The Mistake – Niemand ist perfekt - Elle Kennedy - E-Book
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The Mistake – Niemand ist perfekt E-Book

Elle Kennedy

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Beschreibung

Wenn aus einem kleinen Fehler die große Liebe wird ... College-Eishockeystar Logan ahnt nicht, dass er die richtige Frau am falschen Ort trifft, als er sich eines Nachts nach einer Feier im Zimmer irrt und in das Bett von Grace stolpert. Er hinterlässt einen miserablen ersten Eindruck und verscherzt es sich mit der zurückhaltenden Studentin. Trotzdem geht ihm dieses hübsche, scharfzüngige Mauerblümchen nicht mehr aus dem Kopf. Irgendwie muss er es schaffen, dass sie ihm eine zweite Chance gibt. Schade nur, dass Grace nicht vorhat, ihm zu verzeihen – wobei es ihr durchaus Spaß macht, diesem selbstverliebten Player dabei zuzusehen, wie er es immer wieder bei ihr versucht. »Mehr Eishockey-Hotness von Elle Kennedy? Yes, please! ›The Mistake‹ ist ein witziger Feel-Good-Pageturner zum Verlieben, der Fans dazu bringen wird, ihre Herzen auf die Eisfläche zu werfen.« Sarina Bowen, Autorin der »Ivy Years«-Reihe »›The Mistake‹ hat alles: Freundschaft, Liebe, Humor und jede Menge Leidenschaft.« Totally Booked Blog »Off-Campus«-Reihe, Band 2

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Ein »Off-Campus«-Roman

Übersetzung aus dem Amerikanischen von Christina Kagerer

ISBN 978-3-492-97563-6 Dezember 2016 © Elle Kennedy 2015 Titel der amerikanischen Originalausgabe: »The Mistake: An Off-Campus Novel«, CreateSpace Independent Publishing Platform 2015 © der deutschsprachigen Ausgabe: Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2016 Covergestaltung: Zero Werbeagentur, München Covermotiv: FinePic®, München Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck   Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt.Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.  

Die Freundin seines besten Freundes zu begehren ist wirklich das Allerletzte.

Erstens ist da dieses unangenehme Gefühl. Was sage ich? Unangenehm ist gar kein Ausdruck! Ich kann nicht für alle Männer sprechen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass kein Mann gern aus seinem Schlafzimmer kommt und der Frau seiner Träume über den Weg läuft, die die Nacht in den Armen seines besten Freundes verbracht hat.

Zweitens ist da die Sache mit der Selbstverachtung. Denn wer würde sich nicht selbst verachten, wenn er die große Liebe seines besten Freundes begehrt?

Im Moment überwiegt jedoch das unangenehme Gefühl. Ich wohne in einem Haus mit sehr dünnen Wänden, was bedeutet, dass ich jedes Stöhnen hören kann, das aus Hannahs Mund kommt. Jedes Seufzen und Wimmern. Ich höre jedes Mal, wenn das Bett an die Wand stößt, während ein anderer es mit dem Mädchen treibt, das ich nicht aus meinem Kopf kriege.

Das macht richtig Spaß.

Ich liege mit dem Rücken auf dem Bett und starre an die Decke. Ich mache mir nicht einmal mehr die Mühe, die Songs auf meinem iPod durchzuscrollen. Ich habe mir zwar die Ohrstöpsel in die Ohren gesteckt, um die Geräusche zu übertönen, die Garrett und Hannah im Nebenzimmer machen, aber ich habe noch nicht auf Play gedrückt. Wahrscheinlich will ich mich heute Abend selbst quälen.

Ich bin kein Idiot. Ich weiß, dass sie Garrett liebt. Ich sehe es an der Art, wie sie ihn anschaut, und ich sehe es daran, wie sie sich zusammen verhalten. Jetzt ist April, sie sind seit sechs Monaten ein Paar, und nicht einmal ich kann leugnen, dass sie perfekt zusammenpassen.

Garrett verdient es wirklich, glücklich zu sein. Er tut zwar so, als wäre er ein eingebildeter Mistkerl, aber in Wahrheit ist er der beste Mittelstürmer, mit dem ich je zusammengespielt habe, und der beste Mensch, den ich kenne. Und wenn ich nicht durch und durch hetero wäre, würde ich Garrett Graham nicht nur vögeln, ich würde ihn verdammt noch mal heiraten.

Das macht die Sache noch schlimmer. Ich kann den Kerl nicht einmal hassen, der mit dem Mädchen zusammen ist, das ich gerne hätte. Ich hege keinerlei Rachegelüste, da ich Garrett nicht einmal ansatzweise hasse.

Ich höre, wie sich eine Tür öffnet, und Schritte auf dem Gang. Ich bete zu Gott, dass keiner von den beiden an meine Tür klopft – geschweige denn den Mund öffnet. Denn jetzt ihre Stimmen zu hören, würde mich nur noch mehr runterziehen.

Zum Glück kommt das laute Klopfen an meiner Zimmertür von meinem anderen Mitbewohner Dean, der, ohne auf eine Antwort zu warten, in mein Zimmer stürmt. »Heute Abend ist Party im Omega-Phi-Haus. Bist du dabei?«

Ich springe von meinem Bett auf. Eine Party ist genau das, was ich jetzt brauche. Wenn ich mich betrinke, kann ich Hannah mit Sicherheit aus meinen Gedanken verbannen. Oder noch besser, ich will mich betrinken und mit einem anderen Mädchen vögeln, bis ich nicht mehr an Hannah denken muss. Eins von beidem wird funktionieren, um mir die Gedanken an Hannah aus dem Kopf zu schlagen.

»Unbedingt!«, antworte ich und mache mich auf die Suche nach einem T-Shirt.

Ich ziehe mir ein frisches an und ignoriere den Schmerz in meinem linken Arm. Er kommt von dem Bodycheck, den ich mir letzte Wochen beim Finale zugezogen habe. Aber er war es wert – unser Eishockeyteam hat sich erneut die Meisterschaft gesichert. Man könnte es den ultimativen Hattrick nennen, und alle Spieler, mich eingeschlossen, schwelgen immer noch im Ruhm, dreimal in Folge die nationale Meisterschaft gewonnen zu haben.

Dean, einer unserer Verteidiger, hat es mal als die drei Ps des Ruhms bezeichnet: Partys, Preise und Pussys. Und das beschreibt die Situation ziemlich gut, denn seit unserem großen Sieg bekomme ich von allem mehr als genug.

»Fährst du?«, frage ich, während ich mir eine schwarze Kapuzenjacke überziehe.

Mein Kumpel schnaubt. »Hast du mich das wirklich gerade gefragt?«

Ich verdrehe die Augen. »Stimmt. Wie konnte ich nur?«

Das letzte Mal, als Dean Heyward-Di Laurentis auf einer Party nüchtern war, war … nie. Jedes Mal, wenn er das Haus verlässt, trinkt der Kerl wie ein indischer Wasserbüffel oder dröhnt sich anderweitig zu. Und wer denkt, das würde seine Leistung auf dem Eis in irgendeiner Art und Weise beeinträchtigen, der liegt falsch. Er ist einer der seltenen Menschen, die Party machen können wie Robert Downey Jr. in jungen Jahren und trotzdem so erfolgreich sind und so verehrt werden wie Robert Downey Jr. heute.

»Keine Sorge, Tucker fährt«, sagt Dean. »Das Weichei ist immer noch verkatert von letzter Nacht. Er hat gesagt, er braucht eine Pause.«

Das kann ich meinem Mitbewohner Tucker nicht wirklich verübeln. Das Training für die Nachsaison fängt erst in ein paar Wochen wieder an, und wir alle genießen unsere freie Zeit gerade in vollen Zügen. Aber so ist das eben nach so einem Titel. Letztes Jahr war ich anschließend zwei Wochen lang betrunken.

Ich freue mich nicht wirklich auf die Nachsaison. Die Kraft, die Kondition und die ganze Arbeit, die es braucht, um in Form zu bleiben, sind hart, aber es ist noch anstrengender, wenn man nebenher zehn Stunden am Tag arbeiten muss. Aber ich habe keine andere Wahl. Das Training ist wichtig für die kommende Saison, und die Arbeit … Nun ja, ich habe meinem Bruder ein Versprechen gegeben, und egal wie krank es mich macht, ich kann mein Wort nicht brechen. Mein Bruder würde mir das Fell über die Ohren ziehen, wenn ich mein Versprechen nicht halte.

Unser selbst ernannter Fahrer wartet unten im Flur auf Dean und mich. Ein rotbrauner Bart verdeckt Tuckers Gesicht und verleiht ihm das Aussehen eines Werwolfs. Aber seit ein Mädchen letzte Woche auf einer Party zu ihm gesagt hat, er hätte ein Babyface, ist er wild entschlossen, diesen neuen Look auszuprobieren.

»Du weißt schon, dass dich dieser Yetibart nicht männlicher aussehen lässt, oder?«, sagt Dean belustigt, während wir nach draußen gehen.

Tucker zuckt mit den Schultern. »Ich wollte eigentlich nur wilder aussehen.«

Ich muss kichern. »Das hat leider nicht geklappt, Babyface. Du siehst aus wie ein durchgeknallter Wissenschaftler.«

Er zeigt mir den Mittelfinger und geht zur Fahrerseite meines Pick-ups. Ich setze mich auf den Beifahrersitz, und Dean klettert auf die Ladefläche, weil er frische Luft braucht, wie er sagt. Ich denke, er will nur, dass der Wind seine Haare zerzaust, weil alle Mädchen auf diese sexy Frisur stehen. Nur zur Info – Dean ist unglaublich eitel. Aber er sieht auch aus wie ein Model, also hat er wahrscheinlich das Recht dazu.

Tucker startet den Motor, und ich klopfe ungeduldig mit den Fingern auf meine Oberschenkel. Viele Verbindungsstudenten gehen mir mit ihrer elitären Einstellung wahnsinnig auf die Nerven, aber darüber sehe ich heute großzügig hinweg. Denn wenn Partys feiern eine olympische Disziplin wäre, würde jeder Verbindungsbruder und jede Verbindungsschwester der Briar University eine Goldmedaille bekommen.

Während Tucker den Wagen aus der Einfahrt lenkt, fällt mein Blick auf Garretts glänzenden schwarzen Jeep, der auf dem Parkplatz steht, während sein Besitzer die Nacht mit dem coolsten Mädchen der Welt verbringt und …

Und Schluss. Diese Besessenheit von Hannah Wells bringt mich langsam wirklich um den Verstand.

Ich brauche Sex. Sofort.

Tucker ist auffallend still während der Fahrt zum Omega-Phi-Haus. Vielleicht blickt er sogar finster drein, aber das ist bei diesem Bart schwer zu sagen.

»Warum so schweigsam?«, frage ich.

Tucker wirft mir einen finsteren Blick zu, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße richtet.

»Ach, komm schon. Ist es, weil wir dich vorhin wegen dem Bart aufgezogen haben?« Leichte Verärgerung macht sich in mir breit. »Das lernt man doch im ersten Kapitel von Bärte für Dummies, Kumpel. Wenn du dir einen Vollbart wachsen lässt, werden dich deine Freunde deshalb aufziehen. Ende vom Lied.«

»Es geht nicht um den Bart«, murmelt er.

Ich runzle die Stirn. »Aha. Aber irgendetwas stinkt dir. Was ist los mit dir?«

Er blickt mich verärgert an. »Mit mir? Nichts. Was ist los mit dir? Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Du musst endlich mit dieser Scheiße aufhören, Mann.«

Jetzt bin ich ehrlich verwirrt. Alles, was ich in den letzten zehn Minuten getan habe, war doch, mich auf die Party zu freuen.

Tucker bemerkt die Verwirrung in meinem Blick. »Ich meine die Sache mit Hannah.«

Obwohl sich meine Schultern verspannen, versuche ich, einen gleichgültigen Ausdruck zu bewahren. »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«

Ja, ich habe beschlossen, zu lügen. Aber das ist nichts Neues für mich. Manchmal habe ich das Gefühl, als würde ich nichts anderes machen, seit ich auf Briar bin.

Natürlich werde ich Profispieler in der National Hockey League!

Ich verbringe meine Sommerferien total gern damit, in der Autowerkstatt meines Vaters zu jobben. Das ist leicht verdientes Geld!

Ich steh doch nicht auf Hannah. Sie ist die Freundin meines besten Freundes!

Lügen, Lügen und noch mehr Lügen. Denn in jedem dieser Fälle wäre die Wahrheit ein absoluter Knaller, und ich will auf keinen Fall, dass meine Freunde und Mannschaftskollegen Mitleid mit mir haben.

»Heb dir diesen Blödsinn für Garrett auf«, erwidert Tucker. »Du hast Glück, dass er momentan von seinem Liebesrausch so abgelenkt wird. Denn sonst würde er bestimmt bemerken, wie du dich benimmst.«

»Ach ja, wie benehme ich mich denn?« Ich kann mir den schroffen Tonfall nicht verkneifen. Es gefällt mir nicht, dass Tucker weiß, was ich für Hannah empfinde. Und es gefällt mir noch viel weniger, dass er das Thema jetzt nach all den Monaten zur Sprache bringt. Warum kann er es nicht auf sich beruhen lassen? Die Situation ist schon beschissen genug, auch wenn mich keiner darauf anspricht.

»Im Ernst? Willst du, dass ich dir alles aufzähle? Du verlässt das Zimmer, sobald die beiden es betreten. Du verkriechst dich in deinem Schlafzimmer, wenn sie bei ihm übernachtet. Und wenn ihr im gleichen Zimmer seid, dann starrst du sie an, sowie du dich unbeobachtet fühlst …«

»Okay«, unterbreche ich ihn. »Ich hab’s verstanden.«

»Ganz zu schweigen von deinem Rumvögeln«, brummt Tucker. »Du warst schon immer ein Aufreißer, Kumpel. Aber du hast in dieser Woche schon mit fünf Mädchen rumgemacht.«

»Und?«

»Und es ist erst Donnerstag. Fünf Mädchen in vier Tagen. Rechne mal nach, John.«

O Scheiße. Er hat mich beim Vornamen genannt. Tucker nennt mich nur John, wenn er wirklich wütend auf mich ist.

Aber jetzt bin ich auch wütend auf ihn, also nenne ich ihn ebenfalls beim Vornamen. »Was ist so schlimm daran, John?«

Ja, wir heißen beide John. Wahrscheinlich sollten wir einen Blutschwur leisten und einen Klub gründen oder so.

»Ich bin einundzwanzig Jahre alt«, fahre ich gereizt fort. »Ich darf mit Mädchen rummachen. Nein, ich sollte es sogar tun, denn darum geht es doch während des Studiums. Spaß haben, mit Mädchen rummachen und die Zeit genießen, bevor der Ernst des Lebens beginnt.«

»Du willst mir wirklich erzählen, dass diese ganzen One-Night-Stands einfach nur Erfahrungen sind, die du während deiner Studienzeit machen musst?« Tucker schüttelt den Kopf, seufzt und fährt dann mit sanfterer Stimme fort. »Du kannst sie dir nicht aus dem Kopf vögeln, Mann. Du könntest heute Nacht mit hundert Frauen schlafen, und es würde keinen Unterschied machen. Du musst akzeptieren, dass zwischen dir und Hannah nichts passieren wird.«

Er hat vollkommen recht. Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich mich in meinem Elend suhle und zur Ablenkung mit jedem Mädchen schlafe, das mir über den Weg läuft.

Und ich bin mir auch bewusst, dass ich aufhören muss, bis zur Besinnungslosigkeit Party zu machen. Und dass ich diesen winzigen Hoffnungsschimmer loslassen muss, der mir weismachen will, dass mit Hannah doch noch mal etwas passieren könnte. Denn das wird nicht der Fall sein.

Vielleicht fange ich morgen damit an.

Heute Abend bleibe ich bei meinem ursprünglichen Plan. Ich werde mich betrinken, ich werde Sex haben, und zum Teufel mit dem Rest.

Ich habe mein erstes Jahr an der Uni als Jungfrau begonnen.

Und allmählich denke ich, dass ich es auch als Jungfrau beenden werde.

Nicht dass etwas Schlechtes daran wäre, Mitglied im Klub der Jungfrauen zu sein. Mit knapp neunzehn bin ich ja noch keine alte Jungfer und werde sicher nicht auf offener Straße geteert und gefedert, weil ich noch ein intaktes Jungfernhäutchen habe.

Und ich hätte dieses Jahr durchaus Möglichkeiten gehabt, meine Jungfräulichkeit zu verlieren. Seit ich auf der Briar University bin, hat mich meine beste Freundin zu mehr Partys geschleppt, als ich zählen kann. Und es haben auch Jungs mit mir geflirtet. Ein paar von ihnen haben probiert, mich zu verführen. Einer hat mir sogar ein Bild von seinem Penis geschickt und daruntergeschrieben: »Er gehört dir, Baby.« Das war total ekelhaft. Aber ich bin mir sicher, wenn ich ihn wirklich gemocht hätte, wäre ich von dieser Geste … ähm … geschmeichelt gewesen? Ein bisschen wenigstens?

Aber ich habe mich zu keinem dieser Kerle hingezogen gefühlt. Und blöderweise schenken mir die Jungs, zu denen ich mich hingezogen fühle, keine Beachtung.

Bis zum heutigen Abend.

Als Ramona mir verkündet hat, dass wir zu einer Verbindungsparty gehen, habe ich mir keine großen Hoffnungen gemacht, jemanden kennenzulernen. Jedes Mal, wenn wir auf eine solche Party gehen, kommt es mir so vor, als würden die Verbindungsbrüder mir und Ramona nur Honig um den Mund schmieren, damit sie mit uns rummachen können. Aber heute Abend bin ich sogar einem Typen begegnet, den ich ziemlich nett finde.

Er heißt Matt, sieht wirklich gut aus und gibt keine dämlichen Kommentare von sich. Und er ist nicht nur annähernd nüchtern, er spricht auch in ganzen Sätzen. Bisher habe ich noch nicht viel gesagt, aber es genügt mir voll und ganz, auf dieser Party herumzustehen und ihm zuzuhören. Das verschafft mir Zeit, seine markanten Gesichtszüge und die umwerfende Art zu bewundern, wie sich sein blondes Haar hinter seinem Ohr wellt.

Um ehrlich zu sein, ist es wohl auch besser, wenn ich nichts sage. Gut aussehende Typen machen mich nervös. Mein Gehirn schaltet sich dann ab, und ich bringe keinen vernünftigen Satz mehr zustande. In solchen Fällen erzähle ich plötzlich, wie ich mir in der dritten Klasse bei einem Ausflug zur Ahornsirupfabrik in die Hose gemacht habe, oder dass ich Angst vor Marionetten habe und eine leichte Zwangsneurose, die mich dazu bringen könnte, das Zimmer des Typen aufzuräumen, sobald er mir den Rücken zudreht.

Es ist also wirklich besser, wenn ich einfach nur lächle und nicke und ab und zu ein »Ach wirklich?« einwerfe, damit er sieht, dass ich nicht stumm bin. Aber manchmal ist das nicht machbar, vor allem dann nicht, wenn der gut aussehende Typ mich etwas fragt, worauf er tatsächlich eine Antwort erwartet.

»Wollen wir nach draußen gehen und das hier rauchen?« Matt zieht einen Joint aus der Jackentasche und hält ihn mir vor die Nase. »Ich würde ihn ja hier anzünden, aber dann würde man mich wohl postwendend aus der Verbindung werfen.«

Ich trete unbeholfen von einem Fuß auf den anderen. »Äh … nein danke.«

»Rauchst du kein Gras?«

»Nein. Das heißt, ich hab es schon mal gemacht, aber nicht oft. Ich bin dann immer so … durchgeknallt.«

Er grinst, und zwei absolut umwerfende Grübchen erscheinen auf seinem Gesicht. »Das ist der Sinn von Gras.«

»Ja, du hast recht. Aber es macht mich auch müde. Und jedes Mal, wenn ich etwas rauche, endet es damit, dass ich an die PowerPoint-Präsentation denke, die mir mein Vater aufgezwungen hat, als ich dreizehn war. Sie listet alle Statistiken über die Auswirkungen von Haschisch auf die Gehirnzellen auf und verdeutlicht, dass Marihuana entgegen dem allgemeinen Glauben sehr wohl abhängig macht. Und nach jeder Folie hat mein Vater mich angesehen und gesagt: Willst du deine Gehirnzellen verlieren, Grace? Willst du das wirklich?«

Matt starrt mich an, und eine Stimme tief in mir ruft: Stopp!Aber es ist zu spät. Mein innerer Filter hat mich wieder einmal im Stich gelassen, und die Worte sprudeln nur so aus mir heraus.

»Aber das alles ist längst nicht so schlimm wie das, was meine Mutter getan hat. Sie will immer der coolere Elternteil sein, und als ich fünfzehn war, ist sie mit mir auf einen Parkplatz gefahren, hat einen Joint aus der Tasche gezogen und verkündet, dass wir den jetzt zusammen rauchen werden. Es war wie eine Szene aus The Wire – wobei ich The Wire nie gesehen habe. Da geht es doch um Drogen, oder? Egal, ich saß also im Auto und bin in Panik geraten, weil ich überzeugt davon war, dass wir verhaftet werden würden. In der Zwischenzeit hat mich meine Mutter immer wieder gefragt, wie es mir geht und ob ich ›es genieße‹.«

Wie durch ein Wunder hören meine Lippen endlich auf, sich zu bewegen.

Aber Matts Blick ist schon längst abgeschweift.

»Ähm … ja.« Unbeholfen spielt er mit dem Joint herum. »Ich werde den hier jetzt draußen rauchen. Wir sehen uns später.«

Ich schaffe es, meinen Seufzer zu unterdrücken, bis er gegangen ist. Dann stöhne ich laut und schlage mir gedanklich auf den Hinterkopf. Verdammt noch mal. Ich weiß nicht, warum ich immer wieder Versuche unternehme, mit Jungs zu reden. Jedes Mal, wenn ich eine Unterhaltung beginne, bin ich nervös, weil ich Angst habe, mich zu blamieren. Und dann blamiere ich mich, weil ich so nervös bin. Ein aussichtsloses Unterfangen.

Seufzend gehe ich nach unten und suche im Erdgeschoss nach Ramona. In der Küche stehen lauter Bierfässer und Verbindungsbrüder. Das Gleiche gilt fürs Esszimmer. Das Wohnzimmer ist voll mit sehr lauten, sehr betrunkenen Typen und jeder Menge leicht bekleideter Mädchen. Ich bewundere sie für ihren Mut, denn draußen ist es eiskalt, und die Tür geht schon den ganzen Abend ständig auf und zu, was dazu führt, dass die kalte Luft durch das ganze Haus strömt. Ich hingegen fühle mich in meiner engen Jeans und meinem Pulli wohlig warm.

Ich kann meine Freundin nirgends entdecken. Während aus den Boxen Hip-Hop-Musik dröhnt, hole ich mein Handy aus der Tasche, um auf die Uhr zu schauen, und stelle fest, dass es schon fast Mitternacht ist. Auch nach acht Monaten in Briar überkommen mich immer noch leichte Schuldgefühle, wenn ich später als dreiundzwanzig Uhr unterwegs bin. Zu dieser Uhrzeit musste ich immer daheim sein, als ich noch zu Hause gewohnt habe. Mein Vater war ein richtiger Pedant, wenn es um Sperrstunden ging. Eigentlich ist er in jeder Hinsichtein richtiger Pedant. Ich bezweifle, dass er in seinem Leben auch nur eine einzige Regel gebrochen hat. Und ich wundere mich umso mehr, wie er und meine Mutter es geschafft haben, so lange verheiratet zu sein. Meine freiheitsliebende Mutter ist genau das Gegenteil von meinem spießigen, strengen Vater, aber das beweist wohl die Theorie, dass Gegensätze sich anziehen.

»Gracie!«, höre ich eine weibliche Stimme über die Musik hinweg, und schon erscheint Ramona vor mir und umarmt mich überschwänglich.

Als sie einen Schritt zurücktritt, muss ich nur einen Blick auf ihre glänzenden Augen und ihre roten Wangen werfen, um zu wissen, dass sie betrunken ist. Sie ist genauso spärlich bekleidet wie die meisten anderen Mädchen im Raum. Ihr kurzer Rock bedeckt kaum ihre Oberschenkel, und ihr rotes Trägertop legt jede Menge Ausschnitt frei. Und die Absätze ihrer Lederstiefel sind so hoch, dass ich keine Ahnung habe, wie sie darin laufen kann. Aber sie sieht fantastisch aus und zieht jede Menge bewundernde Blicke auf sich, als sie sich bei mir unterhakt.

Ich bin mir sicher, wenn uns die Leute nebeneinander sehen, fragen sie sich, wie es möglich sein kann, dass wir Freundinnen sind. Manchmal frage ich mich das auch.

In der Highschool war Ramona die Spaßkanone, die hinter dem Gebäude Zigaretten geraucht hat. Ich hingegen war das brave Mädchen, das bei der Schülerzeitung mitgearbeitet und die ganzen Wohltätigkeitsveranstaltungen organisiert hat. Wären wir nicht direkte Nachbarn gewesen, hätten Ramona und ich uns wahrscheinlich nie kennengelernt. Aber der tägliche gemeinsame Schulweg hat zu einer pragmatischen Freundschaft geführt, aus der schließlich eine richtige Bindung geworden ist. Die Bindung war so fest, dass wir uns an denselben Unis beworben haben, und als wir beide eine Zusage von Briar bekamen, haben wir meinen Vater gebeten, mit der Studentenwohnheimsverwaltung zu reden, damit wir ins gleiche Zimmer kommen.

Obwohl unsere Freundschaft am Anfang des Jahres noch richtig dick war, kann ich nicht leugnen, dass wir uns ein bisschen auseinandergelebt haben. Ramona ist wahnsinnig damit beschäftigt, Jungs kennenzulernen und beliebt zu sein. Sie redet über nichts anderes mehr, und seit geraumer Zeit nervt mich das ein wenig.

Verdammt. Allein dieser Gedanke gibt mir das Gefühl, eine schlechte Freundin zu sein.

»Ich habe gesehen, wie du mit Matt nach oben gegangen bist!«, zischt sie mir ins Ohr. »Habt ihr rumgemacht?«

»Nein«, sage ich niedergeschlagen. »Ich glaube, ich habe ihn vertrieben.«

»O nein. Du hast ihm doch nicht etwa von deiner Marionettenphobie erzählt, oder?«, fragt sie mich und seufzt. »Süße, du musst wirklich damit aufhören, deine Ticks schon am Anfang zu offenbaren. Im Ernst, spar dir das auf, bis du in einer festen Beziehung bist. Dann ist es für den Typen viel schwieriger davonzulaufen.«

Ich muss lachen. »Danke für den Tipp.«

»Können wir gehen, oder willst du noch ein bisschen bleiben?«

Ich schaue noch einmal durch den Raum. Mein Blick landet in der Ecke, in der zwei Mädchen in Jeans und BH miteinander rumknutschen, während ein Omega-Phi-Student das leidenschaftliche Schauspiel mit seinem iPhone filmt.

Ich wette zehn Dollar, dass das Video auf einer dieser kostenlosen Pornoseiten landet. Und die armen Mädchen werden es wahrscheinlich erst in ein paar Jahren erfahren, wenn eine von ihnen einen Senator heiraten will und die Presse alle schmutzigen Geheimnisse aus ihrer Vergangenheit ans Tageslicht befördert.

»Ich habe nichts dagegen, jetzt zu gehen«, erkläre ich.

»So geht’s mir auch«, erwidert Ramona.

Ich runzle die Stirn. »Seit wann verlässt du freiwillig eine Party vor Mitternacht?«

Sie blickt mich missmutig an. »Es hat wenig Sinn, länger hierzubleiben. Ich hab mein Glück schon bei einem Typen versucht.«

Ich muss gar nicht erst fragen, von wem sie redet – es ist der Kerl, von dem sie seit dem ersten Tag des Semesters redet.

Dean Heyward-Di Laurentis.

Seit sie dem hübschesten Studenten des vorletzten Semesters in einem Café auf dem Campus begegnet ist, ist Ramona wie besessen von ihm. Und ich meine wirklich besessen. Sie hat mich zu jedem Heimspiel der Eishockeymannschaft geschleppt, um Dean in Action zu sehen. Ich muss zugeben, der Typ ist wirklich scharf. Und wenn man den Gerüchten glaubt, ist er auch ein fantastischer Eishockeyspieler. Aber zu Ramonas Leidwesen geht Dean nicht mit Studentinnen aus dem ersten Semester aus. Oder schläft mit ihnen, was eigentlich alles ist, was sie von ihm will. Ramona ist nie länger als eine Woche mit einem Kerl zusammen.

Der einzige Grund, warum sie heute zu dieser Party kommen wollte, war der, dass sie gehört hat, Dean würde hier sein. Aber anscheinend macht der Kerl keine Ausnahme von seiner Regel in Sachen neue Studentinnen. Ganz egal, wie oft Ramona sich schon an ihn rangeschmissen hat, er ist immer mit einer anderen nach Hause gegangen.

»Ich muss noch schnell auf die Toilette«, sage ich. »Treffen wir uns draußen?«

»Okay, aber beeil dich. Ich habe Jasper gesagt, dass wir fahren, und er wartet schon im Auto.«

Sie verschwindet in Richtung Haustür und lässt mich mit einem unbehaglichen Gefühl zurück. Nett, dass sie mich gefragt hat, ob ich gehen will, obwohl sie die Entscheidung für uns bereits getroffen hat.

Aber ich schlucke das Gefühl runter und erinnere mich daran, dass es schon immer so war und dass es mich in der Vergangenheit nie gestört hat. Wenn sie nicht die Entscheidungen für uns treffen und mich dazu zwingen würde, meine Komfortzone zu verlassen, hätte ich wahrscheinlich das ganze erste Studienjahr damit verbracht, für die Unizeitung Kolumnen zu schreiben und Jugendlichen Tipps für ihr Leben zu geben, ohne jemals selbst gelebt zu haben.

Aber trotzdem wünschte ich manchmal, Ramona würde mich wenigstens nach meiner Meinung fragen, bevor sie entscheidet, was wir tun.

Vor der Toilette im Erdgeschoss ist eine lange Schlange, also gehe ich nach oben, wo Matt und ich uns vorhin unterhalten haben. Ich will gerade ins Badezimmer, als die Tür auffliegt und eine hübsche Blondine herausstürmt.

Sie zuckt zusammen, als sie mich sieht. Dann grinst sie mich verschmitzt an und zupft ihr Kleid zurecht, das mehr als freizügig ist. Ich kann sogar den Rand ihres rosa Slips sehen.

Als ich spüre, wie ich erröte, wende ich meinen Blick beschämt ab und warte, bis sie die Treppe hinuntergegangen ist, bevor ich nach der Türklinke greife. In diesem Moment öffnet sich die Tür erneut, und noch jemand kommt heraus.

Ich blicke in die blauesten Augen, die ich jemals gesehen habe. Schon im nächsten Moment weiß ich, wer da vor mir steht, und meine Wangen werden feuerrot.

Es ist John Logan.

Jawohl, John Logan. Auch bekannt als der Starverteidiger der Eishockeymannschaft. Das weiß ich nicht nur, weil Ramona seinem Freund Dean schon seit Monaten hinterherläuft, sondern auch, weil sein markantes Gesicht letzte Woche das Cover der Unizeitung geziert hat. Seit die Mannschaft Meister geworden ist, hat die Zeitung mit allen Spielern Interviews geführt, und ehrlich gesagt war Logans Interview das einzige, das mich interessiert hat.

Denn der Typ ist absolut scharf.

Genau wie die Blondine scheint er überrascht zu sein, mich auf dem Flur zu sehen, und wie die Blondine erholt auch er sich schnell von seinem Schock und grinst mich an.

Dann zieht er den Reißverschluss seiner Hose zu.

O mein Gott.

Ich kann nicht glauben, was ich da eben gesehen habe. Mein Blick bleibt an seinem Schritt hängen, aber das scheint ihn nicht im Geringsten zu stören. Er zieht eine Augenbraue hoch, zuckt mit den Schultern und geht davon.

Spätestens das hätte mich abstoßen müssen, mal ganz abgesehen von dem offensichtlichen Techtelmechtel auf der Toilette. Allein durch die Sache mit dem Reißverschluss müsste ich ihn in dieselbe Schublade stecken wie die anderen Vollidioten.

Aber stattdessen fühle ich etwas wie unerwartete Eifersucht in mir aufsteigen, als ich daran denke, dass er eben gerade mit diesem Mädchen auf der Toilette Sex gehabt hat.

Ich sage nicht, dass ich mit irgendeinem Kerl Sex auf der Toilette haben will, aber …

Okay, das ist gelogen. Ich will es unbedingt. Zumindest mit John Logan. Allein der Gedanke, wie seine Hände und Lippen mich überall berühren, sendet heiße Blitze durch meinen Körper.

Warum kann ich nicht mit Jungs auf der Toilette rummachen? Ich bin Studentin, verdammt. Ich sollte Spaß haben und Fehler machen und mich selbst finden, aber ich habe dieses Jahr noch nichts dergleichen getan. Ich lebe eigentlich nur durch Ramona und sehe ihr dabei zu, wie sie Risiken eingeht und neue Dinge ausprobiert, während ich das brave Mädchen bin und das vorsichtige Leben führe, das mir mein Vater schon gepredigt hat, als ich noch Windeln anhatte.

Dabei habe ich es satt, vorsichtig zu sein. Ich bin es leid, das brave Mädchen zu sein. Das Semester ist fast vorbei. Ich muss noch für zwei Prüfungen lernen und eine Hausarbeit in Psychologie schreiben. Aber wer sagt, dass ich nebenbei nicht auch ein bisschen Spaß haben kann?

Es sind nur noch ein paar Wochen übrig von meinem ersten Jahr an der Uni. Und ich habe gerade entschieden, das Beste aus ihnen zu machen.

Ich habe beschlossen, es mit dem Feiern jetzt langsamer angehen zu lassen. Und zwar nicht nur, weil ich gestern so betrunken war, dass Tucker mich in mein Zimmer tragen musste. Ich konnte nämlich nicht mehr alleine laufen.

Allerdings muss ich zugeben, dass die gestrige Party einer der Hauptgründe für meine Entscheidung war. Jetzt ist Freitagabend, und ich habe nicht nur eine Einladung zu einer Party von einem Teamkollegen ausgeschlagen, sondern ich nippe auch noch an demselben Glas Whiskey, das ich mir vor über einer Stunde eingeschenkt habe. Und ich habe kein einziges Mal an dem Joint gezogen, den Dean mir ständig unter die Nase hält.

Wir bleiben heute Abend daheim und trotzen der Aprilkälte in unserem kleinen Garten. Ich ziehe an meiner Zigarette, während Dean, Tucker und unser Teamkollege Mike Hollis den Joint herumreichen. Mit einem Ohr lausche ich Deans überaus vulgärer Schilderung seines One-Night-Stands von letzter Nacht. Währenddessen wandern meine Gedanken zu meinem kleinen Quickie – mit dieser teuflisch gut aussehenden Verbindungsschwester, die mich nach oben auf die Toilette gelockt und mich dort verführt hat.

Ich war zwar betrunken, und mein Erinnerungsvermögen ist vielleicht nicht mehr ganz intakt, aber ich weiß noch genau, wie ich sie mit meinen Fingern befriedigt habe, bis sie gekommen ist. Noch besser kann ich mich daran erinnern, dass sie mir anschließend einen ziemlich spektakulären Blowjob gegeben hat. Aber ich habe nicht vor, Tucker davon zu erzählen, denn dieser neugierige Spinner scheint ja anscheinend eine Liste über meine One-Night-Stands zu führen.

»Moment, noch mal bitte. Was hast du gemacht?«

Hollis’ erstaunte Frage holt mich wieder in die Gegenwart zurück.

»Ich habe ihr ein Foto von meinem Schwanz geschickt.« Dean sagt das so, als ob es für ihn ganz alltäglich wäre.

Hollis glotzt ihn ungläubig an. »Im Ernst? Du hast ihr ein Foto von deinem Schwanz geschickt? Als Sexsouvenir, oder was?«

»Nein. Eher als Einladung zur zweiten Runde«, antwortet Dean grinsend.

»Und du glaubst wirklich, sie will noch einmal mit dir schlafen?«, hakt Hollis skeptisch nach. »Wahrscheinlich denkt sie, dass du ein kompletter Idiot bist.«

»Auf gar keinen Fall, Kumpel. Die Tussis stehen auf gute Penisfotos, glaub mir.«

Hollis presst seine Lippen zusammen, als ob er versuchen würde, ein Lachen zu unterdrücken. »Ja klar, sicher.«

Ich schnipse die Asche auf den Boden und nehme noch einen Zug. »Nur aus Neugierde: Was macht denn ein ›gutes Penisfoto‹ aus? Ich meine, ist es das Licht? Die Pose?«

Ich meine das natürlich sarkastisch, aber Dean antwortet ganz ernsthaft: »Nun ja, der Trick ist, dass du die Eier aus dem Spiel lassen musst.«

Das verleitet Tucker zu einem lauten Johlen, und er verschluckt sich fast an seinem Bier.

»Im Ernst«, beharrt Dean. »Hoden sind nicht besonders fotogen. Frauen wollen sie nicht sehen.«

Hollis kann sich das Lachen nicht mehr verkneifen, und sein Atem kommt in weißen Wölkchen aus seinem Mund, die in der Nachtluft verpuffen. »Du hast dir darüber anscheinend ziemlich viele Gedanken gemacht, Mann. Das ist irgendwie traurig.«

Jetzt muss ich auch lachen. »Das machst du also in deinem Zimmer, wenn du die Tür absperrst! Deinen Schwanz fotografieren!«

»Jetzt tut doch nicht so, als wäre ich der Einzige, der jemals ein Foto von seinem Schwanz gemacht hat.«

»Du bist der Einzige«, sagen Hollis und ich wie aus einem Mund.

»So ein Blödsinn. Ihr lügt.« Dean stellt fest, dass Tucker noch gar nichts dazu gesagt hat, und fängt sofort damit an, auf dem Schweigen unseres armen Teamkollegen herumzureiten. »Ha. Ich wusste es!«

Ich runzle die Stirn und werfe Tucker einen Blick zu. Es lässt sich nicht eindeutig feststellen, ob er unter seinem Bart rot wird oder nicht. »Im Ernst, Mann? Wirklich?«

Er grinst uns achselzuckend an. »Erinnert ihr euch noch an das Mädchen, mit dem ich letztes Jahr ausgegangen bin? Sheena? Na ja, sie hat mir ein Foto von ihren Brüsten geschickt. Ich musste ihr also auch einen Gefallen tun.«

»Schwanz gegen Titten?«, meint Dean. »Hey, sie hat dich reingelegt. Das kann man doch überhaupt nicht vergleichen.«

»Was ist denn dann das Gegenstück zu Brüsten?«, fragt Hollis neugierig.

»Eier«, erklärt Dean, bevor er einen tiefen Zug vom Joint nimmt. Er stößt einen weißen Rauchkringel in die Luft, und wir alle müssen über seine Bemerkung lachen.

»Du hast doch gerade gesagt, Frauen wollen keine Eier sehen«, sagt Hollis.

»Das stimmt ja auch. Aber jeder Idiot weiß, dass man für ein Penisfoto im Gegenzug ein Ganzkörperfoto von vorne bekommt.« Er verdreht die Augen. »Das ist doch logisch.«

Hinter mir räuspert sich jemand ziemlich laut.

Ich drehe mich um und sehe Hannah an der offenen Tür zum Garten stehen. Meine Brust zieht sich zusammen, dass es wehtut. Sie trägt Leggins und eins von Garretts Eishockeytrikots. Ihr dunkles Haar fällt ihr offen über die Schulter. Sie sieht atemberaubend aus.

Ich muss der schlimmste Freund der Welt sein, denn plötzlich stelle ich sie mir in einem von meinen Shirts vor. Mit meiner Nummer auf dem Rücken.

So viel dazu, die Sache zu akzeptieren und nach vorn zu blicken.

»Nur damit ich es nicht falsch verstehe«, sagt sie langsam. »Ihr Jungs unterhaltet euch allen Ernstes darüber, Mädchen Fotos von euren Penissen zu schicken?« Ihre Augen glitzern belustigt.

Dean schnaubt. »Und ob wir das tun. Und jetzt verdreh nicht so die Augen, Wellsy. Du willst uns doch wohl nicht weismachen, dass Garrett dir noch kein Foto von seinem Schwanz geschickt hat?«

»Diese Frage verdient keine Antwort.« Sie seufzt und lehnt ihren Arm an den Türrahmen. »Garrett und ich bestellen Pizza. Wollt ihr auch eine? Und dann schauen wir uns im Wohnzimmer einen Film an. Er ist mit Aussuchen an der Reihe, also gehe ich davon aus, dass es ein schrecklicher Actionfilm werden wird. Also, falls ihr Lust habt …«

Tucker und Dean stimmen sofort begeistert zu, aber Hollis schüttelt bedauernd den Kopf. »Vielleicht beim nächsten Mal. Ich habe am Montag meine letzte Prüfung und werde den Rest des Wochenendes wohl mit Lernen verbringen.«

»Oh, na dann viel Glück.« Sie lächelt ihm zu, bevor sie den Türrahmen loslässt und wieder ins Haus tritt. »Wenn ihr ein Wörtchen bei der Pizza mitreden wollt, dann solltet ihr besser reinkommen. Sonst bestelle ich sie komplett vegetarisch. Ach, und Logan, was ist denn das?« Ihre grünen Augen blicken mich ernst an. »Ich dachte, du rauchst nur auf Partys. Muss ich dir dafür jetzt den Hintern versohlen?«

»Ich würde gerne sehen, wie du das versuchst, Wellsy.« Meine Stimme klingt amüsiert, aber in dem Moment, in dem sie im Haus verschwindet, verpufft auch mein Humor.

Ihre Gegenwart ist für mich wie ein Schlag in die Magengrube. Und der Gedanke daran, mit ihr und Garrett im Wohnzimmer zu sitzen, Pizza zu essen und einen Film anzuschauen, während die beiden Turteltauben die ganze Zeit miteinander kuscheln – das ist hundertmal schlimmer als ein Schlag in die Magengrube. Eher wie ein ganzes Eishockeyteam, das dich an die Bande presst.

»Wisst ihr was? Ich gehe vielleicht doch zu Danny. Nimmst du mich mit zu den Wohnheimen?«, frage ich Hollis. »Ich würde ja selbst fahren, aber ich weiß nicht, ob ich dort trinken werde.«

Dean drückt den Joint aus. »Du wirst dort nicht trinken, Mann. Dannys Wohnheimwache ist ein absoluter Nazi. Er geht durch die Gänge und kontrolliert immer wieder die Zimmer. Kein Witz.«

Das ist mir egal. Ich weiß nur, dass ich nicht hierbleiben kann. Ich kann nicht mit Hannah und Garrett zusammen in einem Raum sein, zumindest nicht, bevor ich es geschafft habe, meine dumme Schwärmerei für sie in den Griff zu bekommen.

»Dann trinke ich eben nichts. Ich brauche nur einen Tapetenwechsel. Ich war schon den ganzen Tag daheim.«

»Einen Tapetenwechsel, wie?« Tuckers Blick sagt mir, dass er meine Gedanken lesen kann.

»Ja«, sage ich betont locker. »Hast du ein Problem damit?«

Tucker antwortet mir nicht.

Ich verabschiede mich von den beiden und folge Hollis zum Auto.

Fünfzehn Minuten später stehe ich im zweiten Stock des Fairview House, und es ist so unglaublich still, dass meine Laune noch weiter sinkt. Verdammt, der Wohnheimbetreuer muss wirklich ein harter Brocken sein. Ich höre keinen Mucks aus einem der Zimmer, und ich kann Danny nicht einmal anrufen, um herauszufinden, ob die Party womöglich abgesagt wurde, weil ich bei meiner hastigen Flucht aus dem Haus vergessen habe, mein Handy mitzunehmen.

Ich war noch nie in Dannys Wohnheim, also bleibe ich einen Moment lang im Gang stehen und versuche, mich daran zu erinnern, welche Zimmernummer er mir in seiner SMS geschrieben hat. Zweihundertzwanzig? Oder war es zweihundertdreißig? Ich gehe an den Türen vorbei und betrachte die Zahlen. Mein Problem löst sich von selbst, als ich sehe, dass es gar kein Zimmer mit der Nummer zweihundertdreißig gibt.

Dann also zweihundertzwanzig.

Ich klopfe an die Tür, und gleich darauf höre ich von drinnen Schritte. Immerhin ist jemand da. Das ist ein gutes Zeichen.

Dann geht die Tür auf, und ich stehe einer völlig Fremden gegenüber. Zugegebenermaßen einer ziemlich hübschen Fremden, aber dennoch einem Mädchen, das ich nicht kenne.

Die junge Frau blinzelt überrascht, als sie mich sieht. Ihre hellbraunen Augen haben die gleiche Farbe wie ihr Haar, das ihr in einem langen Zopf über die Schulter hängt. Sie trägt eine schlichte weite Hose und ein schwarzes Sweatshirt mit dem Logo der Universität. Aufgrund der Stille im Raum hinter ihr muss ich davon ausgehen, dass ich an der falschen Tür geklopft habe.

»Hi«, sage ich unbeholfen. »Also … na ja … ich nehme mal an, das ist nicht Dannys Zimmer?«

»Nein.«

»Scheiße.« Ich verziehe die Mundwinkel. »Er hat Zimmer Nummer zweihundertzwanzig gesagt.«

»Dann muss einer von euch falschliegen. Und ich glaube, es gibt in diesem Stockwerk auch niemanden mit dem Namen Danny. Ist er im ersten Semester?«

»Nein, im vorletzten.«

»Oh. Dann wohnt er mit Sicherheit nicht hier. Hier wohnen nur Erstsemester.« Während sie spricht, spielt sie mit ihrem Zopf und blickt mir kein einziges Mal in die Augen.

»Scheiße«, murmle ich erneut.

»Bist du dir sicher, dass dein Freund Fairview House gesagt hat?«

Ich zögere. Ich war mir sicher, aber jetzt bin ich es nicht mehr. Danny und ich unternehmen fast nie etwas zusammen. Zumindest nicht nur zu zweit. Meistens sehe ich ihn auf Partys nach den Spielen, oder er kommt mit anderen aus der Mannschaft zu uns nach Hause.

»Ich habe keine Ahnung«, antworte ich seufzend.

»Warum rufst du ihn nicht an?« Sie meidet meinen Blick immer noch. Jetzt starrt sie auf ihre gestreiften Wollsocken, als wären sie das Faszinierendste, das sie je gesehen hat.

»Ich habe mein Handy zu Hause vergessen.« Verdammt. Ich fahre mir durchs Haar, während ich nachdenke, was ich jetzt tun soll. Meine Haare werden zu lang, und ich muss sie unbedingt schneiden lassen, aber ich vergesse es ständig. »Könnte ich vielleicht deins benutzen?«

»Äh … klar.«

Sie öffnet die Tür und lässt mich eintreten. Es ist eines dieser typischen Doppelzimmer, in denen es alle Möbel in doppelter Ausführung gibt. Während die eine Seite des Zimmers tipptopp aufgeräumt aussieht, ist die andere Seite das krasse Gegenteil. Dieses Mädchen und ihre Mitbewohnerin haben definitiv sehr unterschiedliche Vorstellungen von Ordnung.

Aus irgendeinem Grund überrascht es mich gar nicht, als sie auf die aufgeräumte Seite geht, denn sie macht auf jeden Fall den Eindruck, als wäre sie die Ordentlichere der beiden. Sie geht zum Schreibtisch und nimmt ein Handy vom Ladegerät. Dann reicht sie es mir. »Hier.«

Sobald sie mir das Handy gegeben hat, stellt sie sich wieder an die Tür.

»Du musst nicht so weit weg stehen«, sage ich trocken. »Außer, du hast vor zu fliehen.«

Ihre Wangen werden rot.

Grinsend wische ich über das Display und suche nach der Tastatur. »Keine Angst. Ich will nur dein Telefon benutzen. Ich werde dich nicht umbringen.«

»Oh, das weiß ich. Oder zumindest denke ich, dass ich das weiß«, stottert sie. »Ich meine, du erweckst den Eindruck, als wärst du ein anständiger Typ, aber auf der anderen Seite kommen einem die meisten Serienmörder wahrscheinlich anständig vor, wenn man ihnen zum ersten Mal begegnet. Wusstest du eigentlich, dass Ted Bundy ziemlich charmant war? Wie verrückt ist das denn? Stell dir vor, du triffst diesen wirklich süßen, charmanten Typen, und du denkst, er ist total perfekt, und dann bist du bei ihm zu Hause und entdeckst in seinem Keller eine Trophäensammlung mit Anzügen aus Haut und Barbiepuppen, denen die Augen fehlen und …«

»Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du echt viel redest?«

Jetzt werden ihre Wangen noch röter. »Tut mir leid. Manchmal fange ich an draufloszuplappern, wenn ich nervös bin.«

Ich grinse sie an. »Ich mache dich also nervös?«

»Nein. Oder doch, vielleicht ein bisschen. Ich meine, ich kenne dich nicht, und … na ja. Sprich mit keinem Fremden und so. Obwohl ich mir sicher bin, dass du nicht gefährlich bist«, fügt sie hastig hinzu. »Aber du weißt ja …«

»Richtig. Ted Bundy«, werfe ich ein und muss mich zusammenreißen, um nicht zu lachen.

Sie blickt nach unten und spielt wieder mit ihrem Zopf. Ich nutze die Gelegenheit, sie eingehender zu betrachten. Mann, sie ist wirklich hübsch. Nicht atemberaubend schön oder so, aber sie hat diese frische Ausstrahlung eines Mädchens von nebenan, die auf mich ziemlich anziehend wirkt. Sommersprossen auf der Nase, feine Gesichtszüge und weiche, seidige Haut wie aus einer Make-up-Werbung.

»Telefonierst du jetzt?«

Mir fällt plötzlich wieder ein, warum ich eigentlich hier bin. Ich starre das Handy in meiner Hand an und betrachte die Tastatur jetzt genauso eingehend, wie ich gerade noch das Mädchen betrachtet habe.

»Nur mal so als Tipp: Nimm deine Finger zum Wählen, und dann drückst du auf den grünen Hörer.«

Ihr unverhohlenes Grinsen bringt mich zum Lachen. »Toller Tipp. Aber …« Ich seufze laut auf. »Mir ist nur gerade eingefallen, dass ich seine Nummer nicht auswendig kenne. Ich habe sie in meinem Handy gespeichert.«

Verdammt. Ist das die Strafe dafür, dass ich verbotenerweise auf Garretts Freundin stehe? An einem Freitagabend weitab von unserem Haus ohne Telefon und ohne Auto dazustehen? Ich nehme an, das habe ich verdient.

»Egal, ich werde mir ein Taxi rufen«, entscheide ich schließlich. Zum Glück weiß ich die Nummer vom Taxiservice der Uni auswendig und wähle stattdessen die. Aber ich werde sofort in die Warteschleife befördert. Kaufhausmusik dröhnt in meinen Ohren, und ich unterdrücke ein Stöhnen.

»Du bist in der Warteschleife gelandet, oder?«

»Ja.« Ich blicke sie an. »Ich bin übrigens Logan. Danke, dass ich dein Handy benutzen darf.«

»Kein Problem. Ich heiße Grace.«

Ein Klicken ertönt in meinem Ohr, aber anstatt mich mit jemandem zu verbinden, höre ich ein weiteres Klicken und dann wieder Musik. Das überrascht mich gar nicht. Es ist Freitagabend, da herrscht immer Hochbetrieb beim Taxiservice. Wer weiß, wie lange ich noch warten muss.

Ich setze mich auf die Kante des ordentlicheren Betts und versuche, mich an die Nummer des Taxiunternehmens in Hastings zu erinnern. In der Stadt wohnen die meisten der Studenten, die nicht auf dem Campus leben. Auch das Haus unserer WG liegt am Stadtrand. Aber die Nummer fällt mir nicht ein. Ich seufze und lausche weiter der Pausenmusik. Mein Blick wandert zum geöffneten Notebook am anderen Ende des Bettes, und als ich erkenne, was auf dem Bildschirm zu sehen ist, blicke ich Grace überrascht an.

»Schaust du Stirb langsam?«

»Stirb langsam 2.« Sie sieht mich verlegen an. »Ich gönne mir einen Stirb-langsam-Abend. Bin gerade mit dem ersten Teil fertig.«

»Stehst du auf Bruce Willis?«

Da muss sie lachen. »Nein, ich stehe auf alte Actionfilme. Letztes Wochenende habe ich mir alle Teile von Lethal Weapon angeschaut.«

Die Musik in meinen Ohren verstummt und beginnt dann wieder von Neuem. Fluchend lege ich auf und drehe mich zu Grace um. »Könnte ich vielleicht dein Notebook benutzen, um die Nummer vom Taxiservice in Hastings rauszufinden? Vielleicht habe ich dort mehr Glück.«

»Natürlich.« Nach einem kurzen Zögern setzt sie sich neben mich und greift nach ihrem Laptop. »Ich mach ein neues Fenster für dich auf.«

Gerade als sie das aktuelle Fenster kleiner macht, läuft der Film wieder an. Lärm ertönt aus den Lautsprechern. Die Eingangsszene auf dem Flughafen füllt den Bildschirm, und ich lehne mich vor, um sie mir anzuschauen. »Die Szene ist total gut.«

»Finde ich auch. Ich liebe diese Szene. Eigentlich liebe ich den ganzen Film. Es ist mir egal, was die Leute sagen – er ist einfach großartig. Natürlich nicht so gut wie der erste Teil, aber auch nicht so schlecht, wie viele Leute denken.«

Sie will wieder auf Pause drücken, aber ich halte ihre Hand fest. »Können wir die Szene erst noch zu Ende schauen?«

Sie blickt mich überrascht an. »Ähm … na klar.« Sie schluckt und fügt hinzu: »Wenn du willst, kannst du auch bleiben und dir den ganzen Film ansehen.« In dem Moment, in dem sie die Einladung ausspricht, werden ihre Wangen feuerrot. »Außer natürlich, du musst noch woandershin.«

Ich überlege einen Augenblick und schüttle dann den Kopf. »Nein, ich muss nirgendwohin. Ich kann noch bleiben.«

Was habe ich schon für eine Alternative? Nach Hause gehen und dabei zusehen, wie Hannah und Garrett sich gegenseitig mit Pizza füttern und während des gesamten Films Küsschen austauschen?

»Cool«, kommentiert Grace.

Ich schmunzle. »Hast du erwartet, dass ich Nein sage?«

»Irgendwie schon«, gibt sie zu.

»Warum sollte ich? Im Ernst, wer würde schon einen Stirb-langsam-Abend ablehnen? Das Einzige, was die Sache noch besser machen würde, wäre etwas Alkohol.«

»Ich habe aber keinen.« Sie überlegt kurz. »Aber ich habe eine ganze Packung Gummibärchen in meiner Schreibtischschublade.«

»Heirate mich«, antworte ich sofort.

Lachend geht sie zum Schreibtisch, öffnet die unterste Schublade und holt eine riesige Packung Gummibärchen hervor. Als ich übers Bett rutsche und mich an die vielen Kissen am Ende lehne, kniet sich Grace vor den kleinen Kühlschrank neben dem Schreibtisch und fragt: »Wasser oder Pepsi?«

»Pepsi, bitte.«

Sie reicht mir die Gummibärchen und eine Dose Pepsi, setzt sich dann zu mir aufs Bett und stellt das Notebook zwischen uns auf die Matratze.

Ich schiebe mir ein Gummibärchen in den Mund und konzentriere mich auf den Bildschirm. Na gut, so habe ich mir diesen Abend zwar nicht vorgestellt, aber es gibt Schlimmeres.

John Logan ist in meinem Zimmer.

Nein, John Logan ist auf meinem Bett.

Darauf bin ich so was von nicht vorbereitet. Ich erwäge kurz, Ramona eine SOS-Nachricht zu schreiben und sie um Rat zu fragen, weil ich keine Ahnung habe, was ich tun oder sagen soll. Zum Glück schauen wir uns einen Film an, was bedeutet, dass ich nichts sagen und nur auf den Laptop starren, an den richtigen Stellen lachen und ganz nebenbei nicht daran denken sollte, dass der heißeste Typ von ganz Briar auf meinem Bett sitzt.

Und er ist nicht nur äußerlich heiß. Sein Körper strahlt auch von innen eine Hitze aus wie ein Ofen, und da mir von seiner puren Anwesenheit schon ganz heiß und schwindelig ist, komme ich durch die zusätzliche Wärme, die er ausstrahlt, richtig ins Schwitzen.

Ich versuche, mir unauffällig mein Sweatshirt auszuziehen, und lege es neben mich, aber die Bewegung hat Logan vom Film abgelenkt. Er dreht den Kopf in meine Richtung, und seine tiefblauen Augen begutachten mein enges Tanktop.

O Gott, er checkt meine Brüste ab. Und obwohl ich nur Körbchengröße B habe, könnte man bei seinem Gesichtsausdruck meinen, ich hätte die Oberweite eines Pornostars.

Als er bemerkt, dass ich ihn beim Starren erwischt habe, zwinkert er mir zu und richtet seinen Blick wieder auf den Bildschirm.

Auf meinem Bett sitzt tatsächlich ein Typ, der so etwas mit einem Augenzwinkern abtut.

Ich kann mich unmöglich auf den Film konzentrieren. Mein Blick ruht auf dem Bildschirm, aber meine Gedanken sind ganz woanders, nämlich bei dem Typen neben mir. Er ist viel größer, als ich gedacht habe. Unglaublich breite Schultern, ein muskulöser Oberkörper, lange Beine, die er von sich streckt. Ich habe ihn schon Eishockey spielen sehen und weiß, dass er auf dem Eis richtig Power hat, aber diesen starken Körper nur ein paar Zentimeter neben mir zu haben bringt mich innerlich zum Beben. Er sieht viel älter und männlicher aus als die Studenten aus dem ersten Semester, mit denen ich das Jahr über zu tun hatte.

Vielleicht liegt es daran, dass er schon im vorletzten Semester ist, du Dummkopf?

Richtig. Aber selbst in Anbetracht dessen kommt er mir älter vor. Er hat eine so männliche Ausstrahlung, dass ich ihm am liebsten die Kleider vom Leib reißen und ihn wie eine Kugel Eis vernaschen würde.

Ich stecke mir ein Gummibärchen in den Mund und hoffe, dass durch das Kauen ein bisschen Feuchtigkeit in meinen trockenen Hals kommt. Auf dem Bildschirm streitet sich McClanes Frau gerade mit dem lästigen Reporter, der den McClanes schon im ersten Teil Ärger eingebrockt hat, und plötzlich blickt Logan mich neugierig an.

»Hey, glaubst du, du könntest ein Flugzeug landen, wenn du keine andere Wahl hättest?«

Ich muss lachen. »Ich dachte, du kennst den Film. Du weißt schon, dass sie das Flugzeug nicht landen muss, oder?«

»Ja, das weiß ich. Aber ich frage mich trotzdem, was ich tun würde, wenn ich in einem Flugzeug wäre und der Einzige, der es landen könnte.« Er seufzt. »Ich denke nicht, dass ich das hinkriegen würde.«

Es überrascht mich, dass er das so schnell zugibt. Andere Jungs hätten bestimmt damit angegeben, dass sie dieses Ding im Schlaf landen könnten.

»Ich auch nicht«, gestehe ich. »Wenn überhaupt, würde ich alles nur noch schlimmer machen. Ich würde wahrscheinlich aus Versehen den Druck in der Kabine ablassen. Obwohl, nein. Ich habe Höhenangst, also würde ich wahrscheinlich schon in dem Moment in Ohnmacht fallen, in dem ich das Cockpit betrete und aus dem Fenster schaue.«

Er kichert heiser, und das Geräusch erzeugt Gänsehaut bei mir. »Vielleicht könnte ich einen Hubschrauber fliegen«, sinniert er. »Das ist wahrscheinlich einfacher, oder?«

»Glaubst du? Ganz ehrlich, ich habe keinen blassen Schimmer von Luftfahrt. Sag es bloß nicht weiter, aber ich bezweifle, dass ich überhaupt verstehe, warum ein Flugzeug in der Luft bleibt.«

Er lacht, und dann wenden wir uns beide wieder dem Film zu. Ich klopfe mir innerlich auf die Schulter, weil ich es gerade tatsächlich geschafft habe, eine komplette Unterhaltung mit einem Typen zu führen, ohne zusammenhangloses Zeug zu quasseln. Dafür habe ich einen Orden verdient.

Ich bin zwar immer noch total nervös, aber etwas an Logans Art beruhigt mich. Er ist so entspannt, und außerdem ist es ziemlich schwierig, sich von einem Kerl einschüchtern zu lassen, der gerade ein Gummibärchen nach dem anderen in sich reinstopft.

Während wir den Film schauen, schweift mein Blick alle paar Sekunden zu ihm rüber, und ich bewundere sein kantiges Profil. Seine Nase ist etwas schief, so als hätte er sie schon ein- oder zweimal gebrochen. Und diese sexy Wölbung seiner Lippen ist total verführerisch. Ich habe ein so dringendes Bedürfnis, ihn zu küssen, dass ich nicht mehr klar denken kann.

O Gott, ich bin so eine Träumerin, denn mich zu küssen ist wahrscheinlich so ziemlich das Letzte, an das er gerade denkt. Er ist hiergeblieben, um Stirb langsam anzuschauen, und nicht, um mit einer Studentin aus dem ersten Semester rumzuknutschen, die ihn vor einer Stunde noch mit Ted Bundy verglichen hat.

Ich konzentriere mich wieder auf den Film, aber ich habe jetzt schon Angst vor dem Moment, in dem er zu Ende ist. Dann wird Logan nämlich gehen.

Aber als der Abspann läuft, macht er keine Anstalten aufzustehen. Stattdessen sieht er mich an und fragt: »Was ist bei dir so los?«

Ich runzle die Stirn. »Was meinst du damit?«

»Es ist Freitagabend – wie kommt es, dass du in deinem Zimmer sitzt und Actionfilme schaust?«

Die Frage ärgert mich. »Was ist denn daran verkehrt?«

»Nichts.« Er zuckt mit den Schultern. »Ich frage mich nur, warum du nicht auf einer Party oder so bist.«

»Ich war gestern schon auf einer Party.« Erinnere ihn bloß nicht daran, dass du ihn gesehen hast. Erinnere ihn bloß nicht daran, dass du ihn gesehen hast. »Ich hab dich dort übrigens gesehen.«

Er sieht überrascht aus. »Wirklich?«

»Ja. Im Omega-Phi-Haus.«

»Hm … ich kann mich nicht an dich erinnern.« Er lächelt mich verlegen an. »Aber ich kann mich eigentlich an gar nichts mehr erinnern. Ich war ziemlich betrunken.«

Es versetzt mir einen kleinen Stich, dass er sich nicht an unsere Begegnung vor der Toilette erinnern kann, aber schon im nächsten Moment komme ich mir total blöd vor. Er war betrunken, und er hatte gerade einen Quickie mit einem anderen Mädchen hinter sich. Natürlich habe ich keinen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen.

»Hattest du Spaß auf der Party?« Zum ersten Mal, seit er in mein Zimmer gekommen ist, liegt ein seltsamer Tonfall in seiner Stimme, so als würde er versuchen, Small Talk zu machen, und sich dabei nicht sonderlich wohlfühlen.

»Ja, ich denke schon.« Ich halte inne. »Nein, das nehme ich zurück. Ich hatte Spaß, bis ich mich vor diesem Typen zum Affen gemacht habe.«

Das Unbehagen in seinem Blick verschwindet, und er schmunzelt. »Ja? Was hast du denn getan?«

»Ich habe wieder mal unkontrolliert drauflosgeplappert. Das ist wirklich eine schlechte Angewohnheit von mir.«

»Aber jetzt plapperst du nicht«, stellt er fest.

»Ja, jetzt. Hast du schon vergessen, dass ich dich vor zwei Stunden mit einem Serienmörder verglichen habe?«

»Glaub mir, das habe ich nicht vergessen.« Das Lächeln, das er mir zuwirft, lässt meinen Puls höherschlagen. O Gott, sein Lächeln ist total sexy! Sein Mund ist ein kleines bisschen schief, und seine Augen funkeln dabei so verspielt. »Ich mache dich also nicht mehr nervös?«

»Nein«, schwindele ich. Er macht mich total nervös. Schließlich handelt es sich um John Logan, einen der beliebtesten Studis an dieser Uni. Und ich bin nur Grace Ivers, eins von tausend Mädchen, die ihn toll finden.

Er betrachtet mich erneut von oben bis unten – ein heißer, prüfender Blick, der wie elektrischer Strom über meine Haut fließt. Diesmal ist das Interesse in seinem Blick nicht zu übersehen.

Sollte ich den ersten Schritt machen?

Bestimmt sollte ich das, oder?

Mich zu ihm beugen oder so. Ihn küssen. Oder ihn vielleicht bitten, mich zu küssen? Ich muss an meine Highschool-Zeiten zurückdenken und versuche, mich zu erinnern, wie es damals zu den Küssen gekommen ist. Haben die Jungs den ersten Schritt gemacht, oder war es eher ein einvernehmliches »Hey, lass uns knutschen!«? Aber ich habe natürlich noch nie einen Kerl geküsst, der auch nur annähernd so gut aussah wie dieser hier.

»Willst du lieber, dass ich jetzt gehe?«

Sein schroffer Tonfall reißt mich aus meinen Gedanken, und ich merke, dass ich ihn bestimmt eine volle Minute angestarrt habe, ohne ein Wort zu sagen.

Mein Mund ist so trocken, dass ich ein paarmal schlucken muss, bevor ich antworten kann. »Nein. Ich meine, du kannst gerne noch hierbleiben, wenn du willst. Wir können noch einen Film anschauen oder …«

Ich komme gar nicht dazu, den Satz zu vollenden, denn er rückt näher zu mir und berührt meine Wange. Mein Puls fängt an zu rasen, und die Worte bleiben mir im Hals stecken.

John Logan berührt meine Wange.

Seine Fingerspitzen sind rau und hinterlassen ein Prickeln auf meiner Haut. Und er riecht so gut, dass mir ganz schwindelig wird, wenn ich sein Aftershave einatme.

Behutsam fährt er mit den Fingern über meinen Wangenknochen, und ich muss mich zusammenreißen, damit ich nicht wie eine Katze schnurre. »Was tust du da?«, flüstere ich.

»Na ja, du hast so ausgesehen, als würdest du wollen, dass ich dich küsse.« Er blickt mich mit seinen blauen Augen an. »Also habe ich mir gedacht, ich mache das einfach.«