TARZAN UND DER GOLDENE LÖWE - Edgar Rice Burroughs - E-Book

TARZAN UND DER GOLDENE LÖWE E-Book

Edgar Rice Burroughs

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Beschreibung

Tarzan wurde betrogen. Betäubt und hilflos fiel er in Hände der grausamen Priester von Opar - einer Stadt, deren Herkunft sich auf das untergegangene Atlantis gründet. Wieder rettet La, die Hohepriesterin des Flammengottes, Tarzan, obwohl dieser ihre Liebe nicht erwidert. Tarzan flieht mit La in das sagenhafte Tal der Diamanten, wohin ihm auch Dschadbalja, der goldene Löwe, folgt. Vor ihnen liegt ein Land, in welchem grausame Gorillas über Sklaven herrschen. Und zur gleichen Zeit schmiedet Estaban Miranda, der Tarzan zum Verwechseln ähnlich sieht, seine verräterischen Pläne.... Der Roman TARZAN UND DER GOLDENE LÖWE erschien erstmals ab Dezember 1922 (unter dem Titel TARZAN AND THE GOLDEN LION) als siebenteilige Serie im Argosy-All-Story-Weekly-Magazin. Eine erste Buchveröffentlichung folgte 1923. Der Apex-Verlag veröffentlicht TARZAN UND DER GOLDENE LÖWE in der deutschen Übersetzung von Eduard Pfeiffer, bearbeitet von Christian Dörge.

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EDGAR RICE BURROUGHS

 

Tarzans und der goldene Löwe

Siebter Band des TARZAN-Zyklus

 

 

 

Roman

 

 

Apex-Verlag

Impressum

 

 

Copyright 1922 © by Edgar Rice Burroughs.

Der Roman Tarzan And The Golden Lion ist gemeinfrei.

Copyright dieser Ausgabe © by Apex-Verlag.

Übersetzung: Eduard Pfeiffer und Christian Dörge  

(OT: Tarzan And The Golden Lion). 

Lektorat: Dr. Birgit Rehberg.

Cover: Heinz Gerster/Christian Dörge/Apex-Graphixx.

Satz: Apex-Verlag.

 

Verlag: Apex-Verlag, Winthirstraße 11, 80639 München.

Verlags-Homepage: www.apex-verlag.de

E-Mail: [email protected]

 

Alle Rechte vorbehalten.

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Der Autor 

 

TARZAN UND DER GOLDENE LÖWE 

Erstes Kapitel: Der goldene Löwe 

Zweites Kapitel: Dschadbaljas Erziehung 

Drittes Kapitel: Eine geheimnisvolle Sitzung 

Viertes Kapitel: Fußspuren 

Fünftes Kapitel: Der Betäubungstrank 

Sechstes Kapitel: Den Tod im Gefolge 

Siebtes Kapitel: Du musst ihn opfern! 

Achtes Kapitel: Baummenschen 

Neuntes Kapitel: Speertod 

Zehntes Kapitel: Tarzans Doppelgänger 

Elftes Kapitel: Der Diamantenpalast 

Zwölftes Kapitel: Die Goldbarren 

Dreizehntes Kapitel: Der flache Turm 

Vierzehntes Kapitel: Der Kampf um den Saal 

Fünfzehntes Kapitel: Die Landkarte auf dem Leopardenfell 

Sechzehntes Kapitel: Der Diamantenhort 

Siebzehntes Kapitel: Feuertod 

Achtzehntes Kapitel: Die Vergeltung naht 

Neunzehntes Kapitel: Speertod 

Zwanzigstes Kapitel: Rückkehr einer Toten 

Einundzwanzigstes Kapitel: Entkommen, um gefangen zu sein 

 

Das Buch

 

 

Tarzan wurde betrogen. Betäubt und hilflos fiel er in Hände der grausamen Priester von Opar - einer Stadt, deren Herkunft sich auf das untergegangene Atlantis gründet. Wieder rettet La, die Hohepriesterin des Flammengottes, Tarzan, obwohl dieser ihre Liebe nicht erwidert.

Tarzan flieht mit La in das sagenhafte Tal der Diamanten, wohin ihm auch Dschadbalja, der goldene Löwe, folgt. Vor ihnen liegt ein Land, in welchem grausame Gorillas über Sklaven herrschen.

Und zur gleichen Zeit schmiedet Estaban Miranda, der Tarzan zum Verwechseln ähnlich sieht, seine verräterischen Pläne....

 

Der Roman Tarzan und der goldene Löwe erschien erstmals ab Dezember 1922 (unter dem Titel Tarzan And The Golden Lion) als siebenteilige Serie im Argosy-All-Story-Weekly-Magazin. Eine erste Buchveröffentlichung folgte 1923. 

Der Apex-Verlag veröffentlicht Tarzan und der goldene Löwe in der deutschen Übersetzung von Eduard Pfeiffer, bearbeitet von Christian Dörge. 

  Der Autor

 

Edgar Rice Burroughs - * 01. September 1875, † 19. März 1950.

 

Edgar Rice Burroughs war ein US-amerikanischer Schriftsteller, der bekannt wurde als Erzähler diverser Abenteuergeschichten, die sich vor allem dem frühen Fantasy- und Science-Fiction-Genre zuordnen lassen. Die bekanntesten von ihm eingeführten - und in der Folge von anderen in zahlreichen Filmen und Comics etablierten -  Heldencharaktere sind Tarzan, John Carter, Carson Napier.

Der Sohn des Fabrikanten und Bürgerkriegsveteranen Major George Tyler Burroughs (1833–1913) und der Lehrerin Mary Evaline Zieger (1840–1920) verlebte nach dem Besuch mehrerer Privatschulen den Großteil seiner Jugend auf der Ranch seiner Brüder in Idaho.

Nach seinem Abschluss auf der Michigan Military Academy im Jahr 1895 trat Burroughs in die 7. US-Kavallerie ein. Als ein Armeearzt bei ihm einen Herzfehler diagnostizierte und er deshalb nicht Offizier werden konnte, verließ Burroughs die Armee vorzeitig im Jahr 1897 und arbeitete bis 1899 wieder auf der Ranch seines Bruders. Danach ging er zurück nach Chicago und arbeitete in der Firma seines Vaters.

Am 1. Januar 1900 heiratete Burroughs seine Jugendliebe Emma Centennia Hulbert. Das Paar bekam drei Kinder: Joan Burroughs Pierce (1908–1972), Hulbert Burroughs (1909–1991) und John Coleman Burroughs (1913–1979). Da die tägliche Routine in der Fabrik seines Vaters Burroughs nicht zufriedenstellte, verließ das Ehepaar 1904 Chicago, um abermals in Idaho zu leben. Mit seinen Brüdern, die inzwischen ihre Ranch aufgegeben hatten, versuchte er sich erfolglos als Goldgräber. Kurze Zeit später arbeitete er als Eisenbahnpolizist in Salt Lake City. Auch diesen Job gab Burroughs auf und zog mit seiner Frau wieder zurück nach Chicago, wo er eine Reihe Jobs annahm, unter anderem als Vertreter. 1911 investierte er sein letztes Geld in einer Handelsagentur für Bleistiftanspitzer und scheiterte.

Burroughs, der zu dieser Zeit an schweren Depressionen litt und, nach einigen seiner Biographen, an Selbstmord dachte, kam auf die Idee, eine Geschichte für ein Magazin zu schreiben, in dem er zuvor Anzeigen für seine Bleistiftanspitzer geschaltet hatte. Seine erste Erzählung Dejah Thoris, Princess of Mars (unter dem Pseudonym Normal Bean für das All-Story-Magazin von Thomas Metcalf geschrieben) wurde zwischen Februar und Juli 1912 als Fortsetzung veröffentlicht.

Metcalf hatte sein Pseudonym in Norman Bean geändert, und auch der Titel seiner Geschichte wurde zu Under the Moon of Mars abgewandelt. Auf Burroughs Beschwerde bezüglich der Änderungen, lenkte Metcalf ein und bot an, Burroughs nächste Geschichte unter seinem richtigen Namen zu drucken. Eine weitere Beschwerde Burroughs betraf den Zusatz For all Rights auf seinem Honorarscheck. Nach längerem Briefwechsel erreichte er, dass die 400 Dollar nur für den Erstabdruck galten.

Burroughs zweite Geschichte, The Outlaw of Torn, wurde jedoch von All-Story abgelehnt. Der große Erfolg kam mit Burroughs drittem Anlauf, Tarzan of the Apes.

Die Geschichte von Tarzan wurde ebenfalls 1912 von All-Story veröffentlicht. Burroughs schrieb in der Folgezeit immer wieder neue Tarzan-Geschichten und konnte sich - kaum zehn Jahre nach der Veröffentlichung von Tarzan of the Apes - ein riesiges Stück Land in der Nähe von Los Angeles kaufen. Selbst nach Burroughs Tod im Jahr 1950 erschienen weitere Tarzan-Geschichten. Das Landstück bei Los Angeles ist heute die Gemeinde Tarzana.

In den frühen 1930er Jahren wurde sein schriftstellerischer Erfolg allerdings immer mehr von privaten Problemen überschattet. 1934 ließ er sich scheiden und heiratete ein Jahr später Florence Dearholt. Doch schon 1942 wurde auch diese Ehe geschieden. Nach der Bombardierung von Pearl Harbor begab sich Burroughs 1941 als Kriegsreporter nach Hawaii. Nach dem Krieg kehrte er nach Kalifornien zurück, wo er, nach vielen gesundheitlichen Problemen, 1950 einem Herzanfall erlag.

 

 In Burroughs Werk vermischen sich Science Fiction und Fantasy. Er etablierte Geschichten vor einem planetarischen Hintergrund in der Science Fiction. Dabei war Burroughs bewusst, dass seine Literatur bei den Kritikern nicht ankam. Er machte auch nie ein Hehl daraus, dass er schrieb, um Geld zu verdienen.

Die Helden seiner Romane und Erzählungen haben keine Alltagsprobleme. Bei den Charakterzeichnungen schwach, sprudeln Burroughs Geschichten über vor Ideen und Action. Die Helden seiner Romane haben verschiedene Merkmale gemeinsam, beispielsweise das Geheimnis um ihre Herkunft. Entweder haben die Helden nie eine Kindheit erlebt, oder können sich nicht daran erinnern, oder aber sie sind wie Tarzan und The Cave Girl Waisen. Ein weiteres Merkmal von Burroughs Geschichten ist der, wie Brian W. Aldiss es nennt, ausgeprägte sexuelle Dimorphismus. Das jeweils dominante Geschlecht ist hässlich.

Obwohl es in den Romanen und Geschichten Burroughs von schönen, nackten Frauen nur so wimmelt, werden sexuelle Beziehungen weder angedeutet noch erwähnt. Burroughs Welt scheint eine präpubertäre zu sein. Doch ist die Jungfräulichkeit immer in Gefahr (vgl. Aldiss). Fast schon zwanghaft mutet an, dass es in den Geschichten Burroughs, die zwischen 1911 und 1915 geschrieben wurden, nicht weniger als 76 Mal zu Vergewaltigungsdrohungen kommt, die natürlich alle abgewendet werden können. Zu den Bedrohern der weiblichen Unschuld gehören verschiedene Marsianer, Sultane, Höhlenmenschen, japanische Kopfjäger und Affen.

E. F. Bleiler schreibt über Burroughs, seine Texte seien „Fantasien von Erotik und Macht.“

 

Der Apex-Verlag veröffentlicht Burroughs' Venus-Romane (in der deutschen Übersetzung von Thomas Schlück), Neu-Übersetzungen des Tarzan- und des John Carter-Zyklus sowie als deutsche Erstveröffentlichung die Pellucidar-Serie.

TARZAN UND DER GOLDENE LÖWE

 

  

 

 

 

 

  Erstes Kapitel: Der goldene Löwe

 

 

Sabor, die Löwin, säugte ihr Junges – einen kleinen fuchsroten Ball mit Flecken wie Sheeta, der Leopard. Vor der Felsenhöhle ihrer Behausung lag sie im warmen Sonnenschein und streckte sich mit halbgeschlossenen Augen behaglich auf die Seite. Trotzdem war Sabor auf der Hut. Erst waren es drei dieser kleinen fuchsroten Fellkugeln gewesen – zwei Töchter und ein Sohn – und Sabor und Numa, ihr Gebieter, waren stolz auf sie gewesen, stolz und glücklich. Aber dann hatte es an Beute gefehlt, und die unterernährte Sabor hatte nicht genügend Milch gehabt, um die drei starken Jungen richtig zu nähren, ein kalter Regen war dazu gekommen und die Kleinen waren erkrankt. Nur das kräftigste war am Leben geblieben, – die beiden Weibchen waren gestorben. Sabor hatte getrauert und war winselnd und stöhnend vor den armseligen Häufchen aus durchnässtem Fell auf und ab geschritten. Hin und wieder stieß sie eins oder das andere mit der Schnauze an, als ob sie die Kleinen wieder erwecken könnte. Schließlich hatte sie aber doch von ihren Bemühungen abgelassen, und nun war ihr wildes Herz ganz und gar von Zärtlichkeit für das kleine männliche Junge erfüllt, das ihr geblieben war. Deshalb war Sabor schärfer auf der Hut als gewöhnlich.

Numa, der Löwe, war nicht da. Zwei Nächte vorher hatte er eine Beute gemacht und sie zur Behausung geschleppt, letzte Nacht war er wieder ausgezogen, aber noch nicht zurückgekehrt. Sabor dachte im Halbschlaf an Wappi, die schwere Antilope, die ihr prächtiger Gatte vielleicht im gleichen Augenblick durch die dichtverwachsene Dschungel angeschleppt brachte. Vielleicht war es sogar Pacco, das Zebra, dessen Fleisch ihrer Gattung am liebsten war – der schmackhafte, saftige Pacco! Sabor lief das Wasser im Maule zusammen.

Ha! Was war das? Der Schatten eines Lautes war zu ihren scharfen Ohren gedrungen. Sie hob den Kopf, beugte ihn erst auf die eine, dann auf die andere Seite, während sie mit gespitzten Ohren die schwächste Wiederholung des eben vernommenen Lautes zu erhaschen suchte. Ihre Nase sog die Luft ein. Zwar wehte nur die Andeutung eines Lüftchens, aber was ihr jetzt aus jener verdächtigen Richtung zu strich und in langsam sich verstärkendem Maße zu Ohren kam, kündete ihr, dass es sich näherte, was es auch war. Ihre nervöse Unbehaglichkeit wuchs. Sie rollte sich auf den Bauch herum und entzog dem Jungen die Milch, worüber dieses in einem zwerghaften Knurren sein Missfallen zu erkennen gab, bis es ein leises, tadelndes Winseln der Löwin zum Schweigen brachte. Dann stand das Kleine an ihrer Seite, sah erst auf die Löwin, dann in die Richtung, nach der diese schaute, und neigte seinen Kopf bald zu der einen, bald zu der anderen Seite.

Augenscheinlich hatte der von Sabor vernommene Ton etwas Störendes – etwas, das ihr tiefe Unruhe einflößte. Es konnte ja wohl ihr großer Gebieter sein, der zurückkam, aber es hörte sich nicht an wie die Bewegungen eines Löwen, jedenfalls nicht wie die eines Löwen, der eine schwere Beute schleppt. Sie warf einen Blick auf ihren kleinen Löwen und ließ ein klagendes Winseln hören. Immer hatte sie Furcht, dass ihm irgendeine Gefahr drohe – ihm, dem letzten ihrer kleinen Nachkommenschaft.

Jetzt trug ihr die Brise die Witterung eines sich durch der Dschungel auf sie zu bewegenden Geschöpfes zu den Nüstern. Mit einem Male verwandelte sich das bekümmerte Gesicht der Mutter in eine grimmige, zähnefletschende Fratze mit funkelnden Augen, denn zu ihr drang der verhasste Geruch eines Menschen. Sie erhob sich auf die Füße, spitzte die Ohren, so dass der Kopf ganz breit erschien, und peitschte nervös mit dem geschmeidigen Schwanz. Auf jene unerklärliche Art, auf die sich die Tiere einander verständlich machen«, befahl sie dem Jungen stillzuliegen, bis sie zurückkehre, dann glitt sie rasch und lautlos davon, um dem Eindringling zu begegnen.

Das Junge hatte das Geräusch so gut vernommen wie seine Mutter, und jetzt fing es auch die Witterung eines Menschen auf. Zwar war ihm dieser fremdartige Geruch noch nie zuvor an die Nüstern gekommen, aber er wurde doch sofort als feindlich erkannt. Dieser Geruch übte bei ihm eine ebenso bezeichnende Wirkung wie bei der vollerwachsenen Löwin aus, indem er ihn die Haare längs des kleinen Rückens sträuben und die schwachen kleinen Reißzähne entblößen ließ. Die Mutter glitt eben flink und verstohlen ins Unterholz, da vergaß das kleine Junge ihre Anweisung und folgte ihr, wobei seine Hinterhand, wie es bei seiner Gattung in der allerfrühesten Jugend immer zu beobachten ist, torkelnd von einer Seite zur anderen fiel – eine lächerliche Gehweise, die mit dem würdevollen Benehmen des Vorderteils schlecht übereinstimmt. Die Löwenmutter merkte in ihrem Grimm nicht, dass das Junge nachkam. Die nächsten zweihundert Schritte vor den beiden waren dichtbewachsene Dschungel, aber die Löwen hatten sich bis zu ihrer Behausung einen tunnelartigen Pfad hindurchgewühlt. Dann kam eine kleine Lichtung und über diese lief eine starkbegangene Fährte, auf einer Seite der Lichtung einmündend, auf der anderen wieder hinausführend. Als Sabor die Lichtung erreichte, sah sie den Gegenstand ihrer Furcht und ihres Hasses mitten darauf. Wie aber, wenn das Menschenwesen gar nicht auf der Jagd nach ihr und den Ihrigen war? Heute war Sabor, der Löwin, das völlig gleichgültig. Unter anderen Umständen hätte sie ihn unbelästigt seines Weges ziehen lassen. Aber heute war die Löwin nervös und ängstlich – ihre Mutterliebe vereinigte sich in dreifacher Stärke auf diesen letzten nun dreimal so teuren am Leben Gebliebenen – darum wartete sie nicht erst ab, ob der Mensch die Sicherheit ihres Kleinen bedrohte; sie schlich ihm vielmehr entgegen, um ihn aufzuhalten. Aus der zärtlichen Mutter war ein mordgieriges Raubtier geworden, dessen Hirn nur von dem einzigen Gedanken besessen war – zu töten.

Ohne das geringste Warnungszeichen hören zu lassen, sprang sie vor. Die erste Andeutung, die der schwarze Krieger davon erhielt, dass sich ein Löwe innerhalb von zwanzig Meilen in der Runde befand, war das Schrecken einflößende Auftauchen dieser ein teuflisches Gesicht machenden Katze, die mit der Geschwindigkeit eines Pfeiles quer über die Lichtung auf ihn zu schoss. Der Schwarze war keineswegs auf der Löwenjagd. Hätte er geahnt, dass ein Löwe in der Nähe war, er wäre im weiten Bogen um ihn herumgegangen. Jetzt noch hätte er die Flucht ergriffen, wenn sich ein Zufluchtsort geboten hätte. Aber es gab keine Hoffnung. Die Bestie war ihm schon ganz nahe, und hinter ihr zeigte sich ein kleines Löwenjunges. Der Mann führte einen wuchtigen Speer. Diesen zog er jetzt mit der rechten Hand weit zurück und schleuderte ihn gerade in dem Augenblick, als Sabor absprang, um ihn zu packen. Fast im gleichen Augenblick, in dem der Speer das Herz der Löwin durchbohrte, klappte der riesige Rachen über dem Gesicht und dem Schädel des Kriegers zusammen. Die Wucht der anspringenden Löwin warf beide krachend zu Boden, wo sie nach wenigen krampfhaften Zuckungen der Muskeln tot liegen blieben.

Das verwaiste Junge blieb zehn Schritte entfernt stehen und betrachtete mit fragenden Augen dies erste große Unglück seines Lebens. Es wollte sich seiner Mutter nähern, aber die angeborene Furcht vor der Menschenwitterung hielt es zurück. Da begann es in einem Tone zu winseln, der seine Mutter immer schleunigst an seine Seite gebracht hatte. Aber diesmal kam sie nicht – sie hob nicht einmal den Kopf, um nach ihm zu sehen. Der kleine Löwe verstand das nicht und war ganz verwirrt. Er fuhr fort zu weinen und fühlte sich immer betrübter und verlassener. Schritt für Schritt kroch er seiner Mutter näher. Er sah, dass sich das fremde, von ihr getötete Wesen nicht regte, und fühlte allmählich weniger Scheu davor, bis er endlich genug Mut fasste, seine Mutter zu beschnüffeln. Er rief sie winselnd an, aber sie gab keine Antwort. Leise dämmerte es ihm schließlich, dass hier etwas nicht stimmte – dass seine große, schöne Mutter nicht so war wie früher – dass eine Veränderung mit ihr vorgegangen war. Aber er klammerte sich immer noch an sie und schrie voll Jammer, bis er endlich eng an ihren toten Körper geschmiegt in Schlaf fiel.

 

So fand ihn Tarzan, der mit Jane, seiner Gattin, und ihrer beider Sohn, Korak, dem Töter, von dem geheimnisvollen Land Pal-ul-don zurückkehrte, aus dem die beiden Männer Jane gerettet hatten. Bei ihrer Annäherung öffnete das Junge die Augen, raffte sich auf und wich, mit breitgestellten Ohren sie anknurrend, dicht an seine tote Mutter zurück.

»Mutiger kleiner Teufel«, sagte Tarzan bedauernd, als er mit einem Blick den ganzen traurigen Vorgang erfasste. Er trat zu dem fauchenden kleinen Löwen und dachte, dieser werde sich umdrehen und fortlaufen. Stattdessen knurrte der Kleine nur wilder und kratzte nach Tarzans ausgestreckter Hand, als dieser sich bückte und ihn nehmen wollte.

»Was für ein tapferer, kleiner Bursch!«, rief  Jane. »Armes Waisenkind! Wie schade, dass er sterben muss.

»Er muss nicht sterben«, erwiderte Tarzan.

Tarzan ließ nicht von seiner Aufmerksamkeit gegenüber dem Jungtier ab. Plötzlich griff er zu, packte den kleinen Löwen am gesträubten Nackenfell und streichelte ihn sanft, während er ihm in leisem, brummendem Tone zusprach. Der Kleine hörte alsbald auf, sich zu wehren, und suchte nicht länger die streichelnde Hand zu kratzen oder zu beißen. Nach einer Weile nahm Tarzan ihn auf und hielt ihn im Arm. Das Löwenjunge entblößte jetzt nicht einmal mehr Zähne oder Krallen gegen den eben noch so gehassten Menschen.

Da Tarzan den kleinen Numa als Pflegling annehmen wollte, musste er alsbald dessen Lebensbedürfnissen Rechnung tragen. Das Junge konnte vorerst nicht ohne Milch leben. Löwenmilch konnte nicht in Frage kommen, aber glücklicherweise befanden sie sich auf dem Wege durch einen verhältnismäßig dichtbevölkerten Landstrich mit zahlreichen Dörfern, in denen der große Herr der Dschungel bekannt, gefürchtet und hochgeehrt war. Deshalb betrat Tarzan am Nachmittag des gleichen Tages, an dem er den jungen Löwen gefunden hatte, ein Dorf, in der Absicht, dem kleinen Tier Milch zu verschaffen.

Anfangs zeigten sich die Eingeborenen mürrisch und gleichgültig und sahen mit Verachtung auf diese Weißen, die ohne große Safari reisten. Fremde ohne Karawane konnten keine Geschenke mit sich führen, die man zu erwarten gehabt hätte, oder mit denen sie andernfalls die zweifellos gewünschte Verpflegung bezahlen konnten. Die Eingeborenen stellten sich also mürrisch und gleichgültig, obgleich ihre Neugierde durch die ungewöhnliche Bekleidung und Ausrüstung dieser Weißen erregt wurde. Sie sahen, dass sie gleich ihnen selbst fast unbekleidet gingen und wie sie bewaffnet waren; nur der jüngere Mann hatte ein Gewehr. Alle drei trugen die urweltliehen und barbarischen Schmucksachen von Pal-ul-don, die den Augen der einfältigen Schwarzen ganz fremdartig erschienen.

»Wo ist euer Häuptling?«, fragte Tarzan, als er mitten unter Weibern, Kindern und kläffenden Hunden das Dorf betrat.

Ein paar müßige Krieger erhoben sich aus dem Schatten ihrer Hütten, in denen sie gefaulenzt hatten, und näherten sich den Ankömmlingen.

»Der Häuptling schläft«, erwiderte einer. »Wer seid ihr denn, dass ihr ihn wecken wollt? Was wünscht ihr?«

»Ich habe mit eurem Häuptling zu reden. Geh und hole ihn.«

Der Krieger sah ihn erstaunt mit großen Augen an und brach dann in lautes Lachen aus. »Der Häuptling muss für ihn geholt werden!«, rief  er, sich an seine Genossen wendend, dann klatschte er sich, wieder laut lachend, auf seine Oberschenkel und stieß die Nächststehenden mit dem Ellenbogen an.

»Sage ihm«, fuhr der Affenmensch fort, »dass Tarzan mit ihm zu sprechen wünscht.«

Augenblicklich vollzog sich eine bemerkenswerte Veränderung in der Haltung seiner Zuhörerschaft – sie wichen vor ihm zurück und hörten auf zu lachen – ihre Augen wurden groß und rund.

Der lauteste Lacher wurde ganz feierlich. »Bringt Matten zum Sitzen für Tarzan und sein Gefolge«, rief er, während ich den Häuptling Umanga hole. Damit sauste er davon, als ob er froh wäre, eine Ausrede zu haben, sich aus der Gegenwart des mächtigen Herrn zu entfernen, den er beleidigt zu haben fürchtete.

Dass sie weder Safari noch Geschenke mit sich führten, machte jetzt nichts mehr aus. Die Dorfbewohner wetteiferten miteinander, ihnen Ehren zu erweisen. Noch ehe der Häuptling herbeikam, hatten sie schon viele Geschenke an Lebensmitteln herbeigebracht. Jetzt erschien Umanga. Er war ein alter Mann, der schon vor Affentarzans Geburt Häuptling gewesen war. Sein Benehmen war patriarchalisch und würdevoll und er begrüßte seinen Gast, wie ein großer Mann einen von seinesgleichen begrüßt, aber er ließ sich unleugbar Freude darüber merken, dass der Herr der Dschungel sein Dorf mit einem Besuch beehrte.

Als Tarzan seinen Wunsch dargelegt und den kleinen Löwen gezeigt hatte, versicherte Umanga, Tarzan solle Milch in Hülle und Fülle haben, solange er ihn mit seinem Besuche beehre – warme Milch, frisch, wie sie von des Häuptlings eigenen Ziegen komme. Während sie noch verhandelten, fielen des Affenmenschen scharfe Augen auf eine große Hündin, die sich unter den zahlreichen Dorfkötern befand. Der Anblick ihres von Milch strotzenden Euters gab Tarzan einen Plan ein. Er deutete mit dem Finger auf das Tier und sagte zu Umanga: »Ich möchte sie kaufen.«

»Sie ist ohne Entgelt dein, Bwana«, erwiderte der Häuptling. »Sie hat vor zwei Tagen geworfen, aber letzte Nacht wurden ihr wahrscheinlich von einer großen Schlange alle ihre Jungen aus dem Lager geraubt. Ich will dir dafür lieber jüngere und fettere Hunde geben, denn diese wird ein ziemlich zähes Essen liefern.«

»Ich will sie nicht zum Essen«, erwiderte Tarzan. »Sie soll dem Löwenjungen Milch geben. Lass sie herbringen.«

Ein paar Knaben fingen das Tier, banden ihm eine Schlinge um den Hals und schleppten es heran. Gleich dem Löwen scheute die Hündin, denn die Witterung des Tarmangani war nicht der Geruch der Schwarzen, und sie knurrte und schnappte nach ihrem neuen Herrn; aber schließlich legte sie sich ruhig neben ihn, während er ihr den Kopf kraulte. Die nächste Schwierigkeit war, den Löwen mit ihr zusammenzubringen, denn beide hatten voreinander Furcht – der Löwe fauchte und spuckte und die Hündin fletschte knurrend die Zähne. Aber mit einiger Geduld ließ sich die Angelegenheit doch erfolgreich erledigen, und die Hündin säugte den Sohn Numas. Hunger überwand den angeborenen Argwohn des Löwen, während die feste, aber gütige Behandlung durch den Affenmenschen das Zutrauen der Hündin gewonnen hatte, die ihr ganzes Leben lang mehr Püffe und Tritte als Liebkosungen kennengelernt hatte.

Tarzan band die Hündin für die Nacht in der ihm zugewiesenen Hütte an und ließ sie zweimal bis zum Morgen niederliegen, um das Junge zu nähren. Am nächsten Tage nahmen sie von Umanga und seinem Stamme Abschied und machten sich mit der an einer Leine nebenherlaufenden Hündin weiter auf den Heimweg, wobei der kleine Löwe bald zusammengerollt in Tarzans Arm ruhte, bald in einem Sack getragen wurde.

Den Löwen nannten sie seines goldenen Felles wegen Dschadbalja; dies bedeutet nämlich in der Sprache der Menschenaffen von Pal-ul-don goldener Löwe. Er gewöhnte sich täglich mehr an sie und seine Pflegemutter, die ihn ihrerseits schließlich wie Fleisch von ihrem Fleisch ansah. Die Hündin wurde Za, Frauchen, genannt. Am zweiten Tage folgte sie ihnen schon willig durch der Dschungel und machte gar keinen Versuch zum Entlaufen. Ein paar Tage später traten sie aus dem den Blick behindernden Grün des Waldes heraus und erblickten nach langer Abwesenheit wieder die Bäume und Sträucher ihres Bungalows.

Die umliegenden Felder und Gärten waren bebaut, denn die treuen Waziri hatten in Abwesenheit ihres geliebten Herrn alles getan, um die Besitzung in Ordnung zu halten.

 

 

 

 

  Zweites Kapitel: Dschadbaljas Erziehung

 

 

So kamen Dschadbalja, der goldene Löwe, und Za, die Hündin, mit Tarzan, Jane und Korak heim.

Groß war die Freude über die Heimkehr der drei in den Hütten der Waziri. Nicht nur eine Nacht, nein, viele Nächte lang hielten Tanz und Freudenfest an, bis Tarzan gezwungen war, Einhalt zu gebieten, um sich und seiner Familie wenigstens ein paar Stunden ungestörten Schlummers zu sichern. Die treuen Waziri hatten unter der Anleitung seines nicht minder ergebenen englischen Aufsehers Jervis sowohl Ställe, Koppel und Außenhäuser, wie auch das Innere des Bungalows in peinlichster Ordnung gehalten.

Jervis war zwar in Geschäften der Farm nach Nairobi geritten und kam erst einige Tage nach ihrer Ankunft wieder zur Besitzung zurück. Seine Freude war aber nicht weniger echt als die der Waziri. Stundenlang saß er mit dem Häuptling und den Kriegern zu Füßen des großen Bwana und lauschte den Erzählungen von dem merkwürdigen Lande Pal-ul-don und den Abenteuern, die den dreien während Lady Greystokes Gefangenschaft dort begegnet waren. Er staunte ebenso wie die Waziri über die merkwürdigen Schoßtiere, die sich der Affenmensch mit nach Hause gebracht hatte. Dass Tarzan eine Vorliebe für einen rasselosen einheimischen Köter hatte, war schon merkwürdig genug, aber dass er gar ein Junges seiner Erbfeinde Numa und Sabor als Pflegling annahm, schien fast unglaublich.

Beinahe noch erstaunter waren sie bald über die Art und Weise, wie Tarzan den kleinen Löwen erzog.

Der goldene Löwe und seine Nährmutter hatten zusammen eine Ecke in des Affenmenschen Schlafzimmer, der täglich manche Stunde mit der Erziehung und dem Abrichten des scheckigen kleinen gelben Balles verbrachte – vorläufig war der Kleine voller Spielerei und Anhänglichkeit, aber eines Tages musste ein riesiges wildes Raubtier daraus werden.

 

Die Zeit verging.

Der goldene Löwe wurde groß, und Tarzan brachte ihm viele Listen und Künste bei – etwas zu ergreifen und herbeizubringen, bis auf ein fast unhörbares Kommandowort regungslos im Verborgenen liegen zu bleiben, sich nach seines Herrn Angabe von Punkt zu Punkt zu schleichen, versteckte Sachen mit dem Geruch zu suchen und herauszuholen. Als dann später Fleischnahrung seiner Ernährungsweise zugefügt wurde, bekam er sein Futter stets in einer Weise, die ein grimmiges Lächeln auf den wilden Lippen der Waziri-Krieger hervorrief. Tarzan hatte nämlich eine menschenähnliche Puppe angefertigt, und das dem Löwen als Nahrung bestimmte Fleisch war immer an den Hals der Puppe gebunden. Niemals änderte der Affenmensch etwas an dieser Art der Fütterung. Auf ein Wort des Affenmenschen kauerte sich dann der goldene Löwe mit dem Bauch bis auf die Erde, Tarzan deutete auf die Puppe und flüsterte nur das eine Wort: fass! 

Der Löwe lernte bald, nicht eher an das Fleisch heranzugehen, so hungrig er auch sein mochte, ehe sein Herr nicht dies Wort gesagt hatte. Aber dann schoss er mit einem wilden Knurren pfeilgerade auf das Fleischstück los. Solange er noch kleiner war, war es für ihn nicht so einfach, an der Figur bis zu dem am Hals festgemachten Stück Fleisch hinaufzuklettern, aber je älter und größer er wurde, desto leichter fiel es ihm, den Gegenstand zu erreichen, und zuletzt genügte ein einziger Satz, um ihn ans Ziel zu bringen, die Puppe fiel auf den Rücken und auf ihr saß der junge Löwe, der an der Kehle herumriss.

Ein Dressurstück war dabei, das von allen anderen am schwierigsten beizubringen gewesen war, und es ist zweifelhaft, ob irgendein anderer als Tarzan, der von Tieren unter Tieren aufgezogen war, imstande gewesen wäre, die wilde Blutgier des Raubtieres zu dämpfen und dessen angeborene Instinkte dem Willen seines Herrn und Meisters dienstbar zu machen. Wochen und Monate geduldiger Bemühungen waren nötig, um diese einzelne Anforderung an die Dressur des Löwen zu erreichen. Auf das Wort »such« musste er einen angegebenen Gegenstand ausfindig machen und zu seinem Herrn bringen. Selbst wenn es die Puppe mit dem an die Kehle gebundenen Stück Fleisch war, durfte er dabei weder das Fleisch anrühren, noch die Puppe oder den anderen Gegenstand beschädigen, den er zu holen hatte; er musste alles vorsichtig zu Tarzans Füßen legen. Mit der Zeit lernte er es einsehen, dass er seiner Belohnung dafür, meist einer doppelten Portion Fleisch, stets sicher war.

Lady Greystoke und Korak waren oft gespannte Zuschauer dieser Erziehung des goldenen Löwen, obgleich die erstere ihrer Verwunderung darüber Ausdruck gab, wozu diese mühselige Abrichtung des kleinen Löwen gut sein sollte; sie äußerte sogar Bedenken, ob diese Art der Erziehung auch klug war.

»Was kannst du denn nur um alles in der Welt mit solch einer Bestie anfangen, wenn sie ausgewachsen ist?«, fragte sie. »Er verspricht wohl, einmal ein mächtiger Numa zu werden. Da er an die Menschen gewöhnt ist, wird er nicht die geringste Scheu vor ihnen haben, und nachdem er bisher sein Fressen stets an der Kehle einer Puppe gefunden hat, wird er später an der Kehle lebender Menschen danach suchen.«

»Er wird nur das fressen, was ich ihn zu fressen heiße«, erwiderte der Affenmensch.

»Du willst ihm doch hoffentlich nicht lauter Menschen zu fressen geben?«, fragte sie lachend.

»Er wird niemals Menschen fressen.«

»Aber wie kannst du das denn verhindern, wenn du ihn von klein auf lehrst, immer Menschen zu fressen?«

»Jane, ich fürchte, dass entweder du die Intelligenz eines Löwen stark unterschätzest, oder dass ich sie viel zu hoch einschätze. Wenn deine Annahme richtig ist, dann steht mir der schwerste Teil der Aufgabe noch bevor, aber wenn ich recht habe, dann ist er in Wirklichkeit bereits getan. Doch wir können einen kleinen Versuch anstellen und wollen sehen, wer von uns beiden recht hat. Wir wollen einmal Dschadbalja heute Nachmittag mit uns auf die Ebene hinausnehmen. Wild gibt es genug, da wird es für uns nicht schwierig sein, festzustellen, wieviel Gewalt ich eigentlich nach alledem über meinen jungen Numa habe.«

»Hundert Pfund wette ich«, sagte Korak lachend, »dass er tun wird, was ihm gerade am besten gefällt, sobald er erst warmes Blut geschmeckt hat.«

»Diese Wette halte ich, mein Junge«, sagte sein Vater. »Ich denke, ich werde dir und deiner Mutter heute etwas zeigen, was weder ihr noch andere im Traume für möglich halten.«

»Lord Greystoke, der beste Dresseur der Welt!«, rief  Jane, und Tarzan stimmte in ihr Gelächter mit ein.

»Es handelt sich hier nicht um Dressur«, sagte er dann. »Mein Arbeitsplan wäre für jeden anderen als mich unmöglich. Ich will euch einmal an einem Beispiel deutlich machen, was ich meine. Zu euch kommt irgendein Wesen, dass ihr hasst, was ihr instinktiv und von Geburt an als euren Todfeind anseht. Ihr fürchtet euch vor ihm. Ihr könntet kein Wort von dem, was er spricht, verstehen. Endlich paukt er durch manchmal sogar rohe Mittel eurem Gehirn seine Wünsche ein. Ihr mögt wohl tun, was er von euch verlangt, aber tut ihr es im Geiste selbstloser Ergebenheit? Nein, ihr tut es unter Zwang, und ihr hasst das Wesen, das euch seinen Willen aufzwingt. Im selben Augenblick, in dem ihr glaubt, dazu imstande zu sein, würdet ihr ihm den Gehorsam verweigern, ja, ihr würdet euch gegen ihn  wenden und ihn vernichten. Nun zum andern Falle: Einer kommt zu euch, den ihr gut kennt; er ist euer Freund, euer Beschützer. Er versteht und spricht eure Sprache. Er hat euch ernährt, hat durch Güte und Schutz euer Vertrauen gewonnen, und endlich verlangt er, ihr sollt etwas für ihn tun. Weigert ihr euch? Nein, ihr gehorcht mit Freuden. So wird mir mein goldener Löwe gehorchen.«

»Solange es ihm in seinen Kram passt«, setzte Korak hinzu.

»Lasst mich noch einen Schritt weiter gehen«, sagte der Affenmensch. »Was, wenn dies Wesen, das ihr liebt und dem ihr gehorcht, die Macht hat, euch zu strafen, ja unter Umständen zu töten, falls das nötig wird, um seine Befehle zu erzwingen? Wie steht es dann um euren Gehorsam?«

»Wir werden ja sehen«, sagte Korak, »wie leicht mir der goldene Löwe hundert Pfund einbringt.«

 

Am gleichen Nachmittag ritten sie auf die Ebene hinaus, während sich Dschadbalja dicht hinter Tarzans Pferd hielt. In einiger Entfernung vom Bungalow stiegen sie bei einer kleinen Baumhecke vom Pferde und schritten vorsichtig auf eine Senke zu, in der sich gewöhnlich Antilopen fanden. Jetzt kamen sie verstohlen an das dichte Gestrüpp, das den Rand der Senke auf einer Seite einfasste. So kamen sie an, Tarzan, Jane und Korak, und dicht neben Tarzan der goldene Löwe – vier Dschungelgänger –, aber Dschadbalja, der Löwe, war von den vieren der am wenigsten erfahrene. Leise krochen sie durch das Gestrüpp, kaum dass ein Blatt dabei raschelte, bis sie endlich unten in der Senke eine kleine, friedlich grasende Antilopenherde erblickten. Ein alter Bock stand ihnen am nächsten, und diesen machte Tarzan auf irgendeine geheimnisvolle Art Dschadbalja kenntlich.

»Fass«, flüsterte er, und der goldene Löwe brummte kaum hörbar, als Antwort, dass er den Befehl verstanden hatte.

Verstohlen bahnte er sich durch das Buschwerk seinen Weg. Die Antilope äste ahnungslos weiter. Der Abstand, der den Löwen von seiner Beute trennte, war für einen erfolgreichen Ansprung noch zu groß, deshalb wartete Dschadbalja im Busch verborgen, bis die Antilope beim Grasen näherkam oder ihm den Rücken zukehrte. Von den vieren, die den grasenden Pflanzenfresser beobachteten, ließ keiner einen Laut hören, und kein Anzeichen verriet, dass das Tier eine Ahnung von der ihm drohenden, nahen Gefahr hatte. Langsam kam der alte Bock näher auf Dschadbalja zu. Fast unmerklich bereitete sich der Löwe zum Sprunge vor. Die einzige sichtbare Bewegung war das Zucken seiner Schwanzspitze. Dann, wie ein Pfeil von der Sehne, schnellte er im Zeitraum eines Augenblicks vom Zustand voller Unbeweglichkeit in schreckenerregende Schnelligkeit. Er war beinahe auf dem Bock, ehe dieser überhaupt nur die Nähe der Gefahr merkte, und dann war es längst zu spät, denn die Antilope hatte sich kaum herumgeworfen, als der Löwe auch schon auf der Hinterhand hochstieg und sie packte, während die übrige Herde in kopfloser Flucht davonstürzte.

»Jetzt werden wir ja sehen«, sagte Korak.

»Er wird mir die Antilope bringen«, sagte Tarzan zuversichtlich.

Der goldene Löwe zögerte einen Augenblick und stand knurrend über dem Körper seiner Beute. Dann packte er sie am Rücken und schleppte sie in dem auf eine Seite gedrehten Rachen nebenher über den Boden, während er sich langsam auf den Rückweg zu Tarzan machte. Er zerrte die erbeutete Antilope durch das Gestrüpp, bis er sie seinem Herrn vor die Füße gelegt hatte. Dann stand er vor ihm und sah dem Affenmenschen mit einem Ausdruck ins Gesicht, der sich nicht anders denn als Stolz auf seine Leistung und Bitte um Anerkennung deuten ließ.

Tarzan streichelte ihm den Kopf, sprach ihm mit leiser Stimme zu und lobte ihn. Dann zog er sein Jagdmesser, schnitt der Antilope die Halsschlagader durch und ließ den Körper ausbluten. Jane und Korak standen dicht dabei und passten auf Dschadbalja auf; was würde der Löwe tun, wenn ihm der Geruch des frischen, warmen Blutes in die Nüstern kam? Dieser schnüffelte und knurrte erst, dann fletschte er die Zähne und sah die drei böse an. Der Affenmensch schob ihn mit der flachen Hand zurück, da knurrte der Löwe wieder bösartig und schnappte nach ihm.

Nun ist Numa flink, flink ist auch Bara, der Hirsch, aber Affentarzan war wie der Blitz. So rasch und kräftig schlug er zu, dass Dschadbalja auch schon im selben Augenblick auf den Rücken fiel, als er seinen Herrn anknurrte. Er kam schnell wieder auf die Beine und nun standen die beiden und sahen einander an.

»Leg dich«, befahl der Affenmensch. »Leg dich, Dschadbalja.« Seine Stimme war leise, aber fest. Der Löwe zögerte noch einen Augenblick, dann legte er sich auf dies Befehlswort nieder, wie es ihm Affentarzan beigebracht hatte. Tarzan drehte sich um und hob den Körper der Antilope auf seine Schulter.

»Komm«, sagte er zu Dschadbalja. »Bei Fuß!« Und ohne noch einen Blick auf das Raubtier zu tun, ging er zu den Pferden.

»Das hätte mir eigentlich klar sein können«, sagte Korak, »dann hätte ich mir  meine hundert Pfund erspart.«

»Natürlich hättest du es wissen können!«, lachte seine Mutter.

 

 

 

 

  Drittes Kapitel: Eine geheimnisvolle Sitzung

 

 

In einem Londoner Gasthaus von eher zweifelhaftem Ruf saß eine überelegante junge Dame beim Essen. Sie fiel weniger durch ihr hübsches Gesicht und ihre schlanke Gestalt auf als durch die Erscheinung ihres Begleiters, eines riesigen und wohlgebauten Mannes Mitte der Zwanziger, der einen so üppigen Bart trug, dass es aussah, als ob er dahinter im Hinterhalt liege.

Die beiden waren tief im Gespräch, und man merkte, dass die Unterhaltung gelegentlich zu erhitzten Auseinandersetzungen führte.

»Ich sage dir«, erklärte der Mann, »ich sehe nicht ein, wozu wir die anderen brauchen. Warum sollen sie einen Anteil haben – weshalb in sechs Teile gehen lassen, was du und ich allein haben können?«

»Es gehört Geld dazu, um den Plan durchzuführen«, erwiderte sie, und du hast so wenig wie ich. Sie haben es aber und werden uns damit den Rücken decken – mir für das, was ich weiß, dir für deine Erscheinung und deine Kräfte. Zwei Jahre lang haben sie nach dir gesucht, Esteban, und nun, da sie dich endlich gefunden haben, möchte ich nicht in deinen Stiefeln stehen, wenn du sie sitzen lässt. Jetzt, wo du alle Einzelheiten des Planes kennst, würden sie dir heute noch die Gurgel durchschneiden, wenn sie dächten, sie brauchten dich nicht mehr. Aber wenn du den Versuch machen willst, sie um ihren Gewinn zu bringen – sie machte eine Pause und schloss dann achselzuckend: Nein, mein Lieber, mein Leben ist mir zu lieb, als dass ich mich mit dir auf so etwas einließe!«

»Aber Flora, du lieferst alle Angaben und ich nehme alle Wagnisse auf mich – warum sollen wir nicht mehr als ein Sechstel davontragen.«

»Sprich doch selbst mit ihnen darüber«, sagte das Mädchen achselzuckend, »aber wenn du auf meinen Rat hören willst, dann sei zufrieden mit dem, was dir angeboten ist. Ich habe für meinen Teil nicht nur die Angaben, ohne die sie nichts unternehmen können, ich habe noch obendrein dich gefunden, und doch verlange ich nicht mehr – ich muss mit meinem Sechstel ganz zufrieden sein. Aber du kannst mir glauben, wenn du die Sache nicht vermasselst, dann würde nur ein Sechstel von dem, was du herausholst, für uns alle zusammen schon bis an unser Lebensende genug sein, selbst wenn wir alle eines natürlichen Todes sterben.«

Der Mann schien keineswegs überzeugt zu sein, und das junge Weib hatte das Gefühl, dass bei ihm Vorsicht am Platze war. Sie wusste eigentlich recht wenig von ihm und hatte ihn persönlich erst ein paarmal gesehen, seit sie ihn etwa zwei Monate vorher zum ersten Male auf der Leinwand eines Londoner Lichtspielhauses entdeckt hatte, als sein Konterfei die Rolle eines römischen Soldaten in der Garde der Prätorianer spielte.