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Der Roman setzt dort an, wo "Tarzan und die weiße Frau" aufgehört hat. Der Affenmensch, der sich heimatlos fühlt, nachdem er seine Aussichten auf eine Hochzeit mit Jane Porter nobel geopfert hat, verlässt die USA in Richtung Europa, um seinen Freund Paul d'Arnot zu besuchen. Auf dem Schiff lernt er die Gräfin Olga de Coude und ihren Mann, den Grafen Raoul de Coude, kennen. Dieses Zusammentreffen ist der Ausgangspunkt für die lange Feindschaft Tarzans mit den zwielichtigen Gestalten Rokoff und Pawlowitsch. Die Orthografie wurde der heutigen Schreibweise behutsam angeglichen. Null Papier Verlag
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Seitenzahl: 410
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Edgar Rice Burroughs
Tarzan
Band 2 – Tarzans Rückkehr
Edgar Rice Burroughs
Tarzan
Band 2 – Tarzans Rückkehr
(The Return of Tarzan)Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected]Übersetzung: J. Schulze, Tony Kellen EV: Pegasus Verlag, Wetzlar, 1950 (319 S.) 2. Auflage, ISBN 978-3-962817-96-1
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Inhaltsverzeichnis
Der Streit auf dem Dampfer
Ein rätselhafter Überfall
Was in der Maule-Straße in Paris geschah
Die Erklärungen der Gräfin
Die verfehlte Verschwörung
Ein Zweikampf
Die Tänzerin von Sidi Aissa
Der Kampf in der Wüste
Numa »el adrea«
Durch das Tal des Schattens
John Caldwell aus London
Schiffe, die vorüberfahren
Der Schiffbruch der »Lady Alice«
Zurück in den Urwald
Vom Affenmenschen zum Wilden
Die Elfenbein-Räuber
Der weiße Häuptling der Waziri
Die Lotterie des Todes
Die Stadt des Goldes
La
Die Schiffbrüchigen
Die Schatzgewölbe von Opar
Die fünfzig Männer
Wie Tarzan wieder nach Opar kam
Durch den Urwald
Ein Wiedersehen
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Ihr Jürgen Schulze
Tarzan – Band 1 – Tarzan und die weiße Frau
Tarzan – Band 2 – Tarzans Rückkehr
Tarzan – Band 3 – Tarzans Tiere
Tarzan – Band 4 – Tarzans Sohn
Tarzan – Band 5 – Der Schatz von Opar
Tarzan – Band 6 – Tarzans Dschungelgeschichten
Prachtvoll! sagte die Gräfin de Coude halblaut vor sich hin.
Was ist prachtvoll? fragte der Graf, indem er sich nach seiner jungen Frau umwandte. Er schaute dann umher, um den Gegenstand ihrer Bewunderung zu entdecken.
Oh, gar nichts, mein Lieber, erwiderte die Gräfin, aber ihre ohnehin rosigen Wangen färbten sich dabei noch tiefer. Ich dachte nur mit Bewunderung an die erstaunlichen Wolkenkratzer von New York zurück. Die schöne Gräfin lehnte sich behaglich in ihren Sessel zurück und nahm die Zeitschrift, die sie auf den Schoß hatte fallen lassen, wieder auf.
Auch ihr Mann vertiefte sich wieder in sein Buch, doch kam es ihm merkwürdig vor, dass seine Frau jetzt die Gebäude bewunderte, die sie noch vor drei Tagen als abscheulich hingestellt hatte.
Bald legte der Graf das Buch wieder aus der Hand. Es ist sehr langweilig, Olga, sagte er. Ich will sehen, ob ich nicht noch ein paar Herren auftreibe, die sich auch langweilen, sodass wir vielleicht miteinander Karten spielen können.
Du bist nicht sehr galant, rief die junge Frau lachend, aber da ich mich ebenso langweile, so kann ich es dir nicht verübeln. Geh nur und spiele mit deinen langweiligen alten Karten, wenn es dir Spaß macht.
Als er fort war, sah sie verstohlen nach einem großen jungen Mann, der sich unweit von ihr bequem auf einem Liegestuhl ausgestreckt hatte.
Prachtvoll! murmelte sie noch einmal vor sich hin.
Die Gräfin Olga de Coude war erst zwanzig Jahre alt, ihr Mann aber schon vierzig. Sie war ihm treu und ergeben, aber da sie bei ihrer Wahl gar nicht befragt worden war, so war sie begreiflicherweise nicht gerade leidenschaftlich in den Mann verliebt, den das Schicksal oder vielmehr ihr adliger russischer Vater ihr als Lebensgefährten bestimmt hatte. Aus ihrem Ausruf der Bewunderung beim Anblick eines stattlichen jungen Fremden darf aber nicht geschlossen werden, dass ihre Gedanken ihrem Gatten in irgendeiner Weise untreu gewesen wären. Sie bewunderte den Fremden nur ebenso, wie sie ein besonders schönes Exemplar irgendeiner anderen Art von Lebewesen bewundert hätte. Zudem war es zweifellos ein Vergnügen, ihn anzusehen.
Gerade als ihr verstohlener Blick über sein Profil huschte, stand er auf und verließ das Deck.
Die Gräfin winkte einen vorübergehenden Steward heran. Wer ist jener Herr? fragte sie.
Er ist als Herr Tarzan aus Afrika eingetragen, gnädige Frau! lautete die Antwort.
Eine ziemlich große Besitzung, dachte die junge Frau, aber jetzt war ihre Neugier noch gestiegen.
Als Tarzan langsam auf das Rauchzimmer zuschritt, kam er an zwei Männern vorbei, die aufgeregt vor der Türe flüsterten. Er hätte sie nicht einmal beachtet, wenn nicht der eine von ihnen einen sonderbaren Blick auf ihn geworfen hätte. Die beiden erinnerten Tarzan an die Schurkengestalten, die ihm aus rührseligen Dramen der Pariser Theater sattsam in Erinnerung geblieben waren. Beide waren dunkelfarbig und dies, ebenso wie ihr Achselzucken und ihre verstohlenen Blicke, ließ die Ähnlichkeit noch größer erscheinen. Jedenfalls hatten sie nichts Gutes im Sinn.
Tarzan trat in das Rauchzimmer und setzte sich etwas abseits von den Anwesenden. Er war nicht in der Stimmung, sich mit anderen zu unterhalten. Während er seinen Absinth schlürfte, ließ er die vergangenen Wochen seines Lebens sorgenvoll an sich vorüberziehen. Immer wieder fragte er sich, ob er weise gehandelt habe, als er zugunsten eines Mannes auf sein Geburtsrecht verzichtete, dem er in keiner Weise zu Dank verpflichtet war. Allerdings betrachtete er Clayton als einen Freund, aber das war er nicht. Nicht William Cecil Clayton, Lord Greystoke, zuliebe hatte er seine Geburt verleugnet. Es war nur der Frau zuliebe, die er und Clayton liebten, und die eine seltsame Laune des Schicksals diesem, statt ihm, bestimmt hatte.
Dass sie ihn liebte, machte ihm den Gedanken doppelt schwer, aber er sagte sich, er hätte nicht mehr tun können, als was er in jener Nacht auf der kleinen Eisenbahnstation in den fernen Wäldern von Wisconsin getan hatte. Für ihn war vor allem ihr Glück der erste Beweggrund, und seine kurze Erfahrung mit der Kultur und den Kulturmenschen hatte ihn gelehrt, dass das Leben ohne Geld und ohne Stellung den meisten von ihnen unerträglich war.
Jane Porter war nun einmal für die Güter der Kultur geboren; hätte Tarzan sie diesem Manne weggenommen, so hätte er sie zweifellos in ein Leben gestürzt, das ihr elend und qualvoll erscheinen musste. Tarzans Gedanken schweiften aus der Vergangenheit in die Zukunft. Er versuchte, sich auf die Rückkehr in den Dschungel zu freuen, in den grausamen wilden Dschungel, in dem er geboren worden und wo er von seinen 22 Jahren 20 verlebt hatte. Aber welches von der Myriade Lebewesen des Dschungels würde ihn bei seiner Rückkehr willkommen heißen? Kaum eines! Nur Tantor, den Elefanten, konnte er seinen Freund nennen. Die anderen würden ihn verfolgen oder ihn fliehen, wie sie es früher getan hatten.
Nicht einmal die Affen seines früheren Stammes würden ihm ihre kameradschaftliche Hand entgegenstrecken.
Wenn die Kultur auch sonst nichts für Tarzan getan hatte, so hatte sie ihn doch bis zu einem gewissen Grade gelehrt, sich nach der Gesellschaft gleicher Wesen umzusehen und das Wohltuende der Kameradschaft zu schätzen. Es war ihm jetzt schwer, sich eine Welt ohne irgendeinen Freund zu denken, ohne ein lebendes Wesen, mit dem er sich jetzt doch durch die gelernten Sprachen so gut verständigen konnte. Und so kam es, dass Tarzan recht trübselig in die Zukunft schaute, die er selbst sich vorgezeichnet hatte.
Als er so, eine Zigarette rauchend, in Gedanken versunken da saß, fiel sein Blick auf einen Spiegel vor ihm, und darin sah er einen Tisch, an dem vier kartenspielende Männer saßen. Eben stand einer auf, um fortzugehen und dann näherte sich ein anderer, der sich höflich erbot, den leeren Platz auszufüllen, damit das Spiel nicht unterbrochen würde. Es war der kleinere von beiden, die Tarzan miteinander flüsternd vor dem Rauchzimmer angetroffen hatte.
Das hatte die Neugier Tarzans einigermaßen geweckt, und er konnte nicht umhin, im Spiegel das Bild der Spieler am Tische zu beobachten. Tarzan kannte nur den Namen eines der Spieler, nämlich desjenigen, der gegenüber dem neu hinzugekommenen saß. Es war der Graf Raoul de Coude, den ein zuvorkommender Steward ihm letzthin als eine der Berühmtheiten auf dem Schiffe bezeichnet hatte und der eine hohe Stellung im französischen Kriegsministerium einnehmen sollte.
Plötzlich wurde Tarzans ganze Aufmerksamkeit auf das Bild im Spiegel gelenkt. Der andere Dunkelfarbige, der wie ein Bösewicht aussah, war hereingekommen und stand hinter dem Stuhle des Grafen. Tarzan sah, dass er sich umdrehte und verstohlen umherschaute; sein huschender Blick ruhte aber nicht lange genug auf dem Spiegel, um Tarzans wachsame Augen zu entdecken. Heimlich zog der Mann etwas aus seiner Tasche, aber da er es mit der Hand bedeckte, konnte Tarzan nicht sehen, was es war.
Langsam näherte sich die Hand dem Grafen, um ihm das Ding, das sie enthielt, in die Tasche zu schieben. Der Mann blieb so stehen, dass er die Karten des Franzosen beobachten konnte. Das gab Tarzan zu denken. Er passte jetzt sorgfältig auf und ließ sich keine Einzelheit des Vorfalls entgehen.
Das Spiel ging danach noch etwa zehn Minuten weiter, bis der Graf dem, der zuletzt zum Spiel gekommen war, einen hohen Betrag abgewann. Dann sah Tarzan den Mann, der hinter des Grafen Stuhl stand, seinem Verbündeten zunicken. Sofort erhob sich der Spieler und zeigte mit dem Finger auf den Grafen.
Hätte ich gewusst, dass der Herr ein gewerbsmäßiger Falschspieler ist, sagte er, so wäre ich nicht so schnell bereit gewesen, mich in das Spiel hineinziehen zu lassen.
Im Nu sprangen der Graf und die beiden anderen Spieler auf.
Der Graf war erblasst.
Was wollen Sie damit sagen, Herr? schrie er. Wissen Sie, mit wem Sie sprechen?
Ich weiß, dass ich das letzte Mal mit einem spreche, der beim Kartenspiel betrügt, erwiderte der andere.
Der Graf neigte sich sofort über den Tisch und versetzte dem Mann eine Ohrfeige, ehe die anderen dazwischentreten konnten.
Da liegt unbedingt ein Irrtum vor, Herr! rief einer der anderen Spieler. Das ist ja der Graf de Coude.
Wenn ich mich irre, sagte der, der ihn beschuldigt hatte, so will ich mich gern entschuldigen, aber ehe ich das tue, soll der Herr Graf erklären, wozu er die falschen Karten braucht, die ich ihn in seine Seitentasche stecken sah.
Der Mann, den Tarzan beim Hineinschieben der Karten beobachtet hatte, suchte den Wortwechsel zu benutzen, um sich aus dem Rauchzimmer fortzuschleichen; aber zu seinem Ärger fand er den Ausgang von einem großen grauäugigen Fremden versperrt.
Sie entschuldigen, rief er, indem er versuchte, an ihm vorbeizuschlüpfen.
Warten Sie! sagte Tarzan.
Aber warum, mein Herr? fragte der andere ungeduldig. Gestatten Sie, dass ich vorbeigehe!
Warten Sie, sagte Tarzan, denn hier ist eine Sache zu regeln, die Sie zweifellos aufklären können.
Der Mensch hatte inzwischen seine Ruhe verloren und wollte Tarzan mit einem leisen Fluch zur Seite stoßen. Der Affenmensch aber lachte nur, als er den großen Kerl am Mantelkragen fasste und ihn an den Tisch zurückführte, obschon dieser sich fluchend und schlagend dagegen wehrte.
So machte Nikolaus Rokoff die erste Erfahrung mit den Muskeln, die Tarzan zum Siege über Numa, den Löwen, und Terkop, den großen Menschenaffen, verholfen hatten.
Der Mann, der de Coude beschuldigt hatte, und die zwei anderen Spieler sahen den Grafen erwartungsvoll an. Mehrere andere Passagiere waren infolge des Wortwechsels hinzugekommen und alle warteten auf den Ausgang.
Der Mensch ist verrückt, sagte der Graf. Meine Herren, ich bitte Sie, untersuchen Sie mich.
Die Beschuldigung ist lächerlich, sagte einer der Spieler.
Sie brauchen ihre Hand nur in die Rocktasche des Grafen zu stecken, und Sie werden sehen, dass die Anklage berechtigt ist, versicherte der Spielpartner, der die Beschuldigung ausgesprochen hatte. Und als die anderen noch zögerten, rief er aus: Vorwärts! Ich werde es selbst tun, wenn kein anderer es will. Zugleich ging er auf den Grafen zu.
Nein, mein Herr, sagte de Coude. Ich will mich nur von einem Gentleman untersuchen lassen.
Es ist nicht nötig, den Grafen zu untersuchen. Die Karten sind in seiner Tasche. Ich habe selbst gesehen, wie sie hineingesteckt wurden.
Alle wandten sich erstaunt nach dem neuen Sprecher um. Sie sahen einen wohlgebauten Mann, der einen am Mantelkragen gefassten Menschen heranschleppte. Es ist eine Verschwörung, rief de Coude ärgerlich. Es sind keine Karten in meinem Rock. Und damit griff er in seine Tasche.
Es herrschte tiefes Schweigen in der kleinen Gruppe. Der Graf wurde leichenblass und zog langsam seine Hand heraus, in der er tatsächlich drei Karten hielt.
Entsetzt sah er sie schweigend an, indes sein Gesicht aufflammte. In den Mienen der Zuschauer aber, die sahen, wie die Ehre eines Mannes den Todesstoß erhielt, mischte sich Mitleid mit Verachtung.
Der grauäugige Unbekannte aber rief: Es ist eine Verschwörung, meine Herren. Der Herr Graf wusste nicht, dass diese Karten in seiner Tasche waren. Sie wurden ohne sein Wissen während des Spieles hineingesteckt.
Von meinem Stuhle dort unten aus sah ich alles vor mir im Spiegel. Dieser Mann, den ich beim Entweichen festgehalten habe, hat die Karten in des Grafen Tasche gesteckt.
De Coude hatte zuerst auf Tarzan geschaut, dann auf den Mann, den dieser mit der Faust festhielt.
Mein Gott, Nikolaus! rief er. Du?
Dann wandte er sich an den Mann, der ihn beschuldigt hatte, und sah ihn einen Augenblick scharf an.
Und Sie, mein Herr, ich erkannte Sie nicht ohne Ihren Bart. Er verstellt Sie ganz, Pawlowitsch. Jetzt verstehe ich alles. Es ist ganz klar, meine Herren.
Was sollen wir mit ihm anfangen? fragte Tarzan. Dem Kapitän übergeben?
Nein, mein Freund erwiderte der Graf hastig. Es ist eine persönliche Angelegenheit, und ich bitte Sie, sie auf sich beruhen zu lassen. Es genügt, dass ich von der Beschuldigung entlastet bin. Je weniger wir mit solchen Leuten zu tun haben, desto besser ist es. Aber, mein Herr, wie kann ich Ihnen für die große Güte danken, die Sie mir bewiesen haben? Erlauben Sie, dass ich Ihnen meine Karte überreiche, und falls sich mir einmal eine Gelegenheit bietet, Ihnen eine Gefälligkeit zu erweisen, so erinnern Sie sich, dass ich zu Ihren Diensten stehe.
Tarzan hatte Rokoff losgelassen, und dieser beeilte sich, mit seinem Verbündeten Pawlowitsch das Rauchzimmer zu verlassen. Zuvor aber zischte Rokoff Tarzan zu: Sie werden Ihre Einmischung in fremde Angelegenheiten noch schwer zu bedauern haben.
Über diese Drohung lachte Tarzan, und sich vor dem Grafen verneigend, überreichte er ihm seine Karte.
Der Graf las:
M. Jean C. Tarzan.
Herr Tarzan, sagte er, Sie werden vielleicht noch einmal wünschen, mir niemals einen Freundschaftsdienst geleistet zu haben, denn ich kann Ihnen sagen: Sie haben sich die Feindschaft von zwei der größten Erzgauner von ganz Europa zugezogen. Gehen Sie ihnen aus dem Wege, wo Sie nur können.
Mein lieber Graf, erwiderte Tarzan mit ruhigem Lächeln. Ich habe Feinde gehabt, die mehr zu fürchten waren, und doch bin ich noch am Leben, und es hat mir noch keiner etwas anhaben können. Ich glaube nicht, dass einer von den beiden es fertig bringen wird, mir ein Leid zuzufügen.
Wir wollen es nicht hoffen, mein Herr, sagte de Coude, aber es wird auf alle Fälle nichts schaden, wenn Sie auf Ihrer Hut sind und wenn Sie wissen, dass Sie sich heute jemanden zum Feinde gemacht haben, der nie vergisst und nie vergibt, und in dessen bösartigem Hirn immer neue Schurkereien ersonnen werden, um sich an denen zu rächen, die seine Pläne vereitelt oder ihm zu nahe getreten sind. Wenn man Nikolaus Rokoff einen Teufel nennt, so beleidigt man damit noch die Majestät des Satans.
Am Abend, als Tarzan seine Kabine betrat, fand er ein zusammengefaltetes Billett auf dem Boden, das offenbar unter der Tür hereingeschoben worden war. Er öffnete es und las:
Herr Tarzan, Sie waren sich zweifellos der Schwere Ihrer Beleidigung nicht bewusst, sonst hätten Sie sich sicher nicht zu Ihrer heutigen Handlung hinreißen lassen. Ich will annehmen, dass Sie in Unkenntnis gehandelt haben und nicht die Absicht hatten, einen Fremden zu beleidigen. Aus diesem Grunde will ich Ihnen gerne erlauben, Abbitte zu leisten, und wenn ich die Versicherung erhalten habe, dass Sie sich nicht mehr in fremde Angelegenheiten mischen werden, will ich die Sache ganz auf sich beruhen lassen.
Andernfalls – doch ich bin sicher, dass Sie so klug sein werden, den angedeuteten Weg einzuschlagen.
Hochachtungsvoll
Nikolaus Rokoff.
Einen Augenblick spielte ein grimmiges Lächeln um Tarzans Lippen, aber dann dachte er nicht weiter daran und ging zu Bett.
In einer naheliegenden Kabine sprach die Gräfin de Coude mit ihrem Gatten.
Warum so ernst, mein lieber Raoul? Du bist den ganzen Abend so verdrießlich gewesen? Was macht dir Sorgen?
Olga, Nikolaus ist an Bord unseres Schiffes. Wusstest du es?
Nikolaus! rief sie aus. Das ist unmöglich, Raoul. Das kann nicht sein! Nikolaus ist in Deutschland verhaftet. Das glaubte ich auch, bis ich ihn heute sah, ihn und den anderen Erzgauner, Pawlowitsch. Olga, ich kann diese Verfolgung nicht länger ertragen. Nein, selbst nicht um deinetwillen. Früher oder später werde ich ihn den Behörden ausliefern. Ich habe mich in der Tat so halb und halb entschlossen, dem Kapitän alles zu erklären, ehe wir landen. Auf einem französischen Dampfer wäre es leicht, uns diesen Verfolger dauernd vom Halse zu schaffen.
O nein, Raoul! rief die Gräfin, indem sie vor ihm niederkniete, da er mit gesenktem Kopf auf einem Diwan saß. Tu das nicht! Denke an das Versprechen, das du mir gegeben hast. Sage mir, Raoul, dass du das nicht tun willst. Drohe ihm nicht einmal.
De Coude nahm die Hände seiner Frau in die seinen und betrachtete ihre bleichen, verwirrten Züge eine Weile, ehe er sprach, als ob er aus diesen schönen Augen den wirklichen Grund erraten wollte, der sie bestimmte, diesen Mann zu schützen.
Es soll geschehen, wie du wünschest, Olga, sagte er endlich. Ich kann es nicht verstehen. Er hat jeden Anspruch auf deine Liebe, Anhänglichkeit oder Achtung verwirkt. Er ist eine Gefahr für dein Leben und deine Ehre und für das Leben und die Ehre deines Mannes. Mögest du es nie bereuen, ihn verteidigt zu haben.
Ich verteidige ihn nicht, Raoul, unterbrach sie ihn heftig. Ich glaube, dass ich ihn ebensosehr hasse wie du, aber – o Raoul, Blut ist dicker als Wasser.
Ich hätte heute gern die Beschaffenheit des seinigen erprobt, sagte de Coude in grimmigem Ärger. Die beiden haben heute vorsätzlich meine Ehre zu beschmutzen versucht, Olga. Und dann erzählte er die Vorfälle im Rauchzimmer.
Ohne diesen Fremden, fuhr er hierauf fort, wäre es ihnen geglückt, denn wer hätte meinem einfachen Wort geglaubt, da ja die verwünschten Karten in meiner Tasche waren? Ich hätte beinahe selbst daran gezweifelt, bis dieser Herr Tarzan deinen feinen Nikolaus zu uns heranschleppte und den ganzen feigen Anschlag aufklärte.
Herr Tarzan? fragte die Gräfin sichtlich überrascht.
Ja, kennst du ihn, Olga?
Ich habe ihn gesehen. Ein Steward zeigte ihn mir.
Ich wusste nicht, dass er eine Berühmtheit ist, sagte der Graf.
Olga de Coude ging auf ein anderes Thema über. Es fiel ihr nämlich ein, dass es ihr schwer sein würde, zu erklären, warum der Steward gerade ihr den hübschen Tarzan gezeigt habe. Vielleicht errötete sie ein wenig, denn ihr Gatte sah sie mit einem sonderbar spöttischen Blick an. Ach, dachte sie, ein schuldiges Gewissen ist ein sehr verdächtiges Ding.
Erst spät am folgenden Nachmittag sah Tarzan die Reisegefährten, in deren Angelegenheiten ihn sein Ehrlichkeitsgefühl verwickelt hatte. Und dann stieß er ganz unerwartet auf Rokoff und Pawlowitsch, und zwar in einem Augenblick, wo es den beiden sicher am wenigsten erwünscht war.
Sie standen auf dem Deck an einer Stelle, wo sie gerade allein waren, und als Tarzan zufällig dorthin kam, befanden sie sich gerade in einem heftigen Streit mit einer Dame. Tarzan bemerkte, dass diese Dame vornehm gekleidet war. Ihre schlanke, frische Gestalt ließ auf ein jüngeres Alter schließen, ihre Züge konnte er nicht unterscheiden, da sie dicht verschleiert war. Sie stand zwischen den beiden Männern. Da diese Tarzan den Rücken zugekehrt hatten, konnte er ganz nahe an sie herankommen, ohne dass sie ihn wahrnahmen. Er sah, dass Rokoff zu drohen und die Dame zu bitten schien, aber sie sprachen in einer fremden Sprache, sodass er nur aus dem Anschein erraten konnte, dass die junge Dame sich fürchtete.
Rokoffs Haltung war so drohend, dass der Affenmensch einen Augenblick hinter dem Trio stehen blieb, da er unwillkürlich befürchtete, der rohe Mensch könnte handgreiflich gegen sie werden. Im selben Augenblick fasste dieser sie denn auch am Handgelenk, wie wenn er aus ihr ein Versprechen erpressen wollte. Er erreichte sein Ziel aber nicht, denn plötzlich wurde er mit stahlharten Fingern an den Schultern gefasst und mit solchem Schwung auf die Seite geworfen, dass er anfänglich gar nicht wusste, was ihm geschah. Erst als er aufblickte, sah er in die kalten grauen Augen des Fremden, der ihm am Tage vorher in die Quere gekommen war.
Donnerwetter! schrie der wütende Rokoff. Was fällt Ihnen ein? Sind Sie verrückt, dass Sie Nikolaus Rokoff wieder beleidigen?
Dies ist meine Antwort auf Ihr Briefchen, mein Herr! flüsterte ihm Tarzan zu. Und dann schleuderte er den Kerl mit solcher Wucht von sich, dass er gegen die Reling hinstürzte.
Donnerwetter noch mal! schrie Rokoff. Sie gemeiner Mensch, das kostet Ihnen das Leben! Und indem er aufsprang, stürzte er auf Tarzan los, während er einen Revolver aus seiner Tasche zu ziehen suchte.
Die junge Dame fuhr entsetzt zurück.
Nikolaus! rief sie, halt ein, tu das nicht, o tu das nicht! Und dem Fremden schrie sie zu: Schnell, fliehen Sie, mein Herr, sonst wird er Sie töten!
Statt aber zu fliehen, trat Tarzan auf den Menschen zu. Machen Sie sich nicht selbst unglücklich! sagte er. Rokoff war durch die erlittene Demütigung derartig in Raserei geraten, dass er den Revolver auf Tarzans Brust richtete. Der Hahn knackte, aber der erste Schuss versagte. Doch ehe der Wütende ein zweites Mal losdrücken konnte, hatte Tarzan mit raschem Griff den Revolver erfasst und ihn über die Reling hinaus in die See geworfen.
Einen Augenblick standen die beiden da und sahen einander an. Rokoff hatte sein Selbstvertrauen wieder erlangt. Er war der erste, der sprach.
Zweimal haben Sie sich nun berufen gefühlt, sich in Dinge zu mischen, die Sie nichts angehen. Zweimal haben Sie es aus eigenem Antrieb übernommen, mich zu demütigen. Die erste Beleidigung habe ich hingehen lassen, weil ich annahm, dass Sie in Unkenntnis handelten, aber diese Sache wird nicht übersehen werden. Wenn Sie nicht wissen, wer ich bin, so können Sie bei Ihrem jetzigen unverschämten Benehmen sicher sein, dass Sie später noch an mich erinnert werden.
Dass Sie ein Feigling und ein Schurke sind, mein Herr, erwiderte Tarzan, ist alles, was ich von Ihnen zu wissen brauche.
Er drehte sich um, um die Dame zu fragen, ob Rokoff ihr weh getan habe, aber sie war verschwunden.
Dann setzte er seinen Spaziergang auf dem Deck fort, ohne auch nur einen Blick auf Rokoff und seinen Gefährten zu werfen.
Tarzan hätte gerne gewusst, welche Verschwörung im Gange war oder welche Pläne die beiden Männer hatten. Die verschleierte Dame, der er soeben beigestanden hatte, kam ihm einigermaßen bekannt vor, aber da er ihr Gesicht nicht gesehen, war er nicht sicher, ob es ihm schon einmal begegnet war. Das einzige, was ihm an ihr aufgefallen, war ein Ring von besonderer Arbeit an der Hand, die Rokoff erfasst hatte. Er beschloss deshalb, auf die Finger der weiblichen Passagiere, die ihm begegnen würden, zu achten, um die Dame zu entdecken, die Rokoff verfolgte, und zu erfahren, ob er sie noch weiter belästigt habe.
Als Tarzan seinen Stuhl auf dem Verdeck wieder aufgesucht hatte, musste er über die zahlreichen Beispiele menschlicher Grausamkeit, Selbstsucht und Gehässigkeit nachdenken, deren Augenzeuge er gewesen war von dem Tage an, wo er vor vier Jahren zum ersten Mal ein anderes menschliches Wesen im Dschungel erblickt hatte: den glatten schwarzen Kulonga, dessen geschickter Pfeil an jenem Tage Kala, die große Äffin, getötet und den jungen Tarzan der einzigen Mutter, die er je gekannt, beraubt hatte.
Er dachte auch an die Ermordung Kings durch den Matrosen Snipes mit dem Rattengesicht, an die Aussetzung des Professors Porter und dessen Gefährten durch die Meuterer der »Arrow«, an die Grausamkeit der schwarzen Krieger und Frauen Mbongas gegen ihre Gefangenen und an die kleinliche Missgunst der bürgerlichen und militärischen Beamten der Westküsten-Kolonie, wo er zum ersten Mal in die Kulturwelt eintrat.
Mein Gott, sagte er zu sich selbst, sie sind alle gleich. Betrügen, morden, lügen, sich zanken, und alles das für Dinge, die die Tiere im Dschungel nicht besitzen möchten: Geld, um sich die Annehmlichkeiten weibischer Schwächlinge zu verschaffen. Und bei alledem sind sie durch törichte Gewohnheiten eingeengt, die sie zu Sklaven ihres unglücklichen Loses machen, während sie fest glauben, dass sie, die Herren der Schöpfung, die einzig wahren Freuden des Lebens genießen. Es ist die törichte Welt, auf die Freiheit und das Glück im Dschungel zu verzichten, um in jene Welt einzutreten.
Als er da saß, hatte er plötzlich das Gefühl, dass er hinter seinem Rücken beobachtet wurde, und der alte Instinkt des wilden Tieres brach durch die dünne Tünche der Kultur. Tarzan drehte sich so schnell herum, dass die Augen der jungen Dame, die ihn heimlich angesehen hatte, nicht einmal Zeit hatten, sich zu senken, ehe die grauen Augen des Affenmenschen einen fragenden Blick in sie hineingeworfen hatten. Dann, als sie sich senkten, sah Tarzan, dass sich eine schwache rote Welle über ihr jetzt halb abgekehrtes Gesicht breitete.
Er lächelte in sich hinein über das Ergebnis seiner kulturlosen, ungalanten Handlung, denn er hatte seine eigenen Augen nicht gesenkt, als er den Blicken der jungen Dame begegnete. Sie war sehr jung und sehr hübsch. Sie kam ihm etwas bekannt vor, sodass er sich fragte, wo er sie wohl schon gesehen habe.
Er nahm seine vorige Stellung wieder ein und bemerkte nun, dass sie aufgestanden war und das Deck verließ.
Als sie vorbeiging, wandte er sich um, um ihr nachzusehen, weil er hoffte, einen Anhaltspunkt zur Feststellung ihrer Persönlichkeit zu entdecken.
Er wurde nicht ganz enttäuscht, denn beim Weitergehen erhob sie eine Hand gegen die schwarze Haarfülle ihres Nackens – die eigentümliche Bewegung, die die Frauen machen, wenn sie vermuten, dass sie von hinten beobachtet werden – und dabei erkannte Tarzan an einem Finger ihrer Hand den kunstvoll gearbeiteten Ring, den er kurz vorher an dem Finger der verschleierten Dame bemerkt hatte.
Es war also diese schöne junge Frau, die Rokoff verfolgte. Tarzan hätte gern gewusst, wer sie war und in welchem Verhältnis ein so liebliches Geschöpf zu dem rohen, bärtigen Russen stand.
Am Abend schlenderte er nach der Abendmahlzeit nach vorn und unterhielt sich bis nach Eintritt der Dunkelheit mit dem zweiten Offizier. Als dieser durch die Pflicht anderweitig in Anspruch genommen wurde, lehnte Tarzan sich träge an die Reling und sah dem Spiel des Mondlichtes auf den sanft dahinrollenden Wellen zu. Er war halb durch einen Kran verdeckt, sodass die zwei Männer, die sich näherten, ihn nicht sahen. Während sie vorübergingen, fing Tarzan genug von ihrem Gespräch auf, um sich veranlasst zu sehen, ihnen zu folgen. Er wollte erfahren, welche Teufelei sie ausspannen. Er hatte die Stimme Rokoffs erkannt und gesehen, dass Pawlowitsch sein Begleiter war.
Es waren nur wenig Worte, die Tarzan auffangen konnte: … Und wenn sie schreit, so würde sie, bis – das Weitere hatte er nicht mehr verstanden, aber das Gehörte genügte, um den Abenteuergeist wieder in ihm zu beleben, und so behielt er die beiden Männer im Auge, als sie jetzt rasch weiterschritten. Er folgte ihnen bis zum Rauchzimmer, aber sie blieben am Eingang stehen, offenbar lang genug, um sich zu überzeugen, ob jemand, dessen Aufenthalt sie festzustellen wünschten, dabei sei.
Dann gingen sie sofort aufs Promenadendeck zu den Kabinen erster Klasse. Hier musste Tarzan besser aufpassen, um nicht entdeckt zu werden, und das gelang ihm auch. Als die beiden Männer vor einer der polierten Hartholztüren stehen blieben, schlich er sich in den Schatten eines Ganges, kaum zwölf Schritte von ihnen entfernt.
Auf ihr Klopfen fragte eine weibliche Stimme auf französisch: Wer ist da?
Ich bin es, Olga – Nikolaus! war die Antwort in Rokoffs bekanntem Kehllaut. Darf ich hineinkommen?
Warum hörst du nicht auf, mich zu verfolgen, Nikolaus? kam die Stimme durch die dünne Tür. Ich habe dir nie etwas zuleide getan.
Komm, komm, Olga, drängte der Mann in versöhnlichem Tone. Ich will nur einige Worte mit dir sprechen. Ich tue dir nichts und will nicht in deine Kabine treten, aber ich kann meine Botschaft nicht durch die Tür rufen.
Tarzan hörte, wie die Sperrklinke drinnen knackte. Er trat etwas aus seinem Versteck heraus, um zu sehen, was geschähe, sobald die Tür geöffnet war, denn er konnte nur an die unheilvollen Worte denken, die er einige Minuten vorher auf dem Deck gehört hatte: … Und wenn sie schreit, so würde sie.
Rokoff stand gerade der Tür gegenüber. Pawlowitsch hatte sich flach an die getäfelte Wand am Ende des Ganges gedrückt. Die Tür wurde geöffnet. Rokoff trat halb in den Raum und stand mit dem Rücken gegen die Tür, wobei er im Flüsterton mit der Frau sprach, die Tarzan nicht sehen konnte. Dann hörte er die Stimme der Dame, leise, doch laut genug, um ihre Worte zu unterscheiden. Nein, Nikolaus, sagte sie, es ist nutzlos. Drohe so viel du willst, ich werde niemals in deine Forderung einwilligen. Bitte, verlass das Zimmer; du hast kein Recht hier. Du hast versprochen, nicht hereinzukommen.
Gut, Olga, ich werde nicht eintreten, aber ehe ich mit dir fertig bin, muss ich dir sagen, dass du noch tausendmal wünschen wirst, mir den Gefallen, um den ich dich bitte, sofort erwiesen zu haben. Am Ende werde ich doch gewinnen, und so könntest du mir Mühe und Zeit sparen und Schande dir und deinem —
Niemals, Nikolaus! unterbrach ihn die weibliche Stimme, und dann sah Tarzan Rokoff sich umdrehen und Pawlowitsch ein Zeichen geben. Dieser sprang schnell auf den Eingang der Kabine zu und rannte an Rokoff vorbei, der die Tür für ihn offen hielt. Dann trat letzterer schnell heraus. Die Tür fiel zu. Tarzan hörte das Knacken des Schlosses, als Pawlowitsch drinnen den Schlüssel umdrehte. Rokoff blieb vor der Tür stehen; er beugte den Kopf, wie wenn er die Worte erhaschen wollte, die drinnen gesprochen wurden. Ein hässliches Lächeln umspielte seine bärtigen Lippen.
Tarzan konnte hören, wie die Frau dem Eindringling befahl, ihre Kabine zu verlassen. Ich werde meinen Mann rufen lassen, schrie sie. Er wird kein Erbarmen mit Ihnen haben. Pawlowitschs höhnisches Lachen drang durch die Tür.
Der Proviantmeister wird ihren Gatten holen, Madame, sagte der Mann. Dieser Offizier ist in der Tat schon benachrichtigt, dass Sie noch einen anderen Mann als Ihren Gatten hinter der verschlossenen Tür Ihrer Kabine empfangen.
Pah! rief die Frau. Mein Mann wird schon wissen, was er davon zu halten hat.
Sicher weiß er es, nicht aber der Offizier und auch nicht die Journalisten, die auf irgendeine geheimnisvolle Weise bei der Landung davon hören werden. Aber sie werden finden, dass es eine feine Geschichte für die Zeitungen ist, und dies werden auch alle Ihre Freunde denken, wenn sie sie am – heute ist Dienstag, also am nächsten Freitag, zu ihrem Frühstück in den Blättern lesen. Es wird dem Interesse an der Geschichte auch keinen Abbruch tun, wenn die Leser erfahren, dass der Mann, zu dem Madame Beziehungen unterhält, ein russischer Bedienter ist, der Kammerdiener ihres Bruders, um ganz genau zu sein.
Alexei Pawlowitsch, entgegnete die weibliche Stimme kühl und furchtlos, Sie sind ein Feigling, und wenn ich Ihnen einen gewissen Namen ins Ohr flüstere, so werden Sie Ihre Forderungen und Drohungen gegen mich besser überlegen. Dann werden Sie meine Kabine sofort verlassen, und ich will nicht hoffen, dass Sie mich jemals wieder belästigen werden.
Dann folgte ein kurzes Schweigen, und Tarzan schloss daraus, dass die Frau dem Schurken das angedeutete Wort ins Ohr flüsterte.
Das Schweigen dauerte nur einen Augenblick, dann hörte man einen Fluch aus dem Munde des Mannes – das Schlürfen von Tritten – den Schrei einer Frau und dann war wieder Stille.
Der Schrei war kaum verhallt, als der Affenmensch auch schon aus seinem Versteck hervorsprang. Rokoff wollte fortlaufen, aber Tarzan fasste ihn beim Kragen und schleppte ihn zurück. Keiner sprach ein Wort, aber beide fühlten instinktiv, dass ein Mord in dem Raume geschehen würde, und Tarzan war sicher, dass es nicht in Rokoffs Absicht lag, seinen Verbündeten soweit gehen zu lassen; er fühlte, dass des Mannes Ziele tiefer lagen und eher unheilvoll als roh waren.
Ohne lange zu überlegen, warf sich der Affenmensch mit seiner Riesenschulter so gegen die schwache Tür, dass diese in zahlreiche Splitter zersprang; durch die Öffnung drang er in die Kabine, Rokoff hinter sich herschleppend.
Vor ihm, auf einem Ruhebett, lag die junge Frau und auf ihr Pawlowitsch, dessen Finger ihren schönen Hals zusammendrückten, während die Hände seines Opfers ihm wirkungslos ins Gesicht schlugen und verzweifelt an den grausamen Fingern zerrten, die sie erwürgen wollten.
Bei dem Lärm, der durch Tarzans Einbruch entstanden war, sprang Pawlowitsch auf und starrte drohend auf Tarzan. Die Frau richtete sich zitternd auf dem Ruhebett auf. Eine Hand hielt sie am Halse, und ihr Atem ging in kurzen Stößen.
Trotz ihrer Blässe und ihres aufgelösten Haares erkannte Tarzan sie als die junge Dame, die er heute früh dabei überraschte, wie sie ihn musterte.
Was soll das bedeuten? fragte Tarzan, sich an Rokoff wendend, den er sofort als den Urheber dieser Gewalttätigkeit ansah.
Der Mann verharrte in mürrischem Schweigen.
Drücken Sie auf den Knopf, fuhr der Affenmensch fort. Wir wollen einen Schiffsoffizier hier haben, denn die Sache ist weit genug gegangen.
Nein, nein, rief die Frau, indem sie plötzlich aufsprang. Tun Sie das nicht! Ich bin sicher, dass man nicht die Absicht hatte, mir wirklich ein Leid zuzufügen. Ich erzürnte diesen Mann, und da verlor er die Selbstbeherrschung – das ist alles. Ich möchte der Angelegenheit keine weiteren Folgen geben, mein Herr.
Es lag ein so flehender Ausdruck in ihrer Stimme, dass Tarzan nichts weiter in der Sache tun wollte, obschon er überzeugt war, dass hier etwas im Werke war, von dem die zuständigen Behörden unterrichtet werden müssten.
Sie wünschen also, dass ich nichts in der Sache tue? fragte er.
Nein, nichts, sagte sie.
Wollen Sie sich also noch weiterhin von diesen zwei Schurken belästigen lassen?
Sie schien um eine Antwort verlegen zu sein, und sah verwirrt und unglücklich aus. Tarzan bemerkte auf Rokoffs Lippen ein triumphierendes Lächeln. Die junge Frau fürchtete sich offenbar vor diesen beiden, und wagte es jedenfalls nicht, ihren wirklichen Wunsch vor ihnen auszudrücken.
Dann, sagte Tarzan, will ich auf meine eigene Verantwortung handeln.
Und sich an Rokoff wendend, fuhr er fort:
Ihnen und Ihrem Helfershelfer möchte ich sagen, dass ich Sie von jetzt an bis ans Ende der Fahrt im Auge behalten werde, und sollte irgendeine Handlung von einem von Ihnen zu meiner Kenntnis kommen, durch die diese junge Dame auch nur im entferntesten belästigt wird, so werden Sie sofort von mir zur Rechenschaft gezogen, und diese Rechenschaft wird für keinen von Ihnen eine angenehme Erfahrung werden.
Und nun hinaus mit euch!
Bei diesen Worten packte er Rokoff und Pawlowitsch beim Rockkragen und schob sie kräftig durch den Eingang, indem er jedem noch einen Fußtritt versetzte.
Dann wandte er sich wieder zu der jungen Dame, die ihn mit großen erstaunten Augen ansah.
Und Sie, gnädige Frau, sagte er, werden mir einen großen Gefallen erweisen, wenn Sie mich benachrichtigen wollen, sobald nur einer der Halunken Sie wieder belästigt.
Ach, mein Herr, antwortete sie, ich hoffe, dass Sie nicht für Ihre freundliche Tat zu leiden haben werden. Sie haben sich einen sehr bösen Feind zugezogen, der vor nichts zurückschrecken wird, um seinen Hass zu befriedigen. Sie müssen sehr auf Ihrer Hut sein, Herr – —
Gestatten, gnädige Frau, mein Name ist Tarzan.
Also, Herr Tarzan, Sie wollen, bitte, nicht denken, dass ich Ihnen für ihren tapferen, ritterlichen Schutz, den Sie mir erwiesen, nicht aufrichtig dankbar wäre, weil ich nicht einwilligen wollte, dass die Schiffsoffiziere benachrichtigt wurden. Gute Nacht, Herr Tarzan! Ich werde nie vergessen, was ich Ihnen schulde.
Und mit einem lieblichen Lächeln, das eine Reihe schöner Zähne sehen ließ, verneigte sie sich grüßend vor Tarzan, der ihr gute Nacht bot und seinen Weg auf dem Deck fortsetzte.
Der Mann zerbrach sich den Kopf darüber, dass zwei Menschen an Bord waren – die junge Dame und der Graf de Coude —, die unter den Schändlichkeiten Rokoffs und seines Genossen zu leiden hatten und doch nicht duldeten, dass die Übeltäter dem Gerichte ausgeliefert würden.
Ehe er in jener Nacht zu Bett ging, kehrten seine Gedanken noch oft zu der schönen jungen Frau zurück, in deren offenbar verwickeltes Schicksal er so seltsam eingegriffen hatte. Dass sie verheiratet war, bewies der goldene Ring am dritten Finger ihrer linken Hand. Unwillkürlich dachte er darüber nach, wer der glückliche Mann sein mochte.
Tarzan sah nichts mehr von den handelnden Personen dieses Dramas, in das er nur einen Blick geworfen hatte, bis am Spätnachmittag des letzten Tages der Fahrt. Da sah er sich plötzlich der jungen Frau gegenüber, als sie beide sich aus entgegengesetzten Richtungen ihren Verdeckstühlen näherten.
Sie grüßte ihn mit freundlichem Lächeln und sprach fast unmittelbar von dem Vorfall in ihrer Kabine, deren Zeuge er zwei Abende vorher gewesen war. Es schien, als ob es ihr nicht angenehm wäre, dass er ihre Bekanntschaft mit Männern wie Rokoff und Pawlowitsch ungünstig auslegen könnte.
Ich hoffe zuversichtlich, sagte sie, dass Sie mich nicht nach dem unglücklichen Vorkommnis am Dienstagabend beurteilt haben. Ich habe viel darunter gelitten. Dies ist das erste Mal, dass ich mich seitdem aus der Kabine wage. Ich habe mich geschämt, schloss sie einfach.
Man beurteilt die Gazelle nicht nach den Löwen, die sie angreifen, erwiderte Tarzan. Ich habe die beiden im Rauchzimmer am Werk gesehen, – am Tage zuvor, wenn ich mich recht erinnere – und da ich ihre Methode kannte, so wusste ich, dass sie nur Unschuldige angreifen. Männer wie diese kleben nur am Hässlichen und hassen alles, was edel und gut ist.
Es ist sehr gütig von Ihnen, es so auszulegen, antwortete sie lächelnd. Ich habe schon die Geschichte von dem Kartenspiel gehört. Mein Mann erzählte mir den ganzen Vorfall, und sprach besonders von der Kraft und der Unerschrockenheit des Herrn Tarzan, dem er sich zu größtem Danke verpflichtet fühle.
Das ist Ihr Gatte? fragte Tarzan.
Ja, ich bin die Gräfin de Coude.
Ich bin schon reichlich belohnt durch das Bewusstsein, dass ich der Gattin des Grafen de Coude einen Dienst erweisen konnte.
Ach, mein Herr, ich stehe schon so tief in Ihrer Schuld, dass ich meine eigene Rechnung wohl nie werde begleichen können; darum bitte ich, mich nicht noch mehr zu verpflichten.
Dabei lächelte sie ihn so freundlich an, dass Tarzan sich sagte: Für ein solches Lächeln würde ein Mann noch viel größere Dinge unternehmen.
Zuletzt sprachen sie über die schnellen Freundschaften, die auf den Ozeandampfern entstehen und die oft mit derselben Leichtigkeit wieder abgebrochen werden.
Tarzan fragte sich denn auch, ob er die junge Gräfin jemals wiedersehen werde.
An jenem Tag sah er sie nicht mehr, und auch am folgenden Tage bei der Landung konnte er sie aus dem Gedränge nicht herausfinden. Aber bei dem Abschied nach jener Unterredung auf dem Deck hatte in ihrem Blick ein Ausdruck gelegen, den er nicht vergessen konnte.
Bei seiner Ankunft in Paris begab sich Tarzan sofort in die Wohnung seines alten Freundes d’Arnot. Der Schiffsleutnant war erfreut, ihn wiederzusehen, aber er machte ihm alsbald Vorhaltungen darüber, dass er so töricht war, auf den Titel und die Besitzungen zu verzichten, die ihm von Rechts wegen von seinem Vater John Clayton, dem verstorbenen Lord Greystoke, zustanden.
Sie müssen verrückt sein, mein Freund, sagte d’Arnot, dass Sie leichten Herzens nicht allein auf Reichtum und Stellung verzichten, sondern auch auf die Gelegenheit, aller Welt zu beweisen, dass das edle Blut von zwei der angesehensten englischen Familien in Ihren Adern fließt, nicht aber das Blut einer wilden Menschenäffin. Ich verstehe nicht, dass man Ihnen glauben konnte, am allerwenigsten Miss Porter.
Ich habe nie an Ihre Abstammung von der Äffin geglaubt, sogar damals nicht, als ich Sie hinten in der Wildnis des Dschungels das rohe Fleisch Ihrer Jagdbeute herunterreißen und die fettigen Finger am Schenkel abwischen sah. Schon damals glaubte ich nicht, dass Kala Ihre Mutter sei, obschon ich noch nicht den kleinsten Beweis des Gegenteils in Händen hatte. Jetzt aber kennen wir Ihres Vaters Tagebuch. Er hat das schreckliche Leben darin geschildert, das er mit Ihrer Mutter an der wilden afrikanischen Küste führen musste. Er erzählt von Ihrer Geburt und gibt so den überzeugendsten Beweis Ihrer wahren Abstammung, sogar der Abdruck Ihrer kleinen Kinderhand ist darin. Alles dies steht schwarz auf weiß vor uns. Da scheint es mir einfach unglaublich, dass Sie trotz allem gewillt sein sollten, ein namenloser, armer Vagabund zu bleiben.
Ich brauche keinen besseren Namen als Tarzan, erwiderte der Affenmensch, und was den armen Vagabunden betrifft, so habe ich nicht die Absicht, es zu bleiben. In der Tat soll die nächste, und wie ich hoffe, die letzte Anforderung, die ich an Ihre uneigennützige Freundschaft stellen muss, die sein, eine Anstellung für mich zu finden.
Ach was, sagte d’Arnot, Sie wissen, dass ich es so nicht meine. Habe ich Ihnen nicht ein dutzendmal erzählt, dass ich genug für zwanzig Mann habe und dass die Hälfte meines Vermögens Ihnen gehört? Und wenn ich Ihnen alles gäbe, würde es auch nur den zehnten Teil des Wertes darstellen, den ich auf Ihre Freundschaft lege, Tarzan? Würden damit die Dienste bezahlt sein, die Sie mir in Afrika erwiesen? Ich kann nie vergessen, mein Freund, dass ich ohne Sie und Ihre wunderbare Tapferkeit am Dorfpfahl von Mbongas Menschenfressern getötet worden wäre. Ihrer liebevollen Aufopferung verdanke ich es, dass ich von den damaligen, schrecklichen Wunden genesen bin. Ich habe erst später entdeckt, welche Entsagung es für Sie war, bei mir im Amphitheater der Affen auszuharren, während Ihr Herz Sie zur Küste drängte.
Als wir schließlich dahin kamen und fanden, dass Miss Porter und ihre Gefährten fort waren, wurde mir erst wirklich bewusst, was Sie für einen völlig Fremden taten. Ich versuche auch nicht, Sie mit Geld zu bezahlen, Tarzan, aber da Sie gegenwärtig Geld brauchen, so stelle ich Ihnen selbstverständlich so viel zur Verfügung, wie Sie wünschen. Das ist kein Opfer, das ich Ihnen bringe, sondern lediglich der Ausdruck meiner Dankbarkeit und meiner Freundschaft.
Nun, sagte Tarzan lachend, wir wollen uns wegen des Geldes nicht zanken. Ich brauche es zum Leben, aber es wäre mir lieber, wenn ich es erarbeiten könnte. Sie können mir keinen besseren Beweis Ihrer Freundschaft geben, als indem Sie eine Anstellung für mich suchen. Ich kann nicht untätig leben. Was mein Geburtsrecht betrifft, so ist es in guten Händen. Clayton hat mich dessen nicht beraubt, denn er glaubt in Wirklichkeit, der echte Lord Greystoke zu sein, und er wird voraussichtlich ein besserer englischer Lord sein als ein Mann, der in einem afrikanischen Dschungel geboren und aufgewachsen ist. Sie wissen, dass ich auch jetzt nur halb kultiviert bin. Wenn ich in Zorn gerate und es mir rot vor den Augen wird, so fegen die Instinkte des wilden Tieres, die immer noch in mir schlummern, das wenige, das ich mir von der feineren Kultur angeeignet habe, völlig hinweg.
Und dann, hätte ich verraten, wer ich bin, so hätte ich die Frau, die ich liebe, des Reichtums und der Stellung beraubt, die ihre Heirat mit Clayton ihr jetzt sichert. Das konnte ich doch nicht tun, nicht wahr, Paul?
Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr er fort: Das Geburtsrecht ist übrigens von keiner großen Wichtigkeit für mich. So wie ich aufgewachsen bin, erkenne ich im Menschen wie im Tiere nur den Wert an, den sie dank ihrer geistigen oder körperlichen Überlegenheit besitzen. Und so bin ich glücklich, wenn ich an Kala, als meine Mutter, denke, denn sie war in ihrer wenn auch wilden Art immer gut gegen mich. Sie muss mich an ihrer haarigen Brust genährt haben von jenem Tage an, da meine eigene Mutter, die arme unglückliche Engländerin, starb. Kala kämpfte für mich gegen die wilden Bewohner des Waldes und gegen die rohen Mitglieder unseres eigenen Stammes mit dem ganzen Mute wahrer Mutterliebe.
Und ich meinerseits liebte sie, Paul. Ich wusste nicht, wie sehr ich sie liebte, bis der grausame Speer und der vergiftete Pfeil von Mbongas schwarzem Krieger sie von meiner Seite gerissen hat. Ich war noch ein Junge, als das geschah, und ich warf mich über ihre Leiche, um meinen Schmerz auszuweinen, wie ein Kind um seine eigene Mutter geweint haben würde. Ihnen, mein Freund, wäre sie als ein hässliches Geschöpf erschienen, aber für mich war sie schön, – so herrlich verklärt die Liebe den Gegenstand ihrer Verehrung. Und so bin ich vollkommen zufrieden, für immer der Sohn von Kala, der Äffin, zu bleiben.
Ich bewundere Sie wegen Ihrer Treue, sagte d’Arnot, aber die Zeit wird kommen, da sie froh sein werden, Anspruch auf Ihre eigene Abstammung zu erheben. Denken Sie daran, was ich Ihnen sage, und wir wollen hoffen, dass es dann noch ebenso leicht sein wird, den Nachweis zu führen, wie heute. Sie dürfen nicht vergessen, dass Professor Porter und Mr. Philander die einzigen Menschen auf der Welt sind, die schwören können, dass das kleine Skelett, das in der Hütte zusammen mit dem Ihres Vaters und Ihrer Mutter gefunden wurde, das eines jungen Menschenaffen war und nicht der Sprößling von Lord und Lady Greystoke. Dieses Zeugnis ist äußerst wichtig. Beide sind alte Männer und leben vielleicht nicht mehr lange. Und dann, haben Sie nicht daran gedacht, dass Miss Porter, wenn sie einmal die Wahrheit erführe, ihre Verlobung mit Clayton aufheben würde? Sie könnten mit Leichtigkeit Ihren Titel, Ihre Besitzungen und die Frau, die sie lieben, erringen, Tarzan. Haben Sie nicht daran gedacht?
Tarzan schüttelte den Kopf. Sie kennen sie nicht, sagte er. Nichts könnte sie fester an ihr Versprechen binden, als ein etwaiges Missgeschick, das über Clayton käme. Sie ist aus einer alten amerikanischen Familie des Südens, und denen aus den Südstaaten geht ihre Treue über alles!
*
Die zwei folgenden Wochen benützte Tarzan, um seine frühere kurze Bekanntschaft mit Paris zu erneuern. Tagsüber besuchte er die Buchhandlungen und die Bildergalerien. Er las alles, was ihm in die Hände kam, und wenn er darüber nachdachte, wie ungeheuer groß das Gebiet des Wissens ist, so erschrak er, dass sich der einzelne Mensch doch eigentlich nur einen verschwindend kleinen Teil dieses Wissens aneignen kann. Trotzdem lernte er tagsüber so viel er nur konnte. Abends aber ging er aus, um sich zu zerstreuen und sich zu vergnügen. An Gelegenheit dazu fehlte es ja nicht in Paris.
Wenn er zu viel Zigaretten rauchte und zu viel Absinth trank, so geschah es, weil er die Kultur nahm, wie er sie fand, und weil er lediglich dasselbe tun wollte, wie seine gesitteten Brüder. Das Leben war für ihn etwas Neues und Verlockendes, außerdem hatte er eine Sorge in der Brust und ein großes Sehnen, von dem er wusste, dass es nie gestillt werden konnte. So dachte er durch Studium und Zerstreuung sowohl die Vergangenheit zu vergessen, wie die Gedanken von der Zukunft abzulenken.
Eines Abends saß er in einem Kabarett, schlürfte seinen Absinth und bewunderte die Kunst eines berühmten russischen Tänzers, als er bemerkte, dass zwei böse schwarze Augen einen flüchtigen Blick auf ihn warfen. Ehe Tarzan sich den Mann genauer ansehen konnte, hatte dieser sich umgewandt und war in der Menge am Ausgang des Saales verschwunden. Tarzan war aber sicher, dass er diese Augen schon früher einmal gesehen hatte und dass sie nicht durch einen bloßen Zufall auf ihn gerichtet waren. Schon eine Weile vorher hatte er das unbehagliche Gefühl gehabt, dass er beobachtet würde. Gleichsam aus seinem tierischen Instinkt heraus hatte er sich plötzlich umgedreht und die ihn beobachtenden Augen in der Tat überrascht. Er dachte aber nicht weiter darüber nach, und als er die Musikhalle verließ, bemerkte er nicht, dass ein dunkelfarbiger Mensch sich im Schatten eines gegenüberliegenden Eingangs zu verbergen suchte.
Tarzan wusste nicht, dass ein Unbekannter ihm in der letzten Zeit ständig in die Vergnügungslokale nachgefolgt war. Er war nur selten für sich allein gegangen, aber gerade an diesem Abend war d’Arnot durch eine andere Verpflichtung verhindert, mit ihm auszugehen.
Als Tarzan den gewohnten Heimweg einschlagen wollte, eilte der Beobachter aus seinem Versteck über die Straße und überholte ihn in raschem Schritt.
Tarzan war gewöhnt, durch die Maule-Straße nach Hause zurückzukehren. Da sie sehr still und dunkel war, erinnerte sie ihn mehr an seinen geliebten afrikanischen Dschungel als die geräuschvollen und glänzenden Straßen der Umgebung. Wer Paris kennt, wird sich des abstoßenden Aussehens der engen Maule-Straße erinnern. Wer sie aber noch nicht gesehen hat, braucht nur einen Polizisten danach zu fragen, und dieser wird ihm schon sagen, dass es in ganz Paris keine Straße gibt, die man nach Einbruch der Dunkelheit so sehr meiden muss wie gerade diese.
In jener Nacht war Tarzan schon ein gutes Stück an den schmutzigen alten Miethäusern der üblen Straße entlang gegangen, als er Hilferufe aus dem dritten Stock eines gegenüberliegenden Hauses hörte. Es war eine Frauenstimme. Kaum waren die ersten Schritte verhallt, als Tarzan auch schon die Treppe hinaufeilte, um der Frau zu Hilfe zu kommen.
Am Ende des Ganges des dritten Treppenabsatzes war eine Tür leicht angelehnt, und Tarzan hörte aus dem Innern wieder denselben Hilferuf, der ihn angelockt hatte. Im nächsten Augenblick stand er in der Mitte eines trübe erleuchteten Zimmers. Auf einem hohen altmodischen Kaminsims brannte eine Öllampe, die ihre matten Strahlen auf ein Dutzend abstoßender Gestalten warf. Außer einer etwa dreißigjährigen Frau waren es lauter Männer. Das Gesicht der Frau, durch niedrige Leidenschaften und Ausschweifung gekennzeichnet, mochte einst hübsch gewesen sein. Sie stand an die hinterste Wand geduckt und hielt die eine Hand am Halse.
Helfen Sie mir, mein Herr! flehte sie mit leiser Stimme, als Tarzan das Zimmer betrat. Man will mich umbringen.