4,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 4,99 €
Folge 22: Jonathan Goodfellow, der Regisseur einer Theatergruppe, die im Black Feather einquartiert ist, wird ermordet - bei einer Probe wird er von einer Guillotine geköpft, die eigentlich nur Requisit sein sollte! Verdächtige gibt es genug, denn der Regisseur war bei seinen Schauspielern verhasst. Doch galt der Anschlag wirklich ihm? Nathalie und Constable Strutner entdecken einige Ungereimtheiten und fangen an zu ermitteln. Aber Nathalie ist abgelenkt: Denn ein anderes Verbrechen, dass sie wenige Monate zuvor während ihres Urlaubs beobachtet hat, will ihr nicht aus dem Kopf gehen ....
Über die Serie: Davon stand nichts im Testament ... Cottages, englische Rosen und sanft geschwungene Hügel - das ist Earlsraven. Mittendrin: das "Black Feather". Dieses gemütliche Café erbt die junge Nathalie Ames völlig unerwartet von ihrer Tante - und deren geheimes Doppelleben gleich mit! Die hat nämlich Kriminalfälle gelöst, zusammen mit ihrer Köchin Louise, einer ehemaligen Agentin der britischen Krone. Und während Nathalie noch dabei ist, mit den skurrilen Dorfbewohnern warmzuwerden, stellt sie fest: Der Spürsinn liegt in der Familie ...
eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 205
Cover
Grußwort des Verlags
Tee? Kaffee? Mord! – Die Serie
Über diese Folge
Titel
Prolog
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Epilog
Über die Autorin
Impressum
Liebe Leserin, lieber Leser,
vielen Dank, dass du dich für ein Buch von beTHRILLED entschieden hast. Damit du mit jedem unserer Krimis und Thriller spannende Lesestunden genießen kannst, haben wir die Bücher in unserem Programm sorgfältig ausgewählt und lektoriert.
Wir freuen uns, wenn du Teil der beTHRILLED-Community werden und dich mit uns und anderen Krimi-Fans austauschen möchtest. Du findest uns unter be-thrilled.de oder auf Instagram und Facebook.
Du möchtest nie wieder neue Bücher aus unserem Programm, Gewinnspiele und Preis-Aktionen verpassen? Dann melde dich auf be-thrilled.de/newsletter für unseren kostenlosen Newsletter an.
Spannende Lesestunden und viel Spaß beim Miträtseln!
Dein beTHRILLED-Team
Davon stand nichts im Testament …
Cottages, englische Rosen und sanft geschwungene Hügel: das ist Earlsraven. Mittendrin: das »Black Feather«. Dieses gemütliche Café erbt die junge Nathalie Ames völlig unerwartet von ihrer Tante – und deren geheimes Doppelleben gleich mit! Die hat nämlich Kriminalfälle gelöst, zusammen mit ihrer Köchin Louise, einer ehemaligen Agentin der britischen Krone. Und während Nathalie noch dabei ist, mit den skurrilen Dorfbewohnern warmzuwerden, stellt sie fest: Der Spürsinn liegt in der Familie …
Jonathan Goodfellow, der Regisseur einer Theatergruppe, die im Black Feather einquartiert ist, wird ermordet – bei einer Probe wird er von einer Guillotine geköpft, die eigentlich nur Requisit sein sollte! Verdächtige gibt es genug, denn der Regisseur war bei seinen Schauspielern verhasst. Doch galt der Anschlag wirklich ihm? Nathalie und Constable Strutner entdecken einige Ungereimtheiten und fangen an zu ermitteln. Aber Nathalie ist abgelenkt: Denn ein anderes Verbrechen, dass sie wenige Monate zuvor während ihres Urlaubs beobachtet hat, will ihr nicht aus dem Kopf gehen …
Ellen Barksdale
Tee? Kaffee?Mord!
LETZTER VORHANG FÜR MISTER GOODFELLOW
Prolog, in dem Nathalie zurückblickt und zweifelt
»Morgen ist auch noch ein Tag«, murmelte Nathalie Ames, während sie gegen einen Stapel Ziegelsteine gelehnt dastand und die Baustelle betrachtete, die in wenigen Monaten als Erweiterung ihres Pubs, Cafés und Hotels Black Feather fertiggestellt werden sollte. Auf der Baustelle lief alles nach Plan, ganz anders als in ihrem Privatleben. Da half die Erkenntnis, dass morgen auch noch ein Tag war, so gar nicht weiter.
»Morgen ist auch noch ein Tag«, hatte die Buchhändlerin und Nathalies gute Freundin Paige Rittinghouse am vergangenen Abend gesagt, als sie alle … nun ja, fast alle beisammengesessen hatten, um sich von Constable Ronald Strutner berichten zu lassen, was es mit diesen drei Toten auf sich gehabt hatte, die man stümperhaft auf einem Friedhof hatte verschwinden lassen.
Fast alle, denn Nathalies Freund Fred Estaire hatte gefehlt.
Weil er nicht länger ihr Freund war.
Und weil er sich nicht mehr in Earlsraven aufhielt.
In der letzten Nacht hatte Nathalie auf dem Sofa geschlafen, da sie nicht allein in dem Bett hatte schlafen wollen, das sie so lange Zeit mit Fred geteilt hatte. Ihrem Fred. Der jetzt fort war. Und der nicht wiederkommen würde.
»Wenn du auf die Bauarbeiter wartest«, hörte sie eine Stimme hinter sich, »dann hast du noch drei Tage und drei Nächte vor dir, in denen du dir die Beine in den Bauch stehst. Die Männer machen erst am Montag weiter.«
Nathalie schaute über die Schulter und sah, wie ihre beste Freundin Louise Cartham zu ihr kam, die als Chefköchin im Black Feather arbeitete. Sie lächelte sie schwach an. »Ich versäume ja nichts.«
»Nur dein Leben«, erwiderte Louise. »Das geht nämlich weiter und wartet nicht auf dich.«
»Paige meinte aber, morgen ist auch noch ein Tag«, hielt Nathalie dagegen.
»Stimmt schon«, räumte ihre Freundin ein. »Doch wenn du auf morgen wartest, um zu leben, dann ist heute ein verlorener Tag.«
Nathalie seufzte schwer. »Was habe ich bloß getan, Louise?«, fragte sie leise.
»Das, was du tun musstest«, antwortete ihre Freundin nach kurzem Schweigen. »Das, was du immer tust.«
»Und das wäre? Mein Leben gegen die Wand fahren?«
»Unsinn, meine Liebe.« Louise legte den Arm um ihre Schultern. »Du hast deinen Kopf entscheiden lassen, weil der weiß, was für dich gut ist.«
»Dann ist mein Kopf schuld, dass mein Herz gebrochen ist?«
Die Köchin schüttelte den Kopf. »Du weißt, wer daran schuld ist. Dein Kopf ganz sicher nicht.«
Nathalie seufzte und musste schließlich zustimmend nicken. »Du hast natürlich recht, ich habe mir nichts vorzuwerfen. Außer vielleicht, dass ich zu lange damit gewartet habe, Fred zur Rede zu stellen.«
»Nicht mal das, Nathalie«, versicherte ihr Louise. »Es gab nie einen Grund dafür, weil er sich die ganze Zeit über nicht hat anmerken lassen, was in Wahrheit hinter seiner Suche nach dieser Frau steckt. Ich meine, er hat ja sogar mich angesprochen, ob ich ihm dabei behilflich sein könnte. Da hatte ich nicht den Eindruck, dass mehr im Spiel ist als nur Sorge um das Wohl eines anderen Menschen. Wenn er mich im Vertrauen gefragt hätte, also heimlich, hinter deinem Rücken, wäre das eine ganz andere Sache gewesen. Doch er hatte ja mehr oder weniger uns alle in diese Suche einbezogen.«
Nathalie zuckte mit den Schultern. »Er hat aber damit keinem von uns etwas vorgemacht«, verteidigte Nathalie ihren Ex-Freund zu ihrem eigenen Erstaunen. »Ich glaube, ihm war selbst nicht klar, was diese Frau ihm noch bedeutet.«
»Kann gut sein«, stimmte Louise ihr zu. »Ihr …«, begann sie und brach gleich wieder ab, da ihr Smartphone klingelte. Sie zog es aus der Innentasche ihrer dicken Jacke, die sie vor dem kalten Wind schützte, der an diesem Februarmorgen über das Land fegte. Ein Blick aufs Display, dann stutzte sie. »Du hast dein Handy nicht dabei?«, vergewisserte sie sich bei Nathalie.
»Liegt auf dem Schreibtisch«, antwortete sie beiläufig.
»Na, da liegt es ja gut«, stellte ihre Freundin ein wenig ironisch fest. »Gut, dass für dich nie wichtige geschäftliche Anrufe eingehen können.«
»Nicht am Freitagmorgen um acht Uhr«, sagte Nathalie und deutete auf das Smartphone, das Louise in der Hand hielt. »Aber du bekommst um die Zeit wichtige Anrufe.«
»Ja«, bestätigte sie, »nämlich solche, die für dich sind.« Dann nahm sie den Anruf an.
Nathalie stutzte, als sie Louise sagen hörte: »Guten Morgen, Mrs Ames … Ihre Tochter? Die steht gerade neben mir … Ja, einen Moment.« Louise hielt ihr das Telefon hin. »Für dich.«
Zögerlich nahm sie das Smartphone an. »Mom?«, fragte sie. »Ist was passiert?«
»Das sollte ich wohl besser dich fragen, Schatz«, gab ihre Mutter zurück.
»Wieso? Ich verstehe nicht«, erwiderte sie und sah Louise an, die die Hände ratlos hob, um ihr zu signalisieren, dass sie keine Ahnung hatte, was los war.
»Schatz, ich habe gestern Abend Fred angerufen, weil ich wissen wollte, ob wir für deinen Geburtstag für ein Geschenk zusammenlegen können …«
»Oh«, machte Nathalie.
»Ja, ›oh‹ trifft es gut«, erwiderte ihre Mutter. »Fred sagt, du hättest dich von ihm getrennt. Er ist am Boden zerstört, weißt du das?«
Louise zog die Augenbrauen hoch, als sie das hörte. Da Juliet Ames wie gewohnt am Telefon sehr laut redete, musste Nathalie das Gerät weit vom Ohr weghalten. Das führte dazu, dass Juliet auch aus einigen Metern Entfernung so gut zu hören war, als hätte jemand den Lautsprecher eingeschaltet. Louise wollte sich schon zurückziehen, um die beiden in Ruhe telefonieren zu lassen, doch Nathalie fasste sie am Ärmel und zog sie zu sich zurück.
»Hat er sonst noch was gesagt?«, wollte sie wissen. »Zum Beispiel, warum ich mich von ihm getrennt habe?«
»Fred sprach davon, dass das alles nur ein großes Missverständnis gewesen ist, aber das würdest du ihm nicht glauben«, antwortete ihre Mutter. »Fred ist doch so ein netter junger Mann. Da muss es doch möglich sein, ein Missverständnis aus der Welt zu schaffen, Schatz.«
Eigentlich stand ihr um diese Uhrzeit nicht der Sinn danach, sich für Entscheidungen zu rechtfertigen, die ihr Liebesleben betrafen. Aber durch seine sehr vereinfachte Aussage hatte Fred ihr den Schwarzen Peter zugeschoben, und damit war sie diejenige, die ihr Verhalten erklären musste. Es wäre ihr viel lieber gewesen, wenn sie ihren Eltern hätte sagen können, dass Fred und sie nicht länger ein Paar waren. Dann wäre es wenigstens möglich gewesen, das Ganze als eine Trennung im Guten hinzustellen. Und sie hätte jetzt nicht ins Detail gehen müssen.
»Mom, das ›Missverständnis‹ hat vor einigen Monaten begonnen«, erklärte sie. »Fred war der Meinung, er habe im Landmarkt eine ehemalige Mitschülerin gesehen, doch als er dann im Internet nach ihr gesucht hat, hat er festgestellt, dass sie ein paar Wochen zuvor sozusagen von der Bildfläche verschwunden und wie vom Erdboden verschluckt war. Das hat ihn misstrauisch gemacht. Er vermutete, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen war. Also hat er weiter nach ihr gesucht, weil er nicht ausschließen konnte, dass sie in Schwierigkeiten steckt.«
»Na ja, dagegen ist nichts einzuwenden«, fand ihre Mutter.
»Ich weiß, und deshalb habe ich auch keine Bedenken gehabt«, redete Nathalie weiter. »Vor ein paar Tagen kam Fred dann in den Pub und entdeckte an einem Tisch diese ehemalige Mitschülerin. Als er sie ansprechen wollte, sprang sie auf, fiel ihm um den Hals und schob ihn aus dem Pub, während sie sich stürmisch küssten.« Während sie ihrer Mutter das alles erzählte, kam sie sich auf eine absurde Weise so vor, als wäre sie in einem Fortsetzungsroman gelandet und würde dem Leser das schildern, was mit Was bisher geschah überschrieben war.
»Sie haben sich geküsst?«, wiederholte ihre Mutter, der anzumerken war, dass sie hellhörig geworden war.
»Ja, doch dafür gab es eine gute Erklärung«, sagte Nathalie. »Die ehemalige Mitschülerin – sie heißt Melissa – hatte ihren Ex-Mann und seine Komplizen bei der Finanzbehörde angeschwärzt, weil sie Steuerbetrug in Millionenhöhe begangen hatten. Sie wollte damit nicht länger etwas zu tun haben und hatte wichtige Unterlagen herausgegeben, die ihrem Mann und dem Rest der Bande lange Gefängnisstrafen einbringen werden.«
»Lobenswert«, urteilte ihre Mutter.
»Ja, aber leider auch lebensgefährlich, weil ihr Ex sich an ihr rächen wird, sobald er oder einer der Komplizen die Gelegenheit dazu bekommt. Darum war Melissa unter einem anderen Namen untergetaucht, hat aber ständig befürchtet, dass man sie aufspürt.«
»Ach, ich verstehe«, sagte ihre Mutter. »Dann hat diese Frau ihn also nur geküsst, damit er den Mund hält und nicht versehentlich ihren Namen ausspricht. Wenn der Falsche den Namen gehört hätte, wäre sie geliefert gewesen. Das war doch eine kluge Reaktion von ihr, oder findest du nicht? Stell dir vor, welche Vorwürfe Fred sich gemacht hätte, wenn sie durch seine Gedankenlosigkeit in die Fänge dieser Kriminellen geraten wäre.«
»Mag sein, Mom, aber das ist nicht der Grund, wieso ich einen Schlussstrich gezogen habe.«
»Wieso? Ist noch mehr vorgefallen?«
»Kann man so sagen. Fred musste sich kurz um den Landmarkt kümmern, und in der Zeit war die Frau mit mir allein«, berichtete Nathalie. »Bei der Gelegenheit erfuhr ich dann nur zufällig, dass die beiden vor Jahren hatten heiraten wollen.«
»Heiraten?«, wiederholte ihre Mutter. »Oh, das klingt ja ernst.«
»Diese Frau war seine Traumfrau, Mom«, murmelte sie. »Und sie war es nicht nur, sondern sie ist es immer noch.« Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Nur deswegen hatte er alles unternommen, um herauszufinden, ob es sich bei der Frau im Landmarkt tatsächlich um seine ehemalige Freundin Melissa gehandelt hat und wieso sie hier in der Nähe aufgetaucht ist. Du hättest die beiden sehen müssen, Mom. So als wären sie immer noch zwei frischverliebte Teenager.«
»Hm, das … das ist eine ganz ähnliche Situation wie damals bei Harriet, als ihr Mann sie von einem Tag auf den anderen verließ, weil seine verlorene Traumfrau auf einmal wieder da war!«, redete ihre Mutter aufgeregt auf sie ein. »Erinnerst du dich noch daran?«
»Ja, Mom, ich erinnere mich noch gut an das, was deiner Freundin passiert ist«, antwortete Nathalie. »So gut, dass ich genau deshalb mit Fred Schluss gemacht habe.«
»Das ist vermutlich kein Trost für dich, Kind«, sagte Juliet verhalten. »Aber ich finde, du hast das einzig Richtige getan.«
»Das sagt Louise auch.« Nathalie sah zu ihrer Freundin. »Ein echter Trost ist es trotzdem nicht.«
»Natürlich nicht, Schatz«, gab ihre Mutter verständnisvoll zurück. »Der Schmerz ist erst mal da, doch du wirst früher oder später einsehen, dass du gar nicht anders handeln konntest. Dein Herz hat bestimmt etwas anderes gewollt, aber der Verstand hat die richtige Entscheidung getroffen. Glaub mir, Fred hätte dich sicher schon bald für diese Melissa verlassen, auch wenn er dir heute ein Dutzend Mal am Tag beteuern würde, dass du dir keine Sorgen machen musst und sie ihm nichts bedeutet. Auch wenn er es selbst glauben würde.«
»Ja, mein Verstand sagt mir das«, bestätigte Nathalie. »Doch es macht das Ganze nicht unbedingt erträglicher.«
»Aber durch die Trennung entstehen natürlich noch weitere Probleme …«
»Was meinst du?«
»Fred leitet doch deinen Landmarkt in Earlsraven. Ihr habt daher doch bestimmt fast jeden Tag miteinander zu tun.«
»Ich habe ihn nach Glasgow in den neuen Landmarkt versetzt«, antwortete Nathalie. »Damit sind wir schon mal räumlich getrennt und müssen uns nicht begegnen. Er kann den Kontakt zu mir über seine Assistentin laufen lassen oder über den Markt hier in Earlsraven, abhängig davon, ob uns beiden der Sinn danach steht, miteinander zu reden.«
»Meinst du, das wird funktionieren?«
Nathalie winkte ab, doch dann fiel ihr ein, dass ihre Mutter sie nicht sehen konnte, und sie sagte: »Ach, eigentlich gibt es so selten tatsächlich etwas Wichtiges zu besprechen, dass wir meistens den ganzen Tag über nicht ein einziges Mal hätten telefonieren müssen. Der Landmarkt ist ein Selbstläufer, und da Fred den Markt hier in Earlsraven größtenteils in Eigenregie organisiert hat, wird das in Glasgow noch weniger Arbeit bereiten.«
»Gut, mein Schatz.« Ihre Mutter klang ein wenig beruhigt. »Aber trotzdem brauchst du etwas Ablenkung.«
»Die Baustelle ist Ablenkung genug.«
»Das reicht nicht«, beharrte Juliet Ames. »Wenn du dich die ganze Zeit über genau da aufhältst, wo du bis vor Kurzem mit Fred zusammen warst, dann wirst du auf Schritt und Tritt an ihn erinnert. Das ist keine Ablenkung. Was du brauchst, ist eine Umgebung, die keinerlei Erinnerungen an ihn weckt. Nur dann kannst du richtig abschalten.«
»Für einen Ortswechsel oder einen Urlaub habe ich keine Zeit, wie du weißt«, konterte Nathalie. »Es geht mir gut, Mom. Das kannst du mir glauben.«
»Das werden wir ja noch sehen«, sagte Juliet.
»Was werden wir noch sehen?«, hakte Nathalie sofort alarmiert nach. Dies war einer dieser Sätze, die nichts Gutes verhießen, wenn sie aus dem Mund ihrer Mutter oder ihres Vaters kamen.
»Nur Geduld, Schatz«, wich Juliet aus. »Ich muss jetzt an die Arbeit. Wir sprechen uns. Grüß Louise und die anderen von uns!«
»Mom, ich …«, begann Nathalie, doch da war die Leitung bereits tot. Sie betrachtete das Handy nachdenklich und überlegte, ob sie zurückrufen sollte, um der seltsamen Bemerkung auf den Grund zu gehen. Dann entschied sie sich aber dagegen. Schließlich wusste sie nur zu gut, dass sie aus ihrer Mutter keinen Ton herausbekommen würde, wenn die nichts sagen wollte. »Hier«, murmelte sie und gab Louise das Telefon zurück. »Mal sehen, was mich da jetzt erwartet.«
»Egal, was deine Eltern sich überlegen, es wird bestimmt nichts Schlimmes sein«, meinte ihre Freundin zuversichtlich. »Auf jeden Fall hast du sie auf deiner Seite und musst dir nicht immer wieder Vorwürfe anhören, dass du doch mit Fred nachsichtiger hättest sein sollen.«
Nathalie nickte bedächtig. »Ja, das stimmt schon. Ein Trost ist es trotzdem nicht.«
»Noch nicht.« Louise legte wieder den Arm um Nathalies Schultern. »Noch nicht.«
Etwa zur gleichen Zeitetliche Meilen nördlich von Earlsraven
Die Person schlich durch den Gang der kleinen Pension, in einer Hand hielt sie den Generalschlüssel, den sie an der Rezeption an sich genommen hatte, als die Eigentümerin einen Moment lang abgelenkt gewesen war. Unter dem Vorwand, das Smartphone im Zimmer vergessen zu haben, war sie noch einmal nach oben gegangen, während die anderen beim Frühstück beisammensaßen. Um sicherzustellen, dass man sie nicht ertappte, hatte die Person den Staubsauger des Zimmermädchens so an die oberste Stufe der Treppe gestellt, dass jeder, der ebenfalls nach oben wollte, unweigerlich genügend Lärm verursachen würde, wenn er versuchte, ihn wegzuräumen. Der Lärm würde der Gestalt, die im Halbdunkel des Flurs nur schwer zu erkennen war, genügend Zeit lassen, um die Suche abzubrechen und das Zimmer zu verlassen.
Am richtigen Zimmer angekommen, schloss sie die Tür auf und ging hinein. Die Tür ließ sie offen stehen. Sie sah sich um und entdeckte die Handtasche auf der Kommode gleich neben der Tür. Sie schlug die Lasche um und zog die Tasche auf, und gleich darauf konnte sie schon das Gesuchte sehen: den länglichen Briefumschlag. Mit zwei Fingern holte sie den Umschlag aus der Tasche und zog den Brief heraus.
Es war kein langer Text, nur ein paar Zeilen, doch die genügten, um die Gestalt vor Wut fast an die Decke gehen zu lassen. Es war tatsächlich so wie befürchtet. Das bedeutete, es musste gehandelt werden.
Die Gestalt schob den Brief zurück in den Umschlag und diesen wieder an seinen Platz in der Tasche und verließ den Raum, schloss die Tür ab und ging dann in das Zimmer schräg gegenüber, um wie angekündigt das scheinbar aus Nachlässigkeit zurückgelassene Smartphone zu holen …
Erstes Kapitel, in dem Nathalie vor vollendete Tatsachen gestellt wird
Eine Woche war seit dem Telefonat mit ihrer Mutter vergangen, doch seitdem hatte Nathalie nichts mehr von ihr oder ihrem Vater gehört. Sie saß in ihrem Büro im Black Feather am Schreibtisch und sichtete die Rechnungen für die Arbeiten, die am Erweiterungsbau ausgeführt wurden. Sie schüttelte zum wiederholten Mal den Kopf, da dieser Elektriker einfach zu dreist war. Es war die dritte Rechnung in Folge, die Arbeiten auflistete, die schon einmal abgerechnet worden waren, aber dieses Mal hatte der Handwerker dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt.
»Treibt dich jemand zur Verzweiflung?«
Nathalie sah auf und entdeckte Ronald, der in Polizeiuniform in der Tür stand. Sie lächelte ihn an. »Kann man so sagen. Erinnerst du dich, dass Dykes letzte Woche hier war?«
»Der Elektriker? Ja«, sagte er. »Was ist mit ihm?«
»Mit wie vielen Leuten war er hier und wie lange? Weißt du das zufällig noch?«
Ronald kniff die Augen leicht zusammen und strich sich über den buschigen dunklen Schnauzbart. »Er war allein hier. Er war nämlich mit dem alten Ford Ka von seinem Sohn gekommen, der bis unters Dach mit Material vollgestopft war. Das weiß ich so genau, weil ich ihn noch darauf hingewiesen habe, dass es lebensgefährlich ist, mit diesen losen Metallteilen im Wagen unterwegs zu sein, weil ihm das alles bei einem Unfall um die Ohren fliegt.« Er überlegte einen Augenblick. »Und gegangen ist er vor Mittag. Als er dein Angebot ausschlug, aufs Haus ein Mittagessen zu bestellen, habe ich gerade im Pub mit Louise geredet.«
Nathalie nickte. »So habe ich das auch im Gedächtnis. Aber Dykes will gemeinsam mit zwei Mitarbeitern hier gewesen sein und mit ihnen um acht Uhr die Arbeit begonnen und erst um zwei Uhr nachmittags Feierabend gemacht haben.«
»Was für eine Dreistigkeit!«, brummte Ronald.
»Ich schicke ihm die Rechnung zurück, und dann werden wir ja sehen.«
Plötzlich grinste der Constable. »Ich weiß was Besseres. Führen wir ihn aufs Glatteis! Ich werde ihm mitteilen, dass jemand seinen Firmenlaster zur fraglichen Zeit in der Nähe eines Tatorts gesehen hat, und bitte ihn, mir doch mitzuteilen, wo er und seine Mitarbeiter sich aufgehalten haben. Er wird kaum auf die Idee kommen, falsche Angaben zu machen, und wenn er mir erklärt, wo sie alle waren, werde ich ihm sagen, dass er dann ja sicher auch nichts dagegen einzuwenden hat, wenn du seine Rechnung mit den Geistermitarbeitern und Geisterstunden bereinigst.«
»Kriegst du keinen Ärger, wenn du so was machst?«, fragte sie schmunzelnd.
»Ich habe ihm und seinen Leuten schon so viele Geschwindigkeitsübertretungen durchgehen lassen, die ich alle noch als versehentlich falsch abgelegt nachmelden könnte«, erwiderte Ronald. »Da würde nicht mal eine doppelt so hohe Rechnung genügen, um das alles zu bezahlen. Vom Fahrverbot, das ihm droht, ganz zu schweigen.«
Nathalie lachte amüsiert auf. »Wenn du das verantworten kannst …«
»Kann ich«, versicherte er ihr und sah sie forschend an. »Und ist sonst alles in Ordnung?«
Sie verdrehte die Augen und stöhnte gespielt auf. »Ja, alles in Ordnung. Fred fehlt mir immer noch, aber mit mir ist alles in Ordnung. Es geht mir gut.«
»Okay, ich frage nur.« Er lächelte sie milde an.
»Und wie geht’s dir und Steph?«, erwiderte sie.
»Gut, wirklich gut. Ach ja, es gibt sogar war Neues zu berichten. Colonel Jackson wird Fernsehstar.«
»Tatsächlich? Erzähl mehr.«
»Er hat sich gegen hundertzwanzig Konkurrenten durchsetzen können und ist für einen Werbespot engagiert worden.«
Nathalie lachte auf. »Ein Zwergschnauzer in einem Werbespot? Lass mich raten: ein Spot für Hundefutter.«
»Falsch.«
»Hm … Für Flohhalsbänder?«
»Du liegst ja so meilenweit daneben«, sagte Ronald. »Er wird als Detective Chief Inspector Jackson für Alarmanlagen werben.«
»Wow«, rief Nathalie beeindruckt. »Vom Colonel zum DCI.«
»Tja, aber leider sagt das auch etwas über die wahren Machtverhältnisse bei uns zu Hause aus, wenn der Hund ein DCI ist und sein Herrchen bloß ein Constable«, meinte Ronald.
Sie winkte ab. »Sein Titel bringt ihm doch gar nichts, solange er nicht in der Lage ist, mit dem Dosenöffner umzugehen.«
Ronald legte den Kopf nachdenklich schräg und sagte schließlich: »Du hast recht, von der Seite hatte ich das noch gar nicht betrachtet.«
»Und wann …?«, wollte sie fragen, kam aber nicht weiter, da in diesem Moment ein Mann und eine Frau ihr Büro betraten, die sie beide nur zu gut kannte. »Mom? Dad?«, fragte sie irritiert. »Was macht ihr denn so überraschend hier?«
»Wir sind gekommen, um dich abzuholen«, verkündete ihr Vater strahlend. Er trat um den Schreibtisch herum, um Nathalie aus dem Stuhl zu ziehen und an sich zu drücken.
Als er sie aus der Umarmung entließ und ihr Blick auf ihre Mutter fiel, musste sie einmal mehr feststellen, dass sie ihr mit zunehmendem Alter immer ähnlicher wurde. Das gleiche Lächeln, die gleiche Mimik ließen sie beide eher wie Schwestern wirken. Dass der Altersunterschied in Wahrheit doch etwas größer war, verrieten lediglich die vereinzelten grauen Strähnen, die das dunkelblonde Haar ihrer Mutter durchzogen, das sie an diesem Tag ausnahmsweise mal nicht zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Von Falten war ihr noch immer so gut wie nichts anzusehen.
Das Gesicht ihres Vaters war dagegen deutlich faltiger, aber das waren allesamt Lachfalten, die er schon gehabt hatte, solange Nathalie zurückdenken konnte. Durch sein fast schwarzes Haar zogen sich einige wenige graue Fäden, doch so licht wie jetzt war es früher auch gewesen. Von ihm hatte sie eigentlich nur die Augenfarbe und den manchmal etwas schrägen Sinn für Humor geerbt. »Um mich abzuholen?«, wiederholte Nathalie nun. »Wieso? Und wohin soll ich mit euch gehen?«
»Das soll eine Überraschung sein«, sagte ihr Vater.
»Das hier ist schon Überraschung genug«, gab sie mit einem leisen Seufzen zurück. »Ich habe hier Berge von Arbeit liegen, ich kann nicht einfach den Tag mit Nichtstun verbringen.«
Ihre Mutter, die ihr ein Küsschen auf die Wange gedrückt hatte, zuckte mit den Schultern und sah ihren Mann verwundert an. »Haben wir davon gesprochen, dass wir dich für einen ganzen Tag abholen wollen?«
»Nein, aber ich gehe nicht davon aus, dass ihr den weiten Weg bis nach Earlsraven zurückgelegt habt, um mit mir nur für zwei, drei Stunden etwas zu unternehmen«, erklärte Nathalie, die das Gefühl nicht loswurde, dass hier etwas ganz anderes im Busch war.
»Na, ich denke, die Familie Ames kann ihre familiäre Angelegenheit auch gut ohne mich besprechen«, meldete sich Ronald zu Wort und strebte dem Ausgang entgegen. Überstürzt, wie es Nathalie vorkam. »Mrs Ames, Mr Ames, hat mich sehr gefreut, Sie beide mal wieder zu treffen. Wir sehen uns bestimmt später noch.«
Sie verabschiedeten sich, und als Ronald das Büro verließ, war Nathalie fest davon überzeugt, ihn erleichtert aufatmen zu hören, als hätte er sich gerade noch rechtzeitig verziehen können. Was wusste er, was sie nicht wusste?
»Schatz, du hast völlig recht«, sagte ihre Mutter da. »Wir sind natürlich nicht hier, um dich für zwei oder drei Stunden zu entführen, sondern für … eine Woche.«
Nathalie glaubte, sich verhört zu haben. »Eine Woche?« Sie schüttelte energisch den Kopf. »Mom, Dad, ich weiß wirklich zu schätzen, dass ihr mich auf andere Gedanken bringen wollt. Aber erstens brauche ich das nicht, und zweitens könnt ihr mich nicht mit so einem Plan überfallen. Selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht einfach alles stehen und liegen lassen und für eine Woche verschwinden. Ich müsste erst einmal sehen, was in dieser Woche ansteht, und dann mit allen Mitarbeitern verabreden, wer welche Aufgaben während meiner Abwesenheit übernimmt.«
Ihre Eltern sahen sich seltsam unbekümmert an.