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»Sei bereit, NICHT alles zu tun und auch mal fünfe gerade sein zu lassen. Das ist die wahre Kunst.« Ein überquellender Terminkalender von Montag bis Freitag und am Wochenende auch noch Freizeitstress – kennst auch du das Gefühl, in einer schier unendlichen Flut von Terminen und Aufgaben unterzugehen, während dein eigentliches Leben an dir vorbeirauscht? Keine Angst, es gibt eine Lösung für dieses Dilemma, und zwar The Joy of Missing Out, kurz: JOMO – es bezeichnet das Glücksgefühl, das sich einstellt, wenn man nicht mehr zu allem Ja sagt und einfach mal einen Gang runterschaltet. Die erfolgreiche Unternehmerin Tonya Dalton hat sich darauf spezialisiert, Frauen zu zeigen, dass sie immer die Wahl haben, an wen oder was sie ihre Zeit verschenken wollen – und wie viel davon. Sie erklärt unterhaltsam, wie man Prioritäten setzt, klare Grenzen zieht und individuelle Strategien entwickelt, die den Alltag erleichtern und ein selbstbestimmtes, freies und sinnerfülltes Leben ermöglichen – weniger Stress, mehr JOMO!
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Seitenzahl: 325
TONYA DALTON
THE JOY OF MISSING OUT
TONYA DALTON
THE JOY OF MISSING OUT
Von der Freiheit, nicht überall dabei sein zu müssen
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.
Für Fragen und Anregungen:
1. Auflage 2020
© 2020 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2019 bei Thomas Nelson unter dem Titel The Joy of Missing Out: Live More by Doing Less © 2019 by Thomas Nelson. All rights reserved.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Übersetzung: Annett Stütze
Redaktion: Desirée Šimeg
Umschlaggestaltung: Karina Braun
Umschlagabbildung: shutterstock.com/Merfin
Layout: inpunkt[w]o, Haiger (www.inpunktwo.de)
Satz: abavo GmbH, Buchloe
Druck: CPI books GmbH, Leck
ISBN Print 978-3-7474-0237-5
ISBN E-Book (PDF) 978-3-96121-590-4
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96121-591-1
Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter
www.mvg-verlag.de
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Für John, Jack und Kate:Wahres Glück sind jene Momente, die ich mit euch verbringe.
INHALT
JOY OF MISSING OUT AUCH BEKANNT ALS: JOMO
EINLEITUNG
1. ENTDECKUNGEN MACHEN
KAPITEL 1ENTDECKE DICH SELBST
KAPITEL 2ENTDECKE DEINE OPTIONEN
KAPITEL 3ENTDECKE DEINEN LEITSTERN
2. KLARHEIT FINDEN
KAPITEL 4SCHÄRFE DEINEN FOKUS
KAPITEL 5KLÄRE DEINE ZEIT
KAPITEL 6KLÄRE DEINE ENERGIE
3. SCHAFFE EINFACHHEIT
KAPITEL 7VEREINFACHE DEINE SYSTEME
KAPITEL 8VEREINFACHE DEINE ROUTINEN
KAPITEL 9VEREINFACHE DEINE STRUKTUREN
4. ERREICHE HARMONIE
KAPITEL 10HARMONISIERE DEINE FREIRÄUME
KAPITEL 11MACH DEIN JA GESCHMEIDIG
KAPITEL 12HARMONISIERE DEIN LEBEN
ZUSAMMENFASSUNG: LOS GEHT’S!
DANKSAGUNG
ANMERKUNGEN
ÜBER DIE AUTORIN
Substantiv
Emotional intelligentes Gegenmittel zum permanenten Beschäftigtsein; die bewusste Entscheidung, im Hier und Jetzt zu leben, indem man Freiräume mit entspannter Zeit wertschätzt.Beispiel:
Sie wollte mehr von der Freiheit, Nein zu sagen, also ließ sie absichtlich ihren Laptop im Büro stehen und schaltete damit die Versuchung aus, sich während der Familienzeit um die Arbeit zu kümmern.
Ein intensives Gefühl von Freude und Glück, weil man sein Leben an den wahrhaft wichtigen Dingen ausrichtet und das ganze »Sollen« und »Müssen« loslässt.Beispiel:
Sie beschloss, sich dem sozialen Druck nicht weiter zu unterwerfen. Sie entschied, ihre Prioritäten selbst zu setzen und die Übernahme einer weiteren Gremientätigkeit – nur aus Schuldgefühlen – heraus abzulehnen.
Synonyme: gelassene Zielstrebigkeit, absichtsvoll, auf das Wesentliche konzentriert
Antonyme: Stress, Hektik, Entnervtheit, Ausgelaugtheit, den Tisch voll Arbeit haben
Es war ein wunderschöner Frühlingsmorgen, doch ich war viel zu beschäftigt, um zu bemerken, dass die Bäume zu blühen begannen oder der Himmel blau war. Ich hatte eine Mission. Ich hatte bereits den Mama-Spießrutenlauf auf dem Weg zur Grundschule hinter mir - auch bekannt als Fahrdienst - und versuchte, die Nerven im Wettlauf gegen die Zeit zu behalten, um Kate pünktlich im Kindergarten abzugeben. Ich schob sie durch die schmalen Gänge, knapp vorbei an den frischen, kaum zwei Tage alten Fingerfarben-Gemälden an den Wänden.
Zusammen hängten wir ihren Rucksack auf und während sie ihren Brotbeutel herausfischte, zählte ich im Kopf bis zehn und versuchte die Ungeduld, die mir den Rücken emporkroch, zu ignorieren. Ich war unruhig. Vor mir lag ein vollgestopfter Tag, das konnte ich sogar mit einer drei Kilometer langen To-do-Liste beweisen. Mit einem schnellen Küsschen auf die Wange verabschiedete ich mich von Kate, winkte rasch ihrer Erzieherin zu und raste durch den Flur zurück nach draußen, wobei ich es nach Kräften vermied, mich in ein Gespräch verwickeln oder gar für eine weitere ehrenamtliche Aufgabe gewinnen zu lassen.
Endlich wieder im Auto, sank ich auf den Fahrersitz, bereit, meinen Tag zu beginnen. Ich erinnere mich noch, wie ich nach Hause flitzte, dann in der Mitte meiner sonnendurchfluteten gelben Küche stand und in Gedanken alle Aufgaben durchging, die vor mir lagen.
Ich machte einen Schritt Richtung Wäschekammer und hielt inne. Nein, nicht die Wäsche. Ich wandte mich Richtung Computer und schüttelte den Kopf. Nein, daran sollte ich jetzt noch nicht arbeiten. Ich drehte mich um mich selbst und diskutierte mit mir, was ich nun zuerst zu erledigen hätte. Ich drehte mich wortwörtlich im Kreis, wie ein Kreisel in Zeitlupe. In mir brodelte ein Gefühl von Überforderung, mir wurde schwindelig und ich war kurz vor dem Durchdrehen. Dann brach ich auf dem Boden zusammen und weinte gute fünfzehn Minuten lang.
Als ich mich langsam wieder aufrappelte – immer noch schniefend –, war ich wütend auf mich selbst. Wie konnte ich nur so viel Zeit mit Heulen verplempern, wo ich doch so viel zu tun hatte? Mit meinem Ärmel wischte ich mir die salzigen Tränen von der Wange, schalt mich selbst für meine Schwäche und machte mit meinem Tag weiter. Meine Gefühle vergrub ich tief in mir. Immerhin hatte ich eine To-do-Liste abzuarbeiten.
Das ist eine wahre Geschichte. Obwohl ich es damals noch nicht wusste, war ich selbst der Grund für meine Überforderung. Ich war so damit beschäftigt, »beschäftigt« zu sein – mein Tag war bis obenhin gefüllt mit Erledigungen und Aufgaben –, und doch hatte ich nie das Gefühl, genug getan zu haben. Ich hatte das Gefühl, im Kreis zu rennen, war erschöpft und gereizt. Ich war total gestresst davon, all die Dinge zu tun, die man so tut, damit die anderen Frauen mich bewundern und denken würden, dass ich alles im Griff hätte.
Aber ich hatte es nicht im Griff. Die meisten Tage begannen damit, dass ich mich fragte, wie ich diese Fassade weiterhin aufrechterhalten konnte, und sie endeten damit, dass ich mich wie eine Versagerin fühlte.
Ich verbrachte meine Tage im Dauergefühl der Überforderung.
Überfordert.
Dieses Wort höre ich von vielen Frauen, wenn sie beschreiben, wie sie ihre Tage wahrnehmen. Es scheint keine Rolle zu spielen, wie alt sie sind, in welcher Lebensphase sie sich befinden oder welchem Beruf sie nachgehen. Überfordert ist der rote Faden, der sie alle verbindet.
Überfordert von ihrer Verantwortung. Überfordert von ihrem Leben. Überfordert von ihren To-do-Listen. Völlig begraben unter Überforderung.
Hier ist eine Erkenntnis, die ich mit euch teilen möchte: Überforderung ist nicht, zu viel zu tun zu haben. Es ist das Gefühl, nicht zu wissen, wo man anfangen soll.
Zu wissen, wo man anfangen soll, kann extrem schwierig sein, vor allem, wenn wir eifrig zu allen sich bietenden Gelegenheiten Ja sagen – auch zu denen, die wir eigentlich gar nicht mögen –, wenn wir uns die Prioritäten anderer Menschen auf den Teller laden (und unsere eigenen beiseiteschieben), und wir uns darüber Sorgen machen, wie wir mit allen anderen mithalten können.
Echte Produktivität hilft uns dabei, zu wissen, wo wir anfangen sollen. Es ist eine bewusste Entscheidung, das Durcheinander und den Lärm in unserem Leben abzustellen. Es ist die Entdeckung des Glücks, das sich einstellt, wenn wir in unserer Mitte sind und erkennen, was uns wirklich wichtig ist, und den Rest einfach weglassen – es ist die Freiheit, Nein zu sagen und Prioritäten selbst zu setzen. Es ist JOMO.
Wir müssen anfangen, dieses Glück zu entdecken, zu dem zusätzlichen Lärm in unserem Leben Nein sagen zu können, und ein Leben anzustreben, das sich um das dreht, was uns wirklich wichtig ist. Wir müssen unsere Einstellungen verändern. Ich liebe das Wort Einstellung. Es gehört zu meinen Lieblingswörtern, denn unsere Einstellung hat die Kraft, unsere Perspektive zu verändern; ihr wohnt ein lebensverändernder Zauber inne.
Natürlich ist es leicht für mich zu sagen, dass du deine Denkweise ändern sollst. Dabei weiß ich selbst, wie schwer das sein kann. Vielleicht bist du wie ich – ein Ehrgeizling, eine Es-allen-recht-Macherin – und glaubst, dass Erfolg durch deine Taten definiert wird und nicht durch dich als Person. Du verbringst deine Tage damit, der Illusion von Erfolg nachzujagen, genau wie ich es tat, aber tief in deinem Inneren spürst du, dass es noch einen besseren Weg geben muss. Und du hast ja so recht!
Es ist ziemlich anstrengend, deine Einstellung zu ändern, aber es ist herrlich, sobald du verstehst, dass es einen großen Unterschied zwischen »beschäftigt sein« und »produktiv sein« gibt. Damit kämpfen viele von uns, weil wir fälschlicherweise glauben, dass wir sehr beschäftigt sein müssen, dass von uns erwartet wird, dass wir unsere Tage füllen.
Emily aus meiner Facebook-Gruppe schrieb: »Für mich fühlt [beschäftigt zu sein] sich an, als wäre ich eine Murmel im Flipper – im Gegensatz zum Abfahren einer Route von Punkt A zu Punkt B auf einer Landkarte. Im Letzteren liegt ein Sinn, statt einfach nur wahllos hin und her zu kugeln.«
Wahllos hin und her kugeln. Welch großartiger Vergleich, um zu beschreiben, wie sich das Leben anfühlt, wenn wir immer extrem beschäftigt sind, wenn wir wie im Hamsterrad herumrennen und versuchen, alles im Griff zu haben und doch nichts erreichen! Am Ende des Tages sind wir frustriert und müde, haben die Mittagspause durchgearbeitet, waren beim Autofahren im Multitasking-Modus und haben selbst zwischen den Gute-Nacht-Geschichten unserer Kinder noch ein paar E-Mails eingeschoben.
Wenn wir versuchen, zu viel zu erledigen, überfrachten wir unseren Teller mit einer Vielzahl kleiner Aufgaben und Erledigungen. Wir haken hunderte Dinge auf unseren To-do-Listen ab, doch wenn wir abends ins Bett fallen und der Kopf auf das Kissen sinkt, denken wir: Warum habe ich denn nicht mehr geschafft?
Wir fühlen uns unbefriedigt, erfolglos und unglücklich, obwohl wir den ganzen Tag beschäftigt waren.
Wir müssen aufhören, es zu glorifizieren, dass wir »viel zu tun« haben. Wir müssen neu definieren, was Produktivität bedeutet - und im Unterschied dazu, extrem beschäftigt zu sein. Und wir müssen unsere Einstellung ändern. Unter Produktivität versteht man nicht, mehr zu tun, sondern Wichtiges zu tun. Wir sollten aufhören, immer mehr schaffen zu wollen, und stattdessen den Fokus auf unsere Prioritäten richten. Wenn uns das gelingt, kann unsere Vision eines idealen Lebens Wirklichkeit und Alltag werden.
Doch hier kommt der Haken: Es gibt keinen magischen Schalter, den man einfach »anknipsen« kann. Vielleicht hast du in der Vergangenheit schon Produktivitätsmethoden ausprobiert und sie haben nicht funktioniert. Das verstehe ich. Genauso habe ich mich an diesem Frühlingsmorgen auch gefühlt, als ich mich in meiner Küche um mich selbst drehte. Meine Bücherschränke quollen von Büchern wohlmeinender Experten über, die mir vermitteln wollten, dass ich smarter arbeiten müsse, nicht härter; die mir die neuesten Life Hacks verrieten und mir erklärten, dass ich meine Balance finden müsse. Doch ihre strengen Systeme funktionierten für mich nicht.
Vielleicht hat das mit der Produktivität deshalb für dich bisher auch nicht funktioniert – es ist ein Kampf, dein Leben in ein System zu quetschen, wo doch eigentlich das System zu deinem Leben passen müsste. Du kannst deine Produktivität so anpassen, dass dein Leben und deine Prioritäten im Mittelpunkt stehen.
Zusammen werden wir ein maßgeschneidertes Modell entwerfen, das für dich und dein Leben funktioniert. Man kann erfolgreich sein und sich dabei gleichzeitig auf seine Prioritäten konzentrieren – das möchte ich dir zeigen. Man muss nicht das eine für das andere opfern. Mir hat erst eine schwere Phase in meinem Leben die Augen geöffnet und gezeigt, wie sehr wir uns hinter unseren geschäftigen Tagen und langen To-do-Listen verstecken. Wir stecken zwar ab und an die Nase hervor und ahnen, dass ein erfüllteres Leben möglich sein könnte, doch wir fühlen uns nicht dazu berechtigt. Ich bin hier, um dir zu sagen, dass du dieses erfüllte Leben verdienst. Wir alle können außergewöhnliche Leben führen, ganz ohne den Druck, immer mehr tun zu müssen, und wir können besser leben, indem wir weniger tun.
Produktiv zu sein bedeutet nicht, MEHR zu tun, sondern das zu tun, was AM WICHTIGSTEN ist.
Für mich begann es damit, die Angst und Sorge loszulassen, dass ich nicht genug leistete – dass ich nicht gut genug wäre. Jetzt verbringe ich meine Tage nicht länger damit, viel zu viel tun zu haben, und ich drehe mich nicht länger frustriert und ausgelaugt im Kreis.
Für diese Kursänderung musste ich mir Zeit einräumen. Ich machte es mir zur Priorität, mehr Zeit mit den wichtigen Menschen in meinem Leben zu verbringen und meine Zeitblöcke so einzuteilen, dass diese Zeitfenster ein Kernstück jedes Tages wurden. Ich entwickelte ein System der Produktivität, das es mir erlaubte, größere Zeitfenster für konzentrierte Arbeit und für mein Privatleben zu schaffen. Damit bin ich viel glücklicher.
Wir werden zusammen einen Plan entwickeln, bei dem wir die vier Schritte der liveWELL-Methode einsetzen – dem Verfahren, das ich entwickelt habe und das es mir ermöglicht hat, meine Zeit zurückzuerobern und ein Leben zu leben, das ich liebe. Diese Methode hat schon vielen anderen Frauen dabei geholfen, ein glückliches, produktives Leben zu führen. Frauen*, die sich einst überfordert gefühlt haben und jetzt Sätze wie diese sagen:
»Ich habe mich selbst wiedergefunden – das Selbst, das ich mal war, bevor die Kinder kamen – jenes Selbst, das Träume für die Zukunft hatte.«
»Ich schaffe es tatsächlich, Aufgaben vor der Deadline abzuschließen, und mein Selbstbewusstsein ist gewachsen.«
»Ich fühle mich nicht länger als Versagerin, wenn ich nicht alles schaffe.«
»Ich bin aus tiefstem Herzen überzeugt davon, dass ich wirklich gute Entscheidungen für mich selbst, meine Gesundheit und meine Familie treffe.«
Einige dieser Frauen wirst du auf den nächsten Seiten kennenlernen. Sie stecken in den unterschiedlichsten Lebensphasen – es sind junge Mütter, alleinstehende Berufstätige, bei manchen sind die Kinder schon ausgezogen – und du wirst sehen, wie sie ihr Leben verändert haben. Du wirst von ihren Anstrengungen, ihren Aha-Erlebnissen und ihren Erfolgen erfahren.
Die liveWELL-Methode beinhaltet eine Reihe von kleinen, aber weitreichenden Veränderungen: leicht zu managen, einfach anzuwenden und doch mit gigantischem Einfluss auf das tägliche Leben. In der einfachsten Form kann die liveWELL-Methode dir helfen, dein Leben rund um deine Prioritäten aufzubauen. Der vierstufige Prozess erlaubt es dir, das System und die Strategien an dein Leben anzupassen und so abzustimmen, dass sie für dich funktionieren.
Lass mich die einzelnen Schritte kurz skizzieren:
Entdeckungen: Weil du im Zentrum stehst – und nicht das System –, arbeiten wir gemeinsam zuerst daran, deine individuellen Ziele zu entdecken und die Prioritäten in deinem Leben zu identifizieren. Wir erschaffen einen Leitstern, der dir als persönliche Leitlinie für all deine Entscheidungen dienen kann und dabei hilft, dich auf das zu konzentrieren, was dir wichtig ist.Klarheit: Mit den Erkenntnissen aus dem ersten Schritt lernst du, solche Projekte und Aufgaben auszuwählen, die den stärksten Einfluss auf deine Ziele und Prioritäten haben werden. Wir schaffen wirksame Grenzen und erlernen eine einfache Struktur, die hilft zu klären, was wichtig ist und was nicht.Einfachheit: Selbst wenn wir ein Leben führen, das auf unseren Prioritäten basiert, gibt es doch immer noch all die nicht so glamourösen Aufgaben zu erledigen, vom Haushalt bis zu den Finanzen. Gemeinsam werden wir daran arbeiten, diese Systeme zu vereinfachen. Wir entwerfen ein individuelles Verfahren, das es dir erlaubt, sowohl dein Berufsleben als auch dein Privatleben mit weniger Anstrengungen zu führen.Harmonie: Nachdem wir nun deine Ziele entdeckt haben, geklärt haben, was dir wichtig ist, und eine solide Grundlage für vereinfachte Systeme geschaffen haben, damit die Dinge rund laufen, werden wir daran arbeiten, alles zusammenzuführen und Harmonie zu kreieren, sodass du beginnen kannst, genau jenes Leben zu führen, das du liebst.Jede Stufe in diesem Prozess baut auf den vorangegangenen auf und unterstützt dich in deinem produktiven Leben. Wenn du produktiv bist, erledigst du deine Prioritäten in den Kernzeiten jedes einzelnen Tages. Und wenn der Fokus auf deinen Prioritäten liegt, kannst du endlich deinen Freiraum genießen – und du kannst es dir erlauben, langsam zu machen und die Ruhe anzunehmen.
Falls das einschüchternd wirkt, kann ich dich beruhigen: Was in den folgenden Kapiteln erläutert wird, ist keine höhere Mathematik. Nichts davon ist kompliziert oder schwer zu verstehen. Es ist überraschend einfach. Und weißt du, warum? Es geht wirklich nur um die Wahl, die wir treffen, und die Einstellung, die wir uns zugelegt haben. Das Schwierigste daran ist die Entscheidung, es endlich anzupacken.
Dieses Leben, von dem du die ganze Zeit träumst, wohin du in deinen Tagträumen wanderst, wenn du mal einen Moment zum Durchatmen findest, vielleicht unter der Dusche oder in der Warteschlange für deinen morgendlichen Kaffee: Was fehlt in diesem Tagtraum? Das Stressgefühl, wenn man sich übernimmt? Ich wette, dass es das darin nicht gibt. Oder die Hektik und das dauernde Tempo? Verschwunden. Was ist mit der schweren Last der Verpflichtungen, die du alle aus Schuldgefühl übernommen hast? Es gibt sie dort nicht.
Das Glück liegt genau darin – in diesen fehlenden Elementen. Dort verbirgt sich die Freude und wartet nur darauf, von dir entdeckt zu werden. Los geht’s, hol sie dir! Lass uns gemeinsam daran arbeiten, dass das Leben deiner Träume Wirklichkeit wird.
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* Vielen Dank an euch, Melanie, Anna und Michele, dass ihr mir erlaubt habt, eure Erkenntnisse hier zu teilen.
Vielleicht hast du das Gefühl, dass du durch die Gegend irrst. Dass du dich in deiner Verunsicherung irgendwie verlaufen hast. Du erhoffst dir mehr vom Leben, aber du weißt nicht, wie dein idealer Tag wahr werden könnte, wie du ihn zum Alltag machen kannst. Das ist ein perfekter Ausgangspunkt!
Entdeckungen sind der erste Schritt der liveWELL-Methode, denn Produktivität sollte genau auf dich und das Leben deiner Träume zugeschnitten sein. Jeder von uns will mit etwas anderem glänzen, also müssen wir zuerst eine Antwort darauf finden, wer wir eigentlich sind.
In diesem Kapitel schürfen wir ein wenig tiefer, wer du bist und was deine einzigartigen Prioritäten sind. Wir werden einige der falschen Glaubenssätze aufdecken, die dich ausbremsen und von dem außergewöhnlichen Leben abhalten, das du verdienst. Wir werden Hand in Hand daran arbeiten, zu entdecken, wer du wirklich bist. Alles, was wir beim Entwurf dieses produktiven Lebens gemeinsam aufbauen, wird auf diesem Fundament ruhen – und du bist der Mittelpunkt.
Entwirf die höchste, größtmögliche Vision für dein Leben, denn du wirst, woran du glaubst.
Oprah Winfrey
»Und – was hast du heute so gemacht?« Die Frage kam ganz unschuldig daher, beim Abendessen. Ich lehnte mich gerade über den Tisch und war dabei, Jacks Hühnchen in kleine Stücke zu schneiden und spürte plötzlich das Messer über den Porzellanteller schaben wie eine Nadel über die Schallplatte.
Ich wusste, dass sich John wirklich dafür interessierte, wie ich meinen Tag verbracht hatte. Aber jeden Abend, wenn er mir diese Frage stellte, fühlte ich, wie meine Handflächen feucht wurden und sich mein Herzschlag ein klein wenig beschleunigte.
Ich hasste diese Frage. Ich hasste sie, weil ich mich durch sie klein fühlte. Ich hatte das Gefühl, ich müsste mich für die letzten zwölf Stunden meines Tages rechtfertigen – nicht vor ihm, sondern vor mir selbst. Ich hatte das Gefühl, ich müsste beweisen, dass ich meinen Tag damit verbracht hatte, die beste Arbeiterin, die beste Mutter, die beste Freundin, die beste Helferin, die beste … in allem zu sein.
Und trotzdem fühlte ich mich ungenügend. Nicht ganz am Ziel. Ich glaubte, dass ich nicht hart oder lang genug gearbeitet hatte. Ich hatte nicht genügend Dinge auf meiner ständig wachsenden To-do-Liste abgehakt, ich war nicht geduldig genug gewesen und ich hatte zu oft mit den Kindern geschimpft.
Es spielte keine Rolle, dass ich mir den ganzen Tag die Hacken abgelaufen hatte. Dass ich jede einzelne Minute geschuftet und die Aufgaben von 36 Stunden in einen 24-Stunden-Tag gepackt hatte. Ganz ehrlich, an den meisten Abenden wurde mein Hirn bei dieser Frage einfach komplett leer. Was hatte ich denn den ganzen Tag lang getan? Während ich hektisch mein Hirn durchforstete, übersah ich die unzähligen Rollen, die ich während des Tages ausgefüllt hatte: Mutter, Geschäftsführerin, Freundin, Lehrerin. Und die Liste ging weiter.
Wenn ich mal tief Luft geholt hätte, wäre mir eingefallen, dass ich eine gute Handvoll Kunden-E-Mails beantwortet hatte, mit den Kindern in der Bibliothek gewesen und mit ihnen auf dem Spielplatz herumgetobt war, dazwischen mehrere Ladungen Wäsche gewaschen und einen ordentlichen Fortschritt bei der Gestaltung meiner neuen Website gemacht hatte. Ich hätte mir selbst die Gnade gewährt zu sehen, was alle anderen sahen: eine Frau, die ihr Bestes gab.
Doch das konnte ich nicht sehen. Statt all meine Erfolge aufzuzählen, ratterte ich herunter, was ich alles nicht geschafft hatte. Ich hatte vergessen, Jack zum Kunstunterricht anzumelden; ich hatte es nicht auf die Post geschafft; der Eintrag auf meinem Blog war auch nicht fertig geworden, und …
»Wow!«, unterbrach mich John scherzhaft. »Hast du denn heute überhaupt irgendwas geschafft?«
Meiner Ansicht nach nicht. Heiße Tränen strömten mir übers Gesicht, weil ich keine einzige Sache erkennen konnte, die ich »richtig« gemacht hatte. Ständig nicht gut genug. Ich war gut darin, das Gute in anderen zu erkennen, aber meine eigenen Erfolge konnte ich nicht sehen.
Kennst du die Murmelglas-Methode? Das ist eine alte Lehrmethode. Ich habe sie selbst früher im Unterricht eingesetzt. Es ist ganz einfach: Jedes Mal, wenn einem Kind etwas gut gelingt, lässt man eine Murmel in ein Glas fallen. Wenn das Glas voll ist, bekommt die ganze Klasse eine Belohnung.
Aufregend ist jedoch nicht nur die Belohnung. Jede neue Murmel macht ein lautes und befriedigendes »Pling!«, wenn sie ins Glas fällt. Die Augen der Kinder werden groß und rund, solange man die Murmel in der Luft hält, und sie werden ganz still, um sie ins Glas klackern zu hören.
Als ich noch unterrichtete, war ich von der Macht des Murmelglases überzeugt, und zwar aus gutem Grund – es bestärkt gute Leistungen. Wir alle wollen, dass unsere Anstrengungen gewürdigt werden, richtig? Wir wollen Anerkennung für alles Gute, das wir getan haben. Deshalb glaube ich, dass wir alle ein unsichtbares Murmelglas mit uns herumtragen und darum betteln, dass es gefüllt wird.
Aufgestanden, Sport getrieben … Murmel ins Glas! Pausenbrote für die Kinder gemacht … Murmel ins Glas! – Moment, es waren gesunde Pausenbrote … also zwei Murmeln ins Glas! Und so sammeln wir im Laufe des Tages immer mehr Murmeln und – »Pling! Pling!« – unser Glas wird immer voller.
Nur wenn etwas nicht so läuft wie erhofft, gibt es ein Problem mit dem imaginären Murmelglas. Wenn wir etwas Wichtiges fürs Abendessen vergessen oder eine Deadline verpassen, sagen wir nicht einfach nur: »Ups! Dafür gibt es aber keine Murmel.« Wir fühlen uns so niedergeschlagen, dass wir komplett den Halt verlieren, uns das Glas aus der Hand rutscht und am Boden zerschellt. Überall liegen nun Murmeln und Glassplitter. Es spielt keine Rolle, dass das Glas fast voll war. Es spielt keine Rolle, was uns alles gut gelungen ist. Den. Ganzen. Tag. Lang.
Statt die wunderbaren Murmeln, die wir uns schon verdient hatten, wieder aufzusammeln, denken wir, dass wir losrennen müssen, um noch mehr Murmeln zu verdienen. Wir stopfen also unsere Terminkalender mit Aufgaben und Erledigungen voll und versuchen krampfhaft, unser neues Murmelglas zu füllen, das uns den ganzen Tag über wieder und wieder aus den Händen zu gleiten scheint.
Es gibt viel zu viele dieser Murmelglas-Momente in unserem Alltag, stimmt’s? Diese Momente, in denen unsere Murmeln überall verstreut sind, sodass wir sie nicht mehr zählen können. Das muss aufhören!
Doch viel zu viele von uns koppeln ihren Selbstwert an ihre Geschäftigkeit. Stress und Überforderung sind die Ehrenabzeichen für unseren Wert. Fälschlicherweise glauben wir, dass wir versagen, wenn wir nicht unglaublich viel zu tun haben. Im Versuch, die Balance zu finden, versuchen wir alles zu erledigen, aber je mehr wir tun, desto weniger gelingt uns.
Das Problem, das ich mit dem Konzept der Balance habe, ist die Idee, dass man alles schaffen kann – und das auch noch auf gute Art. Balance hört sich super an. Aber Balance ist nichts anderes als ein Buzzword der Produktivität. Ein leeres Versprechen, das uns in dem falschen Glauben lässt, uns könnte alles gleichermaßen gut gelingen.
Wenn das Leben perfekt ausbalanciert ist, bewegen wir uns kaum nach vorn; im Gegenteil, wir drehen uns um uns selbst wie ein Kreisel. Nur wenn wir die Balance außen vor lassen und selbst über die Richtung entscheiden, in die unser Leben gehen soll, können wir die Verantwortung für unser Schicksal übernehmen. Bewegung, ganz gleich in welche Richtung, erfordert Veränderung – und sie erfordert ein Gegengewicht.
Stell dir Balance wie Fahrradfahren vor. Ein Fahrrad kann in eine vorgegebene Richtung fahren. Es braucht etwas Gleichgewicht, um oben zu bleiben. Aber hast du schon einmal versucht, auf einem Fahrrad sitzen zu bleiben, das nicht fährt? Das ist fast unmöglich. Man muss sich ein bisschen nach vorn lehnen und etwas Fahrt aufnehmen, indem man in die Pedale tritt. Die Energie, die man dabei erzeugt, verhindert das Umkippen.
Auf dem Fahrrad können wir entscheiden, wo wir abbiegen, und einen Weg einschlagen, dem wir wirklich folgen wollen. Wir können nach rechts oder links abbiegen, indem wir unsere Balance verlagern – wir müssen also das perfekte Gleichgewicht etwas verschieben, um abbiegen zu können. Lehnen wir uns jedoch weiterhin kräftig nach einer Seite, werden wir umkippen. Wir müssen uns wieder gegenlehnen und unseren Schwerpunkt justieren, damit das Fahrrad aufrecht bleibt und wir auf dem neuen Weg vorankommen.
Du siehst also: Es werden keine Wunder vollbracht, wenn unser Leben zentriert und ausbalanciert ist – das passiert erst, wenn wir uns unseren Prioritäten zuwenden. Wenn wir uns auf das konzentrieren, was uns wirklich wichtig ist, werden wir die Balance verlieren. Lass uns diesen Gedanken gemeinsam weiterverfolgen und auf das wirkliche Leben übertragen. Auch wenn wir alle verschieden sind, so gibt es doch drei übereinstimmende »Boxen« in unserem Leben, die gefüllt werden müssen: unsere Arbeit, unser Zuhause und unser Privatleben.
Die Arbeit: Dieser Bereich ist das, was wir als unsere Aufgabe erachten. Ganz gleich, ob du dein eigenes Geschäft führst, für eine kleine Firma arbeitest oder in einem Großkonzern. Unsere Arbeit muss nicht an einen Verdienst gekoppelt sein – vielleicht bist du die Haushaltsmanagerin, weil du eine Vollzeitmutter oder noch in der Schulausbildung bist.Das Privatleben: Zu diesem Bereich zählen unsere Beziehungen und zwischenmenschlichen Interaktionen. Das schließt auch die Verbindungen ein, die wir zu unseren »besonderen« Menschen, unseren Familien, Freunden und der Welt um uns herum haben. Unsere Lebensziele, unsere Hobbys sowie unsere Gesundheit gehören ebenfalls in diese Box, denn sie sind Teil unserer Beziehung zu uns selbst.Das Zuhause: Zu diesem Bereich zählen all die Aufgaben und Projekte, die das Leben geschmeidig verlaufen lassen. Während es in unserem Privatleben um unsere emotionalen Bedürfnisse geht, werden zu Hause unsere Grundbedürfnisse erfüllt. In diese Box gehören also auch Hausarbeiten und Aufgaben wie Saubermachen, die Kinder zu ihren Aktivitäten bringen sowie auf die täglichen Vorkommnisse zu reagieren. Das Zuhause ist eine wichtige Box, weil es uns hilft, uns sicher und geschützt zu fühlen.Jeder dieser Bereiche ist wichtig, aber die Vorstellung von Balance legt nahe, dass sie alle gleich wichtig wären. Wir glauben, dass wir unsere Zeit, unsere Energie und unseren Fokus auf jeden Bereich gleichermaßen verteilen müssen. Ich verrate dir etwas: Es ist unmöglich, alle Boxen gleichmäßig zu füllen, sie alle permanent in Balance zu halten. Das ist einfach nicht zu schaffen.
Ein außergewöhnliches Leben für uns selbst zu entwerfen bedeutet, von der Balance abzurücken. Denn wenn wir uns einer Priorität zuwenden – also wenn wir den allerwichtigsten Dingen mehr Zeit widmen –, müssen wir diese Zeit bei etwas anderem abzwacken. Wir können nicht allen Aufgaben auf unserer To-do-Liste die gleiche Zeit einräumen.
Lass mich das genauer erklären. Wir alle haben drei Grundressourcen zur Verfügung, die wir mit der Welt teilen können: Zeit, Energie und Fokus. Jedes dieser Elemente ist aber ein Gut, das sich verbraucht; einmal investiert, ist es für immer weg. Man kann es nicht zurückholen. Diese drei sind bei Weitem die wichtigsten Ressourcen, die wir einsetzen können. Aber im Versuch, unsere Boxen einigermaßen gleichmäßig zu füllen, verteilen wir diese Ressourcen großflächig, und das weitgehend wirkungslos. Am Ende haben wir uns völlig aufgerieben und verausgabt.
Wenn wir dagegen diese drei Elemente verbinden, werden wir das genaue Gegenteil feststellen: Wir werden außergewöhnliche Ergebnisse erzielen. Das trifft für alle Lebensbereiche zu, einschließlich unserer Beziehungen, unserer Arbeit und, ja, auch unserer Produktivität. Wir müssen diese drei Ressourcen verbinden, um die größtmögliche Wirkung in unserem Alltag zu erzielen. In Teil 2 werden wir sie genauer beleuchten, aber es ist wichtig zu verstehen, welche Macht diese drei Elemente haben.
Wenn wir uns von der Idee einer ausgeglichenen Balance gefangen nehmen lassen, dann versuchen wir, alles gleich gut zu machen. Wir konzentrieren unsere Zeit, Energie und unseren Fokus nicht auf die Richtung, in die wir wirklich gehen wollen. Indem wir der Illusion der Balance nachjagen, erschaffen wir ein Leben, das sich geschäftig anfühlt – aber nicht bedeutsam ist. Wir müssen bereit sein, die Balance aufzugeben. Wir müssen bereit sein, nicht alles zu tun. Das ist die wahre Kunst.
Die Philosophie von der Balance ist nur eine der vielen Geschichten, die wir uns selbst gerne erzählen. Wir alle halten ganze Bibliotheken voller Ammenmärchen über uns parat, an die wir gerne glauben: Wir sollen uns auf eine bestimmte Art verhalten, einen bestimmten Job haben, ein bestimmtes Leben leben. Doch die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet: Sind diese Geschichten überhaupt wahr?
Über die Jahre hinweg sammeln wir Glaubenssätze und Geschichten über uns selbst und über das Leben. Diese Geschichten, die wir uns selbst wieder und wieder erzählen, gewinnen eine fast mythische Dimension und fühlen sich wie Wahrheiten an. Oftmals sind diese Geschichten von Wahrheiten anderer Menschen durchdrungen – ihren Vorstellungen und Meinungen, die wir zusammengetragen und übernommen haben.
Wir versuchen, den hohen Standards gerecht zu werden, die diese Geschichten uns abverlangen, selbst wenn sie noch nicht einmal realistisch sind. Diese Geschichten sind fast immer mit Absolutheitsanspruch geschrieben, mit Wörtern wie immer und niemals:
Eine gute Mutter würde niemals einen Babysitter engagieren, um mal Zeit für sich zu haben.
Ein guter Freund beantwortet eine Textnachricht immer innerhalb von zehn Minuten.
Ein guter Chef geht niemals vor anderen Teammitgliedern nach Hause.
Sind diese Aussagen überhaupt wahr? Sind sie fair? Wir stellen an uns selbst unrealistische Erwartungen und tatsächlich würden wir diese Messlatte bei niemand anderem anlegen. Diese Geschichten wirken ziemlich harmlos. Es sind ja auch nur Geschichten, oder? Doch machen wir uns nichts vor – diese Geschichten verwandeln sich in einschränkende Glaubenssätze, die uns zurückhalten. Sie verlangen von uns, unsere Zeit mit Dingen zu verbringen, die gar nicht zu dem Leben passen, das wir uns wünschen. Wir folgen ihren strengen Regeln, weil wir glauben, wir müssten das. Wir glauben, es wird von uns erwartet, dass wir uns in einer bestimmten Art und Weise verhalten – also tun wir es.
Eine der Geschichten, die ich mir selbst jahrelang einredete, war, dass eine gute Mutter zu Hause bleibt. Sie hat Kekse gebacken, bis ihre Kinder von der Schule nach Hause kommen, und hilft fast täglich ehrenamtlich in der Schule mit. So hatte das schon meine Mutter gemacht, also hatte ich diese Ansprüche auch an mich.
Aber diese Regeln funktionierten für mich nicht, sodass ich mich schuldig fühlte, weil ich glaubte, dass mich diese Dinge erfüllen sollten – aber sie taten es nicht. Ich arbeite wirklich gern, und mein Arbeitspensum machte es schwer, diese strengen Anforderungen, die ich mir selbst auferlegt hatte, zu erfüllen. Ich konnte die Schuldgefühle, keine gute Mutter zu sein, nicht loslassen. Es fraß mich auf und nagte an meinem Glück. Ich musste meine Denkweise ändern; ich musste meine Definition von »guter Mutter« und was das für mich bedeutete, überdenken.
Ich bleibe nicht zu Hause, aber ich versuche bewusst, am Nachmittag daheim zu sein, um bei den Hausaufgaben zu helfen. Ich bin zwar keine hauptverantwortliche Ehrenamtliche, wie meine Mutter es war, aber ich bin eine unterstützende Helferin.
Ich brachte die Stimmen in meinem Kopf zum Schweigen und passte meine Erwartungen so an, dass sie für mein Leben realistisch wurden. Ich würde nicht sagen, dass ich die Schuldgefühle komplett losgeworden bin, doch es geht mir schon viel besser, weil ich meine Denkweise verändert habe. Ich tue, was ich kann, und meine Geschichte geht nun so: Eine gute Mutter liebt ihre Kinder, so gut sie kann.
Was zeichnet deiner Meinung nach einen guten Menschen aus? Etwa, dass ein guter Mensch immer anderen den Vorrang gibt, auch wenn das heißt, dass er seine Ziele aus den Augen verliert? Dass ein guter Mensch niemals Hilfe annimmt? Oder dass ein guter Mensch sich niemals Zeit für sich selbst nimmt?
Füll doch bitte mal diese Leerstellen aus. Denk nicht lange darüber nach. Was schießt dir als Erstes durch den Kopf?
Ein guter Mensch________immer________.
Und dann frag dich: Ist diese Aussage wirklich wahr? Oder setzt du dir so strenge Maßstäbe, dass du sie niemals erfüllen kannst? Wir müssen die einschränkenden Denkmuster erkennen.
Warum haben wir diese einschränkenden Denkmuster und wo liegt ihr Ursprung? Es scheint in unseren Leben einen Punkt zu geben, an dem wir von zuversichtlich zu zweiflerisch kippen, von bestimmt und sicher zu zögerlich und unsicher. Für viele von uns gibt es eine kleine Markierung auf der Landkarte unseres Lebens, irgendwo zwischen Grundschule und weiterführender Schule, an der wir das Selbstvertrauen in die Person, die wir sind, verloren haben.
Frag irgendein Kindergartenkind, was es wirklich gut kann, und du bekommst eine sehr lange Liste an Themen: Kunst, Rennen, Malen, auf Bäume klettern, Chips essen - ehrlich, Fünfjährige glauben, dass sie in allem toll sind! Aber dann warte zehn Jahre und frag dasselbe Kind noch mal - und du wirst gar nichts mehr zu hören bekommen. Im besten Fall fallen ihm ein, zwei Sachen ein, in denen es sich überragend findet. Was ist in diesem Zeitraum passiert? Wie verlieren wir den Glauben an uns selbst? Indem wir der Welt erlauben, uns zu definieren und diese einschränkenden Glaubenssätze zu verstärken. Doch jetzt ist es an der Zeit, das zu durchbrechen.
Wir alle haben schon Erzählungen gehört, in denen jemand plötzlich übermenschliche Kräfte entwickelte, um ein Auto anzuheben, unter dem ein Kind lag, oder um nach einem Erdbeben riesige Betonbrocken beiseitezuschieben. Vielleicht erleben nicht alle von uns einen solchen Adrenalin-Kick, aber wir alle besitzen die übermenschliche Fähigkeit, uns zu wandeln. Manchmal ist es nur der einschränkende Glaubenssatz, dass man etwas einfach nicht schaffen kann, der uns begrenzt.
Anfang Oktober 2009 kletterte der 87-jährige Warren auf das Dach seines Hauses, um schnell eine Reparatur auszuführen. Eine Woche später wurde bei ihm Krebs im Endstadium diagnostiziert, sodass seine Familie rund um Thanksgiving die traurige Aufgabe hatte, seine Beerdigung zu planen. Seine Witwe, Gwen, war plötzlich auf sich allein gestellt.
Gwen hatte nie allein gelebt - im Alter von 18 Jahren war sie aus dem Haus ihrer Eltern sofort ins Haus ihres frischgebackenen Ehemanns gezogen, als dieser aus dem Krieg zurückkehrte. Sie hatte nie die Stromrechnung bezahlen müssen oder ihre Kreditkarte benutzt, und während ihrer acht Jahrzehnte war sie auch nie selbst tanken gewesen. Nach Warrens Tod war ihre Familie besorgt, wie sie das schaffen würde. Ihre Familie zerbrach sich den Kopf darüber, wie sie zurechtkommen würde, wo sie doch niemals etwas allein gemacht hatte. Doch Gwen überraschte sie alle.
Als nach der Beerdigung das Gespräch auf ihren Umzug kam, stellte sie sich quer und beharrte darauf, dass sie alleine in dem Zuhause wohnen bliebe, das sie sich mit Warren aufgebaut hatte. Und das tat sie auch. Sie nahm einige Anpassungen vor und schuf sich ein komplett neues, unabhängiges Leben.
Sie überlebte nicht nur, sie blühte regelrecht auf. Warum? Weil sie selbst mit 83 Jahren bereit war einzusehen, dass sie auch andere Rollen im Leben hatte. Sie war nicht nur eine Witwe - sie war auch eine Mutter, eine Großmutter, eine Kuchenbäckerin und eine Freundin. Sie übernahm eine neue Rolle als Mutmacherin für andere Ältere. Sie ging regelmäßig ins Altersheim, wo sie eine Gruppe, die sie liebevoll ihre »alten Damen« nannte, besuchte. Und jetzt nimmt Gwen die 100 ins Visier, denn sie hat, nach ihren eigenen Worten, viel, wofür es sich zu leben lohnt. Ich weiß das, weil Gwen zufällig meine Großmutter ist.
Es wäre eine Untertreibung zu behaupten, dass wir geschockt waren, als sie verkündete, dass sie allein zurechtkommen würde. Doch sie trug eine Stärke in sich, von der niemand etwas wusste. Selbst sie wusste nicht, dass sie diese Kraft hatte. Sie ließ sich nicht dadurch definieren, dass sie 83 Jahre lang von jemand anderem abhängig gewesen war. Manchmal müssen wir von unseren alten Glaubenssätzen Abschied nehmen.
Durch meine Vorträge und Workshops habe ich tausende Menschen getroffen und viele haben mir erzählt, dass sie sich mit einer bestimmten Rolle ganz besonders identifizieren. Für Frauen in einem gewissen Alter ist das oft die Mutterrolle, aber es könnte auch die der »Karrierefrau« oder der »Fürsorgerin« sein. Sie haben das Gefühl, diese eine Rolle bestimme alles, was sie sind. Das lässt fast keinen Freiraum für etwas anderes – jedenfalls nicht für andere Prioritäten oder Träume außerhalb dieses engen Rahmens.
Ich höre Geschichten wie diese:
Ich kann entweder Mutter sein ODER meinen Traum vom eigenen Geschäft verwirklichen.
Ich kann entweder eine Karrierefrau sein ODER ein zupackender Elternteil.
Ich kann mich entweder um meine betagten Eltern kümmern ODER meine Künstlerkarriere vorantreiben.
Sie machen sich mit diesen Einschätzungen etwas vor und ziehen daraus den Schluss, dass das Leben eine Entweder-oder-Situation sei.
Donna*, eine Teilnehmerin in einem meiner liveWELL-Kurse, erzählte, dass sie nicht sicher sei, in welche Richtung ihr Leben laufe. Sie fühlte sich – ihren eigenen Worten zufolge – »ziemlich festgefahren«. Über ein Jahrzehnt hatte sie ihre inzwischen erwachsenen Kinder selbst unterrichtet, danach ihren Vater bis zu seinem Tod versorgt und gepflegt, und kurz darauf hatte sie die Verwaltung der Immobilie eines Verwandten übernommen, um die Familie zu entlasten. Sie hatte jahrelang die Rolle der Fürsorgerin eingenommen und immer gern und voller Liebe gegeben. Doch jetzt war sie plötzlich an einem Punkt, an dem es niemanden mehr gab, der ihre Rolle bestimmte – und das fühlte sich beängstigend an.