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Das Finale der großen Bestsellerserie
Für Karina ist Kael der einzige Mann, dessen Nähe sie zulassen kann. Der einzige, der sie wirklich versteht. Für Kael ist Karina das Licht, das ihn aus seiner Dunkelheit führt. Immer und immer wieder, wenn die traumatischen Ereignisse seiner Vergangenheit ihn wieder einholen und in den Abgrund zu ziehen drohen. Gemeinsam versuchen sie, sich ein Leben aufzubauen. Doch als jemand unerwartet in ihre Welt eindringt, beginnt ihr Glück zu bröckeln. Und die Fehler der Vergangenheit scheinen sich zu wiederholen. Karina und Kael können nicht miteinander. Ohneeinander jedoch sind sie vollkommen verloren. Wenn sie sich die Zukunft, von der sie schon so lange träumen, aufbauen wollen, müssen sie sich entscheiden, zu kämpfen. Gemeinsam. Doch Kampf erfordert Opfer.
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Seitenzahl: 490
Für Karina ist Kael der einzige Mann, dessen Nähe sie zulassen kann. Der einzige, der sie wirklich versteht. Für Kael ist Karina das Licht, das ihn aus seiner Dunkelheit führt. Immer und immer wieder, wenn die traumatischen Ereignisse seiner Vergangenheit ihn wieder einholen und in den Abgrund zu ziehen drohen. Gemeinsam versuchen sie, sich ein Leben aufzubauen. Doch als jemand unerwartet in ihre Welt eindringt, beginnt ihr Glück zu bröckeln. Und die Fehler der Vergangenheit scheinen sich zu wiederholen. Karina und Kael können nicht miteinander. Ohneeinander jedoch sind sie vollkommen verloren. Wenn sie sich die Zukunft, von der sie schon so lange träumen, aufbauen wollen, müssen sie sich entscheiden zu kämpfen. Gemeinsam. Doch jeder Kampf erfordert Opfer.
Die Autorin
Anna Todd (Autorin/Produzentin/Influencerin) ist die NEWYORKTIMES-Bestseller-Autorin der AFTER-Serie. Anna war schon immer eine begeisterte Leserin und begann schließlich, über Wattpad eigene Geschichten zu veröffentlichen. AFTER wurde mit über zwei Milliarden Reads zur meistgelesenen Serie auf der Plattform. Die Printausgabe von AFTER wurde 2014 erstveröffentlicht. Danach erschien die Serie in 35 Sprachen, verkaufte weltweit über 12 Millionen Exemplare und ist ein internationaler Nummer-1-Bestseller. Anna Todd war als Produzentin und Drehbuchautorin an den Verfilmungen von AFTERPASSION und AFTERTRUTH beteiligt. 2017 gründete sie das Unterhaltungsunternehmen Frayed Pages Media, um innovative und kreative Arbeiten für Film, Fernsehen und Verlagswesen zu produzieren. Die aus Ohio stammende Anna lebt derzeit mit ihrer Familie in Los Angeles.
Lieferbare Titel
After passion
After truth
After love
After forever
Before us
Nothing more
Nothing less
Imagines
Spring Girls
The Brightest Stars – attracted
The Brightest Stars – connected
After passion Teil 1 Graphic Novel
After passion Teil 2 Graphic Novel
Anna Todd
beloved
Roman
Band 3
Aus dem Amerikanischen von Nicole Hölsken
WILHELMHEYNEVERLAGMÜNCHEN
Die Originalausgabe THEINFINITELIGHTOFDUST erschien erstmals 2024 bei Frayed Pages x Wattpad Books
Hinweis: Der diesem Roman vorangestellte Prolog ist eine überarbeitete Version der letzten beiden Kapitel aus Band 2 der Reihe, um den Wiedereinstieg in die emotionsgeladene Geschichte von Karina und Kael zu erleichtern. In den USA wurden Band 1 und 2 noch einmal neu herausgebracht. Nach Rücksprache mit Anna Todd haben wir uns für die deutschen Ausgaben für diese Variante entschlossen.
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Deutsche Erstausgabe 12/2024
Copyright © 2024. The Infinite Light of Dust by Anna Todd.
Copyright © 2024 Frayed Pages, Inc. All rights reserved.
Published by Arrangement with Bookcase Literary Agency.
The moral rights of the author have been asserted.
Copyright © 2024 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
Redaktion: Rabea Güttler
Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur unter Verwendung von FinePic®, München
Satz: satz-bau Leingärtner, Nabburg
ISBN 978-3-641-22716-6V001
www.heyne.de
Für die Leser*innen dieses Buches. Dass ihr zwischen den bedruckten Seiten von Liebesgeschichten stets Trost findet. Dass ihr euch ein wenig weniger einsam und ein wenig besser verstanden fühlt. Wir alle haben unsere eigene Lovestory verdient. Aber vergesst nie, dass die größte Liebe euch selbst gelten sollte.
First Time – Hozier
logical – Olivia Rodrigo
Amsterdam – Wild Rivers
Hate You – Jungkook
The Worst of You – Noah Cyrus und PJ Harding
Streetlights – C. James
To Someone from a Warm Climate – Hozier
Stalker – 10 cm
If It’s the Beaches – The Avett Brothers
In the Kitchen – Renée Rapp
You’re Losing Me – Taylor Swift
Yes of No – Jungkook
Ready for Love – India Arie
Before You – Benson Boone
From the Start (acoustic) – Matt Schuster
tolerate it – Taylor Swift
Solo – Myles Smith
Let Me Hurt (acoustic) – Emily Rowed
Feels Like – Gracie Abrams
run for the hills – Tate McRae
Meet Me in Amsterdam – RINI
Shattered – O.A.R.
Walked Through Hell – Anson Seabra
Deutsche Übersetzung:
Wir alle leuchten In all unseren Zimmern Auf all unseren Planeten Ein Licht ist der Ehrgeiz Manch ein Licht wandert Die Lichter der Menschen Sind wertvoll Sei nicht allein in dieser dunklen Nacht Wie Sterne, so leuchten wir Verschwinde nie
»Mikrokosmos« – BTS
Karina
Am Abend vor meinem Geburtstag saß ich auf der Couch und scrollte durch mein Handy, als ich ein Foto entdeckte, das ich von Kael gemacht hatte, als er in meinem Bett schlief. Ich betrachtete es eine Weile lächelnd, bevor ich Twitter aufrief, und das Erste, was ich sah, war eine Collage von Promi-Fotos auf dem roten Teppich bei einer Filmpremiere. Ich hielt das Handy in die Höhe, um Elodie das Bild einer Nachwuchsschauspielerin zu zeigen, die in einer ihrer Lieblingsserien auf Netflix die Hauptrolle gespielt hatte. Sie kniff die Augen zusammen, um das Bild vom anderen Ende der Couch besser sehen zu können.
»Sie sieht so hübsch aus; wie viel es wohl kostet, so auszusehen?«, seufzte ich und zoomte ihre makellose Haut und das seidige Haar näher heran.
»Du hast doch auch schöne Haut.« Elodie rückte ein wenig näher, um erneut einen Blick auf mein Display werfen zu können. »Und ihr Kleid ist langweilig.« Sie kicherte und sah dann auf ihr eigenes Outfit herab. Schwarze Nike-Shorts, die mit Sicherheit mir gehörten, denn ihre eigenen Klamotten passten ihr nicht mehr, sowie ein oversized T-Shirt, von dem ich hätte schwören können, dass es Austins war, mit einem Fleck, der verdächtig nach scharfer Sauce oder Ketchup aussah. Ich selbst hatte eine drei Dollar teure Overnight-Haarmaske aufgetragen, und wir beide hatten Tuchmasken auf dem Gesicht. Elodies Maske nässte gerade an ihrer Nase hinunter, und etwas von dem Serum tropfte an ihrem Hals herab.
Ich trug auch ein altes Fußball-T-Shirt meines Bruders als Pyjama, zusammen mit Baumwollshorts, unter denen meine stoppeligen Beine hervorsahen. Mit dem Saum meines Shirts wischte ich den schmutzigen Bildschirm meines Handys ab.
»Oh, ist das schön, hier mit dir auf der Couch zu sitzen, so auszusehen wie wir gerade und über die schönsten Menschen der Welt zu lästern.« Ich verdrehte die Augen und zoomte das Bild der Schauspielerin noch einmal heran, um ihren Teint näher in Augenschein zu nehmen. Auf ihrem perfekt geformten Gesicht war nicht eine einzige Pore zu sehen.
»Das mag vielleicht für dich gelten!« Elodie streckte mir die Zunge raus und wedelte mit der Hand um ihr zerzaustes, blondes Haar. »Aber nicht für mich. Wenn das Baby einmal raus ist, müssen all diese Mädels sich warm anziehen. Auch die Jenners.« Sie machte noch eine wegwerfende Handbewegung und lachte.
Durch ihre Art gab sie mir immer das Gefühl, etwas Besonderes zu sein, ein ganz normales Mädchen mit einer richtigen besten Freundin.
»Ich kann euch von der Küche aus hören«, rief Austin, der gerade mit einer Schüssel Cerealien in der Hand das Wohnzimmer betrat. »Ihr seid beide hübsch, also hört auf, so zu reden.«
Er ließ sich vor Elodies Couch auf den Boden plumpsen, woraufhin sie sogleich seine Schüssel beäugte.
»Willst du auch welche?«, bot er ihr an und hielt sie ihr hin. Sie nickte, und er hielt ihr einen Löffel voll hin – Cheerios mit Milch und Zucker, genau so, wie unsere Mom es immer gemacht hatte. Gott sei Dank waren die beiden mein Bruder und meine beste Freundin, sonst wäre ich mir bei dieser Fütterungsaktion sicher wie das fünfte Rad am Wagen vorgekommen.
»Wenn ich Geld hätte, wäre ich hübscher«, sagte Elodie mit vollem Mund, sodass die Cheerios zwischen ihren Zähnen knirschten. »Heutzutage kann man ja alles Mögliche lasern lassen. Und auf Amazon gibt es diese Porensauger-Dinger, die Poren und Dehnungsstreifen zum Verschwinden bringen.« Sie hob den Saum ihres Shirts, um die dünnen purpurnen Spuren auf ihrer hellen Haut zu enthüllen.
»Im Gegensatz zu mir hast du so was doch gar nicht nötig. Außerdem werden Poren nicht kleiner. Hast du das bei deiner Ausbildung nicht gelernt?«, neckte ich sie.
»Warum sind Mädels nur immer so?«, stöhnte Austin und widmete sich seinem Handy, auf dem er nun wild herumtippte. »Ihr beiden hört euch an, als hättet ihr total einen an der Klatsche.«
Ich gab etwas ins Suchfeld von Instagram ein.
»Na ja, weil Frauen im Internet etwa so aussehen.« Ich zeigte ihm das neueste Bikini-Foto eines beliebten Instagram-Models, dem ich nur aus dem einen Grund folgte, um an ihrem Leben in Saus und Braus teilzuhaben und mich mit ihrem von Chirurgenhand modellierten Körper zu vergleichen. Während sie auf Bali war und angetan mit einem winzig kleinen orangefarbenen Bikini auf einer Felsklippe thronte, saß ich mit Fingern voller Käseflipskrümel auf der Couch und wünschte mir, dass Kael mir wie versprochen eine Textnachricht schicken würde. Heute hatte ich noch nicht wieder von ihm gehört, obwohl er gesagt hatte, dass er sich im Anschluss an die Orientierungsveranstaltung für Soldaten, die aus der Army entlassen wurden, bei mir melden würde. Die war um sieben Uhr vorbei gewesen, also schon vor einer Stunde.
»So sieht in Wirklichkeit doch niemand aus.« Austin schnappte mir das Handy aus der Hand und warf es auf ein Kissen auf dem Boden. »Eins kannst du mir glauben: Immer wenn ich die Mädchen, die ich online kennengelernt habe, irgendwann persönlich getroffen habe …« Elodie warf Austin einen Blick zu, was ihn mitten im Satz verstummen ließ. »Ich will damit nur sagen: Vergleicht euch doch nicht mit diesen bearbeiteten Fotos.«
»Das kapierst du nicht, weil du nicht unter dem gleichen Druck stehst wie wir«, erklärte ich, schälte mir die mittlerweile trockene Tuchmaske vom Gesicht und warf sie auf den Tisch. Elodie folgte meinem Beispiel, knüllte ihre jedoch zusammen und stopfte dann beide Masken in ihre leere Snackschüssel.
Es war mehr als bescheuert, dass ich meinen Körper dermaßen kritisierte – genau wie übrigens meine Gedanken und meine Emotionen –, während ich Elodies sofort verteidigte, wann immer sie sich kleinmachte. Ich wusste, dass der unerreichbare Beauty-Standard aus den sozialen Medien krass toxisch war, aber ich konnte nicht anders. Unsummen waren in Medien und Marketingkampagnen investiert worden, die mich seit frühester Kindheit einer Gehirnwäsche unterzogen hatten. Es war also erheblich mehr als Logik vonnöten, um meine Einstellung zu meinem Körper zu verändern.
»Na ja, Martin scheint dich ja zu mögen, inklusive deiner gelben Finger und so«, lachte mein Bruder. Ich zeigte ihm meinen klebrigen Käseflips-Mittelfinger.
»Wenn man vom Teufel spricht«, sagte er und wandte den Kopf zur Haustür.
Ich sprang von der Couch auf. »Kael! Du bist hier.«
Ich machte mir gar nicht erst die Mühe, meine Aufregung zu verbergen, sondern wischte mir nur die Finger an meinen Shorts ab. Wenn ich ihn nicht so sehr vermisst hätte, wären mir die ausgehärteten Reste der Maske in meinem Haar ebenso peinlich gewesen wie die Möglichkeit, dass er die Unterhaltung mit meinem Bruder und Elodie gehört hatte.
»Ich habe geklingelt.« Er zuckte mit den Schultern. »Aber anscheinend ist die Türklingel kaputt.«
Ich seufzte. Natürlich.
»Ich schreib’s mit auf die Liste«, versicherte ich, während er die Tür hinter sich schloss.
»Wie ist es gelaufen?«, fragte mein Bruder ihn.
Da Kael sich nun voll und ganz auf Austin konzentrierte, nutzte ich die Gelegenheit, ihn zu mustern, ohne dass er etwas davon merkte. Er trug seine Uniform, und sein glatt rasiertes Gesicht brachte das markante Kinn und die intensiven dunklen Augen erst recht zur Geltung. Ich beobachtete ihn, wie er sich hinkniete und an den Schnürriemen zu schaffen machte, um die schweren braunen Stiefel auszuziehen.
»Gut. Allerdings verdammt lang, weil so ein Idiot immer wieder die gleichen Fragen gestellt hat.«
»Und? Was ist dabei rausgekommen? Gute Nachrichten, schlechte Nachrichten, keine Nachrichten?«, hakte Austin nach.
»Na los, sag schon!«, bat Elodie.
Also wussten beide über den Termin Bescheid? Als Kael mir davon erzählt hatte, hatte es eigentlich gar nicht so bedeutsam geklungen. Ich spürte einen eifersüchtigen Stich.
»Nun ja …«, fing er an und sah mir direkt in die Augen. »Sie lassen mich raus. Entlassung aus medizinischen Gründen.«
»Fuck, ja!« Austin stellte die Schüssel auf dem Tisch ab und richtete sich auf den Knien auf. Es sah aus, als fiebere er bei einem Sportwettkampf mit.
»Ich bin so gut wie frei, muss nur noch ein paar Wiedereingliederungskurse und Physiotherapiesitzungen hinter mich bringen, aber sie lassen mich raus. Ich kann es kaum glauben.« Kael hielt sich die Hand vor Mund und Kinn, als wolle er sein Lächeln verbergen.
Plötzlich wäre ich gern mit Kael allein gewesen. Er sah so jung aus, und nun, da die Freiheit in greifbarer Nähe war, schien er förmlich zu strahlen. Sein Optimismus war so ansteckend, dass ich die Lippen zusammenpressen musste, um nicht ebenfalls zu grinsen. Ich wollte gerade etwas sagen, als Austin aufsprang und Kael umarmte, sodass wir einander nicht mehr in die Augen sehen konnten. Er schlug Kael heftig auf den Rücken, während ich mir über die Augen wischte und so egoistisch war, mir schon wieder zu wünschen, dass Elodie und mein Bruder nicht hier wären.
»Einfach so? Ohne Wenn und Aber?«, fragte Austin, nachdem Kael sich von ihm gelöst hatte.
Austins brüderliche Zuneigung zu Kael überraschte mich jedes Mal aufs Neue. Mit seinen anderen Freunden oder Bekannten hatte ich ihn nie so erlebt. Die Beziehung der beiden gab mir das Gefühl, dass noch jemand anders außer mir auf Austin aufpasste, was mich ein wenig beruhigte.
Andererseits machte mich die Aussicht traurig, dass sich ihre Lebenswege höchstwahrscheinlich bald trennen würden. Sobald Austins Grundausbildung begann, würde der Kontakt wohl abbrechen. Lange würde es nicht mehr dauern. Ich wollte gar nicht daran denken, dass der Tag immer näher rückte. Schon zog sich mein Magen schmerzhaft zusammen. Angesichts all der Geschehnisse in der letzten Zeit fragte ich mich, wie viel ich noch würde ertragen können.
»Ich bin nicht so dumm, zu glauben, dass sich meine Entlassung nicht doch noch an irgendwelche Bedingungen knüpft. Immerhin reden wir hier von der United States Army«, antwortete Kael knapp. »Aber ich nehme, was ich kriegen kann. Zumindest bin ich jetzt einen Schritt weiter. Und das schneller als erwartet. Mein Hauptfeldwebel vermutet, dass da jemand seine Beziehungen hat spielen lassen.«
»Und was jetzt? Du ziehst doch hoffentlich nicht weg, oder?«, fragte Elodie mit schwacher Stimme. »Phillip kommt bald nach Hause …« Es klang beinahe wie ein Flehen.
Austin sah erst sie, dann mich an. Seine Miene war unergründlich.
»Ich plane schon seit einer Weile, nach Atlanta zu ziehen. Stellt sich nur noch die Frage, wann. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass es Monate dauern würde, bis meine Entlassung spruchreif ist …« Kael verstummte. »Manche der Jungs brauchen mehr als ein Jahr, um rauszukommen, aber ich hab’s jetzt schon geschafft. Dadurch hatte ich noch gar nicht genug Zeit, um die Ereignisse des heutigen Tages zu verarbeiten.«
Er umrundete die Couch und trat auf mich zu. Seine Uniformsocken hinterließen Spuren auf meinem alten Parkettboden, die ich am liebsten nie wieder abgewischt hätte. Manchmal, wenn ich ihn ansah, hatte ich das Gefühl, dass er hierhergehörte, dass er ein fester und dauerhafter Bestandteil meines Lebens war. Meinem Haus hatte er bereits jetzt schon seinen Stempel aufgedrückt, angefangen von der Dusche über das Verandalicht bis hin zu meinem Bett.
»Ich freue mich für dich«, rief Elodie aus. »Aber ich will nicht, dass du weggehst. Immerhin warst du hier mein allererster Freund.« Sie stand auf, um ihn zu umarmen, und drückte seine Hand, die so viel größer war als ihre eigene. Ich wandte den Blick ab, als er ihr mit der anderen Hand den Rücken streichelte.
Dort stand ich also vor der Couch, die Rückseite meiner Waden dagegen gepresst. Und wünschte mir wie ein bedürftiges Kind, jetzt endlich auch an der Reihe zu sein.
»Ich gehe ja nicht weit weg. Atlanta ist mit dem Auto schnell erreichbar. Also keine Sorge«, fuhr er fort, Elodie zu beruhigen.
Mein Kopf fuhr hoch, und ich sah ihn an. Ich wusste, dass er Atlanta liebte und dass ich ihn nicht zwingen konnte, in Fort Benning in meiner Nähe zu bleiben. Immerhin war dieser Ort ein Riesentrigger für sein Trauma und seine posttraumatische Belastungsstörung. Aber ihn sagen zu hören, dass er tatsächlich wegziehen würde, versetzte mich ein wenig in Panik. Da wir jetzt eine wie auch immer geartete Beziehung hatten, war der Gedanke an seinen Weggang allgegenwärtig gewesen, auch wenn wir uns bemüht hatten, das Thema nicht offen anzuschneiden. Ich fragte mich, wie viel Zeit uns überhaupt noch blieb und ob ich eines Tages nach dem Aufwachen einfach feststellen würde, dass er verschwunden war.
Austins Worte rissen mich aus meinen deprimierten Gedanken. »Hast du es sonst schon jemandem erzählt?«
»Nein. Ich bin gleich hergekommen«, antwortete Kael und sah mich an. Nicht Austin, nicht Elodie, sondern mich.
Ich war erleichtert, dass er zuerst hierhergefahren war. Austin und Elodie feierten Kaels Neuigkeiten, als gehöre er zur Familie – nur ich stand abseits, viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt, um in den allgemeinen Jubel einzustimmen, dafür innerlich alles kommentierend.
»Ohne dich wird hier alles ganz anders sein«, sagte Elodie. »Ohne euch beide.« Ihre Stimme brach ein wenig, was Austin veranlasste, ihr liebevoll über den Rücken zu streichen.
Ich wusste, dass auch Elodie Austin vermissen würde; seit seiner Rückkehr war er wie ein Bruder für sie gewesen. Aber irgendwann würde sie ihr Kind bekommen. Ihr Mann würde zurückkehren, und sie würde wieder ein erfülltes Leben führen. Im Moment lief zwischen den beiden zwar nicht alles glatt, aber sicher würde alles besser werden, sobald er wieder bei ihr zu Hause war.
Ich wünschte mir, dass alles in Elodies Leben gut ging, dass es voller Glück und Lachen, voller Sonnenschein und Frieden sein würde. Doch mit Phillips Rückkehr würde ich nicht nur meinen Zwillingsbruder verlieren, der zur selben Zeit seine Grundausbildung anfangen würde, sondern auch meine beste und so ziemlich einzige Freundin. Meine Mutter hatte ich bereits verloren. Einzig mein Vater war noch da, dessen Verlust mir nichts ausgemacht hätte. Und nun würde sich auch noch Kael verdrücken. So viele Veränderungen. So viel Chaos. Ich war hin- und hergerissen. Ein Teil von mir wollte Kael gratulieren, ihn in die Arme nehmen und in mein Schlafzimmer ziehen. Der andere wünschte, dass wir nie zusammengekommen wären. Aber schon eine Sekunde später wollte ich, dass er mich umarmte und nie wieder losließ. Meine Gedanken drehten sich so schnell im Kreis, dass mir ganz schwindelig wurde.
»Ich muss meine Ma anrufen. Sie weiß auch noch nichts davon«, meinte Kael, fischte sein Handy aus der Uniformtasche und begab sich zur Haustür.
Ich brachte noch immer keinen Ton heraus und nickte stattdessen nur.
»Wow. Kaum zu glauben, dass er aus der Army entlassen wird«, übertönte Austin Kaels gedämpfte Stimme auf der Veranda. Dann ließ mein Bruder den Kopf hängen und sagte: »So langsam wird mir tatsächlich ein wenig mulmig, weil das alles real ist. Dass ich demnächst zur Grundausbildung muss. Dann Martins Abschied aus der Army …«
»Hör auf. Du machst mich und das Baby ganz traurig.« Elodie sah erst ihn an und dann auf die Uhr an der Wand. »Shit, es ist fast acht, und ich muss noch in den Army-Laden, ehe er schließt.«
Heute Morgen noch hatte ich versprochen, sie dorthin zu begleiten. Nun, da Kael hier war und es so viel zu bereden gab, hatte ich eigentlich keine Lust mehr.
»Ich habe einen Coupon für eines dieser tollen Babyphones, und der läuft morgen ab«, erklärte sie Austin, der verwirrt darüber zu sein schien, dass sie unbedingt heute Abend noch loswollte. Sie sah erst mich an, dann zur Haustür und Kael hinüber. »Willst du immer noch mitkommen?«
Sie kannte mich gut genug, um zu wissen, dass meine Gedanken momentan nur mit Kael beschäftigt waren und dass ein Besuch im Army-Laden gerade das Letzte war, wonach mir der Sinn stand.
»Ähm …«, setzte ich an.
»Darf ich dich begleiten?«, fragte Austin Elodie, entweder, um mir eine Antwort zu ersparen, oder auch einfach nur, um aus dem Haus zu kommen. Aber egal – ich war ihm dankbar.
»Ja.« Sie lächelte. »Dann los, sie hat jetzt offensichtlich andere Dinge im Kopf«, neckte sie mich und deutete mit einem Kopfnicken auf den draußen telefonierenden Kael. »Außerdem kannst du mir beim Tragen helfen. Oh, und ich will auf jeden Fall auch Erdbeeren und Schlagsahne …«
Lächelnd ging sie zu den Garderobenhaken an der Wand neben der Haustür, warf sich einen Hoodie über und steckte die Füße in ein Paar schmutzige weiße Plateau-Sneakers. Wie immer sah sie auch in diesem Look mühelos hübsch und stylish aus.
»Habe ich noch irgendwas im Gesicht?«, fragte sie und tätschelte ihre taufeuchte, frisch gereinigte Haut. Ich schüttelte den Kopf, was sie zum Lächeln brachte.
Durch das Fenster hindurch konnte ich beobachten, dass Kael jetzt in meinem Garten umherwanderte, wobei seine Uniform sich kaum von dem toten braunen Gras abhob. Er wandte sich um und lächelte – ein Lächeln, das mich von innen heraus erwärmte. Sicher war seine Mutter überglücklich. Der Gedanke rührte mich beinahe zu Tränen.
»Können wir gehen? Bist du fertig?« Elodie legte den Kopf schief und lächelte Austin an.
Der nickte und fügte an mich gewandt hinzu: »Bis später.«
»Brauchst du sonst noch irgendwas? Vielleicht noch ein paar Käsebällchen?«, fragte Elodie mich, während sie ihren Schlüsselbund und ihr Handy in die Vordertasche ihres Hoodies stopfte.
Ich schüttelte den Kopf. »Du weißt doch, dass ich sparen will«, erinnerte ich sie gerade in dem Moment, als Kael die Verandatreppe erklomm und die Tür öffnete.
»Wohin gehst du?«, fragte Kael meinen Bruder.
»Elodie und ich gehen in den Army-Laden«, antwortete mein Bruder.
Elodie packte Austins Ärmel und zerrte ihn praktisch zur Tür hinaus. »Wir müssen los! Gleich macht der Laden zu!«
***
»Wann, glaubst du, sind sie wieder zurück?« Kael checkte die Uhrzeit auf seinem Handy. »Eigentlich wollte er nämlich heute bei mir schlafen, und irgendwie muss er wieder zu mir zurückkommen. Aber ich kann ihm schreiben, dass er sich von Elodie dort absetzen lassen soll, wenn sie fertig sind.« Er sah sich im Wohnzimmer um, wobei er, wie üblich, jedes kleinste Detail seiner Umgebung wahrnahm.
Das gehörte zu den Dingen, die ich am faszinierendsten an ihm fand. Statt eines einzigen Buches war Kael eine ganze Bibliothek. Die schiere Menge an Informationen, die er in seinem Hirn gespeichert hatte, hätte womöglich die Welt verändern können, wenn er sie mit anderen geteilt hätte. Seine Intelligenz faszinierte mich und übte eine magnetische Anziehungskraft auf mich aus. Und gerade gehörte er mir allein.
Kael und ich waren Planeten, die einander inmitten meines Wohnzimmers langsam umkreisten. Ich hoffte, dass er jetzt an das Gleiche dachte wie ich.
»Und was jetzt?«, fragte er.
Ich zuckte mit den Schultern und trat langsam einen Schritt nach rechts, während er das Gleiche nach links machte. Wir tanzten. Unsere Seelen, unsere Körper. Ich fragte mich, wer sich zuerst auf den anderen stürzen würde.
Wieder einmal kreisten meine Gedanken so schnell, dass mir schwindelig wurde. Ich ging zum Fenster hinüber und sah hinaus, um mich davon zu überzeugen, dass Elodie und Austin tatsächlich losgefahren waren.
»Sie sind fort«, seufzte ich erleichtert.
Seit er in meinem Haus aufgetaucht war, sehnte ich mich nach einem Moment allein mit ihm. Obwohl ich ihn Dienstagabend gesehen hatte, vermisste ich ihn so sehr. Er trat auf mich zu und stützte den Arm auf meinen neuen Sessel vom Flohmarkt. Für den Rest meines Lebens würde ich diesen Sessel nicht mehr ansehen können, ohne an ihn zu denken. Wenn ich zu den Mädchen gehören würde, die ans Schicksal oder an glückliche Fügungen glauben, würde ich jenen Tag auf dem Flohmarkt als genau das betrachten. Das war der Tag, der uns wieder zueinandergeführt hatte. Aber schon bald würden wir wieder getrennt werden, nicht durch Täuschungen oder Geheimnisse, nur durch das Leben und die beschissenen Entscheidungen des Universums.
»Tut mir leid, dass ich es euch allen gleichzeitig gesagt habe. Eigentlich wollte ich dir von der Entlassung erst mal allein erzählen. Ich habe versucht, dich anzurufen, aber du bist nicht drangegangen«, sagte er und streckte mir den anderen Arm entgegen.
Auf der Suche nach meinem Handy sah ich zur Couch und zum Beistelltisch hinüber. »Keine Ahnung, wo ich mein Handy gelassen habe. Schon gut. Ich bin nur froh, dass ich es nicht als Letzte erfahren habe«, antwortete ich leise.
»Komm her, Karina.« Wie hypnotisiert von seiner Stimme, trat ich näher. Er legte die Arme um mich, einen nach dem anderen, und ich sah zu ihm auf. Eindringlich musterte er mein Gesicht.
»Ich freue mich wirklich für dich. Ich weiß, wie wichtig dir das ist«, sagte ich mit warmherzigem Lächeln.
»Würdest du mich begleiten?«
Ich brauchte ein paar Sekunden, um seine Frage zu verstehen. »Ich soll mit dir nach Atlanta kommen?«, wiederholte ich langsam.
Er nickte. »Ich weiß, dass hier dein Lebensmittelpunkt ist, aber ich bin egoistisch und will, dass du mit mir kommst. Ich will nicht von dir getrennt sein.«
»Könntest du nicht hierbleiben?« Ich kannte die Antwort, aber wenn er in diesem Moment so hoffnungsvoll egoistisch sein konnte, dann konnte ich es wohl auch.
Kael schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht. Ich kann nicht in dieser Stadt bleiben, an diesem Stützpunkt. Keine Ahnung, ob ich überhaupt jemals alles hinter mir lassen und ein neues Leben anfangen kann, aber hier, auf diesem Friedhof, bringe ich das ganz bestimmt nicht fertig. Ich will mit dir zusammen sein … fuck, eigentlich habe ich mir noch nie in meinem Leben etwas mehr gewünscht. Und ich weiß nicht, wie ich verdammt noch mal überhaupt von hier wegkommen soll, aber, Karina, ich muss einfach. Ich kann nur hoffen, dass du das verstehst.«
Seine Worte, so sorgfältig gewählt und ehrlich, schnitten mir tief ins Herz. Dabei war es nicht er, der mich verletzte, sondern unsere Realität. Das alles kam mir so unfair vor. Ich sah ein, dass er nicht hierbleiben konnte, wo er ständig an die Hölle erinnert werden würde, die er durchlebt hatte, wusste aber gleichzeitig, dass ich diesen Ort nicht verlassen konnte. Dafür hatte ich viele Gründe, angefangen von meinem Haus über meine Arbeit bis hin zu der Tatsache, dass ich einfach nicht bereit war, das Risiko einzugehen, meine Unabhängigkeit für die Möglichkeit der Liebe aufzugeben. Kael und ich hatten in unserer ganz eigenen, privaten Blase zusammengefunden, doch nun war sie geplatzt. Nicht auszudenken, wie chaotisch alles würde, wenn ich mein Haus verkaufte, nach Atlanta zog und wir uns kurz darauf wieder trennten? Die Welt war groß, so groß, dass es mich überforderte.
»Vermutlich fahren deine Gedanken gerade Achterbahn. Aber im Moment musst du dir über all das noch keine Sorgen machen, schon gar nicht heute.« Kael legte mir die Hand auf die Wange.
Die rauen Schwielen seiner Handfläche berührten meine Haut, was mir einen Seufzer der Erleichterung entlockte, obwohl wir noch nichts geklärt hatten.
Ich wusste, dass sich heute noch nichts ändern würde. Trotzdem konnte ich kaum vergessen, dass uns schon bald alles genommen werden würde. Doch egal, was seine Entlassung für mich bedeutete, ich freute mich aufrichtig für Kael, dass er aus der Army entlassen wurde, die wie ein Gefängnis für ihn gewesen war. Sein Seelenfrieden, seine Freiheit waren mir stets wichtiger als meine eigenen Bedürfnisse, auch wenn es mir das Herz brach. Genau jetzt, da mir alles perfekt vorkam – zu perfekt –, näherte sich unser Verfallsdatum. Mit jeder verstreichenden Sekunde blieb uns weniger Zeit miteinander. Der Trost, den er mir gespendet, die Heilung, die er bewirkt hatte, das alles würde wieder verschwinden. Das einzig Machbare schien eine Fernbeziehung zu sein, war aber wohl kaum eine Dauerlösung, da so etwas letztlich meist nicht funktionierte. Ich bekam Kopfschmerzen; ein Hochgeschwindigkeitszug aus Sorgen donnerte durch mein Hirn.
Kaels Hände zitterten ein wenig, als er sie über meine Ohren legte und mir einen Kuss auf die Stirn gab. Ich ließ die Schultern hängen.
»Shhhh«, flüsterte er an meiner Stirn, ehe ich seine Lippen auf meiner Haut spürte.
Die Berührung war wie Magie. Wie Noise-canceling-Kopfhörer. Nachdem mein Geist durch einen gleißenden Nebel immer schlimmer anmutender Szenarien gerast war, herrschte nun vollständige und absolute Stille. Ich schloss die Augen und krallte die Hände in den steifen Stoff seiner Ärmel. Ich klammerte mich an ihm fest, während er mir die Ohren zuhielt und den Kopf senkte, um mir in die Augen sehen zu können. Ich zog ihn an der Uniform näher zu mir heran und küsste ihn hart. Sein Mund war warm und schmeckte nach Kaffee und einem Hauch von Trauer. Ich öffnete den Mund noch weiter, sehnsüchtiger. Er legte mir die Hände auf die Hüften, während wir uns an die Seite des harten Sessels pressten.
Dann schob er den dünnen Stoff meiner Pyjamashorts an den Seiten hoch und knetete meine üppigen Schenkel. Ich stöhnte, während er jenen Teil meiner selbst erschloss, der sich nach Berührung sehnte und sich voller Begehren an seinen Körper schmiegte. Er hob eins meiner Beine über die Armlehne des Sessels, öffnete mich und strich mit den Fingern über mich hinweg. Der Stoff meiner Shorts war bereits feucht, und kaum berührte er mich, zerrte ich an seiner Uniformjacke, schob sie an seinen Armen hinab und warf sie auf den Boden. Unter dem braunen T-Shirt, das er nun noch trug, waren seine definierten Muskeln deutlich zu sehen. Hastig schob ich es ihm über den Kopf. Sofort fand seine Hand mich erneut. Bedächtig ließ er den Finger in mich hinein- und wieder hinausgleiten, immer wieder, bis er einen weiteren hinzufügte. Ich krallte die Nägel in die wunderschöne Haut an seinem Rücken. Ich war wie von Sinnen, das Adrenalin pulsierte durch meinen Körper, doch Kael bewegte sich weiterhin bedächtig, küsste mich zärtlich, leckte an meinem Hals, hauchte mir meinen Namen ins Ohr, wodurch ich am ganzen Körper eine Gänsehaut bekam. Seine Finger regten sich langsam, neckend, was mein Verlangen nur weiter schürte. Sanft schob er mich zum Sessel und drückte mich darauf nieder, um seine geschickten Finger kurz zwischen meinen Beinen zurückzuziehen. Mit der anderen Hand zog er mir Shorts und Höschen in einem Rutsch die Beine hinab und drang sogleich wieder in mich ein. Glückseligkeit wogte in mir empor, als er den Kopf senkte, meine Pobacken umfing und seine warme Zunge auf meine Scham presste. Ich versuchte, seine Schultern zu umfangen, hatte aber jegliche Kontrolle über meinen Geist und meinen Körper verloren. Also krallte ich mich in die Armlehnen des Sessels, rief seinen Namen, als ich kam, während seine Zunge wirbelte und kreiste. Vor Lust hätte ich beinahe die Besinnung verloren. Ich bäumte mich ihm entgegen, meine Beine verkrampften sich, und Wogen der Lust schlugen über mir zusammen, während seine Lippen an meiner bereits pulsierenden Klitoris saugten. Und obwohl ich so empfindsam war, wollte ich nicht, dass er aufhörte. Ich brauchte mehr. Mit unglaublicher Beherrschung hob er den Kopf, ließ jedoch sonst nicht von mir ab. Seine Lippen glitzerten im Licht. Mein Gott, wie wunderschön er war.
»Happy Birthday, Karina«, sagte er und küsste die Innenseite meiner Schenkel, während ich langsam auf die Erde zurückkehrte, in eine erheblich glücklichere Realität als kurz nach seiner Ankunft.
»Ich liebe dich«, versicherte ich ihm zwischen zwei Atemzügen. Er hielt meinen Blick fest, seiner zutiefst überrascht. Für zwei Menschen, die dermaßen intensiv füreinander empfanden, sprachen wir unsere Gefühle nicht häufig aus. Ich wusste, was er für mich fühlte, und er wusste, was ich für ihn fühlte. Das war alles, was zählte.
Kael richtete sich auf den Knien auf, sodass ich die Schenkel um seinen Rücken schlingen und ihn dichter zu mir heranziehen konnte. Er küsste meine Wangen und meine Lippen, sodass ich mich auf ihm schmeckte, während er in meinen offenen Mund hineinhauchte: »Ich liebe dich über alles.«
Ganz schlichte Worte, aber ich spürte, dass meine Augen brannten, als er mich erneut küsste. Der Schmerz in meinem Herzen war verebbt … vorerst.
***
»Happy Birthday«, flüsterte Kael, noch ehe ich die Augen geöffnet hatte.
Er war über Nacht geblieben, und sein warmer Körper umgab mich; die Hitze seiner Haut war intensiver als die der Sonne, deren Strahlen sich in mein Schlafzimmer ergossen.
»Ich habe echt keine Lust mehr auf Geburtstag«, stöhnte ich und öffnete blinzelnd die Augen. Sein Kopf lag auf meiner Brust, unsere Körper waren ineinander verwoben.
»In Ordnung. Dann gebe ich mein Geschenk für dich also einfach zurück«, scherzte Kael mit leiser Stimme.
»Was?« Ich setzte mich ein wenig auf, woraufhin er den Kopf hob, um mich anzusehen.
Er grinste. »Es liegt auf der Ladefläche meines Pick-ups. Na ja, zumindest teilweise. Der Rest ist noch in meinem Haus.«
»Der Rest?«
Er nickte wieder und gab mir einen Kuss auf die nackte Schulter. Ich erschauerte, was ihn veranlasste, mir gleich noch einen Kuss auf die Haut zu geben.
»Was ist es?«, fragte ich ihn. Keine Ahnung, was er vorhatte.
»Na ja …« Er befeuchtete seine Lippen und kniff die Augen vor dem Sonnenlicht zusammen, das nun auf sein wunderschönes Gesicht fiel. »Komm raus aus dem Bett, dann zeige ich es dir.« Er nahm mich bei der Hand und zog mich sanft aus den Federn. Ich schnappte mir noch schnell einen Hoodie vom Boden, falls Elodie oder Austin – oder beide – im Wohnzimmer sein sollten.
Dann gab ich Kael sein Shirt, das er sich über den Kopf zog. Das Haus war still, während wir über den Flur ins Wohnzimmer gingen. Kael führte mich zur Haustür und öffnete sie. Ich war gelinde gesagt verwirrt. Er trat nach draußen, und ich folgte ihm, blieb verlegen neben ihm stehen, wünschte, wir lägen immer noch im Bett, fragte mich aber gleichzeitig aufgeregt, was er wohl für mich geplant hatte.
»Ich weiß doch, wie sehr du Hollywoodschaukeln liebst …«
Ich hätte beinahe losgekreischt, ehe er weitersprach.
»Ich dachte, wir könnten die Schaukel dort aufhängen – das heißt, nachdem ich deine Veranda repariert habe. In ihrem derzeitigen Zustand könnte sie regelrecht von jetzt auf gleich zerbrös…« Ich legte ihm die Hand auf den Mund, und er biss spielerisch hinein.
»Meinst du das ernst?« Meine Augen brannten vor Rührung. Ich schlang ihm die Arme um den Hals und drückte ihn, was uns beide ein wenig nach hinten taumeln ließ. Aber seine starken Arme hielten mich fest, sodass wir nicht rücklings von der Veranda herunterfielen.
»Kael! Das ist … das ist … mir fehlen die Worte.« Am liebsten hätte ich ihn gar nicht mehr losgelassen.
Ich wollte ihm sagen, dass er das alles nicht zu tun brauchte, dass eine solche Aktion viel Zeit und Energie erforderte. Aber ich hielt den Mund, um mir ein so aufmerksames Geschenk durch meine Ängste nicht selbst zu verderben. Er erweckte einen meiner Träume zum Leben, meine eigene Hollywoodschaukel auf meiner eigenen Veranda. Vor lauter Dankbarkeit hätte ich platzen mögen.
Eine Weile beobachtete ich, wie Kael begann, einen Werkzeugkasten und lange Holzbretter von der Ladefläche seines Pick-ups zu holen. Immer noch konnte ich nur darüber staunen, dass er mir das beste Geschenk meines Lebens gemacht hatte.
»Soll ich dir helfen?«, fragte ich von den Verandastufen aus, auf die ich mich gesetzt hatte.
»Denk nicht mal dran.« Mit einem Kopfnicken deutete er auf das Haus. »Geh duschen oder leg dich wieder hin. Hier darfst du keinen Finger rühren.«
Unwillkürlich musste ich lächeln. So war es also, wenn jemand etwas für dich tat, nur um dich glücklich zu machen und ohne eine Gegenleistung dafür einzufordern.
»Na gut. Ins Bett will ich jetzt nicht mehr, aber ich werde ausgiebig duschen mit allem Drum und Dran«, verkündete ich und legte die Hände auf die Knie, um aufzustehen. Von unserer letzten Nacht waren meine Schenkel noch wunderbar wund.
»Mit allem Drum und Dran?«, fragte er und ließ eine Ladung Holz auf die Veranda fallen.
»Wie ein Bagel mit allem Drum und Dran, nur eben in Form einer Dusche. Hab ich auf Instagram entdeckt. Im Grunde heißt das, dass man alles macht, was man in der Dusche so macht. Doppelt shampoonieren, rasieren, Body-Peeling …« Ich dachte an die Frau, deren Abendroutine ich mir täglich ansah. Mit einem hübscheren Bad – und vielleicht ein wenig mehr Selbstbewusstsein – hätte ich mir vorstellen können, mein Self-care-Programm ebenfalls zu filmen.
»Das Internet ist manchmal ganz schön abstrus«, stöhnte Kael eine Spur amüsiert.
Ich stieg die Treppe hinab und blieb vor ihm stehen. »Apropos Internet, du solltest mir auf Instagram folgen.« Ich stemmte eine Hand in die Hüfte. Letztere war ein wenig steif. Ich machte ein paar Stretching-Übungen und drehte den Oberkörper hin und her. Der Anblick schien Kael zu gefallen.
»Okay?«, sagte er schlicht, holte sein Handy aus der Tasche und gab es mir. »Der Code ist 0917.«
Meine Augen leuchteten auf. Noch nie hatte ich miterlebt, dass ein Typ einem Mädchen so lässig seinen Sperrcode verriet. Umso häufiger hatte ich mitbekommen, dass Frauen auf den Geräten ihrer jeweiligen Partner jede Menge Beweise für deren Untreue entdeckt hatten. »Ich soll mir also selbst folgen? Wie romantisch«, neckte ich ihn und verdrehte die Augen. Kael beugte sich herab und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
»So romantisch, wie Instagram eben sein kann.« Er zuckte mit den Schultern und machte sich ohne ein weiteres Wort wieder an die Arbeit. Mit seinem Handy in der Hand stand ich da.
Natürlich hätte ich es mir liebend gern genauer angesehen, angefangen von den Fotos bis hin zu den Textnachrichten, aber ich hielt mich zurück. Ich gab den Sicherungscode ein und war nicht überrascht, als ich feststellte, dass er kaum Apps hatte, keine Textnachrichten erhalten hatte und nirgends kleine rote Punkte zu sehen waren, die eine Benachrichtigung anzeigten. Ich öffnete sein Instagram und fing an, meinen Namen einzugeben. Er stand schon in der Suchleiste. Mein Herz zog sich ein wenig zusammen, und ich sah über den Garten hinweg zu ihm hinüber. Ach, ich liebte ihn wirklich. Und kleine Momente wie diese verstärkten dieses Gefühl umso mehr. Ich folgte mir also, konnte dann doch nicht widerstehen und öffnete seinen Instagram-Messenger. Er war leer. Löschte er seine Nachrichten etwa regelmäßig? Oder war er der Einzige, der über Insta nie eine Direktnachricht erhielt? Okay, genug herumgeschnüffelt, Karina. Ich drückte den Seitenknopf seines Handys, um es wieder in Schlafmodus zu versetzen, und ließ es auf der Veranda liegen.
»Ich gehe jetzt rein!«, rief ich ihm zu.
Er nickte lächelnd und hievte einen Eimer von der Ladefläche.
Ich kehrte ins Haus zurück und beschloss, ihm Frühstück zu machen, statt mir selbst eine Dusche mit allem Drum und Dran zu gönnen. Immerhin widmete er sich gerade meiner Veranda, weshalb ich das Bedürfnis hatte, mich wenigstens ein bisschen erkenntlich zu zeigen. Ich durchforstete meinen Kühlschrank. Hinten entdeckte ich eine Dose mit Biscuits. Außerdem hatte ich noch Sausages im Tiefkühlfach. Mit einem Blick auf das Verfallsdatum auf der Dose versuchte ich, mich daran zu erinnern, wann ich zum letzten Mal Gravy mit Biscuits gemacht hatte. In meiner Jugend gab es dieses Gericht mindestens zweimal im Monat. Meine Mom hatte das beste Rezept dafür. Von ihr hatte ich gelernt, wie man es zubereitete, es aber erst zweimal nachgekocht, beide Male für Elodie. Ich schnappte mir die Sausages aus dem Tiefkühlfach und ließ heißes Wasser ins Spülbecken laufen. Nicht die beste Methode, um Fleisch aufzutauen, aber was soll’s. Dann holte ich die übrigen Zutaten heraus – Mehl, Milch, Pfeffer –, schaltete den Ofen zum Vorheizen und die Musik auf meinem Handy ein und gestattete mir, mich in diesem Spiel zu verlieren, in der Fantasie gemeinsamer, glücklicher Zweisamkeit.
Etwa eine halbe Stunde später wäre ich vor Schreck beinahe vom Hocker gefallen, als Kael hinter mich trat, während ich in der Sauce rührte. Vollkommen selbstvergessen, hatte ich ein Lied von Taylor Swift mitgesungen. Als er lachte, fühlte ich seinen warmen Atem an meinem Hals.
»Ich habe die Würstchen gerochen und musste einfach nachsehen, was du hier drinnen treibst«, sagte er, die Lippen an meiner Haut. Ich erschauerte, als er den Ausschnitt meines Hoodies ein Stück weit fortzog, um mir einen Kuss auf den Hals zu geben.
»Ich habe Gravy mit Biscuits gemacht und wollte dich in etwa zwei Minuten sowieso reinholen. Muss nur noch etwas nachwürzen«, antwortete ich, griff nach der Pfeffermühle und verteilte unbeholfen ein Häufchen Gewürz auf meiner Sauce. Schon lief mir das Wasser im Munde zusammen.
»Mmmh, danke. Und was ist mit deiner Bagel-Dusche?« Sanft legte er einen Arm um meinen Oberkörper und zog mich an sich.
Ich lachte. »Es ist eine Dusche mit allem Drum und Dran.«
»Stimmt, ja.« Ich spürte sein Lächeln an meiner Wange.
»Ich habe beschlossen, Hausfrau zu spielen und dir stattdessen etwas zu essen zu machen.« Spielerisch drängte ich meine Hüften an seinen muskulösen Körper.
Dann schaltete ich den Ofen aus und bat ihn, sich schon mal an den Tisch zu setzen, während ich Teller und Wasser herbeitrug und die heißen Biscuits vom Backblech auf einen weiteren Teller legte. Kael leckte sich über die Lippen und schmatzte genüsslich. Anscheinend hatte er einen Mordshunger. Ich gab also Biscuits, Würstchen und Sauce auf seinen Teller und drückte die Daumen. Nach dem ersten Bissen machte er große Augen.
»Verdammt, schmeckt das gut«, sagte er mit vollem Mund.
Ich lächelte zufrieden und stolz auf mich selbst.
»Danke. Ist ein altes Familienrezept«, flüsterte ich, die Hand neben meinen Mund haltend.
»Ich erzähle es keinem weiter, zumindest wenn du meiner Ma nicht verrätst, dass dies die besten Biscuits mit Gravy sind, die ich je gegessen habe.« Er versenkte die Gabel in einem Biscuit-Rest. In diesem Moment war ich froh, dass ich die gesamte Packung gemacht hatte.
Während ich mich ebenfalls über meine Mahlzeit hermachte, wanderten meine Gedanken zu meiner eigenen Mom. Das Essen schmeckte so sehr nach ihr, dass mein Herz ein klein wenig wehtat. Es war gleichzeitig tröstlich und schmerzhaft. Diese Gedankenspirale durfte ich nicht weiterverfolgen, sonst zog sie mich zu sehr hinab.
»Apropos deine Ma … hat sie sich sehr gefreut?« Fragend hob ich die Augenbraue und spielte den Ball wieder Kael zu.
»Das mit meiner Ma ist eine lange Geschichte«, sagte er. »Sie ist froh über meine Entlassung aus der Army, aber ihr Gesundheitszustand hat sich verschlechtert.«
Plötzlich war ich besorgt. Eigentlich wusste ich noch gar nicht so viel über seine Mutter, außer dass sie ihm viel bedeutete. »Willst du darüber reden?«, fragte ich und berührte zärtlich sein Gesicht.
Er schüttelte den Kopf. »Nicht heute. Nicht an deinem Geburtstag. Bitte.«
Ich nickte kurz und kaute weiterhin bedächtig auf meinem Essen herum. »Und Mendoza?«
Kael warf mir einen Blick zu. »Mendoza hat eine ziemlich beschissene Woche hinter sich.«
»Warum? Was war los?«
»Julien hat irgendein Problem mit den Augen. Etwas, das sich nicht einfach nur mit einer Brille regeln lässt. Sie reden von einer OP, vielleicht wird er sogar erblinden. Gloria ist fix und fertig.«
Wir schwiegen beide bedrückt. Dann zwinkerte er mir zu, um die Stimmung ein wenig zu heben. »Anscheinend habe ich ein Händchen dafür, dich ausgerechnet an deinem Geburtstag runterzuziehen.«
Tatsächlich war ich deprimiert. Wie furchtbar das alles für Gloria sein musste. Ich fragte mich, ob ich sie anrufen sollte, entschied dann aber, es lieber zu lassen. Immerhin hatte mir Kael diese Sache im Vertrauen erzählt.
Er fuhr sich mit den Händen über seinen rasierten Kopf. An der perfekten, geraden Linie an Nacken und Stirn erkannte ich, dass er erst kürzlich beim Friseur gewesen sein musste.
»Gibt es irgendwas, was sie tun können?«, fragte ich, obwohl das, wie ich wusste, unwahrscheinlich war.
»Im Grunde nicht. Sie können sich lediglich darauf verlassen, dass die Ärzte eine Lösung finden. Wobei es Mendoza normalerweise ziemlich schwerfällt, sich auf andere zu verlassen.«
»Nur bei dir nicht«, rief ich ihm ins Gedächtnis.
Er legte die Gabel hin und nickte, wobei ein schwaches Lächeln seine Lippen umspielte. »Ja, nur bei mir nicht.«
Ich beobachtete, wie Kaels Miene sich änderte, während er eine Minute lang schweigsam dasaß, und wusste, dass er sich große Sorgen um seinen Freund machte.
»Ich wünschte nur, er würde sich auch für sich selbst Hilfe suchen. Nicht nur für Julien. Mit jeder Episode, die er durchlebt, wird es offensichtlicher. Und ich habe es ihm schon unzählige Male ans Herz gelegt. Dass er zu stolz dazu ist, hat allerdings nichts mit seinem Ego zu tun, sondern mit seiner Erziehung – genau wie ich ist er dazu erzogen worden, sein Leiden für sich zu behalten. Allerdings: Ich selbst bin ja auch noch nicht geheilt, und das trotz zwei Therapieterminen die Woche, diversen Medikamenten sowie regelmäßigen Arztbesuchen.«
Als er sich an die Schläfe tippte, lief mir ein kleiner Schauer über den Rücken.
»Mendoza verliert die Kontrolle. Er kann nicht dafür sorgen, dass es seiner Familie gut geht – was eine weitere Krise in seinem Leben darstellt«, fuhr er fort. »Als ich ihn vor ein paar Jahren kennenlernte, war er ein vollkommen anderer Mensch. Ständig mit Gewalt konfrontiert zu werden, dieser dauernde Kampf um Leben und Tod, das alles macht einen kaputt. Ihn hat es so richtig fertiggemacht. Und jetzt geht es auch noch seinem Kind schlecht. Das ist so unfair.«
Kaels Kiefer verkantete sich, und er schluckte trocken, sodass sein Adamsapfel auf und ab hüpfte. »Und das Schlimmste ist: Auch wenn sein Stolz ihm nicht im Wege stünde, dürfte er keinesfalls zugeben, dass er Hilfe braucht. Denn wenn ans Licht kommt, wie es ihm tatsächlich geht, würde die Army ihn rauswerfen. Dann könnte er seine Familie nicht mal mehr finanziell unterstützen. So kriegen sie übrigens viele Jungs dazu, dabeizubleiben. Mendoza hat Kinder, die eine Krankenversicherung brauchen, und wenn die ersten Tests besagen, dass Julien mehr Hilfe braucht, dann ist sie nötiger denn je. Der Gedanke an ein Leben nach der Army macht einem Angst – sogar mir. Keine Ahnung, wer ich ohne die Uniform sein werde.« Kael blickte auf seinen Teller herab. »Dabei gibt es außer mir selbst niemanden, um den ich mich sonst noch kümmern müsste.«
Seine Worte trafen mich ein wenig, was ihm nicht entging. Stumm saß ich da und hörte ihm zu, begierig auf alles, was er mir erzählte. Trotzdem tat dieser Satz weh.
»Ich meine auf finanzieller Ebene«, stellte er klar, woraufhin ich mich wieder ein bisschen entspannte. »Meine Schwester und meine Ma, zum Teufel, denen ginge es gut, wenn ich stürbe. Durch meine Lebensversicherung wären sie erheblich besser dran als jetzt.«
»Nicht witzig.« Ich stieß gegen seine Schulter, denn dieses beiläufige Gerede über den Tod fand ich alles andere als amüsant. »Empfindest du wirklich so? Dass du nicht weißt, wer du bist?«
Er nickte. »Und das macht mir eine Scheißangst. Ich wollte mein Leben lang Soldat werden und es bis zur Rente bleiben. Diese Entlassung trifft mich ziemlich hart. Ich bin dermaßen daran gewöhnt, einfach nur zu überleben. Ich bin ein guter Soldat – ehrlich gesagt sogar ein fantastischer. Keine Ahnung, worin ich sonst noch gut bin oder was passiert, wenn ich diese Uniform zum letzten Mal ausziehe.«
»Du bist toll im Renovieren, und das ist ein großer Markt. In den Großstädten boomen Immobilienunternehmen, die Häuser quasi wie Hotelzimmer vermieten. Das beobachte ich online ständig.« Keine Ahnung, was ich sonst noch sagen sollte. Auf die wirklich großen Fragen hatte ich keine Antworten, weshalb ich mich auf ein paar erbärmliche, kleinere Ermutigungsversuche beschränken musste.
Kaels sanftes Lächeln wurde zu einem Grinsen.
»Danke, Karina. Ich hoffe, dass es tatsächlich so klappt, wie ich es mir wünsche.«
Ich rückte näher an ihn heran. »Ich auch.«
Ich konnte den Blick nicht von ihm abwenden.
»Übrigens vermute ich, dass es dein Dad war, der mir geholfen hat, so schnell rauszukommen.« Er sagte das so beiläufig, dass ich mich beinahe verschluckt hätte.
»Was?«
»Ja. Ich kann es natürlich nicht mit Gewissheit sagen, aber ich bin mir trotzdem ziemlich sicher. Niemand kommt so schnell raus, ohne dass irgendein ranghöherer Offizier seine Strippen zieht. Ich habe herumgefragt, aber keiner hat eine Ahnung, wie es dazu kommen konnte. Nur dein Dad kennt meine Lebensumstände. Wenn ich mehr weiß, sage ich dir Bescheid, aber ich habe nun mal das untrügliche Gefühl, dass er dahintersteckt.«
Ich war verwirrt. »Warum hätte er das tun sollen?«
Bei der ganzen Sache war mir ein wenig übel. Oberflächlich betrachtet, schien es eine gute Tat zu sein, aber ohne egoistische Hintergedanken tat mein Dad nie etwas Nettes für andere, und ganz sicher würde er keine größere Mühe auf sich nehmen, um jemandem zu helfen, den er so sehr verachtete wie Kael.
»Wer weiß.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich vermute, er will mich so schnell wie möglich aus deinem Dunstkreis entfernen.«
»Mir passt der Gedanke nicht, dass er sich in dein Leben einmischt. Ich meine, natürlich freue ich mich, dass es sich in diesem Fall vorteilhaft für dich auswirkt, trotzdem muss die Sache einen Haken haben. Ich kenne meinen Dad.«
Kael musterte mich eindringlich. »Wie wäre es, wenn wir uns heute nur auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist, nämlich auf dich und mich?«
Das Schweigen dehnte sich zwischen uns aus, während er mir tief und unverwandt in die Augen sah. Meine Nackenhaare richteten sich auf. Keiner von uns dachte mehr ans Essen.
Bei ihm fühlte ich mich so zufrieden und so sicher; ich wollte ihm näher sein, alles besser für ihn machen. Bislang verstand ich die Komplexität meiner Gefühle noch nicht, wusste aber, dass ich ihn liebte.
Kael umfing mein Handgelenk, führte meine Hand an seine Brust und zog mich auf meinem Stuhl näher zu sich heran. Die Energie zwischen uns hatte sich so schnell verändert, dass ich kaum mehr Luft bekam. In einer Sekunde hatten wir noch zusammen gefrühstückt und eine ernsthafte Unterhaltung geführt, und im nächsten Moment flogen auch schon die Funken zwischen uns. Ich kletterte auf seinen Schoß. Sein Blick hielt mich fest, und mit erleichtertem Seufzer ließ er die Schultern sinken. Eine seiner Hände wanderte an meine Hüfte, die andere vergrub er in meinem Haar.
Jede einzelne Zelle meines Körpers tanzte und summte unter der Wärme seiner Berührung.
Während wir so ohne Worte zueinander sprachen, ließ er die Hand von der Hüfte zu meinem Nacken hinaufwandern. An meiner Kehle hielt er inne und umfing zärtlich mein Kinn. Ich wand mich auf ihm und rieb meine Shorts an dem dünnen Baumwollstoff seiner Jogginghose. Als ich spürte, wie er härter wurde, ließ ich mich weiter auf ihn herabsinken. Die Reibung war einmalig, wunderbar, himmlisch. So etwas hatte ich noch nie empfunden.
Seine Lippen berührten meinen Kiefer, beschrieben einen Pfad aus Küssen bis hinauf zu meinen sehnsüchtigen Lippen.
»Karina, ich …«, begann er, ohne von mir abzulassen. Doch in diesem Moment katapultierte uns das Vibrieren seines Handys in die Wirklichkeit zurück. Unwillkürlich erstarrte ich.
Er griff in seine Tasche und fischte sein Telefon heraus, auf dessen Display Mendozas Name aufleuchtete. Er ignorierte den Anruf.
»Was, wenn er in Schwierigkeiten steckt?«, fragte ich und kletterte von seinem Schoß herunter.
Kaels Handy klingelte erneut. Diesmal ging er ran.
»Hey, was ist los? Geht es dir gut?«, fragte er sofort.
Er sah zu mir auf. Seine Pupillen waren so klein, dass sie in einem Meer aus umwölktem Braun zu ertrinken schienen. Am liebsten hätte ich ihn sofort wieder berührt. Ich sah auf seine Hände hinab, weshalb er mit einer Hand mein Gesicht umfing und mit dem Daumen zärtlich über meine Wange strich. Ich kam mir vor wie im Traum. Ich hoffte, dass mit Mendoza alles in Ordnung war, sowohl um seinetwillen als auch wegen Kael – egoistischerweise aber auch um meinetwillen, immerhin hatte ich heute Geburtstag …
Ein paar Sekunden lang hörte man Mendoza am anderen Ende der Leitung sprechen, ehe Kael sein Handy vom Ohr nahm und ein paarmal auf den Bildschirm tippte. Er rief irgendetwas auf und vergrößerte es mit Daumen und Zeigefinger, um es besser erkennen zu können, bevor er das Handy wieder ans Ohr hob.
»Heiliger Strohsack. Woher hast du das?«
Ich starrte Kael an, erwartete, dass er auch mich wieder ansehen würde. Aber das tat er nicht. Ich konnte Mendozas Worte am anderen Ende der Leitung nicht verstehen, und die Ungewissheit zerrte an meinen Nerven. Aber mir blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten.
»Okay. Schick das keinesfalls weiter und erwähne es auch vor niemandem, bis wir herausgefunden haben, wer damit angefangen hat und woher es kommt.«
Was zum Teufel ist hier los? Die Frage brannte in meiner Kehle und drängte mit aller Macht heraus.
»Okay. Danke. Halt mich auf dem Laufenden, falls Phillips sich bei dir meldet.« Dann beendete er das Gespräch – und blieb stumm und mit undefinierbarem Ausdruck im Gesicht sitzen.
»Was? Was ist passiert?« Mir sank das Herz in die Magengrube, und ich vermutete schon das Schlimmste für Mendoza oder Elodies Soldat. Verwirrt sah ich Kael an.
Er hob das Handy und drehte es zu mir um. Blinzelnd versuchte ich, zu erfassen, was ich da auf dem Display sah. Das Foto zeigte zwei Menschen, die in inniger Umarmung auf einem Parkplatz standen. Innerhalb weniger Sekunden dämmerte mir, was Elodies Ehemann damit zu tun hatte. Eine der beiden Personen auf dem Bild war sie. Und der Mann in Bluejeans und T-Shirt mit dem zerzausten blonden Haar war Austin. Beide trugen die Kleidung, mit der sie gestern Abend das Haus verlassen hatten.
Sie standen neben ihrem Auto.
Hielten einander eng umschlungen; ihre Lippen berührten sich.
»Was zum …?« Lautes Motorengeräusch hinderte mich am Weitersprechen. Ich ging zum Fenster und sah ein fremdes schwarzes Fahrzeug vor meinem Haus parken. Der Fahrer öffnete die hintere Beifahrertür. Ein Soldat in Uniform und mit kurz geschorenem schwarzem Haar stieg aus. Erst als er schon den Rasen erreicht hatte und auf meine Veranda zukam, erkannte ich, um wen es sich handelte. Diesen Mann hatte ich bislang nur auf Fotos gesehen.
Wenn man vom Teufel spricht.
Es war Phillip. Und er hatte für seine Heimkehr den schlimmstmöglichen Zeitpunkt gewählt.
Karina
Phillips Ankunft hatte uns kalt erwischt, und der Schock ließ nur langsam nach, als wir zusahen, wie Elodies Ehemann auf uns zukam. Sanft legte mir Kael die Hand ins Kreuz, wie um mir emotionalen Beistand zu geben. Ich spürte, dass seine Hände ein wenig bebten. Was war hier nur los?
Konnte es ein schlechteres Timing als das hier geben? Wieso war Phillip hier? Wann war er überhaupt zurückgekehrt?
»Bleib hier«, raunte mir Kael so leise zu, dass nur ich es hören konnte.
Ausnahmsweise tat ich wie mir geheißen. Irgendetwas an Kaels Körpersprache war seltsam, als ich ihn die Treppe hinuntergehen sah, um den Mann zu begrüßen, der eigentlich doch sein bester Freund sein sollte. Etwas an der Art, wie sein Kinn sich verkrampfte und seine Hände zitterten, veranlasste mich, die Männer etwas schärfer zu beobachten. Phillip hatte sich von einer mythischen Figur, von der ich bislang nur gehört oder Fotos gesehen hatte, in einen Mann aus Fleisch und Blut verwandelt, der nun in meinem Garten stand. Als er Kael umarmte, schrillten in meinem Kopf sämtliche Alarmglocken.
Vielleicht lag es an der Art, wie Phillip in letzter Zeit mit Elodie bei ihren Videocalls gesprochen hatte, an ihrer deprimierten Stimme und ihrem traurigen Blick, wenn es um ihn ging, aber mittlerweile freute ich mich nicht mehr darauf, ihn kennenzulernen. Hinzu kam das Foto, das ich gerade auf Kaels Handy gesehen hatte – Austin und Elodie eng umschlungen und in einen Kuss vertieft. Und noch ehe ich die Tatsache, dass sie offensichtlich eine Affäre hatten, hatte verarbeiten können, stand auch schon der Ehemann vor mir.
»Überrascht, mich zu sehen?«, fragte er Kael. Die Morgenluft war noch kühl und taufeucht, weshalb er beim Sprechen kleine Atemwölkchen ausstieß.
»Darauf kannst du Gift nehmen. Wann bist du gelandet?«, fragte Kael und schlug seinem Kumpel freundschaftlich auf die Schulter.
Ich wusste nicht so genau, ob ich wieder ins Haus gehen oder hierbleiben sollte, aber ehe ich mich entscheiden konnte, wandte sich Phillip mir zu.
Ich fragte mich, woher er überhaupt meine Adresse kannte, ob er gewusst hatte, dass Kael hier sein würde, oder ob er nur auf der Suche nach seiner Frau war.
»Du musst die berühmte Karina sein«, sagte er in einem Ton, der ebenso humorvoll wie unheilvoll sein konnte. Ich kannte ihn noch nicht gut genug, um es einschätzen zu können, weshalb der Kloß in meinem Magen mit jeder Sekunde größer wurde. Er rieb sich die Hände gegen die Kälte. Das Wetter war typisch für den Herbst in Georgia, aber ich vermutete, dass er nach seiner langen Abordnung nach Afghanistan an extreme Hitze gewöhnt war, weshalb es vermutlich eine Weile dauern würde, ehe er sich an die hiesigen Wetterverhältnisse wieder angepasst hatte.
Ich hob die Hand, um ihm zuzuwinken, wobei mir auffiel, dass Kael ihn hastig umrundete und zurück zu mir eilte. Ausnahmsweise war es mir unmöglich, seine Gedanken zu erraten. Auf der untersten Stufe blieb er stehen, als wolle er mich vor Phillip abschirmen.
»Ja. Und du musst der berühmte Phillip Phillips sein.« Ich setzte ein falsches Lächeln auf.
Er nickte und machte eine knappe Verbeugung. »Ganz genau.«
Sekunden vergingen, als ob niemand von uns wüsste, was zum Teufel er sagen oder tun sollte.
»Wo ist meine Frau?«, erkundigte sich Phillip schließlich.
»Im Army-Laden«, platzte ich heraus. Die weiter emporsteigende Sonne überzog den Himmel mit ihrem orangenen Schein. Normalerweise hätte ich dieses Naturschauspiel bewundert, aber momentan stand mir nicht der Sinn danach.
»Ah. Eigentlich wollte ich sie überraschen – nicht euch, nichts für ungut. Wann kommt sie zurück? Zum Teufel, ich weiß nicht mal, wie viel Uhr wir haben, hab auch noch kein Handy. Was hat sie verdammt noch mal zu so früher Stunde im Army-Laden zu suchen?« Er seufzte.
War er verärgert? Oder empfand ich das nur so, weil ich Gründe für das mulmige Gefühl suchte, das mich beschlichen hatte? Er war gerade aus Afghanistan zurückgekehrt, um seine Frau zu besuchen, und sie war nicht zu Hause. In diesem Fall wäre ich wahrscheinlich ebenfalls ärgerlich gewesen. Gott sei Dank, dass er noch kein Handy hatte; was sollten wir nur mit diesem verdammten Foto machen, das auf dem Stützpunkt bereits kursierte? Ich musste unter vier Augen mit Kael sprechen, und zwar so schnell wie möglich. Außerdem musste ich Elodie warnen, dass ihr Mann hier war und sie im Supermarkt und nicht im Bett meines Bruders wähnte.
»Keine Ahnung, aber ich könnte sie anrufen?«, bot ich an, wobei ich versuchte, mir meine Panik nicht anmerken zu lassen.
»Nein«, sagte er knapp.
Kaels Rücken versteifte sich, und er wandte sich wieder zu Phillip um.
»Wir könnten zu mir nach Hause fahren. Dann kann Karina Elodie vorbeibringen, sobald sie wieder da ist«, schlug Kael vor.
Was für eine Schnapsidee! Es gab nicht allzu viele Orte, an denen Elodie und Austin sein konnten. Am wahrscheinlichsten war, dass sie in Kaels Haus waren, da Austin nun schon seit einer Weile dort wohnte.
Phillip schüttelte den Kopf. »Fuck. Wie lang ist sie denn schon weg?«
»Erst … also … eigentlich habe ich keine Ahnung.«
Das war nicht mal gelogen. Von dem Zeitpunkt an, da Austin und Elodie das Haus verlassen hatten, versanken meine Erinnerungen im Nebel. Warum sie gestern Abend nicht nach Hause gekommen waren, lag auf der Hand, aber dieses Wissen nützte weder mir noch Kael in diesem Moment. Meine Handflächen waren feucht, mein Herz raste.
Phillip starrte mich mit seinen beinahe schwarzen Augen an. Ich spürte, dass er auf etwas Bestimmtes aus war. Vielleicht wusste er bereits Bescheid über Austin und Elodie? Sein Blick war unangenehm und vorwurfsvoll. Großer Gott, was für ein Schlamassel.
»Wie kannst du das nicht wissen?«, knurrte er.
Trotz meines Unbehagens machte ich einen Schritt auf ihn zu. »Tut …«
»Rede nicht so mit ihr.« Kaels Stimme klang wie ein Befehl. Ich hatte plötzlich das untrügliche Gefühl, dass mir – wie so oft – irgendetwas entging.
Phillip verzog die Lippen zu einem Lächeln und drückte die Schultern durch, als würde er versuchen, sich wieder in den Griff zu kriegen. War er immer so aufbrausend? Wie hatte Elodie einen Mann wie ihn heiraten können? Eigentlich kannte ich ihn noch nicht lang genug, um so rigoros über ihn urteilen zu können, aber ich war mir sicher, dass irgendetwas faul war.