Tarzan – Band 6 – Tarzans Dschungelgeschichten - Edgar Rice Burroughs - E-Book

Tarzan – Band 6 – Tarzans Dschungelgeschichten E-Book

Edgar Rice Burroughs

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Beschreibung

Tarzans Dschungelgeschichten ("Jungle Tales of Tarzan") ist eine Sammlung von zwölf lose miteinander verbundenen Kurzgeschichten aus Tarzans späten Jugendjahren, die kurze Zeit vor Tarzans ersten Begegnungen mit weißen Menschen, darunter Jane Porter, spielen. Es handelt sich um folgende Geschichten: Tarzans erste Liebe, Tarzan gefangen, Der Kampf um das Affenbaby, Tarzans Gott, Tarzan und der Negerjunge, Der Zauberer sucht sich zu rächen, Bakawais Ende, Der Löwe, Der Kampf um Teeka, Ein Dschungelstreich, Tarzan rettet den Mond, Die Orthografie wurde der heutigen Schreibweise behutsam angeglichen. Null Papier Verlag

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Edgar Rice Burroughs

Tarzan

Band 6 – Tarzans Dschungelgeschichten

Edgar Rice Burroughs

Tarzan

Band 6 – Tarzans Dschungelgeschichten

(Jungle Tales of Tarzan)Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2021Übersetzung: Tony Kellen, J. Schulze EV: Pegasus Verlag, Wetzlar, 1952 (226 S.) 1. Auflage, ISBN 978-3-962818-14-2

null-papier.de/705

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Tar­zans ers­te Lie­be

Tar­zan ge­fan­gen

Der Kampf um das Af­fen­ba­by

Tar­zans Gott

Tar­zan und der Ne­ger­jun­ge

Der Zau­be­rer sucht sich zu rä­chen

Ba­ka­wais Ende

Der Löwe

Der Kampf um Tee­ka

Ein Dschun­gel­streich

Tar­zan ret­tet den Mond

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie sich für ein E-Book aus mei­nem Ver­lag ent­schie­den ha­ben.

Soll­ten Sie Hil­fe be­nö­ti­gen oder eine Fra­ge ha­ben, schrei­ben Sie mir.

Ihr

Tar­zan bei Null Pa­pier

Tar­zan – Band 1 – Tar­zan und die wei­ße Frau

Tar­zan – Band 2 – Tar­zans Rück­kehr

Tar­zan – Band 3 – Tar­zans Tie­re

Tar­zan – Band 4 – Tar­zans Sohn

Tar­zan – Band 5 – Der Schatz von Opar

Tar­zan – Band 6 – Tar­zans Dschun­gel­ge­schich­ten

Tarzans erste Liebe

Tee­ka, in üp­pi­ger Be­hag­lich­keit hin­ge­streckt im Schat­ten ei­nes Bau­mes, bot un­zwei­fel­haft ein höchst an­zie­hen­des Bild jun­ger, weib­li­cher Lieb­lich­keit. We­nigs­tens kam es dem Af­fentar­zan so vor, der im tief­her­ab­ge­bo­ge­nen Zwei­ge ei­nes be­nach­bar­ten Bau­mes saß und zu ihr hin­un­ter­sah.

So muss­te man ihn se­hen, wie er sich auf dem schwan­ken Zweig ei­nes Ur­waldrie­sen schau­kel­te. Die leuch­ten­de Son­ne des Äqua­tors durch­brach den grü­nen Bal­da­chin über ihm wie ein Ge­we­be und über­ström­te sei­ne brau­ne Haut mit Licht­pünkt­chen, sein schön ge­mei­ßel­ter Kör­per bog sich in leich­ter An­mut, in Be­trach­tung ver­sun­ken neig­te er das Haupt und ver­schlang den Ge­gen­stand sei­ner An­be­tung mit den klu­gen grau­en Au­gen – wie die Wie­der­ge­burt ei­nes Halb­got­tes der Vor­zeit sah er aus.

Wer hät­te an­neh­men kön­nen, dass er sei­ne Kind­heit an der Brust ei­ner häss­li­chen, be­haar­ten Äf­fin ver­bracht hat­te und dass er (seit dem Tode sei­ner El­tern in je­ner klei­nen Hüt­te vor dem lan­dum­schlos­se­nen Ha­fen am Dschun­gel­rand) in sei­ner ihm be­wuss­ten Ver­gan­gen­heit kei­ne an­de­ren Ge­nos­sen ge­kannt hat­te als die mür­ri­schen Bul­len und die knur­ren­den Weib­chen von Ker­schaks, des großen Af­fen, Hor­de!

Wer um­ge­kehrt die Ge­dan­ken in sei­nem scharf­sin­ni­gen, fä­hi­gen Ge­hirn hät­te le­sen kön­nen, das Ver­lan­gen, die Wün­sche und Hoff­nun­gen, wel­che Tee­kas An­blick bei ihm er­weck­te, wür­de eben­so­we­nig an die wah­re Ab­stam­mung des Af­fen­menschen ge­glaubt ha­ben. Dass er der Sohn ei­ner ed­len, eng­li­schen Dame war, des­sen Va­ter sich rüh­men konn­te, dem eng­li­schen Hochadel an­zu­ge­hö­ren, das hät­te aus sei­ner Ge­dan­ken­welt nie­mand schlie­ßen kön­nen.

Dem Af­fentar­zan war sei­ne Her­kunft un­be­kannt. Dass er John Clay­ton, Lord Grey­sto­ke, Mit­glied des Ober­hau­ses war, wuss­te er nicht. Aber wenn er es auch ge­wusst hät­te, hät­te er es doch nicht ver­stan­den.

Ach, Tee­ka war wirk­lich schön!

Kala war na­tür­lich auch schön ge­we­sen – die Mut­ter er­scheint uns im­mer schön – aber Tee­ka war schön in ganz an­de­rem, ei­ge­nen Sin­ne, in ei­nem un­er­klär­ba­ren Sin­ne, den Tar­zan ge­ra­de um die­se Zeit in noch recht un­be­stimm­ter und traum­haf­ter Form zu emp­fin­den be­gann.

Seit Jah­ren wa­ren Tar­zan und Tee­ka Spiel­ge­fähr­ten ge­we­sen und Tee­ka blieb im­mer noch mut­wil­lig und zum Spie­len ge­neigt, wäh­rend die gleich­alt­ri­gen jun­gen Bul­len be­reits sau­er­töp­fisch und mür­risch wur­den. Falls sich Tar­zan über­haupt dar­über Ge­dan­ken mach­te, konn­te er sei­ne wach­sen­de Vor­lie­be für das jun­ge Weib­chen leicht da­mit be­grün­den, dass sie al­lein von al­len frü­he­ren Spiel­ka­me­ra­den mit ihm zu­sam­men wei­ter Spaß an den bis­he­ri­gen Strei­chen hat­te.

Aber als er heu­te zu ihr hin­ab­späh­te, fand er sich in Be­wun­de­rung von Tee­kas Ge­stalt und Ge­sicht – was er frü­her nicht ge­tan hat­te, denn kei­ne von die­sen Ei­gen­schaf­ten hat­te et­was mit Tee­kas Ge­schick­lich­keit zu tun, die sie beim Sprin­gen durch die un­te­ren Wald­ter­ras­sen oder bei dem ur­wüch­si­gen Ab­schla­gen oder Ver­ste­cken­su­chen ent­wi­ckel­te, Spiels, wel­che Tar­zans frucht­ba­res Ge­hirn er­son­nen hat­te.

Tar­zan kratz­te sich auf dem Kopf, wühl­te mit den Fin­gern tief in dem schwar­zen Haar­schopf, der sein wohl­ge­form­tes Jun­gen­ge­sicht ein­rahm­te – er kratz­te sich auf dem Kop­fe und seufz­te. Tee­kas neu­ent­deck­te Schön­heit ver­ur­sach­te ihm plötz­lich Verzweif­lung. Er be­nei­de­te sie um den hüb­schen Rock aus Haa­ren, der ih­ren Kör­per be­deck­te. Er hass­te sei­ne ei­ge­ne, glat­te, brau­ne Haut mit ei­ner Mi­schung aus Ab­scheu und Ver­ach­tung. Vor Jah­ren hat­te er noch die Hoff­nung ge­hegt, er wer­de ei­nes Ta­ges doch wie alle sei­ne Brü­der und Schwes­tern ein Haar­kleid be­kom­men, aber er hat­te aus die­sem tröst­li­chen Traum schließ­lich er­wa­chen müs­sen.

Dann be­saß Tee­ka große Zäh­ne, na­tür­lich nicht so große wie die Männ­chen, aber im­mer­hin mäch­ti­ge, hüb­sche -Din­ger im Ver­gleich zu sei­nen arm­se­li­gen, wei­ßen. Und erst ihre her­vor­ste­hen­den Brau­en, ihre brei­te, fla­che Nase und ihr Mund!

Wie oft hat­te Tar­zan ver­sucht, sei­nen Mund zu ei­nem klei­nen, run­den Kreis zu zie­hen und dann die Ba­cken auf­zu­bla­sen und rasch mit den Au­gen zu zwin­kern; aber er be­kam doch nie so einen ver­schmitz­ten und un­wi­der­steh­li­chen Aus­druck her­aus, wie ihn Tee­ka fer­tig­brach­te.

Als er sie an die­sem Nach­mit­tag be­wun­dernd be­lausch­te, kam ein jun­ger Affe, der bis­her trä­ge un­ter der feuch­ten, ver­filz­ten Mat­te aus ver­we­sen­den Pflan­zen in der Nähe nach Nah­rung ge­sucht hat­te, plump in der Rich­tung auf Tee­ka an­ge­wa­ckelt. Die üb­ri­gen Af­fen von Ker­schaks Hor­de trie­ben sich sorg­los her­um oder la­gen trä­ge in der hei­ßen Mit­tags­hit­ze des Tro­pend­schun­gels her­um. Ab und zu war ei­ner da­von nahe vor Tee­ka vor­bei­ge­gan­gen, ohne dass Tar­zan ihm Auf­merk­sam­keit ge­schenkt hät­te. Wa­rum zog er aber jetzt die Brau­en zu­sam­men und spann­te die Mus­keln, als Taug vor der jun­gen Äf­fin an­hielt und sich dicht ne­ben ihr nie­der­hock­te?

Tar­zan hat­te den Taug stets ger­ne ge­habt. Seit der Kind­heit hat­ten sie sich ge­balgt, Sei­te an Sei­te hat­ten sie am Was­ser ge­hockt, um mit ih­ren ra­schen, star­ken Fin­gern Pi­sah, den Fisch, her­aus­zu­fan­gen, wenn die­ser schlaue Be­woh­ner der küh­len Tie­fe nach dem Kö­der von In­sek­ten her­auf­kam, den Tar­zan auf den Was­ser­spie­gel des Tüm­pels ge­wor­fen hat­te.

Sie bei­de hat­ten zu­sam­men Tu­blat ge­plagt und den Lö­wen Numa ge­hän­selt. Wa­rum fühl­te also Tar­zan, dass sich sei­ne kur­z­en Na­cken­haa­re sträub­ten, nur weil sich Taug nahe zu Tee­ka hock­te?

Al­ler­dings war Taug nicht mehr der lus­ti­ge Affe von ges­tern. Wenn sei­ne Ba­cken­mus­keln die rie­si­gen Fang­zäh­ne bloß­leg­ten, konn­te man nicht län­ger an­neh­men, Taug sei in der spiel­fro­hen Stim­mung wie da­mals, als er sich mit Tar­zan im Schein­kampf über den Ra­sen kol­ler­te. Der Taug von heu­te war ein un­ge­heu­rer, mür­ri­scher Af­fen­bul­le, ein fins­te­rer Ge­sel­le. Doch hat­te er sich mit Tar­zan noch nie ge­zankt.

Ei­ni­ge Mi­nu­ten sah der jun­ge Af­fen­mensch zu, wie sich Taug en­ger an Tee­ka press­te. Aber als sei­ne große Pfo­te mit rau­er Zärt­lich­keit die schlan­ke Schul­ter des Weib­chens strei­chel­te, schlüpf­te Af­fentar­zan wie eine Kat­ze auf den Bo­den und nä­her­te sich den bei­den.

Er fletsch­te die Fang­zäh­ne un­ter der zum Knur­ren hoch­ge­zo­ge­nen Ober­lip­pe und roll­te ein tie­fes Brum­men aus sei­ner brei­ten Brust. Taug sah auf und blin­zel­te mit sei­nen blut­un­ter­lau­fe­nen Au­gen. Tee­ka er­hob sich halb und schiel­te nach Tar­zan. Ahn­te sie den Grund der Stö­rung? Wer kann das sa­gen. Aber sie war ein Weib­chen, des­halb lang­te sie hin­auf und kratz­te Taug hin­ter ei­nem sei­ner klei­nen, plat­ten Ohren.

Als Tar­zan das sah, war Tee­ka für ihn nicht län­ger die klei­ne Spiel­ge­fähr­tin von vor ei­ner Stun­de. Jetzt war sie ein Wun­der­ge­schöpf – das wun­der­bars­te der Welt – um des­sen Be­sitz Tar­zan mit Taug und je­dem an­de­ren, der sein Ei­gen­tums­recht zu be­strei­ten wag­te, bis auf den Tod kämp­fen wür­de. Af­fentar­zan schob sich ge­bückt, eine Schul­ter vor­an, dem jun­gen Bul­len nä­her und nä­her. Das Ge­sicht hielt er et­was ab­ge­wen­det, aber sei­ne schar­fen grau­en Au­gen blick­ten starr in die Taugs. Je nä­her er kam, de­sto lau­ter und tiefer wur­de sein Knur­ren. Taug rich­te­te sich auf sei­nen kur­z­en Bei­nen auf und sträub­te die Haa­re. Er fletsch­te die Reiß­zäh­ne, schob sich steif­bei­nig auch mit der Sei­te vor­an und knurr­te.

Tee­ka ge­hört Tar­zan, sag­te der Af­fen­mensch in den tie­fen Kehl­tö­nen der großen Men­schen­af­fen.

Tee­ka ge­hört Taug, er­wi­der­te der Af­fen­bul­le.

Tee­ka, Num­go, Gun­to, die das Knur­ren der zwei jun­gen Bul­len stör­te, sa­hen halb gleich­gül­tig, halb ge­spannt zu. In Taugs klei­nem Ge­hirn saß ein mäch­ti­ger Re­spekt vor dem blan­ken Stück­chen schar­fen Me­talls, das der Af­fen­kna­be so gut zu ge­brau­chen ver­stand. Tu­blat, sei­nen trot­zi­gen Pfle­ge­va­ter, und den Go­ril­la Vol­ga­ni hat­te er da­mit ge­tö­tet. Taug wuss­te um die­se Tat­sa­chen, des­halb ging er in ei­ner Spi­ra­le auf Tar­zan los, um einen güns­ti­gen An­fang ab­zu­war­ten. Der an­de­re, vor­sich­tig im Hin­blick auf sein ge­rin­ge­res Ge­wicht und die Schwä­che sei­ner na­tür­li­chen Waf­fen, ver­folg­te eine ähn­li­che Tak­tik.

Eine Zeit lang sah es aus, als ob die­se Aus­ein­an­der­set­zung wie die Mehr­zahl sol­cher Strei­tig­kei­ten zwi­schen den An­ge­hö­ri­gen der Hor­de ver­lau­fen wür­de, näm­lich so, dass ei­ner der Be­tei­lig­ten zum Schlus­se das In­ter­es­se ver­lor und an­schei­nend mit ei­ner an­de­ren An­ge­le­gen­heit be­schäf­tigt ab­zog. Bei ei­nem an­de­ren »ca­sus bel­li«1 wäre das si­cher der Fall ge­we­sen. Aber Tee­ka fühl­te sich durch die Auf­merk­sam­keit, die sie er­regt hat­te, und durch den Um­stand, dass zwei Bul­len um sie kämp­fen woll­ten, ge­schmei­chelt. So et­was war bis­her in Tee­kas kur­z­em Le­ben noch nicht vor­ge­kom­men. Sie hat­te mit­an­ge­se­hen, wie an­de­re Bul­len um an­de­re und äl­te­re Weib­chen kämpf­ten und tief in ih­rem klei­nen Tier­herz hat­te sie den Tag er­sehnt, an dem sich um ih­ret­wil­len die Dschun­gel­grä­ser im Kampf auf Le­ben und Tod rö­ten wür­den.

Da­rum hock­te sie sich jetzt breit auf ihre Schen­kel und be­schimpf­te un­par­tei­isch ihre bei­den An­be­ter gleich­mä­ßig. Sie spot­te­te über de­ren Feig­heit, nann­te sie mit ver­ächt­li­chen Na­men wie Hi­stah, die Schlan­ge, und Dan­go, die Hyä­ne. Sie droh­te, sie wer­de Mum­ga ru­fen, sie sol­le die bei­den mit dem Stock züch­ti­gen – Mum­ga, die so alt war, dass sie nicht ein­mal mehr klet­tern konn­te und so zahn­los, dass sie sich mit ih­rem Fut­ter be­reits auf Bana­nen und Rau­pen be­schrän­ken muss­te! Die Af­fen rings­um hör­ten es und lach­ten. Taug war wü­tend. Er mach­te einen plötz­li­chen Sprung auf Tar­zan zu, aber der jun­ge Af­fen­mensch hüpf­te flink zur Sei­te, ließ ihn vor­bei, dreh­te sich so schnell wie eine Kat­ze und kam ihm in den Rücken. Im An­sprin­gen hob er das Jagd­mes­ser über den Kopf und hieb ge­fähr­lich nach Taugs Ge­nick. Der Affe dreh­te sich, um der Waf­fe zu ent­ge­hen, so­dass ihn die schar­fe Klin­ge nur an der Schul­ter streif­te.

Das flie­ßen­de rote Blut rief einen schril­len Schrei des Ent­zückens auf Tee­kas Lip­pen. Ha! das war doch ein­mal et­was wert! Sie sah sich um, ob die an­de­ren auch die­sen Be­weis ih­rer Be­liebt­heit be­merkt hat­ten. He­le­na von Tro­ja war kein biss­chen stol­zer als Tee­ka in die­sem Au­gen­blick.

Wäre Tee­ka nicht so sehr mit der Be­frie­di­gung ih­rer Ei­tel­keit be­fasst ge­we­sen, dann hät­te sie wohl das Ra­scheln der Blät­ter im Bau­me über sich be­mer­ken müs­sen – der Wind konn­te die­ses Ra­scheln nicht ver­ur­sacht ha­ben, denn es weh­te kein Wind. Und hät­te sie auf­ge­blickt, dann hät­te sie ge­se­hen, dass ein ge­schmei­di­ger Kör­per ge­ra­de über ihr kau­er­te und dass ein Paar bos­haf­te, gel­be Au­gen hung­rig auf sie her­un­ter­blick­ten. Aber Tee­ka sah nicht auf.

Der ver­wun­de­te Taug ging mit fürch­ter­li­chem Knur­ren et­was zu­rück. Tar­zan folg­te ihm, be­schimpf­te ihn und schwang dro­hend sein Mes­ser. Tee­ka kam un­ter dem Bau­me her­vor, um den zwei Duel­lan­ten mög­lichst nahe zu blei­ben.

Der Zweig über Tee­ka schwank­te und bog sich et­was, als sich der lau­ern­de Kör­per dar­auf streck­te. Taug hat­te jetzt halt ge­macht und be­rei­te­te sich für eine neue Run­de vor, wäh­rend ihm der Schaum auf den Lip­pen stand. Zu ei­nem neu­en An­griff be­reit, senk­te er den Kopf. Dann streck­te er die Arme aus. Wenn er erst sei­ne mäch­ti­gen Hän­de auf die wei­che, brau­ne Haut le­gen konn­te, dann war der Sieg sein. Taug be­trach­te­te Tar­zans Kampf­wei­se als un­schön. Je­ner woll­te sich nicht auf ein Hand­ge­men­ge ein­las­sen und schlüpf­te im­mer ge­wandt ge­ra­de un­ter Taugs mus­ku­lö­sen Fin­gern weg.

Da der jun­ge Af­fen­mensch sei­ne Kräf­te bis­her noch nicht ernst­lich, an­ders als im Spie­le, mit ei­nem Af­fen­bul­len ge­mes­sen hat­te, war er nicht recht si­cher, ob es ge­ra­ten sei, sei­ne Mus­keln in ei­nem Rin­gen um Le­ben und Tod auf die Pro­be zu stel­len. Nicht als ob er Furcht ge­habt hät­te; Tar­zan kann­te kei­ne Furcht. Aber der Selbs­t­er­hal­tungs­trieb warn­te ihn. Er setz­te nur et­was aufs Spiel, wenn es nö­tig war; dann schreck­te er aber auch vor nichts zu­rück.

Sei­ne ei­ge­ne Kamp­fes­wei­se ent­sprach am bes­ten sei­ner Ge­stalt und Be­waff­nung. So stark und scharf sei­ne Zäh­ne wa­ren, als An­griffs­waf­fen wa­ren sie im Ver­gleich mit den mäch­ti­gen Fän­gen der Men­schen­af­fen arm­se­lig. Aber so im He­rum­tan­zen, ge­ra­de au­ßer dem Be­reich des Geg­ners konn­te Tar­zan mit sei­nem lan­gen, schar­fen Jagd­mes­ser un­be­grenz­tes Un­heil zu­fü­gen und gleich­zei­tig den vie­len, ge­fähr­li­chen und schmerz­haf­ten Wun­den ent­ge­hen, die ihm si­cher ge­we­sen wä­ren, wenn ihn der Af­fen­bul­le in die Fin­ger be­kom­men hät­te.

Wie­der griff Taug an und brüll­te wie ein Stier, und wie­der tanz­te Af­fentar­zan leicht da­hin und dort­hin, rief sei­nem Geg­ner Aus­drücke vom »Dschun­gel­fisch­markt« zu und ritz­te ihn hin und wie­der mit dem Mes­ser.

Ge­le­gent­lich mach­ten die bei­den Kämp­fer Pau­sen, wenn sie sich ein­an­der nach Atem rin­gend be­sa­hen und Witz und Kräf­te für einen neu­en Gang zu­sam­men­nah­men. Als sie wie­der eine sol­che Pau­se mach­ten, sah Taug zu­fäl­lig über sei­nen Feind hin­weg. So­gleich än­der­te sich das gan­ze Be­neh­men des Af­fen. Statt der Wut brach­ten sei­ne Züge Angst zum Aus­druck.

Mit ei­nem Schrei, der je­dem Af­fen wohl­be­kannt war, dreh­te sich Taug um und floh. Eine Fra­ge war un­nö­tig – sein War­nungs­ruf mel­de­te die Nähe ih­res Erb­fein­des.

Tar­zan setz­te zur ret­ten­den Flucht an wie die an­de­ren Mit­glie­der des Stam­mes, als er hör­te, wie sich das Fau­chen des Leo­par­den mit dem Angst­schrei ei­ner Äf­fin misch­te. Auch Taug hör­te es, aber er hielt nicht an.

An­ders der Jun­ge. Er sah her­um, ob ir­gend­ein Mit­glied der Hor­de von dem Raub­tier nahe be­droht war und be­kam einen mäch­ti­gen Schre­cken.

Es war Tee­ka, die vor Ent­set­zen ge­schri­en hat­te, denn als sie nach dem nächs­ten Baum jen­seits der Lich­tung eil­te, lief ihr Shee­ta, der Leo­pard, in kur­z­en ele­gan­ten Sprün­gen nach. Shee­ta schi­en gar kei­ne Eile zu ha­ben. Sein Mahl war ihm si­cher, denn selbst wenn der Affe die Bäu­me vor ihm er­reich­te, hat­te er ihn trotz­dem noch, ehe er aus dem Be­reich sei­ner Pran­ken hoch­klet­tern konn­te.

Tar­zan sah, dass Tee­ka ster­ben muss­te. Er schrie Taug und den an­de­ren Bul­len zu, sie soll­ten Tee­ka zu Hil­fe ei­len, wäh­rend er sich, hin­ter der ver­fol­gen­den Kat­ze her­ren­nend, das Wurf­seil ab­nahm. Tar­zan wuss­te, wenn er die großen Bul­len her­an­ho­len konn­te, gab es kei­nen im Dschun­gel, nicht ein­mal den Lö­wen Numa, der be­son­de­re Lust ver­spürt hät­te, sich mit ih­nen zu mes­sen, und wenn alle, die von der Hor­de eben an­we­send wa­ren, zum An­griff vor­gin­gen, dann wür­de Shee­ta, die große Kat­ze, da­von­ren­nen, wenn ihr das Le­ben lieb wäre.

Taug hör­te den Ruf so gut wie die an­de­ren, aber kei­ner kam Tar­zan zu Hil­fe oder zur Ret­tung Tee­kas, und Shee­ta ver­kürz­te rasch den Ab­stand zwi­schen sich und sei­ner Beu­te.

Der Kna­be sprang hin­ter dem Leo­par­den her und schrie das Tier laut an, um es von Tee­ka ab­zu­brin­gen, oder sei­ne Auf­merk­sam­keit so lan­ge ab­zu­zie­hen, bis die Äf­fin sich auf die hö­he­ren Zwei­ge ge­ret­tet hat­te, wo­hin der Leo­pard sich nicht wag­te. Er rief Shee­ta je­den Schimpf­na­men zu, der ihm ein­fiel. Er for­der­te ihn auf, zu blei­ben und mit ihm zu kämp­fen. Aber Shee­ta lief un­be­irrt hin­ter dem schmack­haf­ten Bis­sen her, den er jetzt bei­na­he in Reich­wei­te hat­te. Tar­zan war nicht weit zu­rück und hol­te auf, aber die Ent­fer­nung war nur noch so kurz, dass er kaum hof­fen konn­te, das Raub­tier zu über­ho­len, ehe es Tee­ka zu Bo­den schlug. Mit der rech­ten Hand schwang der Kna­be sein Grasseil über dem Kopf, aber er hat­te Furcht vor ei­nem Fehl­wurf, weil die Ent­fer­nung grö­ßer war als die, wel­che er bis­her au­ßer zur Übung ge­wor­fen hat­te. Die vol­le Reich­wei­te sei­nes Grasseils trenn­te ihn noch von Shee­ta, aber es blieb ihm nichts wei­ter üb­rig. Er konn­te nicht an die Sei­te der Bes­tie kom­men, ehe sie Tee­ka über­holt hat­te; er muss­te den Wurf wa­gen.

Eben jetzt sprang Tee­ka nach dem un­ters­ten Zweig ei­nes großen Bau­mes und Shee­ta flog mit ei­nem lan­gen, ge­schmei­di­gen Sat­ze da­hin­ter hoch, da schoss die Sch­lin­ge des Kna­ben blitz­schnell durch die Luft, das Seil streck­te sich zu ei­ner ge­ra­den, dün­nen Li­nie, als die of­fe­ne Sch­lin­ge über dem wil­den Kopf und dem fau­chen­den Ra­chen einen Au­gen­blick still­stand. Dann fiel sie – haar­scharf saß sie um den brau­nen Na­cken, Tar­zan zog mit kur­z­em Ruck der Wurf­hand die Sch­lin­ge fest und stemm­te sich ge­gen den Stoß, der kom­men muss­te, so­bald Shee­tas Wucht das Seil spann­te.

Um Haa­res­brei­te hin­ter Tee­kas glat­tem Rumpf feg­ten die grau­sa­men Tat­zen durch die Luft, als sich das Seil straff­te und Shee­ta plötz­lich zum Hal­ten brach­te – ei­nem Halt, der das Tier auf den Rücken riss. Wie ein Ge­dan­ke war Shee­ta wie­der hoch – die Au­gen glüh­ten, der Schwanz peitsch­te, der of­fe­ne Ra­chen ent­sand­te Schreie der Wut und Ent­täu­schung. Da, kaum vier­zig Fuß vor sich sah er den Af­fen­jun­gen, die Ur­sa­che sei­nes Fehl­sprun­ges, und Shee­ta griff an.

Tee­ka war mitt­ler­wei­le in Si­cher­heit, so viel hat­te Tar­zan mit ei­nem ra­schen Blick nach dem Baum ge­se­hen, des­sen Schutz sie nicht einen Au­gen­blick zu früh ge­won­nen hat­te. Shee­ta kam an. Es war zweck­los, das Le­ben in ei­nem eit­len und un­glei­chen Kampf zu wa­gen, bei dem nichts Gu­tes her­aus­kom­men konn­te; aber wie den Kampf mit der wü­ten­den Kat­ze ver­mei­den? Und wenn er zum Kamp­fe ge­zwun­gen war, wel­che Aus­sicht hat­te er, ihn zu über­le­ben? Tar­zan muss­te zu­ge­ben, dass sei­ne Lage nicht ge­ra­de be­nei­dens­wert war. Die Bäu­me wa­ren zu fern, um sie recht­zei­tig vor der Kat­ze zu er­rei­chen. Tar­zan konn­te nur noch die­sem fürch­ter­li­chen An­griff die Stir­ne bie­ten. Sei­ne Rech­te hielt das Jagd­mes­ser – ein win­zi­ges, wert­lo­ses Ding ge­gen die ge­wal­ti­gen Rei­hen mäch­ti­ger Fän­ge in Shee­tas furcht­ba­rem Ra­chen und ge­gen die schar­fen, in den wei­chen Tat­zen ver­bor­ge­nen Kral­len. Doch der jun­ge Lord Grey­sto­ke be­geg­ne­te ih­nen mit der­sel­ben mut­vol­len Er­ge­bung, mit wel­cher sich sei­ne furcht­lo­sen Ah­nen bei Has­tings von dem Sen­lac Hill hin­ab in Nie­der­la­ge und Tod stürz­ten.

Von ih­ren si­che­ren Baum­wip­feln aus sa­hen die großen Af­fen zu, kreisch­ten has­s­er­füllt auf Shee­ta und ga­ben Tar­zan gute Ratschlä­ge, denn na­tur­ge­mäß zei­gen die Vor­fah­ren des Men­schen schon vie­le mensch­li­che Cha­rak­ter­zü­ge. Tee­ka war zu Tode er­schro­cken. Sie schrie den Bul­len zu, sie soll­ten Tar­zan zu Hil­fe kom­men, aber die Bul­len wa­ren ge­ra­de an­der­wei­tig be­schäf­tigt – haupt­säch­lich auf Ge­sicht­er­schnei­den und Er­tei­len gu­ter Ratschlä­ge. Au­ßer­dem war Tar­zan gar kein rich­ti­ger Man­ga­ni, warum soll­ten sie also beim Ver­su­che, ihn zu be­schüt­zen, ihr Le­ben aufs Spiel set­zen?

Da, nun war Shee­ta schon auf dem wei­chen, nack­ten Leib und – der Leib war nicht mehr da. Flink war die große Kat­ze, der Kna­be war flin­ker. Als sich die Fän­ge des Leo­par­den fast schon in ihn gru­ben, schnell­te er zur Sei­te, und wäh­rend Shee­ta im Schwung über die Stel­le hin­aus­schoss, ras­te Tar­zan nach dem Si­cher­heit bie­ten­den nächs­ten Baum.

Der Leo­pard fing sich so­fort, wen­de­te und flog, das Seil des Jun­gen auf dem Bo­den nach sich schlep­pend, hin­ter sei­ner Beu­te her. Als Shee­ta im Bo­gen hin­ter Tar­zan her­sprang, muss­te er um einen klei­nen Busch her­um. Für ein Dschun­gel­tier von Shee­tas Grö­ße und Ge­wicht war das so viel wie kein Hin­der­nis – wenn kein mit­ge­schlepp­tes Seil im Wege war. Aber Shee­ta hat­te das Seil als Hin­der­nis, und als er wie­der dem Af­fentar­zan nach­sprang, schlang sich die Lei­ne um den klei­nen Busch, ver­wi­ckel­te sich dar­in und nö­tig­te den Leo­par­den zu ei­nem ruck­wei­sen Hal­ten. Ei­nen Au­gen­blick spä­ter be­fand sich Tar­zan auf den hö­he­ren Zwei­gen ei­nes Bau­mes, auf die ihm Shee­ta nicht fol­gen konn­te, in Si­cher­heit.

Dort saß er und schleu­der­te Zwei­ge und Schimpf­wor­te auf das un­ten ra­sen­de Kat­zen­tier. Nun nah­men auch die üb­ri­gen Glie­der der Hor­de die Be­schie­ßung auf und war­fen an har­ten Früch­ten und dür­ren Zwei­gen hin­ab, was sie fin­den konn­ten, bis Shee­ta in sei­ner Ra­se­rei wie toll nach dem Grasseil biss und so schließ­lich sei­ne Fes­sel zer­trenn­te. Eine Zeit lang starr­te der Leo­pard noch von ei­nem sei­ner Quä­ler zum an­de­ren, bis er mit ei­nem letz­ten Wut­schrei im Ur­wald­dickicht ver­schwand.

Eine hal­be Stun­de spä­ter war wie­der der gan­ze Stamm un­ten auf dem Bo­den bei der Nah­rungs­su­che, als ob nichts die dump­fe Ein­tö­nig­keit des Le­bens un­ter­bro­chen hät­te. Tar­zan hat­te den größ­ten Teil sei­nes Sei­les wie­der­ge­fun­den und brach­te eif­rig eine neue Sch­lin­ge an, wäh­rend Tee­ka dicht ne­ben ihm hock­te als of­fen­sicht­li­ches An­zei­chen, dass sie ihre Wahl ge­trof­fen hat­te.

Taug sah die bei­den mür­risch an. Ein­mal kam er nä­her, da fletsch­te Tee­ka ihre Zäh­ne und knurr­te ihn an, und Tar­zan zeig­te mit bös­ar­ti­gem Schnar­ren sei­ne Fang­zäh­ne. Aber Taug such­te kei­nen neu­en Streit. Nach der Ge­wohn­heit sei­ner Art­ge­nos­sen nahm er au­gen­schein­lich die Ent­schei­dung des Weib­chens als Hin­weis, dass er im Kampf um ihre Gunst be­siegt wor­den war.

Spät am Tage hat­te Tar­zan sein Wurf­seil aus­ge­bes­sert und nahm sei­nen Weg durch die Bäu­me, um zu ja­gen. Mehr als sei­ne Ge­fähr­ten trug er Ver­lan­gen nach Fleisch, und wäh­rend sie mit Früch­ten, Kräu­tern und Kerb­tie­ren zu­frie­den wa­ren, die sie ohne be­son­de­re Mühe fin­den konn­ten, ver­brach­te Tar­zan den größ­ten Teil sei­ner Zeit auf der Jagd nach Wild, des­sen Fleisch al­lein den An­sprü­chen sei­nes Ma­gens ge­nüg­te und den mäch­ti­gen Mus­keln, die sich je­den Tag stär­ker un­ter sei­ner glat­ten, brau­nen Haut ent­wi­ckel­ten, Nah­rung und Kraft lie­fer­te.

Taug sah ihn auf­bre­chen und kam ganz zu­fäl­lig auf der Nah­rungs­su­che im­mer mehr in Tee­kas Nähe. Als er nur noch ei­ni­ge Fuß von ihr ent­fernt war und nach ihr hin­über­schiel­te, sah er, dass sie kei­ner­lei Är­ger zeig­te und sei­ne An­nä­he­rung an­schei­nend bil­lig­te. Taug warf sich in die brei­te Brust und stol­zier­te auf sei­nen kur­z­en Bei­nen um­her, wo­bei er aus sei­ner Keh­le merk­wür­di­ge, knur­ren­de Geräusche her­vor­hol­te. Jetzt hob er die Lip­pen und bleck­te die Zäh­ne. Nein, was für große, wun­der­schö­ne Fang­zäh­ne er hat­te! Tee­ka muss­te das wirk­lich fest­stel­len. Dann ließ sie ihre Au­gen voll Be­wun­de­rung auf Taugs mäch­ti­gen Brau­en und sei­nem kur­z­en, star­ken Na­cken ru­hen. Was für ein Pracht­ge­schöpf er doch war!

Durch die un­ver­hehl­te Be­wun­de­rung in ih­ren Au­gen fühl­te sich Taug ge­schmei­chelt und be­gann so stolz und ei­tel wie ein Pfau her­um­zu­stol­zie­ren. Dann zähl­te er für sich sei­nen Be­stand an Vor­zü­gen auf und bald ver­glich er sie mit de­nen sei­nes Ne­ben­buh­lers.

Taug grunz­te: da war nichts zu ver­glei­chen! Wie konn­te man sein schö­nes Fell mit der glat­ten, nack­ten Scheuß­lich­keit von Tar­zans haar­lo­ser Haut ver­glei­chen? Wer konn­te an des Tar­man­ga­ni spit­zer Nase et­was Schö­nes fin­den, wenn er Taugs brei­te Nüs­tern ge­se­hen hat­te? Und erst Tar­zans Au­gen! Häss­li­che Din­ger, die das Wei­ße se­hen lie­ßen und kein Spür­chen ro­ten Rand hat­ten! Taug wuss­te, wie schön sei­ne ei­ge­nen blut­un­ter­lau­fe­nen Au­gen wa­ren, denn er hat­te sie oft schon in der glat­ten Ober­flä­che ei­nes trän­ken­den Was­ser­tüm­pels spie­geln se­hen.

Der Affe schlich nä­her an Tee­ka und drück­te sich schließ­lich eng an ihre Sei­te. Als Tar­zan bald da­nach von sei­ner Jagd zu­rück­kam, sah er, wie Tee­ka sei­nem Ri­va­len zu­frie­den den Rücken kratz­te.

Tar­zan war em­pört. We­der Taug noch Tee­ka sa­hen es, als er aus den Bäu­men auf die Wald­wie­se her­aus­kam. Er schau­te ih­nen einen Au­gen­blick zu, dann wen­de­te er sich mit sei­ner jam­mer­vol­len Gri­mas­se ab und ver­schwand wie­der in dem Ge­wirr be­laub­ter Zwei­ge und Moos­gir­lan­den, aus de­nen er auf­ge­taucht war.

Tar­zan wünsch­te sich von der Ur­sa­che sei­nes Her­ze­lei­des so weit fort wie mög­lich. Er er­litt die ers­ten Sti­che ver­schmäh­ter Lie­be und wuss­te nicht ein­mal ganz ge­nau, was ei­gent­lich mit ihm los war. Er glaub­te erst, es sei Är­ger über Taug, aber dann ver­stand er nicht, warum er da­von­ge­lau­fen war, statt sich zum töd­li­chen Kamp­fe auf den Zer­stö­rer sei­nes Glücks zu stür­zen.

Dann dach­te er wie­der, es sei wohl Är­ger über Tee­ka, aber die Vor­stel­lung ih­rer vie­len Schön­hei­ten ver­folg­te ihn, so­dass sie ihm wie­der nur im Lich­te der Lie­be als das be­geh­rens­wer­tes­te Ding auf der Welt er­schi­en.

Dem Af­fen­kna­ben fehl­te Zu­nei­gung. Von sei­ner Kind­heit bis zur­zeit ih­res To­des, als Ku­lon­gas ver­gif­te­ter Pfeil ihr wil­des Herz durch­bohr­te, war Kala für den eng­li­schen Kna­ben die ein­zi­ge ge­we­sen, für die er An­häng­lich­keit emp­fin­den konn­te.

Kala hat­te ih­ren an­ge­nom­me­nen Sohn in ih­rer wil­den, rau­en Art ge­liebt und Tar­zan hat­te die­se Lie­be er­wi­dert, ob­gleich die äu­ßer­li­chen Zei­chen da­von nicht grö­ßer wa­ren, als man es auch von je­dem an­de­ren Dschun­gel­tier er­war­ten konn­te.

Erst als er ih­rer be­raubt war, wuss­te der Jun­ge, wie in­nig er an sei­ner Mut­ter, denn da­für hielt er sie, ge­han­gen hat­te.

In Tee­ka hat­te er in den letz­ten paar Stun­den einen Er­satz für Kala ge­se­hen – et­was, für das er kämp­fen, für das er ja­gen konn­te – et­was, das er lieb­ko­sen konn­te! Nun war sein Traum zer­bro­chen. Ir­gen­det­was in der Brust tat ihm weh. Er leg­te die Hand auf das Herz und frag­te sich ver­wun­dert, was ihm denn ge­sche­hen war. Ganz un­be­stimmt fühl­te er, dass er sei­nen Schmerz Tee­ka zu­zu­schrei­ben habe. Je mehr er dar­an dach­te, wie er zu­letzt Tee­kas Lieb­ko­sung für Taug ge­se­hen, de­sto we­her tat ihm das Ding in der Brust.

Tar­zan schüt­tel­te den Kopf und brumm­te. Im­mer wei­ter durch den Dschun­gel schwang er sich, und je wei­ter er zog und je mehr er über das er­lit­te­ne Un­recht nach­dach­te, de­sto nä­her war er dar­an, un­wi­der­ruf­lich ein Wei­ber­feind zu wer­den.

Vol­le zwei Tage spä­ter jag­te er im­mer noch al­lein – recht mür­risch und recht un­glück­lich; er war ent­schlos­sen, nie wie­der zur Hor­de zu­rück­zu­keh­ren. Er konn­te den Ge­dan­ken nicht er­tra­gen, Taug und Tee­ka stets bei­ein­an­der se­hen zu müs­sen. Als er sich ge­ra­de auf einen großen Ast schwang, schrit­ten Numa, der Löwe, und Sa­bor, die Lö­win, un­ter ihm durch. Sei­te an Sei­te gin­gen sie und Sa­bor lehn­te sich an den Lö­wen und biss ihn im Spiel in die Wan­ge. Es war eine hal­be Zärt­lich­keit. Tar­zan seufz­te und schleu­der­te ih­nen eine Nuss nach.

Nach­her stieß er auf meh­re­re von Mbon­gas schwar­zen Krie­gern. Er woll­te schon ei­nem, der sich et­was von den an­de­ren ent­fernt hat­te, sei­ne Sch­lin­ge um den Hals wer­fen, als ihn der Ge­gen­stand an­zog, mit dem sich die Schwar­zen be­schäf­tig­ten. Sie bau­ten auf der Wild­fähr­te einen Kä­fig und be­deck­ten ihn mit be­laub­ten Zwei­gen. Als sie ihr Werk be­en­det hat­ten, war der Bau kaum noch zu se­hen.

Tar­zan wun­der­te sich, wozu das Ding die­nen soll­te und warum sei­ne Er­bau­er nach der Fer­tig­stel­lung wie­der den Wild­pfad hin­ab nach ih­rem Dor­fe zu­rück­gin­gen.

Es war ei­ni­ge Zeit her, seit Tar­zan die Schwar­zen be­sucht und sich aus der De­ckung des großen Bau­mes über der Pa­li­sa­de die Be­schäf­ti­gun­gen sei­ner Fein­de, de­ren ei­ner Kala er­mor­de­te, wie­der an­ge­se­hen hat­te. Ob­gleich er sie hass­te, ver­schaff­te es ihm doch vie­le Un­ter­hal­tung, ihr täg­li­ches Le­ben im Dor­fe, be­son­ders bei den Tän­zen, zu be­lau­schen, wenn der Feu­er­schein auf den nack­ten Kör­pern spiel­te, die im Ge­tüm­mel des Schein­kampfs spran­gen und sich bo­gen und dreh­ten. Wohl in der Hoff­nung, et­was Der­ar­ti­ges zu se­hen zu be­kom­men, folg­te er ih­nen bis zum Dor­fe, aber er war ent­täuscht. Die­se Nacht fand kein Tanz statt.

Da­für sah Tar­zan aus sei­nem si­che­ren Baum­ver­steck, wie klei­ne Grup­pen, um Feu­er­chen hockend, die Ta­ge­s­er­eig­nis­se be­spra­chen, wäh­rend er in den dunk­le­ren Ecken des Dor­fes ein­zel­ne Paa­re er­späh­te, die mit­ein­an­der lach­ten und schwatz­ten. Und im­mer war ei­ner von dem Paa­re ein jun­ger Mann und das an­de­re ein jun­ges Weib.

Tar­zan neig­te den Kopf auf die Sei­te und über­leg­te. Ehe er in die­ser Nacht in ei­ner Ast­ga­bel des großen Bau­mes am Dor­fe ein­sch­lief, er­füll­te ihn der Ge­dan­ke an Tee­ka und nach­her träum­te er von ihr – von ihr und den jun­gen Schwar­zen, die mit den jun­gen Ne­ger­mäd­chen lach­ten und scherz­ten.

Taug hat­te sich beim Al­le­in­ja­gen et­was von dem üb­ri­gen Stamm ent­fernt. Er strich lang­sam eine Ele­fan­ten­fähr­te ent­lang, als er ent­deck­te, dass sie an eine Stel­le von Pflan­zen ver­wach­sen war. Nun war der er­wach­se­ne Taug ein übel­lau­ni­ges, un­ge­dul­di­ges Tier ge­wor­den. Wenn ihn et­was hin­der­te, dach­te er nur dar­an, das Hin­der­nis durch rohe Kraft und Wild­heit zu be­sei­ti­gen. Als er da­her jetzt den Weg ver­sperrt sah, riss er är­ger­lich an dem Vor­hang aus Zwei­gen, fand sich als­bald in ei­nem wun­der­li­chen Raum und fand wei­ter, dass der Durch­gang ver­sperrt war und dass er trotz hef­tigs­ter An­stren­gung nicht durch­bre­chen konn­te.

Taug biss und schlug nach dem Git­ter und ge­riet zu­letzt in eine fürch­ter­li­che Wut, aber es nütz­te ihm al­les nichts; schließ­lich sah er ein, dass er um­keh­ren muss­te. Aber als er es tun woll­te, fand er zu sei­nem Grimm, dass ein an­de­res Git­ter hin­ter ihm her­ab­ge­fal­len war, wäh­rend er das vor­de­re hat­te nie­der­bre­chen wol­len! Taug saß in der Fal­le. Er kämpf­te ver­zwei­felt bis zur völ­li­gen Er­schöp­fung um sei­ne Frei­heit, aber es war ganz ver­geb­lich.

Am Mor­gen rück­te aus Mbon­gas Dorf eine Ab­tei­lung Schwar­zer nach der tags zu­vor ge­bau­ten Fal­le ab, wäh­rend ein nack­ter jun­ger Rie­se, von der Neu­gier­de der wil­den Ge­schöp­fe er­füllt, in den Zwei­gen über ih­nen schweb­te. Manu, das Äff­chen schnat­ter­te und schalt, als Tar­zan vor­bei­kam, und ob­gleich er die wohl­be­kann­te Ge­stalt des Af­fen­jun­gen nicht fürch­te­te, zog er doch den klei­nen brau­nen Kör­per sei­ner Le­bens­ge­fähr­tin en­ger an sich. Tar­zan lach­te, als er das sah, aber nach dem La­chen zog eine Wol­ke über sein Ge­sicht und er seufz­te tief.

Ein paar Schrit­te wei­ter stol­zier­te ein Vo­gel in bun­tem Pracht­ge­fie­der vor den be­wun­dern­den Au­gen sei­nes dun­kel­far­bi­gen Weib­chens um­her. Es kam Tar­zan vor, als ob sich al­les im Dschun­gel ver­ei­nigt hät­te, um ihn an Tee­kas Ver­lust zu er­in­nern; sonst hat­te er die­se Din­ge je­den Tag ge­se­hen und sich nichts da­bei ge­dacht.

Als die Schwar­zen die Fal­le er­reich­ten, mach­te Taug einen mäch­ti­gen Aufruhr. Er pack­te die Stan­gen sei­nes Ge­fäng­nis­ses und schüt­tel­te sie wahn­sin­nig, wäh­rend er ohne Auf­hö­ren brüll­te oder schreck­lich knurr­te. Die Schwar­zen wa­ren ganz über­mü­tig vor Freu­de, denn ob­gleich sie ihre Fal­le nicht für die­sen haa­ri­gen Baum­mann ge­baut hat­ten, wa­ren sie doch ent­zückt über ih­ren Fang.

Tar­zan spitz­te die Ohren. Als er die Stim­me ei­nes großen Af­fen hör­te, schlug er rasch einen Bo­gen, bis er un­ter Wind der Fal­le war und such­te in der Luft nach der Wit­te­rung des Ge­fan­ge­nen. Nach kur­z­er Frist drang in sei­ne fei­ne Nase ein ver­trau­ter Ge­ruch, der ihm so untrüg­lich, als es sei­ne Au­gen ge­konnt hät­ten, Taug als den Ge­fan­ge­nen an­gab. Ja­wohl, Taug war es, und zwar al­lein.

Tar­zan lach­te und nä­her­te sich, um fest­zu­stel­len, was die Schwar­zen mit ih­rem Ge­fan­ge­nen vor­hat­ten. Ohne Zwei­fel wür­den sie ihn so­fort tö­ten. Wie­der freu­te sich Tar­zan. Jetzt hat­te er Tee­ka für sich und kei­ner wür­de sie ihm mehr strei­tig ma­chen kön­nen. Er be­ob­ach­te­te noch, wie die Schwar­zen die Zwei­ge vom Kä­fig nah­men, Sei­le an­brach­ten und den Kä­fig nach dem Dor­fe zu die Wild­fähr­te hin­ab­schleif­ten.

Tar­zan war­te­te, bis sein Ne­ben­buh­ler au­ßer Sicht kam, der im­mer an den Git­ter­stä­ben rüt­tel­te und sei­nen Zorn und sei­ne Dro­hun­gen durch Knur­ren kund­gab. Dann wand­te sich der Af­fen­jun­ge um und mach­te sich rasch auf die Su­che nach der Hor­de und nach Tee­ka.

Un­ter­wegs über­rasch­te er Shee­ta und sei­ne Fa­mi­lie auf ei­ner klei­nen, halb­ver­wach­se­nen Lich­tung. Das große Männ­chen lag aus­ge­streckt auf dem Bo­den, wäh­rend das Weib­chen sei­nem Herrn eine Tat­ze über das wil­de Ge­sicht leg­te und ihm den wei­chen, wei­ßen Pelz am Hals be­leck­te.

Tar­zan ver­grö­ßer­te sei­ne Ge­schwin­dig­keit, bis er fast durch den Wald flog und traf bald auf die Hor­de. Er hat­te sie längst er­späht, ehe sie ihn er­blick­ten, denn von al­len Dschun­gel­ge­schöp­fen kam kei­nes lei­ser als Af­fentar­zan. Er sah Kam­ma mit ih­rem Ge­fähr­ten Sei­te an Sei­te, wie sie die be­haar­ten Kör­per an­ein­an­der­rie­ben. Aber er sah Tee­ka al­lein Fut­ter su­chen. Sie soll­te nicht lan­ge al­lein su­chen, dach­te Tar­zan, als er mit ei­nem Sat­ze mit­ten un­ter ih­nen er­schi­en.

Es gab ein ent­setz­tes Ren­nen, und ein Chor är­ger­li­cher und er­schreck­ter Knurr­stim­men er­tön­te, denn Tar­zan hat­te sie über­rascht. Aber es muss­te mehr als nur ein ner­vö­ses Er­schre­cken da­bei sein, sonst war nicht zu er­klä­ren, warum das Haar der Af­fen noch ge­sträubt blieb, ob­wohl sie schon lan­ge die Per­son des An­kömm­lings fest­ge­stellt hat­ten.

Tar­zan fand wie­der, wie schon so oft, dass im­mer sein plötz­li­ches Er­schei­nen un­ter ih­nen sie für lan­ge Zeit völ­lig aus der Fas­sung brach­te und dass sie sich erst be­ru­hig­ten, wenn sie ihn samt und son­ders ein hal­b­es dut­zend­mal oder öf­ter bero­chen hat­ten.

Er dräng­te sich zwi­schen ih­nen durch und ging auf Tee­ka zu; aber als er nä­her­kam, wich die Äf­fin zu­rück. Tee­ka, sag­te er, ich bin Tar­zan. Du ge­hörst Tar­zan. Ich bin dei­net­we­gen ge­kom­men.

Die Äf­fin kam nä­her und be­sah ihn sorg­fäl­tig. End­lich beroch sie ihn, wie um ganz si­cher zu ge­hen.

Wo ist Taug? frag­te sie.

Die Go­man­ga­ni ha­ben ihn, er­wi­der­te Tar­zan. Sie wer­den ihn tö­ten.

Tar­zan sah in den Au­gen des Weib­chens einen Aus­druck von Ver­ste­hen und einen trau­ri­gen Blick, als er ihr Taugs Schick­sal mit­teil­te; aber sie kam ganz nahe her­an und schmieg­te sich an ihn und Tar­zan, Lord Grey­sto­ke, leg­te sei­nen Arm um sie.

Da fuhr er auf, denn er be­merk­te die merk­wür­di­ge Un­stim­mig­keit sei­nes glat­ten, brau­nen Ar­mes ne­ben dem schwar­zen, be­haar­ten Fell sei­ner An­ge­be­te­nen. Er dach­te an die Pfo­te von Shee­tas Weib­chen über Shee­tas Ge­sicht – da war kei­ne Un­stim­mig­keit! Er dach­te, wie der klei­ne Manu sein Weib­chen an sich drück­te und wie ei­nes zu dem an­de­ren zu ge­hö­ren schi­en. Selbst das stol­ze Männ­chen der Vö­gel mit sei­nem hüb­schen Ge­fie­der trug eine ge­wis­se Ähn­lich­keit mit sei­ner ru­hi­ger ge­tön­ten Ge­fähr­tin zur Schau. Auch Numa, der Löwe, war, wenn man sei­ne zot­ti­ge Mäh­ne weg­ließ, das Ge­gen­stück zur Lö­win Sa­bor. Zwi­schen Männ­chen und Weib­chen be­stan­den wohl Un­ter­schie­de, aber nicht so große, wie zwi­schen Tar­zan und Tee­ka.

Tar­zan war ver­wirrt. Ir­gen­det­was stimm­te nicht. Sein Arm rutsch­te von Tee­kas Schul­ter. Ganz lang­sam wich er vor ihr zu­rück. Sie blick­te ihm mit schräg ge­hal­te­nem Kopf nach. Tar­zan er­hob sich zu sei­ner vol­len Grö­ße und schug mit den Fäus­ten auf sei­ne Brust. Er hob den Kopf zum Him­mel, öff­ne­te den Mund und stieß aus der Tie­fe der Lun­gen den wil­den, un­heim­li­chen Kampf­ruf des sieg­rei­chen Af­fen­bul­len her­vor. Der Stamm be­sah ihn mit neu­gie­ri­gen Au­gen. Er hat­te doch nichts er­legt und ein Geg­ner war auch nicht da, um sich durch den wil­den Schrei zur Kampf­toll­heit an­zu­sta­cheln! Nein, es gab wirk­lich kei­ne Ent­schul­di­gung für die­se Stö­rung, sie hiel­ten da­her stets ein Auge auf den Af­fen­menschen ge­rich­tet für den Fall, dass sein Schrei die Vor­be­rei­tung zum Amok­lau­fen war.

Sie be­ob­ach­te­ten noch, wie er sich auf einen na­hen Baum schwang und aus dem Ge­sichts­kreis ver­schwand. Dann ver­ga­ßen ihn alle wie­der; auch Tee­ka.

Mbon­gas schwar­ze Krie­ger ka­men nur lang­sam dem Dor­fe nä­her, denn sie schwitz­ten sehr bei ih­rer an­stren­gen­den Ar­beit und muss­ten oft aus­ru­hen. Je­des Mal, wenn sie den Kä­fig be­weg­ten, knurr­te und brüll­te das wil­de Tier in dem roh­ge­bau­ten Kä­fig und trom­mel­te an den Stä­ben. Es war ein fürch­ter­li­cher Lärm.

Die Schwar­zen hat­ten ih­ren Weg fast be­en­det und ruh­ten zum letz­ten Male aus, ehe sie die Lich­tung er­reich­ten, auf wel­cher ihr Dorf lag. Ein paar wei­te­re Mi­nu­ten wür­den sie aus dem Wal­de ge­bracht ha­ben, und dann wür­de wahr­schein­lich das, was nun kam, nicht ein­ge­tre­ten sein. Eine schwei­gen­de Ge­stalt husch­te über ih­nen durch die Bäu­me. Schar­fe Au­gen prüf­ten den Kä­fig und zähl­ten die Krie­ger. Ein er­find­sa­mes und wa­ge­hal­si­ges Ge­hirn er­wog die Mög­lich­keit des Er­fol­ges, wenn ein ge­wis­ser Plan nö­tig wur­de.

Tar­zan be­ob­ach­te­te, wie die Schwar­zen im Schat­ten ruh­ten. Sie wa­ren er­schöpft. Ei­ni­ge schlie­fen be­reits. Er kroch nä­her, hielt schon über ih­nen. Kein Blätt­chen ra­schel­te bei sei­nem be­hut­sa­men Vor­rücken. Mit der un­er­schöpf­li­chen Ge­duld des Raub­tie­res war­te­te er. Jetzt wa­ren nur noch zwei Krie­ger wach und ei­ner der bei­den war be­reits schlaf­trun­ken. Af­fentar­zan zog sich zum An­griff zu­sam­men, als der nicht ein­ge­schla­fe­ne Schwar­ze auf­stand und um den Kä­fig her­um­ging. Der Jun­ge blieb über sei­nem Kopf. Taug folg­te dem Krie­ger mit den Au­gen und knurr­te laut, so­dass Tar­zan fürch­te­te, der Men­schen­af­fe wer­de die Schla­fen­den we­cken.

In ei­nem den Ohren des Ne­gers un­hör­ba­ren Flüs­tern nann­te Tar­zan Taug beim Na­men, emp­fahl ihm Schwei­gen, und Taugs Knur­ren ver­stumm­te.

Der Schwar­ze ging an die Rück­sei­te des Kä­figs, um die Be­fes­ti­gung zu prü­fen, und als er dort stand, stürz­te sich der Af­fen­mensch über ihm vom Bau­me ge­ra­de auf sei­nen Na­cken. Stäh­ler­ne Fin­ger um­klam­mer­ten sei­nen Hals, den Schrei er­sti­ckend, der sich über die Lip­pen des er­schro­cke­nen Man­nes rin­gen woll­te, star­ke Zäh­ne gru­ben sich in sei­ne Schul­ter und kraft­vol­le Bei­ne wan­den sich um sei­nen Rumpf.

Der vor Angst wahn­sin­ni­ge Schwar­ze such­te das stil­le, auf sei­nem Rücken hän­gen­de Et­was los­zu­wer­den. Er warf sich auf den Bo­den und über­kol­ler­te sich, aber die mäch­ti­gen Fin­ger nah­men ih­ren Griff im­mer en­ger und fes­ter. Der Mann riss den Mund weit auf, die ge­schwol­le­ne Zun­ge drück­te sich vor, die Au­gen tra­ten aus den Höh­len, aber die er­bar­mungs­lo­sen Fin­ger ver­stärk­ten ih­ren Druck noch.

Taug war schweig­sa­mer Zeu­ge des Rin­gens. In sei­nem wil­den, klei­nen Hirn frag­te er sich zwei­fel­los, was Tar­zan be­we­gen moch­te, den Schwar­zen an­zu­grei­fen. Taug hat­te we­der den Kampf jüngst mit dem Men­schen­jun­gen noch den Grund dazu ver­ges­sen. Plötz­lich sah er die Ge­stalt des Go­man­ga­ni nach­ge­ben. Ein krampf­haf­tes Zu­cken noch und der Mann lag still. Tar­zan sprang von sei­nem Op­fer auf und lief an die Türe des Kä­figs. Mit sei­nen ge­schick­ten Fin­gern lös­te er die Rie­men, wel­che die Tür an ih­rem Plat­ze hiel­ten. Taug konn­te nur zu­se­hen, hel­fen konn­te er nicht. Gleich dar­auf stieß Tar­zan das Ding ein paar Fuß hoch und Taug kroch her­aus. Der Affe woll­te sich so­fort auf die schla­fen­den Schwar­zen stür­zen, um sein Müt­chen an ih­nen zu küh­len, aber Tar­zan dul­de­te es nicht. Statt des­sen zog der Af­fen­kna­be den be­wusst­lo­sen Schwar­zen in den Kä­fig und lehn­te ihn ge­gen das Sei­ten­git­ter. Dann ließ er die Türe wie­der her­un­ter und be­fes­tig­te die Rie­men, wie sie ge­we­sen wa­ren. Ein ver­gnüg­tes Lä­cheln er­hell­te sei­ne Züge bei die­ser Be­schäf­ti­gung, denn eine sei­ner Lieb­lings­un­ter­hal­tun­gen war es, die Schwar­zen in Mbon­gas Dorf zu pla­gen. Er stell­te sich ih­ren Schre­cken vor, wenn sie beim Er­wa­chen ih­ren to­ten Ka­me­ra­den statt des ein paar Mi­nu­ten vor­her dar­in ge­we­se­nen Men­schen­af­fen im Kä­fig ein­ge­schlos­sen fan­den.

Taug und Tar­zan schwan­gen sich in die Bäu­me, das zot­ti­ge Fell des wil­den Af­fen streif­te die glat­te Haut des eng­li­schen Lord­soh­nes, als sie zu­sam­men durch den Ur­wald zo­gen.

Geh zu Tee­ka zu­rück, sag­te Tar­zan. Sie ge­hört dir. Tar­zan braucht sie nicht.

Hat Tar­zan ein an­de­res Weib­chen ge­fun­den? frag­te Taug.

Der Jun­ge zuck­te die Schul­tern. Die Go­man­ga­ni neh­men eine an­de­re Go­man­ga­ni, Numa der Löwe hat die Lö­win Sa­bor; Shee­ta hat ein Weib­chen von sei­ner Art, so hat es Bara, der Hirsch, und Manu, das Äff­chen. Alle Tie­re und Vö­gel des Dschun­gels fin­den eine Ge­fähr­tin. Nur für Af­fentar­zan gibt es kei­ne. Taug ist ein Affe. Tee­ka ist eine Äf­fin. Geh du zu­rück zu Tee­ka. Tar­zan ist ein Mensch. Er muss al­lein blei­ben.

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Tarzan gefangen

Die schwar­zen Krie­ger ar­bei­te­ten in der feuch­ten Hit­ze müh­sam un­ter den er­sti­cken­den Schat­ten des Dschun­gels. Mit den Spee­ren lo­cker­ten sie den fes­ten dunklen Lehm und die tie­fe Lage ver­mo­der­ter Pflan­zen. Mit ih­ren Fin­ger­nä­geln kratz­ten sie die zer­klei­ner­te Erde aus der Mit­te der ur­al­ten Wald­fähr­te. Oft hiel­ten sie in der Ar­beit an, hock­ten sich auf den Rand der Gru­be, die sie an­leg­ten, ruh­ten sich aus, lach­ten und schwatz­ten. Wäh­rend sie mit ih­ren Spee­ren gru­ben, lehn­ten ihre lan­gen ova­len Schil­de aus di­cker Büf­fel­haut an den na­hen Baum­stäm­men. Ihre glat­te, schwar­ze Haut, un­ter der sich die schö­nen, vol­len Mus­keln in der run­den Form volls­ter Ge­sund­heit straff­ten, glänz­te vom Schweiß.

Eine Rie­dan­ti­lo­pe zog vor­sich­tig auf dem Wege zur Was­ser­stel­le die Fähr­te ent­lang, als ihr das Ge­läch­ter zu Ge­hör kam. Sie stand einen Au­gen­blick bis auf die wit­tern­den Nüs­tern be­we­gungs­los, dann wen­de­te sie sich und floh ge­räusch­los aus der schreck­li­chen Nähe der Men­chen.

Hun­dert Schrit­te da­von ent­fernt im Dickicht des un­durch­dring­li­chen Dschun­gels hob der Löwe Numa sei­nen mas­si­gen Kopf. Numa hat­te heu­te fast bis zum Ta­ge­s­an­bruch ge­fres­sen, so­dass er erst durch den großen Lärm ge­weckt wur­de. Jetzt hob er die Schnau­ze, zog die Luft ein und fing die schar­fe Wit­te­rung des Ried­bocks und die dump­fe des Men­schen auf. Aber Numa war wohl ge­sät­tigt. Mit ei­nem lei­sen, un­zu­frie­de­nen Grun­zen er­hob er sich und schlich da­von.

Bunt­ge­fie­der­te Vö­gel mit hei­se­ren Stim­men schos­sen von Baum zu Baum. Klei­ne Af­fen schwan­gen sich schnat­ternd und schel­tend über den schwar­zen Krie­gern durch die schwan­ken Zwei­ge. Und doch fühl­ten sich die­se al­lein, denn der gleich den Stra­ßen ei­ner Groß­stadt von My­ria­den Le­be­we­sen wim­meln­de Dschun­gel wirkt auf je­den wie der ein­sams­te Fle­cken auf Got­tes großer Welt.