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Die Superkraft in uns.
Jeder Mensch hat Zugang zu einem unbegrenzten Potenzial an Kraft. Je mehr davon er sich erschließt, desto höher seine Lebensqualität. Phil Stutz und Barry Michels, Autoren des Bestsellers »The Tools«, zeigen eindringlich, was wir an Glück, Erfolg und gelingenden Beziehungen erreichen können, wenn wir uns entscheiden »The Force« zu aktivieren. Doch erstaunlich viele Menschen geben sich mit wenig zufrieden. Sie überlassen sich dem inneren Verhinderer, der jeden von uns herausfordert. Er speist sich aus Energielosigkeit, falschen Hoffnungen, verletzten Gefühlen und unguten Belohnungsstrategien. Vier Power-Tools helfen, sich aus seinen Fängen zu befreien und Meister unseres Lebens zu werden.
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Seitenzahl: 435
Über den Autor
Phil Stutz promovierte an der New York University im Fach Medizin. Er arbeitete als Gefängnispsychiater auf Rikers Island, bevor er seine eigene psychotherapeutische Praxis eröffnete. Barry Michels studierte Jura, bevor er sich für die Psychotherapie entschied. Nach einem Studium an der University of Southern California ist er seit 1980 in eigener psychotherapeutischer Praxis tätig.
Phil Stutz und Barry Michels
Wie wir unsere innere Kraft befreien
Aus dem Englischen vonYutta Klingbeil
Für Judy White, die mich dazu herausforderte, wie der Wind zu werden, so wie Daphne zum Lorbeerbaum wurde.
Barry Michels (in Anlehnung an Rainer Maria Rilke)
Für Andrew, der als Junge dem Tod begegnete und in diesem Kampf zum Mann heranreifte.
Phil Stutz
»Wirklich zu leben ist das Allerseltenste in der Welt. Die meisten Menschen existieren nur.«
Oscar Wilde
»Erwacht, erhebt euch oder bleibt gestürzt!«
John Milton, Das Verlorene Paradies
Inhalt
Einführung
1 Gewinnen Sie Ihr Leben zurück
2 Für die Lebenskraft kämpfen
3 Das 1. Tool: Die Schwarze Sonne
4 Das 2. Tool: Der Wirbel
5 Das 3. Tool: Die Mutter
6 Das 4. Tool: Der Turm
7 Das Wahre, Schöne und Gute
8 Die neue Welt
ANHANG: DIE TOOLS
DIE TOOLS AUS UNSEREM ERSTEN BUCH The Tools
DANKSAGUNG
BLEIBEN SIE IN KONTAKT
Einführung
Die meisten Menschen ahnen, dass sie ein vollkommen anderes Leben führen könnten, als sie es tagtäglich tun. Jeder Tag dieses anderen Lebens wäre voller Freude. Sie wären zuversichtlicher, risikofreudiger, und ihre Tätigkeiten würden ihnen sinnvoller erscheinen. Es ist, als hätten sie in dieser anderen Existenz eine andere Art von Energie angezapft, eine Energie, die alles möglich erscheinen lässt.
Diese Ahnung der Menschen ist richtig. Die Energie ist real und kann ihr Leben verändern. Wir nennen sie die Lebenskraft, the Force. Sie ist die große Belohnung des Universums – unvergänglich, unaufhaltsam und unendlich schöpferisch.
Die meisten von uns haben diese Lebenskraft bereits in irgendeiner Weise gespürt. Vielleicht bei der Geburt eines Kindes. Oder als Drang, ein bestimmtes Instrument zu spielen, das sie in jungen Jahren aufgegeben hatten. Oder ihnen fiel beim Schreiben nichts mehr ein, bis sie plötzlich aus dem Nichts heraus eine Eingebung erhielten. Vielleicht hat ihnen auch das liebevolle Miteinander ihrer Familienangehörigen ein erhebendes Gefühl der Gnade vermittelt. Es gibt unzählige Beispiele für diese lenkenden, schöpferischen, unendlich nährenden Eigenschaften der Lebenskraft.
Das Entscheidende an der Lebenskraft ist, dass wir mit ihrer Hilfe der Welt unseren eigenen Stempel aufdrücken und ihr etwas völlig Eigenes geben können. Unabhängig davon, ob es etwas Großes und Ruhmreiches oder etwas Bescheidenes und Persönliches ist. Hauptsache, ihnen bedeutet es viel. Wenn sie die Lebenskraft in dieser Weise einsetzen, fühlen sie sich vollkommen lebendig.
Die meisten von uns erhaschen jedoch nur einen flüchtigen Blick auf dieses andere Leben. Dann fällt der Vorhang, und wir verlieren den Zugang dazu. Wir bezweifeln, ob es wirklich existiert hat. Wir kehren zurück zum ganz »normalen«, mühsamen Leben – ohne Hoffnung – und fokussieren uns nur auf das, was wir nicht können, anstatt auf das, was wir erreichen könnten. Wir meinen, unsere Machtlosigkeit hängt mit einem schmerzhaften, persönlichen Problem zusammen, das wir nicht bewältigen können. Dabei ist es unerheblich, um welches Problem es geht – entscheidend ist unsere Überzeugung, es nicht überwinden zu können.
Hier sind ein paar Beispiele der unlösbaren Probleme unserer Klienten. Kommen Ihnen diese Aussagen bekannt vor? Treffen sie auf Sie oder auf einen Ihrer Bekannten zu?
Ich kann meine Gedanken nicht kontrollieren. Ich suche nur nach Dingen in meinem Leben, die mir Sorgen bereiten. Es ist wie Selbstquälerei.
Es kommt mir so vor, als gäbe es eine Wir-Gruppe, zu der ich nie dazugehören werde. Als ob etwas nicht mit mir stimmt. Wenn ich unter Menschen bin, überkommen mich nur negative Gedanken und Selbstzweifel.
Ich setze mich gegenüber meinem Freund nicht durch, weil ich Angst habe, ihn zu verlieren. Wenn wir Abende getrennt verbringen, fahre ich an seiner Wohnung vorbei, um zu schauen, ob er nicht Besuch von einer anderen hat.
Mich überfordern die vielen Dinge, die ich erledigen muss. Trotzdem sitze ich wie ein Zombie vor dem Fernseher. Ich weiß nicht, worauf ich eigentlich warte.
Die Welt ist ungerecht. Ich werde von anderen nicht so behandelt, wie ich es verdiene. Wenn ich gefühlsmäßig verletzt werde, dauert es Tage, bis ich darüber hinwegkomme.
Die Probleme sind bei jedem ganz unterschiedlich. Eines haben diese Menschen jedoch gemeinsam: Ihre Probleme erscheinen ihnen unüberwindbar. Therapiestunden und der Versuch, die »Ursache« ihrer Probleme zu verstehen, sind keine Garantie für eine Lösung. Wir (die zusammen auf siebzig Jahre Berufserfahrung als Psychotherapeuten zurückblicken) sind zu dem Schluss gekommen, dass der Schlüssel zur Lösung emotionaler Probleme nicht im »Verstehen« liegt.
Worin liegt er dann? Hinter jedem Problem steckt eine Kraft, die eine Lösung verhindert. Sie fühlen sich machtlos, wenn sie ein emotionales Problem nicht lösen können, und meinen, das Leben werde ihnen niemals das geben, wonach sie sich sehnen. Dieses Gefühl der Machtlosigkeit breitet sich langsam in ihrer Seele aus, wie ein Gift. Irgendwann geben sie auf, sich selbst verwirklichen zu wollen und so zu leben, wie sie es sich erträumen.
Die Unfähigkeit, Ihre persönlichen Probleme zu lösen, ist kein Zeichen für mangelndes Potenzial. Sie zeigt vielmehr, dass ein mächtiger Gegner Ihnen den Weg zur Lebenskraft versperrt.
Mit Theorien und Konzepten erhalten Sie allerdings keinen Zugang zur Lebenskraft. Man kann sich nicht ins Leben zurückdenken. Um sich zu befreien, müssen Sie diese Lebenskräfte spüren, die durch Sie hindurchfließen.
Wie finden Sie den Zugang zu dieser Force? Dazu brauchen Sie Werkzeuge, Tools. Nehmen Sie zum Beispiel eine Dosensuppe. Wenn Sie nur das aufgeklebte Etikett lesen, werden Sie nie erfahren, wie die Suppe schmeckt. Sie müssen sie kosten. Ohne Dosenöffner ist das jedoch unmöglich, es sei denn, Ihre Hände hätten die Kraft eines Superhelden.
Betrachten Sie dieses Buch als Dosenöffner für Ihre Seele. Sie lernen die Tools kennen, die Ihnen den Zugang zur Lebenskraft ermöglichen und den inneren Feind helfen zu besiegen. Erst dann werden Sie entdecken, wozu Sie wirklich in der Lage sind, und Sie werden so lebendig, wie Sie es niemals für möglich gehalten hätten.
1. KAPITELGewinnen Sie Ihr Leben zurück
Phil enthüllt den inneren Feind, der Sie in einer eingeschränkten Existenz gefangen hält, und führt Sie durch die ersten Schritte, um Ihr volles Potenzial zu aktivieren.
Wie ich lebendig wurde
Als Student an der Uni lernte ich die Macht der Lebenskraft kennen – jedoch nicht als Teil der Lehrveranstaltung. Mit siebzehn war ich bereits in meinem zweiten Studienjahr. Allerdings war ich körperlich und emotional noch wie ein Highschool-Schüler. Im ersten Studienjahr widmete ich mich meiner größten Liebe – dem Basketball. Mit sechszehn spielte ich in der besten Mannschaft der Erstsemester, die das College in den letzten Jahren aufgestellt hatte.
Ich wollte unbedingt in der Unimannschaft aufsteigen, war jedoch körperlich noch nicht weit genug entwickelt. Ich musste ein Jahr warten, um kräftiger und größer zu werden. Wie ein Besessener rannte ich immer wieder ins Fitness-Studio. Mein Herz schlug jedes Mal höher, sobald ich auch nur das Geräusch eines springenden Balls hörte. Ich schaffte es – mit knapper Not – ins Team und bekam dann, was ich verdiente: Die nächsten zwei Jahre hockte ich während der Spiele zusammen mit anderen Möchtegerns auf der Ersatzbank.
Schlimmer noch war die herablassende Behandlung durch die Trainer. Als ich endlich älter wurde, war mein Selbstvertrauen im Keller. In der letzten Saison geschah jedoch etwas, was mich völlig unerwartet auf besondere Weise auf die Zukunft vorbereitete.
Das Team war noch besser als in meinem ersten Studienjahr. Bester Spieler war ein All-American Point Guard, ein Aufbauspieler. Ich war sein Ersatzmann, spielte also nur dann, wenn er verletzt war oder gefoult hatte. Das geschah meistens bei knappem Punkteunterschied zum Gegner, wenn die Zuschauer ausrasteten.
Nur träge auf der Bank zu hocken und zuzuschauen ließ mich dermaßen kalt und steif werden, dass ich mich beim Einwechseln ins Spiel kaum bewegen konnte. Also »versetzte ich mich ins Spiel hinein« auf meiner Bank. Ich sprang immer wieder auf, schrie mir die Seele aus dem Leib und brüllte am Rand des Spielfelds auf. Ich blieb dabei nicht nur locker, sondern feuerte – völlig überraschend – auch die Energie der Jungs im Spiel an.
Richtig spannend wurde es, wenn mein Enthusiasmus auf das Team überschwappte. Ich erlebte, wie ich andere Menschen zu Handlungen animieren konnte, die sie noch nie gewagt hatten. In solchen Augenblicken fühlte ich mich besonders lebendig. Damals erkannte ich noch nicht, dass das eine Vorbereitung auf die Zukunft war.
Wie man die Lebenskraft, the Force, erkennt
Es war großartig zu gewinnen, aber das Lebendigste an dieser Erfahrung, an die ich noch fünfzig Jahre später gern zurückdenke, war dieses intensive Gefühl, innerlich für etwas zu brennen. Je stärker unser Gegner war, je größer die Herausforderung, desto stärker fieberten wir. Genau dafür trainieren Leistungssportler täglich viele Stunden – um diesen enthusiastischen Zustand zu erleben.
Der Sport ist nur ein Bereich, wo man dieses noch ungenutzte Potenzial entdecken kann. Als Psychotherapeut gehört es nicht zu meinem Job, Basketballspiele zu gewinnen, sondern Menschen zu helfen, ihre Fähigkeiten zu erkennen. Dabei handelt es sich um naheliegende Dinge wie einen besseren Job zu finden, stärkere Führungsqualitäten zu entwickeln oder kreative Blockaden zu durchbrechen. Unsere bedeutendsten Potenziale sind jedoch eher verborgen: die Fähigkeit, Liebe zu geben und zu empfangen, anderen Menschen zuzuhören, das Leben so zu nehmen, wie es kommt, oder geduldig zu sein. Es geht um die spirituellen und emotionalen Qualitäten, die in uns wirken und uns als Menschen ausmachen. Sie sind wie die Steine, die eine Feuerstelle umschließen, um das Feuer zu schüren und Flammen der Inspiration hochlodern zu lassen. Sich mit diesem Feuer zu verbinden – das ist es, was ich mit Lebenskraft meine.
Die Lebenskraft äußert sich ständig – nicht in Worten, sondern in Ereignissen. Man spürt sie als eine unleugbare Präsenz, die einen führt. Man kann diese Präsenz für kurze Augenblicke häufig bei sehr bewegenden Ereignissen spüren, zum Beispiel bei der Geburt eines Kindes, wenn man verliebt ist oder bei der Reise in ein fernes Land, das tiefe Sehnsüchte weckt.
Die Lebenskraft kann sich auch ohne Erklärung als eine plötzliche Erkenntnis über einen anderen Menschen äußern, als Lösung für ein Problem, das Sie seit Monaten belastet, oder als kreativer Einfall, der aus einer Quelle außerhalb Ihrer Person stammt. Diese Augenblicke der Inspiration mögen willkürlich erscheinen, aber sie zeigen, dass die Lebenskraft immer gegenwärtig ist.
Es genügt jedoch nicht zu wissen, dass die Lebenskraft allgegenwärtig ist. Man muss auch wissen, wie man sich mit ihr verbindet. Schauen Sie sich doch um: Die Menschen, deren Leben tatsächlich beseelt und voller Inspiration ist, bilden eher die Ausnahme. Die Mehrheit schöpft das Leben und die Freude nicht aus. Jeder Versuch, etwas zu ändern, wird ausgebremst.
Sie sind zum Beispiel Songschreiber und haben eine Idee für ein Drehbuch. Anstatt mit Begeisterung für ein neues Medium zu schreiben, fühlen Sie sich überfordert und geben auf. Oder Sie empfinden plötzlich mehr für einen Menschen, der bislang nur ein sehr guter Freund war. Aber sobald Sie in seiner Nähe sind, verschließen Sie sich automatisch. Oder Sie haben bereits viele Fünf-Kilometer-Läufe absolviert und würden gerne einen Marathon laufen, sind jedoch nicht bereit, die Zeit für das erforderliche Training zu investieren.
Alle diese Menschen wollen eine neue Tür in ihrem Leben aufstoßen. Die Tür ist jedoch verschlossen, und es gibt nur einen Schlüssel dazu: die Lebenskraft selbst. Wir haben allerdings vergessen, wo der Zugang zu ihr ist. Deshalb haben wir auch den Schlüssel zu unserer eigenen Zukunft verloren. Wie konnten wir so etwas Kostbares nur verlieren?
Das liegt daran, dass wir am falschen Ort danach suchen. In unserer Konsumgesellschaft suchen wir ständig im Außen. Die Dinge werden uns mit dem Versprechen verkauft, dass sie unsere Probleme im Leben auf magische Weise lösen können. Die richtige Haarspülung wird den perfekten Partner anziehen. Die angemessene Armbanduhr verleiht Ihnen eine Aura des Erfolgs. Ein neues Auto, ein neuer Liebhaber oder eine neue Wohnung verschafft uns nur einen kurzfristigen Kick. Dieser hält nicht lange an. Wie bei einem Kind, das aufgeregt mit seinem soeben ausgepackten Weihnachtsgeschenk spielt. Bald verliert es das Interesse daran und will wieder etwas Neues.
Diese Fixierung auf äußere Dinge macht Veränderung unmöglich. Wenn Sie die Türen zu einer Zukunft, in der Sie Ihr volles Potential ausschöpfen, öffnen wollen, dann müssen Sie sich mit der inneren Essenz der Lebenskraft verbinden. Sie ist nicht sichtbar, auch nicht greifbar, aber wenn sie durch einen hindurchströmt, wird sie Sie dazu inspirieren, Dinge zu tun, die Sie vorher niemals für möglich gehalten hätten.
Die Lebenskraft in der Geschichte, der Natur und den Menschen
Die Vorstellung von einer verborgenen, beseelten Energie, die unserer Existenz zugrunde liegt, ist uralt. Im Gegensatz zu unserer modernen mechanistischen Vorstellung von Energie, die mit Hilfe der Mathematik erklärt wird, geht es hier um eine lebendige Energie, die wir in uns spüren. In den östlichen Religionen wird diese Energie, diese Lebenskraft, als prana (in der indischen Philosophie und Medizin), als lung (im tibetischen Buddhismus) und als chi (in der chinesischen Philosophie und Medizin) bezeichnet. Im Alten Testament wird der Begriff Ruach verwendet, der Atem Gottes, der den Menschen nicht nur das Leben, sondern auch den Geist einhauchte, um sich zu entwickeln.
Die Lebenskraft als solche mag unsichtbar sein, aber der Beweis ihrer Macht ist überall zu erkennen. Sie hat das Leben auf Erden erschaffen und über Äonen hinweg die Evolution vom Einzeller bis zur unvorstellbaren Komplexität des menschlichen Gehirns bestimmt. Jeder Samen, der zu einer vollentwickelten Pflanze heranwächst, jeder Lachs, der zum Laichen gegen den Strom ankämpft, jedes sonnenhungrige Kraut, das sich durch die Ritzen im Gehweg nach oben schiebt, ist Ausdruck dieser unaufhaltsamen Lebensenergie.
Welchen Einfluss hat sie auf uns als Individuum? Der Liedermacher, der Liebeskranke und der Dauerläufer fühlen sich blockiert, weil sie durch viele Niederlagen die Hoffnung auf Erfolg vielleicht aufgegeben haben. Keine Gespräche, keine Analysen ihrer Situation können sie von ihren finsteren Gedanken befreien. Die Lebenskraft jedoch beeinflusst jeden Menschen anders als das Denken. Die inspirierende Präsenz der Lebensenergie spürt man einfachund erlebt dabei eine Kraft, the Force, die alle Lebensformen seit Jahrmillionen versorgt.
Es liegt nahe, die Lebenskraft als etwas zu betrachten, was das Wachstum in der Natur fördert, also zum Beispiel Gras wachsen, Fische schwimmen und Vögel fliegen lässt. Die Lebenskraft kann jedoch noch viel mehr: Sie feuert das innere Wachstum in jedem Einzelnen von uns an. Wenn wir lernen, diese Energie zu nutzen, können wir damit unsere persönlichen Probleme lösen, die uns oft ein Gefühl von Machtlosigkeit verleihen.
Jeder Mensch ist mit der Fähigkeit gesegnet, die Lebenskraft auf diese Weise zu nutzen. In der Natur funktioniert sie automatisch, für unser inneres Wachstum müssen wir uns jedoch bewusst dazu entscheiden, sie zu entfalten.
Entscheiden Sie sich für die Begeisterung
Sich nur mit dem Kopf für die Begeisterung zu entscheiden reicht nicht aus; Sie müssen Ihre Entscheidung in Form von Taten umsetzen. Ein Leben mit ungebremster Leidenschaft zu leben geschieht nicht einfach von selbst. Es erfordert eine gesteigerte Lebenskraft, und die will erarbeitet werden. Oftmals entwickeln wir unsere Lebenskraft, ohne es überhaupt zu merken. Als ich meine Mitspieler von der Ersatzbank aus anfeuerte, war mir nicht bewusst, dass ich dabei ihre kollektive Lebensenergie stimulierte. Je mehr ich sie jedoch lauthals anfeuerte, desto vertrauter wurde mir dieses Verhalten, bis es schließlich zu einem Ritual wurde, auf das ich mich regelrecht freute.
In jeder Sportart nutzen Athleten, egal in welcher Klasse, Rituale, um ihre Lebenskraft zu stimulieren. Beobachten Sie mal die Rituale der Mannschaften vor Spielbeginn. Das Springen, Hüpfen, Anstoßen und Schlagen sieht möglicherweise mehr wie eine ziemlich aggressive Tanznummer aus. Im Grunde wird dabei jedoch die Lebenskraft gefeiert.
Nicht nur Athleten kommt eine erhöhte Lebensenergie zugute. Jede Rolle, in der man führen, kreieren oder darstellen muss – ob als Richter, Lehrer oder Schauspieler –, profitiert von einer starken Lebenskraft.
Es gibt etliche Methoden, um die Lebenskraft anzuzapfen, beispielsweise durch Meditation, Gebet, Tagebuchschreiben oder Training. Diese Methoden gehören zu den morgendlichen Ritualen, auf die viele Menschen schwören. Anstatt sich nur auf ein einzelnes Ereignis wie ein Spiel, eine Aufführung oder eine öffentliche Ansprache vorzubereiten, sind Sie mit einem Morgen-Ritual für den ganzen Tag gerüstet.
Jedes Mal wenn Sie diese Tätigkeiten »üben« – entweder alle oder nur eine Auswahl davon –, treffen Sie die »Entscheidung«, die Lebenskraft für Ihre Entwicklung einzusetzen.
Der Typ mit der Pistole
Wenn sich jeder dazu entschließen kann, die Lebenskraft zu aktivieren, dann steht es jedem frei, diese Kraft in seinem Leben wirken zu lassen. Erstaunlicherweise aktivieren wir sie jedoch nicht, obwohl wir genau wissen, dass uns diese Kraft zur Verfügung steht. Stattdessen entscheiden wir uns für etwas, was uns schwächt: Aus Faulheit geben wir ein Anliegen einfach auf, aus Unsicherheit vermeiden wir soziale Kontakte, wegen eines unvorhersehbaren geschäftlichen Rückschlags schreien wir einen Mitarbeiter an. Später blicken wir zurück und wundern uns: »Warum habe ich das getan? Was habe ich mir dabei gedacht?« Und die beunruhigendste Frage ist: »Wieso entscheide ich mich immer wieder dafür?« Die Antwort lautet, dass Sie sich gar nicht dafür entschieden haben, genauso wenig, wie Sie sich für einen Raubüberfall entscheiden, wenn ein Straßenräuber Sie mit vorgehaltener Pistole dazu auffordert, Ihre Taschen zu leeren.
Der »Typ mit der Pistole« zwingt Sie zu einer Entscheidung in seinem Sinn, die Sie nicht mit dem Leben verbindet. Er will Sie umbringen und Sie Ihrer Freiheit und Ihrer Zukunft berauben. Ihr Geld interessiert ihn nicht. Er will sich Ihre Leidenschaft, Ihre Begeisterungsfähigkeit und Ihr Potenzial einverleiben – alles für sich selbst.
Der »Typ mit der Pistole« ist ein Symbol. Doch was symbolisiert er? Anscheinend etwas außerordentlich Mächtiges und Starkes, das Sie immer wieder zur gleichen Reaktion zwingt, auch wenn Sie längst erkannt haben, wie nachteilig diese für Sie ist.
Wir meinen, wir seien rational denkende Wesen, die gute Gründe für ihr Handeln haben. Es wäre das Letzte, zugeben zu müssen, dass eine andere Kraft, der wir uns nicht bewusst sind, Entscheidungen für uns trifft. Besonders wenn diese Kraft nach einem Plan vorgeht, der in krassem Widerspruch zu unserer eigenen Vorstellung vom Leben steht.
Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht – diese »andere« Kraft ist real. Sie ist mehr als nur das Ergebnis eines psychologischen Schadens, obwohl dieser die Wirkung dieser »anderen« Kraft verstärkt. Diese Kraft ist von Geburt an vorhanden, als irrationale Kraft, eingebaut in jeden Menschen. Sie ist Teil von mir, von Ihnen, von allen.
Die Existenz dieser Kraft bedeutet nicht, dass mit Ihnen irgendetwas nicht stimmt. Sie ist weder eine Krankheit noch eine Strafe. Sie ist immer da, und jede Verpflichtung, die Sie nicht einhalten, jede Herausforderung, die Sie nicht annehmen, jeder Impuls, dem Sie nachgeben, ist das Werk dieser Kraft. Wenn Sie morgens um vier Uhr aufwachen und sich Sorgen um die Bezahlung Ihrer Hypothek machen, wenn Sie die Wut auf einen Menschen daran hindert, konzentriert zu arbeiten, wenn Sie öffentlich gedemütigt werden und glauben, die ganze Welt lacht Sie aus, dann betrachten Sie die Welt gerade durch die Augen dieser Kraft.
Eine vielversprechende Zeit
Ich wurde mit diesem inneren Feind konfrontiert, als ich am wenigsten damit rechnete. Meine Zeit als Assistenzarzt in der Psychiatrie hatte ich gerade beendet. Die langjährige Ausbildung war vorbei, und ich hatte erreicht, wonach ich mich am meisten sehnte: Freiheit. Für mich bedeutete Freiheit nicht, eine Weltreise machen zu können, sondern Klienten auf die Weise zu behandeln, die mir mein Instinkt sagte.
Es war eine vielversprechende Zeit. Ich war voller Begeisterung, weil ich meine Berufung gefunden hatte. Es braucht nicht viel, um eine psychotherapeutische Praxis ins Leben zu rufen – nur ein Büro. Eine entscheidende Zutat fehlte mir jedoch noch – die Erfahrung. Ich war jetzt dabei, sie zu sammeln.
In dem Arbeitsfeld der Psychotherapie, deren Markenzeichen die stille Zurückhaltung des Therapeuten ist, fiel ich auf wie ein bunter Hund. Ich hatte eine andere Einstellung zu Therapie als meine Kollegen. Für sie waren die Klienten »krank« und mussten »geheilt« werden. Diese Denke gehörte zum Standardmodell der Psychiatrie, und ich lehnte diese Haltung schon in der Ausbildung von Anfang an ab. Wenn man eine Person als »Fall« behandelt, entsteht automatisch eine Distanz zu ihr. Diese Lücke kann nicht durch tausende von sachlichen Fragen geschlossen werden; man muss die Erlebnisse der Klienten mit seinem Herzen nachfühlen können.
Mein Leitstern war nicht die Psychiatrie – es war der Basketball. In diesem Bereich hatte ich meine Leidenschaft entwickelt, anderen dabei zu helfen, ihr volles Potenzial zu entfalten. Erfolg war hier nicht der Schlusspunkt, sondern die Verpflichtung zu ständiger Entwicklung. Das Spektrum des menschlichen Potenzials ist unbegrenzt: angefangen beim Spielen eines Instruments über die Position eines Gemeindeleiters und die Entdeckung eines neuen spirituellen Weges bis hin zu der Fähigkeit, einfühlsam auf seine Ehefrau zu reagieren – alles ist möglich.
Diese Potenziale mögen alle verschieden sein, aber sie haben eines gemeinsam: meinen Klienten erschienen sie unerreichbar. Ich empfand es anders: Das vermeintlich Unmögliche möglich zu machen ist die Essenz des Lebendigseins. Meine Aufgabe bestand nun darin, meinen Klienten diese Erfahrung als etwas Reales zu vermitteln.
Einige Kollegen warfen mir vor, ich würde vom Thema abkommen, ein viel zu idealistisches Ziel verfolgen und nichts zur »Behandlung der Krankheit« meiner Klienten beitragen. Doch das Gegenteil war der Fall. Wenn sich ein Klient dazu verpflichtet, sein Potenzial zu entwickeln, wird seine Lebenskraft angeregt. Es ist diese Lebenskraft, die den Klienten die Vitalität verleiht, sich selbst zu heilen. Sie können Ihre Symptome durch Medikamente unterdrücken oder Situationen vermeiden, die die Symptome hervorrufen. Aber wenn Sie Ihr Leben dauerhaft verändern wollen, müssen Sie den Vorwärtsgang einlegen und Ihr Potenzial weiterentwickeln.
Je weiter ich einen Klienten an die Entfaltung seines Potenzials heranführen konnte, desto befriedigender war die Arbeit für mich. Am spannendsten war der Moment, in dem der Klient eine Fähigkeit entdeckte, von der er zuvor nichts geahnt hatte. Das war der größte Erfolg, eine mystische Erfahrung, so stark wie das Miterleben der Geburt eines Kindes. Diesen Prozess beim Klienten mitzuerleben war so erfüllend für mich, dass ich manchmal sogar ein schlechtes Gewissen bekam, weil ich damit Geld verdiente.
Klienten entwickeln diese verborgenen Fähigkeiten öfter, als man denkt. Man kann ein Potenzial jedoch erst entwickeln, wenn man herausgefunden hat, welches es ist. Ich hatte ein »Werkzeug« in mir selbst entdeckt, mit dem ich das potenzielle Talent im Klienten aufspüren konnte, bevor er davon wusste – meine eigene Leidenschaft.
Der wilde Enthusiasmus, den ich damals während der Basketballspiele auf dem College entwickelt hatte, existierte immer noch. Als Therapeut entdeckte ich, dass ich damit viel mehr erreichen konnte, als die Klienten nur zu inspirieren. Ich konnte mit Hilfe meiner Begeisterung ihre verborgenen Fähigkeiten aufdecken. Meine Leidenschaft, mein uneingeschränktes Engagement für das Wachstum meiner Klienten einzusetzen, war wie eine Taschenlampe, mit der ich ihre unbewussten Anteile und Qualitäten beleuchten konnte.
Kraft contra Gegenkraft
Begeistert von meinen guten Erfahrungen und von den Empfehlungen durch andere, glaubte ich an den großen Erfolg. Ich ging davon aus, dass mich mein Enthusiasmus durch jede Art von Situation hindurchführen würde. Da ich ein blutiger Anfänger war, hatte ich auch noch nichts erlebt, was diese Illusion torpediert hätte. Meine Begeisterungsfähigkeit reichte jedoch nicht mehr für den nächsten Fall aus, mit dem ich konfrontiert wurde.
Die meisten neuen Klienten messen den Fortschritt in der Therapie anhand ihrer Symptome – ob Depressionen, Panikattacken, zwanghaftes Verhalten oder Schlaflosigkeit. Diese führen sie überhaupt erst in die Therapie. Da meine Praxis noch sehr neu war, war die Psychotherapie für die meisten meiner Klienten auch etwas Neues. Gerade neue Klienten machen oft schnelle Fortschritte, besonders wenn ich sie mit meiner Begeisterung anstecke.
Bevor ich allerdings wieder über meine Methode ins Schwärmen geraten konnte, geschah etwas, was mich sehr verwirrte und aufwühlte. Die Symptome meiner Klienten kehrten zurück. Dabei war die Art der Symptome gleichgültig. Ob wiederkehrende Ängste und Sorgen, Vermeidung von beängstigenden Situationen, Angst vor Menschenmengen, Unfähigkeit, sich in Beziehungen einzulassen – alle Symptome tauchten wieder auf.
Manche Fälle waren sehr dramatisch: Jemand, der sich gerade mit seiner Wut und Frustration auseinandersetzte, schrie plötzlich andere Autofahrer an und provozierte einen Streit. Ein anderer weigerte sich, an dem Projekt, an dem er schrieb, weiterzuarbeiten, und verbrachte stattdessen Stunden vor dem Fernseher. Eine weitere Person, die gerade eine Existenz gründete, fiel in ihre chronische Spielsucht zurück.
Manche Fälle waren banal: Ein Klient, der abnehmen wollte, aß dennoch ein Extrastück Kuchen. Ein Vorstandsvorsitzender kam zehn Minuten zu spät zu seinen eigenen Meetings. Eine Ehefrau strahlte jedes Mal eine kaum spürbare Kälte aus, wenn sie an ihrem Ehemann vorbeilief. Obwohl diese Symptome unbedeutend sind, können sie langfristig zu Scheidung, zu einem Karriereknick oder zu gesundheitlichen Problemen führen.
Unabhängig von der Art der Probleme waren meine Klienten plötzlich so weit von einer Lösung ihrer Probleme entfernt wie zum Beginn ihrer Therapie. Angesteckt von meinem Enthusiasmus hatten die Klienten Hoffnung geschöpft, sich von ihrem leidvollen Schmerz und ihren Blockaden lösen zu können. Diese Hoffnungen waren nun zunichtegemacht. Ich versuchte, den Prozess wieder anzukurbeln, und wollte die Klienten mit so viel Begeisterung wie möglich motivieren. Ich hatte mir jedoch keine großen Gedanken gemacht, deshalb hatte ich auch keine Ahnung, wie es zu diesen Misserfolgen kommen konnte.
Die Reaktion meiner Klienten quälte mich. In einem Fall wollte ein Mann eine Frau heiraten, die er sehr liebte. Aufgrund seiner Erektionsprobleme hatte er jedoch Angst, sich auf die Frau einzulassen. Seine Untersuchungsergebnisse waren alle normal. Es steckte also ein »psychologisches« Problem dahinter. Angesteckt durch meine Begeisterung konnte er sein Problem zunächst überwinden. Er kaufte der geliebten Frau einen Ring. Sein verbesserter Zustand war jedoch nur vorübergehend, und seine sexuellen Probleme kehrten zurück. Er fühlte sich betrogen und teilte mir das auch klar und deutlich mit.
»Ich habe mich auf eine Ehe eingelassen, die nicht funktioniert. Sie sind ein großartiger Geschäftsmann, aber Sie wissen nicht, wie man Menschen hilft.«
Er hatte recht, ich konnte ihm nicht helfen. Aber das lag sicherlich nicht an meinen aufrichtigen Bemühungen als Psychotherapeut. Ich konnte ihm nicht helfen, weil ich die Kräfte nicht verstand, mit denen ich es zu tun hatte. In der Physik kann eine »Kraft« auf die Richtung eines Objekts einwirken und diese verändern. In der Psychologie gibt es eine Kraft, die Sie dazu bewegen kann, Ihre Richtung zu verändern – genauso wie es der Typ tut, der Ihnen die Pistole auf die Brust setzt. Und in welche Richtung schiebt Sie diese Kraft? In die entgegengesetzte Richtung von Wachstum, Vorwärtsbewegung und Entwicklung.
Wenn es die Lebenskraft ist, die unser unbegrenztes Potenzial freisetzt, dann bewirkt die Gegenkraft die Zerstörung unseres Potenzials, und wir leben ein Leben in Begrenzung. Wir spüren diese Gegenkraft zum Beispiel in Form von Wutausbrüchen, Impulsivität, Süchten, Faulheit, Panikattacken oder Negativität. Das Merkwürdige daran ist, dass wir an diesen Verhaltensweisen festhalten, obwohl wir genau wissen, wie schlecht sie für uns sind. Sie geben Ihrem Heißhunger auf etwas Süßes nach, oder Sie inszenieren einen ordentlichen Streit mit Ihrer Familie beim Abendessen. Anschließend fragen Sie sich: »Warum tue ich mir das immer wieder an?«
Schon allein diese Frage zeigt, dass Sie sich der Gegenkraft noch nicht bewusst sind. Genauso wie die Schwerkraft das Fliegen unmöglich macht, verhindert dieser innere Feind Ihre Entwicklung. Charakteristisch für ihn ist nicht ein einmaliges selbstzerstörerisches Verhalten, sondern die permanente Wiederholung davon. Genau so, als würden Sie ständig Ihren Kopf gegen die Wand schlagen. Als ich diese Gegenkraft identifizierte, die in meinen Klienten arbeitete, war ich naiv genug zu glauben, ich könnte sie mit der Bemerkung »Hören Sie mit dieser Selbstzerstörung auf« überzeugen.
Ich hätte meinen Klienten genauso gut empfehlen können, ohne Flugzeug zu fliegen. So entschlossen ich auch war, das Leben meiner Klienten zu verändern, so entschlossen war diese Gegenkraft, sie in ihrem Status quo zu halten. Diese Kraft erschien mir stärker, als ich es war. Ich befand mich in einem Ringkampf mit einem unsichtbaren Gegner, der mich mit seiner ungeheuren Kraft auf die Matte drückte und nicht mehr hochkommen ließ.
Die physische Präsenz einer erdrückenden, hemmenden Kraft als die wahre Ursache der Symptome meiner Klienten zu betrachten war nicht Teil meiner Ausbildung gewesen. Psychiater denken in theoretischen Kategorien; dieses Phänomen erschien mir jedoch nicht theoretischer als ein Ziegelstein, der einem auf den Kopf fällt. Je mehr ich mit dieser Kraft konfrontiert wurde und ihre Präsenz spürte, desto überzeugter war ich davon, dass sie real war.
Ich hatte meine Ausbildung abgeschlossen, musste jedoch wie die meisten jungen Psychiater meine Fälle noch mit einem Supervisor besprechen. Ich hatte mir einen etwa zehn Jahre älteren Mann ausgesucht, der ungezwungen und sehr hilfsbereit war. Mit ihm konnte ich wirklich offen über meine Erfahrungen sprechen.
Ich fragte ihn, ob er bei seinen Klienten manchmal eine zerstörerische Kraft wahrgenommen hatte, die aufgrund ihrer Intensität real erschien und dadurch mehr als nur eine Theorie war. Sein Grinsen hatte etwas von »Werde mal langsam erwachsen, Junge!«. Das vermittelte mir sofort den Eindruck, dass meine Erfahrungen für ihn in den Bereich Comics und Alpträume gehörten.
Er erklärte mir anschließend etwas herablassend, dass viele unerfahrene Therapeuten zu Beginn an der gleichen »Verwirrung« litten wie ich. Ich spürte demnach keine mysteriöse »Kraft«, sondern meine innere Reaktion auf den Widerstand des Klienten, sich zu ändern. Zum Abschluss erinnerte mich der Supervisor daran, was für ein frustrierender Prozess Therapie sei. Ich müsse das akzeptieren, ohne Zuflucht in irgendwelchen Märchen zu suchen. Seltsamerweise war ich nach unserem Gespräch noch fester davon überzeugt, es mit einer realen Kraft zu tun zu haben.
Die Einführung von Part X
Jetzt musste ich meine Klienten davon überzeugen. Dabei hatte ich einen Vorteil, denn sie waren nicht an wissenschaftlichen Beweisen interessiert. Sie wollten nur Erleichterung spüren – das wäre ihnen Beweis genug gewesen. Mein Supervisor hingegen akzeptierte nur wissenschaftlich fundierte Ergebnisse.
Diese rätselhafte Kraft zeigte sich bei den Klienten in Form von Zweifeln und Angst, Misstrauen und Rückzug, impulsivem Verlangen nach Drogen und Sex sowie anderen Symptomen, die stark genug waren, das normale Verhalten zu lähmen. Es gab endlose Variationen davon.
Der Typ mit der Pistole hielt jeden dieser Klienten in Schach. Die Kugeln stehen für spezifische Symptome wie Panik, chronische Unpünktlichkeit, Perfektionismus oder sozialer Rückzug. Er will Sie nicht töten, er will Ihnen Angst vor Ihrem Potenzial einflößen. Ein Phänomen mit einer solchen Macht verdient einen Namen. Die Bezeichnung »Der Typ mit der Pistole« war jedoch zu umständlich und wurde dieser mysteriösen Kraft nicht gerecht.
Ich entschloss mich für den Ausdruck »Part X«. Das war ein passender Name für etwas, was tabu und gefährlich war – eine Kraft, deren geheimnisvolle Energie respektiert werden musste. Dieser Name war kein Zufall. »Part« ist ein Anteil von Ihnen, etwas Wesenhaftes Ihrer menschlichen Identität, ein bleibender Teil von Ihnen, genauso wie Ihr Herz oder Ihr Gehirn.
Es gab noch einen anderen Grund, Part X als »Anteil« von Ihnen zu beschreiben. Gab es einen Anteil, musste es noch einen anderen Anteil geben. Und dieser »andere« Anteil war das Gegenstück zu Part X. Er ermöglicht Ihnen den Zugang zur Lebenskraft, anstatt Sie zu begrenzen. Dieser andere Anteil stellt sich Ihrem Wachstum nicht entgegen – mit seiner Hilfe entfalten Sie Ihr Potenzial. Die meisten Menschen bezeichnen diesen Anteil als die Seele.
Part X wurde durch den Namen, den ich gefunden hatte, endlich real. Obwohl ich sehr begeistert von meiner Entdeckung war, wusste ich nicht, wie meine Klienten auf ein neues Konzept eines leidenschaftlichen – aber jungen und unerfahrenen – Psychotherapeuten reagieren würden. Ich weiß noch, wie ich allein in der Praxis auf und ab lief und meinen Text einübte, um meine Klienten von der Realität und Gefährlichkeit von Part X zu überzeugen.
Zu meiner Überraschung brauchte ich gar keine Überzeugungsarbeit zu leisten. Die Vorstellung einer universellen Kraft, die hinter allen Symptomen lauert, klang sofort glaubhaft. Meinen Klienten gefiel der Name, und sie waren froh, die Ursache ihres Leidens gefunden zu haben. Innerhalb kurzer Zeit konnte jeder diese Kraft in sich selbst ausfindig machen.
Ich lernte aus alldem etwas sehr Wichtiges. Der Geist der meisten Menschen ist ein chaotisches Durcheinander. Ihnen ist weder klar, wo sie hinwollen, noch wissen sie, warum sie nicht dort ankommen. Um etwas zu verändern, müssen sie Ordnung in dieses Chaos bringen. Theorien über die Ursachen ihrer Situation helfen dabei wenig. Menschen brauchen Gedankenkonstrukte, die sich auf ihre tatsächliche Erfahrung beziehen. Aus diesem Grund haben meine Klienten Part X leicht angenommen; sie konnten seine Präsenz spüren. Echter Glaube – an einen Menschen, an eine Idee oder eine Entscheidung – basiert nicht auf einer logischen Schlussfolgerung, sondern auf Empfindungen.
Als Part X einen Namen hatte und somit zu einer realen Größe in den Augen der Klienten wurde, war ihre Neugier nicht mehr zu bremsen. Sie hatten nie zuvor von diesem Phänomen gehört, und wenn es die Ursache ihrer Probleme war, wollten sie genau wissen, was es mit dieser Kraft auf sich hatte, wie sie sich entwickeln und was man gegen sie tun konnte. Auf diese sinnvollen Fragen hatte ich jedoch noch keine Antworten.
Die größte Schwierigkeit lag in der Erklärung dafür, wie eine einzelne Kraft eine Vielzahl scheinbar völlig unzusammenhängender Symptome hervorbringen konnte. Meiner Beobachtung nach hatten die Probleme der Klienten einen gemeinsamen Nenner, nämlich den Schmerz. Hier ging es jedoch nicht um den natürlichen Schmerz, den man bei einem Todesfall, einer Krankheit, einem wirtschaftlichen Rückschlag oder dem Verlust eines Freundes empfindet. Dieser Schmerz ist notwendig. Er lässt sich nicht vermeiden und kann Ihnen sogar dabei helfen, schwierige Lebensphasen zu überwinden. Der notwendige Schmerz warnt Sie, dass Ihr Überleben oder Ihr Wohlbefinden gefährdet ist; er verbindet Sie mit der Realität und holt Sie in die Gegenwart zurück, damit Sie wissen, ob Sie handeln müssen oder nicht.
Meine Klienten spürten jedoch einen unnötigen Schmerz. Dieser ist keine Reaktion auf etwas Reales; er wird aktiv von Part X hervorgerufen. Der Schmerz kreiert somit ein für Sie überflüssiges Problem und bietet eine Lösung, die das Problem verschlimmert. Der Schmerz hilft in keiner Weise, die Widrigkeiten zu bewältigen, sondern macht das Leben unnötig schwer. Dadurch reagieren Sie auf die Welt, die Part X erschaffen hat.
Hierin liegt der Schlüssel zum Verständnis von Part X. Er lehnt sich nicht einfach zurück und arbeitet gegen Sie. Part X ist eine dynamische Kraft mit einer Absicht, die er niemals aufgibt. Part X strebt danach, Unglück zu erschaffen, wie der Künstler danach strebt, Schönheit zu erschaffen.
Part X nutzt die Tatsache aus, dass wir Menschen selbstgefällig sind. Wir ignorieren die Gefahr so lange, bis sie an unsere Tür klopft. Bevor wir uns dessen bewusst werden, hat sich die Gefahr bereits in unser Gehirn eingebrannt. Das ist ihr Ausgangspunkt, um unsere Seele zu vernichten, unsere Zukunft zu begrenzen und die Realität unseres Potenzials in Zweifel zu ziehen. Die eigentliche Gefahr liegt darin, sich nicht im Klaren über die Auswirkung von Part X auf das eigene Leben zu sein.
Part X kann durchaus besiegt werden, um Ihre Seele und Ihre Zukunft wieder zurückzugewinnen. Jedoch ist die schärfste Waffe nutzlos, wenn Sie gegen einen unsichtbaren Feind ankämpfen. Deshalb müssen Sie als Erstes Ihre persönliche Version von Part X erkennen und begreifen, wie sie sich in Ihrem Leben äußert.
Die Macht der Unmöglichkeit
Gerade bei etwas so Hinterhältigem wie Part X muss man wissen, wo man suchen soll. Part X ist zwar unsichtbar, aber er hinterlässt Spuren in Ihrem Innenleben. Die durchgängige X-Erfahrung liegt in dem Gefühl festzustecken: Sie sind nicht in der Lage, sich vorwärtszubewegen, sich zu verändern oder ein wichtiges Ziel zu erreichen. Wenn Sie in Ihrem Leben gegen eine Wand laufen und keine Ahnung haben, wie Sie sie überwinden können, dann treten Sie in die Fußstapfen von Part X.
Ihre Blockade oder Ihr unerreichbares Ziel muss nichts mit Status oder Macht zu tun haben. Entscheidend ist die Bedeutung, die diese Angelegenheit für Sie hat. Vielleicht wollen Sie offener für Ihren Partner sein, haben aber Angst vor seiner Reaktion; Sie möchten möglicherweise einen völlig neuen Beruf ergreifen, wissen jedoch nicht, wie Sie den ersten Schritt dahin tun sollen; oder Sie wollen Ihre Flugangst überwinden, doch der bloße Gedanke daran erfüllt Sie mit Entsetzen.
Welches Ziel auch immer Sie verfolgen – an irgendeinem Punkt treffen Sie auf ein Hindernis. Alle menschlichen Bestrebungen stoßen auf Schwierigkeiten und Verwicklungen. Das sind die natürlichen Stolpersteine des Lebens. Part X hat dann einen Zugang zu Ihrem Leben gefunden, wenn sich ein einzelner Rückschlag aufbläht und sich dermaßen zuspitzt, dass Sie Ihre Fähigkeit zur Entwicklung verlieren. Sie stehen dann vor einer hohen Mauer, über die Sie nicht hinwegschauen können. Das Einzige, was Sie sehen, ist ein Graffito: »Unmöglich«. Part X spricht nicht von »ziemlich schwierig« oder von »einer echten Herausforderung«. Er will Sie dazu bringen, aufzugeben und nach Hause zu gehen, weil Sie sich in einer Sackgasse befinden.
X sucht sich schwierige Themen aus – zum Beispiel den Schmerz der Einsamkeit, die Unsicherheit bei einer neuen beruflichen Tätigkeit, in der man sich nicht auskennt, oder die Blamage, wenn man befangen vor einem Publikum steht – und lässt diese Themen als unüberwindlich und unlösbar erscheinen. Part X bedient sich dabei einer dunklen, zerstörerischen Magie.
Part X gelingt es immer wieder, seine negative Alchemie in ganz alltäglichen Situationen anzuwenden. Joan, eine siebzehnjährige Gymnasiastin, litt unter großen Ängsten, wenn sie nicht zu Hause sein konnte. Dieses Problem hatte sie schon immer. Übernachtungen, Besuche bei weit entfernt wohnenden Verwandten und Klassenfahrten waren eine große Belastung für sie.
Joan war klar, dass ihre Ängste nicht rational waren, aber es war für sie unmöglich, ihre Panikattacken in den Griff zu bekommen. Part X war weniger an den Einzelheiten ihrer Ängste interessiert als daran, ihr das Gefühl zu geben, sie könne diese Ängste unmöglich besiegen. X wollte sie mit dem Gefühl des Scheiterns infizieren, als sei es Gift.
Joan war eine ungewöhnlich talentierte Fußballspielerin, als sich jedoch das psychische Gift von X in ihr ausbreitete, fiel es ihr immer schwerer, mit der Schulmannschaft zu verreisen. Sie verlor an Selbstvertrauen auf dem Spielfeld. Normalerweise war sie eine aggressive Stürmerin, aber nun wurde sie passiv, hielt sich zurück und vermied den Kontakt.
Part X hatte das Gefühl der Unmöglichkeit sich in ihr ausbreiten lassen; es bezog sich nicht mehr nur darauf, ihr Zuhause zu verlassen, sondern auch darauf, sich in der Sportart zu behaupten, in der sie so extrem erfolgreich gewesen war. Solange das Gefühl der Unmöglichkeit nicht aufgelöst wurde, konnte X die toxische Wirkung dieses Gefühls weiter entfalten, bis Joans Entwicklung und ihre Zukunftsträume zerstört waren. Dieses allumfassende Gefühl der Unmöglichkeit ist das Geheimnis von Part X und seiner Macht. Ein normales psychologisches Problem wird aufgebläht, bis der Betroffene wie gelähmt ist.
Part X war bei Joan in seinen Bemühungen ausgesprochen konsequent. Jedes Mal wenn Joan wieder etwas im Leben unternehmen wollte, war X sofort zur Stelle, um sie daran zu erinnern, wie verängstigt und paralysiert sie ist.
Die Macht der Wiederholung
Part X versucht immer wieder, Ihnen hartnäckig eine bestimmte Weltsicht aufzudrängen und diese aufrechtzuerhalten – wie ein Diktator, der ein ganzes Volk durch die Wiederholung einer Lüge beherrscht, bis sie als wahr akzeptiert wird. Die Lüge lautet: Nur der Diktator kann als Einziger die Probleme der Menschen lösen. Part X unterzieht uns ebenfalls einer Gehirnwäsche. Seine Lüge besagt: Nichts kann Ihr Problem lösen; Sie sollten aufhören, es zu versuchen.
Die Psychologie, die sich zu sehr auf die Vergangenheit konzentriert, kann diese Lüge verstärken. Das lädt Part X dazu ein, das Gefühl der Unmöglichkeit zu vertiefen. Stellen Sie sich vor, Ihre Vergangenheit wird durch eine Reihe von Bildern in einem Museum ausgestellt; jedes Bild repräsentiert ein Ereignis in Ihrem Leben. Part X als Kurator entscheidet, welche Bilder gezeigt werden. Er wählt nur die negativsten und schmerzhaftesten aus. Und warum? Weil eine Wiederbelebung dieser Ereignisse Ihr Potenzial und Ihr Verständnis davon, wer Sie wirklich sind, verringert.
Wir meinen, dass wir die Welt rational beurteilen, dabei ist es Part X, der eigentlich unsere Sicht der Welt dominiert. Durch die ständige Wiederholung negativer Erfahrungen weckt er die Vorstellung, dass es nichts gibt außer Negativität. Part X kann ein einzelnes oder gleich eine ganze Serie negativer Ereignisse aus Ihrer Vergangenheit wieder in Erinnerung rufen. Er kann sogar zukünftige schlechte Erfahrungen, die noch nicht stattgefunden haben, konstruieren. Das beunruhigt uns, zu Recht, aber Beunruhigung ist ein weiteres Werkzeug von Part X in seinem Feldzug, uns mit Negativität zu überschwemmen.
Wir alle kennen Menschen, deren Anschauung von Part X bestimmt wird. Ob sie zurückblicken und über die Vergangenheit jammern oder nach vorne schauen und sich um die Zukunft sorgen – sie strahlen Negativität aus und das Gefühl, dass die Welt ihre Pläne und Wünsche nicht erfüllt. Wenn wir zu viel Zeit mit ihnen verbringen, spüren wir, wie ihre Frustration, ihre Unzufriedenheit und ihr Zynismus auf uns abfärben und dabei unsere eigene Lebenskraft bedrohen.
Es geht nicht um Ihr Denken, es geht um Ihr Tun
Alles,was Sie tun, erweitert entweder Ihr Gefühl für das, was möglich ist, oder trägt dazu bei, dass Sie nichts für möglich halten. Sei es der Extradrink nach dem Abendessen, das Streitgespräch mit Ihrer Frau vor den Kindern oder die vier Stunden vor dem Fernseher – Sie wissen genau, dass diese Dinge Ihnen nicht guttun, dennoch hören Sie nicht damit auf. Part X hat Sie unter Druck gesetzt, und Sie glauben, sich nicht unter Kontrolle zu haben, auch wenn Sie wissen, wie zerstörerisch Ihr Verhalten ist. Die Vernunft kommt gegen Part X nicht an.
Vielleicht möchten Sie wieder die Schulbank drücken, zehn Kilo abnehmen oder eine spirituelle Gemeinschaft finden, die Sie inspiriert. Sie befinden sich in einem Machtkampf mit Part X – obwohl es Part X lieber wäre, Sie wüssten das nicht. X will sein übliches Ziel erreichen und Sie hilflos und ohne Hoffnung in einer Welt des Unmöglichen gefangen halten. Es sind Ihre Taten, nicht Ihre Worte, die entscheiden, wer gewinnt.
Wenn Part X Ihre Initiativen nicht stoppen kann, verleitet er Sie zu falschen Entscheidungen. Seine wirkungsvollste Strategie – und damit die größte Lüge – ist die Forderung, dass nur große, dramatische Taten zählen. Wahr ist genau das Gegenteil. In den kleinsten Taten steckt die größte Energie. Kleine Schritte kann man ständig wiederholen und schafft so einen offenen Kanal für die Lebenskraft.
Wenn Sie noch eine Ausbildung machen möchten, beginnen Sie mit einer einzigen Unterrichtsstunde am Abend und spüren nach, ob Ihre Entscheidung die richtige ist. Wenn Sie zehn Kilo verlieren möchten, verzichten Sie als Erstes auf den Nachtisch bei Ihrer nächsten Mahlzeit. Wenn Sie nach einer spirituellen Gemeinschaft suchen, erkundigen Sie sich bei Freunden und Bekannten, welche Erfahrungen sie gemacht haben. Wenn Sie sich auf große, symbolische Siege versteifen – beispielsweise darauf, gleich eine Radikalkur zum Abnehmen machen zu wollen –, dann werden Sie nach ein paar Niederlagen aufgeben.
Unabhängig davon, wie unmöglich es Ihnen erscheint, Ihr Verhalten zu ändern – es gibt immer etwas, was Sie für Ihr Weiterkommen tun können. Deshalb ist es wichtig, Part X erkennen zu können, wenn er in Ihrem Leben auftaucht. Seine Gegenwart zu identifizieren ist bereits eine Handlung. Wenn sie mit Disziplin praktiziert wird, ist diese Handlung der erste Schritt zu Ihrer Befreiung aus dem Gefängnis, in dem Part X Sie festhält.
Den eigenen Part X erkennen
Diese kleine Übung zeigt Ihnen, wie sich Ihr eigener Part X in Ihrem Leben zu erkennen gibt.
Denken Sie an eine bestimmte Zeit in Ihrem Leben, als Sie sich blockiert fühlten, nichts verändern und Ihr gewünschtes Ziel nicht erreichen konnten. Es muss kein spektakuläres oder ausgefallenes Ziel sein, aber es sollte Ihnen wichtig sein. Es kann mit einer Partnerschaft, mit dem Beruf, mit Kreativität oder Erziehung oder mit einem anderen Lebensbereich zusammenhängen. Es kann ein Ziel aus der letzten Woche oder aus früheren Jahren sein. Wenn Ihnen nichts Spezielles einfällt, wählen Sie einen großen Bereich aus Ihrem Leben, der Ihnen schon immer Probleme bereitet hat. Die einzige Bedingung ist, dass Sie sich machtlos und von einer inneren Kraft ausgebremst fühlen.Beobachten Sie die Stelle, an der Sie nicht weiterkommen – in dem Augenblick macht sich Part X bemerkbar. Spüren Sie seine Gegenwart in sich. Sagen Sie dann: »Das ist Part X.«Wir bezeichnen diesen Prozess als »Benennung«. Sie erkennen dabei die einzigartigen Eigenschaften, die Ihren persönlichen Part X ausmachen. So einfach wie der Prozess erscheinen mag – er ist der entscheidende Baustein für alles Weitere.
Die Wichtigkeit der Benennung
Um Part X Einhalt zu gebieten, müssen Sie ihn auf frischer Tat ertappen. Das ist leichter gesagt als getan. Denn Part X schleicht sich an Sie heran, und zwar schnell. Das erhöht seine Schwungkraft. Als Joan, die talentierte Fußballspielerin, auf die Warnungen von Part X hörte, ihr Zuhause nicht zu verlassen, verlor sie den Mut, ihre Panikattacken in den Griff zu bekommen. Die tückische Einstellung »Das kann ich nicht, das ist unmöglich« entwickelte Schwungkraft und wirkte sich schnell auf alle anderen Bereiche ihres Lebens aus.
Man muss Part X aufhalten, bevor er an Momentum gewinnt. Wie ein Chirurg bei einer Notoperation die Blutung stoppen muss, bevor er operieren kann, muss Part X daran gehindert werden, seine Negativität in Ihre Psyche »einbluten« zu lassen. Wenn Sie das nicht schaffen, bleibt ein lähmendes Gefühl von »daran kann ich überhaupt nichts ändern«.
Part X zu unterbrechen ist nicht das Gleiche, wie ein Blutgefäß zu vernähen. Part X hat keine physische Form. Er ist eine Kraft und kann nur durch die unbegrenzte Energie der Lebenskraft gestoppt werden.
Die Tatsache, dass Sie Part X erkennen und seine Gegenwart spüren, zeigt, dass Sie nicht Part X sind. Wenn Sie das wären, könnten Sie ihn nicht benennen. Jedes Mal wenn Sie Part X einen Namen geben, aktivieren Sie den Anteil von sich, der unabhängig ist. Dieser Anteil ist Ihre Seele, die selbst entscheidet, wie sie die Welt betrachtet.
Je häufiger Sie Part X benennen, desto stärker aktivieren Sie Ihre Seele. Dadurch erhalten Sie direkten Zugang zur Lebenskraft – der Lenkerin Ihrer Entwicklung und der Quelle Ihrer verborgenen Talente – und zu der inneren Einstellung, dass alles möglich ist.
Für Joan war es eine Offenbarung, die Macht ihrer Seele zu entdecken. Sie erkannte nun, dass Part X hinter ihren Ängsten steckte, die sie nicht nur auf dem Fußballfeld gelähmt hatten. Sie war nicht mehr das passive Opfer von Part X. Zum ersten Mal in ihrem Leben sah sie einen Ausweg aus der Welt des Unmöglichen.
Verpflichtung zum Handeln
Der Unterschied zwischen denjenigen, die sich von Part X befreit haben, und denjenigen, die noch darunter leiden, liegt in ihrer Beharrlichkeit. Part X ist unerbittlich in seinen Bemühungen, Sie durch den festen Glauben daran, es gäbe keinerlei Möglichkeiten, zu vernichten. Sie müssen genauso unerbittlich seine Anwesenheit benennen, wenn Sie wieder Herr über Ihre eigene Seele werden wollen. Wirkliche Verpflichtung beinhaltet das Versprechen, etwas zu tun und dieses Versprechen auch einzuhalten – und zwar immer wieder.
Das heißt, handeln und nicht nur denken. Entweder Sie handeln oder eben nicht – alles andere zählt nicht. Es gibt zwei verschiedene Arten des Handelns. Die erste ist das äußere Handeln. Es ist das, wonach es klingt: Es sind die Dinge, die man im äußeren Leben tut. Bei dem Wort handeln haben wir eine klare Vorstellung von dem, was meistens damit gemeint ist. Sie setzen sich an Ihren PC und schreiben einen neuen Lebenslauf, oder Sie tun es nicht. Sie sagen ein Meeting ab, um Ihrem Sohn beim Mannschaftsspiel in der Schule zuzuschauen oder eben nicht. Sie treten Ihrem Boss entgegen oder eben nicht.
Es gibt eine zweite Art des Handelns, der wir uns viel weniger bewusst sind: das innere Handeln. Das äußere Handeln soll die Welt um einen herum beeinflussen, das innere Handeln soll auf die eigene innere Welt wirken. Dazu gehört die Welt Ihrer Gedanken und Gefühle – Ihr innerer Zustand. Der Kampf zwischen Ihnen und Part X findet in dieser Innenwelt statt. Es ist der Kampf um Ihre Seele.
Part X greift Ihre innere Welt an, indem er sie mit Gefühlen des Scheiterns, der Negativität und des Selbstzweifels überschwemmt. Wenn Sie nicht dagegen ankämpfen, erschafft X eine düstere Zukunft ohne jede Aussicht auf Möglichkeiten.
Und die meiste Zeit kämpfen Sie nicht dagegen an. Nicht, weil Sie es nicht wollen, sondern weil Sie nicht wissen, wie. Hier geht es um einen inneren Krieg – Bomben und Kugeln sind dabei wertlos. Sie benötigen Waffen für die innere Arbeit, Waffen, die Ihren inneren Zustand verändern können.
Unsere Arbeit und unsere Begeisterung bestehen darin, Ihnen diese inneren Waffen näherzubringen. Sie können sie jedoch nur anwenden, wenn Sie die Angriffe von Part X erkennen. Das Benennen ist dabei die erste Verteidigungslinie: Es identifiziert den Feind, damit Sie zurückschlagen können.
Für die innere Welt ist die Verpflichtung noch entscheidender als für die äußere. Das bedeutet, dass Sie versprechen, Part X zu benennen, und dieses Versprechen auch Tag für Tag einhalten. Dies ist zwar nur der erste Schritt, aber er erinnert Sie an den realen Feind in Ihrem Inneren, der nicht müde wird, Ihre Seele brechen zu wollen.
Egal wie viele Waffen Sie haben, um Part X »zu vernichten« – das ist nicht möglich. Wie das Ungeheuer, das in den letzten Minuten eines Horrorfilms wieder dem Grab entsteigt, kehrt Part X immer wieder zurück. Das bedeutet nicht, dass Sie seine pessimistische Lebensauffassung übernehmen müssen. Aber Sie sind – zu jeder Zeit – seinen Angriffen ausgesetzt. Es erfordert eine gewisse spirituelle Wachsamkeit, um diese Angriffe sofort zu bemerken. Part X zu benennen gehört demnach zu Ihrem Frühwarnsystem.
Um die besondere Bedeutung des Benennens von Part X durch ein berühmtes Zitat von Thomas Jeffersen aus dem 19. Jahrhundert etwas poetischer auszudrücken:
»Der Preis der Freiheit ist stetige Wachsamkeit.«
Damit dieser Prozess funktioniert, ist Verpflichtung nötig. Verpflichtung erfordert keine besondere Intelligenz, keine sportlichen Fähigkeiten, keine erfolgreichen Bekannten, keinen Universitätsabschluss. Es bedeutet einfach nur, dass Sie das, was Sie sich vornehmen, auch tatsächlich umsetzen. Meine Basketballkarriere war nicht besonders erfolgreich. Aber ich habe dabei gelernt, was es heißt, sich zu verpflichten. Diese Fähigkeit konnte ich später auf andere Lebensbereiche übertragen.
Vor dreißig Jahren traf ich meinen Co-Autor Barry Michels auf einem meiner Seminare. Zu dem Zeitpunkt war er bereits ein erfolgreicher Rechtsanwalt und arbeitete gerade an seiner nächsten Karriere als Psychotherapeut. Er hatte eine außergewöhnliche (und etwas nervige) Begabung, mich über Part X und andere Aspekte meiner Arbeit zu befragen, mit der er mich zum Reden bringen konnte.
Ich schrieb diese Begabung zunächst seiner juristischen Ausbildung zu. Da es bei meiner Arbeit hauptsächlich um das Bekenntnis zum Handeln ging – sowohl in der inneren als auch in der äußeren Welt –, empfand ich Misstrauen gegenüber jemandem, der lediglich Information sammeln wollte. Es dauerte Monate, bevor ich erkannte, welch ein Glück unser Zusammentreffen war. Er entpuppte sich als einer der engagiertesten Menschen, denen ich bisher begegnet bin.
Er erzählte mir, dass er am Schluss jeder Therapiesitzung seinen Klienten für den nächsten Termin »etwas zu tun gab«. Ich hatte schon lange das Gefühl, dass dieses Engagement der Klienten zwischen den Sitzungen der Schlüssel zu einer tatsächlichen Veränderung in ihrem Leben war. Beeindruckend fand ich, dass Barry nichts von seinen Klienten verlangte, was er nicht auch von sich selbst verlangt hätte. Sein unermüdliches Engagement im Kampf gegen Part X inspiriert jeden, der mit ihm zu tun hat.
2. KAPITELFür die Lebenskraft kämpfen
Barry lernt, Part X zu erkennen und zu besiegen, und entdeckt so seine Lebenskraft – und damit ein Maß an Begeisterung, Enthusiasmus und Kreativität, das er sich nie zuvor hätte vorstellen können.
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