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Es ist kein Wunder, dass sich Kompilationen, also Sammlungen von mehreren Büchern und Texten in einem einzigen Band vereint, immer größerer Beliebtheit erfreuen. Immerhin bieten sie eine Fülle von Lesestoff für einen kleineren Geldbeutel. Unsere Kompilationen gibt es für jede Serie, und darin sind die Romane und Texte in ihrer richtigen Reihenfolge geordnet, so dass jeder seine Lieblingsserie nach Belieben zusammenstellen und sie am Ende vollständig besitzen kann. Als gedruckte Bücher beispielsweise über alle maßgeblichen Plattformen erhältlich. Oder auch als sogenanntes eBook. Wie zum Beispiel dieser Band aus der Serie rund um Mark Tate: TEUFELSJÄGER: Die 20. Kompilation W. A. Hary: „Diese Kompilation beinhaltet die Bände 131 bis 140 der laufenden Serie!“ Enthalten in dieser Sammlung (alle von W. A. Hary): 131/132 »Finale im Geisterhaus« / »Dämonen in London« 133/134 »Labyrinth des Grauens« / »Die lauernde Tiefe« 135/136 »Hexentick« 137/138 »Verflucht« 139/140 »Der Pakt« Die Serie TEUFELSJÄGER Mark Tate erschien bei Kelter im Jahr 2002 in 20 Bänden und dreht sich rund um Teufelsjäger Mark Tate. Bis Band 20 wurde sie von HARY-PRODUCTION neu aufgelegt und ab Band 21 nahtlos fortgesetzt! Jeder Band ist jederzeit nachbestellbar.
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Inhaltsverzeichnis
TEUFELSJÄGER:
Impressum:
TEUFELSJÄGER 131:
TEUFELSJÄGER 132:
TEUFELSJÄGER 133:
TEUFELSJÄGER 134:
TEUFELSJÄGER 135-136:
TEUFELSJÄGER 137-138:
TEUFELSJÄGER 139-140:
Die 20.
Kompilation
W. A. Hary (Hrsg.)
Diese Kompilation beinhaltet Bände aus der laufenden Serie rund um Mark Tate, natürlich für das Buchformat optimiert.
Alleinige Urheberrechte an der Serie: Wilfried A. Hary
Copyright Realisierung und Folgekonzept aller Erscheinungsformen
(einschließlich eBook, Print und Hörbuch) by www.haryproduction.de
Copyright dieser Fassung 2018 by www.HARYPRODUCTION.de
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Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung jedweder Art nur mit schriftlicher Genehmigung von HaryProduction.
Covergestaltung: Anistasius
Die Serie TEUFELSJÄGER Mark Tate erschien bei Kelter im Jahr 2002 in 20 Bänden und dreht sich rund um Teufelsjäger Mark Tate. Bis Band 20 wurde sie von HARY-PRODUCTION neu aufgelegt und ab Band 21 nahtlos fortgesetzt!
Es ist kein Wunder, dass sich Kompilationen, also Sammlungen von mehreren Büchern und Texten in einem einzigen Band vereint, immer größerer Beliebtheit erfreuen. Immerhin bieten sie eine Fülle von Lesestoff für einen kleineren Geldbeutel. Unsere Kompilationen gibt es für jede Serie, und darin sind die Romane und Texte in ihrer richtigen Reihenfolge geordnet, so dass jeder seine Lieblingsserie nach Belieben zusammenstellen und sie am Ende vollständig besitzen kann. Sowohl als eBook, erhältlich über wirklich alle relevante Plattformen, als auch (natürlich!) als gedruckte Bücher, ebenfalls über alle maßgeblichen Plattformen erhältlich.
Wie zum Beispiel dieser Band aus der Serie rund um Mark Tate:
TEUFELSJÄGER Mark Tate:
Die 20. Kompilation
W. A. Hary (Hrsg.): „Diese Kompilation beinhaltet die Bände 131 bis 140 der laufenden Serie!“
Enthalten in dieser Sammlung:
131/132 »Finale im Geisterhaus«
/ »Dämonen in London«
133/134 »Labyrinth des Grauens«
/ »Die lauernde Tiefe«
135/136 »Hexentick«
137/138 »Verflucht«
W. A. Hary
Finale im Geisterhaus
„Die Rechnung wird mit Seelen bezahlt!“
Die Schauergestalt nahte in der Dunkelheit. Das grässliche Gesicht berührte Roy of Hillock.
Im nächsten Augenblick sank die Gestalt vor ihm in sich zusammen und krachte deutlich hörbar auf den Fußboden.
Das Blut war regelrecht in den Adern des Mannes gefroren. Er stand nach wie vor stocksteif da, zu keiner Regung fähig.
Bis sich ein grauenhafter Schrei seiner Kehle entrang, so grauenhaft, als wollte er die Dimensionen überwinden und so nicht nur den Krampf lösen…
*
Wimmernd wich Roy of Hillock in die Dunkelheit zurück. Bis er mit dem Rücken an die Wand stieß.
Plötzlich waren wispernde Stimmen um ihn herum. Leuchtende Nebel begannen vor ihm zu tanzen. Es ging auf und ab und hin und her. Ein schauriger Reigen.
Die Nebelschleier näherten sich Roy, formten sich zu Schattenwesen, die mit durchsichtigen Händen nach ihm griffen.
Roy of Hillock spürte, wie die eiskalten Hände über seinen Körper tasteten. Er schloss wimmernd die Augen, aber die Bilder blieben. Nichts veränderte sich.
Er hatte das Gefühl, jemand knete sein Gehirn durch, kehre das Innere nach außen.
Und plötzlich war er sicher, schon einmal hier gewesen zu sein.
Er ballte die Hände zu Fäusten und kicherte irr.
„Ich kenne euch“, sagte er zu den Geistern.
Vor ihm bildete sich eine furchterregende Fratze in der Dunkelheit, ein höhnisches Lachen ausstoßend. Roy of Hillock hieb danach, was der Geist mit einem erneuten Lachen quittierte, denn seine Hand fuhr einfach durch die Erscheinung hindurch, ohne jeglichen Widerstand. Nein, so konnte man den Geistern aus dem Jenseits nicht beikommen.
„Ich kenne euch“, brüllte Roy of Hillock, stieß sich von der Wand ab und schlug wild um sich, obwohl es nichts nutzte. „Ihr Verdammten, was wollt ihr von mir? Ihr könnt mir doch nichts antun. Habe ich euch nicht immer treu gedient?“
Wusste er selber, was er da sprach? Wusste er es wirklich?
Kreuz und quer taumelte er durch den Raum, stolperte über umgefallene Möbelstücke, kam wieder auf die Beine, erreichte endlich die Tür zum Treppenhaus, das wegen seiner Größe eher wie ein großes Foyer wirkte.
Obwohl es stockfinster war, sah er jetzt den unförmigen Körper vor der Tür liegen. Es war die Schauergestalt. Sie phosphoreszierte leicht.
Langsam kam Bewegung in sie. Sie drehte sich auf den Rücken. Das schaurige Gesicht grinste Roy of Hillock an.
Der Journalist wurde von Grauen geschüttelt. Gehetzt sah er sich um. Es gab keinen Ausweg. Er saß in der Falle. Es war zu dunkel, als dass er eine Chance zur Flucht gehabt hätte. Wie sollte er eine andere Tür finden?
Fuß vor Fuß schob er, bewegte sich langsam auf die Schauergestalt zu.
Das Grinsen auf dem schrecklichen, schwach glühenden Gesicht verstärkte sich. Der Unheimliche stemmte sich auf.
Und da erkannte Roy of Hillock ihn endlich.
Es war sein Großvater Lee John of Hillock, dem dieses Haus gehörte. Er war längst nicht mehr am Leben, doch noch immer geisterte er hier herum.
Lee John of Hillock erhob sich vom Boden. Er tat das wie in Zeitlupe und völlig lautlos.
Roy erinnerte sich an den Fluch:
„Fluch demjenigen, der es wagt, dieses Besitztum zu betreten, ohne dass er von mir persönlich dazu aufgefordert wird. Fluch demjenigen, denn er wird die Macht der mit mir verbündeten Geister zu spüren bekommen.“
Die Wände schienen sich zu bewegen, als wollten sie Roy of Hillock den Fluchtweg abschneiden, als wollten sie ihn vorwärts treiben, in die Arme der Schauergestalt, die einmal sein Großvater gewesen war.
Roy of Hillock stieß schreckliche Schreie aus, die von den Wänden widerhallten. Dann warf er sich herum und rannte blindlings in die Finsternis hinein.
Dicht hinter sich hörte er stampfende Schritte. Der Schaurige hatte die Arme gehoben und verfolgte ihn mit langsamen, zeitlupenhaft anmutenden Bewegungen.
Ein umgefallener Sessel brachte Roy zu Fall. Der vermoderte Teppich zerriss unter seinen tastenden Händen.
Erst jetzt merkte Roy, dass er die ganze Zeit über das Feuerzeug in der Linken gehabt hatte. Er hatte sich nur nicht mehr daran erinnert. Und jetzt hatte er es verloren. Verzweifelt suchte er den Boden danach ab. Ungeziefer bewegte sich unter seinen tastenden Fingern. Das Stampfen der Schritte näherte sich.
Da war das Feuerzeug. Roy sprang auf die Beine, ließ das Ding aufschnappen.
Es funktionierte nicht.
Geisterhände griffen nach ihm. Ein eisiger Hauch wehte durch den Raum.
Roy fror. Immer wieder versuchte er, das Feuerzeug zu entzünden.
Endlich gelang es ihm.
Schlagartig war alles ruhig um ihn herum. Auch der wandelnde Leichnam seines Großvaters war verschwunden. Roy of Hillock stand ganz allein in dem verwüsteten Raum.
Dennoch musste er sich überwinden, zum Treppenhaus zurückzugehen.
Alles blieb still. Es war, als habe er die ganzen Vorkommnisse vorhin nur geträumt.
Er wollte das Haus durch den selbst geschaffenen Durchschlupf verlassen, überlegte es sich aber anders. An der Tür zu dem Raum, aus dem er eben getreten war, lag die kleine Taschenlampe. Er nahm sie auf. Sie funktionierte, war nur ausgeschaltet gewesen.
Roy steckte das Feuerzeug weg und ging mit der brennenden Lampe in der Hand an der Treppe vorbei.
Da war die Kellertür. Er wollte auch dort vorbeigehen, aber eine unsichtbare Macht zwang ihn dazu, die Tür zu öffnen. Die dahinter beginnende Steintreppe führte steil abwärts und verlor sich in der Finsternis.
Noch bevor er die Tür durchschreiten konnte, kicherte jemand hinter Roy.
Er fuhr herum. Aber da war nichts.
In diesem Moment griffen zwei eiskalte Hände nach seinen Füßen. Die Taschenlampe erlosch gleichzeitig.
Roy spürte, dass er das Gleichgewicht verlieren und unweigerlich die Treppe hinunterfallen würde. Mit letzter Kraft konnte er sich gerade noch losreißen.
„Komm!“, lockte es von weiter unten auf der Kellertreppe. „Komm doch herunter. Warum fürchtest du dich? Es ist so schön dunkel hier unten. Komm doch!“
„Nein!“, schrie Roy und schreckte zurück.
„Roy of Hillock!“ Eine zwar laute Stimme, aber stark gedämpft, weil sie offenbar von außerhalb des Gebäudes kam. „Roy of Hillock, wo sind Sie?“
Roy erstarrte. Wer war das?
Die Taschenlampe funktionierte wieder. Die Kellertreppe war leer.
„Roy of Hillock, so melden Sie sich doch. Ist Ihnen was passiert?“
Roy vergaß die Stimme. Er vergaß einfach alles. Langsam stieg er die Kellertreppe hinunter, nicht bevor er die Kellertür hinter sich zugeworfen hatte. Eine eher unbewusste Handlung.
Die Lampe leuchtete ihm den Weg.
Ein schreckliches Grinsen verzerrte sein Gesicht, als er unten das Gewölbe erreichte. Regale standen an der Wand, Regale mit verstaubten Weinflaschen. Ein unschätzbarer Wert, denn der Wein war immerhin einige Jahrzehnte alt.
Roy of Hillock achtete nicht darauf. Zielstrebig ging er auf die Tür zu, die aus diesem Gewölbe heraus führte.
Hinter der Tür öffnete sich ein schmaler Gang.
Alles war voller Spinnweben.
Etwas raschelte zu Roys Füßen. Es war eine fette Ratte, die quiekend das Weite suchte. War sie das einzige Leben hier unten?
Roy of Hillock indessen war im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr er selbst. In seinen Augen leuchtete der nackte Wahnsinn. Das Gesicht war immer noch zu einem schrecklichen Grinsen verzerrt.
Und dann blieb er plötzlich stehen und wandte sich der Wand zu seiner Linken zu. Er zog ein Messer aus seiner Tasche und folgte mit der Schneide einer Mauerfuge. Es gab ein schnappendes Geräusch, und auf einmal wich ein Teil der Wand zurück.
Roy of Hillock ließ ein schauriges Gelächter hören, das von den Kellerwänden widerhallte. Dann betrat er den unterirdischen Geheimgang.
Es gab unterwegs ein paar Abzweigungen. Roy of Hillock beachtete sie gar nicht. Zielstrebig ging er weiter, als würde er sich in diesem unterirdischen Labyrinth bestens auskennen.
Woher eigentlich?
Weiter vorn war flackerndes Licht. Darauf strebte der Mann zu. Er schaltete die Taschenlampe aus. Seine Schritte dröhnten dumpf.
Da vorn schien sich jemand zu befinden.
Ketten rasselten, und dann hörte man einen krächzenden Ruf: „Wer ist da?“
Wieder lachte Roy of Hillock. Es klang irr.
Dann hatte er den unterirdischen Kerker erreicht. Er wusste, jetzt war er am Ziel.
Direkt vor dem Gitter blieb er stehen. Im Innern des Raumes brannte eine Fackel. Ein Berg von frischen Fackeln lag in einer Ecke, neben Lebensmittelkonserven und Trinkwasservorräten. Mitten im Raum hockte auf dem nackten Steinfußboden ein zerlumpter, bärtiger Mann, an dicke Ketten geschmiedet, die ihm nur wenig Spielraum ließen, genügend, um neue Fackeln zu entzünden und sich an den Lebensmittelvorräten zu bedienen, um nicht zu verhungern und zu verdursten.
Roy of Hillock wusste nunmehr, dass ihn etwas ganz gezielt hierher getrieben hatte, etwas aus seinem Innern. Alle Erlebnisse der letzten Zeit fanden hier ihren Schlüssel - hier, in diesem Kerker.
Um alle Rätsel zu lösen, brauchte er nur den Gefangenen einmal genauer zu betrachten.
Er tat es, und die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag.
Mit einem gurgelnden Laut ging er in die Knie.
Der Mann war - er selbst!
*
Ich war seit dem ersten furchtbaren Schrei schon sicher, dass etwas Entsetzliches passiert war, und ich wollte Roy of Hillock natürlich helfen, wenn ich auch noch nicht wusste wie.
Ich überkletterte das rostige Tor, das sich nicht mehr öffnen ließ, und sprang auf das Grundstück. Draußen war es fast windstill gewesen, aber hier drinnen wehte ein eisiger Hauch um das Gebäude. Ich konnte mir das nicht so recht erklären. Auch der gewohnte Griff zum Schavall nutzte nichts, denn er verhielt sich nach wie vor völlig neutral und sorgte nicht für die nötigen Erkenntnisse. Aber ich war ein realistisch denkender Mensch. Für mich gab es so gut wie nichts, was man nicht mit dem gesunden Menschenverstand erklären konnte, sobald man schwarzmagischen Einfluss ausschließen konnte. Alle Wunder und mysteriösen Ereignisse waren für mich daher nur deshalb unerklärlich, weil es dem sie betrachtenden Menschen im Augenblick an den notwendigen Kenntnissen fehlte.
So gab es bestimmt auch eine Erklärung für das seltsame Verhalten des Windes, und ich machte mir weiter keine Gedanken mehr darüber.
Suchend blickte ich umher.
Vorsichtshalber zog ich meine Pistole, die ich neuerdings im Besitz hatte, obwohl ich lange Jahre Schusswaffen kategorisch abgelehnt hatte. Sie nutzten gegen schwarzmagische Gegner auch in der Regel überhaupt nichts. Wenn ich aber davon ausging, dass es sich hier eben nicht um schwarzmagische Gegner handelte...
Auch eine kleine Taschenlampe hatte ich dabei. Ich ließ sie aufblitzen.
Flüchtig dachte ich an meinen Freund und Partner Don Cooper, der im nahegelegenen Dorf Hillock derweil die Stellung hielt. Meine Rückversicherung sozusagen. Wir hatten es nicht verabredet, aber ich war sicher, dass er alles daran setzen würde, hier einzugreifen, falls ich nicht vor Morgengrauen wieder zurückgekehrt sein sollte.
Laut rief ich nach Roy of Hillock, durchaus in dem Bewusstsein, damit vielleicht einen großen Fehler zu begehen. Wenn eine besonders abenteuerliche Theorie mit einem Gangstersyndikat, das hier seinen Hauptsitz hatte, stimmte, dann war jetzt mein Leben keinen Pfifferling mehr wert.
Ich erreichte das Eingangsportal. Werkzeug lag hier. Der rechte Flügel des Portals stand offen. Jemand hatte mit dem Werkzeug eine Öffnung in das Mauerwerk dahinter geschlagen.
Ich leuchtete hindurch. Hinter dem eher kleinen Vorraum direkt hinter der Mauerlücke schien eine Art Foyer sich zu öffnen, und dort war eine Treppe. Daneben lag ein Sessel mit zerrissenem Polster. Auf dem staubigen Boden sah man viele Fußabdrücke.
Ich wollte eintreten, überlegte es mir aber anders. Ich wollte nicht geradewegs in eine mögliche Falle tappen. Immerhin hatte der entsetzliche Schrei, den höchst wahrscheinlich Roy of Hillock ausgestoßen hatte, bewiesen, dass dieser Weg hier nicht ganz ungefährlich sein konnte.
Langsam, nach allen Seiten sichernd, ging ich um das Haus herum. Das erwies sich als nicht gerade einfach. Alles war wild überwuchert, und ich musste aufpassen, dass ich mich nicht in dem Gestrüpp verfing und hinfiel.
Hinter dem Haus war eine kleine Graslichtung mitten im üppigen Wildwuchs. Das Gras war leicht bräunlich. Mich wunderte das. Ich trat probehalber darauf.
Im nächsten Augenblick wusste ich, warum das Gras teilweise abgestorben war. Plötzlich gab der Boden nämlich nach, und ich sauste abwärts.
Verzweifelt warf ich die Arme hoch und versuchte, einen Halt zu finden.
Vergeblich.
Ich verlor dabei Taschenlampe und Pistole.
Geistesgegenwärtig zog ich die Beine an und krümmte mich zusammen. Trotzdem kam der Aufprall ziemlich hart.
Ich blieb eine Weile regungslos liegen, ehe ich es wagte, mich wieder zu bewegen und sogar aufzustehen, was mir allerdings mühelos gelang. Finsternis umgab mich.
Etwas raschelte zu meinen Füßen. Das waren wahrscheinlich nur Ratten, die sich in so alten Gemäuern am wohlsten fühlten.
Ich stellte erleichtert fest, dass ich nichts gebrochen hatte. Auch ansonsten war ich weitgehend unverletzt geblieben. Ein paar unbedeutende Schrammen. Das war alles.
Ich tastete am Boden nach meiner Taschenlampe und der Pistole und fand beides sogar.
Die Lampe war natürlich ausgegangen, das Glas zersplittert.
Vorsichtig wackelte ich an der LED-Anordnung. Sie brannte sofort wieder.
Hoffentlich geht das Ding nicht wieder unterwegs aus, dachte ich besorgt und leuchtete in die Runde.
Ich befand mich in einem kleinen Raum. Die einzige Tür, die aus dem Raum führte, stand weit offen. An der einen Wand waren mehrere Eisensprossen eingelassen.
Ich verstand. Die Falltür mit dem Grasteppich war nicht unbedingt als Falle gedacht. Sie konnte irgendwie von oben geöffnet werden. Ein geheimer Zugang also. Von wegen, dieser Lee John Hillock hatte sich komplett im eigenen Haus eingemauert, ohne einen Fluchtweg offen zu lassen… Über die Eisensprossen gelangte man nämlich nicht nur nach unten. Ich hätte jetzt auch versuchen können, wieder hinauf zu steigen. Falls die Eisensprossen noch stabil genug waren, hätte ich das Gefängnis einfach wieder verlassen können. Wahrscheinlich war oben nur der Verschluss der getarnten Falltür inzwischen defekt, weshalb sie bei plötzlicher Belastung nachgegeben hatte. Jetzt stand die Falltür immer noch offen. Ich hätte normalerweise den Himmel sehen können, hätten sich nicht gerade jetzt pechschwarze Wolken über das Land gesenkt.
Ich verließ den Raum über die weit offen stehende Tür und betrat einen schmalen, unterirdischen Gang. In unbestimmbarer Ferne war flackernder Lichtschein zu sehen.
Was war das?
Blitzschnell löschte ich die Taschenlampe, um nicht entdeckt zu werden, und lauschte gebannt.
Weit vor mir hallten Schritte, dann drang ein irres Lachen zu mir hin.
Ich bekam dabei unwillkürlich eine Gänsehaut. Der Mann, der da lachte, musste in der Tat den Verstand verloren haben.
Wer war es?
Ich näherte mich vorsichtig dem flackernden Lichtschein. In der Rechten hielt ich die schussbereite Pistole, in der Linken die ausgeschaltete Taschenlampe, bereit, sie jederzeit wieder aufblitzen zu lassen. Natürlich in der Hoffnung, dass sie mich dabei nicht schmählich im Stich ließ. Immerhin hatte sie einen Schaden abbekommen bei dem Absturz.
Ich war noch schätzungsweise zwanzig Schritte vom Ursprung des flackernden Lichtes entfernt, als ein Schatten ins Licht trat.
Ich konnte keine Einzelheiten erkennen und schob mich deshalb noch näher heran, obwohl das nicht ganz ungefährlich erschien. Es gab jedoch Abzweigungen und Nischen, die gute Deckung boten.
Erst als ich nah genug war, erkannte ich ihn: Es war zweifelsohne Roy of Hillock. Ja, für mich eindeutig.
Mit einem gurgelnden Laut sank der Journalist soeben auf die Knie.
Ketten rasselten.
Erst jetzt wurde mir gewahr, dass sich jemand in dem vergitterten Raum hinter Roy of Hillock befinden musste. Von dort stammte auch das flackernde und blakende Licht.
„Warum bist du gekommen?“, fragte eine heisere Stimme aus dem Kerker. „Warum bist du gekommen, Bruder? Willst du deinen Triumph auskosten, Wahnsinniger?“
Roy of Hillock sprang auf.
„Hüte deine Zunge. Ich bin nicht wahnsinnig.“
„Das bezweifle ich. Ich frage mich die ganze Zeit, was du mit alledem bezweckst. Ich nehme an, dass ich mich irgendwo unter dem Landsitz des Alten befinde. Warum hast du mich in meiner Wohnung betäubt und hierher verschleppt?“
„Niemanden habe ich betäubt, schon gar nicht verschleppt. Alles Verleumdung. Ich war gar nicht hier. Ich habe diesen Landsitz noch niemals zuvor auch nur betreten. Ich – ich…“ Roy of Hillock schluchzte auf. „Verdammt, du bist doch tot.“ Er barg sein Gesicht in den Händen. „Rock ist tot, Rock of Hillock ist tot. Ich habe selbst seine Leiche gesehen. Ich habe sie selbst identifiziert. Gott ist mein Zeuge.“
„Lass den mal lieber ganz aus dem Spiel. Außerdem: Was soll das eigentlich?“, kam es aus dem Innern des Kerkers. „Du selbst bist doch Rock. So schlimm kann es doch noch gar nicht um dich stehen, dass du das vergessen hast, oder?“
Roy of Hillock riss die Arme herunter und griff nach dem Gitter, als wollte er es aus der Wand reißen.
„Wie kommst du dazu, zu sagen, ich sei Rock? Du weißt, dass es nicht stimmt.“
Die Ketten rasselten wieder. Ein erstaunter Ausruf.
„Aha, jetzt verstehe ich erst. Verdammt, Rock, komm zu dir. Ich bin es, Roy, dein Bruder. Mensch, was ist passiert, was hast du getan?“
Mir, der ich die ganze Zeit alles mit wachsendem Interesse verfolgt hatte, fiel es plötzlich wie Schuppen von den Augen. Es wurde mir schlagartig einiges klar. Nein, hier waren keine Gangster am Werk. Die Sache war im Grunde genommen ganz simpel.
Simpel?
„Nein!“, schrie der Mann, der wie Roy of Hillock aussah und sich auch als solcher gefühlt hatte. „Nein, das ist alles nicht wahr. Rock ist tot. Er ist tot. Ich habe seine Leiche gesehen.“
Plötzlich zog er ein Messer.
„Ich bin Roy of Hillock, verstehst du?“, zischte er gefährlich leise. „Du bist mein zweites Ich, das böse Ich. Du bist Gestalt geworden. Ich muss dich vernichten.“
Mit ein paar Handgriffen hatte er das Gitter geöffnet. Ich konnte nicht mitverfolgen, wie ihm das gelungen war. Hatte es ein Schloss gegeben, zu dem nur er den Schlüssel besaß?
Er betrat die Zelle.
„Nein“, ertönte es schwach von drinnen.
Ich musste jetzt handeln. Endgültig. Höchste Eile war geboten.
Blitzschnell sprang ich vor, mit drohender Pistole.
Die beiden Brüder standen sich gegenüber. Der Angekettete war viel zu schwach, um dem anderen Widerstand leisten zu können.
Ich riss den überraschten Angreifer einfach weg, ehe er mit dem Messer doch noch zustoßen konnte, und stieß ihn in eine Ecke. Als der Mann sich herum warf und mich angreifen wollte, richtete ich die Pistole auf ihn.
Die Taschenlampe benötigte ich nicht. Die brennende Fackel zeigte dem Mann deutlich genug, dass ich bewaffnet war. Mit dem Messer in der Hand hatte er keine Chance gegen mich, und ich hätte ohne Skrupel geschossen. Soviel war sicher. Immerhin handelte es sich hier um jemanden, der nicht nur mein Leben bedrohte.
„Und jetzt will ich wissen, was hier vorgeht!“, sagte ich grimmig – zu beiden.
„Mensch, das ist doch Mark Tate“, rief der Zerlumpte aus. „Wie kommen Sie denn hierher?“
Ich betrachtete ihn erstaunt, ziemlich sicher, ihm vorher noch nie persönlich begegnet zu sein. Wenn man seine Fantasie anstrengte, konnte man durchaus die Ähnlichkeit der beiden Männer feststellen. Der Zerlumpte war nur ziemlich abgemagert. Und beide hatten diesen irgendwie irren Blick. Der eine, weil er wahrscheinlich sowieso nicht bei Verstand war, und der andere, weil er… wieviel Zeit schon hier unten hatte verbringen müssen?
„Sie haben mich erkannt?“, fragte ich verwundert, ohne jedoch den Mann mit dem Messer aus den Augen zu verlieren.
„Aber natürlich, Mark Tate. Ich habe einmal vor vielen Jahren einen Bericht über sie geschrieben, für die Morning-Post. Ein Interview haben Sie kategorisch abgelehnt und auch gemeint, es sei sozusagen geschäftsschädigend, wenn ich über Sie berichten würde, denn ein allgemein erkannter Privatdetektiv könne nicht mehr erfolgreich tätig sein. Aber ich habe nicht locker gelassen. Zwar sind wir uns niemals persönlich begegnet, aber ich habe alles zusammengetragen, was ich über Sie in Erfahrung bringen konnte. Nennt man Sie nicht auch den Teufelsjäger? Damals habe ich darüber gelächelt, aber ich fand das zumindest interessant genug, um es in meinem Artikel zu erwähnen. Aber Ihren Namen, den habe ich weggelassen. Dafür ist der Artikel ziemlich oberflächlich geblieben, wie ich leider gestehen muss. Aber ich wollte Rücksicht auf Sie nehmen.“
Ich nickte jetzt, weil ich mich endlich erinnern konnte. Normalerweise war auf mein Gedächtnis Verlass, aber in diesem speziellen Fall hatte ich den Namen Roy of Hillock anscheinend auf Nimmerwiedersehen in die hinterste Ecke meiner Erinnerung verbannt. Deshalb „klingelte“ es erst jetzt bei mir und nicht schon vorher, als ich den Namen das erste Mal wieder gehört hatte.
Ich schüttelte verwirrt den Kopf.
„Äh, ja, ich hatte bislang noch keine Gelegenheit, Ihnen dafür zu danken, Roy of Hillock!“ Und jetzt hatte ich endgültig sämtliche Zweifel verloren, dass es sich bei ihm um den echten Roy of Hillock handeln musste. Dann war wohl der andere jener Rock of Hillock? Aber der sollte doch in der Tat tot sein?
Der Gefangene nickte jetzt ebenfalls. Er deutete auf seinen Bruder.
„Das ist Rock. Es gelang ihm, aus der Heilanstalt zu entkommen. Er hatte einen Kranken gefunden, der kurz vor der Entlassung stand. Er beeinflusste ihn, inszenierte eine Schlägerei. In der Statur ähnelten sich die beiden sehr. Rock richtete das Gesicht des anderen so zu, dass dieser ärztlich behandelt werden musste. Kurz vor der Entlassung übernahm er den Verband und wurde nicht erkannt. Die Sache wäre wahrscheinlich nach seiner Flucht doch noch aufgeflogen, aber er sorgte rechtzeitig dafür, dass sein Helfer wider Willen nicht mehr lange am Leben blieb: Er verbrannte bei dem angeblichen Gasunfall an Stelle von Rock. Logisch, dass er ihn als echten Rock of Hillock identifiziert hat. In seinem Wahnsinn hat er einerseits sich selbst damit geschützt und andererseits hat er anscheinend sowieso angenommen, er sei ich. Vielleicht wechselte er in den letzten zwei Wochen immer wieder sozusagen die Fronten. Einmal fühlte er sich als Rock, dann wiederum als Roy. Wie zwei Persönlichkeiten in einer Brust, die voneinander nicht unbedingt etwas wussten.
Nach seiner Flucht damals kam er jedenfalls schnurstracks zu mir und bedrohte mich mit jener Waffe, mit der er vor zwei Jahren unseren Vater ermordet hat. Die Polizei hat sie nie gefunden. Er hatte sie gut versteckt. Ich musste ein Betäubungsmittel schlucken. Hier kam ich wieder zu mir. Er hat mir einen Berg Fackeln überlassen, Lebensmittel und Wasser, aber ich habe lange nichts gegessen, weil ich nichts mehr herunter bekam. Ich bin schon so lange hier unten, dass ich eigentlich bereits mit meinem Leben abgeschlossen hatte.“
In diesem Augenblick sprang Rock of Hillock, der sich die ganze Zeit über immer wieder in seinem Wahn eingebildet hatte, er sei sein Bruder Roy, auf die Beine und griff mich trotz der drohenden Pistole mit dem Messer an. Ein irres Kichern brach dabei von seinen Lippen.
Mir blieb nichts anderes übrig, als zu schießen.
Die Kugel traf den Wahnsinnigen in die linke Schulter. Er verlor das Gleichgewicht, taumelte rückwärts zurück in die Ecke und rutschte dort langsam an der Wand herunter.
Besorgt ging ich zu ihm hin und beugte mich über ihn, trotz des drohenden Messers, das er in der rechten Hand hielt, so krampfhaft, dass seine Knöchel schneeweiß hervortraten.
Rock of Hillock blickte mich an.
„Dann - dann bin ich also wirklich wahnsinnig?“, fragte er keuchend. „Dann habe ich mir all diese Geister, diese unerklärbaren Dinge, nur eingebildet? Oh, mein Gott, was habe ich getan? Ich flüchtete mich in die Rolle meines Bruders, um endlich ein normaler Mensch zu sein. Aber mein Unterbewusstsein machte mir einen Strich durch die Rechnung. Es zwang mich hierher, damit ich meine wahre Identität wiederfinde.“
Kaum ausgesprochen, richtete er das Messer gegen seine eigene Brust und wollte mit aller Kraft zustoßen.
Es gelang mir buchstäblich im letzten Moment, seinen Selbstmord zu verhindern. Ich ließ notgedrungen sowohl Pistole als auch Taschenlampe dabei fallen und entwand dem Wahnsinnigen endlich das Messer.
Schluchzend krümmte er sich anschließend in der Ecke zusammen, zu keiner weiteren Aktion mehr fähig. Er zitterte am ganzen Körper.
Dann wandte ich mich wieder dem echten Roy of Hillock zu. Nicht bevor ich die Pistole wieder aufgenommen hatte, damit der Wahnsinnige nicht an sie heran kam.
„In all der Zeit, die Sie hier unten verbrachten, haben Sie da etwas – äh, sagen wir mal – Ungewöhnliches bemerkt?“
Er nickte zögernd.
„Ja, irgendwie war es, als sei das Gebäude von einer Art Leben erfüllt. Allerdings nicht hier unten, sondern oben, in den Räumlichkeiten. Ich dachte immer, es handele sich um meinen Bruder, der oben herumgeisterte. Um wen denn sonst?“
Ich deutete auf Rock of Hillock.
„Er war die ganze Zeit über gar nicht hier, sondern in London, um Ihre Rolle zu spielen. Er hatte sich immer wieder dermaßen darein gesteigert, dass er wohl tatsächlich erst jetzt endgültig erkennen konnte, wer er wirklich ist.“
„Aber wer kann das sonst gewesen sein, oben? Irgendwelche Komplizen von ihm oder was? Haben diese das Anwesen durchsucht, um vielleicht doch noch irgend etwas Wertvolles zu finden?“
„Das mit Sicherheit auch nicht. Man konnte nicht in das Gebäude gelangen, höchsten von hier unten. Bis Ihr Bruder dieses Loch am Hauseingang geschaffen hat. Zu dieser Zeit hatte er völlig ausgeblendet, dass es diesen geheimen Zugang hinter dem Haus gibt. Ja, es gibt nämlich hinter dem Haus eine geheime Falltür. Durch die bin ich sozusagen eingebrochen. Hätte irgendjemand in den letzten Wochen das Gebäude über die Falltür betreten wollen, hätten sie das sicher bemerken müssen.“
„Nein, hier unten war die ganze Zeit über niemand, außer den Ratten, die sich anscheinend recht wohl hier fühlen. Sie bildeten sozusagen meine einzige Gesellschaft. Dabei wurden einige von ihnen schon recht zutraulich. Ich hätte nie im Leben vermutet, jemals Freundschaft mit ein paar Ratten schließen zu können.“
Er lachte humorlos.
„Ich kann Ihnen sagen, wer das da oben ist“, sagte ich und schürzte dabei leicht die Lippen. Auch der erneute Griff nach dem Schavall hatte keine neuen Erkenntnisse gebracht. Dafür war mir etwas völlig anderes eingefallen: Hatte dieser Lee John of Hillock nicht davon gesprochen, diese Welt zu verlassen und ins Jenseits einzugehen?
So etwas geschah nämlich nicht zum ersten Mal, denn es gab tatsächlich so eine Art Jenseits, nämlich die Parallelwelt namens Daedrareich! Ich wusste das ziemlich genau sogar, nicht weil ich mich an ein entsprechendes früheres Leben erinnerte, in dem dies bereits eine Rolle gespielt hatte, sondern ich hatte vor einigen Wochen als Mark Tate die zweifelhafte Freude gehabt, einem waschechten Daedrafürsten persönlich zu begegnen. Dass es sich womöglich tatsächlich um sogenannte Daedraenergie handelte, dieses Haus hier betreffend, war mir deshalb bislang nicht eingefallen, weil sonst der Daedrafürst doch wieder bei mir aufgetaucht wäre, nicht wahr, um mich über die näheren Umstände aufzuklären?
Es sei denn, seine Feigheit war mal wieder so groß, dass er den Kontakt lieber vermied und mir die Recherche komplett überließ.
„Wer?“, erkundigte sich Roy of Hillock ahnungslos.
Ich deutete mit dem Daumen zur Decke.
„Zumindest einer ist klar: Lee John of Hillock, Ihr Großvater!“
„Aber der müsste doch… äh, wie alt sein? Nein, das ist unmöglich. Der ist tot.“
„Das ist er mit Sicherheit, nach menschlichem Ermessen, was aber nicht unbedingt bedeutet, dass er jetzt als vermoderte Leiche still irgendwo herumliegt. Er wollte sich von der Welt verabschieden, für unbestimmte Zeit. Das ist ihm wohl nicht so völlig gelungen, wie er es sich vorgestellt hat. Diese ganze Show, bei der er sich offiziell von der Welt verabschiedete… Dieses sich selbst einmauern… Das war nicht einfach nur der Fluch eines Irren, sondern das hatte alles einen tieferen Sinn, meines Erachtens – und dazu fällt mir leider nur ein einziger ein…“
Roy of Hillock schaute zu seinem wimmernden Bruder hinüber, der seine Hand auf die blutende Schulterwunde presste, und dann wieder auf mich. Es war klar, dass er jetzt nicht nur seinen Bruder, sondern auch mich für total irre hielt.
Ich lachte humorlos.
„Klar, dass Sie mir nicht glauben. Es ist mir auch unmöglich, sie allein nur mit Worten zu überzeugen. Aber schauen Sie sich Ihren Bruder an. Können Sie sich vorstellen, dass er gar nicht mal so wahnsinnig ist? Obwohl alles dafür spricht? Vielleicht gibt es etwas, was permanent auf ihn einzuwirken versucht und dabei seinen Verstand dermaßen verwirrte, weil er sich unbewusst mit aller Macht dagegen zu sträuben versucht? Und das, was ihn zu dem macht, was er ist, nämlich ein offenbar wahnsinniger Vatermörder und Kidnapper seines eigenen Bruders, hat dabei möglicherweise mit einer echten Geisteskrankeit trotzdem herzlich wenig zu tun? War er nicht in der Anstalt sozusagen als hoffnungsloser Fall? Sie haben dafür gesorgt, dass er dort eingeliefert wurde, weil er Ihren gemeinsamen Vater umgebracht hat. Damit haben Sie ihm wohl einen unschätzbaren Dienst geleistet, denn in der Abgeschiedenheit der Anstalt war er sozusagen vor sich selber sicher gewesen. Bis zu dem verhängnisvollen Tag, an dem ihm der Ausbruch gelang. Dabei ahnen die im Jennifer-Hospital bis heute noch nicht einmal, dass Rock of Hillock in Wirklichkeit noch lebt.“
„Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?“, fragte mich der Zerlumpte misstrauisch und legte den Kopf schief, um damit sein Misstrauen auch noch zu unterstreichen.
„Ihr Bruder ist eben genauso Opfer wie Ihr Vater und wie letztlich Sie selbst. Dahinter steckt nur einer: Lee John of Hillock. Und ich werde mich jetzt persönlich darum kümmern, indem ich nach oben gehe. Sie passen inzwischen auf Ihren verletzten Bruder auf. Zwar benötigt er dringend medizinische Hilfe, aber es gibt leider Dinge, die absolute Priorität haben und keinerlei Aufschub erlauben. Sonst ist vielleicht alles doch noch zu spät. Und vergessen Sie dabei nicht, dass er selber höchstwahrscheinlich gar nichts dafür kann, für das, was er getan hat. Lee John Harris hat weder seinen Sohn noch Sie erreichen können. Nur einer war dafür empfänglich, nämlich Ihr Bruder. Genau das eben hat seinen Verstand letztlich verwirrt, denn Lee John of Hillock kann in seinem Zustand nicht sein Opfer so genau steuern, wie er das gern täte. Auch jetzt nicht. Sonst würde Rock of Hillock nicht als wimmerndes Häufchen Elend hier in der Ecke kauern, glauben Sie mir. Er wäre nach wie vor eine tödliche Gefahr für alle, die es wagen, die Pläne Ihres Großvaters zu durchkreuzen. Trotz der Unzulänglichkeit des Zugriffs war und ist Rock seine einzige Verbindung nach außerhalb. Und er schafft es noch nicht einmal, hier herunter zu kommen. Ich nehme an, das gesamte Haus ist entsprechend versiegelt, einschließlich des Zugangs zum Keller.“
Ich sah ihm an, dass er mir nach wie vor kein einziges Wort glaubte. Für ihn stand die Sachlage eindeutig fest: Sein Bruder war wahnsinnig und hatte als Wahnsinniger alles dies verursacht. Und oben war niemand. Vielleicht hatten ihn nur seine Sinne genarrt oder die Ratten, die sicherlich auch oben ihr Unwesen trieben?
Ich war mir nicht sicher, ob Ratten vor so etwas wie einer Daedrasphäre abgeschreckt werden konnten. Sicherlich nicht, denn sie waren für Daedras einfach zu unwichtig.
Er unterstrich sein Unglauben mit den Worten:
„Sie sprechen eigentlich immer nur in Möglichkeitsform, Mr. Tate. Also sind Sie selber sich nicht hundertprozentig sicher. Alles andere… Wenn ich daran denke, dass man Sie einen Teufelsjäger nennt… Ich habe davon auch damals schon nichts gehalten und heute erst recht nichts. Und könnte ich Ihnen wirklich vertrauen, hätten Sie sicherlich meine Ketten inzwischen entfernt und mich befreit. Oder weswegen sind Sie sonst hier? Nur um Ihre krankhafte Fantasie auszuleben? Dann sind Sie in Wirklichkeit keinen Deut besser als mein Bruder, und ich bin sozusagen vom Regen in die Traufe gekommen.“
Ich überlegte, ob ich jetzt noch etwas sagen sollte, entschied mich aber dagegen: Es wäre völlig sinnlos gewesen.
Und dann ging ich endlich.
Hinter mir schloss ich den Kerker wieder ab, um zu gewährleisten, dass Rock of Hillock nicht entkam, ehe ich ihn von dem Fluch befreit hatte. Und Roy of Hillock war mir ebenfalls sicher, so lange er in Ketten lag.
Den Schließmechanismus fand ich endlich: Es war nur eine Anordnung von drei Hebeln neben dem Gitter, was mir bislang entgangen war. Die Hebel konnten aus dem Innern nicht erreicht werden. Ich merkte mir ihre jetzige Stellung, bei der das Gitter offen stand, und veränderte ihre Stellung, wobei sich der Durchgang prompt schloss.
Probehalber rüttelte ich an dem Gitter. Es saß wieder fest.
„Das können Sie doch nicht machen!“, schrie Roy of Hillock jetzt verzweifelt. Er schien endlich begriffen zu haben, dass ich ihn tatsächlich angekettet mit seinem Bruder allein lassen würde.
Ich ging gar nicht darauf ein und schritt davon.
Die Taschenlampe wies mir den Weg. Das Messer von Rock of Hillock hatte ich weggesteckt, die Pistole jedoch behielt ich in der Rechten, entsichert und schussbereit.
*
Hier unten lag genügend Staub, um erkennen zu lassen, welchen Weg Rock of Hillock genommen hatte, als er von oben in das Kellerlabyrinth eingedrungen war. Ich schritt rasch aus, weil ich wusste, dass die Zeit drängte: Sobald die Mächte, die dort oben vorherrschten, erkennen konnten, dass ihnen ein hoffentlich würdiger Gegner entgegen treten würde, musste ich einen gewissen Überraschungseffekt nutzen.
Da war die Kellertreppe. Ich musste jetzt nur hinaufsteigen, um ins Erdgeschoss des Landsitzes zu gelangen. Aber ich zögerte noch und lauschte in mich hinein.
Inzwischen hatte ich mit Daedraenergien gewisse Erfahrungen sammeln dürfen. Höchst unfreiwillig zwar, aber sie nutzten mir durchaus: Ich war inzwischen immerhin so nah an die Daedrasphäre heran gekommen, dass ich sie deutlich genug spüren konnte. Und der Schavall reagierte immer noch nicht auf sie. Klar, denn sie war ja nicht schwarzmagischer Natur. Dass ich den Schavall trotzdem nicht ablegte, obwohl er mir in diesem Fall nichts nutzte, hatte einen anderen und nicht gerade unwichtigen Grund: Es war niemals auszuschließen, dass die echten schwarzmagischen Kräfte die Gelegenheit nutzen würden zu einem unmittelbaren Angriff auf mich. Dann hatte ich auf einen Schlag zwei Gegner gleichzeitig gegen mich. Etwas, was ich niemals riskieren durfte. Die Daedrasphäre war allein schon Bedrohung genug.
Ich kratzte in Gedanken zusammen, was ich darüber wusste. Arg viel war es zugegebenermaßen noch lange nicht. Aber dadurch, dass ich sie körperlich spüren konnte, wusste ich zumindest ihre Stärke einzuschätzen. Es würde alles andere als leicht werden. Denn mein Gegner war nicht Lee John of Hillock allein. Er hatte die Daedrasphäre nur zugelassen, nachdem er sein Anwesen sorgfältig versiegelt hatte. Seine Kundigkeit betreffend Daedraenergien war weit größer als die meinige. Ich hätte so etwas nie vermocht. Aber ich spürte jetzt auch das Siegel, das es verhinderte, dass die Sphäre sich auch im Kellerlabyrinth ausbreitete.
Mein Glück, dass ich oben nicht sofort in das Haus eingedrungen war, sondern den Umweg über die Falltür und das Kellerlabyrinth genommen hatte. Dadurch konnte die Sphäre mich nicht orten, und Lee John of Hillock, beziehungsweise das, was von diesem übrig geblieben war, hatte nicht genügend Einfluss auf Rock of Hillock, um meine Rolle in diesem grausigen Spiel einschätzen zu können. Und sicherlich war inzwischen auch sein Verstand ziemlich verwirrt. Immerhin war er seit vielen Jahrzehnten Gefangener seiner eigenen Sphäre, ohne die Chance, diese zu verlassen – ganz entgegen wohl seiner ursprünglichen Vorstellungen. Deshalb hatte er sich mehr oder weniger verzweifelt bemüht, ein Opfer zu finden, dem er seinen Willen aufzwingen konnte. Das war ihm bei seinem Enkel Rock nur unzulänglich gelungen, sonst hätte Rock of Hillock die letzten zwei Jahre nicht in der Psychiatrie verbringen müssen. Wahrscheinlich war auch die Verschleppung seines Bruders Roy nur deshalb erfolgt, weil Rock in seiner Verwirrtheit auf diesem Weg sozusagen seine eigene Rolle hatte verlassen wollen, um in die Rolle seines Bruders zu schlüpfen. Um dadurch vielleicht doch noch dem Zugriff zu entgehen, den er in keiner Sekunde auch nur annähernd richtig hatte einordnen können. Wie denn auch? Wer wusste denn schon etwas über die tückischen Daedraenergien?
Ich stieg jetzt vorsichtig die Treppe empor, dabei ständig in mich hinein lauschend. Über meine Ohren drang kein Geräusch zu mir hin, aber ich spürte, wie es oben rumorte. Dabei ließ ich es nicht zu, dass ich davon geortet wurde. Ich brauchte nur zu blockieren und blieb somit für die Sphäre gewissermaßen unsichtbar. Auch wusste ich, dass die Daedraenergien keinen unmittelbaren Einfluss auf mich ausüben konnten. Es hatte nichts mit dem Schavall zu tun oder gar mit irgendwelchen magischen Fähigkeiten, die ich als Mark Tate leider nicht hatte. Es hing vielmehr wohl damit zusammen, dass ich ein Unsterblicher war. Nicht als Mark Tate, denn als solcher konnte ich durchaus sterben. Aber wenn ich dann sterben sollte, wurde ich als ein anderer wiedergeboren. Dies war man unabänderliches Schicksal, das mich allerdings - gewissermaßen als Nebeneffekt – unangreifbar für Daedra machte.
Das hieß, so lange ein solcher Angriff sich gewissermaßen auf energetischer Ebene ereignen würde. Körperliche Angriffe jedoch…
Ich musste jedenfalls überaus vorsichtig zu Werke gehen. Dabei wusste ich ehrlich gesagt noch gar nicht so genau, wie ich überhaupt vorgehen sollte. Der geringste Fehler würde mich das Leben kosten. Und es nutzte mir auch nichts, dass ich mir jetzt insgeheim Vorwürfe machte, weil ich Don Cooper nicht mitgenommen hatte. Zum Zeitpunkt unserer Trennung war das als das einzig Richtige erschienen. Jetzt aber, als ich an der geschlossenen Kellertür stand und somit unmittelbar am Schutzsiegel, das die Daedrasphäre auf der anderen Seite ließ, begann ich an diesem Entschluss ehrlich zu zweifeln.
Denn möglicherweise mutete ich mir wirklich zuviel zu, wenn ich es allein versuchte?
*
Sobald die beiden sich so sehr ähnelnden und dennoch dermaßen verschiedenen Zwillingsbrüder allein waren, ging mit Rock of Hillock eine regelrechte Verwandlung vor. Das begann damit, dass er aufhörte zu wimmern und wie lauschend den Kopf hob.
„Hörst du sie wispern?“, fragte er tonlos.
Er schaute sich wie verwirrt um und widmete dann sein Augenmerk stärker seinem angeketteten Bruder.
Der schüttelte nur den Kopf.
„Wenn dieser irre Typ nicht zurückkommt, sind wir beide verloren.“
„Nein, Bruder, du hörst nichts. Du bist taub ihnen gegenüber. Im Gegensatz zu mir.“
„Sage nie wieder Bruder zu mir!“, drohte Roy genervt.
„Ich weiß, was ich dir angetan habe, Bruder“, behauptete Rock unverdrossen. „Ich kann mich zwar nicht an alles erinnern, aber doch an vieles. Ich kann mich beispielsweise daran erinnern, wie ich dich verschleppt habe. Jetzt, wo ich endlich wieder klar denken kann, ist mir dies bewusst. Allerdings weiß ich nicht, wie es mir gelingen konnte, aus dem Hospital zu entfliehen.“
„Das hast du mir lang und breit geschildert, als ich hier erwachte!“, klagte ihn Roy an. „Und jetzt behauptest du, dich nicht mehr erinnern zu können? Und dann meinst du tatsächlich, wieder klar im Kopf zu sein?“
„Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun. Ich nehme an, wann immer es Großvater gelang, die Kontrolle über mich zu erlangen, setzt meine Erinnerung aus. Ich kann mich noch nicht einmal daran erinnern, dass ich es dir erzählt habe. Ich weiß nur, dass ich mich in all den Jahren verzweifelt gegen die Beeinflussung gewehrt habe. Es begann relativ harmlos, mit wispernden Stimmen. Schon in meiner Kindheit. Ich habe niemandem davon erzählt, weil ich wusste, dass mir niemand glauben würde. Aber jetzt, da dieser Mann, der vorhin da war, endlich die Umstände erklärt hat… Er hält mich tatsächlich für so etwas wie unschuldig.“
„Klar, dass dir das gefällt. Wie könnte es denn anders sein?“
„Wie hieß dieser Mann doch gleich?“
„Mark Tate!“, war die Antwort. „Und er soll verflucht sein!“
„Du tust ihm Unrecht, Bruder. Er will uns beide retten. Das kann er aber nicht, wenn er uns zuerst befreit. Er muss immer damit rechnen, dass ich gewissermaßen wieder rückfällig werde. Und ich wundere mich, dass Großvater im Moment nicht wieder versucht, mich zu beeinflussen. Vielleicht ahnt er etwas von der Gefahr, die ihm durch diesen Mark Tate droht? Dann hat Mark Tate doch nicht das Überraschungsmoment auf seiner Seite wie erhofft.“
„Bravo, das baut mich jetzt richtig auf!“, meinte Roy voller Sarkasmus. „Ist dir immer noch nicht klar, dass wir hier sterben müssen? Du zuerst, denn bei deiner Verletzung…“
„Es tut tierisch weh, aber ich kann es ertragen. Anstatt so über Mark Tate zu urteilen, solltest du lieber hoffen, dass er erfolgreich ist und zurückkehren kann zu uns, nachdem er sozusagen das Problem da oben gelöst hat.“
„Welches Problem denn? Dieses Problem findet doch nur in eurer Fantasie statt, nicht in Wirklichkeit. Es gibt keine Geister und dergleichen. Die existieren nur in den Vorstellungen kranker Gehirne.“
„Ich verzeih dir diesen Irrtum, Bruder, denn du kannst nichts dafür. Kein Wunder, dass ich in der Psychiatrie landete. Anstatt zu überprüfen, ob ich die Wahrheit sagte, wurde ich weg gesperrt. Das ist ja so viel bequemer, als die Wahrheit zu ergründen. Gottlob ist dieser Mark Tate intelligenter. Er scheint genau zu wissen, was er tut, und er hat mir mit seiner Aufklärung in entscheidender Weise geholfen. Hätte ich das alles nur früher gewusst, hätten sich die Dinge niemals so schlimm entwickelt. Wahrscheinlich würde sogar Vater heute noch leben.“
Roy schüttelte nur verzweifelt den Kopf, sagte aber nichts mehr. Er starrte vielmehr auf das geschlossene Gitter und malte sich aus, was passieren würde, wenn dort niemand mehr erschien, um sie zu befreien…
*
Ich hatte keine andere Wahl. Ich musste die Kellertür öffnen.
Sie war nicht abgeschlossen und lief so leicht in den Scharnieren, als wären diese frisch geölt worden.
Die Tür öffnete sich zur Treppe hin, die hier nach unten führte, und ich spürte, dass jenes Siegel, das Lee John of Hillock angebracht hatte, nichts mit der Tür zu tun hatte. Es hing sozusagen frei in der Luft und schloss hier unüberbrückbar die Sphäre. Natürlich nur unüberbrückbar für Daedra, nicht so für mich. Ich brauchte jetzt nur noch den entscheidenden Schritt zu machen.
Und ich machte ihn!
Sogleich war ein irres Flüstern um mich herum. Alles erschien irgendwie unwirklich. Es war völlig dunkel, und doch konnte ich undeutlich sehen, war alles ziemlich verschwommen, wie bei einem Brillenträger, der seine Brille vergessen hatte. Da nutzte auch meine Taschenlampe nichts: Der Lichtstrahl änderte nichts.
Ich löschte sie einfach und steckte sie weg. Die Pistole jedoch behielt ich schussbereit in der Hand. Zwar gab es keinerlei Hinweis, ob sie mir gegen einen Daedra nutzen würde, aber sie gab mir dennoch ein wenig das Gefühl von Sicherheit. Ich fühlte mich dadurch nicht ganz so wehrlos und ausgeliefert.
Ich schritte zur Treppe und schaute hinauf, in den ersten Stock.
Nichts und niemand war zu sehen, und doch spürte ich, dass ich nicht allein war. Irgendwo gab es Lee John of Hillock beziehungsweise das, was noch von ihm übrig war, aber ihn nicht allein.
Ich sah bestätigt, was ich bereits vermutet hatte. Lee John of Hillock hatte einen Zugang zum Daedrareich geöffnet, in der Absicht, selber hinüber zu gehen. Sicherheitshalber hatte er vorher dafür gesorgt, dass sich die Daedraenergien nicht über das Anwesen hinaus ausdehnen konnten, noch nicht einmal bis in das Kellerlabyrinth hinunter. Diesen einzigen nicht auch physikalisch geschlossene Ausgang hatte er sich sicherlich ausbedungen, um sich so etwas wie einen Fluchtweg zu sichern, falls sein Kalkül nicht aufgehen würde.
Er hatte sicherlich gewusst, dass in der Regel niemand davon profitierte, wenn er sich auf Daedraenergien einließ. Aber er hatte trotzdem schlauer sein wollen. Daher all diese Vorsichtsmaßnahmen vor dem entscheidenden Schritt.
Ein entscheidender Schritt jedoch, der ihm bis heute nicht vollständig gelungen war. Weshalb sonst befand er sich noch immer hier, in der Daedrasphäre, die entstanden war, als er den Zugang zum Daedrareich endgültig geöffnet hatte? Denn dieser Zugang war in Wirklichkeit nur zu einem Eingang für die Daedra geworden, zu einem Eingang in das Diesseits. Diese waren dadurch hierher gelangt. Allerdings mussten sie dabei feststellen, dass sie über die Sphäre nicht hinaus kamen. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie das damals ablief: Die Daedra hatten sicherlich von Lee John of Hillock verlangt, zumindest eines der Siegel zu lösen, nämlich das zum Kellerlabyrinth. Darüber hätten sie in die Welt hinaus gelangen können, um dort ihr Unwesen zu treiben.
Man konnte Lee John of Hillock vorwerfen, was man wollte, aber eines hatte er eben nicht getan: Diesen Wunsch nämlich zu erfüllen. Sonst hätte das Siegel nicht mehr bestanden. Und ich konnte mir vorstellen, dass er es liebend gern entfernt hätte, um seinem selbst geschaffenen ewigen Gefängnis zu entrinnen. Aber nicht nur er wäre eben dabei dieser Sphäre entronnen, sondern auch die unfreiwillig beschworenen Daedra.
Vom Daedrafürsten, der mich in naher Vergangenheit mehrfach kontaktiert hatte, wusste ich, dass es im Daedrareich ähnlich wie auf der Erde sowohl Gut als auch Böse gab, so dass ich inzwischen dazu neigte, das jenseitige Daedrareich sogar als Daedraerde zu bezeichnen. Er selbst behauptete ja stets und ständig, zu den Guten zu gehören, gegen seinen Willen auf Erden verbannt, weshalb er alles daran setzte, irgendwann einmal zurückkehren zu können in sein Reich. Diejenigen, die lieber hier waren als im Daedrareich waren seiner Meinung nach eindeutig nur die Bösen, denn auf Erden waren sie mächtiger als in ihrem eigenen Reich. Hier konnten sie gewissermaßen ungestraft ihr Unwesen treiben, denn hier konnten sie nicht sterben. Wenn man sie zu vernichten versuchte, gelang es höchstens, sie zurück ins Daedrareich zu verbannen.
Daran musste ich jetzt denken, während ich lauernd durch das Haus schlich. Die Daedra waren da, und sie mussten mich längst bemerkt haben, aber wieso kümmerten sie sich nicht um mich? Weil sie bemerkten, keinen Einfluss auf mich zu haben?
Ein Geräusch ließ mich herumfahren.
Eine Gestalt, hochgewachsen, ziemlich mächtig. Ich sah den wallenden Rotbart und begriff: Das musste Lee John Harris sein. Aber er erschien seltsam durchsichtig. Wie ein Geist. Vielleicht war er das ja auch inzwischen – nur noch ein Geist?
Mein Finger wollte sich um den Abzug der Pistole krümmen. Ein reiner Reflex, den ich im letzten Moment unterbinden konnte. Was nutzte eine Kugel gegen eine solche Erscheinung?
„Wer bist du, Wurm?“
Ich lachte unecht.
„Du jedenfalls bist Lee John of Hillock, zumindest das, was von ihm übrig geblieben ist. Bist du dir darüber im Klaren, was du deinem Enkel Rock angetan hast?“
Er heulte schaurig.
„Es war nötig. Ich benötige einen Verbündeten draußen, sonst endet diese Marter hier nie für mich. Kannst du das nicht verstehen, Wurm?“
„Klar, kann ich. Zumindest finde ich es nobel von dir, dass du das Siegel nicht geöffnet hast, durch das nicht nur du hättest dieser Sphäre entfliehen können.“
„Nobel? Glaube mir, Wurm, ich bin alles andere als das, aber die Daedra haben mich betrogen, schmählich betrogen. Ich habe ihnen angeboten, das Siegel zu öffnen, wenn sie mich in ihr Reich ließen. Darauf haben sie sich zum Schein sogar eingelassen. Nur zum Schein, wohlgemerkt. Ich habe jedoch darauf bestanden, erst einmal bestätigt zu bekommen, dass der Durchgang überhaupt für mich geeignet war. Diesen Beweis sind sie mir bis heute schuldig geblieben. Deshalb besteht das Siegel nach wie vor.“
„Aha, daher also weht der Wind“, knirschte ich. „Dann nehme ich all meine positiven Gedanken in dieser Beziehung natürlich zurück. Du warst zu Lebzeiten wohl schon ein Kotzbrocken und bist es in diesem Zustand erst recht. Was geisterst du überhaupt hier als Gespenst herum? Was ist mit deinem Körper? Oder tust du das nur, um mich zu narren? Glaube mir, das bringt dir keinen Vorteil. Ich stehe nicht zum ersten Mal einer solch schändlichen Kreatur gegenüber.“
„Was willst du überhaupt von mir? Nur plaudern?“ Er lachte grollend. „Gut, das habe ich zugelassen. Es war ja ganz nett, dass du ein wenig für Abwechslung gesorgt hast, aber jetzt einmal mit der Sprache heraus.“
„Ich bin hier, um dir ein für allemal das Handwerk zu legen. Gefällt dir diese Formulierung? Da du mir als Gespenst erscheinst, vermute ich, dass du über deinen Körper angreifbar bist. Du hast dich gewissermaßen selbst verraten mit diesem Auftritt. Vielen Dank dafür!“
Grimmig ging ich voran, genau auf ihn zu.
Als ich ihn erreichte, gab es keine Berührung. Ich ging einfach durch die Erscheinung hindurch, die dabei laut heulte und zederte. Ich reagierte jedoch gar nicht darauf und steuerte jetzt endlich auf die Treppe zu, die nach oben führte. Hier unten hatte ich nichts gefunden. Also musste ich wohl dort hinauf, und ich war fest entschlossen, mich durch nichts und niemand aufhalten zu lassen.
Kaum erreichte ich den untersten Treppenansatz, als endlich oben die Daedra erschienen. Sie hielten sich nicht mehr länger zurück. Anscheinend versuchte Lee John of Hillock, sie auf mich zu hetzen.
Ich war überrascht bei ihrem Anblick, denn aus Erfahrung wusste ich, dass die Daedra gegenständlich werden konnten, wenn sie es wollten. Die da oben jedoch waren ebenfalls nur geisterhafte Schemen. Man konnte zwar ihre furchterregende Erscheinung betrachten, doch sie blieben dabei seltsam durchsichtig.
Im nächsten Augenblick hatte ich keine Gelegenheit mehr, mich darüber zu wundern, denn sie stürzten sich von oben auf mich. Alle auf einmal.
Ich spürte den Ansturm durchaus, sogar mit jeder Faser meines Leibes und nicht allein mit meiner tiefsten Seele. Ich spürte, dass sie diese meinem Körper entreißen wollten, aber ich war nun einmal nicht wie ein normaler Mensch. Ein solcher Ansturm zeitigte bei mir keine Wirkung. Jeden anderen hätte es im wahrsten Sinne des Wortes entseelt, aber mich natürlich nicht. Ich war keinen Sekundenbruchteil auch nur gefährdet.
Das gab mir sozusagen neuen Mut. Ich packte die Pistole, die eigentlich völlig unnötig war, fester und stieg zähneknirschend die Treppe empor, während sich die geisterhaften Daedra nach Kräften bemühten, mich zumindest zu überwältigen.
„Ich verstehe“, murmelte ich tonlos vor mich hin. „Ihr habt den Übergang in diese Sphäre nicht hundertprozentig geschafft, und jetzt seid ihr nicht einmal in der Lage, in euer Daedrareich zurückzukehren. Weil dieser Zugang hierher viel zu unzulänglich war. Andererseits wollt ihr nicht, dass Lee John of Hillock den Zugang erweitert, damit ihm selber die Flucht gelingt. Warum wollt ihr ihn denn unter keinen Umständen in eurem Daedrareich haben? Es wäre doch nicht das erste Mal, dass aus einem Menschen ein Daedra werden würde?“
Ja, das war mir rätselhaft, aber es schien mit der Art des Zugangs zusammen zu hängen, und ich ahnte dabei, dass dieser gewissermaßen der Schlüssel zur Lösung des Problems war.
Dabei zermarterte ich mein Gehirn, um diese Lösung endlich zu finden. Aber keine Chance: Es konnte mir nicht gelingen. Noch nicht jedenfalls.
Deshalb ging ich unbeirrt weiter, bemüht, die Daedra genauso wenig an meinen insgeheimen Gedanken teilhaben zu lassen wie Lee John of Hillock, der sich jetzt erst einmal zurück hielt.
Aber spätestens, als ich oben angelangt war, musste er einsehen, dass die erzürnten Daedra nichts gegen mich ausrichten konnten. Ja, wenn es ihnen jetzt gelungen wäre, gegenständlich zu werden, gewissermaßen eine physische Form anzunehmen… Aber dann hätte ich eine zumindest winzige Chance mit meiner Pistole gegen sie gehabt, soweit ich das überhaupt begriffen hatte.
„Lee John of Hillock!“, rief ich ärgerlich, während ich die oberen Räumlichkeiten durchsuchte. „Ich weiß, dass du hier oben bist. Wo sonst? Und ich werde dich finden, verlasse dich darauf.“
Klar, ich wollte ihn damit provozieren. Denn wenn er damit rechnete, dass ich ihn sowieso finden würde, wäre das vielleicht Anlass genug für ihn, mir körperlich entgegen zu treten. Falls die Pistole in meiner Rechten ihn nicht davor zurückschrecken ließ.
Und mein Kalkül ging sogar auf! Anstatt sich einfach so zu verstecken, dass ich seiner nicht habhaft werden konnte, ließ er sich doch tatsächlich provozieren und erschien in seiner körperlichen Gestalt.
Nicht hier oben, wie von mir angenommen, sondern unten, neben der Treppe.
„Dummkopf!“, rief er mir zu. „Du vermutest mich dort oben? Du hättet mich nie und nimmer finden können!“
Da musste ich ihm ausnahmsweise recht geben, aber gottlob war er so leichtsinnig gewesen, sein Versteck zu verlassen.
Ich richtete von oben meine Pistole auf ihn.
Er lachte überheblich.
„Glaubst du wirklich, mich damit beeindrucken zu können, Wurm?“
„Mein Name ist übrigens Mark Tate, nicht Wurm. Man nennt mich auch den Teufelsjäger – und das nicht ohne Grund, wie ich dir versichern darf!“, meinte ich lapidar. „Ich an deiner Stelle jedoch würde die Pistole in meiner Hand nicht so sehr unterschätzen. Klar, du vermutest die übliche Munition darin, aber hast du schon einmal von sogenannten Geisterjägern gehört? Ich bin so etwas Ähnliches, und ich habe wie gesagt so meine Erfahrungen. Oder hast du immer noch nicht begriffen, dass ich kein normaler Mensch bin, gegen den alle Daedraenergie nichts ausrichten kann?“
„Mark Tate? Der Name sagt mir nichts.“
„Logisch, denn ich spielte noch keine Rolle, als du dich hier eingemauert hast. Mein Auftritt kam sozusagen erst später. Aber kein Daedra kann mich beeinflussen, weil ich ein Unsterblicher bin. Wenn ich hier und heute als Mark Tate sterbe, werde ich irgendwo auf dieser Welt als ein anderer geboren. Das gibt meinen Feinden nur einen Aufschub. Denn als dieser andere kann ich irgendwann zurückkehren, um den Kampf fortzusetzen. Also selbst wenn du hier und heute wirklich eine Chance gegen mich hättest…“
„Du lügst!“
„So, tu ich das? Dann frage doch einmal die Daedra hier, die sich vergeblich bemüht haben, mich zu vernichten.“
„Also gut. Ich mache jetzt dem ein Ende“, heulte er. „Ich werde den Zugang erweitern, damit die Daedra körperlich werden können. Dann werden sie ihr Werk vollenden.“
„Sie werden dich dann zwingen können, das Siegel nach draußen zu öffnen“, erinnerte ich ihn, denn soviel zumindest glaubte ich, inzwischen verstanden zu haben. „Und vergiss nicht: Ich werde eines Tages zurückkehren, und ich werde mich nicht nur an den Daedra rächen.“
„Wenn ich den Zugang erweitere, werden nicht nur sie stärker, sondern auch ich!“, trumpfte er auf.
„Nicht stark genug! Wenn dir das nicht selber klar wäre, hättest du es längst getan und hättest nicht all die Jahrzehnte hier in Gefangenschaft verbracht, um noch verrückter zu werden als du ohnedies schon warst.“
Noch während ich gesprochen hatte, war ich die Treppe wieder nach unten gestiegen, ohne dabei den untoten Lee John of Hillock aus den Augen und von der Pistolenmündung zu lassen.
Er sah scheußlich aus. Die vergangenen Jahrzehnte waren keineswegs spurlos an ihm vorüber gegangen. Er war zum größten Teil verwest und strömte einen dermaßen ekligen Gestank aus, dass es mich fast würgte. Wahrscheinlich würde ich mich in diesem Leben nicht mehr daran gewöhnen können, obwohl es beileibe nicht das erste Mal war, dass ich einem Untoten gegenüber stand.
Sein Gesicht hatte sich längst aufgelöst. Da waren nur noch Knochen und die Augen. Den wallenden Rotbart konnte er nur noch zeigen, wenn er von sich selbst ein Abbild erzeugte.
Ich war jetzt drei Schritte von ihm entfernt, und er hatte sich die ganze Zeit nicht von der Stelle gerührt. Meine Pistole deutete auf seine Brust.
Das gab ihm wieder Anlass, grollend zu lachen.
„Wie ich das sehe: Eine Pattsituation. Jeder hat versucht, den anderen zu bluffen, und jetzt stehen wir uns gegenüber, und keiner hat gesiegt. Egal, welche Munition du geladen hast, Mark Tate: Es wird dir nichts nutzen, denn das hier, was dieses Haus beherrscht, hat mit schwarzer Magie nicht das Geringste zu tun. Es sind Daedraenergien. Ich habe mich darauf eingelassen, damals, weil ich unsterblich werden wollte. Das ist mir sogar gelungen, aber zu welchem Preis… Doch diesen untoten Körper kannst du mit keiner Munition der Welt töten. Selbst wenn du mich in die Luft sprengen würdest, wäre immer noch mein Geist vorhanden. Ich kann bis zu einem gewissen Grad physisch Einfluss nehmen, allein mit meinem Geist. Sonst könnte ich diesen untoten Körper nicht mehr bewegen. Ohne ihn würde ich mir einen anderen Körper suchen müssen. Zum Beispiel deinen, wenn deine unsterbliche Seele weiter gewandert ist? Und die Jahre, die ich mir damit Aufschub gewähren werde, die werde ich sicherlich zu nutzen wissen, um letztlich vorbereitet zu sein, wenn du als ein anderer zurückzukommen wagtest.“
Ich schoss. Nicht nur einmal, sondern mehrmals. Jede Kugel fuhr in seine tote Brust, ohne jedoch ihm schaden zu können, wie sowieso schon vermutetet.
Das Echo der Schüsse hörte sich in dem überwiegend leeren Haus an wie Donnergrollen. Es würde mit Sicherheit auch draußen zu hören sein, aber wer sollte es denn schon hören können? Ich war hier allein mit dem Untoten.
Und dieser trat jetzt grollend vor und griff nach mir, ehe ich es verhindern konnte.
Als ich den eisernen Griff an meinen Schultern spürte, wusste ich, dass ich keinerlei Chancen gegen Lee John of Hillock hatte. Er würde mich zerquetschen wie den Wurm, als den er mich bezeichnet hatte.
Ich hatte zu hoch gepokert und meine Möglichkeiten überschätzt, und dafür sollte ich jetzt die tödliche Quittung erhalten…
*
Rock of Hillock schreckte zusammen wie unter einem Peitschenhieb. Seine Augen weiteten sich entsetzt.
„Sie stehen sich gegenüber!“, murmelte er kaum hörbar. „Die Daedra haben versucht, Mark Tate zu vernichten. Ohne Erfolg. Und jetzt ist Großvater in seiner wahren untoten Gestalt erschienen. Sie reden miteinander. Mark Tate versucht, ihn zu bluffen, aber Großvater hat es längst durchschaut. Sonst hätte er es nicht gewagt, in seiner körperlichen Gestalt zu erscheinen.“
„Und du behauptest, das alles sozusagen mitzuerleben?“, erkundigte sich sein Bruder erschüttert. Er schüttelte mal wieder den Kopf.
„Ja, Bruder, auch wenn du das nicht glauben willst. Ich sehe Mark Tate die Treppe herunter kommen. Großvater lässt mich an allem teilhaben, ohne dass ihm das selber bewusst wird. Wir hatten jahrelang diese unselige Verbindung, gegen die ich mich mit aller Macht zu wehren versucht habe. Das hat mich in diesen Wahnsinn getrieben. Aber durch Mark Tate sind mir die Augen geöffnet worden. Ich wehre mich nicht länger dagegen. Deshalb ist der Wahnsinn sozusagen wie weggeblasen. Ich war noch niemals so klar in meinem Kopf. Und ich weiß, wenn Großvater jetzt erneut versuchen würde, mich zu beeinflussen, würde ich mich auch dann nicht dagegen wehren, sondern ich würde etwas ganz anderes tun. Ich würde ihm so stark begegnen wie nie zuvor. Er wird mich nie mehr in den Wahnsinn treiben können, und ich werde niemals mehr zu seinem Werkzeug werden.“
Er verstummte kurz, nur um dann aufzuschreien:
„Mark Tate, warum fliehst du nicht zurück durch das Siegel, in den Keller? Dort wärst du sicher. Bitte, komm wieder zurück und befreie uns. Nimm mich mit hinauf, denn mir kann Großvater nichts mehr anhaben. Er kann mich auch nicht vernichten, mir noch nicht einmal Schaden zufügen, denn unsere Verbindung ist bereits so stark, dass er sich damit selber schaden oder sogar sich selber vernichten würde. Ja, ich bin durch die Erkenntnis dermaßen erstarkt…“
Eine Sekunde hielt er gebannt inne, um danach zu schreien:
„Er schießt auf Großvater. Aber das wird ihm nichts nutzen!“
Diese Worte waren kaum verklungen, als der Schall, den die Schüsse erzeugten, das Kellerlabyrinth durcheilt hatte, um auch den Kerker zu erreichen.
Gerade hatte Roy of Hillock seinem Bruder verbieten wollen, weiter „dieses irre Geschwätz“ von sich zu geben, wie er meinte, als er genau das mit eigenen Ohren vernahm, was sein Bruder soeben bereits angekündigt hatte.
Und dann ächzte Rock:
„Großvater wird ihn zerquetschen. Mark Tate hat mit seinen normalen menschlichen Kräften keine Chance gegen ihn. Großvater war zu Lebzeiten bereits übermenschlich stark und ist es erst recht als Untoter. Und wir…“ Er schluchzte auf. „Bruder, wir sind verloren ohne ihn, endgültig!“
Es war das erste Mal, dass ihm sein Bruder jedes Wort glaubte.
*
Die Schüsse hallten dermaßen laut in dem weitgehend leeren Haus wider – nachdem die Möbel größtenteils von den wütenden Daedra und dem zuweilen noch wütenderen Lee John of Hillock zerstört worden waren -, dass sie auch über die Grundstücksgrenzen hinaus zu hören waren.
Don Cooper hatte soeben das Gasthaus verlassen, von Unruhe getrieben.
„Wo bleibt Mark denn so lange?“, hatte er immer wieder gemurmelt und war in der Gaststube auf und ab gelaufen wie ein Tiger in seinem Käfig.
Jetzt stand er auf dem kleinen Marktplatz mit dem halb zerfallenen Springbrunnen und hob lauschend den Kopf.