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TEUFELSJÄGER 042: Dämon ohne Gesicht
von W. A. Hary: „Er ist das personifizierte Grauen!“
May Harris blinzelte in die gleißende Helligkeit auf der Sonnenterrasse des Hotels. Sie wusste selbst nicht, was sie aufmerksam gemacht hatte, aber sie blickte zum Ausgang hinüber. Der Mann, der zu ihr herüber sah, wirkte wie ein Dämon. Eine Kreatur im Smoking, von kleinem Wuchs. Der Schädel war unproportional groß. Dieser dämonische Mann maß höchstens fünf Fuß, der Kopf hätte eher zu einem Riesen gepasst: dichtes, gewelltes Haar, widerborstige, buschige Augenbrauen, der Blick eines Wahnsinnigen oder eines Genies, überbreiter, schmallippiger Mund, große, nach außen gebogene Nase und ein breites Kinn wie das eines Nussknackers...
Coverhintergrund: Anistasius (Holger Möllers, Titelbild: Thorsten Grewe
eBooks – sozusagen direkt von der Quelle, nämlich vom Erfinder des eBooks!
HARY-PRODUCTION brachte nämlich bereits im August 1986 die ersten eBooks auf den Markt – auf Diskette. Damals hat alles begonnen – ausgerechnet mit STAR GATE, der ursprünglichen Originalserie, wie es sie inzwischen auch als Hörbuchserie gibt.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Diese Serie erschien bei Kelter im Jahr 2002 in 20 Bänden und dreht sich rund um Teufelsjäger Mark Tate. Seit Band 21 wird sie hier nahtlos fortgesetzt! Jeder Band ist jederzeit nachbestellbar.
Dämon ohne Gesicht
W. A. Hary:
„Er ist das personifizierte Grauen!“
May Harris blinzelte in die gleißende Helligkeit auf der Sonnenterrasse des Hotels. Sie wusste selbst nicht, was sie aufmerksam gemacht hatte, aber sie blickte zum Ausgang hinüber. Der Mann, der zu ihr herüber sah, wirkte wie ein Dämon. Eine Kreatur im Smoking, von kleinem Wuchs. Der Schädel war unproportional groß. Dieser dämonische Mann maß höchstens fünf Fuß, der Kopf hätte eher zu einem Riesen gepasst: dichtes, gewelltes Haar, widerborstige, buschige Augenbrauen, der Blick eines Wahnsinnigen oder eines Genies, überbreiter, schmallippiger Mund, große, nach außen gebogene Nase und ein breites Kinn wie das eines Nussknackers...
Alleinige Urheberrechte an der Serie: Wilfried A. Hary
Copyright Realisierung und Folgekonzept aller Erscheinungsformen (einschließlich eBook, Print und Hörbuch) by www.hary-production.de
ISSN 1614-3329
Copyright dieser Fassung 2015 by www.HARY-PRODUCTION.de
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Coverhintergrund: Anistasius
Lektorat: David Geiger
May Harris sprang von der Liege und rannte quer über die Terrasse auf dem Dach des großen Gebäudes. Es herrschte viel Betrieb, doch kaum jemand achtete auf May Harris. Der Dämonische wandte sich ab und verschwand durch den Ausgang. Sie hatte ihn erkannt: Bruno de Fries! Als sie ihm das letzte Mal begegnet war, hatte das unter sehr schlimmen Vorzeichen stattgefunden.
May hatte den Ausgang erreicht. Mit einem wütenden Ruck riss sie die Tür auf und sprang in das Treppenhaus. Es dauerte Sekundenbruchteile, bis ihre Augen sich an das hier herrschende Dämmerlicht gewöhnt hatten. Von Bruno de Fries fehlte jede Spur.
Ärgerlich wandte May sich an den Fahrstuhl. Die aparte, jugendlich wirkende Frau sah, dass der Lift sich nicht bewegte. Die Kabine stand einige Stockwerke tiefer. Und die Treppe? Kein Laut war zu hören.
Hinter May Harris entstand ein Zischen. Sie wirbelte herum. Mitten in der Luft rotierte ein Licht, wie durch einen technischen Trick verursacht, doch May Harris, die Weiße Hexe, spürte die Anwesenheit von Schwarzer Magie! Die Tür zur Terrasse flog mit einem Knall ins Schloss, wie von Geisterhand bewegt. Aus dem Zischen wurde ein irres Kreischen, das sich rasch die Tonleiter hinauf schwang und dann abriss. Das rotierende Licht explodierte und drang mit brutaler Macht in May Harris' Denken ein. Jedenfalls versuchte es das. May Harris wurde von den Beinen gefegt und krachte auf die Treppe. Haltlos kullerte ihr Körper abwärts. Sie krümmte sich geistesgegenwärtig zusammen. Gleichzeitig wehrte sie mit ihren weißmagischen Kräften den Angriff ab. Um sie herum schien sich die Hölle zu öffnen. Alles Licht wurde verschlungen. Sie spürte zwar die Treppe, sah aber nichts als Schwärze. May Harris war geübt im Kampf gegen die dämonischen Mächte. Ein solcher Angriff konnte sie nicht umbringen. Außerdem hatte sie das Glück besessen, auf die Treppe zu fallen und sich dadurch zu entziehen. Jeder andere hätte sich sämtliche Knochen im Leib gebrochen. Nicht so May! Wunden regenerierten sich bei ihr in wahnsinnigem Tempo. Erst ein Stockwerk tiefer kam May Harris zum Liegen.
Sie rührte sich nicht und schaltete ihre Gedanken ab. Jetzt wirkte ihr Körper wie tot. Prompt spürte sie ein schmerzhaftes Tasten in ihrem Schädel. Die Schwarze Macht wollte wissen, ob der Angriff gelungen war. May Harris spielte die Tote oder zumindest die Bewusstlose, obwohl sie hellwach war. Ihr Körper schmerzte höllisch, doch May wagte es nicht, ihre weißmagischen Kräfte zur Regenerierung gleich einzusetzen. Erst wollte sie die weitere Entwicklung abwarten.
Das forschende Tasten zog sich wieder zurück. May Harris hörte Schritte, die sich langsam näherten. Sie hätte jetzt gern die Augen geöffnet, doch das war zu riskant. Vorsichtig schickte sie ihre magischen Fühler aus. Vor ihrem geistigen Auge entstand ein diffuses Bild: ein hoch gewachsener, schmaler Mann, ohne Kopfbedeckung. Wo andere ihr Gesicht hatten, war bei ihm nur ein schwarzer Fleck.
Bruno de Fries war nur ein Trugbild gewesen, um sie in die Falle zu locken!
Der Unheimliche näherte sich. Seine Hände steckten in schwarzen Handschuhen. Der Unheimliche beugte sich über May Harris. Sie musste ihre Fühler sofort einziehen, um sich nicht damit zu verraten. Mit einer brutalen Bewegung warf der Unheimliche May Harris herum. Wo die Berührung stattfand, brannte die Haut wie Feuer. May Harris kam auf den Rücken zu liegen. Sie schien nicht mehr zu atmen. Ihr Gehirn war leer und ohne Gedanken. Die Augen waren geschlossen und die Lider zuckten nicht. May Harris wirkte tatsächlich wie tot. Da tat der Unheimliche etwas Entsetzliches. Sein dämonischer Geist bohrte sich in May Harris wie ein Flammenschwert. Im Nu fing ihr Leben Feuer, um ihr Dasein von innen heraus zu verbrennen und sie für immer zu vernichten.
Der Unheimliche lachte schrecklich, richtete sich auf und schritt davon, in dem Bewusstsein, dass von May Harris noch nicht einmal ein Häufchen Staub übrig bleiben würde. Seine Macht reichte dazu aus.
*
Lord Frank Burgess, der langjährige Freund von Mark Tate, dem sagenumwobenen Londoner Privatdetektiv und seiner Lebensgefährtin May Harris, lag im Bett. Erst vergangene Nacht hatten sie das furchtbare Erlebnis in der Villa des Polizeipräsidenten hinter sich gebracht. Sämtliche geladenen Partygäste, Leute aus den höchsten Kreisen Brasiliens, sollten in dieser Nacht getötet und Doppelgänger sollten auf die Menschheit losgelassen werden. Die Schwarze Mafia hatte das so gewollt. Früher war die Schwarze Mafia nie offen in Erscheinung getreten. Erst vor kurzem hatten sie überhaupt entdeckt, dass es sie gab. Doch dann war die Schwarze Mafia sehr schnell aktiv geworden. Viel zu aktiv, wie Lord Frank Burgess fand. Sie hatten die furchtbare Gefahr abwenden können, denn zu den geladenen Gästen gehörte auch ein Mann mit Namen Dr. Toy Fong, ein Engländer von anscheinend großer Bedeutung, was den Kampf gegen das Böse in aller Welt betraf, denn er war nicht nur ein direkter Nachfahr von Mark Tate (eine Vererbungslinie, die in einem seiner früheren Leben entstanden war), sondern hatte das Schicksal, Mark Tate auf Erden so lange zu vertreten, bis Mark Tate aus der jenseitigen Sphäre mit Namen ORAN zurückgekehrt war. Toy Fong war also erst seit relativ kurzer Zeit ein Kämpfer gegen das Böse und war deshalb von der Schwarzen Mafia bislang nicht als solcher erkannt gewesen und hielt sich bis zuletzt zurück. Er war im makabren Spiel der entscheidende Trumpf, der Lord Frank Burgess und May Harris zum Sieg verhalf. Sie hatten sich anschließend in dieses Hotel hier zurückgezogen, denn von allen Mafiosi war ihnen nur einer durch die Lappen gegangen: Bruno de Fries. Sie hatten keine Ahnung, welche Rolle dieser dämonische Mann wirklich in diesem Spiel gespielt hatte. War er Akteur oder selber Opfer? Jedenfalls hatten sie noch ein paar Tage in Rio de Janeiro bleiben wollen.
Es war später Nachmittag, die einzige Zeit, außer dem frühen Morgen, in der man sich ungefährdet auf die Sonnenterrasse legen konnte - zumindest als Engländer, der dieses heiße Klima Brasiliens nicht gewöhnt war. May hatte sich nach oben auf die Sonnenterrasse begeben. Der Lord war im Zimmer geblieben, lag auf dem Bett und schlief. Das bedeutete bei ihm, als Magier, dass er seine »innere Batterie« auflud, die in der vergangenen Nacht über Gebühr beansprucht worden war.
Plötzlich erwachte Lord Frank Burgess. Er wusste nicht, was ihn geweckt hatte, doch die Unruhe trieb ihn aus dem Bett. Er stand da und lauschte in sich hinein. May! Er sandte einen vorsichtigen geistigen Impuls nach ihr aus. Keine Resonanz! Und dann kam der tödliche Hieb des Unheimlichen, der May Harris hatte vernichten sollen. Lord Frank Burgess, der Weiße Magier aus England, spürte es, als wäre er selber beteiligt. Das war die Folge seines Kontaktversuchs: Ein Teil der schwarzmagischen Energie traf auch ihn - und das völlig unvorbereitet. Lord Frank Burgess krümmte sich schreiend vor Qual zusammen. Gleichzeitig spaltete sich sein Ich in zwei Persönlichkeiten, aus denen es einst entstanden war: In den Lord nämlich und in seine verstorbene Frau Lady Ann, mit deren Geist er sich nach ihrem Tode verbunden hatte. Die Spaltung erfolgte instinktiv. Dadurch kam der Geist von Lady Ann vorübergehend völlig frei und war unbeeinträchtigt von den schwarzmagischen Gewalten.
Der Lord verlor das Bewusstsein. Er hatte, ohne es zu wollen, eine gehörige Dosis beim Angriff abbekommen und damit von May weggeleitet. Doch es war immer noch genug, um May Harris zu vernichten.
Lady Ann schlug zu. Sie als ehemalige Voodoohexe hatte ein gehöriges weißmagisches Potential, das sie jetzt in die Waagschale warf. War ihr Ich mit dem ihres Mannes verbunden, addierten sich beider Fähigkeiten, doch das kam jetzt nicht zum Tragen, denn die Fähigkeiten des Lords waren größtenteils spezialisiert. In diesem speziellen Fall war Lady Ann ihm haushoch überlegen. Das war auch gut so. Das Energiepotential, das der Lord abbekommen hatte, hätte ausgereicht, ihn ebenfalls zu töten. Eine solche Macht steckte dahinter. Wäre Lady Ann nicht gewesen! Sie griff über die magische Brücke zu May Harris hinüber und ging mit aller ihr zur Verfügung stehenden Kraft gegen den schwarzmagischen Tötungsimpuls vor. Dabei spürte sie, dass sie keine Chance hatte, das magische Feuer, das Mays Leben in Brand gesteckt hatte, zu löschen. Sie würde vollkommen aufgelöst werden. Lady Ann musste eine andere Möglichkeit finden. Sie musste das schwarzmagische Feuer ablenken! Das war leichter gesagt als getan. Lady Ann zog sich langsam zurück und lockte dabei das schwarzmagische Feuer auf sich. Gierig leckten die unsichtbaren und doch so verheerenden Flammen nach ihr. Die Entfernung spielte in diesem Fall keine Rolle. Es war, als würde eine unmittelbare Berührung zwischen Lady Ann und May Harris stattfinden. Das schwarze Feuer der Vernichtung wurde von May Harris abgezogen und stürmte auf Lady Ann ein. Doch Lady Ann war kein lebendiges Wesen und gegenwärtig nicht einmal mit einem solchen verbunden. Zwar war sie an den Körper von Frank gefesselt, doch das wurde nicht ersichtlich, da Lady Ann eine Trennmauer zwischen beiden Geistern errichtet hatte. Ehe das vernichtende Feuer der Schwarzen Magie zurückkehren konnte, lief es sich tot! Doch damit war May Harris lange nicht gerettet. Um den Lord machte Lady Ann sich keine Sorgen. Sobald sie sich wieder mit seinem Geist verband, erholte er sich rasch. Ihre ganze Sorge galt jetzt nur May Harris. Sie ließ die magische Brücke zu Mark Tates Freundin erneut entstehen. May lebte noch, falls man das überhaupt noch Leben nennen konnte! Ihr Inneres erschien wie ausgehöhlt. Ihr Körper war ein Wrack.
Im ersten Moment glaubte Lady Ann, dass May sich niemals wieder erholen würde. Vielleicht würde sie für immer schwachsinnig bleiben? Falls sie nicht doch noch starb! Es war besonders schlimm für Lady Ann. Sie erfüllte May mit ihren Gedanken und mit ihrer weißmagischen Kraft, doch es nutzte nichts. May rührte sich nicht. Lady Ann wusste nicht einmal, was ihr widerfahren war. Wieso lag sie vor der Treppe? Sie hatte auch keine Gelegenheit, sich näher damit zu beschäftigen, denn etwas anderes lenkte sie ab. Beinahe wäre es ihr entgangen: Ein Geräusch an der Tür. Sie zog ihre Fühler halb zurück, ließ jedoch noch immer ihre weißmagischen Kräfte regenerierend auf May einwirken. Auch wenn es so aussah, als wäre es nutzlos. Der restliche Funken Leben in May, der noch nicht vom schwarzen Feuer aufgezehrt worden war, blieb damit noch am Glühen. Sie konzentrierte sich auf die Tür und schreckte im nächsten Moment zurück. Jemand oder etwas trat ein. Der Unheimliche hatte kein Gesicht. Er war hoch gewachsen, schlank und verbreitete eine Aura des absolut Bösen. Um die Tür zu öffnen, benötigte er keinen Schlüssel. Er brauchte es nur zu wollen. Schon schnappte das Schloss und ließ ihn herein. Schnurstracks lief er zum Lord, der in seltsam verkrümmter Haltung am Boden lag. Der Mund war halb geöffnet, wie zum Schrei, die Augen blickten gebrochen zur Decke.
Der Unheimliche forschte kurz im Gehirn des Lords. Allem Anschein nach war der Weiße Magier nicht mehr am Leben. Der Unheimliche hatte sich umsonst her bemüht. Er hatte den Lord genauso töten wollen wie May, doch es war anscheinend nicht mehr notwendig.
Lady Ann wusste jetzt, was May widerfahren war und sie bangte darum, dass der Unheimliche sein Werk wiederholte. Doch dann drang aus dem schwarzen Viereck, das anstelle des Gesichtes zu sehen war, ein brüllendes, wahnsinniges Gelächter. Der Unheimliche wandte sich ab und stolzierte hinaus. Er wollte seine schwarzmagischen Kräfte schonen und wollte sich nicht auch noch um den Lord kümmern. Sollte er doch hier als Leiche herumliegen. Es kümmerte ihn nicht mehr. Als er das Hotelzimmer verlassen hatte, waren May Harris und Lord Frank Burgess für ihn vergessen. Er hatte Wichtigeres zu tun, denn der vernichtende Schlag gegen diese beiden war lediglich der Anfang gewesen. Er hatte noch viel Schlimmeres im Sinn! Der Unheimliche freute sich darauf.
Die junge Dame, die in diesem Augenblick auf dem Gang vorbeilief, blickte zu ihm auf und sah ein markant geschnittenes Gesicht, das sie freundlich anlächelte. Von dem Unheimlichen spürte sie nichts. Sie war von der Freundlichkeit des Fremden im Gegenteil sehr angetan. Es ging etwas Weltmännisches, Beruhigendes von ihm aus. Das war ein Mann, nach dem sich jede Frau sehnte, der bestimmt erfolgreich war und seine Geliebte verwöhnte, wo es nur ging. Jedenfalls sah er so aus. Die junge Dame konnte nicht ahnen, dass es nur eine Maske war, hinter der sich die Personifizierung des Teufels versteckte! Sie ging weiter und würde den Fremden niemals vergessen, obwohl es das, was sie mit ihren Augen gesehen hatte, überhaupt nicht gab!
Der Unheimliche ging mit großen Schritten davon. Seine Maske lächelte noch immer freundlich, während dahinter die schlimmsten Gedanken kreisten...