The Bourbon Kid - Das Buch des Todes - Anonymus - E-Book

The Bourbon Kid - Das Buch des Todes E-Book

Anonymus

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Beschreibung

Bourbon Kid räumt auf: Er will das verfluchte Santa Mondega endlich von Vampiren und korrupten Polizisten befreien. Doch die Jagd endet in einem blutigen Massaker. Und mit seinem Tod. Bourbon Kids Erzfeind, die Mumie Gaius Rameses, hat nun freie Bahn und stellt eine untote Armee auf, um die Stadt zu übernehmen.

In den Straßen der Stadt wimmelt es von Vampiren und Werwölfen, die eine Menge Unschuldiger dahinmetzeln. Die örtlichen Polizisten werden alle ermordet und ersetzt durch ... Sanchez, den Barkeeper, und seinen neuen Kumpel Flake. Und während sich der Himmel über Santa Mondega verdunkelt, wird das Ziel von Gaius Rameses immer deutlicher: die Unterjochung der gesamten Menschheit. Wer kann die wahnsinnige Mumie jetzt noch stoppen?

Der vierte Teil der internationalen Bestseller-Serie: verrückter und blutrünstiger als je zuvor!

Bourbon Kid metzelt auch in:

Band 1: Das Buch ohne Namen

Band 2: Das Buch ohne Staben

Band 3: Das Buch ohne Gnade

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.


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Seitenzahl: 510

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Inhalt

CoverGrußwort des VerlagsÜber dieses BuchTitelLieber Leser …PrologEinsZweiDreiVierFünfSechsSiebenAchtNeunZehnElfZwölfDreizehnVierzehnFünfzehnSechzehnSiebzehnAchtzehnNeunzehnZwanzigEinundzwanzigZweiundzwanzigDreiundzwanzigVierundzwanzigFünfundzwanzigSechsundzwanzigSiebenundzwanzigAchtundzwanzigNeunundzwanzigDreißigEinundreißigZweiundreißigDreiundreißigVierundreißigFünfundreißigSechsundreißigSiebenundreißigAchtundreißigNeununddreißigVierzigEinundvierzigZweiundvierzigDreiundvierzigVierundvierzigFünfundvierzigSechsundvierzigSiebenundvierzigAchtundvierzigNeunundvierzigFünfzigEinundfünfzigZweiundfünfzigDreiundfünfzigVierundfünfzigFünfundfünfzigSechsundfünfzigSiebenundfünfzigAchtundfünfzigNeunundfünfzigSechzigEinundsechzigZweiundsechzigDreiundsechzigÜber den AutorWeitere Titel des AutorsImpressum

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Über dieses Buch

Bourbon Kid räumt auf: Er will das verfluchte Santa Mondega endlich von Vampiren und korrupten Polizisten befreien. Doch die Jagd endet in einem blutigen Massaker. Und mit seinem Tod. Bourbon Kids Erzfeind, die Mumie Gaius Rameses, hat nun freie Bahn und stellt eine untote Armee auf, um die Stadt zu übernehmen.

In den Straßen der Stadt wimmelt es von Vampiren und Werwölfen, die eine Menge Unschuldiger dahinmetzeln. Die örtlichen Polizisten werden alle ermordet und ersetzt durch … Sanchez, den Barkeeper, und seinen neuen Kumpel Flake. Und während sich der Himmel über Santa Mondega verdunkelt, wird das Ziel von Gaius Rameses immer deutlicher: die Unterjochung der gesamten Menschheit. Wer kann die wahnsinnige Mumie jetzt noch stoppen?

Der vierte Teil der internationalen Bestseller-Serie: verrückter und blutrünstiger als je zuvor!

A N O N Y M U S

Band 4

Roman (ziemlich sicher)

Aus dem Englischen von Alexandra Hinrichsen und Thomas Schichtel

Lieber Leser,

du hast Das Buch des Todes aufgeschlagen.

Der äußere Anschein kann trügen. Lesen auf eigene Gefahr!

PROLOG ♦

Ein junges Mädchen rannte durch die finsteren Gassen von Santa Mondega, ihre Lungen pumpten wie noch nie in ihrem Leben. Ihr Verfolger hatte die Jagd noch nicht aufgegeben. Sie konnte ihn hinter sich hören, seine Schritte wurden vom Schnee gedämpft. Seit er aus einer dunklen Ecke auf sie zugesprungen war, hatte sie sich nicht wieder getraut, sich nach ihm umzuschauen. Das Weiße seiner Augen hatte sie jedoch auch bei dem kurzen Seitenblick auf ihn deutlich erkannt. Es bildete einen kräftigen Kontrast zu der schwarzen Farbe, die fast sein gesamtes Gesicht bedeckte. Ganz in Schwarz gekleidet hatte er erst nur wie ein riesenhafter Schatten mit Augen gewirkt. Dann aber hatte sie seine Zähne gesehen. Riesige Vampir-Reißzähne. Sie rannte um ihr Leben.

Um Hilfe zu schreien, war sinnlos – auf den Straßen gab es mehr Vampire als Menschen, und im Stadtzentrum ging gerade eine große Sache ab. Mit Gebrüll hätte sie nur noch mehr Untote angelockt. Was sie brauchte, war ein Versteck. Als sie von der kleinen Nebenstraße auf eine der Hauptstraßen abbog, entdeckte sie tatsächlich eine Zuflucht, die ihr vielleicht Schutz bieten würde.

Die Stadtbibliothek.

Sie rannte über die Straße und die Stufen hinauf zum Eingang. Die Türen standen weit offen, es war fast wie eine Einladung. Sie verlor keine Zeit und rannte ins Foyer der Bibliothek, das einen Marmorboden und hohe Decken hatte. Eigentlich hätte sie sich hier bestens auskennen müssen, weil ihre Eltern ihr seit Monaten damit in den Ohren lagen, sie solle doch die Bibliothek zur Vorbereitung auf ihre Klassenarbeiten nutzen. Direkt vor ihr befand sich eine große, doppelflügelige Holztür, die mit einem bronzenen Vorhängeschloss und einer dicken Kette gesichert war. Damit stand ihr nur ein Fluchtweg offen. Sie rannte nach links zur Treppe.

Ihre Sneakers hinterließen eine weiße Schneespur auf den Stufen, als sie hinauf in den ersten Stock hetzte. Falls der Vampir ihr in die Bibliothek folgte, würde er keinerlei Probleme haben, sie zu finden. Natürlich konnte die Bibliothek für sie auch zu einer Falle werden, aus der es kein Entrinnen mehr gab, das war ihr bewusst. Aber sie war nicht schnell genug, um den Vampir auf der Straße abzuhängen. Falls er auch nur die geringste Ähnlichkeit mit den Vampiren aus Bis(s)zum Morgengrauen hatte, konnte er durch die Luft fliegen, irre schnell rennen und sie zur Strecke bringen, wann immer er wollte. Vielleicht machte ihrem Verfolger ja auch gerade die Hatz auf sie Spaß, und ihre Panik gab ihm erst den richtigen Kick.

Am Kopf der Treppe wagte sie es zum ersten Mal, sich umzudrehen. Von dem Vampir war weit und breit nichts zu sehen. Möglicherweise hatte er aufgegeben oder sich ein leichteres Opfer gesucht. Ganz egal, kein Grund, jetzt einfach hier stehen zu bleiben. Sie wankte in die große Bücherhalle. Hoffentlich konnte sie sich hier irgendwo in dem Labyrinth aus Regalen verstecken. Der Empfangstresen war verlassen, und es schien auch niemand in den Regalen nach Büchern zu stöbern. Direkt vor ihr befanden sich ein paar Tische und Stühle. Auch dort absolut niemand.

Sie lief zu den Nachschlagewerken und versteckte sich in den Regalen. Im Gang dazwischen war es dunkel. Das würde einen Vampir nicht wirklich abschrecken, aber im Moment war das ihr einziger Schutz. Dachte sie jedenfalls, bis sie am Ende des Gangs etwas entdeckte, das ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Auf dem Boden lag in einer Blutlache der leblose Körper eines Jungen mit eingeschlagenem Schädel. Lediglich roter Brei und Knochensplitter waren davon noch übrig. Was ihr allerdings viel mehr Sorgen bereitete, war der Mann, der sich gerade über ihn beugte. Ein Mann, über den sie zahllose Gerüchte gehört hatte. Ganz in Schwarz gehüllt und mit einer Kapuze über dem Kopf stand dort der Bourbon Kid. Er schaute sie an, und sie bemerkte mit Schrecken seine blutbefleckten Hände.

Ein paar Sekunden konnte sie den Blick nicht davon losreißen, dann aber schaute Caroline auf und dem stadtbekannten Killer direkt in die Augen. Sie war wie versteinert, und ihr Gehirn setzte aus. Panisch beobachtete sie, wie er sich aufrichtete und die Hand unter seinen schwarzen Mantel schob. Seine blutigen Finger schlossen sich um eine große Pistole, die er hervorzog und mit der er genau auf ihren Kopf zielte. Ein roter Laserpunkt erschien genau zwischen ihren Augen. Gerade als sie dachte, ihr letztes Stündlein hätte geschlagen, sagte der Bourbon Kid mit seiner heiseren Stimme, die direkt aus der Hölle zu kommen schien:

»Runter.«

Einen Moment lang blieb sie regungslos stehen. Dann hockte sie sich hin, steckte den Kopf zwischen die Knie, hielt sich die Ohren zu und schloss die Augen.

BÄÄÄM!

Während der gewaltige Knall noch von den Wänden der Halle widerhallte, nahm Caroline die Hände von den Ohren. Hinter sich hörte sie jemanden umfallen. Zögernd öffnete sie die Augen und schaute zum Bourbon Kid. Er hatte die Pistole wieder unter den schwarzen Mantel gesteckt und sich der blutüberströmten Leiche des Jungen auf dem Parkettboden zugewandt.

Langsam richtete Caroline sich auf. Hinter ihr lag der Vampir, der sie verfolgt hatte. Sein halber Kopf fehlte. Die klaffende Wunde rauchte, und Blut floss in eine sich stetig vergrößernde Lache. Sie wich einen Schritt zurück und drehte sich zum Bourbon Kid um.

»Danke«, murmelte sie. »Der hat mich ganz schön lange verfolgt. Keine Ahnung, wer er ist.«

Der Kid antwortete nicht. Caroline machte noch einen Schritt auf ihn zu und sagte nun etwas lauter: »Wissen Sie, was hier los ist? Haben die Vampire den Jungen erwischt?«

Der Kid schien vergessen zu haben, dass sie überhaupt da war. Erst als er ihre Stimme hörte, sah er sie an. »Der Kerl war ein Panda.«

»Ein was? Ein Panda?«

»Ja.«

Sie dachte nach. Nein, das ergab alles überhaupt keinen Sinn.

»Die schwarze Farbe um seine Augen. Das Erkennungszeichen des Panda-Clans der Vampire, zu dem er gehörte. Jedenfalls bis ich ihm eben den Schädel abrasiert habe.«

Caroline hörte zwar, was er sagte, war aber abgelenkt, weil sie auf einmal den toten Jungen wiedererkannte. »Oh Gott, das ist ja Josh! Er geht in meine Schule. War das der Panda?«

Der Kid schüttelte den Kopf. »Nein, sieht nicht nach einer Attacke eines Blutsaugers aus.«

»Wer hat es denn dann getan?«

Der Kid ignorierte sie und griff wieder in seinen Mantel. Dann zog er die Waffe heraus, mit der er den Panda erledigt hatte. Es sah ganz so aus, als wollte er sie gleich benutzen. Er ging auf Caroline zu, starrte aber an ihr vorbei, als wäre sie gar nicht da. Schnell wich sie aus und presste den Rücken gegen ein Regal, um dem Kid nur ja nicht zu nahe zu kommen. Der ging an ihr vorbei, sein Mantel streifte sanft ihr Bein. Am Ende des Gangs blieb er stehen und spähte vorsichtig nach links und rechts, die Waffe im Anschlag.

»Ist es draußen jetzt wieder sicher?«, fragte Caroline nervös.

»Für mich schon.«

»Kann ich mitkommen? Ich habe Angst allein.«

Er warf ihr einen Blick zu. »Hier bist du sicherer.«

Caroline zeigte auf den toten Jungen. »Wer hat Josh umgebracht? Und was, wenn der nun zurückkommt?«

Der Kid war bereits auf dem Weg zum Ausgang. »Der Mann, der das getan hat, ist nicht mehr hier.«

»Wissen Sie denn, wer es war?«, rief sie ihm hinterher. »Erschießen Sie ihn jetzt?«

»Er steht auf meiner Liste.«

EINS ♦

Der Rinnstein war von Regen, Abwasser und Blut überschwemmt. Über der ganzen Stadt lag eine unheilvolle Stille. Dies waren die letzten sichtbaren Überbleibsel des Massakers, das sich einen ganzen Tag lang in Santa Mondega abgespielt hatte. Donner, Blitz und Tod – Halloween war noch nie zuvor in solches Chaos ausgeartet. Und in Santa Mondega wollte das schon etwas heißen.

Wäre das alles in einer anderen Stadt passiert, es hätte überall nur so von Polizisten und Journalisten gewimmelt, die der Sache auf den Grund gehen wollten. Aber falls überhaupt noch irgendwelche Polizisten am Leben waren, würden sie vor dem Morgengrauen keinen Fuß vor die Tür setzen. Die Stadt war ein Tummelfeld für Vampire, und von denen waren nicht gerade wenige selber Cops. In dieser Nacht allerdings waren Cops und Vampire (und insbesondere Vampir-Cops) auch Opfer des Massakers geworden. Die Bewohner von Santa Mondega würden in einer Stadt erwachen, in der das Gesetz keinen Arm mehr hatte.

Gegen vier Uhr morgens wanderten zwei Gestalten über die verlassenen Straßen. Das Mädchen war Anfang zwanzig und trug zu ihren Jeans ein graues Sweatshirt. In der Dunkelheit wirkten die Blutflecke darauf tiefschwarz. Das Blut war aus einer Wunde an ihrem Hals gelaufen, die sie unter ihrem langen Haar versteckte. Ihr Freund, ein junger Mann im gleichen Alter, hatte sie ihr beigebracht. Kurz nach Mitternacht hatte er sie in eine Kreatur der Finsternis verwandelt, so wie auch er selbst eine war.

Seitdem waren sie durch die Stadt gezogen. Jetzt lungerten sie in einer dunklen Ecke vor dem Polizeirevier herum und wollten nachschauen, ob drinnen vielleicht noch jemand lebte. Hier hatte es besonders viele Tote gegeben.

Der junge Mann, Dante Vittori, trat schließlich hinaus ins Licht der Straßenlaternen. Auf seinem blauen Polizeiuniformenhemd, das ihm über die Hose hing, befanden sich diverse große Blutflecken. Er gab seiner Freundin einen Wink, damit sie ihm folgte. Das Revier stand trostlos und verlassen da. Dante ging selbstbewusst darauf zu. Ganz gleich, wer oder was sich vielleicht in der Nähe versteckte, niemand würde es wagen, ihn anzugreifen. Seine Begleiterin verließ jetzt ebenfalls den Schutz der Dunkelheit und rannte hinter ihm her.

»Ich bin wirklich nicht sicher, ob das hier momentan der richtige Aufenthaltsort für uns ist!«, rief sie, als er auf die Betonstufen vor dem Eingang zulief.

»Vertrau mir«, sagte er und drückte die Eingangstür auf. »Dadrin ist was Schönes für dich.« Er spähte durch die Tür, aber es war weit und breit niemand zu sehen.

Kacy war noch nicht ganz überzeugt. »Falls es nicht irgendein Wundermittel ist, das uns zurückverwandelt, bin ich nicht so wahnsinnig interessiert.«

»Komm schon, hier ist niemand«, versicherte Dante und hielt ihr die Tür auf.

Kacy ging hinein und wartete dann auf ihn. Am Empfang herrschte ein einziges Chaos. Die Stille war gespenstisch. Dante ging zum Aufzug am anderen Ende des Eingangsbereichs und vorbei an verschiedenen Schreibtischen und Tresen. Alles, inklusive der Wände und des Fußbodens, war voller Blut. Rechts an der Wand lag die Leiche eines Polizisten. Der obere Teil seines Schädels fehlte.

»Was dem wohl passiert ist?«, fragte Kacy.

»Peto, der Mönch, hat ihm eine verpasst.«

»Der Mönch, dem man den Kopf abgeschlagen hat?«

»Ja, Peto. War ein guter Kerl.«

»Ich hoffe, die Bullen finden seinen Mörder.«

»Ich wär schon überrascht, wenn die auch nur seinen Kopf finden.«

Kacy starrte stirnrunzelnd auf die Leiche des Polizisten. »Und wieso fehlt dem der halbe Schädel, wenn er nur ein paar Schläge abbekommen hat?«

»Nachdem Peto ihn ins Reich der Träume befördert hatte, wollte der Kid sichergehen, dass er nicht wieder aufwacht. Also hat er ihm von hinten in den Kopf geschossen.«

»Hübsch.« Kacy warf noch einen letzten Blick auf den leblosen Körper, dann folgte sie Dante zum Aufzug. »Und wo steckt der Kid jetzt? Wenn wir ihn aufspüren, würde er uns dann helfen?«

Dante schüttelte den Kopf. »Nee. Der Mönch hat dem Kid geholfen, dank des Auges des Mondes seine Seele zurückzubekommen oder so. Und dann ist der Kid durchgedreht, einfach abgehauen und hat uns alleingelassen.«

»Arschloch.«

»Ja, schon. Würde ich ihm aber nicht ins Gesicht sagen.«

Dante drückte den Knopf neben dem Aufzug, der sich daraufhin quietschend in Bewegung setzte. Plötzlich bemerkte Kacy einen widerlichen Geruch.

»Was zum Teufel stinkt hier so?«, fragte sie.

»Scheiße.«

»Was?«

»Das ist Scheiße, die da so stinkt.«

Mit einem Ping öffnete sich die Tür des Aufzugs. Er war von oben bis unten mit Blut und Scheiße verschmiert.

»Oh Gott!« Kacy schlug sich die Hand vor den Mund und wich zurück – nicht nur wegen des Anblicks, sondern auch wegen des grässlichen Gestanks.

»Siehst du.« Dante zeigte auf die braunen Flecken. »Scheiße. Der Kid hat einem der Cops seine Pumpgun in den Arsch geschoben und ihm dann die Gedärme rausgeblasen und die Scheiße überallhin verteilt. Echt eklig.«

»Wollen wir nicht lieber die Treppe nehmen?«, fragte Kacy.

Dante betrat den Aufzug und drückte einen der Knöpfe.

»Komm schon rein. Es ist nur Scheiße. Und Blut.« Er starrte in eine Ecke, die Kacy nicht einsehen konnte. »Okay, und die abgerissenen Eier des Kerls. Vermute ich mal. Sind ziemlich behaart.«

»Ich nehme die Treppe«, entschied Kacy. »Welcher Stock?«

»Keller.«

»Bis gleich.«

Die Aufzugtür schloss sich, und Kacy rannte nach rechts zu einer Tür, hinter der sich das Treppenhaus verbarg. Sie lief die Stufen hinunter in den Keller und kam sogar noch ein paar Sekunden vor dem Aufzug an.

Der Keller beherbergte eine ehemalige Umkleide, die schon bessere Tage gesehen hatte. Hier musste dringend mal gründlich geputzt und renoviert werden. An den Wänden standen Holzbänke, darüber alte Spinde. Der Boden war voller Blut (genauso wie oben in der Empfangshalle) und schwarzer Brandflecken. Und genau wie im Aufzug stank es nach Scheiße und Tod. Auch an den Wänden klebte literweise Blut. Allerdings war es bereits angetrocknet und konnte damit Kacys Gelüste nicht befriedigen, die sie langsam zu quälen begannen. Trotzdem, allein bei dem Anblick bekam sie unglaublichen Hunger.

Der Aufzug machte wieder Ping, die Türen öffneten sich, und Dante kam heraus. Er schaute sich im Keller um.

»Was wollen wir denn hier?«, fragte Kacy.

»Hier befindet sich etwas, das du bestimmt mögen wirst. Na ja, auf jeden Fall ist es was, das du gerade dringend brauchst.«

»Aha. Und was genau? Ein dreckiger Jockstrap?« Kacy warf einen finsteren Blick auf ihre Umgebung.

Dante küsste sie auf die Wange, dann lief er die Spinde an der linken Wand entlang. Dabei starrte er auf den Boden unter den Holzbänken davor. Nachdem er ungefähr zwanzig Spinde abgeschritten war, beugte er sich hinunter und tastete den Boden unter der Bank ab. Dann zog er ein Päckchen hervor, das dort versteckt gewesen war. Grinsend drehte er sich zu Kacy um und entblößte dabei seine spitzen Vampirzähne.

»Was ist das?« Kacy zeigte auf das Päckchen in seinen Händen.

»Fang!«

Er warf es ihr zu. Schon als es sich noch in der Luft befand, erkannte Kacy, dass es sich um einen Beutel mit einer Flüssigkeit handelte. Einer dunklen Flüssigkeit. Geschickt fing sie ihn auf. Der Beute war prall gefüllt mit Blut. Allein der Anblick ließ ihr Herz schneller schlagen, und sie spürte, wie ihre Eckzähne ein Stück wuchsen. Dann überkam sie der unkontrollierbare Trieb. Mit ihren nun messerscharfen Zähnen riss sie den Beutel auf und ließ sich das Blut gierig in den Mund laufen. Es rann ihr über die Lippen, übers Kinn und die Wangen. Jeder Schluck steigerte ihren Rausch. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Reines, pures Adrenalin pulsierte in ihren Adern, und die Welt um sie herum versank. Mit geschlossenen Augen ließ sie sich von einer Welle der Lust davontragen. Kacy fühlte sich auf einmal eins mit dem Universum und ging vollkommen in diesen Empfindungen auf, bis Dante ihr die Hand auf den Arm legte.

»Hey, lass mir noch was übrig«, hörte sie ihn sagen.

Sie öffnete die Augen und holte tief Luft. Dante nahm ihr den Beutel ab. Kaum hatte er ihn in der Hand, verlor auch er jede Selbstbeherrschung und goss sich das Blut in den Mund. Ihm war deutlich anzusehen, dass er dieselbe orgiastische Erfahrung dabei machte, die Kacy eben selbst erlebt hatte.

Nachdem er den Beutel komplett geleert hatte, stand Dante regungslos da, atmete tief durch und blinzelte. Sein Gesichtsausdruck spiegelte extreme Befriedigung. Erst jetzt bemerkte Kacy, dass auch sie selig grinste. Vielleicht war dieses Vampir-Dasein doch nicht so übel.

»War das nicht großartig?«, fragte sie.

»Unglaublich«, bestätigte Dante. »Ich meine, also, als ich dich vorhin gebissen und in einen Vampir verwandelt habe, da habe ich ja auch was von deinem Blut getrunken. Aber das ist überhaupt kein Vergleich mit diesem Zeug. Ist nicht böse gemeint, Süße.«

»Kein Problem.«

»Der Stoff ist echt besser als Heroin.«

»Wann hast du denn Heroin genommen?«

»Hab ich nicht. Nur so ’ne Redensart.«

Kacy strich sich mit dem Finger über die Wange und leckte eine kleine Blutspur ab. »Wo kommt das denn her?«, wollte sie wissen. »Davon sollten wir noch mehr besorgen.«

Dante zuckte mit den Schultern. »Haben wir vorhin hier unten gefunden. Einer der Vampire, den der Kid erledigt hat, hatte es in der Tasche. Wir haben es dann unter den Spind geworfen. Ich wär noch nicht mal im Traum auf Idee gekommen, dass ich es nachher gleich selber trinke.«

Kacy musterte den Beutel. Es befand sich ein weißer Aufkleber darauf, der ganz geblieben war, als sie den Beutel aufgerissen hatte.

»Was steht dadrauf?« Sie zeigte auf den Aufkleber.

Dante drehte den Beutel um und schaute nach.

»Da steht, dass es sich um das Blut eines gewissen Archibald Somers handelt«, sagte er und zuckte wieder die Achseln.

»Archibald Somers«, wiederholte Kacy. »Der Name kommt mir bekannt vor. Wer war denn das?«

»Keine Ahnung, aber das Blut von dem Kerl könnte ich den ganze Tag lang saufen. Ich hab so was noch nie erlebt. War das bei dir eben auch so?«

Kacy nickte. »Ja, einfach unglaublich. Wie kommen wir an Nachschub?«

Dante schien wirklich angestrengt nachzudenken, was für ihn ungewöhnlich war. Schließlich verkündete er: »Ich glaube, ich weiß wo!«

»Echt?«

»Im Nachtclub. The Swamp. Der gehört Vanity, dem Oberhaupt der Shades. Kann sogar sein, dass er Blut für uns dahat.«

»Können wir dem denn vertrauen?«

»Ich denk schon. Na ja, ich gehör ja jetzt zu seinem Clan. Alle anderen Vampire des Clans sind tot. Da wird er sich wahrscheinlich freuen, mich zu sehen, besonders weil ich dich mitbringe. Bestimmt ist er dankbar, weil ich gleich ein neues Clan-Mitglied anschleppe.«

»Hat er denn eine Ahnung, dass du gestern Nacht mit dem Kid und dem Mönch gemeinsame Sache gemacht hast?«

»Gibt nur eine Möglichkeit, das rauszufinden. Wir müssen in den Swamp.«

Kacy schaute auf ihre Uhr. »Es ist schon deutlich nach vier Uhr. Sollten wir uns nicht Sorgen machen wegen der Sonne und so?«

»Nee, die wird aufgehen wie an jedem Tag.«

»Das meinte ich damit nicht, du Idiot. Wenn wir als Vampire ins Tageslicht rausgehen – schmelzen wir dann nicht?«

»Ich habe keinen Schimmer.«

»Dann sollten wir einen Zahn zulegen!«

Die beiden hetzten die Treppe hinauf zum Empfangsbereich. Dort war es immer noch gespenstisch still. Glücklicherweise war es draußen stockdunkel. Während Kacy und Dante vorsichtig den Blutlachen auf dem Boden auswichen, erschien vor der doppelten Glastür am Eingang plötzlich das Gesicht eines offensichtlich panischen kleinen Jungen. Er konnte kaum älter als acht Jahre sein. Verzweifelt hämmerte er gegen das Glas und schrie etwas, das wie Helft mir! klang.

Doch bevor Dante und Kacy reagieren konnten, tauchte hinter dem Jungen aus der Dunkelheit eine Gestalt auf. Sie packte ihn und zog ihn von der Tür fort. Eine Sekunde später waren der Kleine und sein viel größerer Angreifer verschwunden.

»Scheiße!«, rief Dante. »Hast du das mitbekommen?«

Kacy versuchte zu begreifen, was sie da eben gesehen hatte. Es war alles so furchtbar schnell gegangen. »Konntest du erkennen, wer den Jungen gepackt hat?«

Dante nickte. »Ja, was für ein durchgedrehter beschissener Dreck! Offenbar sind wir nicht die einzigen Vampire, die zu dieser Uhrzeit noch unterwegs sind.«

»Bist du dem Kerl schon mal begegnet?«

»Ja, aber nur zusammen mit dir, und da war er kein Vampir.«

ZWEI ♦

Beth erwachte aus ihrem leichten Schlaf. Im Bett war es warm und gemütlich. Wärmer als sonst, weil JD neben ihr lag. Nach achtzehn Jahren hatten sie einander endlich wiedergefunden. Noch nie war sie beim Aufwachen so glücklich gewesen. JD war vor ihr eingeschlafen, und sie hatte sich noch etwas wach gehalten, um ihn einfach nur anzuschauen. Ja, er war wirklich zu ihr zurückgekehrt, es war kein Traum gewesen. Beth rieb sich die Augen und drehte sich dann auf die Seite. Doch neben ihr war die Bettdecke aufgeschlagen.

JD war fort.

Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Dann hatte sie es also doch nur geträumt? Oder war er wirklich am Ende des Piers aufgetaucht, wo sie gewartet hatte? Gewartet, wie seit achtzehn Jahren in jeder Halloween-Nacht?

Beth überlegte angestrengt. Ihr Kopf arbeitete langsam, und sie war noch nicht richtig wach. Die Vorhänge waren zugezogen, und draußen herrschte tiefste Dunkelheit. Sie legte ihre Hand auf die andere Seite des Bettes. Das Laken war warm. Also konnte es kein Traum gewesen sein. Bestimmt nicht – es kam ihr ja alles so real vor! Sie hatte sich doch nicht eingebildet, dass sie in seinen Armen eingeschlafen war!

Auf dem leeren Kopfkissen entdeckte Beth ein Stück braunen Stoff. Schnell griff sie danach und hielt es in die Höhe. Ein dunkelrotes Herz war daraufgenäht, in dem sich in Blau die Buchstaben JD befanden. Erleichtert stellte Beth fest, dass sie doch nicht verrückt geworden war. Der Stoff war der endgültige Beweis, dass die letzte Nacht tatsächlich stattgefunden hatte. Doch was hatte dieses Stoffstück zu bedeuten? War es vielleicht ein Abschiedsgeschenk?

Eilig sprang sie aus dem Bett und wickelte sich in die Bettdecke. Auf einmal kam ihr das Schlafzimmer kalt und leer vor, obwohl es eben noch so warm und wunderbar dort gewesen war. Beth spähte in das schäbige Wohnzimmer ihrer winzigen Wohnung, doch auch da war niemand. Panik stieg in ihr hoch. War sie etwa wieder ganz allein auf der Welt? Glücklicherweise öffnete sich in dem Augenblick die Wohnungstür und JD kam herein. Er trug immer noch die Jeans, das T-Shirt und die Lederjacke, in denen er auf dem Pier aufgetaucht war. Als er ihren erschrockenen Gesichtsausdruck bemerkte, beruhigte er sie schnell mit einem liebevollen Lächeln.

»Tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe«, sagte er.

Beth ließ einen Seufzer der Erleichterung hören. »Ich dachte, du wärst weg.«

»Ich war nur kurz draußen, um etwas frische Luft zu schnappen, weil ich nicht schlafen konnte.«

Er zog die Jacke aus und warf sie auf die Rückenlehne von Beths grünem Zweisitzersofa, dann ließ er sich darauf fallen und starrte auf den Fernseher. Wo war bloß die verdammte Fernbedienung? JD entdeckte sie auf dem Boden vor sich, hob sie auf und stellte das Gerät an. Der eingeschaltete Sender zeigte einen Horrorstreifen.

Immer noch in die Bettdecke eingewickelt, ging Beth hinüber zum Sofa. Sie setzte sich neben JD und küsste ihn auf die Wange. »Ich dachte in meiner Panik schon, ich hätte alles nur geträumt.«

»Vielleicht hast du das ja. Vielleicht träumst du immer noch.«

»Dann will ich nie mehr aufwachen.«

Er erwiderte ihren Kuss. »Nein, Beth, es ist kein Traum, das verspreche ich dir. Ich bin wieder da, und von nun an bleibe ich hier.«

»Du weißt ja gar nicht, wie großartig es ist, das zu hören! Und ich dachte schon, du wärst möglicherweise nur für eine Nacht zurückgekehrt. Kann ja sein, dass du irgendwo noch andere Freundinnen hast.«

»Hab ich auch. Ich ziehe immer von einer zur anderen. Die letzten achtzehn Jahre hab ich die Liste abgearbeitet, und fang oben wieder an. Du bist die Kleine aus Santa Mondega.«

Beth knuffte ihn in die Seite. »Hättest du wohl gern, was?«

»Eines verspreche ich dir, Beth, falls ich jemals fortgehe, nehme ich dich mit.«

»Wie wäre es, wenn du jetzt erst mal zurück mit mir ins Bett kommst?«

»Klar, ich will nur noch kurz die Nachrichten sehen.« JD schaltete auf den Lokalsender um. Mit ernster Miene las dort ein Reporter das Neuste vom Tage vor. Beth schaute auf den Bildschirm und runzelte die Stirn. »Warte mal«, sagte sie. »Worum geht es denn da?«

Unten im Newsticker stand:

HUNDERTE VON TOTEN. DER BOURBON KID SCHLÄGT WIEDER ZU.

»Oh Gott!«, rief Beth und holte tief Luft. »Hoffentlich kenne ich keines der Opfer!«

Genau in diesem Moment verlas der Reporter, dass sich unter den Toten auch Bertram Cromwell befand – Beths Chef im Museum.

Sie war vollkommen entsetzt. Cromwell war praktisch ihr einziger Freund in dieser Stadt. »Ich glaub das einfach nicht«, sagte sie. »Cromwell war einer der nettesten Menschen in Santa Mondega. Meinen Job habe ich nur ihm zu verdanken. Und jetzt hat der Bourbon Kid ihn ermordet. Cromwells Frau wird am Boden zerstört sein. Wie schrecklich!«

JD massierte Beth den Rücken, um sie zu beruhigen. »Vielleicht solltest du das als Zeichen sehen und im Museum kündigen. Oder wir hauen am besten gleich ganz aus diesem Drecksloch ab.«

Beth bekam kaum mit, was JD sagte. Sie konnte nur noch an Bertram Cromwell und seine Familie denken. »Diesen Bourbon Kid sollten sie auf den elektrischen Stuhl bringen!«

JD zog sie eng an sich. »Ich glaube, der Bourbon Kid hat sich nur die Vampire in der Stadt vorgeknöpft. Bestimmt hat er mit Cromwells Tod nichts zu tun.«

»Vampire?«, wiederholte Beth und kehrte mit ihren Gedanken in die Gegenwart zurück. »So wie dieses Ding, das uns damals auf dem Pier angegriffen hat?«

»Genau.«

»Aber war das auch wirklich ein Vampir? Ich bin seitdem nie wieder einem begegnet. Inzwischen hab ich schon überlegt, ob ich mir die Geschichte nur eingebildet habe.«

»In der Stadt wimmelte es nur so von denen. Aber die sind jetzt alle tot, da wette ich drauf.«

»Kann sein, aber der Bourbon Kid rennt noch immer lebend herum. Den halte ich für eine schlimmere Bedrohung als diese Vampire.«

Der Newsticker meldete indes anderes:

EILMELDUNG+++++BOURBON KID VON SPEZIALKRÄFTEN GESTELLT UND GETÖTET+++++ EILMELDUNG

JD zog Beth wieder an sich, fester diesmal, und küsste sie. »Siehst du, du musst keine Angst mehr haben. Der Bourbon Kid ist tot und alle Vampire auch.«

Beth zwang sich zu einem Lächeln. Plötzlich fiel ihr der Stoff mit dem Herzen darauf wieder ein, den sie noch immer in der Hand hielt. »Das hast du auf deinem Kissen liegen lassen«, sagte sie und hielt das Stoffstück hoch.

»Das ist für dich.«

»Und was genau ist das?«

JD überlegte kurz. »Wofür hältst du es denn?«

»Für ein Stück Stoff mit deinen Initialen.«

»Dann ist es das wohl auch.«

»Komm schon, JD.« Sie knuffte ihn liebevoll. »War das ein Zeichen für mich, dass du wiederkommst?«

Er lächelte. »Ja. Pass gut drauf auf. Zu diesem Herzen kehre ich immer wieder zurück. Aber bis dahin musst du nicht noch einmal achtzehn Jahre warten, das schwöre ich dir.«

»Dann kann ich es behalten?«

»Es gehört dir.«

Beth musterte das Herz. Jetzt besaß sie etwas von JD, das eine besondere Bedeutung hatte. Es allein schon in der Hand zu halten, gab ihr ein Gefühl von Sicherheit. Solange sie dieses Herz mit den Initialen darauf besaß, gehörte JD zu ihr.

DREI ♦

Der Swamp, Vanitys Club, war viel nobler als sein an Moder und Dreck erinnernder Name vermuten ließ. Kacy hatte mit einer billigen Bar in einer dunklen Nebenstraße und einem Haufen Säufern gerechnet. Stattdessen erwartete sie ein fünfstöckiges Gebäude im Süden der Stadt. Als sie sich dem Eingang näherten, landete etwas vor ihnen auf dem Boden.

»Ist das Schnee?«, fragte Kacy.

»Unmöglich«, antwortete Dante. »In Santa Mondega hat es noch nie geschneit.«

»Was zum Teufel ist das denn dann?«

»Keine Ahnung, aber komm, wir beeilen uns besser, dort reinzukommen.« Er stieß die leichtgängige schwarze Eingangstür des Clubs auf. »Hier hängen immer eine Menge unheimlicher Kerle rum, Kacy. Du bleibst also besser in meiner Nähe.«

»Na super.«

Dante stieg seiner Freundin voran mehrere Stockwerke hoch. Nirgends war weit und breit auch nur eine einzige Menschenseele zu sehen. Und auch kein einziger unheimlicher Kerl. Nicht mal irgendein Depeche-Mode-Fan. Im Swamp war es genauso einsam und verlassen wie draußen auf den Straßen.

»Hier ist tote Hose«, flüsterte Kacy.

»Seltsam«, meinte Dante. »Als ich das letzte Mal da war, hingen auf der Treppe jede Menge Vampire ab, die allen möglichen Scheiß gemacht haben. Wo sind die bloß hin?«

Eine Stimme über ihnen antwortete: »Die sind in der Casa de Ville.«

Die beiden blieben stehen und schauten nach oben. Von einem Treppenabsatz über ihnen starrte ein Vampir mit einer Sonnenbrille und einem gepflegten Kinnbart auf sie herab. Dante erkannte ihn sofort.

»Hey, Vanity, wie läuft’s?«, rief er und winkte.

Kacy kam Vanitys Outfit sofort bekannt vor. Er trug dieselbe schwarze Lederjacke, die man Dante gegeben hatte, als er sich vor ein paar Tagen in den Shades-Clan der Vampire eingeschleust hatte. Vanity kombinierte die Lederjacke mit einem schwarzen T-Shirt, schwarzen Jeans und passenden Boots.

»Kommt rauf!«, rief er ihnen zu. »Ich geb euch ein paar saubere Klamotten. Und dann erzählt ihr mir, was ihr die ganze Nacht getrieben habt.«

Kacy griff nach Dantes Hand und folgte ihm zum Treppenabsatz, auf dem Vanity gestanden hatte. Als die beiden ihn erreicht hatten, befand Vanity sich bereits im Billardsaal. Hier gab es zahlreiche mit Filz bezogene Tische und eine lange Bar.

»Ich war hier schon mal. Hab mich mit so ein paar Komikern geprügelt«, flüsterte Dante Kacy zu.

»Warum überrascht mich das nicht?«

Vanity wartete neben einem der Billardtische, auf den er zwei schwarze Lederjacken geworfen hatte. Die Rückseite war mit dem goldenen Schriftzug »The Shades« bestickt. Wie billig, dachte Kacy, behielt das aber aus Höflichkeitsgründen für sich.

Vanity nahm die Sonnenbrille ab. Solche Augen hatte Kacy noch nie gesehen. Ihre Farbe changierte flackernd zwischen verschiedenen Tönen – Gold, Schwarz, Silber – wie eine Diskokugel. Ein hypnotisierender Anblick. Vanity starrte Kacy einen Moment an, bevor er sich an Dante wandte.

»Wer ist die Kleine?«

»Die hab ich gerade aufgerissen«, sagte Dante. Kacy ließ ihn los, er ging zu Vanity hinüber und begrüßte ihn mit Handschlag. »Sie ist ziemlich cool. Du wirst sie mögen.«

Vanity zog einen Schmollmund und musterte Kacy von Kopf bis Fuß. »Wie heißt du, Süße?«

»Kacy.«

»Kacy. Hübscher Name«, stellte er fest und musterte sie noch einmal. »Genau wie du. Die wird bei der Initiation gut ankommen. Bestimmt will jeder Kerl sie vögeln.«

Kacys ohnehin schon kaltes Vampirblut kühlte sich noch einmal ein paar Grad ab. »Was?«

Vanity grinste. »Nur ein Witz.«

Kacy seufzte ziemlich erleichtert und sah, wie Dante sich eine Schweißperle von der Stirn wischte. Er war offenbar ebenfalls auf Vanitys schlechten Scherz reingefallen.

»Hier!« Vanity warf Kacy eine der Lederjacken zu. »Zieh die an. Wir drei müssen uns auf die Socken machen. Alle Vampire haben sich in der Casa de Ville bei Rameses Gaius zu versammeln.«

»Warum?«, fragte Dante.

»Du hast doch wohl mitbekommen, was heute Nacht abgegangen ist, oder?«, entgegnete Vanity.

»Der Bourbon Kid soll eine Menge Leute plattgemacht haben«, meldete sich Kacy zu Wort, damit Dante nicht verraten musste, wo genau er sich aufgehalten hatte, als es losgegangen war.

»Ja.« Vanity nickte. »Déjà Vu hat sich als der Bourbon Kid entpuppt. Schon gewusst, Dante?«

Dante zog gerade die Lederjacke über. Ein paar Sekunden lang tat er so, als hätte er Vanitys Frage nicht gehört, und klopfte imaginären Staub von der Lederjacke ab. Währenddessen überlegte er sich krampfhaft eine Antwort. Schwer zu sagen, ob Vanity bereits Bescheid wusste und ihn nur auf die Probe stellen wollte. Wieder mischte Kacy sich schnell ein. »Haben wir draußen schon mitbekommen«, verkündete sie. »Ist Stadtgespräch.«

»Ach ehrlich?«, fragte Vanity. »Habt ihr dann auch gehört, dass sie ihn erwischt haben?«

Diesmal antwortete Dante sofort. »Wirklich? Sie haben den Bourbon Kid erwischt?«

»Klar. Ein paar Jungs vom Militär, die Gaius angeheuert hat, haben ihn gefangen und ihm den verdammten Kopf abgeschlagen.«

»Oh, scheiße.« Dante gelang es nicht, seinen Schock darüber zu verbergen.

Kacy hingegen bereitete das nicht halb so viel Kummer wie Dante. Sie interessierte sich vor allem dafür, wie die neue Lederjacke ihr wohl stehen würde. Schnell schlüpfte sie hinein und stellte begeistert fest, dass die Jacke perfekt passte. Dann warf Vanity ihr eine Sonnenbrille zu.

»Sie haben ihn geschnappt und umgelegt und euch damit wahrscheinlich den Hals gerettet«, erklärte Vanity. »Ich bezweifle, dass die höheren Mächte im Moment besonders beglückt sind unseretwegen.«

»Vielleicht sollten wir dann lieber hier bleiben?«, schlug Kacy vor und musterte die Sonnenbrille. Konnte man da wirklich etwas durchsehen?

»Wir kriegen jetzt schon Ärger«, sagte Vanity. »Wir haben Glück, dass der Bourbon Kid heute Nacht Hunderte Vampire erledigt hat und Gaius nicht mehr viele Leute hat. Er stellt nämlich gerade eine Armee der Untoten auf, die die Stadt übernehmen soll. Dass er dafür erfahrene Vampire braucht, sollte uns erst mal den Kopf retten.«

»Ist es draußen denn momentan sicher?«, fragte Kacy. »Ich meine … Geht nicht bald die Sonne auf?«

Vanity schüttelte den Kopf. »Gaius sagt nein. Er hat es irgendwie hinbekommen, dass schwarze Wolken die gesamte Stadt verdunkeln. Also sind wir so lange Daywalker.«

»Echt?«

»Ja. Archie Somers hat jahrelang versucht, den Himmel dauerhaft zu verdunkeln. Gaius hat es problemlos hinbekommen.«

Kacy hob den Kopf. »Wer ist denn Archie Somers?«

»Der alte Boss. Ober-Blutsauger, einer der ersten Daywalker.«

»Wir haben eben sein Blut getrunken«, platzte Dante mit dem Gedanken heraus, der Kacy gerade durch den Kopf gegangen war.

»Was?«

»Wir waren in der Polizeistation auf der Suche nach potenziellen Opfern und haben dort einen Beutel mit dem Namen Archie Somers drauf entdeckt.«

»Archie Somers? Wo ist der Beutel jetzt?«

»Wir haben ihn leer gemacht.«

Vanity schaute sie misstrauisch an. »Wollt ihr mich verarschen?«

»Nein«, versicherte Dante. »Das Zeug war verdammt geil.«

Vanity seufzte. »Ich an eurer Stelle würde das hübsch für mich behalten«, sagte er. »Lasst so einen Scheiß nicht Jessica oder Gaius hören, sonst grillt der euch mit Laserstrahlen aus seinen Fingerspitzen. Tja, und Jessica würde euch gleich die Gedärme rausreißen.«

»Wer ist Jessica?«, erkundigte sich Kacy vorsichtig.

»Die lernst du gleich in der Casa de Ville kennen. Allerdings müssen wir auf dem Weg dahin einige Zwischenstopps einlegen, um zu schauen, ob wir noch ein paar Verstreute aus unserem Clan finden. Je mehr wir sind, desto sicherer sind wir.«

»Super«, sagte Kacy, und man merkte ihr die mangelnde Begeisterung deutlich an.

Vanity setzte die Sonnenbrille auf und zeigte zur Tür. Kacy bemerkte, dass auch Dante seine Brille aufsetzte, und tat es ihm schnell gleich. Erstaunt stellte sie fest, wie perfekt sie sehen konnte, obwohl es relativ dunkel im Raum war.

Eilig ging Vanity an ihr vorbei zur Treppe, sprang über das Geländer und war verschwunden. Kacy rannte ihm hinterher. Vanity landete unten gerade sanft auf dem Boden. Sie drehte sich zu Dante um.

»So was können wir?«, fragte sie.

Dante verzog das Gesicht. »Sieht ganz so aus. Ich zuerst?«

»Darauf kannst du einen lassen!«

Er holte gerade Schwung, da packte Kacy ihn am Arm. »Wollen wir uns jetzt ernsthaft einer Armee aus Untoten anschließen, Schatz?«

»Ich glaub schon.«

»Bist du sicher, dass das wirklich eine gute Idee ist?«

»Na ja, im Moment sind wir Vampire, da sollten wir uns erst mal anpassen.«

»Ich weiß nicht, ob ich schon so weit bin, andere Leute abzumurksen.«

Dante zog Kacy an sich und drückte ihr einen Kuss auf das lange dunkle Haar. »Wir sind jetzt Vampire, Süße«, wiederholte er. »Bis wir das Auge des Mondes finden und uns in Menschen zurückverwandeln können, müssen wir mitmachen.«

»Wahrscheinlich hast du recht«, sagte Kacy. »Aber Vanity meinte, die Vampirarmee will die Stadt unterwerfen. Sollen wir das etwa unterstützen?«

»Weiß nicht, Süße, aber ohne den Bourbon Kid wird sie keiner davon abhalten können. Zumindest sind wir dann auf der Seite der Sieger.«

»Das stimmt, aber ich krieg einfach das Bild des kleinen Jungen in der Polizeistation nicht aus meinem Kopf.«

»Na danke auch, den hatte ich gerade vergessen.«

»Ich schaff das nicht. Es macht mich immer noch fertig.«

»Versuch, an was anderes zu denken.«

»Woran denn?«

»Baseball.«

Kacy seufzte. »Es ist nicht nur die Erinnerung allein, sondern auch, was das für uns bedeutet.«

»Hä?«

Dante kapierte einfach nicht, worauf sie hinauswollte, also musste sie es ihm wohl erklären. »Ich könnte niemals ein Kind verletzen. Was, wenn unser Blutdurst uns dazu bringt, Kinder zu töten?«

»Du würdest niemals einem Kind etwas antun, Kacy, und ich auch nicht.«

»Ich weiß, aber falls sich das nun ändert? Ich will auf keinen Fall die Kinder von irgendwelchen Leuten umbringen. Ich wäre am liebsten sofort wieder ein Mensch.«

Dante küsste sie auf die Stirn. »Schon okay, Süße. Ich sag dir was. Wenn wir mitbekommen, dass ein Vampir ein Kind aussaugen will, schlag ich dem Vampir den Schädel ein.«

»Und ich helf dir dabei.«

»Abgemacht, aber du weißt, dass wir vor allem und zuallererst das Auge des Mondes finden müssen, ja?«

»Hast du schon einen Plan?«

»Nein. Wann hatte ich jemals einen Plan? Pläne sind was für Weicheier.«

Wenn Dante so leidenschaftlich wurde und dabei alle Gefahren in den Wind schlug, wusste Kacy wieder, warum sie sich in ihn verliebt hatte. Er mochte zwar ein unterbelichteter Idiot sein, aber er hatte wirklich Mut.

»Ich liebe dich«, sagte sie.

Dante kniff ihr in den Hintern. »Ich liebe dich auch, und dieser ganze Vampirkram ist für uns bald Geschichte. Vertrau mir.«

VIER ♦

Sanchez hasste Schnee. Bisher kannte er ihn zwar nur aus dem Fernsehen, aber das reichte. Als er an diesem ersten November nach den schrecklichen Ereignissen der letzten Nacht aufgewacht war, gaben ihm die schneebedeckten Straßen den Rest. Das Zeug war über Nacht dick und reichlich vom Himmel gefallen und lag nun zehn Zentimeter hoch draußen herum. Die Kinder waren begeistert und eifrig damit beschäftigt, Schneemänner zu bauen. Als Sanchez zu seinem Auto gegangen war, hatte ihn jemand mit einem Schneeball beworfen. Er hatte den Zeitungsjungen in Verdacht – dieser kleine Scheißer. Das einzig Gute an dem eisigen Wetter war, dass er endlich mal Gelegenheit bekam, seine Top-Gun-Lederjacke anzuziehen, die er sich im Internet bestellt hatte. Seitdem allerdings war es für die Jacke in Santa Mondega immer zu warm gewesen. Daher war sie bisher nur in seinem Schlafzimmer zum Einsatz gekommen, wenn er vor dem Spiegel stand und Tom Cruise spielte.

Seine Fahrt zum Olé Au Lait, wo er immer frühstückte, dauerte heute länger als sonst. Das lag zum Teil an den glatten Straßen, aber vor allem daran, dass Sanchez ein paar Mal die Fahrbahn verließ, um Schneemänner auf dem Bürgersteig zu erledigen.

Kurz nach neun Uhr trudelte er im Café ein. Schlimme Erfahrungen hatten ihn gelehrt, möglichst früh dort aufzutauchen – bevor die Rentner sich hier einfanden. Die setzten sich nämlich bevorzugt an einen der Tische neben ihm und furzten vor sich hin, während er frühstückte.

Mit einem schwarzen Beutel über der Schulter betrat er das Café. Falls er heute Morgen hier essen wollte, musste er erst seine Schulden bei Rick begleichen. Dem gehörte der Laden. Am Tag zuvor hatte Rick ihn angerufen und ihm einige wertvolle Informationen zugespielt. Sanchez hatte ihm dafür eine Flasche Schnaps versprochen, und diese Flasche steckte jetzt in seinem Beutel. Allerdings hoffte er, dass Rick vielleicht gerade nicht da war und er das Zeug deshalb nicht übergeben musste. Abgesehen vom Schnaps befand sich in Sanchez’ Beutel auch noch ein Buch, das er aus der Bibliothek gestohlen hatte. Das Buch des Todes. Leider hatte er darin nichts über das Buch ohne Namen gefunden und auch nichts darüber, wer Jessica war. Tatsächlich wurde Jessica im ganzen Buch nur ein einziges Mal erwähnt, und zwar in einer Notiz, die er selbst hineingekritzelt hatte. Rick hatte ihm ihren vollen Namen gesagt, und dann noch von einem Bekannten von ihr erzählt, der Rameses Gaius hieß. Beide Namen hatte Sanchez auf einer leeren Seite des Buchs aufgeschrieben, um sie später im Netz zu recherchieren.

Auf dem Weg zum Tresen des Cafés nahm er einen unangenehmen Uringeruch wahr. An einem der Tische saß ein zusammengesunkener besoffener Weihnachtsmann. Schlaftrunken murmelte er so etwas wie Nur ein paar Groschen, bitte vor sich hin. Sanchez ignorierte ihn und heuchelte stattdessen ein Lächeln für Rick hinterm Tresen, der gerade Scheine in die Kasse zählte. Heute trug er nicht wie sonst seine weißen Kochklamotten, sondern Jeans und, verdammte Scheiße, eine Top-Gun-Lederjacke. Dreckskerl. Er hob den Kopf und erwiderte Sanchez’ Lächeln.

»Morgen, Sanchez. Tolle Jacke.«

»Ja, deine auch«, erwiderte Sanchez, der innerlich kochte.

Rick musterte den Beutel. »Ich hoffe, da ist meine Flasche Jack Daniel’s drin.« Sein Lächeln verwandelte sich in ein breites Grinsen.

»Aber klar doch«, antwortete Sanchez. »Da ist sie drin.«

»Dann her damit.«

Sanchez steckte die Hand in den Beutel. Die Flasche war nach unten gerutscht, unter das Buch des Todes. Er zog den großen schwarzen Hardcover-Band zuerst aus dem Beutel und legte ihn auf den Tresen.

»Was ist das denn?«, fragte Rick.

»Ein Buch, das ich nachher zurück in die Bibliothek bringen muss.«

Rick drehte das Buch um, damit er den Titel sehen konnte. »Das Buch des Todes? Worum geht’s denn da?«

Sanchez holte den Jack Daniel’s raus und stellte ihn auf das Buch. »Weiß ich nicht so genau. Ist nur eine Liste mit Namen, nach Daten geordnet wie ein Tagebuch.«

»Oh.« Rick klang enttäuscht. »Hör mal, ich muss heute Vormittag sowieso noch in die Bibliothek. Wenn du willst, geb ich das Buch für dich ab.«

»Das wär toll«, sagte Sanchez. »Aber gib es nicht am Tresen zurück, sondern stell es einfach wieder an seinen Platz im Regal.«

Rick zog eine Augenbraue hoch. »Hast du es etwa rausgeschmuggelt?«

»Nein, aber ich habe ein paar Namen reingekritzelt.«

»Warum?«

»Ich hatte gerade kein Notizpapier dabei.«

»Na ja, halb so wild, ein bisschen Gekritzel ist kein Verbrechen«, erklärte Rick.

»Leider doch. Öffentliches Eigentum der Bibliothek zu beschädigen, ist ein ziemlich ernstes Vergehen.«

»Gegen wen?«

»Schon mal die Frau gesehen, die da arbeitet?«

Rick verstand, was Sanchez meinte, und grinste breit. »Ganz schönes Miststück, was?«

Sanchez stimmte Rick aus tiefstem Herzen zu – er konnte Ulrika Price auf den Tod nicht ausstehen. »Und das ist noch freundlich ausgedrückt.«

Rick griff nach der Flasche, schraubte den Deckel ab und roch daran. »Gutes Zeug«, stellte er fest.

»Was hast du denn erwartet?«

»Dass du vielleicht was von deinem Selbstgebrannten anschleppst.«

Sanchez bemühte sich um einen beleidigten Gesichtsausdruck. »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«

»Aber natürlich nicht«, sagte Rick. »Der Weihnachtsmann dahinten in der Ecke riecht genau wie das Zeug, das du sonst ausschenkst.«

»Wie auch immer«, meinte Sanchez. »Zeit fürs Frühstück. Ich hab Hunger.«

»Hey, Flake! Kundschaft!«, rief Rick ins Hinterzimmer.

Ricks Chefkellnerin Flake erschien mit Zettelblock und Stift. Ihr langes braunes Haar hatte sie zum Pferdeschwanz nach hinten gebunden, und sie trug das Kellnerinnen-Outfit, das Rick von all seinen weiblichen Angestellten verlangte. Sanchez konnte ihm dazu nur gratulieren. Es bestand aus einem schwarzen Kleid und ebensolchen Strümpfen, beides unterstrich Flakes Figur ganz ausgezeichnet.

»Guten Morgen, Sanchez«, begrüßte sie ihn mit einem strahlenden Lächeln. »Das große Frühstück und einen großen Kaffee?«

»Ja, bitte, Flake.«

Sie zeigte auf einen Tisch am anderen Ende des Cafés, weit weg von dem nach Pisse stinkenden Weihnachtsmann. Das kam Sanchez entgegen, der ohnehin ungern in der Nähe anderer Gäste frühstückte, besonders wenn sie einen solchen Gestank verbreiteten. »Dahinten habe ich gerade alles sauber gewischt und eine Zeitung für dich bereitgelegt.« Flake zwinkerte ihm zu.

»Danke.«

Rick klemmte sich das Buch des Todes unter den Arm und kam um den Tresen herum. »Flake, ich fahr jetzt ins Zentrum. Sobald Sanchez fertig ist, kannst du auch gehen.«

»Machst du heute früher zu?«, erkundigte sich Sanchez.

»Wenn ich nicht gewusst hätte, dass du mit dem Jack Daniel’s vorbeikommst, hätt ich gar nicht aufgemacht«, erklärte Rick und drehte das Schild an der Eingangstür auf GESCHLOSSEN. Beim Rausgehen blinzelte er Sanchez noch einmal über die Schulter hinweg zu. »Lass dich nicht von Flake zu irgendwelchen Dummheiten überreden.« Damit stapfte er hinaus in den Schnee.

»Ich bring dir gleich den Kaffee«, sagte Flake zu Sanchez. »Setz dich schon mal hin.«

Sanchez marschierte zu seinem verdächtig sauberen Tisch und beäugte Flake misstrauisch. Wollte sie irgendwas Bestimmtes von ihm und versuchte nur, sich bei ihm einzuschmeicheln? Hatte sie irgendwelche Hintergedanken? Oder hoffte sie auf ein besonders großes Trinkgeld?

»Du bist ja heute gut drauf, Flake«, stellte Sanchez fest. »Gibt’s dafür einen bestimmten Grund?«

»Ich freu mich natürlich, dich zu sehen«, antwortete sie. »Gott sei Dank bist du nicht unter den Opfern von letzter Nacht.«

»War ziemlich knapp, ich hatte nämlich ein kleines Problem mit dem Bourbon Kid und ein paar Werwölfen.«

»Hab ich gehört. Du Glückspilz bist erneut heil aus einer Schießerei rausgekommen.«

»Das schon – aber dieses Arschloch hat schon wieder meine gesamte Kundschaft umgenietet.«

»Hast du ihm denn wieder Pisse eingeschenkt statt Bourbon?«

Sanchez setzte sich, nahm die Zeitung und überflog die Schlagzeilen. »Dazu hatte ich diesmal leider keine Gelegenheit. Ich hatte den letzten Rest kurz vorher schon an die Werwölfe ausgeschenkt.«

Wie zu erwarten, machte die Zeitung mit der Story über das nächtliche Blutbad auf. Diesmal schien sich die Zahl der Todesopfer im vierstelligen Bereich zu bewegen. Kopfschüttelnd überlegte Sanchez, wie viele potenzielle Gäste ihn das wohl gekostet hatte.

Als er von der Zeitung aufschaute, wirkte Flake irgendwie verändert. Sie stand noch immer hinterm Tresen und trug dasselbe Outfit, hatte aber die weiße Schürze abgenommen und den Pferdeschwanz gelöst. Ihre wunderschöne braune Haarpracht passte zur ebenfalls braunen Farbe ihrer Augen. An sich ein toller Anblick, aber Sanchez fand offenes langes Haar in einem Restaurantbetrieb unhygienisch. Doch weil Flake ein ausgezeichnetes Frühstück machte, behielt er das für sich.

Mit gerunzelter Stirn studierte er weiter die Horrormeldungen in der Zeitung, bis Flake ihm einen Becher Kaffee brachte.

»Ich kenne außer dir niemanden, der den Mumm hat, dem Bourbon Kid Pisse zu servieren«, sagte sie und holte sehr tief Luft. Ihr Dekolleté ragte dabei über den Rand der Zeitung hinweg und gewährte Sanchez einen unvermeidlichen Ausblick auf Flakes Titten. Zwei verdammt scharfe Titten, wie er zugeben musste. Ein paar Sekunden saß er nur da und starrte sie an, bevor ihm wieder einfiel, dass Flake gerade etwas gesagt hatte.

»Mumm?«, fragte er verwirrt, weil er den Begriff sonst eher nicht mit sich selbst in Verbindung brachte. Die Frau war definitiv high.

Schnell bekam er sich wieder unter Kontrolle und beschloss, sich bescheiden zu geben. »Natürlich haben viele Leute Schiss vor dem Bourbon Kid … ich aber nicht. Er weiß, dass es nicht schlau wäre, sich mit mir anzulegen. Ich mach mir seinetwegen nicht in die Hose, und das spürt er genau. Offenbar nötigt ihm das einen gewissen Respekt ab.«

»Wow, Sanchez, du solltest zur Polizei gehen, da können sie jemanden wie dich wirklich gebrauchen.«

Sanchez zuckte mit den Schultern. »Tja, mit mir im Revier wäre es auf jeden Fall sicherer in dieser Stadt, das kann ich dir aber flüstern.«

»Worauf wartest du dann noch?« Flake war jetzt richtig Feuer und Flamme.

»Ich würd mich ja melden«, sagte Sanchez und riskierte noch einen möglichst unauffälligen Blick auf Flakes Titten. »Wenn sie da momentan offene Stellen hätten. Diese Stadt braucht wirklich jemanden, der hier mal aufräumt.«

»Super!« Flakes Stimme kletterte fünf Oktaven höher. »Schau mal, du kannst dich gleich heute bewerben!« Damit knallte sie ihm einen Zettel auf den Tisch.

Sanchez warf einen Blick darauf. In der Mitte stand in großen fetten Lettern:

POLIZEI STELLT AB SOFORT EIN

»Ich hätt gern Spiegeleier«, sagte Sanchez, um schnell das Thema zu wechseln.

»Bekommst du sofort«, versprach Flake. »Aber ich finde, du solltest ernsthaft über eine Bewerbung nachdenken.«

»Und die Würstchen bitte scharf angebraten.«

»Kriegen wir hin. Und was meinst du nun zu dem …«

»Und eine Portion Bacon extra.«

»Klar, sonst noch was?«

»Nein, das war’s.«

Ärgerlicherweise ließ Flake einfach nicht locker. »Lies mal den Flyer. Im Moment nehmen die anscheinend jeden. Nur befristet allerdings, bis sie ein paar richtige Polizisten von außerhalb bekommen. Und – bewirbst du dich jetzt?«

»Hatte ich eben Toast dazubestellt?«

»Den nimmst du doch immer.«

»Wollte nur sichergehen, dass du’s nicht vergessen hast.«

Flake kicherte. »Du bist so lustig«, sagte sie und schaute ihn voller Hoffnung mit großen Augen an. »Meldest du dich nun für den Polizeidienst, oder nicht?«

Sanchez seufzte. »Würd ich ja gerne, aber ich bin laut Vorschrift zu klein.«

»So eine Vorschrift gibt es gar nicht.« Flakes Begeisterung steigerte sich mit jeder Silbe.

»Dann bin ich eben zu alt.«

»Eine Altersbeschränkung gibt es auch nicht. Ist das nicht toll?«

»Ich hab ein Vorstrafenregister.«

»Spielt keine Rolle! Lies den Flyer doch mal richtig durch. Die nehmen wirklich jeden. Das ist deine große Chance!«

Die Frau war zweifelsfrei high. Anders war ein solcher Begeisterungssturm am frühen Morgen nicht zu erklären. Insbesondere, wenn man gerade damit beschäftigt war, fremden Leuten Frühstück zu servieren. Aber egal, Sanchez war bereit, noch ein bisschen mitzuspielen. Wenn er Flake nicht erzählte, was sie hören wollte, würde sie ihn bestimmt nicht in Ruhe essen lassen.

»Na, das sind doch mal gute Nachrichten!«, rief er geheuchelt fröhlich. »Dann fahr ich nach dem Frühstück gleich zum Revier!«

»Großartig!« Flake klatschte in die Hände. »Ich nehm dich mit, ich melde mich auch! Mann, ich bin echt froh, dass ich nicht allein hinmuss, das wird ein Riesenspaß!«

»Was?«

»Wir fahren mit meinem Wagen, sobald du mit dem Frühstück fertig bist!«

»Hä?«

»Oh, ich bin ja so aufgeregt! Mein Horoskop hat das alles genau vorausgesagt.«

»Wart mal eben, ich …«

»Du bist hiermit zum Frühstück eingeladen!« Flake lief in die Küche, um Sanchez’ Essen vorzubereiten. Ja, keine Frage, sie war wirklich ganz aus dem Häuschen. Das war offensichtlich. Schön, dachte Sanchez, wenn sie mich unbedingt zum Frühstück einladen will, kann sie das gern tun. Und danach musste er sich irgendwas einfallen lassen, um aus dieser Polizei-Nummer rauszukommen.

FÜNF ♦

Dan Harker hatte sowieso schon einen richtigen Scheißtag. Am Morgen war er ins Büro des Bürgermeisters zitiert worden, wo man ihn zum neuen Polizeichef von Santa Mondega ernannt hatte. Leider war sein erster Tag im neuen Amt nicht dafür reserviert, sich langsam einzugewöhnen. Die meisten Polizisten der Stadt waren in der Nacht zuvor zum Opfer des Gemetzels geworden, und der Bürgermeister hatte deshalb überall in der Stadt Flyer verteilen lassen. Daraufhin wurde die Bevölkerung aufgerufen, sich zahlreich für den Polizeidienst zu melden. Das war natürlich hilfreich, bedeutete aber auch, dass Harker den halben Tag mit Einstellungsgesprächen verbringen würde.

Die Untersuchung des Massakers und die Ermittlung der genauen Opferzahl versprachen eine echte Herkulesarbeit zu werden. Immerhin gab es auch eine gute Nachricht – der Bourbon Kid war erschossen und in einem Hotelflur geköpft worden. Damit sollte das Morden wenigstens ein Ende haben.

Bevor Harker sich im Polizeirevier als der neue Captain der Truppe vorstellte, musste er noch ins örtliche Museum. Der Bourbon Kid war dort von den Sicherheitskameras gefilmt worden, wie er Professor Bertram Cromwell, den Kurator, ermordet hatte. Das jedenfalls hatte der Bürgermeister Harker am Morgen berichtet.

Als Harker im Museum eintraf, erwartete ihn Cromwells Stellvertreter Elijah Simmonds bereits am Empfang. Harker war dem Mann bisher nur ein einziges Mal zuvor begegnet, und zwar ungefähr vor einem Jahr bei einer Spendenveranstaltung von Professor Cromwell. Damals war Simmonds ihm ziemlich idiotisch vorgekommen.

Er hatte einen billigen Anzug getragen, und sein Pferdeschwanz passte absolut nicht zu seinem schmalen Gesicht.

Jetzt begrüßte er Harker mit einem festen Händedruck und einem Lächeln. Der Mann schien also auch ein paar angenehme Züge zu haben. Bedauerlicherweise hatte sich nichts an seiner Frisur oder dem schlechten Geschmack in Modefragen geändert. Der Anzug heute war wieder billig und miserabel geschnitten. Simmonds Gesicht hingegen war nicht mehr so hager wie vor einem Jahr. Im Gegenteil schien er sich sogar einen Ansatz zum Doppelkinn zugelegt zu haben.

»Wir beide haben einiges gemeinsam«, stellte er fest, während sie zusammen den schmalen Flur zum Überwachungsraum entlanggingen.

Das sah Harker ganz anders. »Inwiefern?«

»Zum Beispiel legen wir beide Wert auf elegante Garderobe.« Simmonds lachte und wartete einen Moment auf Zustimmung, die nicht erfolgte. Harkers edler Dreiteiler saß wie angegossen, ganz anders als Simmonds graues Anzugungetüm. »Und dann natürlich noch in einem ganz offensichtlichen Punkt«, fuhr Simmonds fort.

»Und der wäre?«

Sie hatten eine Tür auf der linken Seite am Ende des Flurs erreicht. Simmonds drückte die Klinke herunter. »Durch die freundliche Mithilfe des Bourbon Kid sind wir beide heute befördert worden.«

Harker bedachte Simmonds mit einem missbilligenden Blick. Unter den gegebenen Umständen war das eine ziemlich geschmacklose Bemerkung. Der Blick war Simmonds nicht entgangen.

»Natürlich habe ich mir nicht gewünscht, auf diese Art an meinen Job zu kommen. Mir wäre es viel lieber, wenn Bertram noch lebte. Sicher geht es Ihnen da mit Ihrem Vorgänger genauso.«

Simmonds ging in den Überwachungsraum und ließ auch Harker hinein.

»Der letzte Captain war ein mieses Arschloch, und ich bin froh, dass er tot ist«, erwiderte Harker.

»Oh.«

»Würden Sie mir nun freundlicherweise die Videoaufnahmen zeigen? Danach muss ich sofort weiter. Ich habe heute noch einen verdammt langen Tag vor mir.«

»Selbstverständlich.«

Auf einem abgewetzten blauen Drehstuhl saß ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes in einer grauen Uniform. Er war groß, hatte breite Schultern und welliges blondes Haar. Simmonds legte ihm eine Hand auf die Schulter.

»Hast du eine Kopie von der Aufzeichnung für die Polizei gemacht, James?«

Der Mann setzte sich aufrecht hin. »Klar, Sir.« Er nahm sich die in einer Plastikhülle steckende CD, die vor ihm auf dem Schreibtisch gelegen hatte. »Ist alles hier drauf.«

Simmonds nahm ihm die CD ab und hielt sie Harker hin.

»Danke.« Harker schnappte sich die CD, beugte sich über James’ Schulter und musterte die Überwachungsmonitore. Darauf konnte man in Echtzeit alles mitverfolgen, was gerade im Museum passierte.

»Sagen Sie mal, James, könnten Sie mir das Video vom Mord auf einem der Bildschirme aufrufen?«, bat Harker. »Ich würde mir das Material gern kurz ansehen. Vielleicht habe ich ja noch ein paar Fragen dazu. Wär blöd, wenn ich das erst in meinem Büro feststelle, wenn ich jetzt schon mal hier bin.«

»Natürlich, Sir.« James tippte etwas in die Tastatur vor ihm und zeigte dann auf einen der Bildschirme. »Geht gleich los.«

Harker beugte sich noch weiter vor, um sich das Material auf dem Monitor genau anzuschauen. Der Mitschnitt war schwarz-weiß und nicht gerade scharf. Dennoch erkannte er Bertram Cromwell, der auf einem bequemen Sessel im Pausenraum des Personals saß und im Fernsehen die Nachrichten schaute. Nach ungefähr zehn Sekunden betrat eine große Gestalt in einem Umhang mit Kapuze den Raum. Cromwell stand auf, und die beiden unterhielten sich kurz. Da die Kameras keinen Ton aufzeichneten, war nicht klar, was gesprochen wurde. Der Bourbon Kid zog eine Machete unter seinem Umhang hervor. Harker zuckte zusammen, als der Killer den Kurator damit dann zu Hackfleisch verarbeitete. Das war der gewalttätigste Mord, den er in seiner gesamten Laufbahn je gesehen hatte, und es waren eine Menge gewalttätiger Morde gewesen. Was für ein schrecklicher, unverdienter Tod für einen so anständigen Menschen. Nach dem Mord verließ der Bourbon Kid seelenruhig den Raum. James hielt den Film an, und das Standbild zeigte Cromwells Leiche, die in einer riesigen Blutlache auf dem Boden lag.

»Jedes Mal, wenn ich das sehe, wird es schlimmer«, sagte Simmonds, dem sichtlich schauderte.

»Ja, glaub ich«, sagte Harker. Etwas am unteren Rand des Bildschirms hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Er musste an eine Bemerkung des Bürgermeisters vorhin denken. »Geht die Uhr da richtig?«, fragte er und zeigte auf die eingeblendete Uhrzeit unten am Bildrand.

James nickte. »Ja. Zwei Uhr siebenunddreißig. Müsste meiner Meinung nach hinkommen. Zwanzig Minuten vorher habe ich den Professor noch gesehen und ihm gesagt, er soll doch Feierabend machen. Aber er konnte sich nicht von den Nachrichten losreißen. Er hat sich die gesamte Berichterstattung über die Morde angesehen.«

»Interessant«, stellte Harker fest und kratzte sich am Kinn. »Laut Bericht soll der Bourbon Kid schon kurz nach Mitternacht tot gewesen sein. Und dafür gibt es einen ganzen Haufen Augenzeugen.«

Simmonds wirkte überrascht. »Tatsächlich?«

»Ja, er ist von einem Sondereinsatzkommando in einem Wohnblock erschossen und geköpft worden. Daher war ich davon ausgegangen, dass Cromwell eines seiner letzten Opfer gewesen ist – kurz bevor man den Bourbon Kid erwischt hat. Dieses Video kompliziert die Sache gerade.«

»Der Bourbon Kid lebt also noch?«

Harker nickte. »Sieht fast so aus. Die CD nehme ich jetzt mit und mache mich auf den Weg. Falls der Bourbon Kid tatsächlich immer noch da draußen herumläuft, sollte ich das schleunigst an die Presse weitergeben. Die Öffentlichkeit muss darüber informiert werden, dass die Gefahr noch nicht vorüber ist.«

»Dem Sondereinsatzkommando sollten Sie das ebenfalls mitteilen.«

Harker lächelte. »Ich hoffe, die Jungs erfahren es noch aus den Nachrichten, bevor sie die Stadt verlassen, falls sie dazu noch Gelegenheit haben.«

SECHS ♦

Aus dem Himmel über Santa Mondega fiel Schnee. Dante erlebte das zum ersten Mal in seinem Leben, jedenfalls soweit er sich erinnern konnte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er die dicken Flocken an, während Vanity ihn und Kacy zur Casa de Ville fuhr.

»Coole Kiste, was, Süße?«, sagte Vanity zu Kacy. »Ford Ranger. Brandneuer Wagen.«

»Nur die Farbe ist doof. Blau«, stellte Kacy gelangweilt fest und schaute weiter aus dem Fenster.

Dante grinste. Kacy konnte man mit einem Auto nur schwerlich beeindrucken, wenn es nicht geklaut war. Er hingegen war froh, dass sie gerade in einem Geländewagen saßen. Die Straßen waren rutschig und noch gefährlicher als sonst. Die Wolken, die sich über der Stadt zusammenzogen, wurden immer dunkler. Und sie waren riesig.

In der Ferne ragte vor ihnen ein Gebäude auf, das aussah wie eine große mittelalterliche Burg.

»Was zum Teufel ist das?«, wollte Kacy wissen.

»Die Casa de Ville«, erklärte Vanity.

»Verdammt groß, oder?«, fragte Dante.

»Muss sie sein«, sagte Vanity. »Da trudeln gleich jede Menge Vampire ein.«

Dante schüttelte den Kopf. Der Anblick der Casa de Ville machte ihn ausnahmsweise mal sprachlos.

Als sie angekommen waren, stellte Vanity den Wagen auf einem großen Parkplatz hinter dem Gebäude ab. Dante und Kacy folgten ihm danach zum Eingang an der Vorderseite, wo sie ein Vampir mit merkwürdigem schwarzen Make-up erwartete und ihnen den Weg in die Halle wies.

Die Große Halle war – wie ihr Name schon sagte – von beeindruckender Größe. Die Decke war fünfzig Meter hoch, auf halbem Weg nach oben befand sich eine Galerie. Am anderen Ende der Halle führte eine sehr breite Marmortreppe hinauf zur Galerie und auf den Balkon. Man kam sich wirklich vor wie in einer Burg. Der einzige Unterschied, dachte Dante, sind die Überwachungskameras, die alles aufzeichnen. Er schaute sich um. Die verdammten Dinger hingen wirklich überall. Hunderte von Vampiren standen in Grüppchen herum und unterhielten sich.