Tee? Kaffee? Mord! Der Besuch der reichen Dame - Ellen Barksdale - E-Book

Tee? Kaffee? Mord! Der Besuch der reichen Dame E-Book

Ellen Barksdale

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  • Herausgeber: beTHRILLED
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
Beschreibung

Folge 12: Ein Unwetter, ein Herrenhaus und viele Geheimnisse ... Nathalie und ihre Freunde geraten bei einem Wochenendausflug in ein fürchterliches Unwetter und bitten um Schutz in einem alten Herrenhaus. Auch die schwerreiche Lady Gabrielle hat Zuflucht in Hannigan Hall gefunden - im Gepäck den Green Giant, einen unglaublich wertvollen Diamanten. Doch der ist plötzlich verschwunden ... und nur einer der Anwesenden kann der Dieb sein! Nathalie macht sich auf die Suche nach dem Täter. Dabei trifft sie auf unsichtbare Gäste, Geheimverstecke - und einen perfiden Plan!

Über die Serie: Davon stand nichts im Testament ...

Cottages, englische Rosen und sanft geschwungene Hügel - das ist Earlsraven. Mittendrin: das "Black Feather". Dieses gemütliche Café erbt die junge Nathalie Ames völlig unerwartet von ihrer Tante - und deren geheimes Doppelleben gleich mit! Die hat nämlich Kriminalfälle gelöst, zusammen mit ihrer Köchin Louise, einer ehemaligen Agentin der britischen Krone. Und während Nathalie noch dabei ist, mit den skurrilen Dorfbewohnern warmzuwerden, stellt sie fest: Der Spürsinn liegt in der Familie ...

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung


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Seitenzahl: 214

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Ähnliche


Inhalt

Cover

Tee? Kaffee? Mord! – Die Serie

Über diese Folge

Über die Autorin

Titel

Impressum

Prolog

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebtes Kapitel

Achtes Kapitel

Neuntes Kapitel

Zehntes Kapitel

Epilog

Tee? Kaffee? Mord! – Die Serie

Davon stand nichts im Testament …

Cottages, englische Rosen und sanft geschwungene Hügel: das ist Earlsraven. Mittendrin: das »Black Feather«. Dieses gemütliche Café erbt die junge Nathalie Ames völlig unerwartet von ihrer Tante – und deren geheimes Doppelleben gleich mit! Die hat nämlich Kriminalfälle gelöst, zusammen mit ihrer Köchin Louise, einer ehemaligen Agentin der britischen Krone. Und während Nathalie noch dabei ist, mit den skurrilen Dorfbewohnern warmzuwerden, stellt sie fest: Der Spürsinn liegt in der Familie …

Über diese Folge

Ein Unwetter, ein Herrenhaus und viele Geheimnisse … Nathalie und ihre Freunde geraten bei einem Wochenendausflug in ein fürchterliches Unwetter und bitten um Schutz in einem alten Herrenhaus. Auch die schwerreiche Lady Gabrielle hat Zuflucht in Hannigan Hall gefunden – im Gepäck den Green Giant, einen unglaublich wertvollen Diamanten. Doch der ist plötzlich verschwunden … und nur einer der Anwesenden kann der Dieb sein! Nathalie macht sich auf die Suche nach dem Täter. Dabei trifft sie auf unsichtbare Gäste, Geheimverstecke – und einen perfiden Plan!

Über die Autorin

Geboren wurde Ellen Barksdale im englischen Seebad Brighton, wo ihre Eltern eine kleine Pension betrieben. Von Kindheit an war sie eine Leseratte und begann auch schon früh, sich für Krimis zu interessieren. Ihre ersten Krimierfahrungen sammelte sie mit den Maigret-Romanen von Georges Simenon (ihre Mutter ist gebürtige Belgierin). Nach dem jahrelangen Lesen von Krimis beschloss sie, selbst unter die Autorinnen zu gehen. »Tee? Kaffe? Mord!« ist ihre erste Krimireihe.

Ellen Barksdale lebt mit ihrem Lebensgefährten Ian und den drei Mischlingen Billy, Bobby und Libby in der Nähe von Swansea.

Ellen Barksdale

Tee? Kaffee?Mord!

DER BESUCH DERREICHEN DAME

Aus dem Englischen von Ralph Sander

beTHRILLED

Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Dorothee Cabras

Lektorat/Projektmanagement: Rebecca Schaarschmidt

Covergestaltung: Kirstin Osenau unter Verwendung von Motiven © shutterstock/SJ Travel Photo and Video, © Mary Ro/Shutterstock, © russwitherington1/iStockphoto, © David Hughes/Shutterstock, © MAX SAYPLAY/Shutterstock

E-Book-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-7456-8

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Prolog, in dem eine Unterhaltung nichts Gutes verheißt

»Sie haben geläutet, Mylord?«, fragte der Diener, der in der Tür zum Arbeitszimmer erschienen war.

»Ja, Maurice. Ein Wagen ist vorgefahren.«

»Schon wieder?«

»Richtig. Schon wieder«, seufzte Lord Hannigan. »Das letzte Mal ist erst drei Wochen her. Sie legen es wohl wirklich darauf an.«

»Ich vermute richtig, dass Sie es so wie immer wünschen, Mylord«, sagte der Diener, dessen Worte mehr nach einer Feststellung als nach einer Frage klangen.

»Auf jeden Fall, Maurice. Früher oder später muss einem von ihnen der Geduldsfaden reißen.« Der Lord lächelte flüchtig. »Ich hoffe nur, dass das eher früher als später passiert. Jeder wird den anderen erzählen, was er hier erlebt hat, also wissen sie alle längst Bescheid. Es kann nicht mehr lange dauern, bis sich der Erste von ihnen verplappert.«

»Vielleicht sollten wir den Ablauf immer ein klein wenig verändern, Mylord, um sie in Verwirrung zu stürzen?«, schlug der Diener vor.

Lord Hannigan nickte nachdenklich. »Eine interessante Überlegung, Maurice. Die Zeit reicht jetzt nicht mehr, um sie umzusetzen, aber für das nächste Mal sollten wir uns die eine oder andere Abweichung von der Routine überlegen. Machen Sie sich ruhig Notizen, wenn Ihnen etwas einfällt. Wir besprechen das in der nächsten Woche. Heute geht alles seinen gewohnten Gang.«

»Jawohl, Mylord.«

Der Diener zog sich zurück, um die notwendigen Vorbereitungen zu treffen, während Lord Hannigan wieder zum Fenster ging und nach draußen sah. Vier Personen waren aus dem Wagen ausgestiegen und liefen durch den strömenden Regen zur Freitreppe.

Lord Hannigan ließ die Gardine wieder vor das Fenster fallen und lächelte verschmitzt.

Erstes Kapitel, in dem eine Umleitung nicht ans Ziel führt

Zwei Stunden zuvor

»Das sieht verdammt nach Regen aus«, sagte Fred Estaire und zeigte nach rechts, wo sich schwarze Wolkenberge am Himmel aufgetürmt hatten.

»Bis das Unwetter uns erreicht hat, sind wir längst zurück in Earlsraven«, hielt Jean-Louis Talradja dagegen, der mit seiner Freundin Belle auf der Rückbank des Wagens saß. »Wenn die ersten Regentropfen fallen, sind wir schon längst im Pub und lassen uns von Nathalie einen ausgeben.« Er sah in den Rückspiegel und zwinkerte Nathalie Ames zu, die vielsagend eine Augenbraue hochzog. Belle Starr versetzte ihm daraufhin mit dem Ellbogen einen Stoß in die Seite, der ihn zusammenzucken ließ. »Natürlich erst, nachdem ich eine Runde spendiert habe«, fügte er hastig an, da seine Freundin ihm nun einen warnenden Blick zuwarf.

»Richtig so«, stimmte Belle ihm zu. »Wir können ja nicht zulassen, dass unsere gute Nathalie mit dem Black Feather vor die Hunde geht, nur weil sie von schnorrenden Freunden umgeben ist.«

»Keine Sorge, Leute«, wiegelte Nathalie ab. »Ich werde schon rechtzeitig dagegenlenken, wenn es mir zu viel wird. Außerdem habt ihr euch alle an den Benzinkosten beteiligt. Wieso sollte ich da das Gefühl haben, von euch ausgenutzt zu werden?«

»Ein perfektes Wochenende, und nur ein paar Pfund zum Benzin beigesteuert«, schwärmte Fred und drückte sich in seinen Sitz. »So was könnten wir jedes Wochenende machen.«

»Kein Problem«, meinte Nathalie. »Wir müssen nur jede Woche bei einem Preisausschreiben gewinnen, bei dem ein Traumwochenende für vier Personen verlost wird. Die gibt es sicher wie Sand am Meer, und wir sind ja Glückspilze.« Die anderen lachten über ihre ironische Bemerkung, während Nathalie das Wochenende in Gedanken Revue passieren ließ. Es war tatsächlich perfekt gewesen. Von der Anreise am Freitagmittag bis zur Abreise vor zwei Stunden an diesem Sonntag war alles völlig reibungslos verlaufen. Das Wetter hatte mit Sonnenschein und Temperaturen weit über zwanzig Grad mitgespielt. Die Zimmer in der winzigen Pension in St. Ives waren zwar nicht verschwenderisch groß, dafür aber umso gemütlicher und behaglicher eingerichtet gewesen, und das Buffet, das zum Frühstück aufgebaut wurde, hatte trotz seiner bescheidenen Dimensionen alle Wünsche erfüllt.

Und das, obwohl der Besitzer der Pension eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem jungen John Cleese aufgewiesen hatte, was sie alle an dessen Paraderolle als unausstehlicher Hotelier Basil Fawlty in der Serie Fawlty Towers erinnert hatte. Doch trotz dieser Ähnlichkeit war dieser Mr Bellward die Höflichkeit in Person gewesen, obwohl sie keine zahlenden Gäste gewesen waren.

Insgeheim hatte Nathalie allerdings damit gerechnet, früher oder später in einem der vielen engen und verwinkelten Gässchen über eine Leiche zu stolpern und damit in einen Mordfall hineingezogen zu werden. Mit jeder Stunde, die in dieser Hinsicht ereignislos verstrichen war, hatten sich ihre Befürchtungen noch ein wenig mehr gesteigert. Aber bis zur Abreise war nichts geschehen, und so hatten sie zu viert eine wunderschöne und erholsame Zeit verbracht. Sie waren am Strand spazieren gegangen, hatten an der Landzunge The Island die schroffe Felsenküste bewundert, an der die Gischt hochspritzte. In der Tate St. Ives, einem winzigen Ableger der angesehenen Tate Gallery, hatten sie die Werke britischer Künstler der Gegenwart bewundert und anschließend eines der vielen Fischrestaurants aufgesucht, die man fast an jeder zweiten Ecke finden konnte.

Besonders gut hatten Nathalie die Stunden gefallen, die Fred und sie allein hatten verbringen können. Es hatte gutgetan, eng umschlungen am Strand zu sitzen und zu wissen, dass nicht gleich wieder irgendwer aus der Küche hereinstürmen würde, um zu melden, dass statt einer Prise die ganze Packung Salz im Auflauf gelandet war, oder dass Fred als Manager ihres Landmarkts einmal mehr einen Kontrolleur durch den ganzen Laden führen musste, obwohl es vertane Zeit war. Immerhin hatte der Mann bis heute noch keinen Beanstandungszettel ausfüllen können, und Fred würde schon dafür sorgen, dass es auch gar nicht erst dazu kam.

Zudem hatten sie alle vier vereinbart, ihre Handys auszuschalten, um wirklich Ruhe zu haben. Egal, was in Earlsraven passieren mochte, es hatte ohne sie stattfinden müssen.

Was den jetzt wieder einsetzenden Alltag anging, bewahrte Nathalie sich lieber eine gewisse Skepsis, anstatt sich von maßlosem Optimismus mitreißen zu lassen, auch weiterhin von Verbrechen in ihrem Umfeld verschont zu bleiben. Seit sie den Pub Black Feather mit angeschlossenem Café und Hotel von ihrer Tante geerbt hatte, war sie gegen ihren Willen in gut und gern ein Dutzend Mordfälle hineingezogen worden. Glaubte man an das Gesetz der Serie, konnte es nicht mehr lange dauern, bis es wieder zu einem Verbrechen in Nathalies unmittelbarer Umgebung kommen würde.

»Oder wir gewinnen im Lotto«, entgegnete Jean-Louis, der für Earlsraven und das Umland zuständige Gerichtsmediziner. »Dann können wir uns jedes Wochenende ein solches Hotel leisten – wir können uns sogar per Sänfte hintragen lassen.«

»Dir ist aber bekannt, dass die Sklaverei abgeschafft worden ist, oder, J.L.?«, fragte Belle fröhlich.

»Natürlich«, versicherte er ihr lachend. »Aber meine Vorfahren kommen aus Indien, und da ist es nur fair, wenn ich jetzt mal in einer Sänfte getragen werde.«

»Oha«, entfuhr es Nathalie in dem Moment, was die anderen aufhorchen ließ.

»Was ist?«, fragte Fred, der von ihren Befürchtungen wusste, und sah sich besorgt um. »Hast du jetzt so kurz vor dem Ziel doch noch irgendwo ein Mordopfer entdeckt?«

»Nein, aber einen Stau direkt vor uns«, antwortete sie, nahm Gas weg und schaltete die Warnblinkanlage ein, um die nachfolgenden Fahrer auf die Gefahrenstelle aufmerksam zu machen.

»Wir könnten die nächste Ausfahrt nehmen und über die Landstraße fahren«, schlug Jean-Louis vor.

Nathalie schüttelte den Kopf. »Das möchte ich lieber vermeiden. In der Werkstatt hat man letzte Woche das Update für das Navi installiert, doch irgendwas ist da schiefgelaufen. Ich bekomme als Standort immer nur Marrakesch angezeigt, und von da aus werden jetzt auch alle Routen berechnet.«

»Marrakesch?«, wiederholte Jean-Louis und schürzte die Lippen. »Da wollte ich immer schon mal hin.«

»Allerdings wird dir das Navi dabei nicht behilflich sein, weil es ja meint, wir wären bereits dort«, machte Nathalie ihm schmunzelnd klar.

»Zu schade«, meinte er, zuckte dann jedoch mit den Schultern. »Aber so viel Benzingeld habe ich sowieso nicht dabei. Also ist es nicht ganz so schlimm.«

»Dann bleiben wir eben auf der Autobahn und sitzen den Stau aus«, warf Belle ein. »Dreh das Radio auf, dann vergeht die Zeit wie im Flug.«

Nathalie seufzte. »Schön wär’s, aber außer den BBC-Weltnachrichten kommt nichts mehr, seit das Navi spinnt.«

»Wenn wir wenigstens Radio Marrakesch reinbekommen würden«, sagte Fred und schloss die Augen, als Nathalie bremste und der Wagen zum Stehen kam. »Weckt mich, wenn es weitergeht.«

Nach gut einer halben Stunde kam Nathalie Freds Wunsch nach und stieß ihn an.

Er schreckte hoch. »Was ist? Wo sind wir?«

»Nicht mehr im Stau«, sagte sie.

»Aber … das ist nicht die Autobahn!«, stellte er verwundert fest, als er sich umsah.

»Richtig. Weil die Autobahn nämlich noch für Stunden gesperrt sein wird«, erklärte sie. »Da liegt ein Sattelschlepper quer auf allen Fahrspuren, und aus dem Tank sind mehrere Tausend Liter Karamell ausgelaufen. Da geht vorläufig gar nichts mehr.«

Belle schüttelte sich. »Die armen Feuerwehrleute«, sagte sie mitfühlend. »Ich möchte nicht mit ihnen tauschen, wenn sie die klebrige Masse von der Fahrbahn schaffen müssen.«

»Und jetzt?«

»Jetzt lassen wir uns von J.L. zurück nach Earlsraven dirigieren«, antwortete Nathalie. »Er sagt, er kennt sich hier aus.«

»Das heißt, das Navi spinnt immer noch?«

»Nicht nur, dass es spinnt. Wir sind hier auch noch in ein Funkloch geraten und können nicht mal die Navi-Funktion unserer Smartphones nutzen. Aber wie gesagt: J.L. kennt sich aus.«

Fred drehte sich so, dass er seinen Freund auf der Rückbank ansehen konnte. »Ist das wahr?«

»Guck mich nicht so zweifelnd an«, konterte der Gerichtsmediziner. »Ich kenne mich aus, außerdem habe ich einen guten Orientierungssinn.«

»Aber nur, wenn es um den Weg zwischen rechter Herzkammer und Milz geht«, gab Fred lachend zurück.

Jean-Louis winkte ungerührt ab. »Ihr werdet euch noch wundern …«

»… wie man sich auf den Weg nach Earlsraven machen und in Aberdeen landen kann«, ergänzte Nathalie neckend. »Doch jetzt mal ernsthaft, J.L. Alle anderen sind nach links gefahren, nachdem wir die Autobahn verlassen haben. Mich hast du nach rechts geschickt. Irgendwie gefällt mir das nicht.«

»Die Autobahn macht einen riesigen Bogen nach links, und wenn wir jetzt wie alle anderen brav in diese Richtung fahren, kommen wir am äußersten Rand dieses Bogens raus, wo sich dann die nächste Auffahrt befindet. Und damit fahren wir einen riesigen Umweg, der uns sogar noch viel mehr Zeit kosten wird, weil die Landstraße hoffnungslos überlastet ist. Hier entlang umfahren wir das Ganze und werden viel schneller in Earlsraven sein als über diese Umleitung.«

»Na, wenn du es sagst und so überzeugt davon bist, werden wir dir auch glauben«, lenkte Nathalie ein, dann fügte sie todernst an: »Wenn es nicht stimmen sollte, werden wir dich jedoch teeren und federn.«

Jean-Louis lachte auf. »Wenn ich merken sollte, dass wir auf dem falschen Weg sind, werde ich mich halt noch schnell nach Marrakesch absetzen.«

Nathalie betätigte eine Taste, ein Klacken war zu hören. »Die Kindersicherung wird das zu verhindern wissen, J.L.«

Mit einem übertriebenen Seufzer fügte er sich in sein Schicksal und sagte: »Da vorn die nächste links.«

Der Regen hatte kurz nach dem Verlassen der Autobahn eingesetzt und war immer stärker geworden, aber solange dichte Nadelwälder links und rechts die Landstraße säumten, war der Wolkenbruch noch erträglich gewesen. Doch dann hatte der Wald abrupt geendet und war in eine ungeschützte hügelige Landschaft übergegangen, und von da an war es Nathalie so vorgekommen, als würde sie durch eine Waschanlage fahren. Die Scheibenwischer hatten auf höchster Stufe gearbeitet, waren aber den Wassermassen nicht gewachsen, die, von einem heftigen Sturm vorangetrieben und von links vorne kommend, auf ihren Wagen einprasselten. Schließlich hatte sie die Scheibenwischer abgeschaltet, was von Fred zunächst mit einem zweifelnden Blick kommentiert worden war. Doch dann hatte er erkennen müssen, dass die Straße deutlich besser zu sehen war als zuvor, als die Wischer zwar das Wasser von der Scheibe befördert hatten, es aber so gut wie unmöglich gewesen war, durch den nächsten Schwall dicker Tropfen hindurch die Straße auszumachen.

Auch jetzt konnte Nathalie nur Schritttempo fahren, doch das war zumindest ein wenig besser. Lange würden sie davon jedoch nicht profitieren können, da die Dämmerung eingesetzt hatte und es in Kürze noch dunkler sein würde, als es das unter den schwarzen Unwetterwolken jetzt schon war.

»Ich würde ja am liebsten den Wagen einfach hier abstellen und warten, bis der Regen aufhört«, bemerkte Nathalie, die es allmählich als ziemlich strapaziös empfand, bei diesen Sichtverhältnissen unterwegs zu sein. »Aber ich habe keine Ahnung, ob das hier eine sichere Stelle ist.«

»Ehrlich gesagt, wäre es mir auf jeden Fall lieber, wenn wir mal anhalten und eine Weile warten könnten«, meldete sich Belle vom Rücksitz zögerlich zu Wort. »Mir ist das Ganze ein bisschen unheimlich.«

»Das Problem ist nur, dass es bald völlig dunkel ist«, wandte Fred ein. »Wir sollten vielleicht zusehen, dass wir noch möglichst weit kommen, bevor wir gar nichts mehr sehen.«

»Fred, wir haben in der letzten halben Stunde keine fünf Meilen geschafft«, sagte Nathalie. »Bis Earlsraven sind es mindestens noch vierzig Meilen. Wir kommen so oder so erst irgendwann in der Nacht an, da ist es auch egal, ob das eine halbe Stunde früher oder später sein wird. Bei dem Sturm, der herrscht, muss diese Unwetterfront in nächster Zeit vorübergezogen sein.«

Fred nickte nachdenklich. »Ja, du hast recht. Soviel man noch erkennen kann, scheinen die Wolken sich ziemlich schnell zu bewegen.«

»Richtig«, stimmte Jean-Louis ihnen zu. »Überlegt mal, wie urplötzlich der Regen eingesetzt hat, obwohl die Wolken kurz zuvor noch weit entfernt gewesen sind. Ich bin auch dafür, dass wir anhalten und warten. Ein Baum kann uns so oder so auf den Wagen stürzen.«

»Sag so was gar nicht erst, J.L.!«, rief Belle erschrocken. »Ich will nicht darüber nachdenken, dass so etwas passieren könnte!«

»Entschuldigung«, murmelte Jean-Louis betreten. »Ich wollte dir keine Angst einjagen.«

»Wenn du’s wissen willst, J.L.«, ergänzte Nathalie über ihre Schulter hinweg, »wollte ich auch nicht über so was nachdenken müssen.«

»Ich und meine große Klappe«, seufzte er. »Also gut, dann entschuldige ich mich bei euch allen, dass ich das erwähnt habe.« Nach den zustimmenden Äußerungen der beiden Frauen und einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Bei dir auch, Fred.«

»Ich habe mich nicht beklagt«, gab der zurück. »Außerdem hast du ja recht, J.L. Wir sollten wirklich weit genug entfernt vom nächsten Baum halten.«

»Dann sind wir uns also einig, dass wir die Fahrt unterbrechen und an einer sicheren Stelle eine Weile warten, bis dieses Unwetter hoffentlich nachlässt. Seht mal, da vorn ist eine kleine Haltebucht. Und dort ist weit und breit kein Baum in Sicht.« Nathalie stellte wenig später den Motor ab und zog die Handbremse an, ließ jedoch das Licht eingeschaltet, damit sie gesehen wurden, falls auf dieser gottverlassenen Strecke doch ein anderer Wagen vorbeikommen sollte.

Als die Geräuschkulisse des Motors verstummte und sie alle einen Moment lang schweigend dasaßen, wurde ihnen erst richtig bewusst, wie unglaublich laut der Regen auf das Wagendach und gegen die Scheiben prasselte. Zudem schaukelte das Auto bei jeder stürmischen Böe. Das war zuvor nicht aufgefallen, da es während der Fahrt so gewirkt hatte, als wären Unebenheiten auf der Straße dafür verantwortlich. Untermalt wurde das Getöse durch das durchdringende Pfeifen aus all den Ecken und Ritzen an Nathalies Wagen, an denen sich der Sturm fing.

Eine Weile saßen sie schweigend da und lauschten der unheimlichen und womöglich auch unheilvollen Geräuschkulisse. Schließlich konnte niemand ausschließen, dass der Sturm zu irgendeinem Zeitpunkt irgendetwas mitreißen und gegen den Wagen schleudern würde.

Gut eine halbe Stunde war vergangen, die Nathalie damit zugebracht hatte, auf die Uhr zu sehen und zu hoffen, dass das Unwetter bald weiterzog und sie die Heimfahrt fortsetzen konnten. Es hatte in diesen fünfunddreißig Minuten unverändert stark geschüttet und gestürmt, sodass der Lärm nach einer Weile in den Hintergrund gerückt war.

Jetzt auf einmal bemerkte sie, dass es viel ruhiger geworden war, was aber schon seit ein paar Minuten der Fall zu sein schien.

»Hört ihr das auch?«, fragte sie.

»Was?«, erwiderte Fred.

»Der Regen«, sagte sie. »Ich glaube, er hat nachgelassen.«

»Jetzt, wo du’s sagst.« Fred nickte zustimmend. Er drehte sich zu Jean-Louis und Belle um, doch bevor er die beiden ansprechen konnte, hob der Gerichtsmediziner die Hand und deutete auf seine Freundin. Die junge Frau hatte sich an ihn geschmiegt und war offenbar eingeschlafen. Fred tippte Nathalie auf die Schulter, hielt sich einen Finger an die Lippen und deutete auf den Rücksitz.

Nathalie warf einen Blick nach hinten und musste lächeln. Sie zwinkerte Fred zu und ließ den Motor an. Der Regen hatte sich deutlich abgeschwächt, was erkennbar wurde, als sie den Scheibenwischer betätigte und die Windschutzscheibe nicht innerhalb von Sekunden wieder zugeregnet wurde. Zugegeben, wären sie aus dem Wagen ausgestiegen, hätte der Regen sie sofort bis auf die Haut durchnässt, doch es war immerhin nicht mehr so, als stünde man mitten unter einem Wasserfall.

Langsam fuhr Nathalie los. Die Wolkendecke war aufgerissen, und das wenige Restlicht am Himmel sorgte in der ansonsten alles beherrschenden Finsternis tatsächlich dafür, dass die Straße mit etwas Konzentration wieder auszumachen war.

»Halt an!«, rief Fred plötzlich so energisch, dass Nathalie eine Vollbremsung machte, ohne erst nach dem Grund für seine Aufforderung zu fragen.

»Was ist los?«, meldete sich aufgeregt Belle zu Wort, die von Freds lauter Stimme aus dem Schlaf gerissen worden war.

»Was ist?«, wollte nun auch Nathalie wissen. Sie konnte nicht entdecken, was Fred so alarmiert hatte.

»Da hat sich eben etwas quer über die Straße bewegt«, sagte er und sah mit zusammengekniffenen Augen auf die Fahrbahn.

»Bestimmt ein Kaninchen, das von dem Unwetter aufgescheucht worden ist«, meinte sie.

»Nein, das war kein Tier, das war irgendwas … Kantiges oder so«, entgegnete Fred. »Irgendetwas, das sich normalerweise nicht aus eigener Kraft durch einen Wald und über eine Straße bewegen würde.«

»Etwas Kantiges?«, wiederholte Nathalie. »Eine Kiste oder was?«

»Ich weiß nicht. Es war mehr so, als würde es auf Wasser treiben.« Er zuckte ratlos mit den Schultern.

»Auf Wasser?«, fragte Belle verwundert. »Dann ist da was auf einer Pfütze rumgeschwommen? Oder wie meinst du das?«

»Es war nicht … Ach, jetzt reicht’s mir«, verkündete Fred, öffnete das Handschuhfach und nahm eine Taschenlampe heraus. »Ich hoffe, die funktioniert.«

»Was hast du vor?«, wollte Nathalie wissen.

»Das wirst du gleich sehen.« Mit diesen Worten stieß er die Beifahrertür auf und stieg aus. Es war fast so, als würde er eine Duschkabine betreten, in der das Wasser bereits lief. Sein Hemd war nach zwei Schritten bis auf die Haut durchnässt, die Hosenbeine klebten ihm an den Oberschenkeln. Bei jedem Schritt spritzte Wasser auf. Das einzig Gute war, dass der Sturm abgeebbt war.

Den Lichtkegel der Taschenlampe auf die Fahrbahn gerichtet, ging Fred vorsichtig in die Richtung, in die sie fahren mussten, und suchte den Boden ab. Sie waren nur ein paar Meter von der Stelle entfernt, an der er die eigenartige Beobachtung gemacht hatte. Als er dicht davor war und mit der Lampe nach rechts und links leuchtete, wurde ihm klar, was er gesehen hatte. Er kehrte zum Wagen zurück und stieg ein. Wasser, das von seiner wüsten Mähne wie von einem Schwamm aufgesogen worden war, lief ihm über das ohnehin schon nasse Gesicht. Der Beifahrersitz nahm alle Feuchtigkeit auf, und es würde Tage dauern, ehe der Bezug wieder trocken sein würde, aber das war Fred jetzt gleichgültig.

»Wir haben Glück gehabt«, sagte er. »Da vorne verläuft ein Bach quer unter der Fahrbahn, jedenfalls dürfte das normalerweise ein Bach sein. Doch die Wassermassen müssen diese Unterquerung mit solcher Wucht erwischt haben, dass die Fahrbahn unterspült und auf ganzer Breite weggerissen worden ist.«

»Die Fahrbahn wurde weggerissen?« Nathalie stieß erschrocken den Atem aus. Hätte Fred da nicht eine Bewegung gesehen, wären sie mit dem Wagen in einem überfluteten Bachlauf gelandet. Sie wollte lieber nicht darüber nachdenken, was dabei alles hätte passieren können. »Also müssen wir zurückfahren.«

»Müssten wir Dynamit zu einem brennenden Ölfeld transportieren«, sagte Jean-Louis mehr zu sich selbst, »dann würden wir jetzt Baumstämme mit Macheten bearbeiten, um eine Behelfsbrücke zu bauen.«

»Was redest du da?« Belle schüttelte verständnislos den Kopf. Auch Fred und Nathalie sahen ihn verwundert an.

»Was denn? Habt ihr noch nie Lohn der Angst gesehen? Dann habt ihr was verpasst«, antwortete er erstaunt. »Da müssen ein paar Leute zwei mit Dynamit beladene Lastwagen quer durch den Dschungel fahren, um einen Brand auf einem Ölfeld zu bekämpfen. Den Film sollten wir uns mal zusammen ansehen. Ihr könnt auch zwischen Original und Neuverfilmung wählen. Die ist nämlich auch gelungen.«

»Schade, dass ich nicht die Ausführung mit DVD-Player und vier Monitoren gewählt habe, als ich meinen Wagen bestellt habe«, gab Nathalie ironisch zurück. »Dann hätten wir uns doch hervorragend die Zeit mit einem Film vertreiben können, der uns auf ganz andere Gedanken gebracht hätte.«

»Geht der Film wenigstens gut aus?«, wollte Belle wissen.

»Mmm«, machte Jean-Louis. »Da will ich nicht zu viel verraten. Wenn ihr ihn nicht kennt, würde ich euch nur den Spaß verderben.«

»Mit anderen Worten«, warf Nathalie lachend ein, »am Ende sterben alle, und die ganze Mühe war umsonst.« Als Jean-Louis einen Moment lang die Worte fehlten, hakte sie nach: »Tatsächlich? Am Ende sterben alle? Warum soll ich mir so was Deprimierendes ansehen?«

»Bambi ist deprimierender«, gab der Gerichtsmediziner zurück.

»Ja, da muss ich dir recht geben«, sagte Nathalie ernst und fuhr nach einer kurzen Pause fort: »Also, meine lieben Mitreisenden, wir werden jetzt kehrtmachen und der eigentlichen Umleitungsstrecke folgen. Vorausgesetzt, wir finden sie überhaupt wieder.«

»Du hast ja immer noch mich als deinen lebenden Wegweiser«, erwiderte Jean-Louis.

Trotz der immer noch heftigen Regenfälle kamen sie nun etwas zügiger voran, auch wenn Nathalie nicht davon begeistert war, die bereits zurückgelegte Strecke nun in entgegengesetzter Richtung fahren zu müssen. Wann sie Earlsraven erreichen würden, stand mehr denn je in den Sternen, da sie dank der BBC-Weltnachrichten zwar über die neuesten Ereignisse zu beiden Seiten des Panamakanals Bescheid wussten, aber keine Ahnung hatten, welche Verwüstungen durch das Unwetter in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft angerichtet worden waren.

Die Fahrt war nicht von langer Dauer, da Nathalie nach nicht einmal einer Meile auf einmal ein Hindernis auf der Fahrbahn ausmachte – ein großes Hindernis.

»Endstation«, murmelte sie und ließ den Wagen ausrollen, bis im Licht der Scheinwerfer der Baum erkennbar wurde, der die Straße auf ganzer Breite blockierte.

»Glück gehabt«, sagte Fred bei diesem Anblick.

»Glück gehabt?«, wiederholte Nathalie irritiert. »Hinter uns ist die Fahrbahn weggespült worden, und deshalb kommen wir dort nicht weiter. Und jetzt tut uns der Baumstamm hier das Gleiche an. Was daran soll Glück sein?«

»Ich meinte, wir haben noch mal Glück gehabt, weil dieser Baum uns vor etwa einer Viertelstunde auch auf den Wagen hätte stürzen können, als wir diese Stelle passiert haben.«

»Oh!« Nathalie musste schlucken. »Ja, das wäre allerdings … ähm … unangenehm geworden.«

»Kann man so sagen«, stimmte ihr Freund ihr zu. »Und was machen wir jetzt?«

»Ein dummes Gesicht«, murmelte sie niedergeschlagen.

»Ich seh mich mal draußen um«, erklärte Fred im nächsten Moment und griff erneut nach der Taschenlampe.

»Nein, du gehst nicht schon wieder da raus«, protestierte sie und hörte von Jean-Louis und Belle zustimmende Worte. »Diesmal werde ich …«

»Nein, das wirst du nicht«, fiel Fred ihr ins Wort, beugte sich zu ihr rüber und gab ihr einen Kuss. »Frauen gehören ans Lenkrad, weil sie wissen, wo’s langgeht.«

Seine Bemerkung machte Nathalie für einen Augenblick so sprachlos, dass er die Gelegenheit nutzte und ausstieg.

Ein paar Minuten später war er zurück und schüttelte missmutig den Kopf. Wasser spritzte aus seinen Haaren in alle Richtungen. »Das können wir vergessen. Links und rechts verläuft ein Graben neben der Straße, den der Regen in einen Morast verwandelt hat. Außerdem stehen die Bäume hier wieder zu dicht. Da nützt dir auch der Allradantrieb nichts. Wenn wir die Straße verlassen, bleiben wir so oder so stecken.«