The Chosen: Auf diesen Felsen - Jerry B. Jenkins - E-Book

The Chosen: Auf diesen Felsen E-Book

Jerry B. Jenkins

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Beschreibung

The Chosen hat sich in kürzester Zeit zu DER Jesus-Serie schlechthin entwickelt. Das größte Crowdfunding-Projekt aller Zeiten hat weltweit bereits über 770 Millionen Zuschauer begeistert. In Band 4 der Roman-Reihe zur Serie beschreibt Bestsellerautor Jerry B. Jenkins das Leben und Wirken von Jesus in enger Anlehnung an die biblischen Berichte, gleichzeitig aber auch auf eine so lebendige Art und Weise, dass man das Gefühl hat, selbst Teil der Geschichte zu sein. Der neue Roman nimmt mitten hinein in die Geschehnisse rund um Jesus und die Menschen, die ihm nachfolgen.

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Seitenzahl: 393

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Über den Autor

Jerry B. Jenkins hat als Autor und Co-Autor mittlerweile mehr als 150 Bücher geschrieben. Zu seinen Veröffentlichungen zählen neben Romanen auch mehrere Biografien sowie Sachbücher für Ehe und Familie. Er verbrachte 13 Monate mit Billy Graham, um diesen beim Schreiben seiner Lebenserinnerungen zu unterstützen. Gemeinsam mit seiner Frau Dianna lebt er in Colorado. Sie haben drei erwachsene Söhne und acht Enkel.

Jerry B. Jenkins

The Chosen

Auf diesen Felsen

Aus dem englischen von Karoline Kuhn

Gerth Medien

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.This Focus on The Family book was first published in the United States by BroadStreet Publishing Group LLC, 8646 Eagle Creek Circle, Suite 210, Savage, MN 55378, with the title Upon This Rock.© 2024 Jenkins Entertainment, LLC. All rights reserved. Translated by permission.

© 2024 der deutschen Ausgabe Gerth Medien

in der SCM Verlagsgruppe GmbH,

Berliner Ring 62, 35576 Wetzlar

„The Chosen“- und die „School of Fish“-Designs sind Warenzeichen von The Chosen, LLC, und werden mit Genehmigung verwendet.

Aus dem Englischen von Karoline Kuhn

Bibelzitate folgen keiner vorliegenden deutschen Übersetzung, sondern wurden meist frei nachempfunden oder aus verschiedenen Übersetzungen kombiniert.

Erschienen im August 2024

ISBN 978-3-96122-655-9

Umschlaggestaltung: Lisa Antonacci

Umschlagmotiv: The Chosen, Inc.

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

www.gerth.de

Für Josh Lindstrom

„Wie glücklich kannst du dich schätzen, weil du geglaubt hast! Was der Herr dir angekündigt hat, wird geschehen.“

Lukas 1,45

TEIL 1 Der Tanz des Todes

Kapitel 1 DER NAME

Nazareth

Die junge Maria ist noch immer von dem Besuch des Boten erfüllt. Hätte sie diese Geschichte nur gehört und nicht selbst erlebt, hätte sie sie niemals geglaubt. Aber der Herr selbst schickte den Engel Gabriel zu ihr, einem Mädchen ohne Bedeutung, mit einer Botschaft, die so abwegig war, dass sie zunächst einfach erschrocken war.

Aber es ist wahr. Sie, eine junge Frau, die noch nie mit einem Mann geschlafen hat, wird den lang erwarteten Messias, den Sohn des höchsten Gottes, gebären. Sie hatte es nur ihren Eltern und ihrem Verlobten erzählt, der es nicht glaubte, bis auch er im Traum besucht wurde. Fast ebenso bizarr ist, dass der Engel Maria mitteilte, dass auch die Schwester ihrer Mutter, ihre alte Tante Elisabeth, einen Sohn bekommen würde. Das musste Maria mit eigenen Augen sehen.

Elisabeth ist jetzt fast neunzig und war ihr ganzes Leben lang unfruchtbar. Obwohl es Frauen verboten ist, allein zu reisen, überredete Maria ihren widerstrebenden Vater, für sie eine Mitreisegelegenheit ins judäische Hügelland auszuhandeln, wo Elisabeth mit ihrem Mann Zacharias, einem Priester, wohnt.

Maria ist gerührt davon, dass ihr Vater den Leiter der kleinen Karawane, die nur aus ein paar mageren Tieren besteht, ermahnt, gut auf sie aufzupassen. Schließlich hilft ihr Vater ihr beim Aufsitzen und vertraut dem Mann ihre kleine Tasche an. Maria muss lächeln, weil die Frau des Karawanenführers, die er Tzofi nennt, nicht einmal versucht, ihre Neugier zu verbergen, und Maria auffällig mustert.

„Was sollte das denn?“, fragt Tzofi ihren Mann.

Er zuckt mit den Schultern. „Solange die Leute bezahlen, stellen wir keine Fragen.“

„Es ist nur … Ich meine, was hat eine Nazarenerin denn in …“

„Er bat uns, diskret zu sein.“

„Warum?“, hakt Tzofi nach. „Und weshalb haben sie uns ausgewählt?“

„Solange die Leute zahlen, stellen wir …“

„Du weißt aber schon, dass manchmal eine Jungfrau weggeschickt wird, um eine Weile bei Verwandten zu leben, weil sie … eben keine mehr ist?“

„Tzofi, sei nicht so vulgär.“

Mit einer Nacht im Freien und ein paar kurzen Ruhepausen dauert die Reise fast zwei Tage. Maria wird von den anderen größtenteils ignoriert, aber sie fühlt sich seltsamerweise sicher, obwohl die Straße allgemein als gefährlich gilt. Abgesehen von der Tatsache, dass Tzofi und ihr Mann bewaffnet sind und offensichtlich schon lange als Karawanenführer arbeiten, weiß Maria, dass Gott einen Grund hat, sie zu beschützen.

Der Mann bringt die Karawane zum Stehen und blickt auf eine Ansammlung von bescheidenen Häusern auf einer Anhöhe. „Da wären wir, junge Frau.“

Maria nimmt ihre Sachen, bedankt sich bei dem Paar und fügt hinzu: „Gott begleite euch auf dem Rest eurer Reise!“

„Gott sei mit dir“, entgegnet Tzofi.

„Auf dem Rest deiner Reise“, ergänzt ihr Mann und lächelt.

Seine Andeutung ist Maria nicht entgangen, aber das ist ihr egal. Sie ist guter Dinge, denn gleich wird sie ihre geliebte Tante und ihren geliebten Onkel wiedersehen. Sie atmet tief durch und steigt den Hügel hinauf.

Elisabeth summt in ihrer Küche vor sich hin, während sie um ihren dicken Bauch herum arbeitet und geschickt eine Honigwabe durchschneidet. Sie wird von jemandem aufgeschreckt, der ruft: „Elisabeth! Zacharias! Shalom!“ Die alte Frau lässt das Messer fallen und legt eine Hand auf ihren Bauch.

„Elisabeth?! Ich bin’s: Maria!“

Die alte Frau reißt überrascht die Augen auf und umfasst wieder ihren Bauch.

Maria lächelt und umarmt ihren Onkel, der zur Tür gekommen ist. Für einen Mann in den Neunzigern kann er sich noch ganz gut bewegen.

„Zacharias!“

Aber er antwortet nicht, sondern tastet aufgeregt nach einer Kreidetafel.

„Onkel?“, fragt Maria besorgt.

Er schreibt schnell einen Gruß.

„Was ist los mit dir?“, wundert sie sich. Da kommt auch schon ihre Tante. „Oh, Elisabeth!“

Sie umarmen sich herzlich. Maria tritt etwas zurück und deutet auf den Bauch der alten Frau. Elisabeth ergreift ihre Hand.

„Zacharias kann jetzt nicht reden. Ich erkläre es dir später.“ Atemlos führt sie Maria in den Innenhof, und sie setzen sich. Elisabeth schließt die Augen und sagt mit Nachdruck: „Maria, Gott hat dich gesegnet, mehr als alle anderen Frauen! Und gesegnet ist das Kind, das in dir heranwächst.“

„Warte, woher weißt du …? Vermutlich sollte mich nichts mehr überraschen. Als mein Bote mir von deinen Neuigkeiten erzählte, war ich so glücklich, denn ich weiß, wie lange du gelitten hast. Ich will alles darüber hören.“

„Es passiert etwas noch Besseres als das“, sprudelt es aus Elisabeth heraus, und sie scheint schneller zu sprechen, als sie denken kann. „Es ist einfach so unglaublich! Wie kann es sein, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?“

„Die Mutter deines Herrn? Hat dir ein Bote von mir erzählt?“, wundert sich Maria.

„Als ich deine Stimme hörte – nur den Klang deines Grußes –, hüpfte mein Kind vor Freude. Du bist gesegnet, meine Liebe, weil du geglaubt hast, dass das, was Adonai dir gesagt hat, auch geschehen wird.“

„Das hat dir ein Bote gesagt.“

„Der Bote erschien meinem Mann, und Zacharias sagte: ‚Ich glaub das nicht.‘ “

Maria kichert. „Können wir es etwas langsamer angehen? In deinem Zustand solltest du dich nicht so aufregen.“

Elisabeth lächelt und seufzt. „Der Grund, warum Zacharias nicht mit dir sprechen konnte, ist, dass er dem Boten Gottes nicht geglaubt hat, was er über mich sagte.“

„Ich war mir anfangs auch nicht sicher“, gibt Maria zu.

„Es tut mir wirklich leid, dass mein Mann das durchmachen muss.“ Sie lehnt sich dicht an Maria heran und flüstert: „Aber ich gebe zu, manchmal genieße ich die Ruhe.“ Die beiden Frauen lachen, und Elisabeth fährt fort: „Aber er hat mir alles aufgeschrieben, was gesagt wurde, und ich habe mir jedes Wort gemerkt. Der Name des Kindes soll Johannes sein.“

„Nicht Zacharias? Warum Johannes?“

„Ich weiß es nicht genau. Aber vielleicht wird er kein Priester werden wie sein Vater und wird Gott stattdessen auf eine andere Art dienen, denn Zacharias wurde auch gesagt, dass Johannes viele der Kinder Israels zu ihrem Herrn zurückführen wird. Er wird die Ankunft des Herrn vorbereiten, mit der Kraft des Propheten Elia. Er wird die Herzen der Väter ihren Kindern zuwenden. Und die Ungehorsamen auf den Weg der Weisheit leiten. So wird er die Menschen auf das Erscheinen des Herrn vorbereiten …“ – Elisabeths Stimme wird brüchig vor Rührung –, „… um den Weg zu bereiten für …, für …“ Sie verstummt und macht eine eindeutige Kopfbewegung zu Marias Schoß. Ihrer Nichte treten Tränen in die Augen. „Oh!“, fügt Elisabeth hinzu und legt eine Hand auf ihren eigenen Bauch. „Da tritt er schon wieder.“ Sie ergreift Marias Hand und drückt sie auf ihren Bauch. „Spürst du es?“

„Ja!“, freut sich Maria.

„Es ist, als könnte er es kaum erwarten, loszulegen.“

Kapitel 2 DER TANZ

Palast des Herodes, Machärus

Eine junge Tänzerin steht barfuß und schwitzend in einem sonnendurchfluteten Raum mit Bogenfenstern, die sich zu einer Außenpromenade öffnen. Ihr Lehrer, ein Mann in den Dreißigern, probt mit ihr eine Reihe von Tanzschritten und gibt ihr scharfe Anweisungen. Sie nimmt eine Pose ein – eine Hand hoch über ihrem Kopf, die Finger gespreizt und angespannt.

Der Mann greift nach ihrer Hand und schließt sie sanft. „Femininer. Entschlossener. Dreh die Handfläche nach oben. Nicht flach. Wölbe sie, als ob du den Regen auffangen willst.“ Er starrt auf ihre Füße. „Zu flach! Heb die Ferse an. Höher! Höher! Auf die Zehenspitzen.“

Sie gehorcht.

„In dem Moment, in dem du die Balance verlierst, beugst du die Knie und drehst dich in der Hüfte, sodass dein linker Fuß dich abfängt.“ Die Tänzerin versucht, seinen Anweisungen zu folgen. „Nein!“, fährt der Trainer dazwischen. „Es darf nicht wie ein Versehen wirken. Es muss so aussehen, als hättest du die Kontrolle, auch wenn es nicht so ist. Dreh dich! Dreh dich!“

Ein Diener stellt einen Stuhl an das andere Ende des Raumes. Die Tänzerin wiederholt die Bewegungen. Wieder und wieder, schneller und sicherer. „Schon besser“, ruft ihr Ausbilder. „Aber noch nicht gut.“

Eine Stunde später

Trainer und Tänzerin sind immer noch da. Das Mädchen wird immer besser. Ihr Lehrer zeichnet mit Kreide eine Linie auf den Boden. „An dieser Stelle haben deine Hände zum letzten Mal Kontakt zum Boden vor den finalen Saltos, verstanden?“ Er schnippt mit den Fingern. „Und los! Noch mal.“

Sie vollführt einen Salto und eine Drehung, die sie etwa einen Meter vom Stuhl entfernt landen lässt. „Zu weit weg! Noch mal!“ Der Ausbilder setzt sich auf den Stuhl und mimt die Rolle des königlichen Publikums. „Diesmal mit den Instrumenten. Der Ablauf muss präzise sein“, kommandiert er.

Die Musiker in der Ecke des Raumes schlagen auf Trommeln und Becken, und er gibt dem Mädchen erneut ein Zeichen. Diesmal landet sie nur wenige Zentimeter von seinem Stuhl entfernt, mit geneigtem Kopf, und ringt um Atem.

„So ist es gut“, lobt der Trainer.

Sie sieht erleichtert aus.

Er drückt sie in eine lange, langsame Verbeugung, tiefer und tiefer, die Finger nach oben gestreckt. „Langsamer. Lass ihn warten. Es muss wehtun.“ Sie hebt ihr Gesicht, die Wimpern kokett niedergeschlagen, und erst nach einer gefühlten Ewigkeit nimmt sie Augenkontakt mit ihm auf. „So muss es sein! Jetzt lass dich schminken“, gibt sich der Lehrer zufrieden.

„Noch nicht!“, kommt ein harscher Befehl von der Tür her. „Macht es noch einmal“, kommandiert Königin Herodias. „Noch einmal von vorne. Es muss perfekt sein.“

Kapitel 3 DIE RÜCKKEHR

Matthäus’ ehemaliges Haus, Kapernaum

Seit sie sich der wachsenden Schar von Jesus-Anhängern angeschlossen hat, kann die Ägypterin Tamar nicht leugnen, dass ihr Leben an Faszination gewonnen hat. Nachdem sie mit eigenen Augen gesehen hatte, wie Jesus einen Aussätzigen heilte, ließen sie und ihre Freunde einen Gelähmten durch das Dach eines Hauses hinunter, in dem Jesus gerade predigte, und der Rabbi selbst sagte ihr, dass ihr Glaube wunderschön sei. Tamar war schon bald von den Jüngern und den beiden anderen Frauen, die Jesus am nächsten standen, in deren Kreis begrüßt worden: Maria aus Magdala, die erzählte, dass der Meister sieben Dämonen aus ihr ausgetrieben hatte, und Ramah, die Freundin von Thomas, die als Winzerin bei einer Hochzeit in Kana gewesen war, bei der Jesus auf wundersame Weise Wasser in Wein verwandelt hatte.

Tamar überlegt, wie lange es nun schon her ist, seit sie die hübsche junge Frau gesehen hat. Zu lange. Ramah war zu ihrem Vater gereist, in der Hoffnung, dabei zu sein, wenn Thomas um ihre Hand anhielt. Doch Thomas war erfolglos zurückgekehrt, und Ramah war noch bei ihrem Vater geblieben. Wie sehr Tamar sie vermisste, obwohl sie manchmal ihre Differenzen hatten.

Tamar, Ramah und Maria hatten festgestellt, dass die wachsende Vertrautheit auch Nachteile hatte. Das ständige Zusammensein hatte Missverständnisse und sogar kleine Eifersüchteleien ans Licht gebracht, von denen Tamar wusste, dass sie ihrem Rabbi nicht gefallen würden. Deshalb hatten sie Versöhnung angestrebt. Sie und Maria haben mittlerweile eine gemeinsame Ebene gefunden und scheinen gut miteinander auszukommen. Und nun merkt Tamar, dass sie Ramah wirklich sehr vermisst. Und man vermisst keine Rivalen. Man vermisst nur Menschen, die einem am Herzen liegen.

Tamar packt ihre Sachen zusammen, während sie Zebedäus und seine beiden Söhne Jakobus und Johannes belauscht, denen Jesus den Spitznamen „Donnersöhne“ gegeben hat. Die Zuneigung zwischen diesen drei Männern ist spürbar – obwohl sie sich wie Schulkinder zanken. Zebedäus ist ganz offensichtlich sehr stolz darauf, dass Jesus seine Jungs auserwählt hat. Und jetzt, da er sein bisheriges Gewerbe aufgegeben und sogar sein Boot verkauft hat, um sich einer völlig neuen Aufgabe zu widmen, scheint er richtig glücklich zu sein, dass er helfen kann, die Mission von Jesus zu unterstützen.

Die drei Männer stehen draußen, und Tamar beobachtet durch das Fenster, wie sie vier große Pithari-Krüge mit Zebedäus’ frisch gepresstem Öl auf einen Karren laden. Natürlich zanken sie sich dabei, wie es anscheinend alle Männer ständig tun. Tamar beschließt, dass dies wohl ihre etwas merkwürdige Art sein muss, ihre Zuneigung auszudrücken. Außerdem wundert sie sich über die Wahl der Krüge, denn sie sind griechischen Ursprungs. Die meisten hier haben wenig Positives über die Griechen zu sagen, aber es scheint, dass jeder ihre Krüge benutzt. Auch die Frauen haben festgestellt, dass das Wasser in den Pithari-Gefäßen bei großer Hitze langsam verdunstet und so den Raum abkühlt.

Tamar kann sich ein Lächeln nicht verkneifen, denn die Männer scheinen klare, aber sehr unterschiedliche Vorstellungen davon zu haben, wie das Sichern der Krüge ablaufen soll.

„Die dürfen nicht zerbrechen“, sagt Zebedäus. „Verstanden?“

„Ja, Abba“, antwortet der große Jakobus.

„Unsere allererste Pressung“, fährt Zebedäus fort, „die ersten Erträge sind heilig und Adonai geweiht.“

„Aber so, wie Jakobus sie reingestellt hat“, meckert Johannes, „werden sie es nicht in einem Stück in die Synagoge schaffen.“

Draußen kommt ein Wagen zum Stehen, aber die Männer scheinen ihn nicht zu bemerken. Er wird von einer Frau um die dreißig gelenkt. Und neben ihr sitzt … Tamar lässt alles stehen und liegen und stürmt nach draußen. „Kann das wahr sein?!“, ruft sie und strahlt, als sie Ramah vom Wagen hilft und sie sich umarmen.

„Shalom! Shalom!“, ruft Ramah.

„Es ist so schön, dass du wieder da bist!“, jubelt Tamar.

„Ja, finde ich auch!“

„Ich will alles hören!“

Die Männer haben nichts mitbekommen und streiten sich weiter. „Die Straße ist mit Schlaglöchern übersät“, empört sich Johannes. „Da fragt man sich schon, wo eigentlich alle unsere Steuergelder hingehen!“

„Du meinst den Schekel, den du dem Steuereintreiber letztes Jahr geschuldet hast?“, fragt sein großer Bruder. „Schau, wir packen Stroh zwischen die Krüge, damit sie nicht aneinanderstoßen.“

„Stroh nützt uns nichts, wenn sie aus dem Wagen hüpfen.“

Zebedäus seufzt. „Das wird nicht passieren.“

„Wir können sie mit Seilen festbinden“, schlägt Johannes vor.

„Oh, aha“, kontert Jakobus. „Hast du denn Seile? Nein? Tja, dachte ich mir. Wir sind keine Fischer mehr.“

Ramah beobachtet die drei und schüttelt lachend den Kopf. „Es hat sich also nichts geändert?“

„Nein, alles beim Alten“, schmunzelt Tamar.

Zebedäus bemerkt sie endlich. „Ah, Ramah, wie schön!“, begrüßt er sie. „Ich sehe, du hast gerade nichts zu tun. Komm und hilf mir.“

„Ramah!“, ruft Jakobus verwundert. „Seit wann bist du wieder hier?!“

Die Brüder eilen zu ihr.

„Ich bin schon eine Weile hier, aber ihr wart …, na, sagen wir mal, beschäftigt.“

„Solche Streitereien sind nicht gut für das Öl“, gibt Zebedäus zu bedenken.

Jakobus wirft ihm einen verwunderten Blick zu. „Wie meinst du das denn?“

„Dieses Öl ist für rituelle Zwecke bestimmt, als wohlriechende Opfergabe für Adonai. Zur Salbung des Hohepriesters.“

„Nicht, wenn es in den Straßen von Kapernaum versickert“, frotzelt Johannes, worauf Jakobus kontert: „Sollen wir die Krüge etwa tragen?“

„Bloß nicht, ihr lasst sie nur fallen“, beeilt sich Zebedäus zu sagen.

„Ich bin nicht Andreas, Abba“, sagt Jakobus. „Ich habe keine zwei linken Füße.“

Die Frauen winken mit einem Lächeln ab und gehen ins Haus.

Zebedäus ist dankbar, dass er wieder mit seinen Söhnen zusammenarbeiten kann. Sogar ihre Streitereien amüsieren ihn.

Johannes rügt seinen Bruder: „Deine Hände sind schmierig.“

Jakobus schaut auf seine Hände und sieht dann ein Seil etwas abseits auf einem Fass liegen. „Ha! Wer sagt’s denn?!“

Die Brüder arbeiten nun zusammen und binden die Krüge gut fest. Dann wendet sich Jakobus an Zebedäus: „Abba, der Segen! Sie erwarten uns zur vollen Stunde, wir müssen pünktlich sein.“

„Ah, natürlich. Mal sehen, was ich noch weiß …“ Er schließt die Augen. „ ‚Gepriesen bist du, Herr, unser Gott. König der Welt, der gut ist und Gutes schenkt. Die Freundlichkeit des Herrn, unseres Gottes, sei über uns! Und möge das Werk unserer Hände gelingen. Ja, möge das Werk unserer Hände gelingen!‘ “

Zebedäus atmet tief durch, lächelt und öffnet die Augen, als seine Söhne ihn mit einem breiten Grinsen betrachten. „Was? Was guckt ihr so? Warum lächelt ihr? Habe ich was Falsches gesagt?“

„Nein, nein“, wiegelt Jakobus ab. „Es ist nur …“

„Die Griechen“, erklärt Johannes, „führen doch Theaterstücke auf …“

„Über solche unanständigen Dinge reden wir nicht!“, empört sich Zebedäus.

„Ja, ich weiß. Es ist nur: Sie unterteilen diese Stücke in Akte. Und es scheint so, also ob du jetzt einen neuen Akt anfängst.“

Zebedäus mustert ihn. „Tragödie oder Komödie?“

„Das wird sich noch zeigen“, antwortet Jakobus und stellt sich vor den Wagen.

Die ehemals blinde Shula und der ehemals hinkende Barnabas erscheinen. „Entschuldigt die Störung“, unterbricht Shula, „aber wir haben eben erfahren, dass Ramah zurück ist.“

„Woher wisst ihr das?“, will Johannes wissen.

Barnabas zuckt mit den Schultern. „Wir wissen so was. Ist einfach so.“

„Wir wissen auch rein zufällig“, ergänzt Shula, „dass Thomas sie gern sprechen würde, wenn sie zurück ist.“

„Er darf aber nicht mit ihr allein sein“, mahnt Jakobus.

„Barnabas und ich werden die Aufpasser spielen.“

Barnabas nickt und zieht die Augenbrauen hoch. Shula zerrt ihn in Richtung des Hauses.

Kapitel 4 VORBEREITUNGEN

Der Palast in Machärus

Früher hat Johanna ihre exquisit eingerichteten Gemächer geliebt. Sie hatte das, wovon jede Frau träumte: einen Ehemann, der zu den engsten Beratern von König Herodes Antipas gehörte und über ein entsprechendes Einkommen verfügte. Ihr Gatte Chuza hielt dem König auch in schwierigen Zeiten die Treue – so wie damals, als der verrückte Wüstenprediger, der berüchtigte Johannes, den König angeprangert hatte, weil der sich von seiner Frau scheiden ließ, um Herodias, die Frau seines Halbbruders, zu heiraten.

Herodes war Chuzas Rat gefolgt und hatte Johannes den Täufer verhaften lassen, aber er weigerte sich, den Mann hinzurichten, weil er ihn gern predigen hörte. Johanna war von dem vagabundierenden Prediger fasziniert gewesen und hatte ihn heimlich im Kerker unter dem Palast besucht. Als sie herausfand, dass auch ihr eigener Mann fremdging, verlangte sie von Johannes zu wissen, warum er Chuza nicht ebenfalls entlarvt hatte.

Doch die Gespräche mit dem Täufer nahmen eine andere Richtung, und Johannes erzählte Johanna viel von dem Mann, der angeblich der lange angekündigte Messias war: Jesus aus Nazareth. Schließlich war sie zu ihm gereist, um ihn predigen zu hören, und war zu einer heimlichen Anhängerin geworden, die seinen Dienst unterstützte und sogar einen seiner Jünger – Andreas, ursprünglich ein Schüler des Täufers – in das Gefängnis einschleuste, um Johannes zu besuchen. Inzwischen hat sie ihren untreuen Ehemann verlassen und schleicht sich nur dann in ihr gemeinsames Haus zurück, wenn sie sicher ist, dass er weg ist. Jetzt ist sie vorübergehend hier, um den Schein zu wahren, indem sie an einem Bankett des Königs teilnimmt, das für diesen Abend geplant ist.

Sie geht den luxuriös eingerichteten Flur entlang und drückt ihr Ohr an die Tür ihres Zimmers. Da sie nichts hört, späht sie vorsichtig hinein und tritt dann ein. In ihrem prächtigen Boudoir öffnet sie einen Kleiderschrank und durchwühlt die Auswahl an eleganten Kleidern. Die Eitelkeit spornt sie an, sich von ihrer besten Seite zu zeigen, aber der Überdruss treibt sie zu etwas Schlichterem. Es erscheint ihr unnütz, ihren untreuen Ehemann dadurch zu belohnen, dass sie die ergebene Gattin spielt und sie sich von ihm vorführen lässt.

Sie geht zum Fenster, als sie hört, dass ein Wagen vorfährt. Diener laden eine riesige Amphore mit Wein ab, einen Krug mit zwei Henkeln und einem schmalen Hals. Andere tragen verschiedene Lampen und Fackeln.

Die Tür hinter ihr öffnet sich. „Johanna?“, hört sie Chuzas erstaunte Stimme fragen.

Sie lässt die Schultern hängen – jetzt ist sie ihrem Mann direkt in die Hände gelaufen, was sie eigentlich so lange wie irgend möglich vermeiden wollte. „Chuza, ich bin hier.“ Sie tritt aus dem Schatten heraus, ein Kleid in der Hand. „Was machst du denn hier? Es ist mitten am Tag.“

„Muss ein Mann erklären, was er in seinem eigenen Haus macht? Die Frage ist doch viel eher, was du hier machst?“

„Muss eine Ehefrau erklären, was sie in ihrem eigenen Haus macht?“, kontert sie.

„Ich habe nach dir gesucht“, übergeht Chuza ihre Bemerkung. „Aber ich hätte nicht erwartet, dich hier zu sehen. Du hast seit Wochen nicht mehr hier geschlafen.“

„Ich frage mich, woran das wohl liegen könnte“, erwidert sie bissig.

Für einen kurzen Moment sieht es aus, als wolle er zurückschießen, aber dann sagt er ruhig: „Hör zu, ich will nicht mit dir streiten. Ich wollte nur sichergehen, dass du für das Bankett heute Abend bereit bist.“

„Warum sollte ich das nicht sein?“

„Wirst du dieses Kleid tragen? Steht dir gut.“

„Dann ziehe ich etwas anderes an.“

„Auch gut“, erwidert er gelassen. „Lass uns einfach die Zeit genießen und …“

„Und?“

„Und nichts. Amüsier dich! Sei kooperativ! Egal, wie der Abend verläuft, lass uns auf jeden Fall eine gute Zeit haben.“

„Kooperieren?“, fragt sie. „Was soll das denn heißen?“

„Was meinst du? Ich will nur, dass wir uns amüsieren …“

„Du bist ein sehr schlechter Lügner, Chuza.“

„Du bist auch eine schlechte Lügnerin. Wir wissen, dass du heimlich mit dem Täufer gesprochen hast.“

Das lässt sie innehalten. „Und was hat das mit alldem zu tun? Warte, wer hat dich geschickt?“

„Ich … – niemand … egal. Ich wollte nur, dass wir …“

„Sag nicht noch einmal ‚den Abend genießen‘. Wir beide wissen doch, dass ich dir egal bin, seit du Kassandra getroffen hast. Hat Herodes vor, Johannes etwas anzutun?“

„Nein! Nein, er findet ihn interessant und unterhaltsam. Das weißt du doch.“

„Ja, und ich weiß auch, dass es sehr unklug wäre, etwas Unüberlegtes zu tun, wenn das Volk Johannes für einen Propheten hält. Herodes sollte vorsichtig sein.“

„Ich weiß, dass du viel von ihm hältst, meine Liebe. Lächle einfach und sei nett zu mir heute Abend. Mehr verlange ich doch gar nicht.“

„Oh, ich werde so tun, als wäre alles in Ordnung, Chuza. Ich habe viel Übung darin.“

Kapitel 5 WÄSCHE-LEKTIONEN

Am Ufer des Sees Genezareth

Simon, der ehemalige Zelot, der von den Jüngern den Spitznamen Z. erhalten hat, um ihn von dem anderen Simon zu unterscheiden, zeigt Judas, wie man Wäsche wäscht. „Hast du das wirklich noch nie gemacht?“, fragt er diesen ungläubig.

„Nein. Mein Geschäftspartner Hadad und ich haben die Wäsche immer machen lassen.“

Das muss schön gewesen sein, denkt Z. Doch auch er als Zelot musste lernen, sich selbst zu versorgen. Und jetzt genießt er solche Aufgaben – nicht, weil sie an sich Spaß machen, sondern weil sie ihn daran erinnern, wie anders sein Leben geworden ist, seit Jesus seinen Bruder geheilt hat. Dieses Ereignis ließ bei ihm jeden Zweifel und jede Ablehnung gegenüber geistlichen Dingen verschwinden. Seither kann nichts seine Meinung über die Identität seines neuen Herrn ändern. Er dient dem Messias, dem Sohn des lebendigen Gottes.

Z. weiß, dass Judas seine Hingabe an Jesus teilt, aber er fragt sich, wie es für ihn ist, jetzt wie ein Bettler zu leben. „Hast du keine Ersparnisse mehr?“, fragt er ihn.

Judas schüttelt den Kopf. „Ich habe meine Anteile verkauft, um Jesus zu folgen.“

„Kein kleiner Preis“, lobt Z. „Und eine weise Entscheidung.“

„Na klar“, sagt Judas. „Das ist eine Untertreibung, aber es stellt sich heraus, dass diese eine weise Entscheidung nur verdeutlicht, wie viel praktische Weisheit ich nicht habe – zum Beispiel, wie man Kleidung wäscht.“

„Zum Glück für dich ist das nicht so schwer.“

Z. bedeutet Judas, seine Kleidung in einen großen Bottich zu legen, und gießt ein paar Tropfen einer dickflüssigen Substanz aus einer Alabasterflasche ins Wasser.

„Was ist das?“, will Judas wissen.

„Salze, Pflanzenöle, tierisches Fett.“

„Igitt! Ich wünschte, ich hätte nicht gefragt“, entfährt es Judas.

Z. mischt die Kleidung im Eimer mit einem Stock durch. „Siehst du, jetzt ist alles gut vermischt. Dann nehmen wir die Kleidung heraus und spülen sie im See aus.“

„Weißt du“, ergänzt Judas, der Z. alles genau nachmacht, „wenn wir nicht so wenig Geld hätten, könnten wir Leute bezahlen, die die Wäsche für uns waschen, damit wir mehr Zeit für die eigentliche Arbeit haben.“

„Und wie würde das auf die Leute wirken?“

„So, als würden wir unsere Zeit und Mittel bestmöglich nutzen, um das Königreich des Messias zu bauen.“

„Denkst du, die Jünger von Jesus sollten keine Alltagsarbeiten verrichten?“

„Ich glaube, du machst dir einfach zu viele Gedanken“, meint Judas. „Niemand achtet darauf, was wir tun, Z.! Wir sollten da draußen sein, das Wort verbreiten und mehr Anhänger sammeln.“

„Aber, Judas, das ist nun mal das, was die Leute tun, mit denen wir reden: Wäsche waschen. Wenn wir uns zu fein oder zu abgehoben für Alltagsarbeit sind, sind wir nicht mehr glaubwürdig.“ Z. bringt ein Kleidungsstück zu einem großen weißen Stein. „Jetzt rollen wir die Kleider zusammen und pressen sie fest gegen den Felsen.“

Judas probiert es aus. „Fester“, ermahnt Z. „Das drückt das Wasser heraus und löst den Schmutz aus den Fasern.“

Während Judas arbeitet, überlegt er: „Ich sage ja nicht, dass es keinen falschen Eindruck machen könnte. Aber das steht ja auch gar nicht zur Debatte. Fakt ist: Wir könnten mehr tun, wenn wir mehr Geld hätten.“

„Nun, da ist das Olivenölgeschäft von Zebedäus.“

„Das hat bisher nicht einen Schekel eingebracht.“

„Noch nicht“, gibt Z. zu und geht wieder ans Wasser, wo er das Kleidungsstück eintaucht. „Judas, du bist doch gebildet.“

„Danke!“

„Aber du bist nicht weise.“

Judas hält inne und lacht. „Oh. Na ja. Gebildet hat mir besser gefallen.“

„Du hast dein Leben einem Lehrer gewidmet, ja?“

Judas wiegt seinen Kopf hin und her. „Er geht auf dem Wasser und beherrscht den Wind und die Wellen, aber ja, er ist auch ein Lehrer.“

„Und doch relativierst du seine Aussagen und lehnst ab, was du nicht verstehst. Es gibt einen tieferen Sinn in allem, was er sagt. Und verlangt.“

„Gut. Wo soll ich anfangen?“

Z. weiß, dass es Judas um viel mehr geht als nur um die Wäsche, aber er sagt: „Als Nächstes spülst du den Schmutz aus, der sich gelöst hat. Danach ist deine Kleidung wieder wie neu. Jetzt kommt mein Lieblingsteil …“ Z. hält eine Ecke des Kleidungsstücks fest und schlägt es immer wieder auf den Stein, als ob er es zu Tode prügeln wollte. „So geht es auch den letzten hartnäckigen Schmutzresten an den Kragen. Außerdem wird es so schneller trocken.“

Judas versucht es, aber mit weniger kraftvollen Schwüngen und Schlägen. „Ich habe mich schon gefragt, wie es sein kann, dass du nie stinkst, obwohl du die ganze Zeit trainierst. Der Schweiß hat keine Chance gegen deine Kraft.“

„Ich muss etwas mit meiner Kraft anfangen“, erläutert Z. „Jetzt, da ich sie nicht mehr zum Kämpfen brauche – oder zumindest nicht so, wie ich dachte.“

„Siehst du?“, meint Judas. „Dir geht es auch so.“

„Was meinst du?“, fragt Z. und geht wieder zum Wasser.

„Du versuchst, deine alten Gewohnheiten deinem neuen Lebensstil anzupassen, aber das geht leider nicht mit allem.“

„Dritter und letzter Waschgang. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir folgen kann.“

„Ich hab mein Leben hinter mir gelassen. Und obwohl ich jetzt radikal anders lebe als zuvor, sehe ich einfach, dass wir die Dinge viel schneller und effizienter machen könnten.“

„Hat Jesus dich gebeten, sie effizienter zu machen?“, hakt Z. nach.

„Nein, nur die Mittel zu verwalten.“

„Dann verwalte sie.“

„Aber, Z., die ganzen Leute in der Dekapolis, die waren nicht alle arm. Er hat sie versorgt, weil sie vergessen hatten, Essen mitzunehmen. Wenn wir Geld eingesammelt hätten, sagen wir mal, nur von zehn Prozent der fünftausend Leute … nur zehn Prozent, also nur einen Bruchteil als Dank von denen, die es sich hätten leisten können, würden wir nicht so lange von wichtigen Aufgaben abgehalten, bis durch Zebedäus’ Olivenöl-Handel Geld reinkommt.“

Die beiden Männer gehen los, um die Kleidungsstücke aufzuhängen. Z. sagt: „Wenn Jesus eine Sammlung hätte machen wollen, hätte er es getan. Du fragst dich also, warum er es nicht so gemacht hat, wie du es gemacht hättest, bevor du ihn getroffen hast?“

„Also, mein altes Ich hätte das Brot verkauft“, gibt Judas unumwunden zu.

Z. starrt ihn an. „Judas, du solltest dich fragen, für wen seine Wohltätigkeit eine Lektion war.“

„Ich glaube an seine Worte und seine Lehren. Sie haben mein Leben verändert. Aber damit ist es noch nicht getan. Er ist der Messias, Z.!“

„Das weiß ich!“

„Ach ja? Wenn er der Sohn Davids ist und die Prophezeiung Jesajas sich erfüllt – ‚Am Ende der Zeit wird der Berg mit dem Tempel des Herrn alle anderen weit überragen. Menschen aller Nationen strömen dann herbei‘ –, dann müssen wir jetzt handeln. Ohne Besitztümer und Macht wird er kein König. Das gab es noch nie.“

Z. bleibt stehen und schaut Judas in die Augen. „Ihn gab es noch nie. Angekündigt, aber nie erschienen.“ Er lächelt und schaut auf die Kleidung, die Judas gewaschen hat. „Das ist immer noch schmutzig.“

Judas lacht. „Komm schon, Z. Ich habe das heute zum ersten Mal gemacht. Außerdem bin ich nicht so stark wie du.“

„Also, nutz deinen Einfallsreichtum. Jesus hat uns gebeten, das zu erledigen. Es gab einen Grund dafür.“

„Bist du dir da sicher? Weil ich nämlich denke, saubere Kleidung ist schon Grund genug.“

„Du wirst es schon noch verstehen“, ermutigt ihn Z. „Als ich neu war, musste ich auch einige harte Lektionen lernen, glaub mir.“

Judas schnüffelt an dem Kleidungsstück. „Tierfett? Müssten dann nicht Brocken drin sein?“

„Nein“, erwidert Z. „Es wird erhitzt, geschmolzen und läuft durch ein Sieb. So trennt man das feste vom flüssigen Fett. So wie man Weizen siebt, um Verunreinigungen zu entfernen und gute Körner von schlechten zu trennen.“

Kapitel 6 VERKOSTUNG

Hof der Synagoge von Kapernaum

Zebedäus kann sich nicht erinnern, dass er seit der Geburt seiner beiden Söhne je so angespannt war. Aber jetzt sind sie hier, mit Tamar im Schlepptau, und die Pithari-Gefäße sind alle noch unversehrt.

„Shalom!“, ruft der Tempelverwalter. Es ist Jairus, dessen Tochter Jesus vor nicht allzu langer Zeit von den Toten auferweckt hat. „Ihr kommt genau zur vereinbarten Stunde – das ist schon mal ein gutes Zeichen.“ Der Mann umarmt die Söhne des Zebedäus – zweifellos, weil die beiden bei der Auferweckung seiner Tochter dabei waren –, aber er findet schnell wieder zu Sitte und Anstand zurück und bestätigt: „Ich hab von Jesu Jüngern auch nichts anderes erwartet.“

Johannes tritt ein wenig zurück, als Rabbi Akiva mit geblähter Brust an der Tür des Tempels erscheint. „Wir haben keine Zeit für Plaudereien!“

Zebedäus nähert sich ehrfürchtig, die anderen folgen. „Die Frau muss draußen warten“, fügt der Rabbi mit einem Blick auf Tamar hinzu.

„Aber ich habe geholfen, die …“

„Tamar“, beschwichtigt Zebedäus, „nur für das Geschäftliche, hm?“ Er sieht die Entrüstung in ihrem Gesicht und ist dankbar, als Jakobus anbietet, bei ihr zu bleiben und auf den Wagen aufzupassen.

Zebedäus ist aufgeregt, als Jairus, Rabbi Akiva und Yussif sich an einem mit Öllampen und kleinen Schüsseln versehenen Tisch niederlassen. Er bemerkt Yussifs aufmunternden Blick, als der Pharisäer ihn und Johannes verstohlen anschaut. Zebedäus versucht, nicht zu voreilig zu sein, aber er kann nicht anders, als sich die Ehre vorzustellen, die es bedeuten würde, den Auftrag der Synagoge zu bekommen und Geld für Jesus zu verdienen.

Als Rabbi Akiva ihn direkt anspricht, wird er hellhörig.

„Zunächst einmal: Garantierst du, dass dieses Salböl genau nach der Formel hergestellt wurde, die im Gesetz des Mose steht?“

„Das kann ich, Rabbi.“

„Zitiere es bitte!“

Zebedäus ist froh, dass er sich die Zeit genommen hat, die Formel auswendig zu lernen. Wenn er sich jetzt nur unter so viel Druck an alles erinnern kann … Er wirft einen Blick auf einen Schreiber in der Ecke, der eine Schriftrolle auf einem Podest ausrollt. „Äh, ja. Von flüssiger Myrrhe fünfhundert Schekel, von wohlriechendem Zimt die Hälfte davon. Dann noch je zweihundertfünfzig Schekel Kalmus und fünfhundert Kassia, gewogen nach dem Gewicht im Heiligtum. Und ein Hin Olivenöl.“

Der Rabbiner schaut zum Schreiber, der nickt und sagt: „Wort für Wort.“

Alle drei Männer am Tisch heben ihre Öllampen und halten die Glasgefäße ins Licht.

„Hervorragend gereinigt und abgefüllt“, lobt Yussif.

„Glasklar“, bestätigt Jairus. „Und hell.“

Der Rabbi verzieht den Mund, und Zebedäus befürchtet, dass der Mann etwas zu kritisieren sucht. Währenddessen kosten Jairus und Jussif das Öl und sind angenehm überrascht.

„Es klebt an meinen Fingern“, stellt der Rabbiner fest.

Klebt an seinen Fingern? „Bei allem Respekt, Rabbi“, beeilt sich Zebedäus zu erklären, „wir denken, das liegt an der Verwendung der richtigen Menge Myrrhe. Das Gummiharz ist kostbar. Seine Klebstoffe sind wichtig für einige der …“

„Ja“, unterbricht ihn der Rabbi. „Ich weiß, was Myrrhe ist.“ Er wischt sich die Finger ab. „Es ist nicht so, wie ich es gewohnt bin. Es lässt sich schwerer abwischen. Jairus, warum ziehen wir überhaupt einen neuen Öllieferanten in Betracht?“

„Unser bisheriger Lieferant“, erklärt Jairus, „kommt von weit her, aus Judäa …“

„Aus den Gethsemane-Hainen, die der Heiligen Stadt am nächsten sind“, ergänzt der Rabbi. „Es gibt keine besseren.“

„Das mag stimmen“, bestätigt Yussif, „wegen der Nähe zu Jerusalem.“

„Ganz nah beim Tempel, der das Allerheiligste enthält! Die Gegenwart Gottes. Warum also sollten wir einen Verkäufer nehmen, der weiter weg lebt?“

„Aber, Rabbi, Rom hat Judäa zu einer eigenen Provinz erklärt, neben Galiläa.“

„Ich würde Rom gerne aus dem Spiel lassen“, wiegelt der Rabbi ab.

Jairus fährt dennoch fort: „Aber Rom erhebt jetzt eine Einfuhrsteuer auf Waren aus Judäa.“

Das scheint der Rabbi zu berücksichtigen. „Der bessere Preis und die gute Qualität haben ihren Reiz. Dennoch, Öl aus Gethsemane …“

„Abgesehen davon, dass wir momentan zusätzlich auch den Transport bezahlen müssen“, ergänzt Yussif, „ist Zebedäus von hier.“

Der Rabbi wendet sich an Zebedäus. „Du wirst immer kostenlos liefern?“

„Immer, Rabbi! Das gebe ich dir schriftlich.“

Jairus fasst zusammen: „Ich glaube, das hier ist bessere Qualität für die Hälfte des Preises, Rabbi Akiva. Wenn du meinst, dass die Gemeinde ohne die Gethsemane-Oliven auskommt …“

Der Rabbi überlegt.

„Ich bin kein Geschäftsmann, Rabbi“, sagt Yussif. „Aber wenn wir ein kleines lokales Geschäft unterstützen, bleibt das Geld in Kapernaum.“

Der Rabbi wirft ihm einen strengen Blick zu. „Du kannst die Spielchen lassen, Yussif. Glaubst du wirklich, ich wüsste nicht, wer dein Vater ist?“

Yussif wird blass, aber Zebedäus versteht nicht, was hier gerade vor sich geht.

Jairus springt ein. „Yussif hat nicht ganz unrecht. Es geht um den verantwortungsvollen Umgang mit dem Zehnten des Volkes und mit unserer Zeit. Als oberster Verwalter dieser Synagoge betrachte ich die Angelegenheit als abgemacht. Zebedäus, ich gratuliere dir zu deiner guten Arbeit!“

Zebedäus lächelt erleichtert zurück und merkt, dass er wieder unbeschwerter atmen kann.

Rabbi Akiva scheint das letzte Wort haben zu wollen, vielleicht, um sein Gesicht zu wahren. „Ich widerspreche dir nicht, was die Verteilung der Ressourcen angeht. Aber ich möchte zu Protokoll geben, dass ich mein Widerstreben geäußert habe, den Hersteller aus Gethsemane abzulösen. Damit kommende Generationen wissen, dass zumindest einer Person die Einhaltung der Traditionen wichtiger war als Geld und Zweckdienlichkeit.“

Jairus nickt dem Schriftgelehrten zu. „Bitte schreib die Meinung des Rabbis ins Protokoll.“

„Ist notiert“, bestätigt der Mann.

Als die Pharisäer aufstehen, bittet Jairus: „Zebedäus, begleite mich in mein Büro, um das Finanzielle zu besprechen.“

Kapitel 7 BELEIDIGUNG

Der Palast von Machärus

Johanna will unbedingt Johannes den Täufer im Kerker besuchen, deshalb streift sie sich einen Kapuzenmantel über, um unerkannt zu bleiben. Sie wirft einen Blick in den Saal, in dem an diesem Abend das opulente Festmahl stattfinden soll. Diener bestücken die Tische mit üppigen Blumenarrangements in kunstvollen Vasen, während andere Vorhänge aufhängen. Was für eine Farce, dieser Versuch des Königs, den Eindruck eines blühenden, erfolgreichen Königreichs zu vermitteln – und das, obwohl es von Korruption nur so durchdrungen ist!

Ein Tanzlehrer, den Johanna schon einmal gesehen hat, beaufsichtigt einen Diener, der eine Schnur bis zu einem Punkt auf dem Boden spannt, an dem er sich hinkniet, um dort mit Kreide ein Zeichen aufzumalen. Plötzlich erhebt er sich und verbeugt sich. „Königin Herodias! Ich glaube, wir sind so weit.“

„Du bist es sicher“, erwidert sie, „aber wichtiger ist, dass Salome bereit ist. Geh noch einmal alles mit ihr durch.“

Der Mann sieht niedergeschlagen aus. „Bitte verzeiht mir, aber wir sollten das Mädchen nicht zu sehr unter Druck setzen. Sie braucht Ruhe, bevor …“

„Es muss perfekt sein!“, fällt die Königin ihm ins Wort. „Er muss überwältigt sein. Ich werde mit Wein nachhelfen. Du mit Salomes Tanzkünsten.“

„Meine Königin, ich weiß, dass der Täufer dich beleidigt hat, aber …“

„Beleidigt?!“, zischt sie wütend. „Glaubst du auch, dass meine Ehe mit dem König verwerflich ist?“

„Natürlich nicht. Ich …“

„Glaubst du, ich sollte zu diesem armen Schlucker Philippus in diese schreckliche Stadt zurückkehren, die er nach sich selbst benannt hat, in diesem ärmlichen Judäa, und meine Ehe mit Herodes beenden?“

„Nein, natürlich nicht, meine Königin.“

„Warum nicht? Wenn der Angriff des Täufers vor dem gesamten Königshof einfach nur eine Beleidigung war, wie du sagst, warum soll ich ihn dann nicht unterstützen? Vielleicht sollte ich über diesen kleinen Zwischenfall einfach hinwegsehen und zulassen, dass die gesamte Region meine Entscheidungen hinterfragt!“

„Verzeih mir, meine Königin. Ich werde sofort mit Salome arbeiten.“

Im Kerker, kurz danach

In den unterirdischen Gängen der Festung geht Johanna normalerweise ein und aus, wie es ihr gefällt, und drückt den Wächtern hier und da eine Münze in die Hand, wenn es nötig ist. Heute nicht.

Der Wachmann, der sie sonst immer empfängt, stellt sich ihr in den Weg. „Tut mir leid, heute keine Besucher.“

„Warum?“

„Ein wichtiger Häftling wird in eine Zelle im Erdgeschoss verlegt, damit wir schnell auf etwaige Befehle reagieren können.“

Sie weiß, dass er weiß, dass sie weiß, von wem er spricht. „Befehle?“

„Spreche ich undeutlich?“

Johanna zieht eine Münze aus einem kleinen Beutel voller Gold.

„Das wird heute nicht funktionieren, fürchte ich“, sagt der Wachmann.

„Und ‚auf etwaige Befehle reagieren‘ bedeutet was? Was passiert hier?“, fragt Johanna aufgebracht.

Er zuckt mit den Schultern. „Ich bin mir nicht sicher. Aber so etwas bedeutet normalerweise, dass der Gefangene bald freigelassen wird – oder hingerichtet.“

„Auf wessen Befehl?“

Der Wachmann schluckt und vermeidet den Blickkontakt. Johanna schiebt seinen Umhang zur Seite und lässt den ganzen Goldbeutel in seine Tasche fallen.

Er schaut weg und flüstert leise: „Herodias.“

Hinter ihm erscheinen drei Wachen, die Johannes den Täufer begleiten. Er sieht blass, dünn und noch zerlumpter aus als sonst. Johanna drängt sich an der Wache vorbei und stürmt auf die Gruppe zu. „Johannes! Sie planen etwas!“ Die Wachen ziehen ihre Schwerter. „Eine Verschwörung ist im Gange! Sie wollen dich umbringen!“

„Frau, bleib stehen!“, schreit ein Wächter und packt sie.

„Johannes!“ Aber als die Gruppe sich Johanna nähert und an ihr vorbeigeht, kann sie nicht glauben, wie ruhig er wirkt. „Was hast du vor?“

Er lächelt. „Die Blinden sehen, die Lahmen gehen. Aussätzige werden geheilt. Den Armen werden gute Nachrichten verkündet.“

„Nein!“, schreit Johanna. „Nein!“

Als die Wachen Johannes in einen anderen Korridor und außer Sichtweite ziehen, ruft er: „Eltern versöhnen sich mit ihren Kindern, und die Ungehorsamen fragen wieder danach, wie sie Gottes Willen tun können. Der Weg für den Herrn ist bereitet!“

Steuert dieser verwirrende, außergewöhnliche Mann wissentlich, willentlich und fröhlich auf seinen eigenen Tod zu? Johanna reißt sich los und wirft dem Wachmann einen bösen Blick zu. Hinter ihm schärft ein anderer Soldat eine doppelköpfige Axt auf einem sich drehenden Schleifstein, dass die Funken fliegen.

Kapitel 8 DIE IDEE

Der Hafen von Kapernaum

Thomas hat Ramah schon geliebt, lange bevor er es ihr gegenüber auch nur angedeutet hat. Als er Hochzeiten ausrichtete und sie die Weine ihres Vaters einbrachte, versuchte er oft so zu tun, als ob sie ein Paar seien, aber sie schien es nicht zu bemerken. Oder hatte sie sich nur verstellt? Ab und zu machte sie ihm schüchtern ein Kompliment, gerade oft genug, um ihn vor dem Verzweifeln zu bewahren.

Er konnte nicht genau sagen, wann sich die Dinge geändert hatten, aber es war offensichtlich, dass Ramah sich seiner Gefühle für sie zumindest deutlich bewusst war, auch wenn sie sie vielleicht nicht teilte. Sie korrigierte ihn und fing ihn auf, wenn er wieder mal alles infrage stellte, und nach und nach kamen sie sich näher. Er war sich inzwischen beinahe sicher, dass auch sie Gefühle für ihn hatte.

Ungefähr zu der Zeit, als sie Jesus auf der Hochzeit in Kana kennenlernten, schien ihre Vertrautheit zu wachsen – wobei sie genauso wie er darauf bedacht war, sich stets angemessen zu verhalten. Er wollte so ehrenhaft um sie werben, dass ihr Vater Kafni es gutheißen würde. Aber als sie das Geschäft und ihr Zuhause verließen, um Jesus zu folgen, war Kafni sehr wütend geworden.

Jetzt sitzen Ramah und Thomas an einer Mole am See mit ihren Freunden Barnabas und Shula, die sie aus der Ferne beaufsichtigen, um sicherzustellen, dass die beiden wirklich nur reden und sich nicht berühren. Nichts würde Thomas lieber tun, aber er braucht den Segen ihres Vaters, damit er ihr einen Heiratsantrag machen kann. Aber abgesehen davon macht es ihn sehr glücklich, einfach mit Ramah hier zu sitzen. „Endlich können wir einen ruhigen Moment miteinander verbringen“, eröffnet er das Gespräch.

„Gott segne Barnabas und Shula“, grinst Ramah.

„Vor der Dekapolis und allem, was dort passiert ist …“

„Was dir, wie ich hörte, immer noch schwerfällt zu akzeptieren …“

„Aber ich werde besser, oder?“, fragt Thomas. „Also, ich meine, besser darin, Dinge zu akzeptieren, die ich nicht erklären kann?“

„Ja, das wirst du. Du hast dich verändert seit der Hochzeit in Kana“, pflichtet ihm Ramah bei.

„Ja, es gibt allerdings jemanden, der immer noch derselbe Mann ist, der er immer war …“

„Mein Vater.“

„Erzähl schon, wie ist es gelaufen, nachdem ich weg war?“, drängt Thomas.

Sie verzieht das Gesicht und schüttelt den Kopf.

„So gut, hm? Er liebt dich wirklich sehr. Da gibt es keinen Zweifel.“

„Nicht den geringsten.“

„Und er wusste, was ich ihn fragen wollte, bevor ich es richtig wusste. Das hat er mir schon in Samaria klargemacht.“

„Ihm entgeht nichts.“

„Kafni ist ein harter Mann, Ramah.“

Sie schaut über den See. „Ich hatte gehofft, er würde es verstehen. Ich dachte, er kann zulassen, dass ich erwachsen werde.“

„Er zweifelt an Jesus. Und an unserer Entscheidung, unser Geschäft aufzugeben, um Jesus zu folgen.“ Thomas hält inne. „Ich liebe dich, Ramah! Es muss doch einen Weg geben, dass das mit uns beiden funktioniert.“

Ramah dreht sich um und lächelt ihn an. „Ich hatte gehofft, dass du das irgendwann sagen würdest.“

„Ach ja?“, freut sich Thomas.

„Ja! Und ich habe eine Idee.“

„Wirklich?“

„Ich habe jede rabbinische Tradition und jedes kleinste Detail sorgfältig recherchiert.“

„Wirklich?“, fragt er und merkt, dass er sich wiederholt.

„Nach der Halachah gibt es, falls der Vater abwesend ist oder ganz besondere Umstände vorliegen – und ich würde sagen, unser Unterwegssein mit Jesus ist besonders –, Ausnahmegenehmigungen für die Gültigkeit einer Eheschließung. Ein Mann, mindestens dreizehn Jahre alt …“ – Thomas zeigt auf sich selbst und nickt grinsend –, „… spricht den Satz: ‚Du bist mir hiermit geweiht, nach dem Gesetz des Mose und Israels.‘ Während er das sagt, gibt der Bräutigam seiner Braut einen wertvollen Gegenstand. Wenn sie ihn annimmt, erkennt sie die Kidduschin als legales Eheversprechen an und ist ab da seine Verlobte, die ihm allein geweiht ist.“

Thomas starrt sie verblüfft an. „Also warte – das war’s? Das ist alles?“

Sie hält einen Finger hoch. „Die Formel muss in Anwesenheit von zwei männlichen Zeugen gesprochen werden, von denen einer den Bräutigam und einer die Braut vertritt.“

„Ich werde Johannes bitten, mein Zeuge zu sein“, legt sich Thomas fest.

Sie nickt. „Und wir beide wissen, dass es nur einen Mann gibt, der mich vertreten kann …“, ergänzt Ramah.

Und die beiden sagen unisono: „Jesus.“

„Der Einzige, der mich übergeben kann“, fügt sie hinzu.

„Wir werden ihn fragen.“

„Und dann ist es geschafft.“

„Es wird einige Zeit dauern, den Vertrag aufzusetzen. Ich nehme an, er muss von einem offiziellen Rabbi unterzeichnet werden, um zu bestätigen, dass die Umstände tatsächlich besonders sind?“

„Ja“, stimmt Ramah zu.

„Wenn wir nur wüssten, wo wir einen Rabbi finden, der das tun kann“, scherzt Thomas, und beide lachen.

„Und das ist wirklich in Ordnung nach dem Gesetz?“, hakt er nach. „Na ja, ich nehme an, es wäre nicht die erste unorthodoxe Verlobung in der Geschichte unseres Volkes. Esther heiratete einen heidnischen König, um Israel zu retten. David wartete nicht darauf, dass sein Vater eine Braut auswählte. Sogar die Eltern von Jesus hatten ein unkonventionelles Arrangement. Er könnte …“

„Thomas.“

„Ja?“

„Wir können uns nicht mit ihnen vergleichen, aber wir haben Jesus, den wir fragen können. Er soll entscheiden.“

„Ja, natürlich! Nun, eines dieser unkonventionellen Vorgehen in der Geschichte unseres Volkes werden wir sicher nicht nachmachen.“

„Wovon sprichst du?“, will Ramah wissen.

„Ruth war eine Heidin, und sie schlich sich in das Zimmer, in dem Boas schlief, und machte ihm einen Heiratsantrag. Das machen wir nicht! Ich frage dich.“

„Ah, das hatte ich vergessen. Nun, wir werden sehen, wie das läuft“, entgegnet Ramah voller Vorfreude.

Thomas beschließt, dass es keinen besseren Zeitpunkt für sein Vorhaben gibt als den jetzigen. „Ramah“, sagt er salbungsvoll, „wirst du immer an meiner Seite gehen und mit mir die Schrift lesen, endlose Gesetze runterrasseln und außergewöhnliche Umstände mit mir erleben?“

„Ja!“, erwidert sie lachend. „Das werde ich!“

Er nimmt ihre Hand und hört sofort, wie Shula hinter ihnen ausruft: „Na, na, na!“

Thomas springt auf die Füße, streckt die Hände in die Luft und ruft fröhlich: „Wir dürfen das! Wir werden nämlich heiraten!“

Shula verzieht mit gespielter Empörung das Gesicht, während Barnabas begeistert jubelt: „Ich hatte nur eine Aufgabe!“

Kapitel 9 DER VERRAT

Festsaal im Palast von Machärus, Nacht

Herodias sitzt voller Vorfreude an der königlichen Haupttafel neben ihrem Ehemann, König Herodes Antipas. Sie kennt diesen Mann – zumindest seine Schwächen – in- und auswendig, besonders, nachdem sie ihn verführt und damit zwei Ehen zerstört hat. Und ihr ist nicht entgangen, wie er ihre Tochter ansieht, seine eigene Nichte. Nun, heute Abend wird er einiges von ihr zu sehen bekommen. Wenn ihm eine Darbietung gefällt, war es schon immer seine Gewohnheit, den Darstellern einen Wunsch zu erfüllen. Es ist schon vorgekommen, dass er einem glücklichen Tänzer ein Anwesen mit einem Weinberg vermacht hat. Alles, was er heute Abend tun muss, ist, ihrer Tochter Salome einen einfachen Wunsch zu gewähren.