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Die Autorin des viralgegangenen Texts »Mathilda« mit über 4 Millionen Klicks auf Facebook veröffentlicht ihr erstes Buch! Von gefühlvoll und romantisch bis frech und streitlustig – Lucias Texte sind vielfältig und voller Emotionen. In teils tiefgehenden, teils amüsanten Texten schreibt Lucia Lucia über Liebe und Weiblichkeit, sich selbst und die Herausforderungen, denen sich Frauen in unserer modernen Gesellschaft stellen müssen. In berührenden Gedichten, rotzigen Slam-Texten, temporeichen Dialogen und intensiver Prosa fügt sich alles zu einem harmonischen Gesamtwerk zusammen. Der Leser begleitet das Lyrische Ich auf seinem Weg durch die verschiedenen Stationen der Liebe: Verliebtsein, erste Liebe, Streit, Betrug, Trennung, Verzweiflung, Resignation, Hoffnung, Selbstakzeptanz und Selbstliebe, neue Liebe. Liebevoll illustriert wird die Poetry-Sammlung von Serena Viola, die zuletzt 2018 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde.
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Leseprobe zu:
Lucia Lucia
Texte, die auf Liebe enden
Reality in Poetry
FISCHER E-Books
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© S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Ich sehe was, was du nicht siehst,
und das ist die Poesie
jeder deiner Bewegungen,
in allem, was du tust,
liegt ein Satz,
triefend und klebrig,
in allem, was du tust,
liegt eine Sehnsucht.
Ich sehne mich danach,
in deinem Trinken
Glas zu sein,
in deinem Reden
Wort zu sein,
in deinem Kalender
nur ein Tag –
triff mich,
sprich mich,
trink mich.
Ich bin Forscherin der Frage, ob du deinen Kaffee auch schwarz trinkst und wenn ja, ob du das tust, weil er dir so schmeckt, oder weil du es mal wieder nicht geschafft hast, rechtzeitig Milch zu kaufen, ich wüsste gerne, ob du auch manchmal losgehst, nur der Milch wegen, und versehentlich mit zwei Tüten Chips und einer Fünf-Minuten-Terrine wieder nach Hause kommst, oder ob das nur ich bin, die ihr Leben nicht auf die Reihe kriegt, ich wüsste gerne, ob du dein Leben auf die Reihe kriegst und wenn ja, was für eines. Wenn wir miteinander schreiben, erhebe ich Daten über dich, analysiere deine Kommasetzung und die Farben deiner Emojis, versuche zu verstehen, was für dich den Unterschied zwischen einem gelben Lächeln und einem rosafarbenen Lächeln, einem pausbäckigen Lächeln, einem pausbäckigen Lächeln mit hochgezogenen Augenbrauen und einem Lächeln über Kopf macht, versuche anhand deiner Anglizismen zu benennen, ob du desinteressiert oder cool bist oder beides, ob du mich einfach nicht spannend findest oder deine Hände bloß frieren und deine Finger zu klamm sind, um mir zu antworten, wenn laut früheren Erhebungen deine Reaktionszeit für Donnerstage zwischen dreizehn und vierzehn Uhr mal wieder sechs Prozent über dem Durchschnitt liegt. Ich versuche, den Wert deiner Herz-Emojis anhand ihrer Häufigkeit und ihres Anwendungskontextes zu ermitteln, um herauszufinden, ob ich sie persönlich nehmen darf – ich würde sie gerne persönlich nehmen, aber was wäre dann, wenn wir uns in einer Kneipe gegenübersäßen und ich mich zu weit zu dir hinüberlehnte und du plötzlich meinen Pulsschlag hören könntest, wie er dir aufdringlich entgegenklopft, denn den muss man ja wohl hören können, diesen Pulsschlag, so laut wie der ist, was wäre dann, wenn wir beide hören könnten, dass bei dir gar nichts laut klopft, und wenn wir beide merkten, dass du auch gar nicht ständig über Gegenstände stolperst, wenn du mich siehst, weil das nämlich nur ich bin, die andauernd vergisst, wie man läuft; dann wären all die kopfsteinpflaster- und laternenpfahl- und stuhlbeinförmigen blauen Flecken auf meinen Beinen gänzlich umsonst gewesen, all die Pläne und Hoffnungen bloß dumme Träumereien, wenn ich dich nicht richtig lesen lerne, wenn ich nicht den richtigen Moment abpasse, wenn ich nicht Expertin in dir bin.
Er sagt: Ich bin Erde,
und du kannst mich nicht brechen.
Er sagt: Ich bin Erde,
und du kannst mich nicht kennen.
Ich bin karges Geröll
über unendlichen Schichten,
erdrückend und dicht,
und du wirst mich nicht brechen,
und du lichtest mich nicht.
Er sagt: Mein Herz ist das eines Vulkans,
es speit heiße Lava bei jeder Berührung,
so viel heißer, als du es ertragen kannst.
Mein Herz liegt begraben
unter dem Regen der Jahre,
unter verwesenden Knochen
und faulendem Fleisch,
er sagt: Mein Herz trägt das Gewicht
allen Schreckens aller Zeit.
In mir ist es dunkel.
Pfähle und Wurzeln haben
tiefe Narben in meine Haut geschlagen –
also wende dich ab von mir,
der ich verschüttet liege,
wende dich ab von der Idee,
zu der du mich ernannt hast,
wende dich ab von all dem,
was du denkst, was wir sein könnten,
wende dich ab von mir,
den du nie wirklich gekannt hast.
Sie sagt: Dann gib mir Schaufel und Spaten,
denn anders ertrage ich es nicht.
Sie sagt: Dann gib mir Schaufel und Spaten,
und ich grabe mich durch jede Schicht
deiner Bitterkeit.
Ich höre sie mir an,
all die Geschichten,
die als Gewicht auf dir lasten,
sie sagt: Lass mich darüber urteilen,
ob ich sie verkrafte,
sie sagt: Lass mich dich entlasten
und dein Leid mit dir teilen,
lass mich zischelnd dich halten,
lass mich lodernd dich spalten,
lass mich dich entfachen
und ein Teil von dir sein,
Teil dieser Erde,
die im Sommer blüht und lebt,
als Sand mit meinen Füßen spielt
und im Winter friedlich schläft.
Lass mich dich kennen,
und öffne dich einen Spalt,
sie sagt: Dann gib mir Schaufel und Spaten,
und ich nehme mir all meine Zeit,
um sie dir zu geben,
sie sagt: Zeig mir all das, was schön an dir ist,
was weich an dir ist,
und das, was fürchterlich ist –
zeig mir klaffende Tiefen,
zeig mir rollenden Schmerz,
denn ich bin Feuer,
und ich fürchte dich nicht.
Wir waren wie Kinder in einem Museum,
deren Begierde nach Wissen
sie dazu trieb, alles mindestens einmal
berührt haben zu müssen.
Denn was erfühlt werden kann, muss erfühlt werden,
und was sich nicht fühlen lässt, ist nicht echt,
wo eine Grenze liegt, muss sie erspürt werden,
und wo sie sich nicht spüren lässt, wird sie verletzt,
legten uns Worte auf die Zungen,
bloß um zu probieren, wie sie schmeckten,
jede Situation, in die wir uns brachten,
bloß ein Spielen, bloß ein Necken,
begannen mit den Leuchtenden, Verzierten,
die uns heuchlerisch erschienen,
dann mit den Rostigen und Alten,
die vor Bedeutung nur so trieften,
fanden Worte, die wir uns schenkten,
in die wir uns kleideten und schmiegten,
die sich wie Schmuckstücke an unsere Gespräche legten,
die uns schmeichelten und wiegten,
zogen uns andere über wie Rüstungen,
auch, wenn unsere Schultern zu schmal waren,
um die Versprechen zu erfüllen,
die in ihrem scheppernden Stahl lagen,
versuchten uns an Worten, die wie Gemälde
alles sagen konnten und doch nichts meinen,
mit denen wir uns ewig unterhalten konnten
und doch zum Wesentlichen schweigen,
bis wir uns schließlich an den Kalten
und den Schneidenden vergriffen,
die wir nicht zurückzunehmen wussten,
die eisern uns entglitten,
stürzten uns unbehelligt in diese Liebe,
deren Sprengkraft erst zutage trat,
als wir uns ansahen und verstanden,
warum ihr das Ende bereits im Namen lag.
[...]
Lucia Lucia wurde im November 2017 mit ihrer Text-Performance von »Mathilda« berühmt. Ein Video-Mitschnitt aus dem Finale der deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften ging mit über 4 Mio. Aufrufen viral und sorgte für großes Presseecho. Seitdem tourt die Hamburger Stadtmeisterin über Bühnen in ganz Deutschland und der Schweiz, bereitet sich auf ihre erste eigene Solo-Tour vor und möchte nur eines: Schreiben & Performen.
Erschienen bei FISCHER E-Books
Mit Illustrationen von Serena Viola
© 2019 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
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ISBN 978-3-7336-5192-3