Tee? Kaffee? Mord! Der Geist von Sparrow's Deep - Ellen Barksdale - E-Book

Tee? Kaffee? Mord! Der Geist von Sparrow's Deep E-Book

Ellen Barksdale

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Beschreibung

Die Geister der Vergangenheit ...
Das kleine Küstendorf Sparrow’s High könnte normalerweise nicht verschlafener sein, aber jetzt sind die Bewohner in heller Aufregung. Denn in der Burg Sparrow’s Deep spukt es - und zwar gewaltig! Allerdings hören die unheimlichen Geräusche und Erscheinungen jedes Mal auf, kurz bevor die Polizei eintrifft.
Niemand traut sich mehr auch nur in die Nähe des Anwesens - niemand bis auf Nathalie und Louise! Die beiden sind überzeugt, dass es eine natürliche Erklärung für alles gibt. Doch manchmal ist die Wahrheit unheimlicher als jeder Spuk ...

Über die Serie: Davon stand nichts im Testament ... Cottages, englische Rosen und sanft geschwungene Hügel - das ist Earlsraven. Mittendrin: das »Black Feather«. Dieses gemütliche Café erbt die junge Nathalie Ames völlig unerwartet von ihrer Tante - und deren geheimes Doppelleben gleich mit! Die hat nämlich Kriminalfälle gelöst, zusammen mit ihrer Köchin Louise, einer ehemaligen Agentin der britischen Krone. Und während Nathalie noch dabei ist, mit den skurrilen Dorfbewohnern warmzuwerden, stellt sie fest: Der Spürsinn liegt in der Familie ...

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Ähnliche


Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über diese Folge

Tee? Kaffee? Mord! – Die Serie

Titel

Prolog

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebtes Kapitel

Achtes Kapitel

Neuntes Kapitel

Epilog

Über die Autorin

Impressum

Leseprobe

 

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Über diese Folge

Die Geister der Vergangenheit …

Das kleine Küstendorf Sparrow’s High könnte normalerweise nicht verschlafener sein, aber jetzt sind die Bewohner in heller Aufregung. Denn in der Burg Sparrow’s Deep spukt es – und zwar gewaltig! Kurz bevor die Polizei eintrifft, hört der Spuk allerdings jedes Mal auf.

Niemand traut sich mehr auch nur in die Nähe des Anwesens – niemand bis auf Nathalie und Louise! Die beiden sind überzeugt, dass es eine natürliche Erklärung für die unheimlichen Geräusche und Erscheinungen gibt. Doch manchmal ist die Wahrheit unheimlicher als jeder Spuk …

Tee? Kaffee? Mord! – Die Serie

Davon stand nichts im Testament …

Cottages, englische Rosen und sanft geschwungene Hügel: das ist Earlsraven. Mittendrin: das »Black Feather«. Dieses gemütliche Café erbt die junge Nathalie Ames völlig unerwartet von ihrer Tante – und deren geheimes Doppelleben gleich mit! Die hat nämlich Kriminalfälle gelöst, zusammen mit ihrer Köchin Louise, einer ehemaligen Agentin der britischen Krone. Und während Nathalie noch dabei ist, mit den skurrilen Dorfbewohnern warmzuwerden, stellt sie fest: Der Spürsinn liegt in der Familie …

Ellen Barksdale

Tee? Kaffee?Mord!

DER GEIST VON SPARROW’S DEEP

Prolog, in dem man sich einer unliebsamen Person entledigt

März 1940

Kurt Bittner stand vor seiner Burg und unterhielt sich mit seinem Gärtner darüber, welche Blumen als Nächstes gekauft werden mussten, damit Anfang April die Beete in leuchtenden Farben erblühten. Plötzlich kamen zwei schwarze Limousinen und ein kleiner Reisebus durch das Tor der Burgmauer auf den Innenhof gefahren und hielten neben ihm an. Auf der Beifahrerseite der ersten Limousine stieg ein Mann aus, der einen beigefarbenen Mantel und einen dunklen Hut trug. Er war schmal und groß und hatte einen Schnauzbart, bei dem jede Mähnenrobbe vor Neid erblasst wäre.

»Herr Bittner?«, fragte er.

Kurt nickte und zog an seiner Zigarette. »Der bin ich.«

»Inspector Jones, Scotland Yard«, stellte sich der schnauzbärtige Mann vor, hob den Hut ein Stück weit an und hielt ihm seinen Dienstausweis hin.

»Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuchs, Inspector?«, fragte Kurt Bittner und sah zu dem halben Dutzend Polizisten, die inzwischen aus den beiden Personenwagen ausgestiegen waren. Der Reisebus schien bis auf den Fahrer leer zu sein. »Auch wenn ich mir angesichts Ihrer Begleitung nicht ganz so sicher bin, ob es wirklich eine Ehre ist oder ob ich mir vielmehr Sorgen machen sollte.«

»Herr Bittner, der Secret Service wird in Kürze herkommen und Sie, Ihre Frau und Ihre Angestellten festnehmen«, sagte der Inspector ohne Vorrede.

»Wie bitte?« Kurt sah ihn erschrocken an. »Aus welchem Grund?«

»Man wirft Ihnen Spionage im Auftrag Ihrer deutschen Heimat vor«, erklärte der Inspector.

»Spionage? Wen soll ich denn ausspioniert haben? Und wann und wo?« Er schüttelte den Kopf. »Das ist doch lächerlich.«

»Ich bezweifle, dass das Gericht das auch so sehen wird«, sagte Jones. »Außerdem dürfte es in diesen Zeiten schwierig sein, einen britischen Anwalt zu finden, der einen deutschen Spion vor Gericht verteidigen möchte.«

»Aber ich bin kein Spion!«, beharrte Kurt. »Das ist eine Lüge!«

»Herr Bittner, der Secret Service weiß nicht, dass ich hier bin. Wir haben einen Vorsprung von vielleicht eineinhalb bis zwei Stunden, mehr auf keinen Fall. Ich kenne den Agenten, der Sie festnehmen soll, seit Jahren, und ich weiß, dass er einen sehr präzise festgelegten Tagesablauf hat. Wir haben jetzt ein Uhr, und das heißt, dass er soeben seine Mittagspause beendet hat und sich mit seinen Leuten auf den Weg hierher machen wird.«

»Und dann wird er mich festnehmen?«

»Und Ihre Frau und Ihre Angestellten«, ergänzte Jones.

»Und … was machen Sie hier, wenn dieser Agent uns abholen soll?«, fragte Kurt verständnislos.

»Ich bin kein Freund der Deutschen, aber ich bin auch kein Freund von frei erfundenen Anschuldigungen«, sagte der Inspector.

»Dann wissen Sie, dass ich kein Spion bin? Und trotzdem holen Sie uns ab?«

»Ich hole Sie nicht ab, ich bringe Sie in Sicherheit«, stellte er klar. »Dieser Bus wird Sie, Ihre Frau und Ihre Angestellten nach Dover bringen, damit Sie mit der Abendfähre aufs Festland übersetzen können. Packen Sie so viele Habseligkeiten wie möglich zusammen, und dann verlassen Sie das Land, solange Sie es noch können.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Sie haben eine Stunde Zeit, dann müssen Sie aufbrechen, damit die Leute vom Secret Service Sie nicht noch einholen.« Er zog ein Blatt aus der Innentasche seines Mantels. »Schreiben Sie das hier auf Deutsch ab, und legen Sie das Blatt so auf den Schreibtisch, dass man es schnell findet. Aber legen Sie es nicht so offensichtlich hin, dass man erkennt, dass es Absicht ist.«

»Was ist das?«, fragte Kurt.

»Das sind die Abfahrtszeiten einer Fähre von Plymouth nach Roscoff«, antwortete Jones. »Der Secret Service soll glauben, dass Sie auf diesem Weg das Land verlassen wollen. Wenn man in Plymouth nach vergeblicher Suche erkennt, dass es sich um eine falsche Fährte handelt, ist es bereits zu spät, um noch rechtzeitig von dort nach Dover zu fahren und dort nach Ihnen zu suchen.«

Kurt sah den Inspector an. »Ich sollte mich wohl bei Ihnen bedanken, Inspector.«

»Ich wüsste nicht wofür«, gab der mit Unschuldsmiene zurück, dann tippte er auf seine Armbanduhr. »Die Zeit läuft.«

»Ich bin schon unterwegs«, sagte Kurt, ließ die fast aufgerauchte Zigarette auf den Boden fallen, trat sie aus und wandte sich zum Gehen.

»Meine Leute werden Ihnen beim Packen über die Schulter sehen, Herr Bittner«, fügte der Inspector an. »Nur zu meiner Sicherheit. Ich möchte nicht später erfahren, dass die Anschuldigungen gar nicht frei erfunden waren. Ich könnte nicht mit dem Wissen leben, dass ich einem Spion zur Flucht verholfen und dazu beigetragen habe, dass er geheime Informationen außer Landes schafft.«

Kurt nickte. »Kein Problem, Ihre Leute können sich alles ansehen, was wir zusammenpacken. Ich habe nichts zu verbergen.«

Der Inspector sah dem Deutschen hinterher, wie der zu seinem Gärtner etwas sagte und dann in den Bergfried verschwand. Aus dem Augenwinkel sah er, wie aus der zweiten Limousine ein älterer Mann ausstieg, der ähnlich wie er selbst gekleidet war.

»Sir«, sagte der Inspector und zog an seiner Zigarre, die einen penetranten Geruch verbreitete. Jones war froh, dass sein Vorgesetzter nicht bei ihm mitgefahren war.

»Jones, so wie es aussieht, läuft alles so, wie wir es erwartet haben«, sagte der andere.

»Ja, Sir, es läuft alles genau nach Plan«, bestätigte der Inspector. »In einer Stunde wird das alles hier verwaist sein.«

»Ganz so, wie es sein soll, Jones«, sagte der Vorgesetzte und klang zufrieden.

»Ja, Sir«, erwiderte Jones.

Erstes Kapitel, in dem einem Spuk ein Ende gesetzt werden soll

Heute

»Und?«, fragte Louise, als ihre Freundin und Chefin Nathalie über den Parkplatz des Landmarkts zu ihr kam, während sie noch damit beschäftigt war, die Einkäufe in den Jeep zu laden.

Nathalie stellte sich zu ihr und reichte ihr den Beutel Gemüsezwiebeln. Unschlüssig schürzte sie die Lippen. »Ich weiß nicht«, erwiderte sie. »Entweder ist Wilmerson einfach nur nervös, weil er weiß, er hat seine Chefin vor sich, oder er hat doch irgendwas zu verbergen. Aber die Buchhaltung ist in Ordnung, in der Kasse fehlt kein Geld, und es sind die gleichen Landwirte wie sonst auch im Markt vertreten, von denen sich immer die gleichen ständig darüber beschweren, dass sie einen Platz haben, an dem sie nichts verkaufen. Seltsam nur«, fügte sie grinsend hinzu, »dass sie Woche für Woche mehr Provision bezahlen als jeder andere Stand.«

»Ich möchte mal deren dummes Gesicht sehen, wenn du sie erhörst und ihnen einen anderen Platz geben würdest«, erwiderte Louise, »und sie dann wirklich Grund zur Klage hätten.«

»Ich glaube, die hören sich einfach nur gern jammern. Dann kommen die Kunden auch nicht so schnell auf die Idee, den Preis für ein Pfund Tomaten nach unten abrunden zu wollen.«

»Und was machst du jetzt wegen Wilmerson?«, wollte Louise wissen.

»Vermutlich einfach alle paar Tage unangemeldet auftauchen und die Kasse und die Buchhaltung prüfen«, sagte Nathalie. »Auf die Weise wird Wilmerson verunsichert, falls er tatsächlich irgendwas Illegales macht.«

»Du könntest doch einfach Ronald bitten, dass er an einem Vormittag aus irgendeinem Grund den Markt räumen lässt«, überlegte Louise. »Nicht gerade eine Bombendrohung oder so, aber etwas, das Wilmerson dazu zwingt, sein Büro sofort zu verlassen. Normalerweise sieht er dich von seinem Büro aus in den Markt kommen und hat immer noch ein paar Minuten Zeit, um das zu verstecken, was du nicht sehen sollst. Wenn Ronald den Markt räumen lässt, dann kommt das so unverhofft, dass Wilmerson dazu keine Gelegenheit haben wird. Wenn alle raus sind, kommst du dazu, siehst dir sein Büro an und entdeckst, was er vor dir verheimlicht hat.«

»Entweder das, oder ich komme am Sonntagnachmittag her, wenn geschlossen ist und sich niemand hier aufhält«, erwiderte Nathalie. »Dann kann ich auch einen Blick in die Schränke werfen, um die ich mich nicht kümmern muss, wenn ich nach der Buchhaltung sehen will.«

Louise zuckte mit den Schultern. »Auch keine schlechte Idee. Und wenn du irgendwo nicht rankommst, weil dein Schlüssel nicht passt, kannst du Montagmorgen um sieben Uhr hier reinschneien und ihn zur Rede stellen.«

Nathalie reichte ihrer Freundin, die zugleich die Köchin des Black Feather war, einen Eierkarton nach dem anderen an. »Am liebsten hätte ich Madge als Geschäftsführerin hier behalten, anstatt sie nach Glasgow zu versetzen. Aber da Fred mit seiner Herzallerliebsten Hals über Kopf nach Kanada ausgewandert ist, blieb mir ja keine Wahl. Wie sollte jemand eingearbeitet werden, wenn der Herr sich aus dem Staub macht und mir auf dem Weg zum Flughafen seine Kündigung schickt?«

»Na ja, es hätte ja noch alles halbwegs geregelt werden können, wenn nicht ausgerechnet seine Freundin seine Assistentin und Stellvertreterin gewesen wäre«, sagte Louise und warf einen letzten Blick in den Einkaufswagen, um sich zu vergewissern, dass sie nichts vergessen hatte. »Oder wenn Madge wenigstens ihren Assistenten bei uns gelassen hätte.«

Nathalie zuckte mit den Schultern. »Ohne ihn wäre sie nicht gegangen, oder sie hätten beide gekündigt. Aber ich kann nicht in zwei Filialen gleichzeitig neue Geschäftsführer und Assistenten einarbeiten, wenn ich mich auch noch um das Black Feather kümmern will. Yoshiko nimmt mir ja schon eine Menge von dem tagtäglichen Papierkram ab, aber da bleibt immer noch genug, was ich mir ansehen muss, bevor ich es unterschreibe. Den Traum von einem dritten oder vierten Landmarkt kann ich damit wohl vergessen.«

»Nicht unbedingt«, wandte Louise ein, während Nathalie den Einkaufswagen in den Unterstand gleich neben ihrem Parkplatz schob. »Du könntest doch das System deines Landmarkts als Lizenz vergeben. Wenn jemand einen Landmarkt eröffnen will, verkaufst du ihm die Lizenz, die ganz genau vorgibt, was der Lizenznehmer tun darf und tun muss. Dann muss nur ab und zu jemand von Markt zu Markt fahren und überprüfen, ob alle deine Standards auch eingehalten werden. So wie das bei jeder Franchise-Kette gemacht wird.«

Nathalie zog die Nase kraus. »Daran habe ich auch schon gedacht, aber … ich weiß nicht. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass solchen Märkten etwas fehlt. Das fühlt sich so … so unpersönlich an. Außerdem brauche ich dann jemanden, der das alles im Auge behält.«

»Dann würde ich dir was anderes vorschlagen«, sagte Louise, nachdem sie eingestiegen waren und Nathalie den Motor angelassen hatte. »Warum machst du nicht Madge zu deiner Chefmanagerin für alle Landmärkte? Sie rekrutiert die Marktleiter und arbeitet sie ein, sie kümmert sich um die Einrichtung neuer Märkte, sie kann durchs Land fahren und überall nach dem Rechten sehen, und ihren Assistenten kann sie ja zeitweise ›ausleihen‹, damit der mit einem neuen Marktleiter ein paar Wochen eng zusammenarbeitet. Ich kann mir vorstellen, dass ihr das gefallen würde.«

Nathalie rieb sich übers Kinn. »Das kann ich mir auch vorstellen. Das muss ich mir sofort aufschreiben, wenn wir zu Hause sind.«

»Keine Sorge, während du fährst und auf den Verkehr achtest, schreibe ich dir eine Mail«, gab Louise zurück, als sie beide in den Wagen eingestiegen waren.

»Perfekt«, murmelte Nathalie beiläufig, während sie einen ganzen Pulk aus Kunden mit Einkaufswagen passieren ließ, bevor sie ihren Jeep vom Parkplatz lenkte. »Ich frage mich jedes Mal aufs Neue, was die Leute bloß mit den Bergen von Lebensmitteln machen, die sie am Freitagnachmittag und Samstagvormittag kaufen, wenn sie am Montagmorgen schon wieder mit randvollen Einkaufswagen aus dem Markt kommen.« Nach einer winzigen Pause fügte sie hastig hinzu: »Nicht, dass ich etwas dagegen einzuwenden habe, dass sie so viel kaufen. Mir kann das nur recht sein. Ich weiß nur nicht, was innerhalb von eineinhalb bis zwei Tagen mit dem Essen geschieht, das für vier bis fünf Tage reichen müsste.«

»Vielleicht kommt ja bei ihnen am Wochenende die ganze Familie vorbei und futtert ihnen alles weg«, überlegte Louise, die weiter an der Mail schrieb.

»Müsste dann nicht eine Hälfte dieser Menschenmassen am Freitag und Samstag beim Einkaufen fehlen?«, konterte Nathalie.

»Schwarze Löcher«, sagte Louise nur.

»Was?«

»Schwarze Löcher sind die einfachste und beste Erklärung für alles, was auf unerklärliche Weise verschwindet«, erklärte sie schmunzelnd. »Auch für diese gigantischen Mengen an Lebensmitteln. Vermutlich werden sie von kleinen schwarzen Löchern verschluckt, die sich von Zeit zu Zeit in Kühlschränken bilden.«

»Ich werde dazu einfach gar nichts sagen«, murmelte Nathalie und schüttelte den Kopf.

»Das habe ich genau gehört«, sagte Louise und gab ihrer Freundin lachend einen Klaps auf den Oberschenkel, dann widmete sie sich wieder der Mail. »So, das hätten wir. Kann ich sonst noch was ich für dich erledigen, während du fährst?«

Nathalie überlegte kurz und erwiderte leise seufzend: »Oh ja. Du könntest im Internet nach der Seite suchen, auf der irgendein Unbekannter regelmäßig ankündigt, wann Will bei mir übernachtet.«

»Meinst du, es gibt so eine Seite?«, gab Louise lachend zurück.

»Die muss es einfach geben, Louise. So oft, wie das vorkommt, dass Will mitten in der Nacht losmuss, kann das eigentlich kein Zufall mehr sein«, sagte sie. »Du kannst fast schon Wetten darauf abschließen, dass nach ein oder zwei Stunden ein Anruf eingeht, weil jemand bei Sparrow’s Deep seltsame Geräusche und Lichter wahrgenommen hat. Und natürlich weiß derjenige auch, dass Ronald selbst irgendwo einen Unfall aufnehmen muss, weil dann nämlich Will losfahren und nach dem Rechten sehen muss.«

Sie waren inzwischen zurück in Earlsraven, und Nathalie fuhr bis zur Polizeiwache vor, um bei Ronald die vorbestellte Kiste mit Obst und Gemüse abzuliefern, die sie für ihn mitgebracht hatten.

»Und wie gewohnt nichts feststellen kann«, fügte Louise hinzu, während sie die Heckklappe des Jeeps öffnete. Sie schüttelte nachdenklich den Kopf. »Was hältst du davon, wenn wir beide einfach mal tagsüber hinfahren und uns in Sparrow’s Deep umsehen?«

Nathalie sah sie an. »Klingt nach einer guten Idee.«

»Das klingt nach allem, nur nicht nach einer guten Idee«, warf Ronald ein, der sie offenbar hatte vorfahren sehen, da er nach draußen kam, um seine Kiste in Empfang zu nehmen. »Wir wissen nicht, was da los ist. Wir wissen bis jetzt noch nicht mal, wem Sparrow’s Deep überhaupt gehört. Im Grundbuch wurde der letzte Eigentümer geschwärzt, ein neuer wurde nicht eingetragen, und absolut niemand auf dem Amt hat eine Ahnung, wo man etwas über die Eigentumsverhältnisse herausfinden könnte.«

»Und bislang habt ihr da auch niemanden angetroffen?«, hakte Nathalie nach, um sich zu vergewissern, dass sie nicht irgendwas verpasst hatte.

»Na ja, bislang gab es außer mitten in der Nacht keine Meldungen, also sind wir auch noch nicht tagsüber hingefahren, um zu sehen, ob uns da irgendwer die Tür aufmacht.«

»Genau das werden wir für euch erledigen«, erwiderte Louise lächelnd und mit einem Unterton, der deutlich machte, dass es für sie keine Diskussion gab.

»Falls du nicht zugehört hast, liebe Louise«, sagte er geduldig. »Wir wissen nicht, was da los ist. Das heißt, wir müssen der Sache erst mal auf den Grund gehen.«

»Das ist ja genau das, was wir machen werden«, beharrte Louise. »Möglicherweise sind das bloß ein paar Jugendliche, die sich da die eine oder andere Nacht um die Ohren schlagen. Das würde dann auch die unheimlichen Lichter und Geräusche erklären. Ich meine, wir wissen alle, dass da keine Geister am Werk sind, die nachts herumspuken. Für solche Ereignisse gibt es immer eine ganz und gar irdische Erklärung.«

»Und die kann lebensgefährlich sein«, betonte Ronald.

»Ein Grund mehr, sich da so bald wie möglich umzusehen, damit das Ganze ein Ende hat«, warf Nathalie ein.

Ronald seufzte und verdrehte die Augen, während er sich vorbeugte und die Kiste von der Ladefläche hob. »Wenn ihr beide euch erst mal etwas in den Kopf gesetzt habt, kann euch das wohl keiner mehr austreiben, wie?«

Beide grinsten ihn triumphierend an. »Du hast es erfasst, Ronald«, sagte Louise, klopfte ihm anerkennend auf die Schulter und schob ihn mit seiner Kiste voll Obst und Gemüse in Richtung Polizeiwache, damit er nicht noch länger versuchte, sie beide von etwas abzuhalten, das längst beschlossene Sache war.

Sie stiegen wieder ein und fuhren zum Black Feather weiter, als Paige aus ihrem Buchladen kam, um den Drehständer mit Kunstpostkarten neben der Eingangstür zu platzieren. Sie bemerkte Nathalies Wagen, winkte ihnen zu und lief wieder nach drinnen. Als Nathalie vor dem Geschäft anhielt, kam Paige mit einer Papiertüte nach draußen, in der sich ein dünnes Buch befand.

»Guten Morgen, ihr beiden«, begrüßte Paige sie und zog die dicke Strickjacke enger um sich, da es ein so kühler Morgen war, wie man ihn von einem Tag Ende Oktober erwarten konnte. »Dein Buch mit neunundneunzig Kichererbsen-Rezepten ist eingetroffen, Louise.«

»Schon? Ich dachte, das würde noch bis Ende der Woche dauern«, sagte Louise erstaunt.

»Manchmal reicht ein Anruf bei einem anderen Großhändler, und schon kann man Wunder bewirken«, erwiderte Paige. »Bezahlen kannst du später immer noch. Ich weiß ja, wo du wohnst. Und notfalls schicke ich einen Pfändungsbescheid an deine Arbeitgeberin, damit ich mein Geld bekomme«, fügte sie mit einem Augenzwinkern hinzu.

»Ich würde an deiner Stelle schnell zahlen«, sagte Nathalie todernst. »Arbeitgeber sehen das nicht gern, wenn ihre Angestellten in Pfändungen verwickelt werden.«

»Ich werde noch heute Nachmittag zu meiner Bank fahren und ein Darlehen beantragen, damit ich spätestens morgen früh meine Schulden begleichen kann«, konterte Louise grinsend. »Oder ich frage Ian«, redete sie weiter, als sie den Wirt des Jim’s Old Chair aus dem Pub kommen sah, da ein Paketbote vor dem Lokal angehalten hatte. »Bestimmt wird er einer alten Kollegin aus Agententagen aus einer finanziellen Klemme helfen.«

»Solange er nicht auf die Idee kommt, die Person zu eliminieren, die von der Kollegin Geld fordert«, meinte Paige.

»Was läuft eigentlich zwischen euch?«, fragte Nathalie. »Ich habe euch in der letzten Zeit gar nicht mehr so oft zusammen gesehen.«

Paige zog die Mundwinkel nach unten. »Das liegt daran, dass ich wieder Urlaub brauchen könnte.«

»Aber ihr seid doch erst vor vier Wochen von euren vierzehn Tagen in Frankreich zurückgekehrt«, sagte Louise amüsiert. »Und du bist schon wieder urlaubsreif?«

»Ja, genau wegen dieser zwei Wochen brauche ich ja wieder Urlaub«, seufzte Paige.

»Du meinst, du brauchst wieder Urlaub mit Ian, richtig?«, fragte Nathalie.

»Falsch. Wegen des Urlaubs mit Ian brauche ich Urlaub ohne Ian.« Sie zuckte flüchtig mit den Schultern. » Ich weiß, ich habe bislang nichts davon gesagt, weil ich mir einreden wollte, dass alles halb so schlimm ist. Ist es aber nicht.«

»Schnarcht er etwa so unglaublich laut?«, fragte Louise.

»Wenn von uns beiden einer schnarcht, dann ich. Nein, es geht um was ganz anderes. Ich bin bestimmt nicht der unordentlichste Mensch der Welt, und in meinem Laden herrscht wirklich Ordnung. Da steht jedes Buch da, wo es hingehört. Aber nach zwei Wochen in diesem Ferienhaus war ich kurz davor, Ian mit ›Adrian‹ anzureden.«

»Adrian?«, fragten sie gleichzeitig.

»Na, Adrian Monk.«

Louise und Nathalie sahen sich amüsiert an, dann erwiderte Louise: »Womit hat er denn das verdient?«

»Mit seiner Art, seine Sachen an einen bestimmten Platz zu legen und sie von dort erst wieder wegzubewegen, wenn er sie wieder an sich nimmt«, erklärte Paige. »Der Wagenschlüssel liegt da drüben, die Brieftasche hat ein Stück weiter links ihren Platz, das Smartphone wird an einem offenbar strategisch ausgeklügelten Platz deponiert, wandert aber von Zimmer zu Zimmer, und zwar so gut wie immer, auch wenn er nur kurz aus dem Wohnzimmer in die Küche geht, um Eiswürfel zu holen. Überhaupt habe ich das Gefühl, dass das alles einem bestimmten System folgt, aber ich habe keine Ahnung, was für ein System das ist. Ich weiß nicht, ob das was Zwanghaftes ist, so wie bei Leuten wie Adrian Monk, die sich alle fünf Minuten die Hände waschen müssen. Deshalb wollte ich ihn nicht darauf ansprechen.« Sie schüttelte frustriert den Kopf. »Einmal habe ich meine Handtasche da abgestellt, wo er jeden Tag den Wagenschlüssel hingelegt hat. Ehe ich michs versah, war meine Handtasche um zwanzig Zentimeter nach links gewandert, und da, wo sie eben noch gestanden hatte, lag der Wagenschlüssel.«

Louise nickte verstehend. »Tja, das hat er von seinem Job beim Geheimdienst beibehalten.«

»Was hat das mit seinem Job zu tun?«, fragte Paige verwundert.

»Als Agent lebst du gefährlich, und wenn du ständig damit rechnen musst, dass dich jemand angreifen und töten will, dann musst du darauf gefasst sein. Du musst genau wissen, wo die Pistole oder der Elektroschocker liegt, damit du blind zugreifen und dich wehren kannst. Du hast dann keine Zeit, erst mal in allen vier Schubladen deines Nachttischs nachzusehen, weil du nicht mehr genau weißt, wo die Pistole nun eigentlich liegt. Und genauso müssen deine übrigen Habseligkeiten wie zum Beispiel die Brieftasche ihren festen Platz haben, damit du sie sofort an dich nehmen kannst, sobald du überraschend die Flucht ergreifen musst. Das prägt sich einem so ein, das wird man nicht wieder los, nur weil man den Dienst quittiert hat.«

»Dann … bist du auch so?«, fragte Paige.

»Frag mal Martin«, gab Louise grinsend zurück.

»Und das macht ihn nicht rasend?«

»Warum sollte es? Er ist als Anwalt präzises Arbeiten und Ablegen gewöhnt. Er kann die Kopie einer Zeugenaussage nicht mal eben auf irgendeinen Stapel Papiere legen, sondern die gehört in die Mandantenakte, damit er sie jederzeit zur Hand hat. Und die Akte selbst hat auch wieder ihren festgelegten Platz, damit er sie nicht lange suchen muss, wenn er sie braucht.«

»Aber es sind doch zwei verschiedene Dinge, ob ich das aus beruflichen Gründen so machen muss oder ob ich dieses Verhalten mit nach Hause nehme«, wandte Paige ein.

Louise nickte bedächtig. »Es stimmt zwar, was du sagst. Aber das geht vielen so. Natürlich gibt es Leute, die daheim nicht mehr wissen, wo sie die Telefonrechnung hingelegt haben, die erst gestern in der Post war. Im Beruf sind sie dagegen so penibel, dass sie dir sagen können, dass der gesuchte Beleg der Firma Smith im zweiten Schrank links im oberen Fach im dritten Ordner von rechts zu finden ist. Und zwar unter dem Buchstaben B, weil die sich inzwischen in Baker and Smith umbenannt haben.«

»Okay, schludrig muss es auch wieder nicht sein«, lenkte Paige ein. »Aber wenigstens ein bisschen lockerer kann man doch zu Hause sein.«

»Ich könnte auch sagen, dass du es einfach ein bisschen lockerer sehen solltest«, konterte Louise in ruhigem Tonfall, um ihre Worte nicht wie einen Vorwurf klingen zu lassen. »Immerhin verdankst du ihm dein Leben, was du womöglich nicht sagen könntest, wenn er in seiner Art nicht so präzise wäre. Diese Genauigkeit gilt schließlich auch für seine Beobachtungsgabe, und ein nachlässigerer Mann hätte sich vielleicht nichts bei dem auffällig gekleideten Attentäter gedacht. Und der hätte den Attentäter nicht davon abhalten können, dich zu erschießen.«

»Oh Mann«, flüsterte Paige erschrocken. »Daran habe ich ja noch gar nicht gedacht. Ich glaube, ich muss noch mal sehr gründlich in mich gehen.«

»Das kann nie schaden«, sagte Nathalie und zwinkerte ihr zu. »Und da du ja deinen Unmut über seine Ordnungswut bislang nicht kundgetan hast, gibt es ja nicht mal etwas zu kitten. Das ist doch schon mal was.«

Paige nickte. »Ich habe ein Regal voller Beziehungsratgeber, und die Dinger sind der absolute Renner, aber ich brauche den Ratschlag einer guten Freundin, um den Wald vor lauter Bäumen wieder sehen zu können.«

»Sei froh, dass du keine Paartherapeutin bist«, meinte Louise amüsiert. »Dann wäre es wirklich richtig peinlich.«

»Das ist auch kein Trost«, gab Paige mit einem schiefen Lächeln zurück, kehrte in ihren Buchladen zurück und winkte den beiden noch über die Schulter zu, ehe die Tür hinter ihr zufiel.

»Okay, dann hast du heute Morgen schon einen guten Tipp für mich gehabt, was Madge und die Landmärkte angeht«, sagte Nathalie. »Danach hattest du die gute Idee, nach Sparrow’s Deep zu fahren, und jetzt hast du für Paige erfolgreich die Kummerkasten-Tante gespielt. Kommt da noch mehr?«

»Der Morgen ist noch nicht vorbei«, orakelte Louise. »Da kann noch viel passieren.«

Zweites Kapitel, in dem nach dem Spuk gesucht wird

»Da links muss es sein«, sagte Louise und deutete auf einen scheinbar dichten Wald, was sich in dem Moment als Trugschluss erwies, als Nathalie abbremste und in den Waldweg abbog. Tatsächlich bestand der »Wald« nur aus vier oder fünf Baumreihen, dahinter verlief eine mehrere Meter hohe Mauer, durch die der Eindruck entstand, dass man einen so dichten Wald vor sich hatte, dass dort nahezu Finsternis herrschte. Rechts und links des unbefestigten Wegs war die Mauer ein Stück weit zusammengebrochen.

»Da stand bestimmt mal ein massives Holztor«, meinte Nathalie, als sie die Mauer passierten.

»Ich würde sogar sagen, dass das eines von diesen riesigen Fallgittern war«, erwiderte Louise. »Bei denen hatten Angreifer wesentlich mehr Mühe, sie einzurennen. Dazu würde auch diese große Menge an Steinen passen, die hier überall liegen. Dann hat es nämlich auch einen Überbau für die Mechanik gegeben, damit man das Tor hochziehen konnte. Außerdem hat man von dort aus die Angreifer auch noch mit siedendem Fett, Steinen und Pfeilen gebührend empfangen.«

»So was Barbarisches möchte ich mir gar nicht vorstellen«, sagte Nathalie und schüttelte sich.