, mein Gott! Ich hatte ja keine Ahnung, dass ich den Raum blockiere und somit auch die Familienplanung.

Kapitel 4

Warum hat Vanessa mir denn nichts davon gesagt? Sie muss mich wirklich sehr lieb haben, wenn sie dieses Opfer für mich bringt.

Geduckt schleiche ich aus dem Apartment, denn mein schlechtes Gewissen drückt mich nieder. In Gedanken entschuldige ich mich bei Carter für den Vorwurf, er würde mich nicht mögen. Wir sind zwei grundverschiedene Charaktere, aber was ihn wirklich an mir stört, ist nicht, dass er eine Buchhalter-Mentalität hat und ich ein Freigeist bin, sondern dass ich ihn davon abhalte, kleine Vanessas und kleine Carters in die Welt zu setzen. Jetzt tut er mir leid!

»Aber er wird trotzdem der Jabberwocky für mich bleiben«, sage ich zu Elliot, dem freundlichen Drachen aus dem Disney-Film, nachdem ich in mein Auto gestiegen bin. Elliot hängt statt eines Duftbaums am Innenspiegel und riecht herrlich nach Wald. Fröhlich schwingt er hin und her, als ich losfahre.

Gedankenversunken quäle ich mich aus dem Großstadtdschungel heraus, lasse Hollywood hinter mir und düse auf die Interstate 101, vorbei an dem Stau auf der Gegenfahrbahn. In den Autos auf der entgegenkommenden Spur sitzen emsige Arbeitsbienen, die zu ihren Bienenstöcken in der Stadt strömen, was mich daran erinnert, dass ich erst bei meiner Schwester ausziehen kann, wenn ich einen Vollzeitjob gefunden habe.

Möchte ich denn in L.A. bleiben? Oder soll ich zurück nach Fort Collins ziehen? Ich weiß nicht, was ich will, und fühle mich gefangen in meiner Unschlüssigkeit. Bis zum Schwarzen Tag muss ich ohnehin hierbleiben, denn dann habe ich einen schmerzhaften Termin in San Francisco.

Auf der Fahrt weine ich ein bisschen. Ein Wunder, dass ich noch Tränen übrig habe. Ich fühle mich elend, einsam und unerwünscht. Auch eine Optimistin darf sich mal hängen lassen. Erst als ich Thousand Oaks erreiche, atme ich tief durch. Ich trockne meine feuchten Wangen und versuche, mich im Rückspiegel anzulächeln. Klappt doch!

Meine Laune bessert sich schon allein dadurch, dass mich das Conejo Valley an Colorado erinnert, auch wenn die Vegetation eine andere ist. Thousand Oaks hat ungefähr die gleiche Größe wie Fort Collins. Es türmen sich sogar ebenfalls Berge dahinter auf. Daheim sind es die Rocky Mountains, hier die Santa Monica Mountains.

Die Aufregung kehrt zurück und wischt die trübe Stimmung fort. In irgendeiner der Straßen hier wohnt Benjamin Moon. Ich stelle ihn mir mit einem Heiligenschein vor. Das war ein Scherz! Mal ehrlich, ich wette, er strahlt die Sensibilität, die er haben muss, um Liebesromane so schreiben zu können, wie er es tut, bestimmt auch aus. Ich stelle ihn mir mit weichen Gesichtszügen und langen, schlanken Fingern vor. Ob ich mit meiner Vermutung richtigliege, werde ich erst wissen, wenn ich herausgefunden habe, wo er wohnt.

Nervös trommele ich aufs Lenkrad, während ich umherfahre und mir einen Überblick verschaffe. Gepflegte Einfamilienhäuser reihen sich aneinander. Die Vorgärten bestehen aus Rasenflächen, die bis zu den Gehwegen reichen. Nirgends liegt Müll herum, keine Obdachlosen schieben ihre Einkaufswagen mit Habseligkeiten vor sich her und kein konstanter Geräuschpegel liegt über allem. Jetzt erst wird mir bewusst, wie dringend ich mal aus L.A. rausmusste. Grünflächen lockern die Viertel auf, ich höre Vögel zwitschern und Kinderlachen. Am Stadtrand passiere ich Villen und Mansions, die entweder auf kleinen künstlich aufgeschütteten Hügeln thronen oder in die Berge gebaut sind.

Zweifelsohne ist Thousand Oaks eine wohlhabende Gemeinde. Aber wie könnte ein weißes Holzhaus mit altmodischem Flair in dieses moderne Ambiente passen?

Hoffnungsvoll halte ich an einer Tankstelle, drücke mir selbst die Daumen und erkundige mich nach Moon. Leider kennen ihn weder der Kassierer noch die Kunden. Auch an sein Domizil erinnert sich keiner. Enttäuschung breitet sich in mir aus. Ich bin ihm so nah und gleichzeitig so fern. Immerhin zeigt man mir den Weg in das älteste Viertel.

Ziellos lenke ich meinen Wagen umher. Ich befürchte, meine Suche war eine Schnapsidee. Als ich schon nach Los Angeles zurückkehren will, sehe ich, wie am Ende einer Straße etwas Weißes hinter einem Busch hervorblitzt. Diese Ecke ist verwilderter als der Rest der Gemeinde. Ich dachte, es würde daran liegen, dass gleich hinter den Häusern der Wald beginnt, doch jetzt bin ich mir nicht mehr sicher.

Mein Puls beschleunigt sich. Langsam lasse ich das Auto bis zum Ende der Straße ausrollen und parke es im Wendekreis. Tatsächlich! Eingerahmt von großen alten Eichen und Sträuchern liegt ein helles Holzhaus, fast so, als wollte es sich verstecken. Mit einem Mal sehe ich alles vor mir: die Veranda, die Hängematte mit blau und türkis gestreiftem Stoff und der Schaukelstuhl, ein Zweisitzer. Ich keuche.

Diese Hütte hat mehr Charakter als die modernen Bauten in der Umgebung. Ihr haftet etwas Märchenhaftes an. Ich würde viel lieber darin leben als auf einem der riesigen, unpersönlichen Anwesen, die ich heute gesehen habe. Mir gefällt sogar der Vorgarten, eine wilde Mischung aus Blumenbeeten und Sträuchern, ohne erkennbare Linie. Englischer Rasen ist für mich wie eins der Apartments, die für das Magazin »Schöner Wohnen« abgelichtet werden: nett anzuschauen, aber zu steril und ungemütlich.

Ein Mann kniet vor dem, was wohl mal ein Blumenbeet werden soll. Akribisch reißt er alles heraus, was ihm im Weg ist, und harkt dann den Boden um.

An seiner Haltung erkenne ich, dass er mich bemerkt hat, aber er hat beschlossen, mich zu ignorieren. Netter Zeitgenosse. Ich räuspere mich. »Entschuldigung. Sind Sie Benjamin Moon?«

Er steht auf und klopft sich Erdreich von den Knien. »Sehe ich etwa so aus?«

Kritisch mustere ich ihn. Seine wallnussbraunen Haare sind zerzaust, als hätte er sie heute noch nicht gekämmt. Ein Schmutzstreifen ziert seine Stirn, vermutlich blieb er zurück, als er sich mit der dreckigen Hand den Schweiß abwischte. Er hat braune Augen, die allerdings nur halb so schön wirken, wie sie könnten, denn er blinzelt mich feindselig an. Unter der grünen Latzhose, auf der zahlreiche Flecken von harter Arbeit berichten, trägt er ein navyblaues T-Shirt. Seine Arbeitsschuhe sind zerkratzt, als würde er täglich durch Dornensträucher stapfen.

»Nein«, entgegne ich trocken.

Er geht zur Veranda, nimmt den Farbeimer, der auf der ersten Treppenstufe steht, und den Pinsel, der darauf liegt, und kehrt zu mir zurück. Genau genommen stehe ich ihm im Weg, denn er öffnet das Gartentor. Da ich nicht zur Seite weiche, bleibt er vor mir stehen und runzelt die Stirn.

Er erinnert mich an Karl Urban als Dr. Leonard ›Pille‹ McCoy in den neuen Star Trek-Filmen. Ewig grantig zwar, aber irgendwie sexy. »Sind Sie immer so unfreundlich?«

»Zeit ist Geld.«

Ich sehe ja ein, dass ein Gärtner nicht fürs Plaudern bezahlt wird, aber ich frage mich ehrlich, wie er Aufträge an Land zieht. Wahrscheinlich hilft ihm sein gutes Aussehen. Als klassisch schön würde ich ihn nicht bezeichnen, denn sein Gesicht hat Ecken und Kanten, aber das mag ich an Männern. Seine gebräunte Haut beweist, dass er sich viel im Freien aufhält. Steht ihm gut, muss ich leider zugeben.

Auffordernd hebt er die Augenbrauen. Mir wird bewusst, dass er der Einzige ist, der noch zwischen mir und Moon steht, aber der Typ reizt mich, daher bleibe ich stehen und versperre ihm den Weg.

Mit einem Funkeln im Blick mustert er mich von oben bis unten. »Ist das ein japanischer Look?«

»Das ist mein eigener Style.«

»Ich dachte ja nur. Die Kids in Asien fahren doch auf verrückte Kleidung ab.«

»Ich bin fünfundzwanzig!«

»Du siehst jünger aus.«

Jetzt duzt dieser unverschämte Kerl mich auch noch. Was denkt der eigentlich, wer er ist? Der Tag ist noch jung und das ist schon der zweite Mann, der mich für infantil hält. Wie Gewehrkugeln schieße ich meine Worte auf ihn ab: »Was fällt dir eigentlich ein? Du urteilst über mich, obwohl du rein gar nichts von mir weißt. Guckst auf mich runter, nur weil ich es farbenfroh mag, hältst mich für kleingeistig und durchgeknallt. Aber ich sag dir jetzt mal was. Du bist derjenige, der kleingeistig ist, weil du so denkst. Und überhaupt, schau dich lieber mal selbst an. Wann hast du deine Berufskleidung das letzte Mal gewaschen? Deine Gärtnerhose steht vor Dreck!« Ich schnappe nach Luft.

Er will etwas erwidern, doch ich lasse ihn nicht zu Wort kommen. Dazu bin ich zu sehr in Fahrt. »Wie alt bist du? Lass mich raten. An die vierzig?« Das ist übertrieben, ich gebe es zu, aber ich möchte ihm eine Retourkutsche verpassen und stelle mich dabei ziemlich unbeholfen an.

»Dreißig.«

»Ups.« In gespielter Verlegenheit halte ich mir die Hand vor den Mund. Ich neige mich vor und blinzele ihn kampfeslustig an. »Ein nett gemeinter Hinweis von mir. Grantigkeit lässt einen älter wirken.«

Eine Pause entsteht. Einen Moment lang stehen wir uns gegenüber wie zwei Revolverhelden, nur dass wir keine Pistolen in den Händen halten, sondern er einen Farbeimer und ich meinen Gänseblümchenrucksack.

Nach einer Weile bricht er das Schweigen. »Du erhältst wohl nicht oft Komplimente. Für gewöhnlich mögen es Frauen, wenn man sie jünger schätzt.«

Ohne es zu ahnen, hat er einen Nerv bei mir getroffen. Meine Wangen brennen. Am liebsten würde ich das Gesagte zurücknehmen, doch das ist unmöglich. »Entschuldigung.«

»Jeder hat einen wunden Punkt.«

Ich trete beiseite und lasse ihn passieren. Als er an mir vorbeigeht, enger als notwendig, schaut er mich neugierig an. Mein Puls rast. Er sieht wirklich attraktiv aus, das muss ich schon sagen, aber eher wie ein ungeschliffener Edelstein, rau und natürlich schön.

Bevor ihm auffällt, dass das Rot auf meinem Gesicht noch eine Nuance dunkler wird, reiße ich den Blick von ihm los und gehe in Richtung Haustür. Für einen Moment hatte ich Benjamin Moon glatt vergessen. Gleich werde ich ihm gegenübertreten. Ich weiß noch nicht, was ich sagen werde. Vielleicht: »Ist Ihr Haus zu verkaufen? Es ist bezaubernd!« oder »Ich habe mich verfahren. Würden Sie mir bitte weiterhelfen? Ihr Gärtner ist nämlich ein ungehobelter Kerl.« Warum kreuzt der jetzt schon wieder meine Gedanken?

Ich hebe die Hand, um zu klingeln. Oder soll ich lieber klopfen? Himmel, bin ich aufgeregt!

Kapitel 5

»Es ist niemand da«, sagt jemand hinter mir.

Erst jetzt fällt mir auf, wie besonders die Stimme des Gärtners klingt, warm und knisternd wie ein Kaminfeuer. Wenn man nämlich sein Gesicht beim Sprechen sieht, ist man von der Grumpy Cat-Miene abgelenkt.

»Ach ja?« Über die Schulter hinweg schaue ich zu dem Mann mit dem grünen Daumen, der ständig eine sauertöpfische Miene zu tragen scheint wie Alan Rickman. Zu dumm nur, dass ich genau das an dem Schauspieler mochte, es machte ihn besonders.

»Warum sollte ich lügen?«

»Um mich zu ärgern.«

»Klingt verführerisch«, seine Augen funkeln amüsiert, »aber es ist die Wahrheit.«

Verlegen drehe ich mich wieder zur Tür. Kann ich Latzhose trauen? Vielleicht sitzt Benjamin Moon gleich hinter dem abgedunkelten Fenster rechts vor mir und schreibt am nächsten Birdie Malone-Liebesschmöker. Womöglich stehe ich just in diesem Moment nur eine Wand getrennt von ihm und bin ein Klopfen davon entfernt, ihn kennenzulernen.

Es kribbelt in meinen Körper. Mein Puls steigt an. Ich kriege schwerer Luft und lecke mir immer wieder über die Lippen. Man könnte meinen, ich sei verliebt. Ich habe dieselben Symptome. Dabei ist Moon ein Phantom für mich. Weder habe ich mit ihm gesprochen, noch weiß ich, wie er aussieht. Letzteres ist mir gar nicht so wichtig. Er muss ein strahlendes Herz haben – wie ich –, anders kann ich es mir nicht vorstellen. Bestimmt hat er eine freundliche Natur und lacht viel – wie ich.

Inzwischen kann ich es nicht mehr erwarten zu läuten und drücke auf den Klingelknopf. Drinnen schreit ein Uhu. Wie originell! Vor Aufregung wippe ich auf den Füßen vor und zurück. Doch im Haus bleibt es still, nichts regt sich.

»Als leichtgläubig kann man dich jedenfalls nicht bezeichnen«, unkt Latzhose.

Enttäuschung breitet sich in mir aus. Ich drehe mich auf dem Fuße um. Der Gärtner steht vor der kleinen Treppe, die zur Veranda führt, und hat die Fäuste in die Seiten gestemmt. Am liebsten würde ich ihm die Zunge herausstrecken, aber das wäre nun wirklich zu kindisch. »Wann kommt er denn zurück?«

»Wer?«

»Benjamin Moon.«

»Woher willst du wissen, dass er hier wohnt? Es steht nirgends ein Name.«

Ich stapfe zwei der drei Stufen hinunter, damit ich so groß bin wie er und ihm direkt in die Augen schauen kann. Das hätte ich besser nicht tun sollen, denn ich verliere mich in ihnen. Sie erinnern mich an Bernsteine, in denen etwas Geheimnisvolles eingeschlossen ist. Aber so sehr ich auch versuche, das Rätsel zu lösen, um was es sich dabei handelt, ich schaffe es nicht.

Bernstein findet man am Strand. Fast meine ich, Wellenrauschen zu vernehmen. Der Sonnenuntergang taucht die Küste in ein warmes Orangerot. Sand kitzelt mich zwischen den Zehen. Heißer Wind weht mir eine Locke in die Stirn. Eine fremde Hand streicht sie mir hinters Ohr und berührt dabei wie zufällig meine Wange. Ich wende dem Besitzer dieser zärtlichen Finger mein Gesicht zu und sehe ...

Latzhose betastet mein Gesicht, als wollte er prüfen, ob ich Fieber habe. »Alles okay mit dir?«

»Ich habe nur gerade«, mit offenen Augen geträumt, »an etwas gedacht.«

Seine Mundwinkel zucken. »Dabei hast du gelächelt.«

»Es war etwas Schönes.«

»Am Ende hast du allerdings gewirkt, als hättest du einen Geist gesehen.«

»Das war das böse Erwachen«, gebe ich schnippisch zurück. »Also, wann kann ich mit Moon rechnen?«

»Woher soll ich das wissen?«

»Du arbeitest doch für ihn.«

»Aber ich bin nicht sein Angestellter, der sich bei ihm abmelden muss. Wenn ich fertig bin, mache ich einfach Feierabend.« Er stellt einen Fuß auf die Treppenstufe, auf der ich stehe, und zwar so dicht an meinen, dass zwischen unseren Schuhen nur noch ein Blatt Papier passt. »Was willst du überhaupt von ihm?«

Triumphierend lächele ich. Er streitet es nicht ab, folglich wohnt der geheimnisvolle Schriftsteller tatsächlich hier. »Das geht dich wohl kaum etwas an.«

Seine Miene verdüstert sich wieder. »Wenn das so ist, kann ich ja weiterarbeiten.« Er dreht mir den Rücken zu und geht in Richtung Zaun.

»Ich werde einfach hier warten.« Demonstrativ setze ich mich auf die oberste Stufe.

Plötzlich fliegt er zu mir herum. »Das geht nicht!«

»Und warum nicht?«

»Weil ich keine Zuschauer mag.«

Was hat er zu verbergen? Misstrauisch blinzele ich ihn an. »Das muss ein Gärtner doch gewohnt sein.«

Er steckt die Hände in die Taschen und schlurft zu mir zurück. »Weil ich niemanden auf das Grundstück lassen darf.«

»Zu spät.« Will er seinen Auftraggeber übers Ohr hauen und kann keine Zeugin gebrauchen?

»Und weil Mr. Moon meistens den ganzen Tag weg ist.«

»Das kann nicht sein!« Ich muss den Autor vor diesem Lügner schützen! »Er arbeitet nämlich zu Hause.«

»Woher willst du das wissen?«, fragt er und beugt sich so tief zu mir herunter, dass sein Atem meine Nasenspitze streichelt. Zu meinem Erstaunen riecht er nach heißer Schokolade mit Marshmallows. »Du weißt ja noch nicht einmal, ob das sein Haus ist.«

»Das hast du mir längst bestätigt.«

Seine Kiefer mahlen, vermutlich weil er sich über sich selbst ärgert. Dann richtet er sich wieder auf, macht einen Schritt zurück und verschränkt die Arme vor dem Oberkörper. Abfällig mustert er mich. »Schau an, die süße Sommersprosse entpuppt sich als Klette.«

Klette? Der hat sie ja nicht mehr ... Moment mal! Hat er gerade ›süß‹ gesagt? »Und du bist ein Ausbund an Unfreundlichkeit.«

Ich atme so schwer, als hätte ich gerade mit ihm geboxt. Wir befinden uns noch immer im Ring, schweigend stehen wir uns gegenüber und taxieren uns gegenseitig. Mir wird klar, dass ich auf seine Hilfe angewiesen bin. Falls Moon in Urlaub sein sollte, würde ich den ganzen Tag umsonst hier herumsitzen. Er mag auch im Krankenhaus sein oder sich zurzeit auf seinem Zweitwohnsitz aufhalten. Einige Schriftsteller ziehen sich zudem in die Einsamkeit zurück, um am nächsten Werk zu arbeiten, habe ich gelesen. Latzhose hat recht, ich weiß nicht gerade viel. Aber die wenigen Informationen, die ich besitze, kann ich immerhin als Köder einsetzen.

Also zähle ich rückwärts von zehn bis null, um mich zu beruhigen, lächele ihn an, was mir überraschend leichtfällt, und sage in ruhigem Ton: »Benjamin arbeitet als Schriftsteller.«

Seine Augenbrauen schießen in die Höhe. »Jetzt heißt er schon Benjamin?«

»Mr. Moon.« Ich rolle mit den Augen.

»Dann kennst du ihn?« Neugierig tritt er dicht heran. Er legt den Kopf schief, um seiner Skepsis Ausdruck zu verleihen. »Es macht nicht den Eindruck auf mich.«

»Sozusagen.« Nun gut, das ist von mir großzügig ausgelegt. Dank seiner Romane habe ich eine Ahnung von ihm. Ich bin gut darin, mir Dinge vorzustellen, meine Fantasie kann man getrost als lebhaft bezeichnen. Birdie Malone war wie eine Freundin, eine Vertraute für mich, also ist es Benjamin Moon auch.

»Was schreibt er denn?«

Oh, oh, Glatteis! Darum schweige ich erst einmal.

Latzhose setzt sich neben mich.

Mir wird heiß! Das Eis schmilzt und ich drohe einzubrechen und unterzugehen, da fällt mir doch noch eine ausweichende Antwort ein. »Gute Bücher.« Ha! Gut gelöst. Im Geiste klopfe ich mir selbst auf die Schulter.

»Welche? Krimis, Thriller, historische Romane ...« Während er mich anschaut, als wollte sein Blick mich durchbohren, reibt er sich über den Hals, was einen merkwürdigen Effekt auf mich hat.

Mir fällt das Schlucken schwer. Unweigerlich frage ich mich, ob sein Oberkörper stark oder wenig behaart ist. Dabei geht mich das nichts an und es spielt keine Rolle, dennoch bleiben meine Gedanken daran hängen, sodass ich einige Sekunden brauche, um zu antworten: »Du siehst nicht so aus, als würdest du lesen.«

Er schnaubt und macht eine wegwerfende Geste.

»Na also.« Ich betrachte seine Hände. Sie scheinen dazu gemacht zu sein, Bäume zu fällen, aber nicht, um Buchseiten umzublättern oder einen eReader festzuhalten.

»Wenn das so ist, weißt du bestimmt auch, dass er selten in seinen vier Wänden schreibt.«

Schweren Herzens schüttele ich den Kopf. Dabei verrutscht mein Slouch Hut. Nervös rücke ich ihn zurecht und streiche über die Häkelblüte an der Seite. Ich wünschte, die grüne Latzhose würde aufstehen, denn seine Nähe bringt mich durcheinander, und gleichzeitig hoffe ich, dass er bleibt.

»Wahrscheinlich findest du ihn auf einer seiner Kreativoasen.« Offenbar erkennt er das Fragezeichen in meinem Gesicht, denn er erklärt: »Das sind Orte, die er besonders inspirierend findet und an denen die Sätze nur so aus ihm herausfließen. Hat er mir mal erzählt.«

Das müssen besonders romantische Plätze sein. Mein Herz schlägt schneller. Als ich mich mit dem ganzen Körper zu ihm drehe, knalle ich mit den Knien gegen seine. Eine Art Blitz durchzuckt mich. Hallo, was war das denn? »Zeig sie mir!«

»Ich?« Latzhose bekommt doch tatsächlich eine rosige Gesichtsfarbe. Verlegen betrachtet er unsere aneinandergeschmiegten Beine und erhebt sich.

Als wäre ich ansteckend. Ich schaue ihm nach, irritiert und auch ein wenig verletzt. »Ich komme aus Colorado und besuche meine Schwester in L.A. Darum kenne ich mich hier nicht aus.«

Er reißt die Hände hoch. »Auf keinen Fall!«

»Bitte«, flehe ich voller Inbrunst.

»Das fehlt mir noch.«

»Ich muss Benjamin Moon unbedingt treffen.« Unter meinen langen Wimpern schaue ich zu ihm hoch, in der Hoffnung, ihn mit meinem ›Ich bin hilflos und nur du kannst mich retten, starker Mann‹-Blick zu erweichen. »Ich bin verzweifelt!«

»Wie leidenschaftlich! Er muss dir viel bedeuten.« Während er einige Flüche vor sich hin murmelt, sieht er zum Zaun, den er wohl heute anstreichen will, dann zu dem Beet, das er beackert hat, als ich eintraf, und schlussendlich zum Haus. Er seufzt so schwermütig wie jemand, der auf hoher See über Bord gegangen ist und sich damit abgefunden hat, bald für immer unterzugehen. »Unter einer Bedingung.«

Diese drei Worte bremsen meine erste Euphorie aus. »Und zwar?«

»Du verrätst mir, was Mr. Moon schreibt, wo ihr euch kennengelernt habt und was dich heute hierher geführt hat.«

Erschrocken zucke ich zusammen. In der Erinnerung höre ich Vanessas eindringliche Ermahnung: Bitte, Lilly, du darfst niemandem davon erzählen. Man würde mich nicht nur postwendend feuern, sondern mich auch noch verklagen, weil ich ein Agenturgeheimnis verraten habe. Tony ist so. Das würde Carter und mich ruinieren. »Das kann ich nicht, das darf ich nicht.«

»Wenn das so ist, tut es mir leid.«

»Tut es dir gar nicht«, zische ich, worauf er so etwas wie ein Lächeln zeigt. Ich springe auf. Mein Kampfgeist übernimmt die Führung, bevor meine Vernunft intervenieren kann. »Ich verrate dir nur eins, und zwar in welchem Genre er schreibt.«

Er verschränkt die Arme vor dem Oberkörper. »Dann zeige ich dir auch nur eine Oase.«

»Aber wenn wir ihn dort nicht finden werden?« Ich gebe meiner Stimme einen weinerlichen Ton.