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Folge 25: Ein neues Stonehenge in Earlsraven? Seit auf einem streng von der Außenwelt abgeschirmten Acker Ausgrabungen stattfinden, hören Nathalie und Louise die wildesten Gerüchte. Und tatsächlich lädt der Esoterik-Guru Jason Abrahams seine Anhänger nach Earlsraven ein, weil dort ein übernatürliches Ereignis von besonderer Bedeutung stattfinden soll. Das "Black Feather" ist komplett ausgebucht. Doch kurz vor dem großen Tag wird eine Journalistin tot aufgefunden - war es wirklich Selbstmord? Nathalie und Louise fangen an zu ermitteln, denn möglicherweise hat ihr Tod viel irdischere Gründe, als es zunächst den Anschein hat...
Über die Serie: Davon stand nichts im Testament ... Cottages, englische Rosen und sanft geschwungene Hügel - das ist Earlsraven. Mittendrin: das "Black Feather". Dieses gemütliche Café erbt die junge Nathalie Ames völlig unerwartet von ihrer Tante - und deren geheimes Doppelleben gleich mit! Die hat nämlich Kriminalfälle gelöst, zusammen mit ihrer Köchin Louise, einer ehemaligen Agentin der britischen Krone. Und während Nathalie noch dabei ist, mit den skurrilen Dorfbewohnern warmzuwerden, stellt sie fest: Der Spürsinn liegt in der Familie ...
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Seitenzahl: 206
Cover
Inhalt
Über diese Folge
Tee? Kaffee? Mord! – Die Serie
Titel
Prolog
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Epilog
Über die Autorin
Impressum
Leseprobe
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Ein neues Stonehenge in Earlsraven? Seit auf einem streng von der Außenwelt abgeschirmten Acker Ausgrabungen stattfinden, hören Nathalie und Louise die wildesten Gerüchte. Und tatsächlich lädt der Esoterik-Guru Jason Abrahams seine Anhänger nach Earlsraven ein, weil dort ein übernatürliches Ereignis von besonderer Bedeutung stattfinden soll. Das »Black Feather« ist komplett ausgebucht. Doch kurz vor dem großen Tag wird eine Journalistin tot aufgefunden – war es wirklich Selbstmord? Nathalie und Louise fangen an zu ermitteln, denn möglicherweise hat ihr Tod viel irdischere Gründe, als es zunächst den Anschein hat …
Davon stand nichts im Testament …
Cottages, englische Rosen und sanft geschwungene Hügel: das ist Earlsraven. Mittendrin: das »Black Feather«. Dieses gemütliche Café erbt die junge Nathalie Ames völlig unerwartet von ihrer Tante – und deren geheimes Doppelleben gleich mit! Die hat nämlich Kriminalfälle gelöst, zusammen mit ihrer Köchin Louise, einer ehemaligen Agentin der britischen Krone. Und während Nathalie noch dabei ist, mit den skurrilen Dorfbewohnern warmzuwerden, stellt sie fest: Der Spürsinn liegt in der Familie …
Ellen Barksdale
Tee? Kaffee?Mord!
TOD IM MORGENROT
Prolog
»Meine Kinder, ich habe frohe Kunde für euch. Es wird nicht mehr lange dauern, dann wird ein astrales Ereignis höchster Ordnung stattfinden. Ich verrate euch nicht zu viel, wenn ich euch sage, dass sich der Stein von Isarta aus dem Grund der Erde erheben und mich hinaufbefördern wird in die Sphäre von Ka-Ihla. Ja, ihr habt richtig gehört: Ka-Ihla, die Mächtige, hat mich auserwählt, mich an ihrem Wissen und ihrer Weisheit teilhaben zu lassen. Mit diesem Wissen und dieser Weisheit werde ich zu euch zurückkehren, damit wir uns gemeinsam auf die Zeit des Debrhadi vorbereiten können.«
Der Mann machte eine Pause. Damit gab er den Empfängern dieser Botschaft die Möglichkeit, vor Begeisterung nach Luft zu schnappen oder einen Freudenschrei auszustoßen, ohne eines der nachfolgenden salbungsvollen Worte zu verpassen.
Dann fuhr der Mann mit dem engelsgleichen Antlitz und den bis weit über die Schultern reichenden goldblonden Haaren fort: »Es ist uns nach langer und intensiver Suche gelungen, die Position des Steins von Isarta zu bestimmen. Dabei haben wir keine Kosten und Mühen gescheut, um diese heilige Stätte wiederzufinden, die seit den Kriegen um die Krone von Byrell als verschollen und für alle Zeit verloren galt.«
Er lächelte versonnen und seufzte. »Oh ja, ich kann eure Freude über diese Nachricht spüren. Sie kommt mir wie die Wellen des Ozeans von allen Seiten entgegen. Es ist … Es ist …« Seine Stimme versagte, denn er musste offenbar mit den Tränen der Glückseligkeit ringen. Er schluckte zweimal, dann redete er gefasst weiter: »Schon bald werdet ihr wieder von mir hören, denn sobald die Gesandten von Ka-Ihla mir weitere Einzelheiten übermittelt haben, werdet auch ihr den genauen Ort und den Zeitpunkt meines Aufstiegs erfahren. Liebe, Glück und Erfolg, das wünscht euch wie immer euer Garlathorm.«
Der Mann spreizte den Daumen und den kleinen Finger ab und berührte mit den verbliebenen drei Fingern seine Stirn. Dann schloss er langsam die Augen.
»Okay, das war’s«, sagte eine andere Männerstimme. »Da legen wir noch deine goldene Aura drauf, dann kann der Clip in der nächsten Woche online gehen.«
Jason Abrahams sah zu seinem Geschäftspartner Craig Iverman. »Und? Wie war das?«
»Im vierten Anlauf war es perfekt«, erwiderte der andere Mann. »Die Leute werden vor Begeisterung aus dem Häuschen sein.«
Abrahams nickte zufrieden. »Liegen wir mit den Bauarbeiten im Zeitplan?«
Iverman machte eine beschwichtigende Geste. »Keine Sorge, Jason. Es läuft alles bestens.«
»Haben wir eine Rückmeldung von diesem Black … Water?«
»Black Feather meinst du?«, korrigierte ihn Iverman. »Alles erledigt. Wir haben von Freitag bis Montag alle Zimmer reserviert. Die Bestätigung habe ich zu den Akten gelegt.«
»Hervorragend«, sagte Abrahams erfreut. »Konntest du einen guten Preis aushandeln?«
Der andere Mann verzog den Mund. »Nur fünf Prozent.«
»Fünf Prozent?«, wiederholte Abrahams. »Nur fünf Prozent? Du wolltest doch dreißig rausholen.«
»Tja, so viel ist nicht rauszuschlagen, wenn die Chefin einem klarmacht, dass vor allem an den Wochenenden auch ohne uns so gut wie alle Zimmer vermietet sind.«
Abrahams brummte missmutig. »Hast du wenigstens die Anzahlung drücken können?«
Iverman zog eine Augenbraue hoch.
»Was soll das bedeuten?«, fragte Jason Abrahams.
»Das bedeutet, dass wir fünfundsiebzig Prozent Anzahlung leisten müssen.«
»Fünfundsiebzig? An welche Drachenlady bist du denn geraten?«, gab Abrahams ungläubig zurück.
»Wie gesagt, die bekommen ihre Zimmer auch ohne uns vermietet«, machte Craig Iverman ihm klar. »Warum sollte diese Miss Ames das Risiko eingehen, für uns alle Zimmer frei zu halten, wenn wir nicht auftauchen und sie dann nur mit den zwanzig Prozent dasteht, die wir zahlen wollten? Und das Black Feather liegt nun mal so günstig, dass es dumm wäre, zur Konkurrenz zu gehen, die meilenweit entfernt ist.«
»Ich weiß ja, dass du recht hast. Dann machen wir eben die VIP-Karten so teuer, dass wir ohne Verlust dastehen, wenn irgendwas dazwischenkommt und wir unsere Anzahlung verlieren«, beschloss Abrahams. »Die Leute zahlen sowieso, was wir wollen.«
»Ganz genau«, stimmte Iverman ihm zu.
Erstes Kapitel, in dem es in Nathalies Büro zugeht wie in einem Taubenschlag
Gut ein halbes Jahr später
»Mir ist langweilig.«
Louise Cartham sah von dem Kochbuch auf, in dem sie die letzte halbe Stunde geblättert hatte, nur um von Zeit zu Zeit den Kopf zu schütteln und frustriert zu seufzen. Ihr Blick wanderte zu Nathalie Ames, ihrer besten Freundin, die zugleich ihre Chefin war. Nathalie starrte auf ihren Schreibtisch, auf dem eine Unterschriftenmappe lag.
»Das tut mir aber leid«, sagte Louise mit einem spöttischen Unterton. »Ich kann mich ja noch mal entführen lassen, dann ist dir vielleicht nicht mehr so langweilig.«
»Oh Gott, hör bloß auf damit!«, rief Nathalie erschrocken und warf ein zusammengeknülltes Blatt Papier nach ihr, das Louise lässig mit dem Kochbuch abwehrte. »Ich kann es noch immer nicht fassen, wie vergleichsweise locker du damit umgegangen bist, dass diese Leute dich in ihre Gewalt gebracht haben, um einen Schwerverbrecher freizupressen.«
Louise zuckte mit den Schultern. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich schon in wesentlich größerer Gefahr gewesen bin. Als Agentin musst du damit rechnen, dass dir so was jederzeit widerfahren kann. Man wird ja auch für den Umgang mit solchen Situationen geschult. Das Wichtigste ist, Ruhe zu bewahren.«
»Leichter gesagt als getan, würde ich meinen.«
»Das Einzige, was mir wirklich Sorgen bereitet hat, wart ihr alle«, fuhr sie fort. »Mir war ja klar, dass ihr nicht einfach dasitzen würdet, und das hat mich beunruhigt. Ich wollte nicht, dass ihr euch in Gefahr begebt, um mich zu retten.«
»Na, es ist ja alles gut ausgegangen«, sagte Nathalie. »Nur nicht für die Entführer. Hast du eigentlich über deine Kontakte herausfinden können, wer die vier waren?«
»Keine Chance. Da ist erst vor Kurzem von ziemlich weit oben in der Hackordnung noch einmal verbreitet worden, dass es sich um die Opfer eines Bandenkriegs im Rockermilieu gehandelt hat.«
»Bandenkrieg im Rockermilieu?«, wiederholte Nathalie verdutzt. »Das klingt aber ziemlich weit hergeholt.«
»Richtig«, bestätigte Louise. »Was wiederum bedeutet, dass ein paar wichtige Leute in die Angelegenheit verstrickt sind.«
»Mit anderen Worten: Niemand hat ein Interesse herauszufinden, wer die Hintermänner sind?«
»Niemand außer mir«, sagte Louise.
»Also musst du deine Neugier zügeln?«
Louise grinste sie an. »Ganz im Gegenteil, meine Liebe. Ganz im Gegenteil.« Nachdem sie einen Schluck von ihrem Kaffee getrunken hatte, fuhr sie fort: »Ich lasse mich doch nicht entführen und die Drahtzieher ungeschoren davonkommen. Das wird zwar eine Weile dauern, doch ich bin mir sicher, dass ich die Verantwortlichen zur Rechenschaft werde ziehen können.«
»Wenn du Hilfe brauchst …«
»… werde ich kein Wort sagen«, führte Louise den Satz für sie zu Ende. »Außer es ist absolut notwendig. Ansonsten gilt: Je weniger du weißt, desto besser für dich.«
»Dir ist aber schon klar, dass sich meine ›Langeweile‹ nicht darauf bezog, nicht wahr?«, vergewisserte sich Nathalie und lächelte erleichtert, als sie Louise nicken sah. »Ich bin nämlich ehrlich gesagt sehr froh darüber, dass es nach dieser Aufregung in den letzten Monaten zur Abwechslung mal ruhig zugegangen ist.«
»Du meinst, weil es keine Einbrüche, Diebstähle, Morde, Brandschatzungen und Ähnliches gegeben hat? Ja, da kann ich dir nur zustimmen.« Louise verzog den Mund. »Allerdings verlangt die Statistik, dass sich bald wieder was tut. Schließlich klären wir alle drei Komma zwei Monate einen Fall.«
»Hast du das etwa ausgerechnet?«, fragte Nathalie verdutzt.
»Nein, das ist einfach eine Zahl, die mir spontan durch den Kopf ging«, antwortete die Köchin. »Auf jeden Fall ist seit unserem letzten Aufreger genug Zeit vergangen, um den nächsten folgen zu lassen.«
»Sag das bloß nicht zu laut, sonst geht gleich die Tür auf, und irgendwer verkündet, dass ein Mord geschehen ist«, warnte Nathalie sie. »Und dann haben wir wieder Aufregung.«
»Dafür bräuchtest du dich nicht mehr mit Langeweile herumzuschlagen«, gab Louise mit einem Augenzwinkern zurück. »Nein, im Ernst. Wir wollen nicht hoffen, dass so schnell wieder etwas passiert.«
»Darauf habe ich mich mit ›Langeweile‹ auch gar nicht bezogen«, beharrte Nathalie und verdrehte ihrerseits die Augen. »Mir ging es um …«
»Wo ist Ronald?« Die Frage, die Nathalies Erklärungsversuch ein abruptes Ende setzte, kam von Yoshiko Takahashi, die seit gut einem halben Jahr Nathalies Assistentin war. Jemanden wie sie hatte Nathalie spätestens nach der Erweiterung des Black Feather dringend benötigt. Die anfallende Verwaltungsarbeit für das viel größere Hotel mit entsprechend gewachsenem Pub und Café und ihre beiden Landmärkte war allein nicht mehr zu bewältigen gewesen. Während der ältere Landmarkt in der Nähe von Earlsraven dank des eingespielten Mitarbeiterteams inzwischen weniger Arbeit erforderte, verlangte der neue Markt in Schottland von Nathalie doch noch großes Engagement. Zudem gehörte ihr auch noch der zweite Pub in Earlsraven, Jim’s Old Chair, der jedoch von Ian Henderson gemanagt wurde. Bei ihm musste sie nur jeden Monat die relevanten Daten im Auge behalten.
Yoshiko, die von zierlicher Statur war, trug wie immer Weiß. Heute war es ein dünner Pullover in dieser Farbe, dazu ein weiter Rock, der die Knöchel bedeckte. Das lange schwarze Haar fiel ihr offen über den Rücken. Der Pony reichte bis an die Augen, sodass die Augenbrauen unter den Haaren verschwanden. Es verlieh ihr etwas seltsam Mysteriöses, da man nur einen Teil ihres Mienenspiels sehen konnte.
»Ähm …«, war das Einzige, was Nathalie spontan über die Lippen kam, obwohl sie sich so sehr wünschte, sehr viel schlagfertiger zu sein.
»Wenn ich ihn im Büro anrufe, werde ich an die Polizeizentrale weitergeleitet«, redete Yoshiko weiter. »Und auf seinem Handy ist er nicht erreichbar.«
»Er ist am Morgen ganz früh mit seinem Hund losgefahren«, meldete sich Louise zu Wort. »Colonel Jackson hat doch heute seinen großen Tag vor der Kamera. Dieser Werbespot wird endlich gedreht.«
»Ich dachte, das wäre schon geschehen«, murmelte Yoshiko.
»Mach dir nichts draus«, sagte Louise besänftigend. »So geht es uns allen hier. Das Ganze ist schon so lange Thema. Aber heute ist tatsächlich der Tag der Tage.«
»Wann ist er zurück?«
»Das hängt wohl vor allem von einem gewissen Schnauzer ab – und davon, wie geschickt er sich vor der Kamera anstellt. Und natürlich von dem künstlerischen Anspruch des Regisseurs«, antwortete Nathalie. »Um was geht es denn, Yoshiko?«
»Ronald muss mit mir zum Getränkehandel von Mr Tyler fahren«, erklärte sie.
»Zum Getränkehandel?«, fragte Louise verwirrt.
»Ja, zu Tyler, dem Getränkehändler, der uns seit Jahren beliefert. Alle seine Kunden werden schon ewig mit einem Durcheinander aus Rechnungen und Stornierungen und Gutschriften und Stornierungen der Gutschriften sowie korrigierten Rechnungen und Gutschriften bombardiert. Dabei hat längst niemand mehr einen Durchblick, was tatsächlich geliefert wurde. Ich bin vor einiger Zeit zu seiner Getränkehandlung gefahren, um nachzusehen, warum er nicht mehr liefert. Da musste ich feststellen, dass das Tor geschlossen und alle Mitarbeiter ausgesperrt waren. Daraufhin bin ich dann über den Zaun geklettert und habe bei einem Blick in sein Büro gesehen, dass der Tresor offen stand und leer war«, berichtete Yoshiko in solch einem Rekordtempo, dass sie nun erst ein paarmal tief durchatmen musste.
»Was bisher geschah«, kommentierte die Köchin leise und grinste amüsiert.
»Yoshiko«, sagte Nathalie in sanftem Tonfall. »Louise weiß über den Vorgang doch längst Bescheid.«
»Oh, stimmt ja«, murmelte die junge Frau, räusperte sich ein wenig verlegen und verbeugte sich vor Louise. »Das tut mir leid, aber ich war in Gedanken schon woanders.«
»Macht nichts, Yoshiko«, versicherte ihr Nathalie. »Doch warum soll Ronald dich zu Tylers Getränkehandel begleiten?«
»Weil ich einen Verdacht habe«, antwortete sie. »Aber ich möchte mir das erst ansehen. Vielleicht irre ich mich ja. Und Ronald muss mich dorthin begleiten, weil er in seiner Funktion als Constable Tylers Büro offiziell betreten darf. Und natürlich jeder, der bei ihm ist.«
»Haben die Leute noch immer keinen neuen Chef?«, erkundigte sich Louise. »Seit wir von Olgas Verwandtschaft unsere Getränke beziehen, habe ich ganz aus den Augen verloren, was bei Tyler aktuell los ist.«
»Seine beiden Ex-Frauen streiten sich noch immer, und solange sie sich nicht einigen können«, berichtete Nathalie, »führen ein Rechtsanwalt und jemand von der Handelskammer kommissarisch den Betrieb weiter, damit die Angestellten nicht ihre Jobs verlieren. Der Mensch von der Handelskammer trifft die Entscheidungen, der Anwalt segnet sie ab – oder auch nicht. Und von Tyler fehlt weit und breit jede Spur.«
»Und deshalb darf auch kein Unbefugter sein Büro betreten, außer eben Ronald, wenn er dort weiterermitteln will.«
»Okay, Yoshiko«, sagte Nathalie. »Sobald sich Ronald meldet, lasse ich ihn wissen, dass du ihn suchst.«
»Das ist nett, danke. Dann fahre ich in der Zwischenzeit rüber zum Landmarkt. Ich muss mit dem Manager ein paar Zahlen abstimmen«, erklärte die junge Frau.
»Nur zu«, rief Nathalie ihr hinterher, als Yoshiko bereits aus dem Büro eilte.
»Darum ist mir langweilig«, murmelte Nathalie.
»Die Unterhaltung war doch nicht langweilig«, meinte Louise gelassen. »Ich fand’s sogar amüsant, wie Yoshiko mir in Rekordgeschwindigkeit eine Zusammenfassung der Ereignisse rund um Tyler und seinen Getränkehandel geliefert hat – auch wenn es die nicht gebraucht hätte.«
»Hm«, machte sie dann. »Ich bin ja mal gespannt, was unserer kleinen Miss Holmes eingefallen ist, dass sie unbedingt in Tylers Büro will.« Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: »Was genau hat es denn nun mit deiner Langeweile auf sich?«
»Na, mir fehlt halt meine Arbeit. Oder das, was mal meine Arbeit war«, antwortete Nathalie. »Das, was Yoshiko jetzt zu einem großen Teil erledigt.«
»Aus dem Grund hast du sie ja auch eingestellt, und genau dafür bezahlst du sie«, hielt Louise ihr vor Augen. »Damit du etwas weniger Stress hast.«
»Etwas weniger«, betonte sie. »Aber Yoshiko legt ein solches Arbeitstempo vor, dass für mich kaum noch was zu tun bleibt.«
»Das ist doch wunderbar. Damit hast du den Kopf frei, um dir Gedanken über neue Projekte zu machen«, gab Louise zu bedenken.
»Das ist richtig, trotzdem denke ich ja nicht jeden Tag stundenlang über zukünftige Projekte nach«, entgegnete sie. »Bei manchen Ideen gibt es nicht viel für mich zu tun. Nimm nur die weiteren Landmärkte, die in Planung sind. Ich möchte gern viel mehr von diesen Märkten sehen, aber die sollen von Franchise-Nehmern eröffnet werden, die auf eigene Rechnung und eigenes Risiko arbeiten. Ich will Homegrown Stuff zu einer Marke machen. Doch damit habe ich letztlich nicht viel zu tun, weil sich Anwälte hinsetzen und nach meinen Vorgaben Verträge ausarbeiten. Hier bei mir auf dem Schreibtisch passiert nicht mehr genug. Das langweilt mich. Und ich merke, dass mir der Kontakt zu den Leuten vor Ort fehlt, weil Yoshiko jetzt zu ihnen fährt.«
»Wer hindert dich daran, morgen oder übermorgen zum hiesigen Landmarkt aufzubrechen und mit den Leuten zu reden, die für dich arbeiten?«, fragte Louise. »Du machst das ja nicht, um Yoshiko zu kontrollieren. Oder ihr fahrt nächstes Mal zusammen. Sag ihr, dass dir das fehlt, und dann muss sie es akzeptieren. Sie mag ja insgeheim mutmaßen, dass du sie im Auge behalten willst. Aber sie wird schon merken, dass es nicht so ist, wenn ihr drei- oder viermal zusammen unterwegs gewesen seid.«
Nach kurzem Zögern fügte Louise hinzu: »Wenn du willst, kann ich auch mit ihr reden und ihr sagen, dass ich den Eindruck habe, dass du ebenfalls mal gern hier rauskommen würdest. Dann kann sie dich darauf ansprechen und kommt gar nicht erst auf falsche Gedanken.«
»Ja, das wäre eine Möglichkeit«, gab Nathalie zu.
»Du kannst auch einen Blick in dieses Esoterik-Kochbuch werfen, da vergisst du deine Langeweile garantiert. Allerdings könnte dir nach einer Weile vom ständigen Kopfschütteln der Schädel brummen«, warnte Louise schmunzelnd.
»So schlimm?«
»Das kommt darauf an, welche Meinung du zu diesen Ideen hast. Zum Beispiel dazu, das Gemüse bei Vollmond zu schneiden, während du bis zur Hüfte in einem See stehst und vor dir ein Holzbrett auf dem Wasser treibt, auf dem das Gemüse und ein Messer liegen«, konterte ihre Köchin.
»Das hast du dir doch nur ausgedacht«, sagte Nathalie ungläubig.
»Hältst du es tatsächlich für möglich, dass ich mir so etwas ausdenke?«, fragte Louise mit gespielter Empörung. »Und traust du mir wirklich zu, ich könnte mir so was aus den Fingern saugen? Warte mal.«
Die Köchin musste ein paar Seiten zurückblättern. »Ah, hier haben wir es ja: Schenken Sie den Beerentee stets mit dem Rücken zur Sonne ein, um deren Strahlen abzuschirmen. Sie bringen die empfindliche Struktur des Tees ansonsten aus dem Gleichgewicht. Halten Sie die Kanne immer in der rechten Hand, um den positiven Energiefluss nicht zu stören. Lassen Sie beim Einschenken die linke Hand über der Tasse im Uhrzeigersinn kreisen, damit sich die Luft in der Tasse gleichmäßig mit dem Tee vermischt. Zitatende. Oder willst du noch mehr hören?«
Nathalie hatte inzwischen die Hände auf den Mund gepresst, doch es half nichts – sie konnte ihr Lachen nicht unterdrücken. »Verrate mir doch bitte, warum du so einen Käse überhaupt liest.«
»Hast du vergessen, dass am Freitagmorgen diese Esoteriker-Truppe das ganze Black Feather für sich in Beschlag nehmen wird?«
Nathalie riss verdutzt die Augen auf. »Stimmt ja, an die hatte ich gar nicht mehr gedacht.«
»Aber ich, und deshalb hatte ich überlegt, ich könnte ja vielleicht das eine oder andere Gericht anbieten, das speziell auf unsere Gäste zugeschnitten ist.« Die Köchin schüttelte frustriert den Kopf. »Allerdings wusste ich da auch noch nicht, dass ich mindestens eine Woche lang gut ein Dutzend Edelsteine an bestimmten Stellen in der Küche platzieren muss. Und ich müsste sämtliche Kochtöpfe besprechen und könnte sie fünf Tage lang nicht benutzen. Abgesehen davon ist mein Altenglisch so eingerostet, dass ich die Kochtöpfe ohnehin nicht besprechen könnte, selbst wenn ich es wollte.«
Nathalie grinste. »Ach komm. Vielleicht sind diese Leute ja gar nicht so schlimm«, überlegte sie. »Sonst hätte ich doch garantiert eine endlos lange Liste zugeschickt bekommen, in der stehen würde, dass in jedem Zimmer ein Opal unter das Bett gelegt oder ein Amethyst im Kleiderschrank deponiert werden muss.«
»Möglicherweise hast du die Mail mit der Liste auch nur für Werbung gehalten und gleich gelöscht.«
Erschrocken blickte Nathalie sie an. »Oh nein, das will ich aber nicht hoffen.«
»Ich hab’s auch nicht ernst gemeint«, beruhigte Louise sie. »Bestimmt ist das alles halb so wild, es geht problemlos über die Bühne, und diese Truppe wird schon wieder weg sein, ehe du überhaupt gemerkt hast, dass sie hier war.«
Nathalie legte mit gespieltem Argwohn den Kopf schräg. »So kann das eigentlich nur laufen, wenn du mich vier Tage lang in Tiefschlaf versetzt. Das ist dir doch wohl klar.«
Louise lachte auf. »Du hast ja keine Ahnung, wozu ich fähig bin, meine Liebe.«
»Ich glaube, das ist auch besser so«, gab Nathalie schmunzelnd zurück.
In diesem Moment klopfte es, und die Tür wurde geöffnet. Herein kam Paige Rittinghouse, der eine kleine, aber gut sortierte Buchhandlung in Earlsraven gehörte. »Hey, Leute«, rief sie in die Runde. »Habt ihr inzwischen was von Ronald gehört? Ist Colonel Jackson auf dem Weg zum Ruhm? Falls ja, melde ich schon mal an, dass ich seine Biografie schreiben möchte.«
Nathalie straffte die Schultern, da ihr ein Gedanke durch den Kopf schoss, den sie gerade noch stoppen konnte, ehe er ihrem Mund entwischte. Natürlich, das war die Lösung für ihr Problem! Das war die Antwort!
»Wir warten noch«, sagte Louise zu Paige.
»Ha!«, rief Nathalie und zeigte auf die Buchhändlerin. »Du! Das ist die Lösung!« Sie sah zu Louise. »Paige hat mich gerade darauf gebracht!«
»Was immer es ist, ich habe damit nichts zu tun«, wehrte Paige hastig ab und hielt die Hände begütigend von sich gestreckt. »Und ohne meinen Anwalt sage ich sowieso gar nichts.«
»Bin schon zur Stelle«, ertönte hinter ihr eine Männerstimme, dann betrat Rechtsanwalt Martin Lazebnik das Büro und lächelte in die Runde.
Louise stand auf und gab ihm einen Begrüßungskuss. »Was führt dich denn her?«, fragte sie ihren Lebensgefährten. »Die Sehnsucht nach mir?«
»Das sowieso«, antwortete er augenzwinkernd. »Außerdem wollte ich zwei Portionen deiner köstlichen Kartoffelsuppe zum Mitnehmen abholen, damit ich in meiner Kanzlei nicht hungern muss.«
»Ist heute ›Besuch das Black Feather‹-Tag, oder habt ihr euch abgesprochen, dass ihr im Fünf-Minuten-Takt hier eintrudelt?«, wollte Nathalie verwundert wissen. »Bald sind wir ja vollzählig.«
»Aber nur fast«, sagte der Anwalt. »Olga ist bei mir im Büro, weil ich bei einem Fall ihre Hilfe brauche. Sie wird also in der nächsten Zeit nicht herkommen.« Sein Blick fiel auf das Kochbuch, das aufgeschlagen auf dem Tisch lag, der zur Sitzgruppe in Nathalies Büro gehörte. »Was liest du da Schönes, Darling?«
»Auf die Frage kann ich dir nicht antworten.«
»Darf ich fragen, warum?«
»Nein, du musst von selbst draufkommen«, erwiderte Louise. »Du bist doch ein gewitzter Anwalt, Sweetheart.«
»Richtig.«
»Dann überleg mal, wieso ich dir deine Frage nicht beantworten kann.«
Martin zog die Augenbrauen zusammen und rieb sich über das Kinn. »Ich habe gefragt, was du Schönes liest. Und darauf kannst du nicht antworten …« Ein paar Sekunden lang grübelte er über ihre Worte nach, dann ging ihm ein Licht auf. »Du kannst nicht antworten, weil es nichts Schönes ist.«
»Du hast es erfasst«, lobte sie ihn. »Das ist ein esoterisches Kochbuch, und daran ist leider gar nichts schön.«
»Warum liest du es dann?«, wollte er verwundert wissen.
»Weil …«
»Ich werde ein Buch schreiben!«
Alle drehten sich zu Nathalie um, die von ihrem Platz aufgestanden und um den Schreibtisch herum nach vorn gekommen war.
»Du machst was?«, fragte Louise.
»Na, ich werde ein Buch schreiben«, wiederholte sie. »Das ist die Lösung. Dann langweile ich mich nicht mehr, nur weil mir meine Assistentin die Arbeit abnimmt.«
»Ein Buch«, murmelte Paige. »Aber … wieso habe ich dich darauf gebracht? Ich habe doch gar nichts gesagt. Ich meine, ich wusste ja nicht mal, dass du dich langweilst. Ansonsten hätte ich dir das womöglich vorgeschlagen, doch so …«
»Na, weil du Buchhändlerin bist«, erklärte Nathalie. »Und weil du selbst auch schon ein Buch veröffentlicht hast … und an einem zweiten arbeitest. Das hat mich dazu angespornt, es auch zu versuchen.«
»Gute Idee«, fand Martin. »Das ist eine Arbeit, die Selbstdisziplin erfordert, und genau die besitzt du auch. Hast du denn schon eine Idee, was für ein Buch es werden soll?«
»Lass mich raten: ein Agententhriller«, warf Paige ein.
»Oh nein, bloß nicht«, wehrte Nathalie ab. »So was wäre mir viel zu kompliziert.«
»Dann schreib doch Cosy Crime. Das würde gut zu dir passen«, schlug Louise vor. »Von der perfekten Inspiration bist du dann schon umgeben. Schreib einen Krimi oder gleich eine ganze Reihe über eine Frau, die ein Hotel mit Pub und Café auf dem Land erbt und dort anfängt, Kriminalfälle zu untersuchen. Du kannst deiner Heldin alle möglichen skurrilen Figuren an die Seite stellen, zum Beispiel … Na ja, zum Beispiel eine ehemalige Geheimagentin, die jetzt als Köchin arbeitet«, fügte sie mit breitem Grinsen hinzu. »Und du musst dich nicht mit allzu blutigen Morden befassen, wie sie beispielsweise in einem Thriller geschehen.«
»So gut das klingt«, wandte Paige ein, »aber leider gibt es so eine Reihe schon.«
»Und was ist mit Liebesromanen?«, fragte Martin. »Ich hätte zwar eigentlich Gerichtsdramen vorschlagen wollen, doch wenn alles authentisch sein soll, dann brauchst du einen guten Berater.«
»Da wüsste ich schon jemanden«, merkte Louise mit einem Seitenblick zu Martin an.