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Nathalie und ihre Freunde sind geschockt: Die Person, die ihre Freundin Paige tot sehen wollte, ist wieder aufgetaucht - mit einem neuen Mordauftrag! Diesmal soll es Sir Lewis Thornton treffen. Doch wer ist dieser Sir Lewis und was hat er mit Paige zu tun? In einem Wettlauf gegen die Zeit muss das Raven-Team so schnell wie möglich Antworten auf diese Fragen finden - bevor der Killer zuschlägt ...
Über die Serie: Davon stand nichts im Testament ... Cottages, englische Rosen und sanft geschwungene Hügel - das ist Earlsraven. Mittendrin: das »Black Feather«. Dieses gemütliche Café erbt die junge Nathalie Ames völlig unerwartet von ihrer Tante - und deren geheimes Doppelleben gleich mit! Die hat nämlich Kriminalfälle gelöst, zusammen mit ihrer Köchin Louise, einer ehemaligen Agentin der britischen Krone. Und während Nathalie noch dabei ist, mit den skurrilen Dorfbewohnern warmzuwerden, stellt sie fest: Der Spürsinn liegt in der Familie ...
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Seitenzahl: 225
Cover
Grußwort des Verlags
Über diese Folge
Tee? Kaffee? Mord! – Die Serie
Titel
Prolog
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Epilog
Über die Autorin
Impressum
Leseprobe
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Nathalie und ihre Freunde sind geschockt: Die Person, die ihre Freundin Paige tot sehen wollte, ist wieder aufgetaucht – mit einem neuen Mordauftrag! Diesmal soll es Sir Lewis Thornton treffen. Doch wer ist dieser Sir Lewis und was hat er mit Paige zu tun? In einem Wettlauf gegen die Zeit muss das Raven-Team so schnell wie möglich Antworten auf diese Fragen finden – bevor der Killer zuschlägt …
Davon stand nichts im Testament …
Cottages, englische Rosen und sanft geschwungene Hügel: das ist Earlsraven. Mittendrin: das »Black Feather«. Dieses gemütliche Café erbt die junge Nathalie Ames völlig unerwartet von ihrer Tante – und deren geheimes Doppelleben gleich mit! Die hat nämlich Kriminalfälle gelöst, zusammen mit ihrer Köchin Louise, einer ehemaligen Agentin der britischen Krone. Und während Nathalie noch dabei ist, mit den skurrilen Dorfbewohnern warmzuwerden, stellt sie fest: Der Spürsinn liegt in der Familie …
Ellen Barksdale
Tee? Kaffee?Mord!
TÖDLICHE BESTELLUNG
Prolog, der eine unerwartete Entwicklung mit sich bringt
»… und das ist eigentlich auch schon alles, was ich sagen wollte«, schloss Yoshiko Takahashi ihre Danksagung an Nathalie Ames und ihre Freunde, mit denen sie in Nathalies Büro zusammensaß.
»Nichts gegen eine kurze Rede bei einer Geburtstagsfeier, aber du weißt ja, dass dann die Arbeit umso eher wieder ruft«, sagte Nathalie augenzwinkernd und griff nach der Teekanne, um die leeren Tassen ihrer Freunde aufzufüllen.
»… sagte die Sklaventreiberin Miss Ames«, fügte Nathalies beste Freundin, die Köchin Louise Cartham, todernst hinzu, gab zwei Löffel Zucker in ihren Tee und rührte um. »Hauptsache ist aber sowieso, dass ich dich mit meinen japanischen Kochkünsten beeindrucken konnte, Yoshiko.«
»Mein Vater wäre begeistert gewesen, wenn er gesehen hätte, wie fachmännisch du nach dem richtigen Messer gegriffen und den Fisch zerlegt hast«, antwortete Yoshiko erfreut. »Das sind Feinheiten, die die japanische Küche vom Rest der Welt unterscheiden. Auch wenn ich gestehen muss, dass ich manche Rituale nicht nachvollziehen kann.«
»Haben Rituale das nicht so an sich?«, fragte Police Sergeant Ronald Strutner.
»Stimmt schon«, sagte Yoshiko. »Aber manche Dinge werden durch Rituale unnötig in die Länge gezogen. Vor allem, wenn man vor Hunger fast umfällt.«
Plötzlich wurde die Tür zu Nathalies Büro aufgerissen. »Oh Gott, tut mir leid, tut mir leid, tut mir leid!«, rief Paige Rittinghouse aufgeregt, die hereingestürmt kam, als wäre der Leibhaftige hinter ihr her. Sie beugte sich über den Tisch, fasste nach Yoshikos Hand und sagte: »Alles Liebe und Gute zum Geburtstag, Yoshiko.« Keuchend redete sie weiter: »Mein Lektor wollte unbedingt meinen nächsten Krimi mit mir besprechen, und ich konnte ihn einfach nicht abwimmeln.« Zerknirscht fügte sie hinzu: »Na ja, ehrlich gesagt wollte ich ihn auch nicht abwimmeln. Ich telefoniere ihm seit zwei Wochen hinterher, weil ich wissen will, welcher meiner Vorschläge für einen neuen Band am besten geeignet ist. Und ausgerechnet heute muss er anrufen, als ich gerade den Laden verlassen will.« Sie verzog den Mund. »Bestimmt hat er Zugriff auf irgendeine Webcam, die meinen Buchladen zeigt. Deshalb konnte er sehen, wann ich auf dem Weg nach draußen bin.«
»Ist doch nicht so schlimm. Du hattest ja einen wichtigen Grund für deine Verspätung«, versicherte ihr Yoshiko lächelnd. »Allerdings mussten wir schon anfangen zu essen, weil bei dir dauerbesetzt war und wir nicht das Gericht kalt werden lassen wollten, das Louise extra für mich zubereitet hat.«
»Sehr diplomatisch von dir«, meinte Martin Lazebnik amüsiert. »Aber als Anwalt bin ich immer der Wahrheit verpflichtet und muss bekennen, dass Yoshiko eigentlich auf dich warten wollte, dass wir aber Louise dazu gedrängt haben, das Essen endlich zu servieren, anstatt uns noch länger von dem köstlichen Aroma quälen zu lassen.«
Paige zog die Nase kraus. »Oh, dann habe ich wohl was Gutes verpasst.«
»Sogar etwas Hervorragendes«, korrigierte Yoshiko.
»Und ihr seid schon alle fertig?« Die Buchhändlerin stutzte. »War das eine so kleine Portion?«
»Vielleicht hast du auch viel länger telefoniert, als du dachtest«, hielt Nathalie mit einem Augenzwinkern dagegen.
Paige runzelte die Stirn. »Da könntest du recht haben, Nathalie. Wenn ich so überlege, dann war das wirklich ein ziemlich langes Telefonat. Na gut, dann habe ich also alles verpasst.« Sie atmete schnaubend aus. »Hat einer von euch das Essen mitgefilmt, damit ich mir das wenigstens noch ansehen kann?«
»Du wirst es sogar probieren können«, gab Will Waybridge zurück, der seit einigen Monaten als zweiter Polizist in Earlsraven die Polizeiwache verstärkte. »Louise hat sich nämlich geweigert, deine Portion auf unsere Teller aufzuteilen. Obwohl wir doch noch groß und stark werden müssen.«
»Statt groß und stark werden wir jetzt eben rank und schlank«, meinte die Gerichtsmedizinerin Olga Sevorskaja und winkte gelassen ab. »Dagegen ist ja nichts einzuwenden.«
Während Paige sich noch mit den anderen unterhielt, ertönte ein leises »Ping«, das Louise aufhorchen und nach ihrem Handy greifen ließ, das sie auf den Tisch gelegt hatte. Sie tippte etwas ein, dann zog sie verdutzt die Augenbrauen hoch. »Leute, ich muss eure ausgelassene Laune stören«, sagte sie in ernstem Tonfall, »auch wenn ich das nur ungern tue. Aber ihr erinnert euch ja an den Mordauftrag im Darknet, der gegen Paige gerichtet war.«
»Wie könnten wir das vergessen?«, erwiderte Nathalie.
»Ich rechne ja immer noch damit, dass jeden Moment ein anderer Killer in meinen Laden kommt und das zu Ende führt, was dem letzten nicht gelungen ist«, sagte Paige und schüttelte sich.
»Tja, der Auftraggeber ist gerade eben wieder aktiv geworden«, verkündete Louise, »und hat einen neuen Auftrag online gestellt.«
»Hetzt er mir jetzt den nächsten Killer auf den Hals?«, fragte Paige entsetzt.
Erstes Kapitel, in dem zunächst eine andere Angelegenheit besprochen wird
Louise schüttelte den Kopf. »Nein, Paige, du bist nicht das Ziel«, versicherte sie der Buchhändlerin.
»Dem Himmel sei Dank«, flüsterte sie erleichtert, fragte dann aber besorgt: »Und wer ist das Ziel? Doch hoffentlich keiner von euch!«
»Keine Sorge«, sagte die Köchin. »Der Auftraggeber hat unser Spiel nicht durchschaut und hält dich tatsächlich für tot. Ihm haben die Fotos von deinem Pseudo-Tod genügt, um den Auftrag als erledigt zu kennzeichnen. Sein nächstes Opfer ist ein gewisser Sir Lewis Thornton. Weitere Angaben zur Person gibt es nicht. Nur ein Foto.« Sie hielt ihr Smartphone so, dass einer nach dem anderen das Bild sehen konnte, das einen grauhaarigen Mann mit Kinnbart zeigte.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Yoshiko. »Finden wir heraus, wo er wohnt, und warnen ihn, dass ein Killer ihm nach dem Leben trachtet?«
»Wir finden heraus, wo er wohnt«, bestätigte Louise, »und welche Verbindung es zwischen ihm und Paige gibt. Aber als Erstes …«, fügte sie hinzu, »… werde ich den Auftrag übernehmen.« Sie tippte auf ein Symbol neben dem Auftrag, und im nächsten Moment legte sich ein grauer Film über den Auftrag und die Worte »In Bearbeitung« erschienen.
»Louise, die Eiskalte«, kommentierte Ronald grinsend. »Die Frau, die einen Mordauftrag mit der gleichen Gelassenheit übernimmt, mit der sie auch online einkauft. Einfach ein Klick auf ›Jetzt kaufen‹, und der Fernseher wird geliefert.«
»Das war jetzt sogar noch einfacher, weil ich nicht erst noch den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zustimmen musste«, gab Louise ironisch zurück. »Immerhin hat mir der Auftraggeber für den Mord an Paige fünf von möglichen fünf Sternen gegeben.«
»Hat er wenigstens auch noch einen Kommentar hinterlassen?«, wollte Will wissen.
»Leider nicht«, sagte sie.
»Du hast eben von einer Verbindung zwischen diesem Sir und mir gesprochen«, meldete sich eine irritierte Paige zu Wort. »Wie kommst du auf den Gedanken, dass es eine Verbindung geben könnte?«
»Weil eine Verbindung der Aspekt ist, mit dem wir uns zuerst befassen müssen, sobald wir wissen, wer dieser Thornton ist«, antwortete sie. »Und wenn wir nichts finden, müssen wir ihn als Erstes darauf ansprechen, wenn wir uns mit ihm treffen.« Sie zeigte auf das Display. »Dieser erste Auftrag, der dich zum Ziel hatte, Paige, kam aus dem Nichts. Der Auftraggeber war seitdem nicht mehr aktiv – bis vor fünf Minuten, als er den nächsten Auftrag freigegeben hat. Natürlich kann er sich über verschiedene Accounts angemeldet haben und wechselt zwischen ihnen, um keine verräterischen Spuren zu hinterlassen. Aber mein Gefühl sagt mir, dass das nicht der Fall ist, und deshalb glaube ich, dass du und Thornton irgendetwas gemeinsam habt.«
Paige kratzte sich an der Stirn. »Was soll ich mit einem Sir Sowieso gemeinsam haben? Müsste ich das nicht wissen?«
»Vielleicht glaubt der Auftraggeber ja aus irgendeinem Grund«, warf Nathalie ein, »dass du etwas über ihn weißt, was ihm gefährlich werden könnte, wenn du es öffentlich ausplauderst. Und vielleicht glaubt er, dass der Lord das auch weiß.« Hastig hob sie eine Hand, als sie sah, dass Paige zum nächsten Protest ansetzen wollte, und redete weiter: »Bevor du etwas sagst – nein, ich habe keine Ahnung, was das sein könnte. Es ist nur eine Überlegung, Paige.«
»Es kann nichts von dem sein, was du besitzt«, sagte Martin. »Wenn es das wäre, dann hätte er in seinem Auftrag deinen richtigen Namen benutzt, und er hätte entweder deine Adresse gekannt oder von Louise anschließend verlangt, dass sie ihm sagt, wo sie dich gefunden hat, damit er sich den Gegenstand holen kann.«
Paige nickte nachdenklich. »Das ist wahr, Martin. Wenn es aber irgendetwas sein soll, das ich über ihn weiß, dann habe ich auch keine Ahnung, was das sein könnte.«
»Ich denke, du musst dir gar nicht erst den Kopf zerbrechen«, sagte Louise zu ihr. »Wir müssen diesen Mann ohnehin aufsuchen und ihm davon berichten, dass jemand es auf sein Leben abgesehen hat. Bei der Gelegenheit werden wir ihn einfach fragen, ob er dich kennt oder ob er sich erklären kann, warum jemand zuerst deinen und nun seinen Tod will.«
»Oh ja, das möchte ich mehr wissen als alles andere«, erwiderte Paige. »Wann fahren wir zu ihm?«
»Sobald wir wissen, wo wir den Mann überhaupt finden können.«
»Allerdings werden wir dich nicht mitnehmen können, Paige«, fügte Nathalie mit ernster Miene an.
»Was?« Die Buchhändlerin drehte sich abrupt zu ihr um und sah sie ungläubig an. »Natürlich komme ich mit. Ich will das aus erster Hand erfahren!«
»Und den Auftraggeber wissen lassen, dass du gar nicht tot bist, damit er einen neuen Killer auf dich ansetzen kann?«, fragte Nathalie.
»Wie soll der Auftraggeber davon erfahren, dass ich mich mit diesem Sir unterhalten habe?«, fragte Paige.
»Wir wissen nicht, wer den Auftrag erteilt hat«, machte Nathalie ihr klar. »Wenn du mitkommst und Thornton sagst, wer du bist, haben wir keine Kontrolle darüber, wem er womöglich davon erzählen wird, dass ein Unbekannter ein Attentat auf ihn verüben lassen will und dass er jemanden kennengelernt hat, der dem Unbekannten ebenfalls im Weg war. Wenn das die Runde macht und er vielleicht auch noch deinen Namen erwähnt, dann kann der Auftraggeber das unter Umständen erfahren, weil er sich womöglich in Thorntons Umfeld bewegt oder im Umfeld von jemandem, der mit Thornton zu tun hat.«
»Hm«, machte Paige missmutig, begann aber zögerlich zu nicken. »Und wenn er dann den nächsten Killer losschickt, kann Louise nicht wieder einspringen, weil er von ihr ja weiß, dass sie ihn reingelegt und um sein Geld betrogen hat.«
»Richtig, und wir wissen dann nicht, wer es ist und wann er zuschlägt«, bestätigte Nathalie.
»Und wir bekommen noch ein anderes Problem«, ergänzte Louise. »Wenn der Auftraggeber feststellen muss, dass ich ihm etwas vorgemacht habe, sperrt er mich für den Mordauftrag an Thornton. Und damit haben wir dann gleich zwei Killer, die irgendwann und irgendwo auf irgendeine Weise zuschlagen.«
»Ja, verstehe«, sagte Paige betrübt. »Ich hätte nur diesen Thornton gern kennengelernt. Wie wäre es, wenn ich mich für Lucy Mistlethwaite ausgebe?«
»Wer ist Lucy Mistlethwaite?«, fragte Martin verdutzt.
»Niemand, der Name kam mir nur gerade in den Sinn«, antwortete Paige. »Unter einem falschen Namen würde doch niemand Verdacht schöpfen.«
»Grundsätzlich nicht«, stimmte Nathalie ihr zu. »Aber ich halte es für besser, wenn Louise, Will und ich uns erst mal allein dort umsehen und umhören. Wenn wir die Lage vor Ort kennen, wissen wir auch, ob es für dich ungefährlich ist oder nicht.«
»Ich kann ja auch noch eine schwarze Perücke aufsetzen, damit mich niemand erkennt«, schlug Paige daraufhin noch vor. »Ich meine, unser rätselhafter Auftraggeber hatte ja nur dieses uralte Foto von mir ins Netz gestellt. Dann weiß er doch sowieso nicht, wie ich heute aussehe.«
Diesmal schüttelte Louise nachdrücklich den Kopf. »Selbst das ist zu riskant. Wir wissen nicht, ob der Killer ein paar Tage vor seinem offiziellen Aufenthalt im Black Feather schon einmal im Dorf war und dich fotografiert hat, um das Foto seinem Auftraggeber zu schicken. Eventuell wollte er sich vergewissern, dass du die Frau auf dem alten Foto bist, bevor er dir etwas antut.« Sie machte eine vage Geste. »Dann wüsste er, wie du heute aussiehst, und das macht es umso gefährlicher. Nicht nur für dich, sondern auch für uns.«
»Für euch?« Paige sah verdutzt in die Runde. »Wieso für euch?«
»Na ja, wenn der Auftraggeber irgendwo im Umfeld von Sir Thornton zu finden ist und er sieht, dass du doch noch lebst, dann wird er sich seinen Teil denken können, wenn wir als Gruppe auf einmal bei seinem nächsten Opfer auftauchen«, erklärte Nathalie. »Je nachdem, was unser Unbekannter vorhat, sind wir ihm alle im Weg, und da er nicht selbst morden muss, sondern freiberufliche Killer anheuert, kann er uns alle gleichzeitig zum Abschuss freigeben.«
Paige verzog wieder betrübt den Mund, nickte dann aber verstehend. »Ja, schon gut. Ihr habt ja recht. Ich werde mich in Geduld üben, auch wenn es mir schwerfällt.«
»Wir werden Thornton auf jeden Fall ansprechen, ob er überhaupt weiß, wer du bist«, versicherte ihr Louise.
»Aber ihr habt doch eben noch davon gesprochen, dass es eine Verbindung zwischen Thornton und mir geben muss«, wandte Paige ein und wirkte wieder ein wenig irritiert.
»Das ist richtig«, bestätigte Louise. »Aber Thornton muss trotzdem nichts von dieser Verbindung wissen. Das kann auch eine Gemeinsamkeit sein, die nur für den Auftraggeber von Bedeutung ist.«
Paige atmete frustriert aus. »Warum muss das alles immer auf Mord und Totschlag hinauslaufen? Warum kann dieser Unbekannte nicht einfach zu uns kommen und uns sagen, was er von uns will? Dann bekommt er das, und wir haben unsere Ruhe.«
»Weil niemand einfach so etwas hergibt, nur weil ein anderer das haben will«, antwortete Ronald. »Und das ist auch richtig so, dass man sich gegen solche Leute behauptet, weil die sonst immer mehr haben wollen und weil dann auch noch andere kommen und sich etwas nehmen, bis nichts mehr da ist.«
»Und schließlich kommt noch einer, der etwas haben will«, fügte Will hinzu, »und glaubt nicht, dass sein Opfer nichts mehr besitzt. Aus Wut über diese scheinbare Lüge sticht derjenige zu und bringt das Opfer um.«
»Ende tot, alle tot«, ergänzte Ronald bissig. »Es ist egal, wie herum man es versucht. Am Ende holt einen das Schicksal trotzdem wieder ein.«
»Macht bloß weiter so, dann werde ich nur noch deprimierter«, klagte Paige und seufzte deutlich übertrieben. »Und wann wollt ihr diesen Sir Thornton besuchen?«
»Erst mal müssen wir wissen, wo der Mann eigentlich lebt«, sagte Ronald. »Wenn der auf Malta zu Hause ist, wird es schwierig.«
»Vor morgen früh auf jeden Fall nicht«, meinte Nathalie. »Louise und ich haben gleich noch einen Termin, und selbst wenn Thornton hier irgendwo um die Ecke wohnen sollte, genügt das morgen immer noch. Der Auftrag ist ja vergeben, also kann uns auch kein Killer zuvorkommen.«
Yoshikos Handy klingelte, sie sah auf das Display und sagte: »Den muss ich annehmen, aber ich muss dafür rüber an die Rezeption.« Mit diesen Worten eilte sie aus dem Büro und nahm im Hinausgehen den Anruf an.
Während ihre Stimme allmählich leiser wurde, machten sich Will und Ronald auf den Weg zurück zur Wache am Marktplatz; begleitet wurden sie von Paige, die wieder in ihren Buchladen wollte. Martin trank erst noch seinen Tee aus, dann brachen er und Olga gemeinsam auf, aber erst nachdem er sich mit einem Kuss von Louise verabschiedet hatte.
»Nicht neidisch werden«, sagte sie mit einem Augenzwinkern an Nathalie gewandt.
Die streckte ihr kurz die Zunge raus und erwiderte: »Ich bin nicht neidisch. Will ist nicht mein fester Freund.«
»Ja, ich weiß, ihr zwei wollt einfach nur euren Spaß haben, ohne euch gegenseitig Versprechungen machen zu müssen.«
»Siehst du, Louise, ich musste es nur einmal erklären, und du kannst mich fast wörtlich zitieren«, gab Nathalie grinsend zurück. »Das ist doch der beste Beweis dafür, dass es ein ganz einfaches Konzept ist.«
Louise legte eine Hand auf Nathalies Schulter. »Ich befürchte nur, dass es nicht ganz so einfach ist, wie du meinst. Was ist, wenn Will auf einmal von Liebe redet? Und wenn du ihn dann verlierst, gerade weil er dich liebt und du das nicht willst?«
»Na ja, wir sind uns eigentlich einig, dass wir uns mit solchen Fragen erst befassen wollen, wenn die wirklich akut werden«, antwortete Nathalie. »Im Moment habe ich jedenfalls von Beziehungen die Nase voll, und ich möchte lieber gar nicht darüber nachdenken, was wäre, wenn es mit Will genauso enden würde wie mit Fred, es aber keine Möglichkeit gibt, wirklich getrennte Wege zu gehen. Bei Fred war es wenigstens möglich, ihn zum Chef meines zweiten Landmarkts zu machen und zu wissen, dass er weit genug von Earlsraven weg ist, um ihn niemals wiedersehen zu müssen.« Sie presste die Lippen zusammen, da in rasender Geschwindigkeit wieder all die Ereignisse vor ihrem geistigen Auge vorbeizogen, die zur Trennung geführt hatten. »Aber Will wird sich nicht von heute auf morgen versetzen lassen können, und da ich nicht einfach das Black Feather im Stich lassen kann, würden wir uns ständig sehen … und zwangsläufig gemeinsam an irgendwelchen Mordfällen arbeiten.«
Louise nickte verständnisvoll. »Ich weiß, was du meinst. So etwas würde mir auch nicht gefallen.« Sie drückte Nathalies Arm. »Du und Will, ihr werdet das schon hinkriegen. Wenn ihr erst mal euren Spaß hattet, werdet ihr ja vielleicht doch noch heiraten.«
»Weil der Spaß dann ein Ende hat?«, fragte Nathalie grinsend.
»Das hast du gesagt, Nathalie Antonia Ames, nicht ich«, konterte Louise in einem gespielt pikierten Tonfall, gerade als eine SMS auf ihrem Handy einging.
»Ich heiße nicht Antonia«, sagte sie verdutzt.
Louise zuckte flüchtig mit den Schultern. »Ich weiß, aber es klang besser, als nur ›Nathalie Ames‹ zu sagen.« Sie öffnete die Mail und las den kurzen Text. »Und jetzt lass uns gehen, Yassid wartet drüben.«
Nathalie und Louise gingen zügig über die Fußgängerbrücke, die die Schnellstraße überspannte und den Parkplatz auf der gegenüberliegenden Seite mit dem Black Feather verband. Zwei Fernfahrer, von denen sie einen mit Namen und den anderen vom Sehen kannten, kamen ihnen entgegen und grüßten freundlich. An der Treppe angekommen, die hinunter zum Parkplatz führte, trafen sie auf ein Paar mit zwei Kindern, das offenbar noch nie Nathalies Pub besucht hatte, da die Frau trotz der eindeutigen Wegweiser fragte, ob dies der Weg zum Black Feather sei. Nachdem sie das bestätigt hatte, rief Nathalie auf dem Weg nach unten Bruce an, der hinter der Theke Dienst hatte. »Da kommt gleich ein Paar mit zwei Kindern zu euch«, sagte sie. »Neue Gäste. Achte darauf, dass sie den Willkommensrabatt bekommen. Und gib jedem der Kinder einen Schlumpf.« Sie steckte das Telefon weg und folgte Louise in die hinterste Ecke des Parkplatzes.
»Da steht Yassid«, sagte die Köchin und zeigte auf einen Kleinbus mit stark getönten Scheiben, der hinter einem alten Überseecontainer parkte, dessen Eigentümer schon vor einer Ewigkeit versprochen hatte, das Monstrum endlich abzuholen, seit einer Weile aber telefonisch nicht mehr erreichbar war.
Yassid war Yassid Newton, der die Lokalredaktion der Zeitung Raven Times leitete und der mehr als einmal von Nathalie und ihren Freunden mit Informationen versorgt worden war, um vor der eigentlich übermächtigen Konkurrenz am Ort des Geschehens sein zu können. Das hatte der Raven Times mit der Zeit überregionale Bekanntheit eingebracht, da die landesweit erscheinenden Zeitungen sich in ihren Berichten immer wieder auf ein vermeintliches Provinzblatt als Quelle berufen mussten. Das alles geschah sehr zur Freude des steinreichen Herausgebers Bob Larkin, da die Verkaufszahlen seine eigentlich schon sehr optimistischen Erwartungen deutlich übertrafen. In einer Zeit, in der das Internet für immer mehr Zeitungen das Ende bedeutete, war das eine umso erfreulichere Entwicklung, die sich wiederum in Yassids Gehalt niederschlug. Zwischen ihm und Nathalie und ihren Freunden hatte sich mit der Zeit eine Freundschaft entwickelt.
Sie gingen um den Bus herum auf die Beifahrerseite, dann wurde die Schiebetür von innen geöffnet. Als sie einstiegen, sahen sie, dass Yassid an einer Art Konferenztisch mit vier bequemen Sitzen saß, und nahmen ihm gegenüber Platz.
»Hallo, Louise, hallo, Nathalie«, begrüßte er sie erfreut. »Was gibt’s Neues?«
»Das Übliche halt«, antwortete Nathalie. »Mörder jagen, Mörder überführen, Mörder der Polizei übergeben. Ziemlich monoton«, fügte sie ironisch an. »Da fällt mir ein: Die Schlagzeile ›Raven-Team rettet Tarzans Ehre‹ hat uns allen gut gefallen.«
»So gut, dass wir uns überlegt haben, das Raven-Team zu adoptieren«, sagte Louise. »Vor allem Nathalie.«
Yassid warf ihr einen fragenden Blick zu, woraufhin sie sich räusperte. »Ja, das ist richtig«, sagte Nathalie. »Wenn du in der Raven Times über einen spektakulären Fall schreibst, den wir gelöst haben, dann steht da fast immer irgendwo ›Nathalie Ames und ihre Freunde‹ oder ›ihr Team‹. Das liest sich für mich so, als würde ich an der Spitze der Gruppe stehen und das Kommando haben. Ich denke, es gibt keinen Fall, in dem ich allein den Täter überführt habe. Wir machen das immer als Team, und mal trägt der eine mehr dazu bei, mal der andere. Mal ist es Ronald, der in den Polizeiakten auf den entscheidenden Hinweis stößt, mal ist es Martin, der mit einer juristischen Spitzfindigkeit den Täter in eine Falle lockt.«
»Ganz genau«, bestätigte Louise. »Allerdings hat sich keiner von uns darüber beklagt, dass Nathalie häufiger in den Mittelpunkt gerückt wird. Das ist allein Nathalies Wunsch.«
Der Reporter zuckte mit den Schultern. »Von mir aus könnt ihr euch ganz offiziell Raven-Team nennen, ich habe den Begriff nicht schützen lassen«, erwiderte er grinsend. »Jetzt ist es dafür leider zu spät. Die Rechte hätten euch eine Menge gekostet.«
»Da haben wir ja noch mal Glück gehabt«, meinte Nathalie und seufzte gespielt erleichtert. »Okay, aber jetzt zu dir, Yassid. Du hast Neuigkeiten?«
»Nichts Akutes, aber ich wollte euch auf den neuesten Stand bringen, was Willoughby und das Naturschutzgebiet nahe Darby Heights angeht«, begann er. »Ich habe alle meine Kontakte bemüht, und so wie es aussieht, will dieser selbstherrliche Multimilliardär in dem Gebiet nicht einfach nur ein Häuschen im Grünen hinsetzen, sondern eine regelrechte Festung bauen, die ein paar Fußballfelder groß sein wird. Außerdem sollen gleich neben seinem künftigen Zuhause auch Flächen zur Bebauung freigegeben werden, auf denen eine neue Denkfabrik entstehen soll.«
»Und das Naturschutzgebiet ist ihm dabei völlig egal«, stellte Louise empört fest.
»Mr Jeremiah Cornelius Willoughby ist dafür bekannt, dass ihm sämtliche Belange anderer egal sind, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat«, merkte Nathalie an. »Der Kerl würde wohl auch seinen Willen durchsetzen, wenn er sich vorgenommen hätte, den Buckingham Palace abzureißen und stattdessen ein riesiges Einkaufszentrum da hinzusetzen.«
»Na ja, genau genommen ist ihm das Gebiet nicht ganz so egal, denn es ist das, was den Standort so ideal macht. Rings um sein ›Häuschen im Grünen‹ befindet sich ein riesiges Areal aus unberührter Natur, das ihm garantiert, dass es keine lästigen Nachbarn gibt. Angeblich soll das alles von einer hohen Mauer umgeben werden, damit niemand reinkommt, der da nichts zu suchen hat.«
»Das ganze Gebiet?«
»Willoughby macht keine halben Sachen«, entgegnete Yassid schulterzuckend.
»Und hinter der Mauer kann er dann tun und lassen, was immer er will. Wenn er das gesamte Gelände asphaltieren möchte, weil er kein Grünzeug mag, kann ihn dann niemand daran hindern. Sehr geschickt. Das müssen wir unbedingt verhindern«, erklärte Nathalie entschlossen.
»Das Gute daran ist, dass wir noch nicht unter Zeitdruck stehen«, sagte der Reporter. »Soweit ich herausfinden konnte, existieren bislang nur Skizzen. Das heißt, mit dem Bau wird wohl erst in einigen Jahren begonnen werden. Aber Willoughby wird natürlich das Areal möglichst bald kaufen wollen, weil er ganz sicher nicht Geld in ein Projekt steckt, bevor er nicht hundertprozentig weiß, dass ihm niemand mehr ein Bein stellen kann.«
»Wir müssen also dafür sorgen, dass die Gemeinde dem Verkauf gar nicht erst zustimmt«, überlegte Louise. »Also müssen wir die Öffentlichkeit darüber informieren und Stimmung gegen dieses Vorhaben machen.«
»Was nicht so einfach ist«, wandte Yassid ein. »Willoughby ist sehr vorsichtig, wenn es um öffentliche Äußerungen geht, und sobald etwas publik wird, was er niemals öffentlich gesagt hat, lässt er eine ganze Armee an Rechtsanwälten aufmarschieren und klagt jeden in Grund und Boden. Wir können also nicht hingehen und verbreiten, dass er genau das machen wird, was mir im Vertrauen gesagt worden ist.«
Nathalie verzog den Mund. »Wie sollen wir Stimmung gegen ein Projekt machen, das es offiziell nicht gibt und das uns eine gerichtliche Verfügung einbringt, den Mund zu halten oder fünfzigtausend Pfund Strafe zu zahlen?«
»Häng lieber noch zwei Nullen dran«, sagte Louise. »Wir reden hier von einem Milliardär.«
»Vielleicht sollten wir uns auf die Politiker konzentrieren«, überlegte Nathalie. »Eigentlich wäre der Verkauf eines Naturschutzgebiets, das ein Superreicher als privates Bauland nutzen möchte, ein Skandal erster Güte. Aber die letzten Wahlen liegen gerade hinter uns, und die Damen und Herren Politiker können es sich erlauben, das Ganze hinter verschlossenen Türen abzuwickeln, um uns alle vor vollendete Tatsachen zu stellen. Beim Wahlvolk werden sie damit vorübergehend in Ungnade fallen, aber bis zur nächsten Wahl vergeht genug Zeit, um sich an nichts mehr erinnern zu müssen.«
»Wenn sie dann aber doch nicht wiedergewählt werden«, warf Louise ein, »kassieren sie keine großzügigen Bezüge mehr.«
Nathalie hielt inne, dann schlug sie mit der flachen Hand auf den Tisch. »Aber genau das wird sie nicht kümmern müssen! Weil Willoughby jedem von ihnen, ohne mit der Wimper zu zucken, zehn oder zwanzig Millionen Pfund zahlen kann, womit die Leute für den Rest ihres Lebens ausgesorgt haben.«
»Gut erkannt«, sagte Yassid. »Willoughby hat nämlich einen von ihnen auf seiner Seite. Ich weiß nicht, warum und wieso, auf jeden Fall scheinen sich die beiden gut zu verstehen, weshalb wir davon ausgehen können, dass er versuchen wird, auf seine Kollegen einzuwirken.«
»Weißt du denn, wer es ist?«, fragte Louise.
»Oh ja. Läutet da was beim Namen Sir Alfred Battersfield?«